Heinrich Holland
Dialogmarketing und Kundenbindung mit Connected Cars Wie Automobilherstellern mit Daten und Vernetzung die optimale Customer Experience gelingt
Dialogmarketing und Kundenbindung mit Connected Cars
Heinrich Holland
Dialogmarketing und Kundenbindung mit Connected Cars Wie Automobilherstellern mit Daten und Vernetzung die optimale Customer Experience gelingt
Heinrich Holland Hochschule Mainz Mainz, Rheinland-Pfalz, Deutschland
ISBN 978-3-658-22928-3 ISBN 978-3-658-22929-0 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-22929-0 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer Gabler © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichenund Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Lektorat: Manuela Eckstein Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany
Vorwort
Die Digitalisierung macht auch vor der Automobilindustrie nicht Halt und führt zu einem grundlegenden Wandel, der maßgebliche Veränderungen sowohl beim Produkt Auto selbst als auch bei den Geschäftsmodellen impliziert. Die Industrie arbeitet an autonomen Fahrsystemen sowie an der Vernetzung des Fahrzeugs mit der Umwelt und anderen Verkehrsteilnehmern, den sogenannten Connected Cars. Als Connected Cars werden vernetzte Fahrzeuge verstanden, die mithilfe einer stetigen Internetverbindung überall und permanent online sind. Neue Marktteilnehmer aus anderen Branchen drängen auf den Markt der Automobilhersteller und intensivieren den ohnehin schon starken Wettbewerb. Marktführer wie Google und Apple entwickeln ihre eigenen vernetzten Fahrzeuge und investieren hohe Summen in diese Projekte. Diese internationalen IT-Konzerne verfügen im Gegensatz zu den Automobilherstellern über eine hohe Expertise hinsichtlich der digitalen Vernetzung und erhöhen spürbar den Innovationsdruck und den Verdrängungswettbewerb. Auch auf Konsumentenseite wächst der Wunsch, Smartphones aktiv als zentrales Steuerungselement des Fahrzeugs zu nutzen. Die Automobilindustrie steht vor großen Herausforderungen, den digitalen Wandel mit Connected Cars in Produkte, Wertschöpfungsketten sowie Geschäftsmodelle zu integrieren. Auch das Marketing im Automobilsektor muss innovativ erneuert werden. Im Dialogmarketing bieten sich neue Chancen für den Dialog mit den Kunden in Form von Connected Cars, die eine Möglichkeit bieten, den Kunden genauer zu kennen und individuell anzusprechen. Dadurch entstehen neue Geschäftspotenziale sowie die Chance, neue Anwendungsfelder für das Marketing zu finden und die Umsätze dadurch wieder zu steigern. Zahlreiche Personen und Unternehmen haben zu diesem Werk beigetragen, sie standen für Expertengespräche zur Verfügung und haben studentische Abschlussarbeiten ermöglicht und betreut. Viele der Experten, die ihr Fachwissen und ihre Einschätzungen beigetragen haben, legten Wert auf Anonymität, sodass in diesem Buch weitgehend auf die Nennung von Namen und Unternehmen verzichtet werden musste.
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Vorwort
Folgende Unternehmen haben in unterschiedlicher Weise ihre Expertise eingebracht: • Beratung: Capgemini, CSC, PWC, Avanade, GKK, IBM, Deutsche Bank Research, mecom film & tv • Zulieferer: Continental, Bosch • Automobilhersteller: Mercedes, Volkswagen, Opel, Porsche, etc. Zu besonderem Dank verpflichtet bin ich meinen Absolventen, die das Forschungsprojekt in ihren Abschlussarbeiten (Master- und Bachelorthesis) bearbeitet und einen Großteil der Recherchearbeit übernommen haben: • • • • • • • •
Sam Zand-Niapour (Kap. 5) Florian Pieroth (Kap. 8) Philipp Schmitt (Kap. 10, 11) Sinja Köhler (Kap. 7) Markus Heinze (Kap. 9) Franziska Restle (Kap. 3, 4) Sophie Frank (Kap. 2) Tilman Korfsmeyer (Kap. 6)
Mainz im August 2018
Prof. Dr. Heinrich Holland
Inhaltsverzeichnis
1
Vernetzung und neue Kanäle für die Marketingkommunikation . . . . . . . . 1 1.1 Vernetzung und Internet of Things. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.2 Wandel der Automobilbranche. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 1.3 Vernetzte Automobile. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 1.4 Connected Cars und Marketing. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 1.5 Connected Cars und Dialogmarketing. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1.6 Strategien deutscher Automobilhersteller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
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Digitale Dienstleistungen in der Automobilbranche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2.1 Wandel der Automobilbranche. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 2.1.1 Veränderungen des Markts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 2.1.2 Veränderungen im Konsumentenverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . 20 2.1.3 Bedeutung der Kundenbindung für die Automobilbranche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 2.2 Produktbegleitende digitale Dienstleistungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 2.2.1 Einfluss der Digitalisierung auf die Automobilindustrie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 2.2.2 Relevanz von digitalen Diensten für die Automobilbranche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 2.3 Transformation zum Serviceanbieter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 2.3.1 Integration digitaler Dienste in die Wertschöpfungskette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 2.3.2 Wettbewerbsvorteile von Automobilherstellern. . . . . . . . . . . . . 27 2.3.3 Service Excellence. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 2.3.4 Orientierung an Kundenbedürfnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2.3.5 Erfolgsentscheidende Kriterien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 2.4 Carsharing als neue Mobilitätsdienstleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 2.4.1 Neue Geschäftsmodelle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 2.4.2 Wirkungen von Carsharing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 VII
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Inhaltsverzeichnis
2.5
Herausforderungen bezüglich digitaler Dienste. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2.5.1 Probleme bei der Integration ins Geschäftsmodell . . . . . . . . . . 37 2.5.2 Herausforderungen in Bezug auf die Nutzung. . . . . . . . . . . . . . 39 2.6 Mercedes-Benz als Praxisbeispiel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 2.6.1 Einordnung von Mercedes-Benz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 2.6.2 Kundenbindung durch die digitale Plattform Mercedes me . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2.6.3 Carsharing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 2.6.4 Launch der neuen A-Klasse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 3
Connected Cars. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 3.1 Internet of Things. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 3.2 Connected Cars . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 3.2.1 Begriff und Voraussetzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 3.2.2 Vernetztes Fahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 3.2.3 Sicherheitsbasierte Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 3.2.4 Effizienzbasierte Funktionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 3.2.5 Informations- und Entertainmentsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 3.2.6 Assistiertes und automatisiertes Fahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 3.2.7 Gesundheitssysteme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 3.2.8 Nicht-technische Herausforderungen der Connected Cars . . . . 70 3.3 Datenerhebung und Datenschutz im Connected Car. . . . . . . . . . . . . . . . 72 3.3.1 Rechtliche Rahmenbedingungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 3.3.2 Datenerhebung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
4
Anwendungen und Potenziale von Connected Cars . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 4.1 Anwendungen bei namhaften Automobilherstellern. . . . . . . . . . . . . . . . 84 4.2 Potenziale durch Connected Cars . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 4.2.1 Entwicklungstendenzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 4.2.2 Potenziale für Anbieter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 4.2.3 Potenziale für Nutzer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
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Adoption von Connected Cars. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 5.1 Modell zur Untersuchung der Adoption von Innovationen. . . . . . . . . . . 104 5.1.1 Innovation Diffusion Theory. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 5.1.2 Initialer Entwurf eines Modelles zur Untersuchung der Adoption von Connected Cars durch den Endnutzer. . . . . . . . . 105 5.1.3 Überprüfung des initialen Modells zur Untersuchung der Adoption von Connected Cars durch die Endnutzer. . . . . . . . . 106
Inhaltsverzeichnis
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5.2
Forschungsdesign und -ergebnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 5.2.1 Qualitative Erhebung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 5.2.2 Einflussfaktoren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 5.2.3 Adoptionsfördernde Instrumente. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 5.2.4 Finales Modell für die Untersuchung der Adoption von Connected Cars durch die Endnutzer. . . . . . . . . 128 5.3 Fazit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 6
Potenziale der Connected Cars für das datenbasierte Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 6.1 Bedeutung der Connected Car Data für das Marketing. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 6.2 Zielgruppe für Connected Cars. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 6.3 Datenbasierte Marketingkonzepte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 6.3.1 Produktpolitik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 6.3.2 Preispolitik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 6.3.3 Distributionspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 6.3.4 Kommunikationspolitik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 6.3.5 Kundensegmentierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 6.4 Trenderkennung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 6.5 Weitere mögliche Nutzer von Connected Car Data. . . . . . . . . . . . . . . . . 148 6.5.1 Zulieferer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 6.5.2 Versicherer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 6.5.3 Telekommunikationsunternehmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 6.5.4 Verwaltungs- und Strafverfolgungsbehörden. . . . . . . . . . . . . . . 150 6.6 Monetarisierung der Connected Car Data. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 6.7 Fazit und Ausblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
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Dialogmarketing und Connected Cars. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 7.1 Entwicklung des Marketings. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 7.2 Dialogmarketing. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 7.2.1 Dialogmarketing und One-to-One Marketing. . . . . . . . . . . . . . 158 7.2.2 Medien des Dialogmarketings. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 7.2.3 Online-Marketing. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 7.2.4 Social Media-Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 7.2.5 Crossmediales Dialogmarketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 7.2.6 Individualisiertes One-to-One Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 7.2.7 Chancen und Risiken von One-to-One Marketing. . . . . . . . . . . 170 7.2.8 Rechtlicher Rahmen für One-to-One Marketing. . . . . . . . . . . . 171
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Inhaltsverzeichnis
7.3
Dialogmarketing im Connected Car . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 7.3.1 Einordnung in die Medien des Dialogmarketings. . . . . . . . . . . 172 7.3.2 Daten für das Dialogmarketing im Connected Car. . . . . . . . . . 172 7.4 Mobile Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 7.5 Anwendungsmöglichkeiten für Dialogmarketing in Connected Cars . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 7.6 Herausforderungen für Dialogmarketing in Connected Cars . . . . . . . . . 180 7.7 Qualitative Expertenbefragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 7.7.1 Methodologische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 7.7.2 Zusammensetzung der Experten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 7.7.3 Anwendungsmöglichkeiten für Dialogmarketing in Connected Cars . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 7.7.4 Herausforderungen für Dialogmarketing in Connected Cars . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 7.7.5 Fazit zu den Herausforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 7.7.6 Kundenmehrwert für die Zustimmung zur Datenspeicherung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 7.7.7 Chancen und Risiken für Dialogmarketing in Connected Cars . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 7.8 Handlungsempfehlungen für Automobilhersteller. . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 8
Anwendung des One-to-One Marketings bei Connected Cars. . . . . . . . . . . 211 8.1 Use Cases für One-to-One Marketing bei Connected Cars. . . . . . . . . . . 212 8.1.1 Sieben Use Cases. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 8.1.2 Personalisierte Produktempfehlungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 8.1.3 Parking Spot Finder. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 8.1.4 Car-Sharing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 8.1.5 Paketlieferung in den Kofferraum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 8.1.6 Real Time Traffic Information. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 8.1.7 Concierge Services. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 8.1.8 Predictive Maintenance. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 8.1.9 Bewertung der Use Cases. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 8.2 Konkretisierung der Use Cases zu Ablaufplänen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 8.2.1 Grundsätzlicher Aufbau. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 8.2.2 Flussdiagramme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 8.3 Hypothesen zum One-to-One Marketing bei Connected Cars. . . . . . . . . 223 8.4 Forschungsdesign der Experteninterviews. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 8.5 Auswertung der Interviews . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 8.5.1 Einleitende Fragen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 8.5.2 Diskussion der drei Use Cases. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227
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8.5.3 Umsetzbarkeit von One-to-One Marketing. . . . . . . . . . . . . . . . 231 8.5.4 Ad-hoc Fragen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 8.6 Bewertung der Hypothesen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 8.7 Fazit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 9
Kundenbindung durch Connected Cars. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 9.1 Grundlagen der Kundenbindung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 9.1.1 Begriff des Kundenbindungsmanagements. . . . . . . . . . . . . . . . 240 9.1.2 Zusammenhang zwischen Zufriedenheit, Loyalität und Bindung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 9.1.3 Wirkungen der Kundenbindung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 9.1.4 Wirkung der Kundenbindung auf den ökonomischen Erfolg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 9.2 Customer Relationship Management. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 9.3 CRM in der Automobilindustrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 9.4 Kundenbindung durch Connected Cars. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 9.4.1 Maßnahmen zur Steigerung der Kundenbindung . . . . . . . . . . . 251 9.4.2 Nutzung generierter Daten zur Kundenbindung . . . . . . . . . . . . 252 9.4.3 Dienste und Technologien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 9.4.4 Kundenbindung durch Over-the-Air-Services. . . . . . . . . . . . . . 257 9.4.5 Anwendungsbeispiel: Aufbau eines CRM-Systems am Beispiel Porsche. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 9.5 Chancen zur Kundenbindung in der Automobilbranche durch Vernetzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 9.6 Fazit zur Kundenbindung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265
10 Connected Cars und Digitalisierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 10.1 Einordnung der Connected Cars in die Digitalisierung. . . . . . . . . . . . . . 270 10.1.1 Digitalisierung und digitale Transformation . . . . . . . . . . . . . . . 270 10.1.2 Internet of Things. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 10.1.3 Künstliche Intelligenz und Maschinenlernen. . . . . . . . . . . . . . . 273 10.2 Grundbegriffe Connected Car und Car IT. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 10.3 IT-Architektur und Datenquellen des Connected Car. . . . . . . . . . . . . . . 276 10.3.1 IT-Architektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 10.3.2 Prozessbeteiligte der Car IT. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 10.3.3 Module, IT-Systeme und Datenbanken der Car IT . . . . . . . . . . 278 10.3.4 Erläuterung der IT-Architektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 10.3.5 Datenquellen des Connected Car. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280
XII
Inhaltsverzeichnis
10.4 Big Data Analytics im Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 10.4.1 Volume, Variety, Velocity, Value und Veracity von Big Data . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 10.4.2 Business Intelligence, Business Analytics und Big Data Analytics . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 10.4.3 Herausforderungen von Big Data Analytics . . . . . . . . . . . . . . . 285 10.5 Datenquellen für Big Data Analytics im Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . 289 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 11 Big Data Analytics und Connected Cars. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 11.1 Anwendungsfelder von Big Data Analytics im Marketing. . . . . . . . . . . 296 11.1.1 One-to-One-Marketing und das Segment of One . . . . . . . . . . . 296 11.1.2 Product: Preconfigured Mass Customisation. . . . . . . . . . . . . . . 298 11.1.3 Price: Differentiated Dynamic Pricing. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 11.1.4 Promotion: Self-Learning Touchpoint Customisation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 11.2 Anwendungsfälle für Big Data Analytics im Marketing der Autohersteller. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 11.2.1 Individualisierung von Product, Price und Promotion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 11.2.2 Preconfigured Mass Customisation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 11.2.3 Differentiated Dynamic Pricing. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 11.2.4 Self-Learning Touchpoint Customisation . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 11.3 Expertenbefragung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 11.3.1 Hypothesen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 11.3.2 Auswahl der Forschungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 11.3.3 Auswahl der Experten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 11.3.4 Ergebnispräsentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 11.3.5 Abschließende Bewertung der Hypothesen. . . . . . . . . . . . . . . . 311 11.4 Fazit zu Big Data Analytics durch Connected Cars. . . . . . . . . . . . . . . . . 312 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313
Über den Autor
Prof. Dr. Heinrich Holland lehrt an der University of Applied Sciences Mainz. Er war Mitgründer und Akademieleiter der Deutschen Dialogmarketing Akademie (DDA) und ist Mitglied zahlreicher Beiräte und Jurys, z. B. Alfred Gerardi Gedächtnispreis für wissenschaftliche Arbeiten im Dialogmarketing, MAX-Award und viele andere. Heinrich Holland hat 23 Bücher und knapp 300 Aufsätze veröffentlicht, sein Standardwerk „Direktmarketing“ ist in einer russischen Lizenzausgabe erschienen. Im Jahr 2004 wurde er in die Hall of Fame des Direktmarketings aufgenommen. Er hält Vorträge im In- und Ausland und berät namhafte Unternehmen. Kontakt: E-Mail:
[email protected]
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Vernetzung und neue Kanäle für die Marketingkommunikation
Zusammenfassung
Ein großes Potenzial für die Automobilindustrie bietet die wachsende Vernetzung. Mit der zunehmenden Verbreitung der Smartphones, des Internet of Things und dem damit einhergehenden digitalen Lebensstil kommt auch der Vernetzung von Fahrzeugen eine stärkere Bedeutung zu. Mit dem Einzug des Internets steht die Automobilindustrie vor einer digitalen Revolution, die das Marktgleichgewicht derzeit fundamental verändert. Wie Tesla und Google als branchenfremde Player bereits eindrucksvoll bewiesen haben, sind das Connected Car und autonomes Fahren von futuristischen Spinnereien zur technisch umsetzbaren Realität avanciert. Mit der Digitalisierung und dem damit entstehenden Connected Car können die Hersteller für das Fahrzeug Software, also digitale Dienste, vermarkten, damit lassen sich auch in der Besitzphase des Fahrzeugs Erlöse erzielen. Das Connected Car bietet die ideale Grundlage, um Dialogmarketing zu betreiben. Durch seine Verbindung zum Internet stellt es einen neuen Kommunikationskanal dar, der es den Herstellern erlaubt, mit dem Kunden im Fahrzeug in den direkten Dialog zu treten. Mithilfe von Big Data-Analysen, die dazu in der Lage sind, enorme, unstrukturierte Datenmengen in Echtzeit auszuwerten, kommt auch das Connected Car als Datenbasis für die 360-Grad-Sicht auf den Kunden infrage.
1.1 Vernetzung und Internet of Things Digitale Vernetzung Der digitale Umbruch ist ein schnell fortschreitender und unaufhaltsamer Prozess. Das Internet ist eine durchschlagende Innovation, welche die heutige Zeit maßgeblich prägt und den Strukturwandel vorantreibt. In ihrer Einflusskraft ist die Technologie des Internets durchaus vergleichbar mit der Erfindung der Elektrizität oder der Dampfmaschine. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 H. Holland, Dialogmarketing und Kundenbindung mit Connected Cars, https://doi.org/10.1007/978-3-658-22929-0_1
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1 Vernetzung und neue Kanäle für die Marketingkommunikation
Ebenso wie diese Erfindungen hat das Internet die Kraft, Geschäftsmodelle nachhaltig und richtungsweisend zu verändern. Das Ausmaß der Vernetzung von Mensch und Maschinen hat durch die zunehmende Digitalisierung einen exponentiellen Lauf genommen und wächst weiterhin. Netzwerkbasierte sowie digitale Kommunikationstechnologien, wie mobile Endgeräte, Sensoren und stetig mächtiger werdende digitale Anwendungen, bilden die technische Grundlage für diese Art von Vernetzung. Sie halten Einzug in alle Wirtschaftsbereiche und damit auch in dem Alltag der Menschen. Smartphones und Vernetzung von Gegenständen Im Jahr 2016 verwendeten 54 Mio. Deutsche (78 % der Bevölkerung) ein Smartphone (Bitkom 2017). Mit zunehmender Bereitschaft wird dabei das Smartphone immer mehr mit Gegenständen des Alltags vernetzt. Der Begriff Internet der Dinge, kurz IoT (für Internet of Things), bezeichnet diese Vernetzung von alltäglichen Geräten oder Gegenständen (smarte Dinge) und Menschen über das Internet. Dadurch ist es möglich, dass die vernetzten Gegenstände miteinander kommunizieren und Daten austauschen können. Das Thema Internet der Dinge stellt den Überbegriff für viele Anwendungsgebiete dar, wie zum Beispiel Connected Wearables (vernetzte tragbare Geräte), Connected Homes (vernetzte Häuser), Connected Cities (vernetzte Städte), Industrial Internet (Internet der Industrie oder Industrie 4.0) und Connected Cars (vernetzte Fahrzeuge) (Goldman Sachs 2014, S. 1).
Es wird geschätzt, dass es bis 2020 schon circa 100 Mrd. vernetzte Gegenstände geben wird (Andelfinger und Hänisch 2015, S. 9).
Skepsis gegenüber smarten Technologien Smarte Technologien bieten für die Verbraucher mögliche Vereinfachungen des täglichen Lebens und stellen enorme Potenziale dar. Allerdings stehen nicht alle Verbraucher diesem Thema positiv gegenüber, vernetzte Gegenstände wirken für viele noch abschreckend. Vor allem die Angst vor Missbrauch der personenbezogenen Daten hält viele Menschen davon ab, smarte Technologien in größerem Umfang zu nutzen. Außerdem ist die Skepsis vor einem Kontrollverlust groß, wenn den Menschen autonome Entscheidungen von Geräten und Objekten abgenommen werden. Einen weiteren Grund für die Skepsis gegenüber smarten Objekten stellt zurzeit auch die Frage nach dem Mehrwert dieser Technologien dar, welcher in Bezug auf die noch relativ hohen Kosten zur Nutzung solcher Technologien für den Nutzer oft subjektiv nicht deutlich wahrnehmbar ist.
1.2 Wandel der Automobilbranche Disruptive Veränderungen in der Automobilindustrie Bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts hat das Automobil die deutsche Wirtschaft in einer bewegenden bis heute andauernden Erfolgsgeschichte geprägt. Mit dem Einzug des Internets steht diese Tradition jedoch vor einer digitalen Revolution, die das Marktgleichgewicht
1.2 Wandel der Automobilbranche
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der Automobilindustrie derzeit einer fundamentalen Veränderung unterzieht. Die Digitalisierung durch das Internet macht auch vor der Automobilindustrie nicht Halt und führt zu einem grundlegenden Wandel in dieser Branche. Dieser Wandel impliziert maßgebliche Veränderungen sowohl bei dem Produkt Auto selbst als auch bei den Geschäftsmodellen (Heymann und Meister 2017, S. 1). Die Industrie arbeitet an autonomen Fahrsystemen sowie der Vernetzung des Fahrzeugs mit der Umwelt und anderen Verkehrsteilnehmern, den Connected Cars. Darunter werden vernetzte Fahrzeuge verstanden, die mithilfe einer stetigen Internetverbindung überall und permanent online sind. Die traditionelle Automobilindustrie steht also vor einem wesentlichen technologischen Wandel. Wie Tesla und Google als branchenfremde Player bereits vor einigen Jahren eindrucksvoll bewiesen haben, sind das Connected Car und autonomes Fahren von futuristischen Spinnereien zur technisch umsetzbaren Realität avanciert (Johanning und Mildner 2015, S. VII). Für die Etablierten der Branche haben sich disruptive Veränderungen ergeben, sie sehen sich einer Kommerzialisierung von bisher unbekannten Geschäftsfeldern der Informationstechnologie (IT) gegenübergestellt.
Das digitale Ökosystem des Automobils wird schon bald mehr Umsätze generieren als das Auto selbst, das nach Prognosen bis zum Jahr 2025 vollständig vom Connected Car ersetzt worden sein wird (KPMG 2017, S. 22; Gissler 2015).
Vier Trends in der Automobilindustrie Digitalisierung, Elektromobilität, autonomes Fahren und neue Mobilitätskonzepte sind die vier Trends, mit denen sich die Automobilindustrie aktuell konfrontiert sieht und die sie zu einem Wandel zwingen. Jeder dieser Trends stellt die etablierten Geschäftsmodelle und Abläufe der Automobilhersteller in Frage und bietet gleichzeitig Chancen und Möglichkeiten zur Steigerung des Absatzes und des Unternehmensgewinns (Capgemini 2015, S. 34 ff.). Abb. 1.1 gibt einen Überblick über diese Trends. Kernkompetenz der Hersteller Bisher liegt die Kernkompetenz der Hersteller im Bau und Verkauf von Fahrzeugen; die Erlöse richten sich dementsprechend nach dem Absatz der Fahrzeuge (Deloitte 2015a, S. 3 f.; Knop 2017). Es ist jedoch abzusehen, dass die Technologie der selbstfahrenden Fahrzeuge in Verbindung mit neuen Mobilitätsdienstleistungen zu einer starken Reduktion der Anzahl der benötigten Fahrzeuge für den Individualverkehr führen wird (Bratzel 2016). Für die Automobilindustrie besteht dadurch eine unmittelbare Bedrohung des aktuellen Geschäftsmodells, weil sie von einem hohen Fahrzeugabsatz abhängig ist (Deloitte 2015a, S. 3 f.). Die Original Equipment Manufacturer (OEM) werden hierdurch gezwungen, ihr tradiertes Geschäftsmodell an den Top-Trend von Connectivity und Digitalisierung zu adaptieren, wenn sie ihre Marktanteile nicht an Software-Unternehmen verlieren möchten (KPMG 2017, S. 9). Dementsprechend haben die Autobauer den IT-Riesen wie Google, Apple und Uber den Kampf angesagt:
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1 Vernetzung und neue Kanäle für die Marketingkommunikation
Abb. 1.1 Trends in der Automobilindustrie. (Quelle: Bratzel 2016, S. 8)
So hat sich der VW-Konzern das anspruchsvolle Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2025 zum führenden Mobilitätsanbieter zu werden und sich dabei in Teilen zum Software-Konzern zu entwickeln (VW 2016). Sinkende emotionale Bindung Getrieben von reifen Märkten, zunehmendem Wettbewerb und veränderten Wertevorstellungen, befindet sich die Automobilbranche aktuell in einem tief greifenden Wandel (Ebel et al. 2014, S. 4). Während Motorleistung, Premium-Qualität oder besonderes Design bis vor einigen Jahren wichtige Eigenschaften bei der Kaufentscheidung darstellten, wird heutzutage der originäre Nutzen eines Fahrzeugs wichtiger. Es verliert die Bedeutung als Statussymbol und wird immer häufiger als reiner Mobilitätsdienstleister verstanden (Terporten et al. 2012, S. 370). Aus Sicht der Hersteller entsteht damit das Problem einer sinkenden emotionalen Bindung zum Auto bzw. zur Marke, was zu einer geringeren Kundenloyalität führt (Diez 2014, S. 448). Kundenbindung Gegenwärtig sind die Absatzzahlen der Autoindustrie hoch, was überwiegend am Wachstum in Schwellenländern liegt. In Triade-Märkten wie Westeuropa, Japan oder USA sind dagegen Sättigungsgrenzen nahezu erreicht (Brünglinghaus 2013). Kundenbindung wird infolgedessen zu einer wichtigen Zielgröße für Autokonzerne, die es in Zukunft noch stärker umzusetzen gilt. In den letzten Jahrzehnten lag die Kundenbindung vor allem in den Händen der Vertragswerkstätten. Diese Abhängigkeit müssen Autokonzerne verändern und im Rahmen des Beziehungsmarketings den direkten Kundenkontakt verstärken. Um in der zunehmenden globalen Wettbewerbsintensität erfolgreich zu bleiben, müssen sie neue Wege zur Kundenbindung identifizieren und vor allem im Servicebereich Innovationen entwickeln, die auf Kundenbedürfnisse angepasst sind und emotionale Komponenten beinhalten.
1.3 Vernetzte Automobile
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Herausforderungen für die Automobilindustrie Die Automobilindustrie steht vor großen Herausforderungen; sie muss den digitalen Wandel mit Connected Cars in Produkte, Wertschöpfungskette sowie Geschäftsmodelle integrieren und den genannten Negativtrends entgegenwirken (Heymann und Meister 2017, S. 2). Vor allem die Trends, wie die Bedeutung alternativer Mobilitätsdienstleistungen anstelle des Autobesitzes, intensivierter Wettbewerb durch das Eindringen neuer Marktteilnehmer, gesättigte Märkte sowie die Notwendigkeit individueller Kommunikation machen die aktuelle Herausforderung und den Handlungsbedarf deutlich. Diese negativen Entwicklungen in Verbindung mit Trends, wie der Digitalisierung und der Individualisierung von Kundenwünschen, führen dazu, dass auch das Marketing im Automobilsektor innovativ erneuert werden muss und sich somit im Wandel befindet.
Fest steht, dass für die Zukunftsfähigkeit der Automobilbranche die Digitalisierung stärker Einzug halten muss, und zwar in allen Geschäftsbereichen.
1.3 Vernetzte Automobile Vernetzung von Fahrzeugen Ein großes Potenzial für die Automobilindustrie hat die wachsende Vernetzung der Lebenswelten. Mit der ansteigenden Verbreitung von Smartphones und dem damit einhergehenden digitalen Lebensstil kommt auch der Vernetzung von Fahrzeugen eine stärkere Bedeutung zu. Autos sollen in Zukunft eine Schnittstelle für das digitale Leben bieten und durch autonome Funktionen den Alltag der Kunden vereinfachen (Dahlmann 2015). Ob Kommunikations-, Navigations- oder fahrzeugbezogene Dienste, ein großes Spektrum an produktbegleitenden digitalen Dienstleistungen ist in vielen Modellen schon heute vorhanden. Die verstärkte Relevanz der Vernetzung ist auch aus Konsumentensicht zu beobachten, da sie schon heute ein ausschlaggebendes Kaufkriterium darstellt (McKinsey& Company 2015a, S. 18). Auch neue Mobilitätsformen bzw. Geschäftsmodelle, die sich aus der Fahrzeugvernetzung ergeben, gewinnen immer mehr an Bedeutung. Autohersteller haben allerdings noch Probleme, aus den neuen Services Erlöse, die Erhöhung der Markenattraktivität oder die Stärkung der Kundenbindung zu erzielen (Bock 2016). Branchenfremde Unternehmen wie Google oder Apple, die im digitalen Bereich sehr hohe Expertisen mitbringen, drängen sich auf den Markt, womit der Wettbewerb um Kunden noch stärker wird.
Autokonzerne müssen demnach die Kundenbindungspotenziale der digitalen Dienstleistungen erkennen und gewinnbringend umsetzen.
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1 Vernetzung und neue Kanäle für die Marketingkommunikation
Digitale Vernetzung der Automobilbranche Die digitale Vernetzung ist derzeitig eines der treibenden Themen der Automobilbranche. Die Vernetzung der Fahrzeuge kann primär zu einer signifikanten Rationalisierung der täglichen Arbeitsabläufe führen, an denen das Fahrzeug beteiligt ist, und somit einen bedeutenden Beitrag zur Effizienz- und Produktivitätssteigerung aller Beteiligten leisten. Des Weiteren kann die Vernetzung der Fahrzeuge durch die Verarbeitung und Weitergabe von relevanten Daten zur Prävention von Unfällen sowie zur Reduzierung von Schadstoffemissionen in die Luft beitragen und damit eine Vielzahl an Leben retten (Webb 2012, S. 158). Eine Studie des Beratungsunternehmens Price Waterhouse Coopers (PWC) prognostiziert einen weltweiten Umsatz von 40,3 Mrd. EUR im Bereich der vernetzten Autos bereits im Jahr 2016. Bis zum Jahr 2021 wird sich diese Zahl mehr als verdreifachen (PWC 2015, S. 8 ff.). Somit investieren bereits viele Akteure der Anbieterseite, darunter Hersteller, Zulieferer, Technologieanbieter, Telekommunikationsanbieter und Versicherer, massiv in den Auf- und Ausbau von Kompetenzen zum Thema vernetzte Fahrzeuge, um von dem neu entstandenen Markt zu profitieren (McKinsey&Company 2014, S. 16 f.). Kritische Masse vernetzter Fahrzeuge Vernetzte Fahrzeuge sind auf technische Daten und auf Daten anderer Nutzer angewiesen, um einen Mehrwert gegenüber herkömmlichen Fahrzeugen zu generieren. Diese Abhängigkeit führt dazu, dass eine kritische Masse an Nutzern (ca. ein Viertel der Gesamtnutzer) dieser Konnektivitätstechnologien im Fahrzeug erreicht werden sollte, um die Vorzüge und Potenziale der vernetzten Fahrzeuge realisieren zu können (Stoll 2008, S. 68). Themen wie Cyberattacken oder Datenschutzbedenken verursachen jedoch eine Verzögerung bei der Annahme von Konnektivitätstechnologien im Fahrzeug durch die Anwender. Diese Verzögerung stellt eine Herausforderung für die investierenden Akteure dar. Laut einer Studie der Firma Deloitte nutzten im Jahr 2015 lediglich 6 % der über 30-jährigen und 8 % der unter 30-jährigen Fahrzeugbesitzer vernetzte Dienste in ihren Fahrzeugen in Deutschland (Deloitte 2015b, S. 11). Bislang ist die kritische Masse für die Nutzung von vernetzten Fahrzeugen im deutschen Markt noch nicht erreicht. Wird die kritische Masse an Anwendern nicht erreicht, können sich die Investitionen in die Vernetzung der Fahrzeuge schnell in versunkene Kosten verwandeln. Daher ist die Adoption von vernetzten Fahrzeugen durch die Nutzer von höchster Priorität für alle investierenden Akteure der Branche, um Nutzenpotenziale realisieren zu können.
1.4 Connected Cars und Marketing Google und Apple als Wettbewerber der Automobilhersteller Google und Apple haben viel Erfahrung und nutzen die Daten, welche sie von Smartphones und anderen Geräten mit deren Software erhalten, auch zu Zwecken des Marketings. Aus diesem Grund drängen sie und neue Hersteller wie beispielsweise Tesla
1.5 Connected Cars und Dialogmarketing
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auf den Automobilmarkt und versuchen, die etablierten Automobilhersteller mit neuen Technologien und Geschäftsmodellen anzugreifen (Kienbaum 2016, S. 6).
Das machen die Aussagen von Jeff Williams, Senior Vice President of Operations von Apple, deutlich. Er sieht das Auto als das ultimative mobile Gerät und betont, dass Apple die Trends beobachten und bewerten wird, um die Potenziale zu nutzen. Damit spielt er auf eine eventuelle Revolution des Automobils an, ähnlich wie Apple bereits mit dem iPhone das Handy revolutioniert hat (Williams 2015).
Monetarisierung der Besitzphase des Fahrzeugs
Auf der Suche nach neuen Geschäftsmodellen orientieren sich die Automobilhersteller unter anderem an der Smartphone-Industrie. Die Technik-Konzerne Apple und Google generieren auch nach dem Verkauf von Smartphones durch den zusätzlichen Verkauf von Software erhebliche Umsätze (BVDW 2016, S. 6). Die Automobilhersteller können nach diesem Vorbild die Besitzphase des Fahrzeugs monetarisieren.
Mit der Digitalisierung und dem damit entstehenden Connected Car kann für das Fahrzeug ebenfalls Software vermarktet werden, welche dort als digitale Dienste bezeichnet werden. Diese digitalen Dienste ermöglichen es verschiedene Funktionen des Fahrzeugs in Bezug auf Sicherheit, Information, Entertainment oder auch Navigation freizuschalten oder bestimmte Dienstleistungen des Herstellers nach Ingebrauchnahme des Fahrzeugs in Anspruch zu nehmen (McKinsey&Company 2015b, S. 16 f.).
1.5 Connected Cars und Dialogmarketing Connected Car als ideale Grundlage für Dialogmarketing Um diesen Wandel auch gemeinsam mit dem Kunden zu vollziehen, ist es notwendig, den Kunden an die digitalen Dienste heranzuführen. Gerade für ältere und nicht technologieaffine Kunden ist es neu, wenn sie Extras und optionale Funktionen an ihrem Fahrzeug auch noch nach dem Kauf freischalten können. Dadurch entsteht eine Notwendigkeit für ein spezifisches, individuelles Marketing im Zusammenhang mit digitalen Diensten. Das Connected Car bietet die ideale Grundlage, um Dialogmarketing zu betreiben. Durch seine Verbindung zum Internet stellt es einen neuen Touchpoint dar, der es den Herstellern erlaubt, mit dem Kunden im Fahrzeug in den direkten Dialog zu treten (Oppel und Yanhuan 2015, S. 81; BVDW 2016, S. 9). Big Data-Analysen Zum Data-Driven Marketing stehen den Herstellern, unter Berücksichtigung von Regelungen des Datenschutzes, sämtliche vom Connected Car generierten Daten zur Verfügung. Aus den Daten lassen sich Präferenzen und Verhaltensweisen der Kunden
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1 Vernetzung und neue Kanäle für die Marketingkommunikation
ableiten, die zur persönlichen und gezielten Kundenansprache genutzt werden können. Schließlich kann auf diese Weise der Absatz von digitalen Diensten gesteigert werden und jedem Kunden, individuell und in einer für ihn relevanten Situation, der passende digitale Dienst angeboten werden (BVDW 2016, S. 9; Schwarz 2016, S. 4 f.). Mithilfe von Big Data-Analysen, die dazu in der Lage sind, enorme, unstrukturierte Datenmengen in Echtzeit auszuwerten, kommt auch das Connected Car als Datenbasis für die 360-Grad-Sicht auf den Kunden infrage (Zillmann und Litzel 2014; Finkel und Dill 2013). Potenziale von Connected Cars Die Automotive-Branche hat bereits erkannt, wie wertvoll Fahrzeug- und Kundendaten für die neuen Geschäftsmodelle sein werden (KPMG 2017, S. 33 f.). Mit dem Connected Car, das derzeit etwa 25 GB an Daten pro Stunde produziert, halten die Automobilhersteller neuerdings einen Schlüssel in der Hand, der ihnen die Chance gibt als Sieger der disruptiven Entwicklung hervorzugehen (Wollschläger 2016, S. 31).
Das Potenzial scheint enorm: Daten zu Fahrverhalten, zur Nutzung digitaler Dienste oder zum Fahrzeugzustand versprechen Zugang zu einer nie da gewesenen Nähe zum Kunden, die die Autobauer mit dem Connected Car nun erhalten (Viereckl et al. 2016, S. 21; KPMG 2017, S. 26).
1.6 Strategien deutscher Automobilhersteller Digitalisierung bei Volkswagen Der Digitalisierungschef der Volkswagen AG, Johann Jungwirth, sieht einen gravierenden Wandel bevorstehen, in welchem jedoch die Kernkompetenz der etablierten Automobilindustrie weiter eine Rolle spielt: „Ich bin der festen Überzeugung, dass wir bis 2025 zum führenden Mobilitätsanbieter avancieren werden.“ Dazu muss sich aus seiner Sicht der Volkswagenkonzern „… zum Teil zu einem Software- und Services-Konzern …“ entwickeln. Er hebt dabei besonders den Vorteil hervor, dass „… (Volkswagen) die Hardware – sprich: den Autobau – bereits perfekt beherrscht“ (Jungwirth 2016). Beispiel
Im März 2018 hat Volkswagen die dritte Generation des Touareg in Peking vorgestellt. In den Presseunterlagen wird an erster Stelle das volldigitalisierte „Innovisions Cockpit“ beschrieben. Dieses Cockpit ist allways-on, intuitiv steuerbar und maximal individualisierbar. Eine eingebaute eSim vernetzt das Fahrzeug mit der Außenwelt und ermöglicht Internet-Radio. Neben dem großen Bildschirm verfügt der Touareg über alle modernen Assistenzsysteme. Erst auf Seite 30, ganz am Ende der Presseunterlagen, wird (etwas verschämt) auf die verfügbaren Diesel- und Benzinmotoren verwiesen, so die Frankfurter Allgemeine Zeitung in einem Artikel unter der Überschrift „Ach so, ja, auch Motor“ (Schmidt 2018, S. 60).
1.6 Strategien deutscher Automobilhersteller
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Tab. 1.1 Aussagen deutscher Automobilhersteller zur Digitalisierung VW
Digitalisierungschef der Volkswagen AG Johann Jungwirth: „Ich bin der festen Überzeugung, dass wir bis 2025 zum führenden Mobilitätsanbieter avancieren werden.“ Der Volkswagenkonzern wird sich „[…] zum Teil zu einem Software- und Services-Konzern […]“ entwickeln
BMW
Vorsitzender des Vorstands der BMW AG Harald Krüger: „So vollziehen wir den Wandel vom führenden Anbieter von Premiummobilität und Dienstleistungen zur führenden Tech-Company im Mobilitätssektor.“
BMW
TV-Spot für den 5er: „In einer digitalen Welt erinnert mich mein Auto, dass es Zeit ist loszufahren. Es kennt meinen Namen. Meine Ziele. Lernt meine Strecken. Und unterstützt mich, wenn ich es will. Die einen nennen es Fortschritt. Für mich bedeutet es Freiheit.“
Mercedes Vorstandsvorsitzender der Daimler AG Dieter Zetsche: „Mercedes-Benz wandelt sich vom Automobilhersteller zum vernetzten Mobilitätsanbieter, wobei der Mensch – als Kunde und Mitarbeiter – immer im Mittelpunkt steht“ Audi
Das Unternehmen rüstet sich laut seinem Chef Rupert Stadler für die Digitalisierung und etwa im Jahr 2020 wird die Hälfte der Erlöse aus den neuen Feldern von IT, Software und Services stammen. Im Zuge dieser Transformation hat Audi bereits die Chance ergriffen, Big Data-Kompetenzen im Marketing- und Vertriebsfeld aufzubauen, die Mehrwerte für den Kunden schaffen sollen
Die Tab. 1.1 fasst einige Aussagen von Automobilherstellern zur Bedeutung der Digitalisierung zusammen. Digitalisierung bei BMW Der einsetzende Wandel wird an den Worten des Vorsitzenden des Vorstands der BMW AG, Harald Krüger, deutlich. BMW muss sich nach über 100 Jahren Firmengeschichte vom reinen Hersteller hin zu einem Tech-Konzern wandeln, um auch weiterhin erfolgreich am Markt bestehen zu können. „So vollziehen wir den Wandel vom führenden Anbieter von Premiummobilität und Dienstleistungen zur führenden Tech-Company im Mobilitätssektor“ (Krüger 2016). Beispiel
Das Thema Internet of Things gewinnt im Automobilbereich immer mehr an Bedeutung: „In einer digitalen Welt erinnert mich mein Auto, dass es Zeit ist loszufahren. Es kennt meinen Namen. Meine Ziele. Lernt meine Strecken. Und unterstützt mich, wenn ich es will. Die einen nennen es Fortschritt. Für mich bedeutet es Freiheit.“ (BMWGroup.com 2017). So lautet der Werbetext des TV Spots der neuen BMW 5er Reihe. Dies zeigt, dass die Digitalisierung des Autos mit Konnektivitätsfunktionen (Connected Cars) ein aktuell äußert präsentes Thema ist. Automobilhersteller und insbesondere
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1 Vernetzung und neue Kanäle für die Marketingkommunikation
deren Marketingabteilungen profitieren durch die Digitalisierung und den Einzug von Informationstechnologien in Fahrzeugen, da sie durch diese Technologien die unterschiedlichsten Informationen über ihre Kunden und Produkte gewinnen und mehr denn je die Chance haben, jeden einzelnen Kunden genauestens zu kennen. Dadurch ergeben sich unter anderem neue Möglichkeiten im Hinblick auf das Kundenbeziehungsmanagement. Allerdings ist auch hier die Skepsis der Endverbraucher in Deutschland, die Technologiemöglichkeiten von Connected Cars zu nutzen, noch relativ groß und die Akzeptanz von Connected-Cars-Anwendungen noch nicht sehr verbreitet. Digitalisierung bei Mercedes-Benz Die Hersteller können die Möglichkeiten des Connected Car und die damit entstehenden Informationen nutzen, um den Kunden in den Mittelpunkt der Organisation zu stellen und ihm ein ganzheitliches, einzigartiges und personalisiertes Nutzungserlebnis zu bieten. Damit können sie sich von anderen Anbietern unterscheiden und weiterhin ein Alleinstellungsmerkmal aufweisen, um nicht von der neuen Konkurrenz angegriffen zu werden (Deloitte 2015a, S. 4 f.). Das wird an der Aussage des Vorstandsvorsitzenden der Daimler AG, Dieter Zetsche, deutlich: „Mercedes-Benz wandelt sich vom Automobilhersteller zum vernetzten Mobilitätsanbieter, wobei der Mensch – als Kunde und Mitarbeiter – immer im Mittelpunkt steht“ (Zetsche 2015). Digitalisierung bei Audi Auch Rupert Stadler, Chef der Konzern-Tochter Audi, gab bekannt, dass sich das Unternehmen für die Digitalisierung rüstet und etwa im Jahr 2020 die Hälfte der Erlöse aus den neuen Feldern von IT, Software und Services stammen wird (Brower-Rabinowitsch et al. 2016). Im Zuge dieser Transformation hat Audi bereits die Chance ergriffen, Big Data-Kompetenzen im Marketing- und Vertriebsfeld aufzubauen, die Mehrwerte für den Kunden schaffen sollen (Dremel et al. 2017, S. 84; Ulbrich 2013). Beispiel
Eine Zeitungsbeilage der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 9. Dezember 2017 für den Audi A8 betont die Konnektivitätstechnologien sehr deutlich. In dieser aufwendigen achtseitigen Beilage werden provokante Aussagen oder Fragen in den Headlines formuliert, die sich auf die Vernetzung des Automobils beziehen: „Das Internet der Dinge in seiner schönsten Form“, „Braucht ein Büro noch eine Adresse?“, „Sie glauben nicht an höhere Intelligenz?“, „Darf Ihr Assistent nicht klüger sein als Sie?“ Digitalisierung bei Fiat Fiat hat im März 2018 eine E-Mail verschickt mit einem Angebot des Fiat 500 L Mirror. Bei der Aufzählung der Ausstattungsdetails werden die Vernetzungsangebote an erster Stelle genannt.
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Digitale Dienstleistungen in der Automobilbranche
Zusammenfassung
Die Auswirkungen aktueller Trends auf die Automobilindustrie sind beträchtlich. Durch neue Mobilitätskonzepte, wie zum Beispiel Car-Sharing, werden die Verkaufszahlen für Neuwagen sinken. Der Bereich der Digitalisierung und damit der Konnektivität eines Fahrzeugs bietet Möglichkeiten, neue Einnahmequellen in Form von digitalen Diensten zu schaffen. Die Hersteller werden zum kundenorientierten Mobilitäts- und Servicedienstleister werden, der nicht nur Autos produziert und vertreibt, sondern auch Services zur Mobilität anbietet, die den Alltag der Kunden erleichtern. Produktbegleitende Dienstleistungen, wie beispielsweise Finanzierungsleistungen, werden in der Branche schon seit einigen Jahren als Instrument der Produktdifferenzierung eingesetzt. Aktuelle Entwicklungen auf dem Markt sowie im Konsumentenverhalten stellen Automobilproduzenten nun vor neue Herausforderungen. Um veränderten Anforderungen und Lebensstilen von Kunden gerecht zu werden, müssen die Hersteller digitale Service-Innovationen integrieren. Vernetzung steht dabei im Mittelpunkt. Im Vergleich zu der Konkurrenz aus anderen Branchen haben Automobilhersteller einige Vorteile. Sie verfügen beispielsweise über eine beträchtliche Menge an Echtzeit-Fahrzeugdaten. Diese Daten werden als wertvolle Ertragsquelle gesehen, da diese in Zukunft den Weg zum autonomen Fahren ebnen sollen. Außerdem können sie schon heute genutzt werden, um durch effektivere After-Sales-Maßnahmen die Kundenbindung zu stärken. Um die Fahrzeugvernetzung bzw. die Car-to-Car Kommunikation funktionsfähig zu machen, ist eine Vergrößerung der bereits stark ausgelasteten Datennetze notwendig; dementsprechend müssen hohe Investitionen getätigt werden. Ein immenses Problem hinsichtlich der Nutzung von vernetzten Fahrzeugen besteht in der Sorge um die eigene Privatsphäre. Mit den Kundenbindungsmöglichkeiten, die die neuen Daten hervorbringen, wächst gleichzeitig auch die Verantwortung, Kundendaten zu schützen. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 H. Holland, Dialogmarketing und Kundenbindung mit Connected Cars, https://doi.org/10.1007/978-3-658-22929-0_2
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2.1 Wandel der Automobilbranche 2.1.1 Veränderungen des Markts Käufermarkt Die Automobilindustrie hat sich in ihren Grundzügen während der letzten 100 Jahre kaum verändert. Im Kern basiert das Geschäftsmodell sämtlicher Hersteller darauf, dass ein Fahrzeug von einem Verbrennungsmotor angetrieben wird, dass ein Kunde sein Fahrzeug besitzt und dass es durch einen ausgebildeten Fahrer gesteuert wird. Um diese Kernelemente herum wurde das Auto immer wieder verbessert, indem beispielsweise die Motoren effizienter und leistungsstärker wurden, neue Assistenzsysteme für mehr Sicherheit entwickelt wurden und das Design immer wieder an den Geschmack der Zeit angepasst wurde. Die Hersteller, sogenannte Original Equipment Manufacturer (OEM) haben ihre Organisation und Prozesse auf diese Kernelemente ausgerichtet und optimiert und sind damit bis heute erfolgreich (Diez und Reindl 2016, S. 3; Bratzel 2016, S. 8). Automobilhersteller befanden sich aufgrund eines Nachfrageüberhangs viele Jahrzehnte in einer günstigen Position. Sie hatten Kontrolle über die Marktbedingungen und Preise. Das hat sich jedoch zum Ende der achtziger Jahre geändert. Mit der Globalisierung entstand ein immenses Angebot an Autos mit wettbewerbsfähigem Preis-Leistungsverhältnis. Aus einem Verkäufermarkt wurde ein Käufermarkt (Holland und Heeg 1998, S. 39). Einen Überblick über die vielfältigen Veränderungen in der Automobilbranche, die einerseits zu einer Gefährdung des bisherigen Geschäftsmodells führen und andererseits neue Einnahmequellen durch Digitale Dienste öffnen, zeigt die Abb. 2.1. Fahrzeugbestand Mit 3,2 Mio. PKW-Neuzulassungen in Deutschland und 4,4 Mio. exportierten PKWs im Jahr 2016 stellt die deutsche Automobilindustrie einen bedeutenden Wirtschaftszweig dar (VDA 2016a, b). Vor allem Schwellenländer sind momentan wichtige Wachstumsmärkte für die Automobilhersteller, da die Hersteller in den Triade-Märkten Japan, Nordamerika und Europa an Sättigungsgrenzen stoßen. Ein Indikator für den reifen deutschen Markt ist die Entwicklung des Fahrzeugbestands. Zwischen 1960 und 1995 ist der PKW-Bestand um das Neunfache, von ca. 4,5 Mio. auf 40,4 Mio., gestiegen. Danach hat sich das Wachstum deutlich verringert, wie in Abb. 2.2 zu erkennen ist. Ab 2008 wurden nur noch angemeldete Fahrzeuge in den Bestand gezählt, was den Rückgang in diesem Jahr erklärt. Ab diesem Jahr bis 2017 lag das Wachstum bei nur noch etwa 11 %. Im Langzeittrend ist eine Sättigung mit begrenztem Wachstumspotenzial in Deutschland zu erkennen. Scharfer Wettbewerb In Deutschland bestimmten im Jahr 2012 etwa 20 Marken mit hoher Wettbewerbsintensität den Automobilmarkt. Die zunehmende Komplexität der Produkte und neue technische Innovationen bei immer kürzeren Produktlebenszyklen erhöhen den Wettbewerb
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2.1 Wandel der Automobilbranche
Abb. 2.1 Wandel in der Automobilindustrie
Bestand PKW 5,00,00,000 4,50,00,000 4,00,00,000 3,50,00,000 3,00,00,000 2,50,00,000 2,00,00,000 1,50,00,000 1,00,00,000 50,00,000 0
1960
1970
1980
1990
2000
2010
2020
Abb. 2.2 PKW-Bestand in den Jahren 1960 bis 2018 in Deutschland. (Quelle: Kraftfahrt-Bundesamt 2018)
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2 Digitale Dienstleistungen in der Automobilbranche
erheblich (Wymann und VDA 2012). Angesichts der geringen Flexibilität kann kaum auf Nachfrageschwankungen reagiert werden, weshalb es vermehrt zu Überkapazitäten kommt. Aufgrund der hohen Transparenz, die sich aus der geringen Anzahl der Anbieter ergibt, reagieren viele Hersteller direkt auf Aktionen anderer Wettbewerber, wie beispielsweise die Entwicklung von neuen Produktvarianten in kürzerer Zeit. Infolge dieses Verhaltensmusters wird eine Differenzierung über Produktmerkmale immer schwieriger (van Husen 2015, S. 495). Megatrends Es existieren mehrere Megatrends, die eine Abkehr von dem klassischen Geschäftsmodell der Automobilindustrie nötig machen. Umwelt- und Ressourcenschutz sowie ein steigender Mobilitätsbedarf machen neue Antriebskonzepte erforderlich, um fossile Ressourcen nicht noch weiter zu belasten. Der demografische Wandel und das damit steigende Durchschnittsalter der Bevölkerung in den entwickelten Industrienationen sowie das Bedürfnis nach mehr Sicherheit im Straßenverkehr unterstützen den Trend zum autonomen Fahren. Die Urbanisierung und die damit steigende Zahl von Großstädten erfordern neue Mobilitätskonzepte und die Vernetzung der einzelnen Verkehrsteilnehmer, um einem Verkehrskollaps vorzubeugen.
Die Entstehung der Shareconomy, also einer Gesellschaft, in der Güter geteilt werden und weniger der Besitz eines Gutes im Vordergrund steht, fördert ebenfalls die Entwicklung neuer Mobilitätskonzepte (Stephan und Schaper 2015, S. 37).
„Jetzt stellen erstmals wirkungsmächtige technologische und politisch-gesellschaftliche Trends, allen voran die Elektromobilität, Digitalisierung, neue Mobilitätskonzepte und das automatisierte Fahren, die konstruktiven Elemente des bisherigen Paradigmas der Automobilität radikal infrage“ (Bratzel 2016, S. 8). Es ist davon auszugehen, dass die Elektromobilität den Verbrennungsmotor ablöst, dass mit der Schaffung neuer Mobilitätskonzepte der Besitz eines eigenen Fahrzeugs an Attraktivität verliert und dass Fahrzeuge bald autonom fahren und der menschliche Fahrer überflüssig wird. Im Zuge der Digitalisierung entsteht das Connected Car und unterstützt einerseits die genannten Trends für autonomes Fahren, alternative Antriebe und neue Mobilitätskonzepte. Und es bietet andererseits zusätzlich die Möglichkeit, neue Geschäftsmodelle in Verbindung mit digitalen Diensten zu schaffen (BVDW 2016, S. 1 f.). Gefährdung des bisherigen Geschäftsmodells Die Auswirkungen der Trends für die Automobilindustrie sind deutlich. Wenn beispielsweise die Verbrennungsmotoren durch fast wartungsfreie Elektromotoren ersetzt werden, bedeutet das für das After-Sales Geschäft deutlich weniger Umsatz. Durch neue Mobilitätskonzepte, wie zum Beispiel Car-Sharing, werden außerdem die Verkaufszahlen für Neuwagen sinken. Der Verkauf der Fahrzeuge könnte sich auch ins Internet verlagern,
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was die bestehende Vertriebsstruktur mit stationären Autohäusern infrage stellt. Wenn Fahrzeuge autonom fahren, könnte sich das Fahrzeug selbstständig in die Werkstatt begeben. Es besteht die Gefahr, dass die Händler als Teil der Automobilindustrie keinen persönlichen Kontakt zum Kunden haben, womit das aktuelle Client Relationship Management Modell der Industrie nicht mehr funktioniert. Das bisherige Geschäftsmodell der Hersteller, bestehend aus Produktion, Verkauf und Wartung von Fahrzeugen, ist in dieser Form in Zukunft gefährdet (BVDW 2016, S. 1 f.; Dudenhöffer 2016, S. 166).
Somit ist mittel- bis langfristig eine Neuausrichtung der Automobilindustrie, weg von produktorientierten Geschäftsmodellen hin zu serviceorientierten Geschäftsmodellen, erforderlich. Unter dem Druck neuer branchenfremder Marktteilnehmer haben die etablierten OEM in den vier Teilbereichen Elektromobilität, neue Mobilitätskonzepte, autonomes Fahren und Digitalisierung beziehungsweise Connected Car mit Anpassungen an die neuen Rahmenbedingungen begonnen (Stephan und Schaper 2015, S. 37 f.).
Das macht nicht nur eine Restrukturierung der Organisation, der Prozesse, der IT-Struktur, der Mitarbeiter und der Unternehmenskultur nötig, sondern auch Neuregelungen der Zuständigkeiten und Entscheidungskompetenzen erforderlich (Deloitte 2015, S. 10). Neue Einnahmequellen durch digitale Dienste Die Hersteller haben erkannt, dass es notwendig ist, neue Einnahmequellen zu eröffnen. Insbesondere der Bereich der Digitalisierung und damit der Connectivity eines Fahrzeugs bietet Möglichkeiten, neue Einnahmequellen in Form von digitalen Diensten zu schaffen. Erlöse können vom Verkaufszeitpunkt in die Besitzphase des Fahrzeugs verschoben werden und damit serviceorientierte und kundenzentrierte Geschäftsmodelle etablieren (Kienbaum 2016, S. 10). Dies hat zur Folge, dass die OEM zum kundenorientierten Mobilitäts- und Servicedienstleister werden, der nicht nur Autos produziert und vertreibt, sondern auch Services zur Mobilität anbietet, die den Alltag der Kunden erleichtern (Oliver Wyman 2015). In den letzten Jahrzehnten gab es wenige Änderungen im Geschäftsmodell der Autohersteller. Anlässlich der grundsätzlichen Trends Digitalisierung, Elektromobilität und Industrie 4.0, aber auch verändertem Konsumentenverhalten wird sich das Geschäftsmodell in den nächsten Jahren maßgeblich wandeln (McKinsey&Company 2015, S. 12). Diese Trends versprechen hohe Ertragspotenziale und locken damit auch völlig neue Marktteilnehmer an. Damit wird die Konkurrenz von Autoherstellern durch Start-ups oder weltweit agierenden Konzerne mit hoher IT-Expertise erweitert. Infolge der gesättigten Märkte, der hohen Wettbewerbsintensität, der zunehmenden Konkurrenz aus fremden Branchen, abnehmenden Produktdifferenzierungsmöglichkeiten und der Digitalisierung der gesamten Industrie sind Überlegungen zu neuen Differenzierungsmaßnahmen erforderlich.
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2.1.2 Veränderungen im Konsumentenverhalten Informationstransparenz Eine Folge der fortschreitenden Digitalisierung ist die nachhaltige Änderung der Wertvorstellungen der Konsumenten. Das World Wide Web erlaubt dem Kunden eine ausgeprägte Informationstransparenz, womit Angebote ohne großen Aufwand verglichen werden können und sich das Kaufverhalten an eigene Vorstellungen und Wünsche anpassen lässt. Damit werden Kunden anspruchsvoller und die Bindung komplexer. Diese Entwicklung hat auch starke Auswirkungen auf den Autokauf. Individuelle Mobilität versus Carsharing Ein Trend, der Kundenbedürfnisse und Kaufentscheidungen nachhaltig beeinflusst, ist die individuelle Mobilität. Laut einer Studie von Ernst&Young zum Thema Connected Car erscheint 68 % der Befragten das eigene Auto als sehr wichtig (Ernst&Young 2012, S. 13). Individuelle Mobilität muss aber nicht unbedingt ein eigenes Auto bedeuten. Schon heute spielen völlig neue Mobilitätskonzepte, wie Carsharing, eine dominante Rolle. Vor allem in urbanen Gebieten und bei jüngeren Konsumenten nimmt der Mehrwert eines eigenen Fahrzeugs im Vergleich zu anderen Mobilitätsformen auch aus Gründen eines verstärkten Umweltbewusstseins ab. Nicht nur aus privaten, sondern auch aus rechtlichen Gründen gibt es vor allem in großen Städten heute starke Einschränkungen bezüglich der Nutzung von Autos, wie Umweltzonen. Infolgedessen wägen bereits viele Stadtbewohner die teure Anschaffung eines Autos gegen andere kostengünstigere Mobilitätsformen (Carsharing) ab. Mobilitätsverständnis der Millennials Die Digitalisierung hat dazu geführt, dass sich das Mobilitätsverständnis der Generation der heute 18- bis 34-Jährigen, den sogenannten Millennials, grundlegend verändert hat. Mobilität heißt für viele junge Menschen heute nicht mehr, dass sie sich ein Auto kaufen müssen. Die Urbanisierung, erhöhtes Verkehrsaufkommen in vielen Großstädten sowie die oftmals begrenzte Anzahl an Parkplätzen führen dazu, dass viele Millennials gar kein Auto mehr besitzen möchten. Stattdessen wird bei Bedarf ein Fahrzeug geliehen oder mit anderen geteilt (Rauch 2015, S. 4).
Aufgrund dieser Trends wird das Auto vor allem bei jüngeren Menschen oft als reine Mobilitätsform ohne Zusatznutzen gesehen. Der Status, den ein PKW einst ausdrückte, verliert immer mehr an Bedeutung, womit auch die emotionale Bindung sinkt. Mit dem Status wird verstärkt auch ökologische Nachhaltigkeit assoziiert, was die Attraktivität von Motorleistung mindert. Die emotionale Bindung zu Automobilen ist vor allem bei den 18–25-Jährigen zurückgegangen.
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Wie aus einer Studie aus dem Jahr 2010 hervorgeht, haben 20 bis 30 % der Befragten dieser Altersgruppe, die in Städten wohnen, keine emotionale Bindung zu Autos (Goppelt 2010, o. S.). Das spiegelt sich auch im steigenden Durchschnittsalter der Neuwagenkäufer wider, welches 2015 bei 53 Jahren lag (Reidel 2015). Autohersteller sind somit dem Trend Nutzen statt Besitzen und neuer Mobilitätslösungen ausgesetzt, was bedeutet, dass zukünftig weniger Konsumenten einen klassischen Autokauf tätigen werden. Der Umsatz der Automobilhersteller wird sich in Zukunft weniger stark aus dem traditionellen Autoverkauf generieren und erfordert die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle sowie neuartiger Services. Neue Mobilitätsdienstleister, wie Carsharing-Dienste (z. B. BlaBlaCar) oder Personenbeförderungsdienstleister (z. B. Uber) verschärfen ebenso die Konkurrenzsituation für Automobilhersteller. Abnehmende Marken- und Händlerloyalität Dieser Wertewandel zeigt sich in der zunehmenden Bindungslosigkeit in auch anderen Lebensbereichen der Konsumenten, welche auf geringeren Pflicht- und Akzeptanzwerten und stärkeren Selbstverwirklichungswerten basiert (Diez 2006, S. 94). Diese Bindungslosigkeit wirkt sich auch auf die Marken- und Händlerloyalität in der Automobilbranche aus (Meffert und Burmann 2005, S. 359). Emotionale Verwirklichung Ferner wird für viele Konsumenten die emotionale Verwirklichung ihrer Persönlichkeit immer wichtiger; Individualität spielt dabei eine besonders wichtige Rolle. Neben hoher gesellschaftlicher Mitwirkung, aber auch Mitverantwortung steht der Bedarf nach Produkten, die die Einzigartigkeit unterstreichen und den Einzelnen von der Gesellschaft abheben, im besonderen Interesse der Konsumenten. Um diesem Lebensstil entgegenzukommen, sind auf reifen Märkten vor allem emotionale Komponenten in Produkten erforderlich. Digitale Vernetzung Ein weiterer Trend liegt in der digitalen Vernetzung der Konsumenten. Während im Jahr 2012 ca. 24 Mio. der Deutschen ein Smartphone besaßen, waren es im Jahr 2016 bereits 49 Mio. (Statista 2016). 65 % der Deutschen nutzen täglich das Internet, mehr als die Hälfte auch unterwegs (ARD/ZDF-Multimedia 2016). Aus dieser Entwicklung geht der Wunsch nach ständiger Erreichbarkeit hervor. Menschen wollen heute pausenlos vernetzt sein, unabhängig von Zeit und Ort.
2.1.3 Bedeutung der Kundenbindung für die Automobilbranche Einer Umfrage des Online-Fahrzeugmarkts mobile.de nach, kaufen Deutsche im Durchschnitt alle sieben Jahre ein neues Auto, bei den unter 30-Jährigen ist der Zeitraum kürzer (o. V. 2012). Ein Autokauf, Neu- oder Gebrauchtwagen, ist zumeist das Ergebnis einer High-Involvement-Entscheidung. Merkmale hierfür sind z. B. der hohe finanzielle Aufwand und die Irreversibilität, zumindest kurzfristig betrachtet (Diez 2006, S. 45).
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Kognitive Dissonanzen Um das damit einhergehende hohe Risiko einer Fehlkaufentscheidung zu verringern, begeben sich die meisten Käufer auf eine gezielte, intensive Informationssuche. Die Phase direkt nach dem Kaufabschluss ist besonders kritisch für Automobilhersteller, denn in dieser Phase ist die Gefahr für das Auftreten kognitiver Dissonanzen groß. Kognitive Dissonanzen können auftreten, wenn der Kunde direkt nach dem Kauf seine Entscheidung anzweifelt. Das Kundenbindungsmanagement kann dabei helfen, eventuell aufgekommene Dissonanzen aufzulösen und damit Zweifel bezüglich der Kaufentscheidung zu beseitigen. Wenn der Kunde zufrieden mit der Leistung ist und seine Erwartungen erfüllt wurden, sind Dissonanzen geringer. Dementsprechend sinkt die Wechselbereitschaft und die Kundenloyalität wird erhöht (Giering 2000, S. 54 f.). Neue Kundenbindungsmaßnahmen Die Bedeutung der Kundenbindung für die Automobilbranche ist erkannt; das Marketing vieler Anbieter wurde Anfang der 2000er Jahre an Zielen der Kundenloyalität und Kundenbindung ausgerichtet. In der jüngsten Zeit wird die Kundenbindung für deutsche Hersteller immer wichtiger. Es existieren diverse Anbieter, beispielsweise aus Asien, die eine vergleichbare Qualität zu niedrigeren Preisen anbieten. Einhergehend mit der wachsenden Produkthomogenität in Qualität, Technik und Design verringern sich die Differenzierungsmöglichkeiten. Laut der Brand Parity Studie aus dem Jahr 2009 halten 34 % der Befragten Automobilmarken für nicht unterscheidbar (Batten&Company 2009, o. S.). Dazu kommen aktuell neue Wettbewerber aus der Software-Branche mit innovativen Mobilitätskonzepten.
Kundenbindungsmaßnahmen werden in Zukunft noch wichtiger, um nicht von der Konkurrenz vom Markt gedrängt zu werden. Es genügt nicht mehr die bloße Zufriedenstellung der Kunden, sondern Überzeugung von der Leistung und emotionale Begeisterung sollten neue Ziele für Automobilhersteller sein, um eine Verbundenheit der Kunden mit dem Unternehmen herzustellen (Gouthier et al. 2012, S. 334). Mit der fortschreitenden Digitalisierung der Automobilbranche müssen Hersteller neue Maßnahmen zur Kundenbindung identifizieren.
2.2 Produktbegleitende digitale Dienstleistungen 2.2.1 Einfluss der Digitalisierung auf die Automobilindustrie Digitale Güter Produktbegleitende Dienstleistungen werden als Nebenleistung zum eigentlichen Produkt angeboten und bieten dem Kunden einen Zusatznutzen (van Husen 2007, S. 21). Oft sind sie nicht nur im Zusammenhang mit dem Kernprodukt, sondern auch eigenständig
2.2 Produktbegleitende digitale Dienstleistungen
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erwerbbar. Mit der zunehmenden Digitalisierung haben digitale Güter oder E-Services an Bedeutung gewonnen. Produktbegleitende digitale Dienstleistungen sind elektronisch erstellte Leistungen, die zusätzlich zum Kernprodukt angeboten werden, um dem Kunden einen Zusatznutzen zu bieten. Digitale Leistungen, die ein vernetztes Fahrzeug bietet, umfassen unter anderem generische Dienste wie z. B. Multimedia- oder Kommunikationsdienste und fahrspezifische Dienste, wie vernetzte Navigation, After-Sales- oder Sicherheitsdienste. Digitalisierung als Wachstumstreiber Digitalisierung ist ein Wachstumstreiber in nahezu jeder Branche, hat jedoch gerade in den letzten Jahren auch für die Automobilbranche immens an Bedeutung gewonnen. Nicht nur die Produktion wird durch die Digitalisierung effizienter, sondern auch die Fahrzeuge selbst ändern sich maßgeblich. Während vor einigen Jahrzehnten die Elektrik lediglich Anlasser oder Licht im Fahrzeug umfasste, fahren heute zum Teil schon komplexe Computersysteme auf den Straßen. Es existieren diverse Automobile mit Fahrassistenzsystemen, z. B. Totwinkel- oder Spurhalteassistenten, die den Fahrer unterstützen und auch helfen Unfälle zu verhindern. Die Verbreitung von Smartphones führt zu einem zunehmend digitalen Lebensstil, der sich auch auf die Mobilität auswirkt. Der orts- und zeitunabhängige Internetzugang muss demnach auch im Fahrzeug fester Bestandteil werden. Die Smartphone-Integration ist aktuell schon bei vielen Marken und Modellen unabhängig der Preisklassen möglich. Es können beispielsweise Apps mit den Bedienelementen des Autos sicher und bequem gesteuert werden, Musik kann aus dem Internet gestreamt und über Autolautsprecher gehört werden, aber auch das Versenden von Nachrichten über Sprachsteuerung ist möglich. Internet der Dinge und Connected Cars Laut Meinung der Experten werden ab dem Jahr 2020 alle neugefertigten Autos mit dem Internet verbunden sein (Bundesverband Digitale Wirtschaft 2016, S. 2). Die Digitalisierung von Autos soll aber nicht nur in der Kommunikation zwischen Menschen enden, sondern auch die Verbindung zwischen den Fahrzeugen und der Außenwelt ermöglichen. Mit dem sogenannten Internet der Dinge wird das viel diskutierte Thema der Connected Cars immer wichtiger. Die Entwicklung führt letztendlich zum vollständig autonom fahrenden Automobil. Dieses soll eigenständig lenken, bremsen, beschleunigen und das vorausschauend, um Kollisionen zu vermeiden. Dabei muss die Anwesenheit des Fahrers nicht mehr zwingend erforderlich sein, womit das Auto beispielsweise selbstständig einparken und den Fahrer vom Termin wieder abholen könnte. Auch das ist schon lange keine Zukunftsmusik mehr, da bereits heute viele Testfahrten betrieben werden.
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2 Digitale Dienstleistungen in der Automobilbranche
2.2.2 Relevanz von digitalen Diensten für die Automobilbranche Produktbegleitende Dienstleistungen als Instrument der Produktdifferenzierung Produktbegleitende Dienstleistungen, wie beispielsweise Finanzierungsleistungen, werden in der Branche schon seit einigen Jahren als Instrument der Produktdifferenzierung eingesetzt. Chancen, wie die Stärkung der Marktposition und des Markterfolgs, wurden erkannt und genutzt. Aktuelle Entwicklungen auf dem Markt sowie im Konsumentenverhalten stellen Automobilproduzenten nun vor neue Herausforderungen. Um veränderten Anforderungen und Lebensstilen von Kunden gerecht zu werden und diese nicht an die Konkurrenz bzw. branchenfremde Marktteilnehmer zu verlieren, müssen die Hersteller digitale Service-Innovationen integrieren. Vernetzung steht dabei im Mittelpunkt. Kompetenzen der Technologie-Unternehmen Die aktuelle Nutzung von Navigations- und Unterhaltungsdiensten über das integrierte Smartphone im Fahrzeug läuft bei diversen Automarken über CarPlay von Apple oder der Open Automotive Alliance von Google. Audi, BMW, Mercedes oder auch Porsche unterstützen beispielsweise CarPlay mit einigen Modellen. Die Technologie-Unternehmen bringen bedeutende Kompetenzen im Bereich der digitalen Services und Datennutzung auf den Markt, über deren Umfang die klassischen Autohersteller noch nicht verfügen. Nicht nur die Fähigkeiten, sondern auch ihre Geschäftsmodelle, die Kundenbedürfnisse in den Mittelpunkt stellen, bringen den neuen Marktteilnehmern einen enormen Vorteil. Abgesehen davon wächst auch die Anzahl der unabhängigen Anbieter im Bereich After-Sales. Bosch oder auch A.T.U. setzen kundenorientierte Services ins Zentrum der unternehmerischen Tätigkeiten, wodurch Kundenanforderungen schneller und transparenter begegnet werden kann (Kastner 2016).
Die Gesamtheit aller neuen Marktteilnehmer stellt damit eine ernst zu nehmende Bedrohung für Autohersteller dar. Damit sie nicht im Zuge der Digitalisierung von den Software-Riesen vom Markt gedrängt werden, sich im wachsenden Wettbewerb weiterhin behaupten und Kunden binden können, müssen sie alte Strukturen aufbrechen, die Wertschöpfungskette erweitern und neue Strategien entwickeln.
2.3 Transformation zum Serviceanbieter 2.3.1 Integration digitaler Dienste in die Wertschöpfungskette Vom Produktanbieter zum Serviceanbieter Um die Konkurrenzfähigkeit beizubehalten, ist eine starke Orientierung an Kundenbedürfnissen unumgänglich. Hierfür müssen Autohersteller eine tief greifende Transformation vom Produktanbieter zum Serviceanbieter durchführen. Sie dürfen nicht mehr
2.3 Transformation zum Serviceanbieter
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als reine Hardware-Lieferanten mit Fokus auf Neuwagenverkauf und After-Sales denken, sondern müssen sich in Zukunft als Lösungsanbieter mit hoher Kundenorientierung positionieren und ein Nutzererlebnis schaffen. Eine frühzeitige Identifikation von Potenzialen und kundenrelevanten Funktionen sowie die Entscheidung für eine wettbewerbsstrategische Ausrichtung ist von hoher Bedeutung für die schnelle und erfolgreiche Integration von digitalen Diensten, denn dadurch wird klar, in welchen Bereichen neue Kompetenzen aufgebaut und welche bestehenden Kompetenzen weiterentwickelt werden müssen. Neuausrichtung der Wertschöpfungskette Die Transformation verlangt eine Erweiterung bzw. Neuausrichtung der gesamten Wertschöpfungskette. Zunächst sollten interne Strukturen wie Forschung und Entwicklung oder auch Marketing und Sales umgewälzt werden. Damit der Fortschritt bezüglich Digitalisierung und Vernetzung beschleunigt werden kann, ist im Bereich der Forschung und Entwicklung eine Abteilung für Elektronik und Vernetzung einzurichten. Unter Absprachen mit Stakeholdern und starker Marketingorientierung sollten Kundenanforderungen und neue Trends bezüglich Digitalisierung integriert werden (McKinsey& Company 2014, S. 37). Marketingmix Im Marketing und Vertrieb müssen Kompetenzen ausgebildet werden. Im Hinblick auf den Marketingmix und dessen Instrumente muss die Produktpolitik die neuen Services in das vorhandene Angebot aufnehmen, während die Preispolitik der Frage eines Preismodells für die Integration digitaler Dienste im Fahrzeug nachgehen muss. Es sollten zudem neue Kommunikationskanäle, wie z. B. Websites oder Apps eingerichtet und an das heutige Mediennutzungsverhalten angepasst werden, da Konsumenten vermehrt das Internet zur Informationsgewinnung nutzen. In der Distributionspolitik der Automobilhersteller, vor allem der Premiumhersteller, ist schon in den letzten Jahren eine Veränderung zu sehen. Der Vertrieb von Fahrzeugen wird zunehmend von den Herstellern selbst übernommen. Dadurch erhalten sie Unabhängigkeit gegenüber Händlern. Darüber hinaus kommen durch die Digitalisierung neue Absatzwege zum Einsatz, beispielsweise der AppStore, über den der Vertrieb der produktbegleitenden Apps zur Nutzung von digitalen Diensten im Fahrzeug umgesetzt wird. Wichtig ist hierbei eine genaue Abstimmung zwischen allen Kanälen. Externe Wertschöpfung Auch die externe Wertschöpfung muss neu ausgerichtet werden. Aufgrund der hohen Komplexität von digitalen Services im Fahrzeug und der bisher geringen Kompetenzen in diesem Bereich sind die Automobilhersteller auf starke Partner angewiesen. Um die Vernetzung zwischen Fahrzeugen, cloudbasierten Plattformen und Kunden zukünftig erfolgreich zu gestalten, sind einheitliche, standardisierte Schnittstellen notwendig. Es wird davon ausgegangen, dass Partnerschaften innerhalb der Branche zur Schaffung
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2 Digitale Dienstleistungen in der Automobilbranche
gemeinsamer Schnittstellen deutlich effizienter für die Autohersteller sind als der Aufbau eines eigenen Systems. Noch vor einigen Jahren fast undenkbar, kann eine Kooperation mit direkten Konkurrenten heutzutage Vorteile bieten. Einige Komponenten der Integration von Vernetzungsdiensten, wie etwa die Benutzerschnittstelle, erfordern hohe Investitionen, erbringen aber keinen entscheidenden Wettbewerbsvorteil. Hier können Partnerschaften auf Industrieebene helfen, Entwicklungskosten zu senken und gleichzeitig Marktbarrieren aufbauen (McKinsey&Company 2014, S. 41). Gemeinsame Systeme zur Kontrolle von Big Data Die Kontrolle großer Datenmengen (Big Data), die mit der Vernetzung von Fahrzeugen entstehen, ist in einem gemeinsamen System mit anderen Autokonzernen deutlich einfacher. Die Differenzierung gegenüber anderen Herstellern muss dabei nicht verloren gehen. Durch die gemeinsame Datenanalyse können Daten ausgetauscht und geteilt werden, womit zur Marke passende neue Innovationen entwickelt werden können.
Dass diese Chancen innerhalb der Branche bereits verstanden wurden, zeigt die Kooperation zwischen Daimler, Audi und BMW. Die drei deutschen Premiummarken haben mit dem Kauf der Nokia-HERE-Navigationsplattform einen wichtigen Schritt gemacht. Da Echtzeit-Karten für die zukünftige Mobilität eine besonders wichtige Rolle spielen, können die Konzerne damit keine Vorteile gegenüber anderer Konkurrenten erzielen. Durch den Zusammenschluss jedoch, sparen sie Kosten und können auf Basis gemeinsamer, umfassenderer Daten eigene, individuelle Dienste anbieten. Der Kauf verdeutlicht aber auch, dass nicht nur brancheninterne Partnerschaften, sondern auch Kooperationen außerhalb der Automobilindustrie von Vorteil sein können. Diese erbringen neue wertvolle Kompetenzen für die Autohersteller, wie auch bei dem Kartendienstkauf deutlich wird.
Transformation vom Produkt- zum Serviceanbieter Dass die Transformation vom Produkt- zum Service- bzw. Softwareanbieter in der Automobilindustrie bereits im vollen Gange ist, zeigt die Abb. 2.3. Autoproduzenten haben ihre Aktivitäten bereits um einige Softwarefunktionen erweitert. Beispielsweise arbeiten sie an einem Fahrzeugbetriebssystem und einer Benutzerschnittstelle, entwickeln spezifische Apps oder stellen fahrzeugunabhängige Inhalte auf digitalen Plattformen zur Verfügung. Auch branchenfremde Unternehmen wie Google und Apple haben ihre Kernaktivitäten ausgebaut. Sie wollen ihr eigenes Betriebssystem und Software bezüglich vernetzter digitaler Dienste und eigene Benutzerschnittstellen in die Fahrzeuge integrieren (McKinsey&Company 2014, S. 16). Die Kernaktivitäten der Automobilhersteller und der Unternehmen der Digitalwirtschaft unterscheiden sich, wie die Abb. 2.3 zeigt, aber die neuen Aktivitäten führen zu Überschneidungen in diesen Branchen.
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Digitale Services:
•fahrzeugunabhängiger Content •Mobile Apps
Software
•Betriebssystem für z.B. SmartphoneIntegration
Systemintegration •Software•Fahrzeug•Benutzerschnittstelle
Neue Aktivitäten
Hardware
•Komponenten •Fahrzeugdesign •Mobile Geräte
Automobilhersteller Digitale Unternehmen Abb. 2.3 Aktivitäten-Erweiterung. (Quelle: Mit freundlicher Genehmigung von © McKinsey& Company 2014, S. 16. All Rights Reserved)
Vernetzung führt zu neuen Kundenbedürfnissen Die Transformation ist nicht abgeschlossen, da die weiterhin steigende Relevanz von Vernetzung auch zukünftig eine hohe Anzahl an neuen Kundenbedürfnissen erbringt und daher eine Vielzahl an neuen Kompetenzen im Technologiebereich erfordert.
2.3.2 Wettbewerbsvorteile von Automobilherstellern Echtzeit-Fahrzeugdaten Im Vergleich zu der Konkurrenz aus anderen Branchen haben Automobilhersteller einige Vorteile. Sie verfügen beispielsweise über eine beträchtliche Menge an Echtzeit- Fahrzeugdaten. Diese Daten werden als wertvolle Ertragsquelle gesehen, da diese in Zukunft den Weg zum autonomen Fahren ebnen sollen. Außerdem können sie schon heute genutzt werden, um beispielsweise durch effektivere After-Sales-Maßnahmen die Kundenbindung zu stärken. Allerdings haben die Autohersteller weniger Erfahrung mit der Analyse dieser Daten als etwa Google. Dazu kommt, dass einige neue Marktteilnehmer auch willig sind, in das Geschäftsfeld der fahrspezifischen Dienste einzutreten (McKinsey&Company 2015, S. 26). Kompetenzen in der Datenanalyse Die Autobranche muss in diesem Bereich der Datenanalyse schnell Kompetenzen aufbauen. Einige Hersteller sind bereits im Silicon Valley, dem bedeutendsten IT-Standort vertreten, um diese Lücke mithilfe von Software-Experten schnellstmöglich zu schließen (Dörner 2015). Google und Apple arbeiten derzeit an einem autonomen Auto. Aufgrund
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2 Digitale Dienstleistungen in der Automobilbranche
bestehender Eintrittshürden, wie beispielsweise der Markenstärke und Markenbekanntheit vieler Automobilhersteller oder dem immer noch bestehenden hohen Vertrauen der Kunden gegenüber traditionellen Automobilkonzernen, wird es für die neuen Marktteilnehmer aber nicht einfach, direkt in den Markt einzutreten (Witt et al. 2013, S. 229). Human-Machine Interface Einen weiteren Vorteil haben Autobauer im sogenannten Human-Machine Interface, also der Schnittstelle zwischen Fahrer und Fahrzeug. Eine integrierte Benutzerschnittstelle im Fahrzeug macht die Nutzung der digitalen Dienste während der Fahrt sicherer, komfortabler und auch legal, im Gegensatz zur Smartphone-Verwendung. Vor allem Premiumhersteller haben bereits angefangen, Technologien wie Touchscreens, Spracherkennung oder Augmented Reality im Fahrzeug einzusetzen. Sie haben mehr Know-how im Bereich der Fahrzeuge und Vorlieben der Fahrer als branchenfremde Konkurrenten und können dies im Human-Machine Interface einsetzen, um wettbewerbsfähig zu bleiben (McKinsey&Company 2014, S. 34).
2.3.3 Service Excellence Leistungsbündel mit hohem Kundennutzen Um Fahrzeuge und Dienste als Leistungsbündel anzubieten, die einen hohen Kundennutzen versprechen, ist eine intensive Auseinandersetzung mit Kundenprozessen und Produktanwendungen über die gesamte Produktlebensdauer hinweg dringend erforderlich (van Husen 2015, S. 511). Diese Kundenorientierung manifestiert sich auch im Kontext der Service Excellence. Aufgrund des hohen Wettbewerbs und der homogenen Produkte in der Automobilbranche reicht eine bloße Zufriedenstellung von Kunden heutzutage nicht mehr aus. Vielmehr sollte das neue Ziel von Unternehmen die Kundenbegeisterung sein. Der Kerngedanke von Service Excellence besteht darin, das Angebot der Serviceleistungen stetig zu verbessern und weiterzuentwickeln, damit sie von Kunden als exzellent wahrgenommen werden und Kundenbegeisterung erzielt werden kann. Dieser Ansatz gilt besonders für Premium- und Luxusmarken-Anbieter. Die Erkenntnis haben bereits viele Automobilhersteller erlangt und ihre Mission angepasst. Audi beispielsweise wirbt nun mit dem Spruch: „Wir begeistern Kunden weltweit“ (AUDI AG 2010, S. 7). Kundenbegeisterung Um das Ziel der Kundenbegeisterung zu erreichen, müssen drei Faktoren berücksichtigt werden: 1. Die Kernleistung der Produkte muss ganzheitlich überzeugen und begeistern. 2. Auch die Marke sollte Kunden emotional ansprechen und Begeisterung hervorrufen (Gouthier 2013, S. 138).
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3. In der Automobilbranche spielt insbesondere das Angebot von exzellenten Services eine wichtige Rolle, da diese eine Vielzahl an Kundenkontakten hervorbringen (Gouthier et al. 2012, S. 334).
Exzellente Services können Begeisterungsfaktoren darstellen, womit dem Kunden überraschende und überzeugende Erlebnisse geboten und damit Kundenbegeisterung ausgelöst werden kann. Um exzellente Services anbieten zu können, ist die Erfassung von relevanten Kundenerlebnissen notwendig. Es ist wichtig, Kundenerfahrungen sowie Anforderungen gegenüber dem eigenen Unternehmen und der Wettbewerber zu kennen (Gouthier 2013, S. 143).
2.3.4 Orientierung an Kundenbedürfnissen Um Kundenbegeisterung hervorzurufen, eine Steigerung der Kundenloyalität und damit niedrigere Abwanderungsrate zur Konkurrenz zu erreichen, sollten Automobilmarken ihre Produkte und Dienstleistungen an Kundenbedürfnissen ausrichten. Im Folgenden sollen einige Kundenanforderungen bezüglich produktbegleitender digitaler Dienste und deren Relevanz beim Autokauf anhand verschiedener Studien und Umfragen aufgezeigt werden. Relevanz des eigenen Autos Zunächst lassen Veränderungen im Konsumentenverhalten, wie etwa die verstärkte Urbanisierung, die Vermutung aufkommen, dass viele vor allem in Städten lebende Menschen den Autokauf ablehnen und andere Mobilitätsformen bevorzugen. Allerdings hat die Connected-Car-Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst&Young von 2012 gezeigt, dass der eigene Autobesitz für 85 % der 2000 befragten Deutschen über 18 Jahren nach wie vor wichtig ist. Bei den 18–35 jährigen sind es immerhin 65 %, die das eigene Auto als „sehr wichtig“ ansehen (Ernst&Young 2012, S. 13). Markenwechselbereitschaft für bessere Vernetzungsangebote Einen wichtigen Indikator für die Relevanz von digitalen vernetzten Diensten bietet die Markenwechselbereitschaft für bessere Vernetzungsangebote. Zwischen den Jahren 2014 und 2015 hat sich laut McKinsey diese Zahl fast verdoppelt und liegt nun bei 37 %. Das verdeutlicht den Wandel der digitalen Mehrwertdienste von optionalen zu kaufentscheidenden Merkmalen. Allerdings bestehen große regionale Unterschiede. Von den chinesischen Umfrageteilnehmern würden 60 % den Anbieter für bessere Connectivity-Angebote wechseln, während es in Deutschland lediglich 20 % sind (McKinsey&Company 2015, S. 18 f.).
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2 Digitale Dienstleistungen in der Automobilbranche
Internetzugang im Fahrzeug Ein Ergebnis der Connected-Car-Studie von Ernst&Young ist, dass bereits 39 % der Befragten integrierte Kommunikation, wie z. B. Nachrichtendienste, beim Autokauf als bedeutend einschätzen (Ernst&Young 2012, S. 15). Multimediadienste wie z. B. Musikstreaming wurden, innerhalb einer anderen Studie, aufgrund hoher Ablenkungsgefahr negativ bewertet (Wolf et al. 2012, S. 38). In der zwei Jahre später von McKinsey durchgeführten Befragung gewinnen Dienste wie Echtzeit-Wartungsinformationen, ortsbasierte Empfehlungen, Stauprognosen oder Musikstreaming enorm an Bedeutung. Der Internetzugang im Fahrzeug spielt damit eine zunehmend wichtige Rolle.
13 % von 2000 Autofahrern würden ein Auto ohne Internetzugang nicht mehr kaufen, dieses Ergebnis bezieht sich auf Befragte aus Deutschland, Brasilien, China und den USA (McKinsey&Company 2014, S. 11).
Fahrerunterstützende Services Services, die den Fahrer direkt unterstützen, z. B. Navigationsdienste, haben diesbezüglich den höchsten Stellenwert beim Autokauf und beeinflussen am stärksten die Markenwechselbereitschaft. Auch hinsichtlich der Zahlungsbereitschaft gab es zwischen den Jahren 2014 und 2015 ein Wachstum von 52 %, womit knapp ein Drittel der Befragten regelmäßig Gebühren für die Fahrzeugvernetzung zahlen würde (McKinsey&Company 2015, S. 18, 27). Freigabe persönlicher Daten Im Hinblick auf die persönliche Datenfreigabe ergibt sich eine eher unerwartete Offenheit der Kunden. 76 % der Befragten würden dem Hersteller erlauben, Standortdaten zu nutzen, um das Produkt bzw. Services zu verbessern. Kunden sind vor allem bei fahrspezifischen Diensten wie z. B. Navigation bereit, den Zugriff auf Daten zu erlauben. Ergänzend zu nennen ist die Feststellung, dass vor allem deutsche Kunden eher bereit sind, ihre Daten Autokonzernen zur Verfügung zu stellen, als den Herstellern für Smartphone-Betriebssysteme (McKinsey&Company 2015, S. 20 f.). Dies verdeutlicht das hohe Vertrauen in traditionelle deutsche Automarken, was wiederum ein Potenzial für die Kundenbindung gegenüber Software-Unternehmen darstellt (McKinsey&Company 2017). Interesse am autonomen Fahren Allgemein besteht Interesse an selbstständigen Autos, was 76 % der deutschen Befragten der McKinsey-Studie 2015 bestätigen. In China sind es bereits 93 %. Allerdings sollte das Fahrzeug zusätzlich vom Fahrer selbst wie gewohnt gesteuert werden können. Vor allem Autofahrer zwischen 18 und 29 Jahren werden hiermit besonders angesprochen. Bei den über 60-jährigen sind es fast 20 % weniger. In dieser Altersgruppe besteht demnach ein Akzeptanzdefizit, das Autohersteller bei der Umsetzung berücksichtigen müssen (McKinsey&Company 2015, S. 39).
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Autokonzerne sollten daher über ein klares Verständnis für Kundenbedürfnisse und Erwartungen verfügen, um an die Zielgruppe angepasste digitale Dienste anbieten zu können und eine Abwanderung zur Konkurrenz zu verhindern.
2.3.5 Erfolgsentscheidende Kriterien Dass digitale Dienste im Fahrzeug eine immer bedeutendere Rolle spielen, haben diverse Kundenumfragen bewiesen; mit der Erlösgenerierung haben Automobilhersteller allerdings noch einige Probleme (Bock 2016). Um den Kunden in Zukunft einen absoluten Mehrwert zu bieten, Begeisterung auszulösen und die Kundenloyalität bzw. Kundenbindung zu stärken, müssen folgende Kriterien noch stärker berücksichtigt werden. Information über die vernetzten Funktionen Automobilhersteller sollten ihren Kunden bereits vor dem Kauf eines Fahrzeugs einen nachhaltigen Eindruck bezüglich ihres Angebots an digitalen Dienstleistungen geben. In der Phase vor dem Kauf findet eine lange und intensive Informationssuche statt. Das neue, komfortable, sichere Fahrerlebnis und der Mehrwert der produktbegleitenden Dienste müssen in dieser Phase deutlich kommuniziert werden, um durch die emotionalen Komponenten positives Empfinden gegenüber der Marke auslösen. Diesbezüglich besteht jedoch ein Defizit, da laut einer Bearingpoint-Studie aus dem Jahr 2016 39 % der Befragten gar nicht wissen, dass ihr Auto über vernetzte Funktionen verfügt. Außerdem geht aus der Studie hervor, dass fast jeder Zweite beim Autokauf nicht im Detail in die vernetzten Funktionen seines Fahrzeugs eingeführt worden ist (Bock 2016). Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass Autohersteller die Kommunikation aktuell noch vernachlässigen. Bei Mitarbeitern und Händlern besteht häufig ein mangelnder Kenntnisstand im Bereich der vernetzten Funktionen. Dieser kann zu Unzufriedenheit bezüglich des Kaufprozesses führen. Mehrwerte und Nutzen müssen daher effektiv an den Kunden vermittelt werden, um Akzeptanz und umfassende Nutzung zu gewährleisten (Esch et al. 2013, S. 344). Damit einhergehend kann auch die bisher eher geringe Bereitschaft der Kunden erhöht werden, für die Dienste zu bezahlen. Funktionalität, Zuverlässigkeit und eine schnelle Datenübertragung Da während der Nutzungsphase ein Soll-Ist-Vergleich zwischen Erwartungen und Realität stattfindet, sind für die Zufriedenstellung von Kundenanforderungen vor allem Nutzenmerkmale wie Funktionalität, Zuverlässigkeit und eine schnelle Datenübertragung wichtig. Ein besonderes Augenmerk sollte die Funktionalität von fahrspezifischen Diensten, wie Navigations- und Sicherheitsdienste, erhalten. Zeit- und ortsunabhängige Nutzung ist in diesem Zusammenhang eine der wichtigsten Anforderungen an die vernetzten Dienste. Die Nutzung der Navigationsplattform sollte auch offline möglich sein.
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2 Digitale Dienstleistungen in der Automobilbranche
Ausgeprägte Kundenorientierung Eine hohe Kundenorientierung sowie die Kommunikation der Dienste auf Herstellerund Händlerbasis sind demnach notwendig, um die Akzeptanz zu erhöhen und letztendlich von den digitalen Diensten zu profitieren.
2.4 Carsharing als neue Mobilitätsdienstleistung 2.4.1 Neue Geschäftsmodelle Sharing-Economy: Carsharing Einige Automobilkonzerne haben sich bereits auf den Trend der Sharing-Economy eingelassen und bieten neben ihrem Kernprodukt das Carsharing als neue Mobilitätsdienstleistung an, ob mit Kooperationen (driveNow! von BMW und SIXT) oder eigenständig (car2go von Daimler). Durch das neue Produkt-Dienstleistungssystem, das unter anderem auf digitalen Diensten basiert, wird einem gewissen Kundenstamm die zeitlich begrenzte Nutzung von konzerneigenen Fahrzeugen gegen Gebühren zur Verfügung gestellt. Entscheidend für den Erfolg des neuen Geschäftsmodells ist die Involvierung des Kunden in die Leistungserstellung, da die Wertschöpfung des Autoherstellers erst mit der Nutzung erfolgt (Voeth et al. 2015, S. 475). Das Angebot ist vor allem in Großstädten verfügbar, da die neuen Wertevorstellungen der Konsumenten dort besonders ausgeprägt sind. Hinzu kommen in diesem Fall beispielsweise auch fehlende Parkplätze durch die anwachsende Bevölkerungsdichte in urbanen Gebieten (Voeth et al. 2015, S. 477). Innerhalb Europas ist Deutschland der größte Markt mit 2400 Stationen; knapp 1,7 Mio. Nutzer umfasst das Carsharing in Deutschland aktuell, im Vergleich zum Vorjahr eine Steigerung von 36 % (Bundesverband CarSharing 2017, S. 1). Trotz der Tatsache, dass in Zukunft viele der heutigen Autobesitzer kein eigenes Fahrzeug mehr besitzen werden, wird das Bedürfnis nach individueller Mobilität dennoch steigen (Bartz 2015, S. 12).
Automobilhersteller müssen daher neue Geschäftsmodelle entwickeln, in deren Fokus die Nutzung und nicht mehr das Eigentum an einem Fahrzeug steht. Mit den nutzungsbasierten Geschäftsmodellen lässt sich eine digitale Kundenbeziehung aufbauen.
Modelle für Vehicles-on-Demand Neben dem bisherigen sog. Driver-Owner-Markt wird sich daher ein zweiter Markt für Mobilität bilden, bei dem sich sog. Vehicles-on-Demand-Geschäftsmodelle etablieren werden. Unter Vehicles-on-Demand versteht man eine geteilte und temporäre
2.4 Carsharing als neue Mobilitätsdienstleistung
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utomobilnutzung. Darunter lassen sich die folgenden fünf Nutzungsprinzipien zusammenA fassen (Diez 2018, S. 143). 1. Klassische Fahrzeugvermietung 2. Carsharing 3. Ride Hailing 4. Peer-to-Peer-Carsharing 5. Ride Sharing Vor allem Carsharing und Ride Hailing haben sich in den letzten Jahren entwickelt, was sich durch gestiegene Nutzungszahlen bemerkbar macht. Carsharing Carsharing entspricht einem temporären Besitz und die geteilte, eigentumslose Nutzung von Fahrzeugen (Riegler et al. 2016, S. 13). Die Nutzung und die damit verbundenen Prozesse werden von einem kommerziellen Anbieter professionell organisiert. In Deutschland gab es im März 2018 ca. 2,1 Mio. Carsharing-Nutzer (Carsharing-News 2018), im Jahr 2017 waren es 1,7 Mio. und im Jahr 2016 1,25 Mio. Nutzer. Beispiel
Der Carsharing-Anbieter Car2go des Automobilherstellers Daimler ist mit 886.000 Kunden und 3860 Fahrzeugen in sieben deutschen Städten Marktführer in Deutschland. Direkter Konkurrent ist das Unternehmen DriveNow des Automobilherstellers BMW mit 720.000 Kunden und 3370 Fahrzeugen in fünf Städten (Carsharing-News 2018). Jüngsten Pressemeldungen zufolge legen Daimler und BMW in Zukunft ihre digitalen Mobilitätsservices zusammen, um sich gegen Anbieter aus China und den USA behaupten zu können. Ziel dieses Zusammenschlusses ist es „einer der führenden Anbieter von innovativen Mobilitätsdienstleistungen zu werden“ und „bestehende Angebote für On-Demand Mobilität in den Bereichen CarSharing, Ride-Hailing, Parking, Charging und Multimodalität zusammenzuführen“ (Daimler AG 2018). Die Realisierung von Carsharing, wie sie in der heutigen Form existiert, basiert auf Connected Car Technologien. Der Nutzungsvorgang beim Carsharing ist grundsätzlich komplex, da aufwendige Registrierungs- und Identifikationsprozesse notwendig sind. Durch die Digitalisierung und der damit einhergehenden Vernetzung der Fahrzeuge konnten diese Prozesse vereinfacht werden. Über eine Smartphone-App kann der Kunde das nächstgelegene Fahrzeug finden, es buchen, sich Zugang zum Fahrzeug verschaffen und für die Nutzung bezahlen. Durch die Vereinfachung des Nutzungsvorgangs sind auch die Transaktionskosten und die Zugangsschwelle zum Carsharing gesunken. Außerdem hat auch das Free-floating Carsharing zu der positiven Entwicklung beigetragen. Free-floating erlaubt den Kunden das genutzte Fahrzeug im gesamten Stadtgebiet wieder abzustellen. Zu Beginn konnten Fahrzeuge nur ab bestimmten Stationen genutzt werden und mussten wieder zu diesen zurückgebracht werden.
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Auch beim Carsharing können umfassende Nutzungsprofile erstellt werden, über die dem Kunden individuelle Tarifmodelle angeboten werden können, um somit einen positiven Einfluss auf die Kundenbindung zu nehmen. Außerdem existieren bereits weitere Maßnahmen zur Kundenbindung. Bei Car2go, wie auch bei anderen Carsharing-Anbietern, wird die Möglichkeit geboten sein Smartphone mit dem Fahrzeug zu verbinden, um so die eigene Musik im Fahrzeug abzuspielen und andere Apps zu nutzen. Der Anbieter DriveNow wirbt damit, dass bei Antritt der Fahrt die persönliche Lieblingsmusik und die Sitzposition im Auto bereits voreingestellt sind (Gabriel 2014, S. 15). Ziel dabei ist es, dem Nutzer eine „eigentumsähnliche Nutzererfahrung“ zu bieten (Siefer 2017, S. 23). Die Nutzungsprofile der Kunden verwendet DriveNow um ihnen Partnerpakete anzubieten. Darüber kann der Kunde zu einem Pauschalpreis z. B. in ein Skigebiet, in ein Schwimmbad oder in eine andere Freizeiteinrichtung fahren und diese nutzen. Außerdem wird die Integration von Partnerangeboten dazu genutzt, geführte Touren mit Informationen und Sonderangeboten an bestimmte Orte, wie Museen, Sportveranstaltungen, Konzerte oder Sehenswürdigkeiten, anzubieten. Je mehr Daten über den Kunden vorliegen, desto personalisierter können die Angebote gestaltet werden. Des Weiteren sind bestimmte Mobilitätsdienstleistungen bei DriveNow in das Fahrzeug integriert. Zum Beispiel werden Abfahrtszeiten der U-Bahn an der nächstgelegenen Haltestelle im Fahrzeug angezeigt und der Fahrer kann bei Interesse im Fahrzeug ein Ticket erwerben. Besonders loyale Kunden erhalten individuelle Rabatte (Gabriel 2014, S. 15). Ride Hailing Beim Ride Hailing wird der Kunde in einem Privatauto, Mietwagen oder Taxi von einem Fahrer gefahren und bezahlt für die Fahrt. Die Buchung erfolgt, wie auch beim Carsharing, über eine Webseite oder Smartphone-App. Die Ride Hailing Anbieter werden Transport Network Companys (TNC) genannt. Die TNCs bringen Anbieter und Nachfrager zusammen und wickeln den Prozess der Bestellung, der Nutzung, der Bezahlung und der Bewertung ab (Diez 2018, S. 148). Beispiel
Zu den führenden Ride Hailing Anbietern gehören die US-amerikanischen Unternehmen Uber, Lyft und Gett. Ride Hailing hat besonders in den Ländern an Bedeutung gewonnen, in denen die Personenbeförderung keiner starken Regulierung unterliegt. Deutschland gehört nicht zu diesen Ländern; aufgrund dessen vermittelt in Deutschland die Ride Hailing App MyTaxi nur Taxifahrten, die von offiziellen Taxiunternehmen durchgeführt werden. Das Unternehmen MyTaxi wurde im Jahr 2014 von dem Fahrzeughersteller Daimler übernommen (Scherkamp 2014).
2.4 Carsharing als neue Mobilitätsdienstleistung
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Peer to Peer (P2P) Carsharing Eine weitere Form des Carsharings ist das Peer to Peer (P2P) Carsharing. Über eine Online-Plattform können private Eigentümer ihr Fahrzeug an private Nutzer vermieten. Einige Automobilhersteller sind bereits in diesen Markt eingestiegen. Beispiel
Der Automobilhersteller Daimler hat den P2P Carsharing Anbieter Groove gegründet, der mittlerweile in die US-Plattform Turo integriert wurde und auch in Europa verfügbar ist. Eine Einschränkung von Fahrzeugmarken, welche vermietet werden dürfen, gibt es nicht. Der Hersteller Ford dagegen hatte ein Pilotprojekt gestartet, bei dem nur das Vermieten von Fahrzeugen der eigenen Marke, die über den Ford Financial Service finanziert wurden, erlaubt war. Die Idee dahinter war, dass die Finanzierungskosten eines neuen Fahrzeugs durch die Mieter des Fahrzeugs mitgetragen werden. Der Vorteil des P2P Carsharings liegt darin, dass es gegenüber dem Carsharing keiner eigenen Fahrzeuge des Anbieters bedarf und somit für die Unternehmen weniger kostenintensiv ist. Der Nachteil besteht in der geringen Flexibilität des Systems, da der mit der Anmietung des Fahrzeugs verbundene Aufwand relativ groß ist. Beispielsweise muss die Schlüsselübergabe bei Anmietung und Abgabe organisiert werden. Aufgrund dessen ist das P2P Carsharing vor allem für Fahrten auf längeren Strecken geeignet. Das Unternehmen Ford, wie auch der Hersteller Opel und andere P2P Anbieter haben sich bereits wieder aus dem P2P Carsharing-Geschäft zurückgezogen. In Deutschland existieren nur noch drei überregionale P2P-Anbieter. Bisher sind nur 2 % der Deutschen Nutzer bzw. Anbieter des P2P Carsharings geworden (Mattke 2018). Ride Sharing Das Konzept des Ride Sharings basiert auf der klassischen Idee einer Mitfahrtzentrale, dabei konzentriert sich die Mitfahrten auf den innerstädtischen Bereich. Das Prinzip unterscheidet sich von einer klassischen Taxifahrt und vom Ride Hailing dadurch, dass man sich die Fahrt mit anderen Menschen teilt. Der Dienst wird, wie auch die anderen Dienste, über eine App auf dem Smartphone in Anspruch genommen. Algorithmen berechnen im Hintergrund welches Fahrzeug gerade in der Nähe ist und den Fahrgast mitnehmen kann und welche Fahrgäste im weiteren Verlauf der Fahrt mit ähnlicher Wegstrecke noch mitfahren können. Aufgrund dieser Faktoren wird die Route geplant. Beispiel
Daimler und die Berliner Verkehrsbetriebe haben zusammen den Ride-Sharing Dienst Berlkönig geründet. Geplant ist ein Start des Dienstes im Frühjahr 2018 (Mortsiefer 2017). Volkswagen hat die Mobilitätsmarke MOIA gegründet und plant mit dem
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gleichnamigen Fahrzeugmodell, das ausschließlich für das eigene Carsharing- Angebot genutzt werden kann, ebenfalls einen Ride Sharing Dienst (Doll 2017).
2.4.2 Wirkungen von Carsharing Carsharing zur Stärkung der Kundenbindung Auch dieses Geschäftsmodell bietet Potenziale, die Kundenbindung zu stärken. Eine Auseinandersetzung des Herstellers mit ökologischen und nachhaltigen Aspekten kann in Zeiten von verstärktem Umweltbewusstsein zum besseren Image beitragen, was sich wiederum positiv auf die Markenattraktivität auswirkt (Voeth et al. 2015, S. 478). Eine Identifikation mit der Marke, gleiche Werte und Einstellungen können zu Verbundenheit führen. Außerdem wird der Bekanntheitsgrad der Marke angesichts der regelmäßigen Präsenz auf den Straßen erhöht. Die Nähe zu vor allem jungen Kunden kann langfristig eine Chance von Carsharing-Angeboten sein.
Die Präsenz der Marke bzw. Produkte ist in Lebenssituationen gewährleistet, in denen ein eigenes Auto eigentlich keine Rolle spielt. Langfristig gesehen kann diese Bekanntheit einen positiven Effekt auf zukünftige Kaufentscheidungen haben (Voeth et al. 2015, S. 479).
Carsharing zum Test verschiedener Modell einer Marke Die Kunden des Carsharings können sich während der Nutzung von verschiedenen Modellen der Marke überzeugen. Wird diesbezüglich eine hohe Produktzufriedenheit bzw. auch Begeisterung erreicht, kann dies bei einer anstehenden Kaufentscheidung ein wichtiges Argument darstellen (Diehlmann und Häcker 2012, S. 150). Inwiefern die eventuell entstandene emotionale Bindung auf die Markenentscheidung einwirkt, ist jedoch umstritten (Walker 2016). Datensammlung durch Carsharing Ein weiterer großer Vorteil sind die beim Carsharing gesammelten Daten. Durch angelegte Nutzerprofile, Social-Media- oder Vergleichsportale können wertvolle Kundendaten und Informationen bezüglich Präferenzen zu Produkten gewonnen werden. Zukünftig soll das Fahrzeug die Nutzer aufgrund von Profilen und Accounts wiedererkennen und dadurch automatisch beispielsweise Sitz- und Spiegeleinstellungen, aber auch häufige Fahrziele vorschlagen. Das bietet dem Nutzer ein besonderes Fahrerlebnis und kann dementsprechend Begeisterung bzw. positive Emotionen mit der Marke erzeugen. Von den Kundendaten lassen sich aber auch Produktverbesserungen oder Servicequalitätsverbesserungen ableiten. Außerdem können Fahrzeugneuheiten erprobt und auf Nutzerfreundlichkeit getestet werden (Voeth et al. 2015, S. 478 f.).
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2.5 Herausforderungen bezüglich digitaler Dienste 2.5.1 Probleme bei der Integration ins Geschäftsmodell Eigenständige Entwicklungen oder Partnerschaften Automobilhersteller stehen vor grundlegenden Veränderungen ihrer Branche und Produkte. Sie müssen die Potenziale aktiv mitgestalten, da dies sonst branchenfremde Unternehmen übernehmen, sie dürfen also ihre Fahrzeuge nicht nur als Plattform zur Verfügung stellen und die Umsatzpotenziale im Bereich der Daten den Softwareunternehmen überlassen. Die Autokonzerne müssen sich entscheiden, ob sie durch eigenständige Entwicklungen die Kontrolle über Kosten, Qualität und Positionierung bewahren, wobei lange Entwicklungszyklen in Kauf genommen werden müssen, oder ob sie mithilfe von brancheninternen bzw. branchenübergreifenden Partnerschaften Innovationsführer werden. Beide Möglichkeiten bergen einige Chancen, aber auch Risiken, die gegenübergestellt und hinsichtlich Unternehmens- und Markenwerten beurteilt werden müssen (BVDW 2014, S. 4). Ertragsmodell Eine große Herausforderung hinsichtlich der neuen Dienstleistungen besteht im Ertragsmodell. Um die Fahrzeugvernetzung bzw. die Car-to-Car Kommunikation funktionsfähig zu machen, ist eine Vergrößerung der bereits stark ausgelasteten Datennetze notwendig. Dementsprechend müssen hohe Investitionen getätigt werden. Partnerschaften innerhalb der Branche, aber auch mit IT-Unternehmen erhalten deshalb eine immens hohe Bedeutung (Ernst&Young 2012, S. 25). Die digitalen Leistungen können nicht kostenlos angeboten werden, die Automobilhersteller müssen ihre Kosten decken. Eine komplexe Aufgabe besteht nun in der Preisfindung für die zukünftigen Dienste. Von Vorteil ist, dass die Bereitschaft der Kunden steigt, für den Zusatznutzen zu zahlen. Laut der McKinsey Studie aus dem Jahr 2015 sind 32 % der Befragten aus Deutschland, China und den USA bereit, für die vernetzten Dienste regelmäßig Gebühren zu zahlen. Das macht eine Steigerung von über 50 % zum Vorjahr aus. Es bleiben jedoch zwei Drittel, die nicht bereit sind dafür zu zahlen. Die Kunden sind die zum Teil kostenlosen oder günstigeren Leistungen, wie z. B. Navigations- Apps von Software-Unternehmen gewöhnt (McKinsey&Company 2015, S. 18). Kostenlose Dienstleistungen, die zusätzlich zum Produktangebot gehören, werden häufig vom Kunden nicht ausreichend wahrgenommen und wertgeschätzt (van Husen 2015, S. 503).
Infolgedessen muss die Bereitschaft und Akzeptanz beim Kunden erhöht werden, für die Dienste zusätzliche Kosten zu akzeptieren und deren Nutzen wertzuschätzen. Dafür ist eine gute Kommunikation der Mehrwerte unerlässlich.
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Unterschiedliche Produktlebenszyklen von Autos und Smartphones Ein weiteres Problem besteht in den unterschiedlich langen Produktlebenszyklen. Während die Entwicklung eines Fahrzeugs ca. drei bis vier Jahre dauert und dieses im Anschluss sechs bis acht Jahre verkauft wird, werden im Jahresrhythmus neue Smartphones auf den Markt gebracht (Grünweg 2013). Auch die Nutzungsdauer divergiert dramatisch. Über zehn Jahre wird ein Auto genutzt, wohingegen Smartphones durchschnittlich nur zwei Jahre in Verwendung sind (Heinrichs et al. 2012, S. 623 f.). Betriebssysteme von Smartphones werden in Abständen von wenigen Monaten oder Wochen aktualisiert. Dadurch können Fehler behoben und Produkte schnell und bedarfsabhängig verbessert werden.
Die digitale Umwelt ist getrieben von Schnelllebigkeit, was eine Integration von aktuellen Kundenbedürfnissen in die Fahrzeugentwicklung erheblich erschwert.
Schnelle Entwicklung von Fahrzeugsoftware Die Fähigkeit der schnelleren Entwicklung von Fahrzeugsoftware wird allerdings zu einem ausschlaggebenden Erfolgsmerkmal. Demzufolge wäre es von Vorteil, wenn angebotene Dienste unabhängig von der Entwicklung des Fahrzeugs angepasst und bestenfalls drahtlos übertragen werden können, wie es derzeit z. B. schon bei Tesla zu sehen ist. Dazu sind synchronisierte und aufeinander abgestimmte Entwicklungsabteilungen mit umfangreichen Kompetenzen nötig. Je schneller und innovativer die Leistungen umgesetzt werden, desto höher ist der Wettbewerbsvorteil (Heinrichs et al. 2012, S. 624). Hersteller-Händler Beziehung Herausforderungen für Automobilhersteller bestehen auch in der Beziehung zu Händlern. Kundendienstzufriedenheit führt zur Händlerloyalität. Auch diese ist für die emotionale Markenbindung besonders wichtig. Sind Kunden nicht zufrieden mit der Servicequalität von Händlern, übertragen sie diese Emotion auf die Marke. Die erbrachten Dienstleistungen der Händler formen demnach nicht nur das Service-Image der Marke, sondern auch das Produkt-Image (Kohl und Vollmer 2011, S. 32). Um Kunden ein exzellentes Erlebnis bezüglich der Servicequalität zu bieten und Begeisterung auszulösen, müssen Händler und Hersteller Markenwerte gleichermaßen vertreten und ein aufeinander abgestimmtes Gesamtbild präsentieren (Gouthier 2013, S. 136). Dementsprechend müssen auch Händler Kompetenzen bezüglich der digitalen Dienste im Fahrzeug aufbauen.
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2.5.2 Herausforderungen in Bezug auf die Nutzung Neben komplexen Aufgaben bei der Integration ins Geschäftsmodell kommen auch Risiken bei der Nutzung auf. Datenschutz und Sicherheit Ein immenses Problem hinsichtlich der Nutzung von vernetzten Fahrzeugen besteht in der Sorge um die eigene Privatsphäre. Mit den Kundenbindungsmöglichkeiten, die die neuen Daten hervorbringen, wächst gleichzeitig auch die Verantwortung, Kundendaten zu schützen. Vor allem deutsche Fahrer fühlen sich noch nicht sicher mit dem Kauf eines vernetzten Fahrzeugs. 51 % der deutschen Befragten würden laut einer Studie von McKinsey nur ungern Vernetzungsangebote nutzen, um ihre Daten zu schützen. In China sind es dagegen nur 21 %, die darin ein Problem sehen. Eine große Herausforderung für Automobilhersteller besteht demnach in der Handhabung der massiven Datensammlung (McKinsey&Company 2014, S. 11).
Es muss Vertrauen hinsichtlich Datenschutz und -sicherheit bei Kunden geschaffen werden und Einverständnis zur Datenweiterverarbeitung eingeholt werden, um daraus kundenbindende Maßnahmen zu entwickeln.
Hackerangriffe auf vernetzte Fahrzeuge Das Thema der Hackerangriffe auf vernetzte Fahrzeuge wird sehr häufig in den Medien diskutiert. Ein solches Szenario könnte sich auf das Eigentum des Fahrers, aber auch auf die gesamte Verkehrssicherheit auswirken (BVDW 2016, S. 4). 59 % der Deutschen fürchten sich vor einer Manipulation ihrer Fahrzeuge und dadurch verursachte Unfälle (McKinsey&Company 2014, S. 11). Diese Ängste sind durchaus begründet, da bereits einige Hersteller bzw. deren Kunden Opfer von Hackerangriffen wurden. So ist ein Fall der Manipulation von Lenkung und Bremsen des Jeep Cherokee bekannt, welcher zum Rückruf von 1,4 Mio. Fahrzeugen führte (Greenberg 2015). Auch BMW, Mini, RollsRoyce und Tesla waren bereits betroffen (McKinsey&Company 2015, S. 37). Der Cybersecurity kommt demzufolge eine hohe Bedeutung zu. Um diese Risiken zu mindern bzw. zu beseitigen, müssen Sicherheitsmaßnahmen kontinuierlich an die technologische Weiterentwicklung angepasst werden (Zetsche 2015, S. 74). Außerdem müssen Kunden für das Thema sensibilisiert werden, um Akzeptanz für zukünftig vermehrte autonome Funktionen zu erlangen und Vorbehalte hinsichtlich der Zuverlässigkeit zu beseitigen. Akzeptanz bezüglich autonomer Funktionen muss vor allem bei älteren Kunden geschaffen werden. Neue Dienste und Produkteigenschaften sollten nach und nach eingeführt werden, um das Vertrauen der Fahrer zu stärken. Außerdem müssen Mehrwerte, wie beispielsweise der erhöhte Komfort vor allem für ältere Kunden, die Effizienz, aber auch Sicherheitsvorteile klar kommuniziert werden.
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2.6 Mercedes-Benz als Praxisbeispiel 2.6.1 Einordnung von Mercedes-Benz Premiumautomobilproduzent Mercedes-Benz ist ein deutscher Premiumautomobilproduzent. Als Marke der Daimler AG verfügt Mercedes-Benz mit dem Geschäftsfeld Cars in Deutschland über einen Marktanteil von 10 % (Daimler AG 2017a, S. 100). Mit weltweit über zwei Millionen verkauften Fahrzeugen war 2016 das bisher erfolgreichste Jahr der Daimler AG und Mercedes-Benz war die absatzstärkste Premiummarke (Reiche 2017). Daimler gehört damit zu den größten und erfolgreichsten Automobilunternehmen weltweit und ist ein bedeutender Treiber der deutschen Automobilwirtschaft. Aktualisierung des Images Das Image von Mercedes strahlt beispielsweise Sicherheit, Qualität und Tradition aus, war jedoch gezeichnet von diversen Klischees. Ob die Marke selbst oder die Fahrer, es wurden Eigenschaften wie bieder, spießig, unpersönlich oder konservativ damit verbunden. Emotionalität war bei der Traditionsmarke weniger stark ausgeprägt. Das lag vor allem an der älteren Zielgruppe, die Mercedes Jahrzehnte lang ansprach. Das Image und die alternde Zielgruppe stellten ein Problem dar, da die Vorurteile, die an Mercedes haften, zahlreiche jüngere Autofahrer von der Marke abhalten. Das Ansprechen junger Menschen ist aber sehr wichtig, da diese sonst über die Jahre hinweg von der Konkurrenz gebunden werden. Dementsprechend muss Mercedes-Benz die Verbesserung des Images verfolgen und verstärkte Emotionalität in die Marke bringen. Nach dem Krisenjahr 2009, in dem Daimler Milliardenverluste einholte, hat Mercedes diesbezüglich einen wichtigen Schritt gemacht. Mit dem neuen Leitspruch „Das Beste oder nichts“ will Mercedes-Benz verdeutlichen, dass der Konzern als Pionier des Automobilbaus gilt und auch in Zukunft gelten will und dementsprechend die Mobilität der Zukunft gestaltet (Daimler AG 2017a, S. 12). Damit will Mercedes den Führungsanspruch deutlich kommunizieren. Die Marke soll Perfektion, Faszination und Verantwortung widerspiegeln. Als Erfinder des Automobils will der Hersteller auch in Zukunft führender Innovationstreiber bleiben und bei Kunden Markenbegeisterung und mehr Emotionen auslösen (Jensen 2010). Laut dem Marketingchef Jens Thiemer muss die Marke „zu den Megatrends unserer Zeit passen und neue Zielgruppen ansprechen. Dabei muss sie konsistent sein. Die Marke steht für Zukunft, Wertigkeit und entspannten, modernen Luxus.“ (Schneider 2015). Transformation zu einem vernetzten Mobilitätsdienstleister Begleitet wird der Markenclaim von der laufenden Transformation vom Automobilhersteller zum Softwarekonzern. Dieter Zetsche, der Vorstandsvorsitzende der Daimler AG, hat vor einigen Jahren bereits verkündet, den Konzern in einen vernetzten Mobilitätsdienstleister zu transformieren, welcher Kundenbedürfnisse in den zentralen Mittelpunkt
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stellt (Dahlmann 2015). Damit findet aktuell eine drastische Umwandlung in allen Unternehmensbereichen statt (Becker 2016).
Die vier Kernpunkte der Transformation heißen Vernetzung, Autonomes Fahren, Sharing und Elektromobilität.
Synchronisation aller Kontaktpunkte zum Kunden Diese digitale Umwandlung ist eine wichtige Voraussetzung für ein ganzheitliches kundenorientiertes System. Erfolgsentscheidend für ein digitales Produkt-Dienstleistungs-System ist die Synchronisation aller Kontaktpunkte zum Kunden, unabhängig vom Produkt, der Plattform oder des Mitarbeiters. Nur so können entscheidende Kundenerlebnisse hervorgebracht werden. Im Folgenden sollen nun die Vernetzung und die daraus resultierende Kundenbindung näher erläutert werden.
2.6.2 Kundenbindung durch die digitale Plattform Mercedes me Integriertes Kommunikationsmodul In Mercedes-Fahrzeugen sind schon seit einigen Jahren diverse produktbegleitende digitale Dienste enthalten. Ein integriertes Kommunikationsmodul macht die Vernetzung mit der Umwelt möglich; das Fahrzeug unterstützt damit den Fahrer in vielen Bereichen. In Unfallsituationen beispielsweise kann es technische Hilfe geben oder auch automatisch die Notrufzentralen mit Übermittlung des Standorts verständigen. Bezüglich des Verschleißes zeigt es nach Selbstdiagnose dem Fahrer einen Wartungsbedarf an. Auch die Integration von mobilen Endgeräten ist mit optionaler Ausstattung möglich. Plattform Mercedes me Einen wichtigen Schritt bezüglich der Kundenbindung machte Daimler im Jahr 2014 mit der Einführung der neuen Plattform Mercedes me. Diese gilt als Marke von Mercedes- Benz Cars und soll alle innovativen Services, Produkte und Angebote bündeln, die direkt und indirekt mit Mercedes zu tun haben. Alle Marketing-, Vertriebs- und After-Sales- Aktivitäten sind damit zeit- und ortsunabhängig erreichbar. Das Unternehmen spricht von einem neuen „Niveau der individuellen Kundenbetreuung“ (Daimler AG 2014). Die Plattform wurde im Rahmen der Marketing- und Vertriebsstrategie „Best Customer Experience“ entwickelt, womit veränderte Kundenwünsche berücksichtigt und einmalige Kundenerlebnisse geboten werden sollen. Seit dem Jahr 2015 ist sie in 15 europäischen Ländern verfügbar (Daimler AG 2017a, S. 187, 85, b).
Die Plattform ist als Website, aber auch in Form einer App verfügbar und in fünf Kategorien unterteilt: Mercedes me connect, assist, finance, move und inspire.
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Mercedes me connect Mercedes me connect umfasst alle Konnektivitätsdienste, wie z. B. das Unfallmanagement oder den Echtzeit-Verkehrsservice. Die Voraussetzung für die Nutzung ist lediglich ein Account, den man nach erfolgreicher Registrierung mit Name und E-Mail-Adresse erhält. Mercedes-Besitzer können nun ihre Fahrzeuge anlegen, wodurch sie einen umfassenden Einblick über den Zustand des Fahrzeugs erhalten, wie z. B. den Reifendruck, Bremsbeläge oder auch Tankfüllung. Darüber hinaus lässt sich der Standort des parkenden Autos feststellen oder auch, ob das Auto vollständig verriegelt wurde. Die Vernetzung zwischen Auto, Smartphone und PC bringt Vorteile für den Kunden. Der Fernzugriff auf die Standheizung oder das Fahrzeugschloss via Smartphone sorgen beispielsweise für ein sehr hohes Komfortlevel für Mercedes-Fahrer. Bedingung dafür ist das sogenannte Comand Online, das seit einigen Jahren in Neuwagen als Sonderausstattung integriert werden kann. Die Nachrüstung ist bei Modellen ab dem Baujahr 2002 möglich (Daimler AG 2017c). Die Nutzung ist in den ersten drei Jahren kostenlos. Für viele Konsumenten stellt sich die Frage, warum sie zusätzlich für ein teures Navigationssystem im Fahrzeug bezahlen sollten, wenn sie sich auch von der Karten- App ihres Smartphones navigieren lassen können. Um der Konkurrenz von Apple und Google zu trotzen, hat Daimler zusammen mit BMW und Audi den Nokia-Kartendienst HERE gekauft. Dieser wurde mit fahrzeugrelevanten Informationen angereichert und kann Echtzeit-Hinweise mithilfe der Car-to-Car-Kommunikation miteinbeziehen, womit Mercedesbesitzern eine effizientere und schnellere Route empfohlen werden kann, als herkömmliche Navigationssysteme (Schaal 2014). Mercedes me assist Unter dem Punkt Mercedes me assist kann der Kunde rund um die Uhr einen Servicetermin buchen und zusätzlich nach der Wartung bzw. Reparatur direkt den digitalen Bericht einsehen. Auch Tipps bezüglich des Fahrzeugs, z. B. über Bedeutungen aufleuchtender Warnleuchten oder allgemeinen „How-to Videos“ werden Nutzern aufgezeigt. Mercedes me finance Unter Mercedes me finance können Finanzdienstleistungsangebote rund um das Auto eingesehen, aber auch bestehende Verträge verwaltet werden. Mercedes me move Ob Auto, Taxi, ÖPNV oder Flixbus, die Funktion Mercedes me move zeigt dem Nutzer alle möglichen Kombinationen zur gewünschten Route auf und gibt die effizientesten Vorschläge. Mercedes me inspire Durch Mercedes me inspire werden Kundenerlebnisse geschaffen, es umfasst Informations- und Entertainmentinhalte. Aufgebaut wie ein Blog entsteht hierbei eine Community, in der z. B. ein Austausch mit anderen Kunden, Diskussionen zu Geschäftsideen,
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aber auch Angebote zu unabhängigen Themen wie Reisen stattfinden. Zusätzlich können Interessierte über den Lifestyle-Konfigurator ein auf ihre persönliche Lebenswelt abgestimmtes Mercedes-Fahrzeug entdecken (Daimler AG 2015). Mercedes me Stores Ergänzend sind die Mercedes me Stores zu nennen, die unter anderem in Hamburg, München und Peking vertreten sind und dem Kunden ein interaktives Markenerlebnis mit Inspiration und persönlicher Beratung bieten sollen (Daimler AG 2017d). Einen kostenlosen Zugriff auf die Services und Angebote haben folglich nicht nur Mercedes-Besitzer, sondern auch Konsumenten ohne eigenes Fahrzeug. Diese erhalten durch Mercedes me einen Einblick in das Produkt- und Servicesortiment. Kontinuierliche Kundenerlebnisse Die Kommunikation der Gesamtheit von Diensten und ihren Mehrwerten funktioniert über diese Plattform sehr gut, da Kunden direkt erfahren, welche Dienste in ihrem Fahrzeug vorhanden sind und was diese versprechen, ohne weitere Recherche über andere Kanäle. Durch die Konzentration aller wichtigen Dienste auf einer Website bzw. in einer App können sie dem Kunden viel Zeit ersparen, ihn bei der Bewerkstelligung der alltäglichen Herausforderungen unterstützen und demnach einen hohen Mehrwert bieten. Mercedes me schafft kontinuierliche Kundenerlebnisse von der ersten Interaktion, während des Entwicklungsprozesses bis hin zur Wartung und Reparatur in der Nachkaufphase (McKinsey&Company 2014, S. 39). Über Mercedes me kann ein Käufer beispielsweise schon während der Produktion seines Neuwagens den Ablauf und aktuellen Stand betrachten. Die in der Zeit direkt nach dem Kauf möglichen Dissonanzen könnten dadurch teilweise abgebaut werden. Es ist vor allem in dieser Nachkaufphase wichtig, Kundenkontakte zu pflegen, um die Beziehung langfristig zu erhalten und dementsprechend die Kundenbindung zu stärken. Mit der Vertriebsstrategie Best Customer Experience werden „alle Verkaufs- und Serviceaktivitäten sowie die Finanzdienstleistungen vom ersten Kontakt über die gesamte Dauer der Kundenbeziehung aufeinander abgestimmt“ (Daimler AG 2017a, S. 85). Demzufolge prägt sich ein konsistentes synchronisiertes Gesamtbild der Marke bei den Kunden ein, mit erhöhtem komfortablem, transparentem und individuellem Kundenkontakt. Diese neuartige Betreuung zeigt dem Kunden eine besondere Wertschätzung. Die verschiedenen Dienste von Mercedes me versprechen ein neues Marken- und Serviceerlebnis, einige davon könnten als Begeisterungsfaktoren gelten, womit die Kundenzufriedenheit erhöht werden kann.
Durch Mercedes me assist können speziell auf den Fahrer und den Fahrzeugzustand zugeschnittene Empfehlungen gegeben werden, die wiederum das Cross- und Up-Selling-Potenzial und damit auch die Kundenbindung erhöhen. In Zukunft soll Mercedes me in 20 weiteren Märkten eingeführt und weitere Dienste angeboten werden (Daimler AG 2017a, S. 176).
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Alle Services auf einer Plattform zu bündeln, macht Mercedes zu einem Vorreiter in diesem Bereich. BMW beispielsweise hat zwar Mitte 2016 mit BMW Connected eine ähnliche App auf den Markt gebracht, allerdings enthält diese ausschließlich Mobilitätsleistungen, Statusabfragen und Fernsteuerungsmöglichkeiten (Pluta 2016). Finanzdienstleistungen, Einsicht in Wartungsprotokolle oder etwa der Produkt-Konfigurator fehlen. Markenimage Während 2013 noch Audi das beste Markenimage zugesprochen wurde, lag 2016 Mercedes- Benz zum ersten Mal auf Platz eins (Uckrow 2013; Bauer Media Group 2016). Laut dem Marketingchef Thiemer trifft Mercedes me vor allem die Zielgruppe im Alter ab Mitte 20 Jahren (Schneider 2015). Diese gilt es insbesondere in Zukunft an die Marke zu binden, da in dieser Altersgruppe die emotionale Bindung zum Auto abnimmt. Wie hoch der Einfluss von Mercedes me auf die Kundenbindung ist, lässt sich jedoch aktuell noch nicht sagen.
2.6.3 Carsharing Carsharing-Konzept car2go Ein weiterer Kernpunkt der digitalen Transformation ist das Sharing. Um den genannten Konsumentenveränderungen entgegenzukommen, hat Daimler bereits vor einigen Jahren das Carsharing-Konzept car2go entworfen. Das Besondere dabei ist die Stationsunabhängigkeit, Autos können von überall genutzt und abgestellt werden. Die App zeigt dem Nutzer den Standort des nächstmöglichen Fahrzeugs an. Mit 640.000 Kunden ist car2go der größte Carsharing-Anbieter. Fast 4000 Fahrzeuge können in sieben Großstädten in Deutschland genutzt werden (Carsharing-News 2017). Auch europaweit, in China und den USA ist car2go vertreten. Damit wird die Präsenz der Marke Mercedes-Benz gestärkt, wobei anzumerken ist, dass überwiegend Smarts im Bestand sind und die Flotte erst letztes Jahr um A-Klasse, B-Klasse, CLA und GLA erweitert wurde. Daimler plant eine weitere Verbreitung der Mercedes-Modelle (car2go 2016). Diese bereits implementierten Maßnahmen zeigen, dass der Autokonzern gut aufgestellt ist, um die Marke attraktiver zu machen und Kundenbindungspotenziale zu nutzen.
2.6.4 Launch der neuen A-Klasse Bei der Einführung der neuen A-Klasse im Frühjahr des Jahres 2018 werden das digitale Cockpit, die Sprachsteuerung vieler Funktionen und die Konnektivität werblich besonders herausgestellt. Mit der Mercedes me App besteht eine ständige Verbindung zu Fahrzeug. Der Halter wird informiert, wenn das Auto „angerempelt“ wurde oder wenn er wegen eines Staus früher seine Fahrt beginnen sollte.
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Zusammenfassung
Das Internet of Things beschreibt die Entwicklung physischer Gegenstände durch mikroelektronische Komponenten zu smarten, vernetzten Geräten. Diese Vernetzung erfolgt über das Internet und ermöglicht untereinander zu kommunizieren und Daten sowie Informationen auszutauschen. Das Connected Car entsteht im Zuge der Digitalisierung der Automobilindustrie und folgt diesem Trend, Alltagsgegenstände mit dem Internet zu verbinden. Die Funktionen von Connected Cars umfassen: Mobilitätsmanagement, Fahrzeugmanagement, Entertainment, Well-Being, Autonomes Fahren, Sicherheit, Home-Integration. Sicherheits- und effizienzbasierte Funktionen legen die Basis zum autonomen Fahren, das in sechs Stufen bis zum voll umfänglichen automatisierten Fahren ohne Eingriff des Fahrers führt. Der Technologie stehen neben der technischen Realisierung noch einige weitere Herausforderungen rechtlicher, e thischer, sicherheitstechnischer sowie datenschutzrechtlicher Natur entgegen. Die fortschreitende Entwicklung des autonomen Fahrens und die Elektromobilität machen es notwendig, die für digitale Dienste notwendige Hardware im Fahrzeug zu integrieren und dem Kunden anzubieten. Die Vernetzung von Automobilen und die damit von Connected Cars produzierten großen Datenmengen sowie die immer komplexer werdenden Assistenzsysteme, die den Weg zum autonomen Fahrzeug ebnen, werfen zahlreiche rechtliche Fragen und Risiken bezüglich Datenerhebung und Datenschutz auf.
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 H. Holland, Dialogmarketing und Kundenbindung mit Connected Cars, https://doi.org/10.1007/978-3-658-22929-0_3
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3.1 Internet of Things Das Internet of Things, Internet der Dinge, beschreibt die Entwicklung physischer Gegenstände durch mikroelektronische Komponenten zu smarten, vernetzten Geräten. Diese Vernetzung erfolgt über das Internet und ermöglicht untereinander zu kommunizieren und Daten sowie Informationen auszutauschen. Das Marktforschungsunternehmen Gartner sagt dem Internet of Things eine erfolgreiche Zukunft voraus: Bereits im Jahr 2020 soll es ca. 20,4 Mrd. Connected Things geben, im Jahr 2016 waren es noch 6,3 Mrd. (Gartner Inc. 2017). Diese Entwicklung, die durch den Kauf von mehr vernetzten Geräten durch den Endverbraucher auf der einen Seite und die Investitionen der Wirtschaft auf der anderen Seite vorangetrieben wird, wird laut Gartner dazu führen, dass die Ausgaben für das Internet of Things von derzeit ca. 1,4 Billionen US$ bereits im Jahr 2020 auf fast 3 Billionen US$ ansteigen. Gartner steht mit diesen optimistischen Prognosen nicht allein, auch McKinsey schätzt die wirtschaftliche Auswirkung des Internet of Things bis 2025 auf 3,9 bis 11,1 Billionen US$ (McKinsey&Company 2015, S. 9). Vier Kategorien Die breit gefächerten Anwendungsgebiete des Internet of Things können laut der GSM Association in vier Kategorien unterteilt werden (GSMA Association 2014, S. 3): 1. „on the go“: Connected Devices und Connected Cars 2. „in the home“: connected homes 3. „in the city“: smart cities 4. „beyond“: z. B. Landwirtschaft
3.2 Connected Cars 3.2.1 Begriff und Voraussetzung Digitalisierung der Automobilindustrie Das Connected Car entsteht im Zuge der Digitalisierung der Automobilindustrie und folgt dem Trend, Alltagsgegenstände mit dem Internet zu verbinden. Durch die höhere Rechenleistung von Komponenten, bei gleichzeitig immer kleiner werdenden Komponenten und der Möglichkeit, einzelne Bauteile in Geräten zu vernetzen, können Mobiltelefone, Maschinen, Autos, die gesamte Haustechnik eines Gebäudes und die Infrastruktur von Städten verbunden werden. Hierdurch entsteht das Internet der Dinge, das Internet of Things (IoT). Sensoren, Prozessoren, Software und Netzwerktechnik in den Geräten erzeugen dabei große Mengen an Daten, welche durch intelligentes Datenmanagement gehandhabt werden müssen. Gleichzeitig eröffnen die Daten für im IoT
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vertretene Produkte und Unternehmen, neue Möglichkeiten, beispielsweise für Effizienzsteigerungen, Produktverbesserungen, Marketing und Customer Relationship Management (Becker und Knop 2015, S. 78). Begriff Connected Cars Bisher hat sich noch keine allgemein gültige und akzeptierte Definition für den Begriff Connected Cars durchgesetzt. Allerdings lässt sich ein vermehrter Anstieg wissenschaftlicher Auseinandersetzungen mit dem Thema beobachten. Es finden sich verschiedene Ansätze den Begriff zu definieren und abzugrenzen. Dabei ist die Aussage „jeder neue PKW gleicht einem rollenden Computer“ wohl die einfachste (Schmidt und Stephan 2017, S. 77). Luca de Meo, CEO von Seat, beschreibt Connected Cars als „digitale Ökosysteme“, bei denen es um „Daten und Software“ geht (Rohleder 2017, S. 53). Im Allgemeinen wird mit dem Begriff Connected Car ein Fahrzeug beschrieben, welches einen Internetzugang oder sogar ein eigenes Wireless Local Area Network (WLAN) besitzt. Durch diesen Internetzugang sind Connected Cars somit in der Lage, Informationen zu empfangen, zu senden und zu teilen. Durch die Internetverbindung und die damit verbundene Drahtlos-Netzwerk-Funktion ist es möglich, sowohl innerhalb als auch außerhalb des Fahrzeugs mit anderen Geräten oder Vorrichtungen zu kommunizieren (Swan 2015, S. 6). Die dauerhafte Vernetzung von Fahrzeugen wurde dadurch möglich, dass Mobilfunkanbieter inzwischen in fast allen westlichen Ländern ein flächendeckendes Mobilfunk- und Internetnetz aufgebaut haben. Das heißt, es kann annähernd überall Internet genutzt werden und das nun auch mit dem Auto (Johanning und Mildner 2015, S. 2).
Das Connected Car vereint alle Funktionen und Fähigkeiten, welche Fahrer, Services und andere Automobile digital vernetzen. Die verschiedenen Funktionen dienen dazu, die Nutzung, Wartung und den Komfort zu optimieren (McKinsey&Company 2014, S. 7). Es wird durch die drahtlose Verbindung zu anderen Fahrzeugen, dem Internet, der Infrastruktur und Sensoren charakterisiert, um Signale zu senden und zu empfangen (Lu et al. 2014, S. 298). Diese Vernetzung dient als Grundlage für das autonome Fahrzeug, was auf die Kommunikation mit der Umwelt und anderen Fahrzeugen angewiesen ist (PWC 2016a, S. 9 f.). Weiterhin erleichtert das Connected Car einerseits die Umsetzung neuer Mobilitätskonzepte, und andererseits die Umsetzung von Konzepten zur Elektromobilität (Capgemini 2015a, S. 43).
Connected Cars und Internet of Things Im Kontext des Internet of Things (IoT) können Connected Cars durch eine internetbasierte, bi- oder multilaterale Verbindung zum Fahrzeughersteller, Fahrzeughändler, zu Versicherern, zu Regierungsbehörden (z. B. Mautstellen oder Straßenverkehrsamt), zur Infrastruktur (z. B. Ampeln, Parkhäuser oder Verkehrsschilder) und anderen Fahrzeugen beschrieben werden (Johanning und Mildner 2015, S. 8). Das Thema Connected Cars
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umfasst jedoch darüber hinaus ebenso die Themen Informations- bzw. Unterhaltungssysteme im Fahrzeug sowie Fahrerassistenzsysteme (Holland und Zand 2017). Demgemäß stellt der Begriff Connected Cars einen komplexen Themenbereich dar. Die Literatur zeigt mehrere Ansätze auf, um das Thema auf Basis der verschiedenen Anwendungsgebiete in Teilbereiche zu unterteilen. Die Technologiestiftung Berlin schlägt die Aufteilung in die Kernbereiche „vernetztes Fahren“, „Informations- und Entertainmentsysteme“ sowie „assistiertes und automatisiertes Fahren“ vor (Technologiestiftung Berlin 2016, S. 12 ff.). Technische Voraussetzungen Wesentliche technische Voraussetzung für die breitflächige Nutzung der genannten Dienste sind die Ausstattung der Fahrzeuge und der Kommunikationspartner der Fahrzeuge mit datenerfassender Sensorik, die Vereinheitlichung von Schnittstellen und Protokollen zwischen Fahrzeugen und deren Kommunikationspartnern sowie die Nutzung einer Big Data Analytics-Plattform, aber auch die permanente Verfügbarkeit von breitbandunterstützenden mobilen Kommunikationstechnologien der vierten Generation (4G) oder der kommenden fünften Generation (5G). Die 4G-Technologie erreicht eine Datenübertragungsrate von bis zu 1 Gbit pro Sekunde; die 5G-Technologie soll eine Datenübertragungsrate von bis zu 10 Gbit pro Sekunde erlauben (Dahlman et al. 2013, S. 1). Derzeit sind vernetzte Fahrzeugmodelle mit etwa 80 Sensoren zwecks Erfassung diverser Daten ausgestattet und erzeugen ein Datenvolumen von 0,04 bis 0,16 Gbit unterschiedlicher Daten pro Sekunde, die in Echtzeit übertragen werden könnten (Springerprofessional.de 2016; Technologiestiftung Berlin 2016, S. 12; Specks et al. 2005, S. 20). Connected Car 1.0 und 2.0 Die Studie „Datenland Deutschland - Connected Car“ von Deloitte unterscheidet zwischen Connected Car 1.0 und Connected Car 2.0. Das Connected Car 1.0 bündelt verschiedene Funktionen, wie Navigation mit Echtzeitdaten, Entertainment, Sensoren sowie Telefonintegration. Eine integrierte Vernetzung aller Komponenten findet jedoch nur vereinzelt und im Premiumsegment statt (Deloitte 2015b, S. 6). Den Übergang zu Connected Car 2.0 bildet das Internet im Fahrzeug und die Vernetzung und Integration verschiedener Komponenten. Das Fahrzeug beinhaltet ein eigenes WLAN-Netzwerk und deutlich fortschrittliche Fahrassistenzsysteme. Als Endstufe des Connected Car 2.0 wird das sich autonom bewegendes Fahrzeug gesehen (Deloitte 2015b, S. 6). Funktionen von Connected Cars Mithilfe der sieben von PWC definierten Funktionen von Connected Cars werden die Bedeutung der Funktionen und Bestandteile von Connected Cars sowie der damit verbundene Mehrwert für den Kunden deutlich. Diese in Abb. 3.1 dargestellten Funktionen lauten wie folgt (PWC 2014, S. 4):
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Abb. 3.1 Sieben anwendungsbezogene Funktionen-Cluster im Bereich Vernetztes Fahrzeug. (Quelle: Mit freundlicher Genehmigung von © PWC 2014, S. 4. All Rights Reserved)
1. Mobilitätsmanagement 2. Fahrzeugmanagement 3. Entertainment 4. Well-Being 5. Autonomes Fahren 6. Sicherheit 7. Home-Integration
3.2.2 Vernetztes Fahren Kommunikation von Automobilen Das vernetzte Fahren bezeichnet die Kommunikation zwischen Autos untereinander (Car-to-Car-Kommunikation) und zwischen Autos und der Infrastruktur (Car-toInfrastruktur-Kommunikation), wie z. B. Ampeln oder Verkehrsleitsystemen. Die Vernetzung und Digitalisierung von Autos und Infrastruktur werden immer wichtiger werden und bilden neben bordeigenen Sensoren, Software und gespeichertem Kartenmaterial zur Erfassung der Fahrzeugumgebung die Voraussetzung für ein funktionierendes autonomes Fahren (Verband der Automobilindustrie 2015, S. 19).
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Reduktion von Unfällen Im Jahr 2015 kam es allein in Deutschland durch Straßenverkehrsunfälle zu 3459 Todesfällen und 393.432 Verletzten (67.709 davon waren schwer verletzt, 325.726 leicht verletzt) (Deutscher Verkehrssicherheitsrat 2017). Die daraus resultierenden Personen- und Sachschäden betrugen in Summe 34,44 Mrd. EUR (Bundesanstalt für Straßenwesen 2016). Das Statistische Bundesamt beschreibt Alkoholeinfluss, falsche Straßenbenutzung, nicht angepasste Geschwindigkeit, ungenügenden Abstand, Fehler beim Überholen, Nichtbeachten der Vorfahrt, Fehler beim Abbiegen, Wenden, Rückwärtsfahren, Ein- und Anfahren sowie falsches Verhalten gegenüber Fußgängern als Unfallursachen (Statistisches Bundesamt o. J.). Viele dieser Ursachen könnten durch Car-to-X-Kommunikation entweder beseitigt werden, oder es könnte zumindest die Schwere der Unfallfolgen abgemildert werden. Car-to-X-Kommunikation Internet of Things und Fahrzeug Durch die Internetverbindung ist das Fahrzeug dazu in der Lage im Sinne des Internet of Things (IoT) drahtlos mit anderen Geräten zu kommunizieren. Bei der Car-to-X Kommunikation tauscht das Fahrzeug ad-hoc Informationen primär mit anderen Verkehrsteilnehmern (Car-to-Car) oder der Verkehrsinfrastruktur (Car-to-Infrastructure) aus. Daneben gibt es viele weitere Gebiete, die in die Kommunikation eingebunden werden können: Beispielhaft seien die wichtigsten, wie Smartphones (Car-to-Pedestrian), das eigene Haus (Car-to-Home), das Büro (Car-to-Enterprise) oder die Cloud (Car-to-Cloud) zu nennen (Johanning und Mildner 2015, S. 15–16). Durch diese Kommunikationsmodelle ergeben sich zahlreiche vorteilhafte Anwendungsgebiete für das Connected Car. Eine standardisierte Nomenklatur hat sich hierfür noch nicht durchgesetzt (Viereckl et al. 2016). Drahtlose Verbindung eines Fahrzeuges Das vernetzte Fahren bezeichnet die drahtlose Verbindung eines Fahrzeuges mit seiner Umwelt mit dem Ziel, eine Effizienzsteigerung sowie eine Erhöhung der Verkehrssicherheit für den Gesamtverkehr zu erreichen.
Die Bezeichnung Car-to-X-Kommunikation fasst im Rahmen des Themas Vernetztes Fahren die Kommunikation des Fahrzeuges mit einem beliebigen Gegenstand, Verkehrsteilnehmer, Rechenzentrum oder mit einer Institution zusammen und stellt somit einen weitreichenden Begriff dar. Car-to-X-Kommunikation impliziert demzufolge die Fähigkeit eines Fahrzeuges, mit weiteren Fahrzeugen in seiner mittel- bzw. unmittelbaren Umgebung (Car-to-Car) sowie mit der Verkehrsinfrastruktur (Car-to-Infrastructure) zu kommunizieren und relevante Daten auszutauschen (Technologiestiftung Berlin 2016, S. 12).
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Anwendungsgebiete Neben den Subthemen Car-to-Car sowie Car-to-InfrastructureKommunikation umfasst die Car-to-X-Kommunikation ebenso die Anwendungsgebiete Nutzung von zusätzlichen Verkehrs-informationen über das Internet (Online Traffic Data), Ferndiagnosen bei Störungen am Fahrzeug, vorausschauende Instandhaltung des Fahrzeugs (Predictive Maintenance), Festlegung von adaptiven Versicherungsraten, Konnektivität zu nicht- bzw. leichtmotorisierten Verkehrsteilnehmern über Smartphones oder Wearables wie etwa zu Smart Watches (Car-to-Pedestrian), freie Parkplatzsuche (Parking Spot Finder), automatisches Notrufsystem und Vernetzung mit dem Zuhause (Car-to-Home) (Zuidweg 2015, S. 259; VDA 2008, S. 205 f.; Dunning und Friedman 2016, S. 4; Stübing 2013, S. 25; Qualcomm.com 2015; Technologiestiftung Berlin 2016, S. 13). Darüber hinaus werden weitere, heute noch unbekannte oder nicht definierte Anwendungsgebiete im Zusammenhang mit Connected Cars entstehen. Abb. 3.2 illustriert die Anwendungsgebiete von Car-to-X. In der Abb. 3.3 werden die Teilbereiche von Connected Cars nach drei verschiedenen Quellen aufgeführt. Car-to-Car-Kommunikation Car2Car Car-to-Car-Kommunikation, auch Car2Car bzw. C2C, bedeutet die Kommunikation von Fahrzeugen untereinander mit dem Ziel, Informationen auszutauschen, die für die Verkehrssteuerung oder zur Warnung vor Gefahren genutzt werden können. Kommunikationsgrundlage der Car-to-Car-Kommunikation ist ein speziell für Fahrzeuge entwickelter WLAN-Standard (ITS-G5 bzw. WLANp). Dieser macht einen ständigen Austausch von Informationen mit der Umgebung möglich.
Abb. 3.2 Anwendungsgebiete von Car-to-X
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Abb. 3.3 Teilbereiche von Connected Cars. (Quelle: Wünderlich 2010, S. 15 f.; PWC 2015, S. 6 f.; Technologiestiftung Berlin 2016, S. 12 ff.)
Drei Ausbaustufen Volkswagen unterscheidet drei Ausbaustufen der Car-to-Car- Kommunikation: Die erste Car-to-Car-Ausbaustufe ist die lokale Gefahrenwarnung. Fahrzeuge „warnen“ sich untereinander, sobald beispielsweise ein Airbag ausgelöst wird. In der zweiten Ausbaustufe werden neue Fahrzeugfunktionen realisiert und Sicherheitssysteme verbessert. Das geschieht mithilfe von Car-to-Car-Informationen, die nicht über eigene Sensoren erfasst werden können. Ein Beispiel der zweiten Ausbaustufe ist die frühzeitige Vorbereitung der Sicherheitssysteme auf einen nicht zu vermeidenden Unfall. Die dritte Ausbaustufe gewährleistet eine weitere Verbesserung von Fahrassistenzfunktionen, indem Car-to-Car-Informationen und Informationen der eigenen Sensoren genutzt werden, um das Umfeld des Autos besser zu verarbeiten. Durch die dritte Ausbaustufe kann auf potenzielle Gefahren frühzeitig reagiert werden. Car-to-Infrastruktur-Kommunikation Die Car-to-Infrastruktur-Kommunikation (C2I) bezeichnet die drahtlose Kommunikation zwischen Automobilen und Verkehrsinfrastruktur wie beispielsweise Funkbaken und Ampeln. Car-to-Car-Kommunikation und Car-to-Infrastruktur-Kommunikation werden derzeit auf der A9 in Bayern getestet. Neben der Echtzeitkommunikation, die über Mobilfunk nahe dem 5G-Standard abläuft, wird auch das Zusammenspiel von intelligenten Straßenund Verkehrsinformationen und neuen Fahrfunktionen getestet (Bundestag 2016, S. 4).
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Weitere Kommunikationskonzepte Car-to-Enterprise Die Car-to-Enterprise-Kommunikation (C2E) beschreibt die Kommunikation zwischen Autofahrer und Unternehmen, darunter fällt die Möglichkeit, auf Unternehmens-Server oder den Personal Computer zuzugreifen. Zusätzlich umfasst dieser Begriff noch die Kommunikation mit Tankstellen oder Werkstätten (DATACOM 2013). Car-to-Home Hauptbestandteile der Car-to-Home-Kommunikation (C2H) sind der Zugriff auf den sich zu Hause befindenden Personal Computer sowie die Bedienung von mit dem Internet verbundenen elektronischen Anlagen wie z. B. der Alarmanlage (DATACOM 2013). Car-to-Mobile Die Car-to-Mobile-Kommunikation (C2M) ist ein Kommunikationskonzept, mit dem sich ein Fahrzeugführer von seinem Auto ins Mobilfunknetz einwählen kann. C2M bezieht sich auf die Kommunikation zu Mobilgeräten (Handys, Smartphones und Tablets) (DATACOM 2013). Zukünftige Anwendungen Autonomes Fahrzeug Das Fernziel der Automobilhersteller ist ein autonomes Fahrzeug. Bevor die Automobilindustrie in der Lage sein wird, ein autonomes Fahrzeug für den Durchschnittskonsumenten zu konstruieren, werden Assistenzsysteme eine wichtige Rolle spielen. Intelligent Car Interieur Das Intelligent Car Interieur (InCarIn) ist ein Projekt, das sich mit dem Fahrzeug-Innenraum beschäftigt. Ziel dieses Programms ist es, durch eine Personen- und Gestenerkennung aller Fahrzeuginsassen und einer adaptiven Innenraumkontextanalyse die individuellen Bedürfnisse aller Insassen zu erfassen (InCarIn o. J.). PWC prophezeit in diesem Zusammenhang Vorrichtungen, die Bilder des Fahrers aufnehmen und ihn so über Müdigkeit informieren. Zusätzlich sollen diese Systeme Klima, Musik und Sitzfunktionen optimieren, damit der Fahrer nicht unnötig vom Verkehr abgelenkt wird (PWC 2016b, S. 9). Eine Überwachung der Vitalfunktionen des Fahrers (z. B. Herzschlag, Temperatur etc.) könnte ebenfalls zur erhöhten Fahrsicherheit beitragen (PWC 2016b, S. 9). In diesem Kontext sind weitere Technologien, wie die sogenannte „Mood detection“, die Fahrfunktionen oder aber auch Musik auf die Stimmung des Fahrers einstellt, Eye Tracking und Augmented Reality Head-Up Display in naher Zukunft für die Allgemeinheit denkbar. Autobahnpilot Eine Anwendung, die wahrscheinlich in den nächsten Jahren von den meisten Herstellern eingeführt wird, ist der Autobahnpilot. Der schon jetzt für den Tesla erhältliche Auto-Pilot ist gemäß der Klassifizierung des VDA (Verband der Automobilindustrie) erst in Stufe 2 von 5 möglichen, da der Fahrer das Fahrzeug ständig überwacht und immer die Steuerung übernehmen kann. Erst ab Stufe 4 kann das System das Fahren vollständig selbstständig übernehmen (Stufe 5 entspricht dem fahrerlosen Fahren).
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Platooning Das sogenannte Platooning, bei dem mehrere Fahrzeuge relativ dicht hintereinander in einer Kolonne fahren, um somit den Kraftstoffverbrauch zu senken und die Fahrsicherheit zu erhöhen, wurde bereits im Jahr 2016 erfolgreich mit Lkws in der European Truck Platooning Challenge getestet. Eine Anwendung dieser Technologie im Automobilsektor könnte bereits bald eingesetzt werden. 5G-Netz Die Entwicklung von „Car-to-X-Funktionen“ hängt zu einem großen Teil von der flächenhaften Einführung des LTE-Nachfolgers 5G ab. 5G-Mobilfunknetze sollen eine Datenrate von bis zu 10.000MBit/s haben (LTE-Anbieter.info o. J.). Erst dieses stark verbesserte 5G-Mobilfunknetz wird eine reibungslose Übertragung von Daten zwischen Autos sowie zwischen Autos und Infrastruktur gewährleisten. Das 5G-Netz ist somit die Grundlage für beispielsweise eine zukünftige Unfallwarnung, Warnung vor Straßenschäden, Glatteis etc., die alle über Car-to-Car-Kommunikation weitergegeben werden. Automatische Parkplatzsuche Bei der automatischen Parkplatzsuche erkennen eingebaute Sensoren freie Parkplätze und geben deren Position an andere Autofahrer weiter. Die direkte Bezahlung der Parkgebühren mithilfe der Bordelektronik ist eine weitere Anwendung in diesem Zusammenhang, die in den nächsten Jahren flächendeckend eingeführt werden könnte. Beispiel
BMW bietet in seiner 5er-Reihe eine Parkplatzsuche über die App Parknow an, mit der man kostenpflichtige Parkplätze am Straßenrand oder im Parkhaus finden und auch gleich bezahlen kann. Der Service ist bereits in 40 Städten in Deutschland und Österreich verfügbar (Janke 2017, S. 28). Der offene digitale Marktplatz „Park and Joy“ der Deutschen Telekom vernetzt Kommunen, Parkplatzbetreiber und Autofahrer. Über eine App können Autofahrer freie Parkplätze im öffentlichen Raum und auf privaten Flächen einfach finden, buchen und bezahlen (Hedemann 2017, S. 50–51). Tankservice In Kalifornien hat Bentley testweise einen Service eingeführt, der dem Fahrer die lästige Fahrt zur Tankstelle vereinfacht. Über eine App kann festgelegt werden, wann nachgetankt werden soll. Die App bestimmt den Standort des Autos und entriegelt die Tankklappe; ohne dass der Fahrer anwesend sein muss, fährt ein Servicemitarbeiter vor und füllt Kraftstoff nach. Der Service ist kostenlos, die Bezahlung des Kraftstoffs wird über das Smartphone abgewickelt. Dabei gilt der günstigste Preis, der an einer der drei nächstgelegenen Tankstellen gilt (Janke 2017, S. 28). Car-to-City Als wichtigen Schritt hin zum autonomen Fahren hat Audi als erste Marke das Auto mit einer Stadt vernetzt. In Las Vegas optimiert dieser Service den Verkehrsfluss, spart wertvolle Zeit und schont die Umwelt. Die erste nutzbare Funktion des Car-to-XBausteins mit der Bezeichnung „Time-to-Green“ bietet Ampelinformationen. Der Fahrer
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sieht im Virtual-Cockpit oder Head-up-Display seines Audi, ob er im Rahmen der erlaubten Geschwindigkeit die nächste grüne Ampel erreichen kann. Sollte dies nicht möglich sein, zählt ein Countdown die Zeit bis zur nächsten Grünphase und der Fahrer kann frühzeitig sein Fahrzeug ausrollen lassen oder abbremsen (Hedemann 2017, S. 50–51).
3.2.3 Sicherheitsbasierte Funktionen Steigerung der Verkehrssicherheit Primär geht es beim Connected Car darum, die Verkehrssicherheit zu erhöhen, denn die Hauptursache für Verkehrsunfälle liegt mit 90 % bei menschlichem Versagen, dies kann mithilfe hoch entwickelter KI-Systeme deutlich reduziert werden. Diese unterstützen den menschlichen Fahrer bei der Fahraufgabe derzeit noch, werden ihn zukünftig aber sogar ersetzen können (Johanning und Mildner 2015, S. 5; Winkle 2015, S. 374). Fahrerassistenzsysteme Fahrerassistenzsysteme (FAS), wie der Totwinkel-, Spurhalte- oder Notbremsassistent, wenden mithilfe von Radar- und Kamerasystemen Gefahrensituationen ab, die dem menschlichen Auge verborgen bleiben. Im Falle des Totwinkelassistenten warnt die Künstliche Intelligenz den Fahrzeuginsassen nur über die Gefahr, indem bspw. das Lenkrad vibriert oder ein Lämpchen im Seitenspiegel aufleuchtet. Dem Fahrer ist es dann selbst überlassen, ob er die Warnung ignoriert oder auf das Signal reagiert. Der Notbremsassistent geht noch einen Schritt weiter: Fahrzeuge, die damit ausgestattet sind, erkennen durch die eingebaute Sensorik einen potenziellen Auffahrunfall. Sie geben zunächst nur ein Warnsignal an den Fahrer ab und bereiten parallel die Bremsanlage und die Sicherheitsgurte auf einen Aufprall vor. Unternimmt der Fahrer jedoch nichts, greift die KI ein und bremst das Fahrzeug vollkommen selbstständig ab. Weitere Features von Connected Cars, die auf die Erhöhung der Sicherheit ausgelegt sind, sind der Breakdown- und der Emergency-Call, durch die bei einer Panne bzw. einem Unfall Kontakt mit einem Call-Center bzw. den Rettungskräften hergestellt werden kann. Während der Breakdown-Call vom Fahrer selbst ausgelöst werden muss, wird beim Emergency-Call ein Unfall mithilfe von Crash-Sensoren erkannt und vollautomatisch Hilfe gerufen (Johanning und Mildner 2015, S. 42). Durch den heutigen Stand der Technik der Fahrerassistenzsysteme lässt sich laut einer Wirkungsgradanalyse die Anzahl der verletzten Personen im Straßenverkehr bereits um 27 % senken. Der rasante Fortschritt lässt vermuten, dass solche Insellösungen schon bald zusammenwachsen und den menschlichen Fahrer gänzlich ablösen werden, sodass das Fahrzeug in der Lage ist, selbstständig, also völlig autonom zu fahren. Es bietet das wohl mit Abstand größte Potenzial des Connected Car und verspricht die annähernd vollständige Vermeidung von Unfällen ab dem Jahr 2070 (Winkle 2015, S. 364–367).
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3.2.4 Effizienzbasierte Funktionen Neben der Erhöhung der Verkehrssicherheit lässt sich durch Connected Cars auch die Wirtschaftlichkeit des Autofahrens positiv beeinflussen. Staureduktion In Deutschland kam es laut ADAC im Jahr 2016 zu einer Staulänge von insgesamt über 1,3 Mio. km und 1901 Staustunden pro Tag (ADAC 2017). Diese Staus ziehen enorme ökonomische Kosten nach sich: Bis zum Jahr 2025 werden für Deutschland Kosten von insgesamt 47,6 Mrd. EUR durch staubedingte Zeitverluste prognostiziert, die mit Connected Cars gesenkt oder gar verhindert werden könnten (INRIX 2016). Navigationssysteme oder Google Maps können heute schon in Echtzeit freie, zähflüssige und verstaute Straßenabschnitte errechnen und anzeigen, wodurch der einzelne Fahrer seine Route anpassen kann und sich hierdurch insgesamt Staus entzerren lassen. Die Informationen reichen allerdings noch nicht aus, um die Staus gänzlich vermeiden zu können. Mithilfe der Car-to-Car- und Car-to-Infrastructure-Kommunikation werden sich jedoch staubildende Faktoren in Zukunft sammeln und erkennen lassen, um dem Aufbau eines Staus frühzeitig entgegenzuwirken. Parkplatzsuche Einen weiteren ökonomischen Kostenfaktor stellt die Suche nach einem Parkplatz dar, die laut Bosch für ein Drittel des Verkehrsaufkommens in Städten verantwortlich ist und für den ein Autofahrer durchschnittlich 4,5 km zurücklegt, bevor er einen geeigneten Parkplatz findet. Mithilfe von Sensoren unterschiedlicher Technologien lassen sich freie Parkplätze in Testgebieten derzeit schon mit einer Trefferquote von 99,4 % zuverlässig finden (Greis 2016). Durch die Car-to-Infrastructure-Kommunikation könnten diese einem Fahrer im Cockpit angezeigt und sogar im Vorhinein reserviert werden. Carsharing-Angebote Ebenfalls relevant für das Ausschöpfen von Effizienzpotenzialen sind Carsharing-Angebote wie „DriveNow“ von BMW oder „Car2Go“ von Daimler. Durch die Vernetzung des Autos mit Smartphones lassen sich diese in der Stadt über eine App in der Nähe auffinden und gegen Gebühr nutzen. Laut Umweltbundesamt lassen sich durch Carsharing in Städten die CO2-Emissionen um mehr als 6 Mio. Tonnen pro Jahr senken, was ca. 4 % der verkehrsbedingten CO2-Emissionen in Deutschland entspricht (Umweltbundesamt 2015, S. 171). Darüber hinaus kann auch der Konsument davon profitieren, dem immer dann ein Auto zur Verfügung steht, wenn er es braucht. Eine Studie von KPMG geht deshalb davon aus, dass sich der gesamte Markt weg vom Besitz eines Fahrzeugs hin zu Carsharing-Modellen entwickeln wird. Demnach glauben 59 % der befragten Entscheider der Automobilbranche,
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dass die Hälfte der derzeitigen Autobesitzer bis zum Jahr 2025 keines mehr haben wird (KPMG 2017, S. 25). Pay-As-You-Drive-Modelle Weiterhin ebneten Connected Cars den Weg für Pay-As-You-Drive-Modelle, die Versicherungstarife auf Basis der Fahrweise des Autofahrers berechnen. Maßgeblich für die Berechnung sind Datenaufzeichnungen wie beispielsweise die Geschwindigkeit, das Brems- und Lenkverhalten oder die Tag- und Nachtzeit, die die Versicherer über das Smartphone des Kunden oder das Auto selbst generieren können (Steinbeis-Transferzentrum Telematik 2016). Je nach Versicherungstarif kann der Nutzer derzeit durch die Freigabe der Daten je nach Fahrstil bis zu 40 % einsparen. Die Versicherer profitieren, wie die Hersteller auch, von den Daten, mit denen sie die Kunden besser analysieren und maßgeschneiderte Lösungen anbieten können. Da diese Kunden- und Fahrzeugdaten aber als Kernelement zukünftiger Geschäftsmodelle gehandelt werden, sind die OEM derzeit erfolgreich versucht, diese nicht an Versicherungsunternehmen weiterzugeben. Im Streit um die Daten erhebt in der jüngsten Debatte die HUK Coburg Anspruch auf die E-Call-Ortungsdaten der Autobauer (Wirtschaftswoche 2017). BMW zeigt sich gegenüber diesem Ansinnen offen und plant aktuell diese Daten an Drittanbieter, inkl. Versicherungen, zu vermarkten. Die Kunden sollen dabei selbst entscheiden können, ob sie die Daten freigeben oder nicht. Neben BMW hat sich auch Daimler dazu ausgesprochen dieses Geschäftsmodell zu prüfen (Vogt 2017; Scheunert 2017, S. 18).
3.2.5 Informations- und Entertainmentsysteme Infotainment Als Kunstwort zwischen Informationen und Entertainment deckt der Begriff Infotainment sämtliche Informations-, Komfort- und Unterhaltungsbedürfnisse des Fahrers und seiner Beifahrer ab. Die On Board Unit (OBU) ist die zentrale Bedien- und Displayeinheit des Infotainmentsystems und ist dabei als zentrale Schnittstelle zwischen dem Fahrzeug und dem Menschen zu verstehen, wodurch diese auch als Human Machine Interface (HMI) bezeichnet wird (Johanning und Mildner 2015, S. 26). Schnittstelle zwischen Insassen und Fahrzeug Die Fahrzeug-Informations- und Entertainmentsysteme bilden die wesentliche Schnittstelle zwischen Insassen und Fahrzeug. Es handelt sich hierbei um Systeme, die einerseits die Insassen mit Informationen über die Fahrzeuggeschwindigkeit, Verfassung des Fahrzeugs sowie Meldungen aus den Fahrzeugassistenzsystemen versorgen. Darüber hinaus können über Informations- und Entertainmentsysteme ebenso Komfortfunktionen des Fahrzeuges über ein Smartphone von außerhalb des Fahrzeugs eingestellt w erden.
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Zusätzlich können über diese Systeme weitere Informationen (über das Internet), Medienangebote sowie weitere kommerzielle Dienste, z. B. Standortbezogene Dienste oder Concierge Services, an die Fahrzeuginsassen vermittelt werden. Fahrzeug-Management Eine wichtige Funktion, die das Infotainment bietet, ist das Fahrzeug-Management, das es dem Fahrer ermöglicht, den Zustand des Fahrzeugs einzusehen, Warnungen oder Benachrichtigungen über den Eingriff der Fahrerassistenzsysteme zu erhalten oder auch über die Einstellungen die Mechanik des Fahrzeugs nach den eigenen Wünschen zu konfigurieren. So können beispielsweise die verbleibende Reichweite und Benzinmenge angezeigt oder das Fahrwerk über die On Board Unit straffer eingestellt werden. Durch die Sensorik im Fahrzeug können darüber hinaus nicht nur dem Fahrer Informationen angezeigt werden. Denkbar ist es auch, dass diese über die Cloud an eine ausgewählte Werkstatt gespielt werden, die daraufhin Störungen feststellen und den Kunden sogar per Ferndiagnose betreuen kann (Keuper et al. 2013, S. 10).
Noch einen Schritt weiter geht die Predictive Maintenance: Sie untersucht Datenströme aus dem Fahrzeug mithilfe von Big Data Analytics (BDA) auf Muster, die auf den wahrscheinlichen Ausfall bestimmter Bauteile in naher Zukunft hindeuten. Treten die identifizierten Frühwarnindikatoren für dieses Muster auf, kann der Kunde rechtzeitig gewarnt werden, zur Werkstatt fahren und das entsprechende Bauteil reparieren oder ersetzen lassen bevor der Schaden entsteht.
Weitere Funktionen des Fahrzeug-Managements beinhalten die Steuerung des Autos aus der Ferne. Durch die Kopplung des Smartphones mit dem Fahrzeug kann beispielsweise in Wintermonaten die Heizung (Standheizung) im Voraus aktiviert, im Sommer das Sonnendach nachträglich geschlossen oder das Fahrzeug sogar nach dem Aussteigen in eine enge Parklücke gefahren werden (Johanning und Mildner 2015, S. 34–35). Einspielung von Content Neben dem Fahrzeug-Management gibt es auch solche Funktionen, die primär der Unterhaltung und der Ausnutzung unproduktiver Zeit beim Fahren dienen. Dabei handelt es sich um die Einspielung von Content, wie beispielsweise Musik, das Empfangen von Anrufen und E-Mail-Nachrichten, aktuellen News, Wetterinformationen oder Social Media-Inhalten (Johanning und Mildner 2015, S. 31 f.). Hierbei gibt es mehrere Möglichkeiten die Dienste im Auto zu integrieren. Noch recht gängig sind Systeme der Automobilhersteller, die den Mirror Link-Standard zur Replikation der Apps und Inhalte des Kunden-Smartphones auf die OBU nutzen. Ebenfalls möglich und derzeit im Trend ist die Integration einer Softwareplattform von ITAnbietern, wie „CarPlay“ von Apple oder „Android Auto“ von Google. Letztlich sind auch Drittanbieter- oder hybride Systeme möglich.
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Allen gemeinsam ist der Versuch sie möglichst ohne Ablenkung während der Fahrt bedienen zu können. Bisher erfolgt die Bedienung primär über die direkte Eingabe am Touchscreen des Human Machine Interface, aber auch über Sprachassistenten, wie bspw. „Alexa“ von Amazon oder über eine Gestensteuerung, die BMW beide in Kürze verbauen wird bzw. schon verbaut hat. Location Based Services Ergänzt man nun die dargestellten Fahrzeug-Management- und Content-Funktionen um die GPS-Position des Fahrzeugs, werden Location Based Services möglich, die ebenfalls über das Human Machine Interface abrufbar sind. Diese beinhalten bspw. die Suche nach Restaurants, Hotels, Tankstellen und weiteren Points of Interest (POI). Erkennt das Fahrzeug, dass nur noch wenig Benzin im Tank ist, kann die Suche nach der günstigsten Tankstelle in der Nähe vorgeschlagen werden. Sollte der Fahrer mit den Ergebnissen nicht zufrieden sein oder möchte er weiterführende Informationen zu einem Point of Interest, kann er auch einen Information-Call auslösen, wodurch er mit einem Call-Center verbunden wird. Dieser Concierge Service ist ein Call Center-Dienst, der dem Fahrzeugführer individuelle Informationen zur Verfügung stellt und ebenso Buchungen vornimmt (Technologiestiftung Berlin 2016, S. 15).
Standortbezogene Dienste stellen Leistungen dar, deren wesentliche Eigenschaft darin besteht, Informationen bzw. Mehrwertdienste abhängig von der Position des Benutzers zu liefern (Christl 2014, S. 25). Demgemäß ist das vernetzte Fahren eine wesentliche Voraussetzung für die Nutzung der Informations- und Entertainmentsysteme im Fahrzeug.
Konvergenz der Branchen Der Einzug dieser vernetzten digitalen Informations- und Entertainmentsysteme in Fahrzeuge ebnete ebenso den Weg für die IT-Dienstleister sowie Softwarehersteller in die Automobilbranche. Durch diese Konvergenz der Branchen werden die Rollen der Software- und Hardwarehersteller in der Automobilbranche zukünftig umverteilt. Drei Trends Die Entwicklung der Informations- und Entertainmentsysteme im Fahrzeug folgt derzeit drei Trends, bei denen das Smartphone stets eine zentrale Rolle spielt. • Trend 1: Mirror Link-Technologie Die erste Tendenz besteht darin, sämtliche Informations- sowie Entertainment-Inhalte über das Smartphone zu beziehen und diese über die entsprechende Technologie mit dem Fahrzeug zu verbinden, sodass die Smartphone-Inhalte auf einem D isplay im Fahrzeug lediglich gespiegelt werden. Diese Technologie wird als Mirror Link-Technologie bezeichnet.
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• Trend 2: Softwareplattform Die zweite Tendenz umfasst den Einbau einer Softwareplattform in das Fahrzeug, um die Informations- und Entertainmentinhalte verarbeiten sowie abspielen zu können. Diese Softwareplattform kann durch den Fahrzeughersteller, aber auch durch Drittanbieter erstellt werden. • Trend 3: Nachrüstlösungen Schließlich besteht die Tendenz, Informations- sowie Entertainmentinhalte im Fahrzeug durch Nachrüstlösungen auf Basis verschiedener Softwareplattformen zu nutzen. Es besteht ebenso die Möglichkeit, die Trends zu vermischen und in einer hybriden Form anzubieten (Technologiestiftung Berlin 2016, S. 14–15).
3.2.6 Assistiertes und automatisiertes Fahren Warnung vor Gefahren und Erhöhung des Fahrkomforts Das assistierte und automatisierte Fahren trägt einerseits durch die Warnung vor Gefahren (z. B. Kollisionswarner), Unterstützung bei der Bewältigung von kritischen Fahrsituationen (z. B. Spurverlassenswarner mit kurzem Lenkeingriff) und autonomen Eingriff (z. B. Tempomat mit automatischer Bremsfunktion) zur Reduktion des Unfallrisikos bei. Des Weiteren soll das assistierte und automatische Fahren den Fahrkomfort durch die Übernahme von mühsamen Aufgaben (z. B. rückwärts einparken) erhöhen. Um ein assistiertes und automatisches Fahren zu ermöglichen, wird das Fahrzeug mit vielen verschiedenartigen Sensoren ausgestattet, es nutzt allerdings ebenso die Konnektivität gemäß dem Teilbereich Vernetztes Fahren, um das automatisierte bzw. autonome Fahren durch relevante Informationen zu optimieren. Die fahrzeugeigenen Sensoren erfassen Daten über die Aktivitäten des Fahrers, den Zustand und die Umgebung des Fahrzeugs. Die assistierenden sowie automatischen Fahrsysteme verarbeiten die gesammelten Daten mit Unterstützung von Big Data Analytics und leiten daraus Handlungen ab. Fünf Stufen des autonomen Fahrens Beim autonomen Fahren werden nach dem Verband der Automobilindustrie, analog zur internationalen Norm SAE J3016, fünf Stufen des automatisierten Fahrens unterschieden, die in Tab. 3.1 dargestellt werden. 0. Auf Level 0 übernimmt der Fahrer sowohl die Längsführung (Gas geben und Bremsen) als auch die Querführung (Lenkung) des Fahrzeugs. 1. Bei Stufe 1 kann das System eines von beidem übernehmen, während der Fahrer dauerhaft das jeweils andere ausführt. Das Fahrzeug übernimmt eine bestimmte Fahrfunktion, z. B. die Sicherung der Stabilität des Fahrzeugs durch das elektronische Stabilitätsprogram ESP.
Von Start bis Ziel ist kein Fahrer erforderlich Das System übernimmt die Fahraufgabe vollumfänglich bei allen Straßentypen, Geschwindigkeitsbereichen und Umfeldbedingungen Kein Fahrer erforderlich im spezifischen Anwendungsfall System kann im spezifischen Anwendungsfall alle Situationen automatisch bewältigen
Fahrer muss das System dauerhaft überwachen Fahrer muss potenziell in der Lage sein, zu übernehmen System übernimmt Längs- und Querführung in einem spezifischen Anwendungsfall Es erkennt Systemgrenzen und fordert den Fahrer zur Übernahme mit ausreichender Zeitreserve auf
Fahrer muss das System dauerhaft überwachen System übernimmt Längs- und Querführung in einem spezifischen Anwendungsfall
Fahrer führt dauerhaft Längs- oder Querführung aus System übernimmt die jeweils andere Funktion
Fahrer führt dauerhaft Längs- und Querführung aus Kein eingreifendes Fahrzeugsystem aktiv
Stufe 5 Fahrerlos
Stufe 4 Voll-automatisiert
Stufe 3 Hoch- automatisiert
Stufe 2 Teil-automatisiert
Stufe 1
Assistiert
Stufe 0
Driver only
Tab. 3.1 Die sechs Stufen des automatisierten Fahrens. (Quelle: VDA 2015, S. 15)
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2. Auf Stufe 2 kann bei bestimmten Anwendungsfällen die Quer- und Längsführung gleichzeitig an das System abgegeben werden. Der Fahrer muss jedoch das Fahrzeug und den Verkehr durchgehend überwachen und jederzeit dazu in der Lage sein, das Steuer zu übernehmen. Der Fahrer überwacht am Steuer in bestimmte Situationen das Fahrzeug beim autonomen Fahren (z. B. beim Einsatz von Stauassistenz). Die Vernetzung des Fahrzeugs spielt für die Stufe 1 und 2 noch keine bedeutende Rolle. 3. Bei Level 3 muss der Fahrer Verkehr und Fahrzeug im Anwendungsfall nicht mehr überwachen, aber nach Aufforderung des Systems mit einer gewissen Zeitreserve der Fahraufgabe wieder nachkommen können. Das Fahrzeug übernimmt eine bestimmte, komplette Fahraufgabe (z. B. autonome Parkfunktion). Hierbei ist keine stetige Überwachung des Fahrzeugs durch den Fahrer notwendig. Ab dieser Stufe ist das Fahrzeug auf Daten angewiesen, die jenseits der fahrzeugeigenen Sensoren über die Vernetzung des Fahrzeugs gesammelt wurden. 4. Auf Stufe 4 ist das System im spezifischen Anwendungsfall dazu in der Lage auf jede Situation vollautomatisch zu reagieren, selbst wenn der Fahrer der aufgeforderten Steuerübernahme nicht nachkommt. Das Fahrzeug kann die Fahraufgabe in bestimmten Situationen autonom durchführen (z. B. automatische Quer- bzw. Längsführung auf der Autobahn bis zu einer oberen Geschwindigkeitsgrenze), dies benötigt keine Überwachung durch den Fahrer. 5. Letztlich kann das System auf Stufe 5 die Fahraufgabe vollumfänglich und in jeder Situation automatisiert übernehmen, sodass von Start bis Ziel kein Fahrer mehr erforderlich ist (VDA 2015, S. 14–15; SAE 2014, S. 2). Die Anwesenheit eines Fahrers ist bei der gesamten Fahraufgabe nicht notwendig, da das Fahrzeug die Fahraufgabe vollständig übernimmt (Technologiestiftung Berlin 2016, S. 15 f.; Kian und Tettenborn 2015, S. 101 f.).
Beispiel: Tesla
Bei dem Stichwort autonomes Fahren sorgt vor allem das junge Automobilunternehmen Tesla mit seinem Autopiloten immer wieder für Aufmerksamkeit. Tesla hatte im Oktober 2016 für den neuen Autopiloten 2 (AP2) sämtliche Neufahrzeuge mit einer verbesserten Hardware ausgerüstet, die laut Konzern zur Stufe 5 des automatisierten Fahrens fähig ist. Als Zeithorizont für die Erreichung dieser Automatisierungsstufe gibt CEO Elon Musk die nächsten zwei Jahre an. Die derzeitige Realität sieht allerdings anders aus: Zwar ist das Fahren mit dem AP2 auf der Autobahn bis zu 145 km/h und neuerdings auch auf „lokalen Straßen“ bis ca. 50 km/h automatisiert möglich, jedoch muss der Fahrer nach wie vor die Umgebung permanent überwachen und jederzeit dazu bereit sein, das Steuer wieder zu übernehmen. Da also der Fahrer immer noch als Fallback für das System fungiert, entsprechen die modernsten Tesla-Modelle einer Automatisierung von Level 2 (Lambert 2017a, b, c).
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Beispiel: Audi
Audi hat für das Jahr 2018 einen „Audi-AI-Staupilot“ angekündigt, der im neuen A8 verbaut sein wird und der Stufe 3 des automatisierten Fahrens gerecht werden soll. Dieser soll auf Autobahnen und Bundesstraßen bei zäh fließendem Verkehr übernehmen können, sodass der Fahrer sich anderen Aktivitäten widmen kann und die Augen nicht mehr auf die Straße richten muss. Ob Tesla Audi mit einem SoftwareUpdate zuvorkommt und diese Stufe eher erreicht, bleibt abzuwarten. Beide sehen sich dabei jedoch gleichermaßen mit rechtlichen Hürden konfrontiert, da diese Stufe des pilotierten Fahrens in vielen Ländern noch nicht erlaubt ist (Floemer 2017).
3.2.7 Gesundheitssysteme Aufmerksamkeitskontrolle Schon seit einigen Jahren überwachen Automobile, beispielsweise der „Attention Assist“ von Mercedes Benz, die Aufmerksamkeit bzw. Müdigkeit des Fahrers. Das Mercedes-System wertet eine Reihe von Indikatoren aus und beobachtet permanent typische Verhaltensmuster des Fahrers. So wird so ein individuelles Profil erstellt, das die Basis für die Müdigkeitserkennung bildet. Wenn stark von den gespeicherten Werten abgewichen wird, überprüft das System, ob Anzeichen für Müdigkeit vorliegen. Das System erfasst Messgrößen wie Geschwindigkeit, Längs- und Querbeschleunigung, Lenkradwinkel, Blinker- und Pedalbetätigungen sowie bestimmte Bedienhandlungen und äußere Einflüsse wie Seitenwind und Unebenheiten der Fahrbahn, auch die Tageszeit und Fahrdauer werden berücksichtigt. Als aussagekräftigster Indikator für Müdigkeit gilt das Lenkverhalten, typische Lenkradbewegungen, die gleich wieder korrigiert werden, deuten auf Übermüdung hin. Gesundheitsüberwachung Während die beschriebene Aufmerksamkeitskontrolle auch ohne Konnektivitätstechnologien funktioniert, geht die jüngste Generation der Systeme zur Überwachung von Wohlbefinden und Gesundheit in Automobilen erheblich weiter. Das Fahrzeug wird in der Lage sein, Herzfrequenz, Atemrhythmus und Blutzuckerspiegel sowie weitere Vitaldaten des Fahrers zu messen. Dazu werden Daten von Wearables (z. B. Fitnesstracker) und von Geräten des Smart Homes genutzt. Zum Abbau von Stress kann das Auto die Massagefunktion der Sitze starten, die Innenbeleuchtung und Musik einstellen und der Innenraumbelüftung Gerüche beimischen (Köllner 2018, S. 1). Mercedes Energizing-Komfortsteuerung
Die Energizing Komfortsteuerung ging in der Mercedes S-Klasse im September des Jahres 2017 in Serie. Sie vernetzt verschiedene Komfortsysteme nutzt Funktionen der Klimaanlage (mit Beduftung) und der Sitze (Heizung, Belüftung, Massage), der Heizung sowie Licht- und Musikstimmungen. Je nach Stimmung oder Bedürfnis des
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Kunden wird ein spezielles Wellness-Set-up eingestellt, sodass Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit steigen (Mercedes-Benz 2018). Sechs Programme lassen sich auswählen: Frische, Wärme, Vitalität, Freude, Behaglichkeit, Training (drei Trainings: Muskelentspannung, Muskelaktivierung und Balance mit jeweils mehreren Übungen).
3.2.8 Nicht-technische Herausforderungen der Connected Cars Der Connected Car-Technologie stehen neben der technischen Realisierung noch einige weitere Herausforderungen entgegen. Diese Herausforderungen sind rechtlicher, ethischer, sicherheitstechnischer sowie datenschutzrechtlicher Natur (Johanning und Mildner 2015, S. 72–73; Stübing 2013, S. 25). Rechtliche Herausforderungen Im Mai 2014 hat ein Ausschuss der Vereinten Nationen das Wiener Abkommen, das bislang das autonome Fahren gänzlich untersagte, überarbeitet und somit ein teilautomatisiertes Fahren gemäß Stufe 2 rechtlich ermöglicht. Die Bundesregierung brachte ebenso einen Gesetzesentwurf auf den Weg, um die Änderungen des Wiener Abkommens in deutschem Gesetz abzubilden.
Um jedoch Fahrzeuge aus den Stufen 3, 4 und 5 in naher Zukunft einführen zu können, sind noch diverse Haftungsfragen zu klären. Beispielsweise müsste geklärt werden, wer bzw. welche Instanz bei einem Unfall mit einem Fahrzeug der Stufe 4 oder 5 haften muss. Da in den Stufen 4 und 5 kein Fahrer an der Fahraufgabe beteiligt sein wird, ist es derzeitig unklar, ob der Fahrzeughersteller, der Zulieferer, der Staat oder ein gesondert für solche Situationen eingerichteter Versicherungsfonds dafür haften soll (Johanning und Mildner 2015, S. 72 f.).
Ethische Herausforderungen Es ist ebenso noch nicht geklärt, welche Entscheidung ein Fahrzeug der Stufe 4 oder 5 bei ethisch schwer bewertbaren Situationen treffen soll. Dürfte beispielsweise das Fahrzeug das Leben eines einzigen Passanten gefährden, um das Leben einer Gruppe an Menschen nicht gefährden zu müssen (Weichensteller-Fall)? Welzel stellt das moralische Dilemma des Weichenstellers (Weichensteller-Fall) als eine ausweglose Situation dar, in der ein Weichensteller aufgrund einer falschen Weichenstellung einen Güterzug entweder zu einem voll besetzten Personenzug oder zu einer Gruppe von Gleisarbeitern hinleiten kann (Welzel 1951, S. 47 ff.). Oder sollte solch eine Entscheidung über einen Zufallsgenerator getroffen werden (Johanning und Mildner 2015, S. 73)?
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Sicherheitsrelevante Herausforderungen Um die Vorzüge der Connected-Car-Technologie nutzen zu können, muss der Fahrer der Technik viel Vertrauen entgegenbringen. Im Falle von automatisiertem Fahren vertrauen die Insassen des Fahrzeuges gar unmittelbar ihr Leben der Technik an. Demgemäß sollte die Technik frei von jeglichen funktionalen Fehlern sein (Johanning und Mildner 2015, S. 72). Ein jüngst vorgefallener Todesfall mit einem teilautomatisiert fahrenden Connected Car der Marke Tesla, welches der Stufe 2 zugeordnet werden kann, zeigt hingegen, dass das Vertrauen in die Sicherheit der Connected Car-Technologie noch zurückhaltend ist (Technologyreview.com 2016). Jenseits der funktionalen Sicherheit der Connected-Car-Technologie stellt ebenso das Thema Cyber-Sicherheit eine Herausforderung dar. Hacker können die im Fahrzeug bestehenden Verbindungsmodule nutzen, um drahtlos die Kontrolle über ein Fahrzeug zu übernehmen (Hsu et al. 2015, S. 90 f.). Ein US-amerikanisches Hackerteam demonstrierte bereits die mögliche Gefahren durch Cyber-Kriminalität, indem sie sich über einen Laptop aus der Ferne Zugang zu einem Connected Car der Marke Jeep verschafften und die vollkommene Steuerung der Klima-, Musik- sowie Scheibenwischeranlage, Kraftübertragung, Instrumententafel, Bremsen und ebenso die Steuerung des Lenkrads übernahmen (Wired.com 2015).
Datenschutzrechtliche Herausforderungen Datenschutztechnische Risiken im Sinne des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) können entstehen, sofern ein Connected Car einem dedizierten Fahrer über die Fahrzeug- Identifikationsnummer oder über das Fahrzeugkennzeichen eindeutig zugeordnet werden kann. Beispielsweise kann das Fahrverhalten eines Fahrers durch bestimmte Personen, z. B. durch Fahrzeugeigentümer oder Arbeitgeber, bzw. Institutionen wie den Staat oder durch die Versicherungsgesellschaft, überwacht sowie interpretiert werden. Auf diese Weise entsteht das Problem der gläsernen Autofahrer. Sofern delinquente Personen Zugang zu produzierten Daten durch ein Connected Car erhalten, besteht das Risiko der Nutzung dieser Daten für arglistige Handlungen. Darüber hinaus kann durch die Weitergabe der Daten an die Werbeindustrie adaptive Werbung an die Fahrzeugnutzer gesendet werden. Individualisierte Werbung wird nicht von jedem Verbraucher bzw. Autofahrer als angenehm wahrgenommen (Zurawski et al. 2007, S. 30; Stübing 2013, S. 24–25). Im Januar des Jahres 2016 veröffentlichte der Verband der Automobilindustrie (VDA) gemeinsam mit den Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder eine Erklärung über datenschutzrechtliche Aspekte bei der Nutzung vernetzter und nicht vernetzter Kraftfahrzeuge. Gemäß dieser Erklärung ist der Zeitpunkt der Datenerhebung für datenschutzrechtliche Fragen relevant. Demzufolge ist stets die Stelle, welche die Daten aus den Connected Cars in Echtzeit entgegennimmt (i. d. R. Fahrzeughersteller oder dritte Dienstleister) verantwortlich, im Sinne der BDSG zu handeln. Fahrer von Connected Cars können jedoch selbst entscheiden, ob ihre personenbezogenen Daten übermittelt werden dürfen.
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Die Automobilhersteller bemühen sich um standardisierte Symbole, welche die Übermittlung von Daten im Fahrzeug kenntlich machen und somit dem Fahrer die Möglichkeit bieten, den Datentransfer jederzeit zu unterbrechen. Somit liegt die Datenhoheit im Falle von Connected Cars bei dem Fahrzeugnutzer (VDA und Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder 2016a, S. 1 ff.).
Die Erklärung der VDA und der Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder gilt jedoch lediglich für Privatfahrzeuge und lässt ebenso die Frage offen, welche Stelle bzw. Instanz der rechtliche Eigentümer der in Echtzeit entstandenen Daten ist. Des Weiteren schreibt die Erklärung dem Fahrzeugnutzer lediglich die Hoheit über die Fahrer- bzw. personenbezogenen Daten zu. Über die nicht-personenbezogenen Daten aus einem Connected Car (z. B. fahrzeugbezogene Daten) trifft die Erklärung jedoch keine Aussage. Hier ist es ebenso unklar, welche Stelle bzw. Instanz ordnungsgemäß über die nicht-personenbezogene Daten verfügen darf und zu welchen Zwecken diese Daten benutzt werden dürfen. Gemäß der Erklärung darf der Fahrzeugnutzer nicht selbst entscheiden, wem bzw. welcher Instanz er seine fahrzeug- bzw. personenbezogenen Daten zur Verfügung stellt. Auch die Möglichkeit, die zu übermittelnden Datenarten (z. B. durch weitere Kategorisierung bzw. Fragmentierung der Daten) durch den Fahrzeugnutzer zu bestimmen, wird durch die gemeinsame Erklärung des VDA und der Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder nicht behandelt, wenngleich auch bereits technische Lösungen hierfür existieren.
3.3 Datenerhebung und Datenschutz im Connected Car 3.3.1 Rechtliche Rahmenbedingungen Die Vernetzung von Automobilen und die damit von Connected Cars produzierten großen Datenmengen sowie die immer komplexer werdenden Assistenzsysteme, die den Weg zum autonomen Fahrzeug ebnen, werfen diverse rechtliche Fragen und Risiken auf. Bundesdatenschutzgesetz Die Zulässigkeit der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten, zu denen die vorbeschriebenen Daten gehören, richtet sich nach dem Bundesdatenschutzgesetz. Dabei verlangt § 4 BDSG, dass das Bundesdatenschutzgesetz selbst oder eine andere Rechtsvorschrift die Erhebung etc. der Daten erlaubt oder dass der Betroffene, also der Eigentümer oder Führer des Fahrzeugs, hierzu eingewilligt hat. § 9 verlangt, dass öffentliche und nicht-öffentliche Stellen, die personenbezogene Daten erheben, verarbeiten oder nutzen, die technischen und organisatorischen Maßnahmen zu treffen haben, die erforderlich sind, um die Ausführung des Gesetzes und
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zu gewährleisten. Zu diesen Maßnahmen zählen beispielsweise Zutritts-, Zugriffs- und Zugangskontrolle (eine vollständige Auflistung ist in der Anlage zu § 9 Satz 1 BDSG zu finden). Schutzziele und Datenschutz Sogenannte Schutzziele (Gewährleistungsziele) definieren den vom Gesetz angestrebten Sicherheitszustand. Zu diesen Schutzzielen zählen Datensparsamkeit, Verfügbarkeit, Integrität, Vertraulichkeit, Transparenz, Intervenierbarkeit und Nicht-Verkettbarkeit. 1. Datensparsamkeit bedeutet, dass nicht mehr personenbezogene Daten erhoben werden als nötig, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. 2. Verfügbarkeit verlangt, dass der Zugriff auf die Daten gesichert sein muss (z. B. mit Back-ups). 3. Integrität beschreibt eine korrekte Funktionsweise der IT-Systeme (Probst 2012, S. 3). 4. Vertraulichkeit soll sicherstellen, dass keine unbefugten Personen auf die Daten zugreifen (Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit 2015, S. 9). 5. Transparenz ist gegeben, wenn die Verarbeitung von personenbezogenen Daten mit zumutbarem Aufwand nachvollzogen, überprüft und bewertet werden kann (Petrlic und Sorge 2017, S. 11). 6. Intervenierbarkeit soll Voraussetzungen für die Durchsetzung von Betroffenenrechten schaffen. 7. Nicht-Verkettbarkeit soll dafür sorgen, dass Daten nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand für einen anderen als den ausgewiesenen Zweck genutzt werden (Probst 2012, S. 4). Personenbezogenheit von Daten Die unabhängigen Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Verband der Automobilindustrie (VDA) haben im Januar 2016 eine Erklärung bezüglich besonders relevanter datenschutzrechtlicher Aspekte bei vernetzten und nicht vernetzten Autos veröffentlicht. Dazu zählen z. B. die Personenbezogenheit von Daten (eindeutige Zuordnung von Daten zu einer Person) – diese unterliegen der informationellen Selbstbestimmung, die sich aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Artikel 1 und 2 GG) ableitet. Der Zeitpunkt der Datenerhebung ist bei „Offline Autos“ das Auslesen der Daten, bei „Online-Autos“ findet die Datenübertragung permanent aus dem Auto heraus statt. Die verantwortliche Stelle ist bei Offline-Autos derjenige, der die Daten ausliest, bei Online-Autos sind es diejenigen, die die Daten erlangen, also die Hersteller. Die Zulässigkeit der Datenerhebung kann sich aus einer Einwilligung des Betroffenen oder aus § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 oder 2 BDSG ergeben, wonach das Erheben etc. der Daten für die Erfüllung eigener Geschäftszwecke dann zulässig ist, wenn es z. B. für die Durchführung eines Schuldverhältnisses (hier: des Kaufvertrags) oder zur Wahrung berechtigter Interessen der Hersteller erforderlich ist und kein Grund zur Annahme
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besteht, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Verarbeitung oder Nutzung der personenbezogenen Daten überwiegt. Die „Datenhoheit“ soll dem Fahrer eine individuelle Möglichkeit dazu geben, welche persönlichen Daten von ihm verarbeitet werden dürfen (Verband der Automobilindustrie 2016b, S. 3). Personenbezogene, anonymisierte und pseudoanonymisierte Daten Es ist zwischen personenbezogenen, anonymisierten und pseudonymisierten Daten zu unterscheiden. Bei personenbezogenen Daten greift die informationelle Selbstbestimmung, bei anonymisierten Daten jedoch nicht. Pseudonymisierte Daten zeichnen sich dadurch aus, dass Identifikationsmerkmale durch ein Pseudonym ersetzt werden. Die Identifikation ist somit erschwert, es ist aber mit einem Schlüssel möglich, den Personenbezug wieder herzustellen. Es ist umstritten, ob pseudonymisierte Daten auch als personenbezogene Daten angesehen werden (activeMind Ag 2015).
Die rechtliche Lage bezüglich Daten und deren Verwendung sind in vielen Punkten noch ungeklärt. Folglich ist es derzeit für die Automobilhersteller rechtlich am sichersten, sich die Einwilligung des Käufers zur Erhebung und Auswertung von Daten schriftlich geben zu lassen.
3.3.2 Datenerhebung Mit dem Connected Car und den damit möglichen Diensten können Original Equipment Manufacturer (OEM) Daten zum Fahrzeug und zum Fahrer erheben und für verschiedene Zwecke nutzen, zum Beispiel auch für Marketingzwecke. 25 Gbyte Daten pro Stunde Im Jahr 2020 sollen weltweit 700 Mio. Connected Cars fahren. Die Sensoren eines dieser Fahrzeuge sollen dann bis zu 25 Gbyte an Daten pro Stunde Fahrtzeit generieren, welche erfasst, verarbeitet und ausgetauscht werden (Wollschläger 2016, S. 31; Bain & Company 2014, S. 3). Dabei entstehen insbesondere personenbezogene Daten im Sinne des Bundesdatenschutzgesetzes, wenn eine Verknüpfung mit der Fahrzeugidentifikationsnummer oder dem KFZ-Kennzeichen gegeben ist. Weiterhin unterscheidet der VDA nach offline und online Daten. Demnach können Daten im Fahrzeug erhoben werden und verbleiben dort oder sie werden im Fahrzeug erhoben und werden online nach außen weitergegeben (VDA 2016a, S. 1 f.). Die OEM haben dann die Möglichkeit, mit Methoden wie Big Data einen großen Nutzen aus diesen Daten zu ziehen und ihre Angebote deutlich kundenorientierter zu gestalten. Das Connected Car kann Informationen zu Position, Geschwindigkeit, Fahrtrichtung und Zustand des Fahrzeugs bereitstellen, aus denen sich Informationen zum Fahrverhalten und zu persönlichen Vorlieben der Fahrer ableiten lassen. Aus Sicht der Kunden
3.3 Datenerhebung und Datenschutz im Connected Car
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sind das sehr persönliche und intime Informationen. Sie sind nicht nur für Autohersteller interessant, sondern beispielsweise auch für den Staat und Sicherheitsbehörden, für Versicherungen und die Werbeindustrie (Deloitte 2015b, S. 20). Sensibilität der Kundendaten Die Erhebung der Daten ist aus Kundensicht problematisch, weil es einige Sicherheitsrisiken geben kann. So geben über 96 % der Befragten einer Capgemini Studie in sieben Ländern an, dass ihnen die Sicherheit ihres Fahrzeugs in Bezug auf Daten und Hackerangriffe wichtig ist und auch die Kaufentscheidung beeinflussen würde (Capgemini 2017, S. 30). Diese Angst ist nicht unbegründet, denn Hacker haben gezeigt, dass es möglich ist, Connected Cars von außen zu steuern. Außerdem sind die Kunden besonders besorgt, dass ihre Daten an Dritte verkauft werden könnten und sie somit die Kontrolle über ihre Daten verlieren, oder dass ihre Daten bei einem OEM nicht sicher vor Datendiebstahl sind. Die Kunden sehen die Verantwortung zum Schutz vor diesen Gefahren bei den Herstellern. Sichere Systeme Die Bundesbürger fordern sichere Systeme für die Vernetzung von Fahrzeugen. Für 91 % ist ein unterbrechungsfreier Datenaustausch wichtig, 87 % wollen eine technisch ausgereifte und 82 % eine topaktuelle Technik. Für 79 % ist es wichtig, dass die Technologie gegen Angriffe von außen abgesichert ist. In Zukunft werden neben Bremsen, Beleuchtung und Achsen auch die digitalen Systeme sicherheitsrelevant werden (Bitkom 2018). 95 % der Befragten fordern, dass die Systeme in vernetzten Autos regelmäßig auf Datenschutz und Datensicherheit geprüft werden. Dafür würden 64 % sogar Mehrkosten für eine solche Überprüfung tragen (Bitkom 2018). Privacy by Design und Privacy by Default Der Datenschutz und der Schutz vor externem Zugriff auf das Fahrzeug hat damit eine zentrale Rolle, die noch nicht zufriedenstellend geregelt ist. Politik und Industrie beschäftigen sich mit dem Thema, sind aber noch nicht zu einem Konsens gekommen. Privacy by Design ist eines der Schlagwörter in diesem Zusammenhang, es beschreibt, dass schon von Anfang an im Entwicklungsprozess von Connected Cars der Datenschutz berücksichtigt werden muss (Deloitte 2015b, S. 20). Den Kunden ist es dabei besonders wichtig, dass für sie transparent nachvollziehbar ist, welche Daten gespeichert werden und zu welchen Zwecken sie genutzt werden (Capgemini 2017, S. 31; Bitkom 2015, S. 12). Diesem Bedürfnis können die OEM mit Privacy by Default entgegenkommen. Dieser Begriff beschreibt die Fähigkeit des Nutzers eines Connected Cars sowohl rechtlich als auch technisch in der Lage zu sein, den Datenfluss zu kontrollieren und gegebenenfalls zu unterbrechen.
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3 Connected Cars
Vertrauen durch Transparenz im Umgang mit Daten Insbesondere deutsche Hersteller haben beim Thema Datenschutz einen Vorteil gegenüber anderen OEM und den IT-Dienstleistern, wenn es um das Vertrauen der Kunden geht. Sie stehen für Qualität, Fortschritt, Tradition und Sicherheit. Ihnen wird deutlich mehr Vertrauen entgegengebracht. Gelingt es ihnen, dieses Image auf den Datenschutz ihrer Connected Cars zu übertragen, können sie sich gegenüber den internationalen Konkurrenten einen entscheidenden und nachhaltigen Wettbewerbsvorteil sichern (Deloitte 2015a, S. 7 f.). Um diesen Wettbewerbsvorteil zu erhalten und auszubauen, muss Transparenz im Umgang mit den Daten sowie eine weitreichende Datenschutzgarantie und IT-Sicherheit gewährleistet werden, um nicht unglaubwürdig zu wirken (Deloitte 2015b, S. 27). Dafür ist zunächst die Gestaltung von Einwilligungskonzepten zur Legitimation von Personendatenverarbeitung notwendig, soweit dies nicht durch eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage möglich ist (BVDW 2016b, S. 9 f.). Weiterhin schlägt beispielsweise der VDA vor, standardisierte Symbole im Innenraum des Fahrzeugs einzuführen, die den Vernetzungsstatus anzeigen und eine Aktivierung und Deaktivierung des Datenflusses durch den Fahrer ermöglichen (VDA 2016a, S. 3). Weiterhin sind beim Datenaustausch zwischen den einzelnen Elementen des Connected Car Systems Sicherheitsvorkehrungen notwendig, um Angreifer von außen abzuwehren (Capgemini 2015b, S. 5). Allerdings würde in diesem Zusammenhang eine Klassifizierung von Daten auf Basis ihrer Verbindung zur Fahrzeugsteuerung und Telemetrie sinnvoll sein. Es müsste dann zwischen einerseits besonders schützenwerten KFZ-Daten und andererseits weniger kritischen Entertainment-Daten unterschieden werden. Dies auch vor dem Hintergrund, die Komplexität von Sicherheitssystemen zu minimieren (BVDW 2016a, S. 4). Aus Sicht von Deloitte wäre es ein Fehler, um jeden Preis der erste Anbieter von bestimmten Funktionen oder digitalen Diensten zu sein, wenn die Funktionen dann aber nicht sicher sind und im Nachhinein durch Datenverlust oder Funktionsausfall ein Imageschaden bei dem Hersteller entsteht. Es wäre beispielsweise ein Problem, wenn bestimmte autonome Funktionen an einem Fahrzeug während der Fahrt ausfallen und Unfälle entstehen (Deloitte 2016, S. 11). Datenteilbereitschaft Bei allen Bedenken, die geäußert werden, wird an einem Beispiel aus Deutschland deutlich, dass eine Bereitschaft besteht, Daten auch an Dritte weiterzugeben, wenn eine entsprechende Gegenleistung erbracht wird. Zwei Drittel der 18- bis 30-Jährigen in Deutschland sind bereit, ihre Daten weiterzugeben. Sie erwarten dafür aber unbedingt einen Mehrwert in Form von Rabatten, erhöhter Sicherheit, einer besseren Betreuung beim Fahrzeugkauf und während der Besitzphase, sowie bessere Konditionen bei Versicherungen durch fahrverhaltensbasierte Tarife. Im Gegensatz dazu sind deutsche Fahrer, die älter als 30 Jahre sind, deutlich weniger bereit, ihre persönlichen Daten zu teilen; dies allenfalls, wenn es der Erhöhung der Sicherheit dient (Deloitte 2015b, S. 22 f.).
Literatur
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Diese Bereitschaft variiert sowohl zwischen Altersgruppen als auch zwischen Ländern und Kulturen. Auf anderen Märkten, insbesondere in China und Nordamerika, sind die Menschen eher bereit, ihre Daten preiszugeben (Capgemini 2017, S. 30 f.; Dudenhöffer 2016, S. 165 f.). Betriebssystem sichert die Gatekeeperposition Um die neu entworfenen Geschäftsmodelle gewinnbringend einzusetzen, müssen die Automobilhersteller die Kontrolle über die Daten behalten und mit einem hohen Datenschutzstandard werben. Aus heutiger Sicht ist das möglich, wenn die OEM selbst das notwendige Betriebssystem im Connected Car bereitstellen und damit eine Gatekeeperposition einnehmen, um zu entscheiden, ob Drittanbieter wie Google und Apple in das Ökosystem des Herstellers eingreifen können (Deloitte 2015a, S. 9). Sollten den OEM dies nicht gelingen, droht ihnen, dass sie – ähnlich wie es sich bei Samsung Smartphones verhält – nur die Hardware stellen und das Betriebssystem in Form von Android durch Google installiert wird. Damit kann Google über den Google Play Store Apps verkaufen und über die Daten der Kunden bestimmen.
Die Autohersteller würden in einem solchen Szenario nur die Hardware, nämlich das Connected Car selbst, produzieren. Neue Umsatzpotenziale mit Diensten nach dem Fahrzeugverkauf können so nicht ausgeschöpft werden. OEM sind aber keine IT Experten. Deshalb ist ein komplett selbst entwickeltes Betriebssystem unwahrscheinlich und die Lösung für das Problem wird voraussichtlich in einer Kooperation zwischen OEM und Softwareanbieter liegen (PWC 2016a, S. 19–21).
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Anwendungen und Potenziale von Connected Cars
Zusammenfassung
Die Bezeichnungen der Automobilhersteller für ihre Connected-Cars-Programme variieren, ihre Inhalte überschneiden sich zu einem großen Teil. In einer Übersicht werden BMW, Volkswagen, Mercedes, Jaguar und Tesla vorgestellt, da diese Hersteller zu den technologischen Vorreitern auf diesem Gebiet gehören. Die fortschreitende Entwicklung des autonomen Fahrens und die Elektromobilität machen es ohnehin notwendig, die für digitale Dienste notwendige Hardware im Fahrzeug zu integrieren und dem Kunden anzubieten. Die Fahrzeuginfrastruktur für Dienste ist somit vorhanden und die Automobilhersteller sollten deshalb relevante Dienste anbieten und diese auch vermarkten. Mithilfe von digitalen Diensten ist es möglich, die Entstehung der Cashflows in der Automobilindustrie vom Verkauf des Fahrzeugs auf digitale Dienste und Mobilitätsdienstleistungen während der Besitzphase zu verlagern. Die Geschäftsmodelle in der Automobilbranche werden sich verändern; Fahrzeughersteller müssen sich zu integrierten Dienstleistern entwickeln, die in jeder Situation passende Services und Inhalte anbieten können. Zu besonderen Wettbewerbern für die Automobilhersteller können sich Unternehmen wie Apple und Google entwickeln; beide Unternehmen drängen schon heute in den Automobilmarkt. Für die Automobilhersteller ergeben sich Chancen, aber auch Herausforderungen, durch die rasante Weiterentwicklung der Connected Cars. Das Customer Relationship Management (CRM) profitiert von der Vernetzung der Fahrzeuge im Rahmen von Connected Cars, wodurch sich neue Möglichkeiten und Potenziale für die Anbieter ergeben, vor allem für die Hersteller und Händler aber auch für Werkstätten und Versicherer.
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 H. Holland, Dialogmarketing und Kundenbindung mit Connected Cars, https://doi.org/10.1007/978-3-658-22929-0_4
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4 Anwendungen und Potenziale von Connected Cars
4.1 Anwendungen bei namhaften Automobilherstellern Die Bezeichnungen der Automobilhersteller für ihre Connected-Cars-Programme variieren, ihre Inhalte überschneiden sich zu einem großen Teil. Der folgende Abschnitt bezieht sich auf BMW, Volkswagen, Mercedes, Jaguar und Tesla, da diese Hersteller die meisten Informationen über ihre Connected-Car-Programme zur Verfügung stellen und gleichzeitig technologische Vorreiter auf diesem Gebiet sind. Tab. 4.1 fasst die Connected-Car-Funktionen wichtiger Hersteller zusammen. eCall und Pannenhilfe BMW („Connected Drive“), Volkswagen („Car-Net“) und Mercedes („Mercedes me connect“) bieten bereits seit einiger Zeit einen Notruf-Service an. Ab dem Jahr 2018 sind alle Automobilhersteller dazu verpflichtet, den eCall (emergency call) in ihre Autos zu integrieren. Ziel des eCalls ist ein automatischer Notruf bei einem Unfall, der den Unfallort übermittelt, damit Rettungskräfte schneller vor Ort sein können. Eine weitere Funktion, die auf GPS-Daten zugreift, ist die Pannenhilfe. Bei einer Panne werden Standortinformationen an ein zuständiges Service Center oder Call Center weitergeleitet. Notbremssystem Ziel des Notbremssystems ist es, einen Aufprall zu vermeiden. Um dies zu erreichen, oder zumindest die Stärke des Aufpralls zu verringern, warnen die verschiedenen Systeme meist in Abstufungen. Einer optischen sowie akustischen Warnung folgt eine Pause, die es dem Fahrer in den überwiegenden Fällen ermöglicht, dass Auto rechtzeitig abzubremsen. Reagiert der Fahrer nicht, bremst das Auto selbsttätig. Das Notbremssystem wird oft zusammen mit einem Geschwindigkeitsbegrenzer angeboten, der auch bei starkem Verkehrsaufkommen die Geschwindigkeit sowie den Abstand zum nächsten Fahrzeug anpasst und somit insbesondere vorteilhaft für Stop and Go-Situationen ist. Assistenzsysteme Das teilautomatisierte Fahren wird durch Spurhalteassistenten und Spurverlassenswarnung sowie Speed Limit Info inklusive Überholverbotsanzeige und Querverkehrswarnung ergänzt. Fernlichtassistent (automatisches Auf- und Abblenden des Fernlichts) und Night Vision, das heißt, dass Menschen und Tiere bereits aus größerer Entfernung sichtbar gemacht werden können und ein Warnsignal auf sie hinweist, sind weitere Assistenzsysteme, die die Fahrsicherheit erhöhen. Der Aufmerksamkeitsassistent, der das Lenkverhalten des Fahrers analysiert, soll beispielsweise das Unfallrisiko bei Müdigkeit senken, indem der Fahrer auf diese hingewiesen wird.
4.1 Anwendungen bei namhaften Automobilherstellern
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Tab. 4.1 Übersicht verschiedener Connected-Car-Funktionen namhafter Automobilhersteller. (Quelle: Eigene Darstellung) Marke
BMW
Mercedes
Volkswagen Jaguar
Connected Drive Mercedes me Car-Net System (nicht connect alle Funktionen sind Bestandteil der jeweiligen Systeme)
InControl Connect
Tesla Eveconnect
Funktionen eCall – automatischer Notruf bei Unfall
X
X
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Smartphone Integration in Infotainment-System, z. B. Abruf von Fahrzeugdaten
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X
Smartphone Integration: CarPlay
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Bald verfügbar
Smartphone Integration Android Auto
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Bald verfügbar
X Real Time Traffic Information: Verkehrsinformationen, schnellste Route zum Zielort
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X Concierge Service: Hilfe bei Hotel, Restaurantsuche, Reservierung etc.
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Remote-Services: Zugriff, Bedienung des Autos per Smartphone z. B. Licht, Hupe Autopilot
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4 Anwendungen und Potenziale von Connected Cars
Einparken Das automatische Einparken ist bereits heute nicht mehr weit vom autonomen Einparken entfernt. Parkassistenten übernehmen nach Ausmessung von Parklücken während des langsamen Vorbeifahrens den kompletten Einparkvorgang (parallel sowie quer zur Fahrbahn). Der Fahrer bleibt während des Vorgangs jedoch im Auto und kann diesen jederzeit unterbrechen. BMW und Mercedes gehen mit ihren Funktionen „Ferngesteuertes Parken“ und „Remote Park Pilot“ noch weiter. Hierbei muss der Fahrer während des Ein- oder Ausparkvorgangs nicht am Steuer sitzen. Bei BMW genügt ein Knopfdruck auf dem Display-Schlüssel, Mercedes Park Pilot wird hingegen mit dem Smartphone gesteuert (das Auto übernimmt die Steuerung ebenfalls selbst). Integration des Smartphones Die Integration des Smartphones in das Infotainment-System, das die Nutzung vieler Apps beim Fahren erlaubt, wird von BMW, VW und Mercedes angeboten. Mithilfe der herstellereigenen Apps ist es möglich, Informationen über den Fahrzeugstatus mit dem Smartphone, Tablet oder PC abzurufen. Beispiele hierfür sind Tankfüllstand, Reifendruck, Türstatus etc. Zudem lassen sich Licht, Hupe, Klimaanlage und Standheizung bedienen bzw. programmieren. Die Parkposition kann mithilfe der Apps ebenfalls festgestellt werden (mit GPS-Daten). Weiterhin lassen sich bestimmte Funktionen des Autos (Licht, Hupe, Verriegelung etc.) per App steuern. Dieses sogenannte „Remote-Control“ ist außerdem Grundlage für Carsharing-Projekte wie „car2go“, da hierbei das gemietete Auto über eine App geöffnet und verriegelt werden muss. Für Apple- und Android-Geräte existiert jeweils eine Applikation (CarPlay und Android Auto), die dem Nutzer die Möglichkeit eröffnet, über das Display seines Autos zu telefonieren, Nachrichten zu senden und zu empfangen oder Musik zu hören. Während bei VW und Mercedes beide Systeme kompatibel sind, stellt BMW nur CarPlay zur Verfügung. WLAN-Hotspot Einige Hersteller bieten einen WLAN-Hotspot an, der unabhängig von den Smartphone-Tarifen der Insassen genutzt werden kann. Verkehrsinformationen Eine weitere weitestgehend etablierte Basisfunktion von Connected Cars sind Verkehrsinformationen („Real Time Traffic Information“). Diese geben Informationen über den Verkehr und eventuelle Staus und ermitteln den schnellsten Weg zum Zielort. Concierge-Service Viele Automobilhersteller bieten einen Concierge-Service an. Hierbei helfen Mitarbeiter des jeweiligen Automobil-Callcenters bei der Suche nach Hotels, Restaurants, Notfallapotheken usw. Hotels können auf Wunsch reserviert, Adressen und Telefonnummern an den Bordcomputer gesendet werden.
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Wartung und Aktualisierung Durch das ständige Senden von Informationen über den Fahrzeugzustand an Hersteller oder Werkstätten und der damit ermöglichten Fehlerdiagnose können Wartungstermine unkompliziert und frühzeitig festgemacht werden. Des Weiteren können Software oder Kartenaktualisierungen problemlos „Over-the-Air“ (Methode zur Softwareaktualisierung) heruntergeladen werden. Auch ältere Modelle, die bei Fertigstellung noch keine vernetzten Funktionen hatten, können nachgerüstet werden. Seit dem Jahr 2001 ist es Vorschrift, dass jedes Auto mit einer Schnittstelle zum Diagnostic-Board ausgerüstet ist. Für diese Schnittstelle gibt es sogenannte „Dongle“, die in die Schnittstelle eingesteckt werden können und mit einer App, wie z. B. „Mojio“, verbunden werden. Diese App bietet dann beispielsweise Informationen über die Anzahl gefahrener Kilometer, maximale Geschwindigkeit, durchschnittliche Geschwindigkeit, Beschleunigung, Status der Batterie und des Motors etc. Weitere Anwendungsgebiete sind die Verbesserung der Sicherheit in der Logistik, effizientere Routenplanungen und die Verwaltung von Fahrzeugflotten.
4.2 Potenziale durch Connected Cars 4.2.1 Entwicklungstendenzen Umsatzprognose Die fortschreitende Entwicklung des autonomen Fahrens und die Elektromobilität machen es ohnehin notwendig, die für digitale Dienste notwendige Hardware im Fahrzeug zu integrieren und dem Kunden anzubieten. Die Fahrzeuginfrastruktur für Dienste ist somit vorhanden und die Automobilhersteller sollten deshalb relevante Dienste anbieten und diese auch vermarkten (Grünweg 2015). Mithilfe von digitalen Diensten ist es möglich, die Entstehung der Cashflows in der Automobilindustrie vom Verkauf des Fahrzeugs auf digitale Dienste und Mobilitätsdienstleistungen während der Besitzphase zu verlagern (Kienbaum 2016, S. 10). Der Umsatz auf dem Markt für digitale Dienste wird sich von aktuell 47,2 Mrd. EUR in den nächsten drei bis fünf Jahren auf geschätzte 140 bis 170 Mrd. EUR vergrößern. Demnach wird sich der Anteil für Connectivity-Dienste an dem Gesamtumsatz für ein Fahrzeug über fünf Jahre von 4 % auf 6 % erhöhen (McKinsey&Company 2014, S. 26). Applications Nach dem Vorbild der Apps von Apple und Google auf Smartphones können die Dienste auch im Fahrzeug vertrieben werden. Apps, kurz für Applications, stellen eine Technologie dar, die neue Funktionen in Form von digitalen Diensten auf dem Smartphone nutzbar machen. Sie können als Enabling-Technologie für digitale Dienste verstanden werden (Wirtz 2013, S. 83 f.).
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Apple und Google ist es gelungen, ein ganzes Ökosystem für Apps um Smartphones herum aufzubauen. Die Apps werden im eigenen App Store beziehungsweise Google Play Store vertrieben, wodurch die Konzerne an jedem Download finanziell partizipieren. Weiterhin erhalten die Konzerne auch Zugriff auf die Daten der Smartphone-Nutzer, die sie ihrerseits gewinnbringend zu Werbezwecken einsetzen können. Im Idealfall gelingt es den Herstellern, ein ähnliches Ökosystem für den Vertrieb digitaler Dienste in den eigenen Fahrzeugen aufzubauen, um damit auch nach dem Verkauf eines Fahrzeugs Gewinne zu erwirtschaften (McKinsey&Company 2015a, S. 24–27). Abonnementmodelle Das Geschäftsmodell dazu sieht vor, einen Dienst nicht durch eine relativ hohe Einmalzahlung bei Anschaffung des Fahrzeugs zu erwerben, sondern beispielsweise durch ein monatliches oder jährliches Abonnement. 18- bis 30-Jährige wären nach einer aktuellen Studie von Deloitte dazu bereit, bis zu 55 EUR im Monat für solche Dienste zu zahlen. Ein weiteres denkbares Bezahlmodell ist Pay as you use, wobei nur dann für den Dienst gezahlt wird, wenn er auch genutzt wird. Eine kostenlose Nutzung, wenn gleichzeitig Werbung angezeigt wird, lehnen allen Altersgruppen überwiegend ab. Kostenlose Dienste sind auch ohne Werbung dennoch denkbar, wenn sie etwa die Kundenbindung erhöhen und den Kunden automatisch einer Vertragswerkstatt im Schadenfall zuführen (Deloitte 2015, S. 15–16; Oliver Wyman 2013). Die Dienste bieten für die Hersteller das Potenzial, sich auf dem Automobilmarkt neu zu positionieren. Dazu ist eine Differenzierung gegenüber den Mitbewerbern durch das Angebot bestimmter Dienste, die sich an den Kernkompetenzen des Herstellers orientieren, erforderlich. Gemeint sind fahrzeugnahe Dienste der Kategorien Fahrzeugmanagement und Sicherheit, während Entertainmentdienste außerhalb der Kernkompetenzen der Hersteller liegen. Solche Dienste sollten in Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern entwickelt werden. Kreieren die Hersteller ein an ihren Kernkompetenzen orientiertes Gesamtpaket aus Diensten und Kundenerlebnis, haben sie gute Differenzierungsmerkmale, um als attraktiver Anbieter am Markt aufzutreten (Oliver Wyman 2013).
4.2.2 Potenziale für Anbieter Chancen und Risiken für Automobilhersteller Veränderte Geschäftsmodelle Die Automobilbranche befindet sich derzeit im Wandel. Vernetzte Autos werden immer mehr nachgefragt, und auch die Bereitschaft, für vernetzte Dienste zu zahlen, steigt an. Die Branche ist überzeugt davon, dass Automatisierung und
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Fahrzeugvernetzung die Geschäftsmodelle in der Automobilindustrie deutlich verändern werden, so McKinsey in einer Studie (McKinsey&Company 2015b, S. 12). Für die Automobilhersteller ergeben sich diverse Chancen, aber auch Risiken durch die rasante Weiterentwicklung des Connected Car. Die Zukunft ist vielversprechend; vom Jahr 2014 auf 2015 hat sich die Anzahl der Personen, die den Hersteller wechseln würden, um ein besser vernetztes Auto zu erhalten, fast verdoppelt (von 20 % auf 37 %) (McKinsey&Company 2015b, S. 18). PWC prognostiziert bis zum Jahr 2020 eine knappe Vervierfachung der Umsätze, die mit Connected Cars erzielt werden können. Die Umsätze sollen demnach von 31 Mrd. EUR (2015) auf 113 Mrd. EUR im Jahr 2020 ansteigen (PWC 2016, S. 6). An diesem immensen Anstieg wird nicht nur die stetig steigende Nachfrage deutlich, sondern auch die höhere Bereitschaft, für vernetzte Dienste zu zahlen. Die Bereitschaft hier sei von 21 % (2014) auf 32 % (2015) gestiegen. Fuhrparks und China als Märkte Insbesondere für Unternehmen und deren Fuhrparks können Connected Cars interessant sein; mit der Nutzung von neuen und vernetzten Technologien könnte die Effizienz in diesem Bereich drastisch erhöht werden. PWC geht davon aus, dass sich die weltweiten Verkäufe in diesem Bereich bis zum Jahr 2020 verdreifachen werden. Einer der größten und gleichzeitig attraktivsten Märkte für Connected Cars ist China. Ca. 30 % der chinesischen Bevölkerung wurde zwischen den Jahren 1980 und 1990 geboren und ist besonders an vernetzten Diensten und Autos interessiert. Die Nachfrage dieser Bevölkerungsgruppe nach Connected Cars ist so hoch wie nirgendwo sonst. Damit einher geht auch ihre hohe Bereitschaft, für diese Technologien mehr zu bezahlen (PWC 2016, S. 43). Fahrzeughersteller werden zu integrierten Dienstleistern Durch die stetige Zunahme an Connected Cars auf Straßen weltweit erhalten die Automobilhersteller zwangsläufig auch immer mehr Daten, die es gilt, gewinnbringend zu verarbeiten.
Es besteht die durchgängige Meinung, dass sich die Geschäftsmodelle in der Automobilbranche verändern werden. „Fahrzeughersteller müssen sich zu integrierten Dienstleistern entwickeln, die in jeder Situation passende Services und Inhalte anbieten können“ (Bundesverband Digitale Wirtschaft 2016, S. 3). Vor diesem Hintergrund ergibt sich eine Verschiebung von Hardware zu Software und vom Produkt zum Service (PWC 2016, S. 12).
Ursachen dafür sind beispielsweise der Trend hin zum Car-Sharing sowie Pay-per-UseModelle. Zukünftige Geschäftsmodelle werden sich folglich mehr mit dem Anbieten von Services und dem Aftermarket beschäftigen. Ein mögliches Anwendungsszenario hierfür sind Updates, die zur Steigerung der Motorleistung oder für neue autonome Fahrfunktionen angeboten werden könnten. Welche Auswirkungen dies auf die Cashflows der Automobilhersteller haben kann, ist in der Abb. 4.1 dargestellt.
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Abb. 4.1 Verschiebung der Erlöse. (Quelle: Mit freundlicher Genehmigung von © Kienbaum 2016, S. 10. All Rights Reserved)
Ständige Kommunikation mit dem Kunden Neben primär finanziellen Chancen, ermöglicht das Connected Car den Automobilherstellern, in ständiger Kommunikation mit dem Kunden zu stehen, was wiederum zu einer höheren Kundenbindung und -loyalität führt. Sind die Connected Services eines Automobilherstellers schlechter als die der Konkurrenz, ist die Wechselwahrscheinlichkeit seiner Kunden sehr hoch. Kooperationen Eine weitere Chance ist das Bilden von Kooperationen mit anderen Automobilherstellern. Ziel ist die Bündelung von Ressourcen, um optimale Lösungen zu finden und somit weiterhin dem Kunden das beste Produkt anbieten zu können. In diesem Zusammenhang haben Audi, BMW und Mercedes beispielsweise bereits im Jahr 2015 gemeinsam den Kartendienst Here erworben. McKinsey beschreibt in seiner Studie „Wettlauf um den vernetzten Kunden“ Ökosysteme, bestehend aus mehreren Automobilherstellern, also die gemeinsame Erstellung und Nutzung einer Plattform mit einheitlichen Standards, die für das vernetzte Fahrzeug notwendig sind. Durch die Zusammenarbeit bieten sich zahlreiche Möglichkeiten (McKinsey&Company 2015b, S. 27). Risiken: Datenschutz und Cyberattacken Zu den Risiken zählen insbesondere der Datenschutz und eine Einschränkung der Verwertbarkeit von Daten aufgrund verschärfter Datenschutzgesetze.
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Die Vernetzung von Autos untereinander sowie mit der Infrastruktur bietet eine große Angriffsfläche für Cyberattacken. Schon im Jahr 2015 gelang es Hackern, aus sicherer Entfernung über das Uconnect-System (dieses steuert das Infotainment) die komplette Kontrolle über einen Jeep Cherokee zu übernehmen. Neben simpleren Funktionen wie dem Betätigen der Klimaanlage, waren sie auch in der Lage, den Motor bei voller Fahrt abzustellen. Beängstigend hierbei ist, dass die Hacker über technische Systeme auf die Mechanik des Autos zugreifen konnten. Abgesehen von Cyberattacken kann das Connected Car allerdings auch auf andere Weise angegriffen werden. Das moderne Connected Car ist mit verschiedensten Sensoren ausgerüstet; sind diese jedoch beispielsweise verschmutzt oder werden geblendet (hierbei ist es irrelevant, ob die Blendung mit Absicht herbeigeführt wurde oder nicht), kann es zum Ausfall bzw. einer verspäteten Reaktion kommen. Dadurch können Assistenzsysteme wie der Spurhalteassistent oder Bremsassistent behindert werden. Automobilhersteller müssen letztlich ausreichende Schutzmaßnahmen integrieren, damit Sensoren gegen diese äußerlichen Einflüsse geschützt sind. Beispiel
Fehlerhafte Systeme können schnell zu negativer Presse und Imageschäden führen. So war im Mai des Jahres 2016 ein Mitarbeiter von Tesla, während er den Autopiloten nutzte, in einen tödlichen Unfall verwickelt mit entsprechender negativer Berichterstattung über diesen Hersteller. Vor diesem Hintergrund haben Kunden bezüglich der Themen Cybersecurity und Zuverlässigkeit derzeit noch die größten Bedenken. Eine besondere Herausforderung wird es sein, dass das Connected Car bei der Mehrheit der Konsumenten Akzeptanz finden wird (McKinsey&Company 2015b, S. 37). Automobilhersteller werden laut McKinsey in die Modernisierung und Vereinfachung ihrer Softwarearchitektur investieren müssen. Ob sich diese Investitionen letzten Endes lohnen bzw. ob ein konkurrenzfähiger Softwarestandard entwickelt werden kann, ist ungewiss. Das Interesse ein eigenes Auto zu besitzen, sinkt in städtischen Gebieten. Mobilitätskonzepte wie Car-Sharing und Services wie Uber gewinnen immer mehr an Einfluss. Neue Wettbewerber Zu besonderen Wettbewerbern für die Automobilhersteller können sich Unternehmen wie Apple und Google entwickeln. Während Apple ca. 10 Mrd. US$ in das „iCar“ investiert hat, arbeitet Google an einem Betriebssystem für autonome Fahrzeuge (PWC 2016, S. 11). Beide Unternehmen drängen damit schon heute ansatzweise, vermutlich aber spätestens in den nächsten Jahren sehr massiv, in den Automobilmarkt. Unterschiedliche Produktzyklen der Automobilhersteller und Technologieunternehmen Die Produktzyklen der Automobilhersteller und Technologieunternehmen unterscheiden sich enorm. Durchschnittliche Autos haben einen Lebenszyklus von
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fünf bis sieben Jahren, dagegen aktualisieren Technologieunternehmen wie Apple oder Google ihre Betriebssysteme häufig in Abständen von wenigen Wochen, um neue Produktmerkmale zu realisieren oder Fehler und Systemschwächen zu beheben (McKinsey&Company 2015b, S. 35).
Um weiterhin wettbewerbsfähig zu sein, müssen Automobilhersteller ihre Produktlebenszyklen verkürzen. Over-the-air-updates, die Software aktualisieren und neue Funktionen ermöglichen, sind eine Möglichkeit hierzu.
Connected Cars als Instrument des Customer Relationship Managements Verbindung zu Fahrzeugnutzern Auch wenn die Technik von Connected Cars in Deutschland noch nicht völlig ausgereift ist, stellen sie sowie die verschiedenen Teilbereiche enorme Potenziale und Chancen dar. Vor allem aus Sicht der Anbieter, zu welchen Hersteller, Händler, Vertragswerkstätten, Versicherer und auch Behörden zählen, können Potenziale durch Connected Cars genutzt werden. Die wichtigsten Potenziale entstehen durch neue Möglichkeiten, mit den Fahrzeugnutzern in Verbindung zu treten und komplexe Daten über deren Verhalten sowie über die Fahrzeuge selbst zu erhalten. Customer Relationship Management Das Customer Relationship Management (CRM) profitiert von der Vernetzung der Fahrzeuge im Rahmen von Connected Cars, wodurch sich neue Möglichkeiten und Potenziale für die Anbieter ergeben, vor allem für die Hersteller und Händler aber auch für Werkstätten und Versicherer. Unter CRM ist „die ganzheitliche Bearbeitung der Beziehung eines Unternehmens zu seinen Kunden“ zu verstehen (Helmke et al. 2013, S. 7). Dabei werden alle Funktionen eines Unternehmens, die auf den Kunden ausgerichtet sind, nicht nur separat, sondern integriert als Einheit betrachtet.
Der Grund für die neuen Chancen, Connected Cars als Instrument des CRM zu nutzen, stellen vor allem die großen Datenmengen dar, welche durch vernetztes Fahren entstehen. Diese Kundendaten dienen als Datenbasis für die Ansprache der Kunden, vor allem zu Marketingzwecken (Johanning und Mildner 2015, S. 25). Connected Cars, als Bestandteil des Internet of Things, tragen zum gewaltigen Anwachsen der Daten, Big Data, bei (Zicari 2013, S. 104).
Data Driven Marketing Vor allem Automobilhersteller könnten durch Connected Cars und die verschiedenen darüber bezogenen Daten über die Nutzer und das Fahrzeug selbst profitieren. Auf der Technik-Messe CES in Las Vegas verkündete der Chef des amerikanischen Elektronik-Konzerns und Autozulieferers Harman, dass in der Automobilindustrie „Daten […] die zukünftige Währung in dieser Industrie“ seien „und wer die Kontrolle über das Datenmanagement hat, wird der König sein“ (Computerwoche.de 2016).
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Nach einer Auswertung und Analyse der vorhandenen Big Data mithilfe von Data Mining Methoden werden Informationen über jeden einzelnen Nutzer, wie z. B. über seine Bedürfnisse, über seine Gewohnheiten oder Vorlieben, erlangt (Haufe.de 2016; Stricker et al. 2014, S. 3). Mit diesem Wissen ist es möglich, nachhaltige und direkte Kundenbeziehungen aufzubauen und das Verhalten des Fahrzeugnutzers genauestens zu erkennen. Aus Verhaltensmustern der Nutzer lassen sich exakte Prognosen ableiten. Markenerlebnisse können optimiert und der Kunde in einem 360-Grad Blick betrachtet werden (Stricker et al. 2014, S. 9). Dies dient vor allem dazu, die Kunden im Rahmen des CRM in verschiedene Nutzergruppen bzw. Nutzerprofile einzuteilen und mit diesen dann individuell zu kommunizieren. Individualisierte Botschaften Durch das Sammeln und Analysieren der Daten kann das Potenzial von individualisierter Werbung genutzt werden, um die Kunden anzusprechen und z. B. kundenindividuelle Vorteile durch die Nutzung von vernetzten Fahrzeugen zu vermitteln.
Durch Connected Cars ist auch die Ausspielung von kundenspezifischen und zielpersonenaffinen Botschaften direkt in das Cockpit des Fahrzeugs möglich. Somit erhalten die Fahrzeugnutzer für sie relevante Botschaften zur richtigen Zeit, am richtigen Ort.
After Sales Services Alle Akteure, welche die gewonnenen Daten der Verbraucher durch Connected Cars nutzen, können diese zur Optimierung von After Sales Services nutzen. Durch Daten in Echtzeit, welche in vernetzten Fahrzeugen übermittelt werden, „wird eine vorausschauende, individuell angepasste Wartungsstrategie für jeden Kunden möglich“ (Stricker et al. 2014, S. 9). Das Fahrzeug könnte abgestimmt mit dem Terminkalender im Smartphone des Fahrers einen Wartungstermin vorschlagen und bei der Werkstatt buchen. Auch können optimierte After Sales Services zu einer Reduzierung von kognitiven Dissonanzen, welche womöglich bei den Nutzern entstehen, eingesetzt werden. Kognitive Dissonanzen entstehen besonders dann, wenn der Kunde ein Produkt erworben hat und dieses dann nicht mit den eigenen Werten oder Erwartungen übereinstimmt (Blum 2014, S. 190). Durch die Vernetzung des Fahrzeugs wird der Kunde in jeglichen Situationen nach Kauf des Automobils betreut und unterstützt. Somit ist es möglich, kognitiven Dissonanzen entgegenzusteuern und diese zu reduzieren.
Connected Cars können zu einer neuen Art der Interaktion zwischen dem Nutzer des Fahrzeugs und dem Hersteller beitragen und werden in Zukunft einen wertvollen Beitrag zur Entwicklung von neuen Geschäftsmodellen für die Automobilhersteller leisten und neue Möglichkeiten bieten, die eigenen Kunden langfristig an das eigene Unternehmen bzw. die Marke zu binden.
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Sonstige Potenziale Neben den neuen Möglichkeiten von Connected Cars als Instrument des Kundenbeziehungsmanagements, welche sich hauptsächlich auf die Automobilhersteller beziehen, ergeben sich auch weitere Potenziale aus Sicht der Anbieter. Hersteller Für Automobilhersteller bieten Connected Cars neben den beschriebenen noch weitere Möglichkeiten und Potenziale. Sollte es zu einer höheren Nachfrage der Verbraucher nach vernetzten Fahrzeugen kommen, werden für Hersteller, die Fahrzeuge mit Connected-Cars-Funktionen anbieten, Wettbewerbsvorteile entstehen. Auch die Markenbindung kann durch das Anbieten eines vielfältigen Markenerlebnisses gestärkt werden. Dabei ist es möglich, dass eine integrative Bedienung der Dienste sowie Apps im Fahrzeug das Markenerlebnis positiv beeinflussen, womit ein USP (Unique Selling Point) vermittelt wird (McKinsey&Company 2015c). Als weiteres Potenzial ist eine geeignete Big-Data-Strategie zu nennen, welche sich an der gesamten Wertschöpfungskette der Hersteller orientiert. Durch genaue Kenntnis der Kunden und deren Nutzungsdaten werden weitreichende Potenziale ausgeschöpft, welche dann im Wettbewerb vorteilhaft genutzt werden können. Hersteller profitieren außerdem von Upselling Effekten, indem sie durch Connected Cars die Möglichkeit haben, bestehenden Kunden Angebote zur Aufrüstung des eigenen Fahrzeugs mit Konnektivitätsfunktionen anzubieten. Laut einer Studie von McKinsey&Company steigt die Nachfrage nach Vernetzungsfunktionen im PKW stark an. So werden Fahrzeuge ohne Internetzugang von vielen Käufern gar nicht mehr in Betracht gezogen (McKinsey&Company 2015c). Händler Die Händler profitieren neben individualisierten Angeboten sowie Cross- und Upselling Möglichkeiten auch von einer einfacheren Handhabung von Gewährleistungsanfragen. Die Koordination und Kontrolle von Leasingfahrzeugen durch Connected Cars ist effizienter, da diese bedarfsorientierter abgewickelt werden können. Vertragswerkstatt Mithilfe von Connected Cars stellen sich Vertragswerkstätten besser auf Kundenanfragen ein. Durch die Übermittlung von Daten in Echtzeit mithilfe vernetzter Fahrzeuge kann frühzeitig berechnet werden, wann ein Termin bei der Werkstatt anstehen wird. Somit ist es für Vertragswerkstätten möglich, schon im Voraus eine bessere Terminplanung vorzunehmen. Außerdem erfolgt eine zeitlich schnellere Bearbeitung von Anfragen, da die Kapazitäten optimal geplant und eingesetzt werden können. Auch die Vertragswerkstatt kann kundenindividuelle Angebote erstellen, wenn auch sie über die Nutzerdaten, welche im Fahrzeug gesammelt werden, verfügt. Über spezielle Dienste oder Apps senden Vertragswerkstätten Empfehlungen für Wartung oder Reparaturen, welchen die Nutzer dann folgen können.
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Versicherer Versicherer haben die Chance ihre Preise dynamisch zu gestalten. Dies geschieht z. B. in Abhängigkeit der Fahrweise, des Fahrzeugzustandes oder der Fahrtgegend des Versicherten. Der Versicherer sowie der Fahrer profitieren dabei von dem Prinzip der adaptiven Versicherungsraten (Versicherungsforen Leipzig 2012, S. 4). Connected Cars bieten außerdem die Möglichkeit einer reibungslosen organisierten Bewältigung von Schäden. Durch ein reibungsloses Schadensmanagement erfolgt die Abwicklung von Schadensfällen wesentlich schneller und effizienter. Darüber hinaus tragen individuelle Versicherungsraten auch zu einer Schadensprävention bei (Versicherungsforen Leipzig 2012, S. 4). Die Senkung von Betrugsfällen könnte auch ein Potenzial durch Connected Cars darstellen, da die Daten durch vernetzte Fahrzeuge direkt und lückenlos an die Versicherer übertragen werden. Behörden Behörden profitieren durch Connected Cars durch eine erhöhte Verkehrssicherheit. Frühzeitige Warnhinweise stellen dabei präventive Maßnahmen dar und tragen zu sicherem Straßenverkehr bei. Kosten können gesenkt werden, da weniger Einsätzen als Folge von Unfällen notwendig werden. Kosteneinsparungen sind auch denkbar, da durch die Vernetzung der Fahrzeuge mit der Verkehrsinfrastruktur Verkehrsinstrumente, wie Straßenschilder, teilweise eingespart werden können. Außerdem kommt es zu einer Minimierung von wirtschaftlichen Schäden, welche durch Staus entstehen, da Connected Cars den Fahrzeugnutzer vor möglichen Staus frühzeitig warnen und es so zu einer geringeren Staubildung kommt. Auch werden bessere und situationsabgestimmte Verkehrsleitführungen für Verkehrsbehörden möglich (Johanning und Mildner 2015, S. 4).
4.2.3 Potenziale für Nutzer Chancen und Risiken für Konsumenten Die Chancen des Connected Car für die Konsumenten finden sich insbesondere in den Bereichen Sicherheit, Effizienz und Komfort. Fahrsicherheit Die Fahrsicherheit wird schon heute beispielsweise durch den Bremsund Spurhalteassistenten erhöht. Durch eine zukünftige Gefahrenwarnung mittels Car-to-X-Kommunikation und weitere Assistenzsysteme können noch mehr gefährliche Verkehrssituationen frühzeitig entschärft werden. Effizienz Die Effizienz der Automobile kann auf verschiedene Weisen mithilfe des Connected Cars verbessert werden. Regelmäßige Softwareupdates könnten so beispielsweise die Motorleistung oder den Kraftstoff- bzw. Stromverbrauch reduzieren. Der Wert des Autos sinkt langsamer, wenn dieses mehr Funktionen als beim ursprünglichen Kauf enthält. Mithilfe der Vernetzung kann der Verkehrsfluss effizienter gestaltet werden. Abgasbelastung
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und Zeitaufwand könnten durch Empfehlungen des intelligenten vernetzten Autos zu optimalen Fahrweisen und -strecken deutlich reduziert werden. Komfort In den Komfortbereich fallen verschiedene Funktionen, die ein Connected Car mit sich bringt. Der Smartphonezugriff im Auto, Real Live Traffic Information, Assistenzsysteme, Infotainment machen das Leben des Fahrers einfacher und sparen Zeit. Das Connected Car ermöglicht dem Kunden, ständig in Kontakt mit dem Hersteller zu stehen, der ihn bei Problemen und Fragen unterstützt. Connected Car Technologien werden für ein personalisiertes Angebot sorgen. Vorteile 60 % der Befragten der Bitkom Studie aus dem Jahr 2018 sagen, selbstfahrende Autos würden eine höhere Sicherheit für Fahrzeuginsassen oder andere Verkehrsteilnehmer bringen, nach der Meinung von 29 % reduzieren sich Unfälle. 43 % rechnen mit einem geringeren Verbrauch, 27 % mit geringeren Umweltbelastungen. Etwa ein Viertel erwartet mehr Zeit für den Fahrer und mehr Fahrkomfort. Nur 27 % können keine Vorteile erkennen, wie die Abb. 4.2 verdeutlicht (Bitkom 2018). Risiken Allerdings haben 68 % Angst vor technischen Problemen, 63 % fürchtet Hackerangriffe und 52 % fürchtet eine unberechtigte Nutzung der anfallenden Daten durch Dritte. Auch die erwarteten Kosten werden als Nachteile gesehen; 42 % befürchtet hohe Kosten für die Infrastruktur, 35 % halten autonome Autos für zu teuer und 37 % wollen sich den Spaß am Selberfahren nicht nehmen lassen (Bitkom 2018).
Abb. 4.2 Vorteile und Risiken von Connected Cars. (Quelle: Mit freundlicher Genehmigung von © Bitkom 2018. All Rights Reserved)
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Zu den Hauptrisiken für Konsumenten zählt, wie schon bei den Automobilherstellern beschrieben, insbesondere der Datenschutz. Cyberattacken beschädigen beim Kunden, anders als beim Hersteller, nicht das Image, sondern können lebensbedrohlich werden, wenn z. B. ein Auto bei voller Fahrt ausgeschaltet wird. Das Gleiche gilt für fehlerhafte Assistenzfunktionen; versagen diese, kann das unter Umständen zu Schäden am Auto bis hin zum Unfalltod (siehe das Tesla-Beispiel) führen. Des Weiteren besteht die Gefahr, dass Autofahrer zu „gläsernen Konsumenten“ werden, wenn jedes Verhalten im Auto, GPS-Daten und beispielsweise Smartphone-Daten aufgezeichnet und ausgewertet werden.
Entwicklungen Akzeptanz bei privaten Nutzern Laut einer Studie der Bitkom aus dem Jahr 2018 wünschen 74 % der Befragten, dass das Auto in bestimmten Situationen (Ein- und Ausparken 65 %, im Stau 54 %) selbstständig fährt. Im fließenden Verkehr (Autobahn 28 %, Landstraße 18 %) wird das autonome Fahren weniger gewünscht, wie die Abb. 4.3 zeigt (Bitkom 2018). Die Nachfrage nach Connected Cars wächst, 13 % der Neuwagenkäufer wollen nicht auf das Internet in ihrem Fahrzeug verzichten (McKinsey&Company 2014, S. 11). Kunden würden sogar eine andere Marke bevorzugen, wenn diese eine bessere Konnektivität bietet. Den Herstellern geht ein entscheidender Wettbewerbsvorteil verloren, wenn sie ihre Fahrzeuge nicht vernetzen.
Abb. 4.3 Akzeptanz für autonome Fahrzeuge. (Quelle: Mit freundlicher Genehmigung von © Bitkom 2018. All Rights Reserved)
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Drei Viertel der befragten Experten einer Studie des Beratungsunternehmens Kienbaum gehen davon aus, dass Fahrzeuge ohne Connectivity nicht mehr nachgefragt werden; in naher Zukunft wird Konnektivität zu einem Hygienefaktor im Fahrzeug (Kienbaum 2016, S. 10). Die Bedeutung von traditionellen Kriterien wie Motorleistung, Verbrauch und Design verliert an Stellenwert (Deloitte 2015, S. 14).
Neue Anbieter Der Trend zu den Connected Cars könnte nach der Bitkom-Studie gravierende Veränderungen für die klassische Automobilindustrie mit sich bringen. Ein Drittel der Befragten, die es sich vorstellen können, ein autonomes Auto zu kaufen, würde dazu einen neuen Autohersteller wie Tesla (30 %) oder ein Digitalunternehmen (3 %) bevorzugen (Bitkom 2018). Die neuen Wettbewerber sind damit für Autokäufer ähnlich attraktiv wie die deutschen Autohersteller (36 %) und liegen deutlich vor den klassischen ausländischen Automobilherstellern (18 %), wie die Abb. 4.4 zeigt. Mobilität in zehn Jahren In den kommenden zehn Jahren werden nach Meinung jedes zweiten Befragten (49 %) klassische Autohersteller deutlich Marktanteile verlieren, das eigene Auto wird kein Statussymbol mehr sein (48 %). In Ballungsräumen wird die Mehrheit der Bevölkerung Car-Sharing und On-Demand-Shuttles nutzen und kein eigenes Auto mehr besitzen (Bitkom 2018). Abb. 4.5 stellt diese Zukunftserwartungen dar.
Abb. 4.4 Bevorzugte Anbieter von autonomen Fahrzeugen. (Quelle: Mit freundlicher Genehmigung von © Bitkom 2018. All Rights Reserved)
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Abb. 4.5 Zukunftserwartungen zur Mobilität. (Quelle: Mit freundlicher Genehmigung von © Bitkom 2018. All Rights Reserved)
Jeder zweite Befragte (50 %) der Bitkom-Studie aus dem Jahr 2018 ist der Meinung, dass vernetzte Mobilität zu deutlich weniger Verkehrsunfällen führen wird (Bitkom 2018). Jeder Vierte (25 %) erwartet sogar, dass es dank dieser neuen Technologien praktisch keine Verkehrstoten mehr geben wird. Energieoptimierte Fahrweise Private Nutzer profitieren zum einen durch eine energieoptimierte Fahrweise. Die Connected-Cars-Lösungen tragen zu einer effizienten Fahrweise bei. Zum Beispiel kann über die aktuelle Reichweite des Fahrzeugs durch Kenntnis des aktuellen Tank-Befüllungsstandes sowie der bisherigen Fahrweise informiert werden (Johanning und Mildner 2015, S. 34). Auch lässt sich der Vorteil von individuellen Versicherungstarifen in Abhängigkeit von der Fahrweise nutzen. Des Weiteren profitieren die Nutzer von einer Zeitersparnis, die beispielsweise durch die Umgehung von frühzeitig an den Fahrer gemeldeten Verkehrsstaus und Behinderungen auf der Fahrtstrecke entsteht. Unfallprävention Connected Cars tragen zur Gefahren- und Unfallprävention bei und stellen so für die Fahrzeuginsassen und andere Verkehrsteilnehmer eine erhöhte Sicherheit im Straßenverkehr dar. Im Rahmen von Predictive Maintenance werden potenzielle Schäden am Fahrzeug mithilfe von Daten in Echtzeit schnell erkannt (Dunning und Friedman 2016, S. 4). Dadurch können Werkstätten rechtzeitig benachrichtigt und aufgesucht werden und somit ein Ausfall des Fahrzeugs oder noch größere Schäden verhindert werden (SAP 2015, S. 4–6).
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Erledigungen von Arbeiten Es wird es für Nutzer möglich sein, sich während der Fahrt auf andere Dinge als die Steuerung des Fahrzeugs zu konzentrieren. Erledigungen von Arbeiten, wie etwa das Lesen und Verfassen von E-Mails, während der Fahrt sind denkbar. Somit würden sich besonders für Berufspendler Vorteile ergeben, welche so den Weg zur Arbeit sinnvoll nutzen können. Darüber hinaus bieten Fahrzeuge, die z. B. mit dem eigenen Smartphone vernetzt sind, die Möglichkeit überall per App auf das Fahrzeug zuzugreifen (Johanning und Mildner 2015, S. 4). Einige Fahrzeuge bieten den Service, das Fahrzeug über das Smartphone von außerhalb in enge Parklücken zu steuern und auch wieder ausparken zu lassen. Eine weitere Chance durch Connected Cars entsteht durch individuelle Multimediaangebote, welche jeder Nutzer nach den eigenen Vorlieben konsumieren kann. Durch die Verbindung mit Fahrzeugdaten können diese noch wertvoller für den Fahrzeugnutzer werden und es wird hierdurch eine Komfortsteigerung wahrgenommen. Geschäftliche Nutzer Geschäftliche Nutzer, wie z. B. Flottenbetreiber, profitieren von Connected Cars wie die privaten Nutzer; die oben genannten Potenziale durch Connected Cars für private Nutzer können auch auf geschäftliche Nutzer übertragen werden. Als zusätzliches Potenzial für geschäftliche Nutzer lässt sich eine Standardisierung des Fahrverhaltens der Nutzer nennen.
Flottenbetreiber können dem Fahrzeug z. B. vorher angeben, wie schnell es fahren soll, um den Spritverbrauch zu reduzieren. Auch lässt sich der gesamte Fuhrpark einfacher koordinieren.
Literatur Bitkom (2018) Autonome Autos: Hoffnung auf mehr Sicherheit und Umweltschutz. https://www. bitkom.org/Presse/Presseinformation/Autonome-Autos-Hoffnung-auf-mehr-Sicherheit-undUmweltschutz.html. Zugegriffen: 19. Apr. 2018 Blum G (2014) Customer Relationship Management (CRM). In: Holland H (Hrsg) Digitales Dialogmarketing: Grundlagen, Strategien, Instrumente. Springer Gabler, Wiesbaden. S 175–223 BVDW (Bundesverband Digitale Wirtschaft) (2016) Connected Cars – Chancen und Risiken für die künftigen Anbieter im Automobilmarkt. http://www.bvdw.org/medien/connectedcars–c hancen-und-risiken-fuer-die-kuenftigen-anbieter-im-automobilmarkt?media=7791. Zugegriffen: 20. Juli 2017 Computerwoche.de (2016) Connected Cars: Der Kampf um die Daten. http://www.computerwoche.de/a/connected-cars-der-kampf-um-die-daten,3221567. Zugegriffen: 22. Apr. 2017 Deloitte (2015) Datenland Deutschland – connected car. https://www2.deloitte.com/content/dam/ Deloitte/de/Documents/manufacturing/150909_DEL-15-5015_Broschüre_DasConnectedCar_ rz_WEB-safe.pdf. Zugegriffen: 20. Juli 2017 Dunning T, Friedman E (2016) Streaming architecture: new designs using Apache Kafka and MapR streams. O’Reilly Media Inc., Sebastopol
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Adoption von Connected Cars
Zusammenfassung
Die Adoption von Connected Cars durch die Endnutzer in Deutschland wird direkt sowie indirekt durch mehrere Dimensionen beeinflusst, welche zum Teil Interdependenzen aufweisen. Hierzu gehören die Dimensionen der Innovationseigenschaften, der persönlichen sowie sozioökonomischen Eigenschaften und der wahrgenommenen Risiken sowie die makroökonomische und politisch-regulatorische Dimension. Innerhalb der Dimension der Innovationseigenschaften wurde festgestellt, dass die Darbietung von relativen Vorteilen eine signifikante Rolle für die Adoption von Connected Cars durch die Endnutzer einnimmt. Daher wurde angenommen, dass die wahrgenommenen Vorteile, die derzeitig in Deutschland über die Konnektivitätsfunktionen im Fahrzeug angeboten werden, nicht ausreichend sind, um die Bildung eines positiven Standpunktes gegenüber Connected Cars zu bewirken. Weiterhin spielt die Interoperabilität aus der makroökonomischen Dimension eine bedeutende Rolle für die Wahrnehmung der relativen Vorteile durch die Endnutzer in Deutschland. Die Errichtung einer einheitlichen Big-Data-Plattform, mit der Fahrzeuge aller Fabrikate verbunden werden und kommunizieren können, wäre ein erster Schritt in Richtung der Realisierung der Interoperabilität. Die Bildung eines positiven Standpunktes gegenüber Connected Cars wird gestärkt, wenn eine Wahrnehmung der Verständlichkeit sowie Übersichtlichkeit der Funktionen gegeben ist. Die reibungslose Funktionalität der Konnektivitätsfunktionen im Fahrzeug entspricht derzeitig nicht vollständig den Erwartungen der Endnutzer in Deutschland. Dies ist durch die fehlende Zusammenarbeit aller beteiligten Akteure zu begründen. Daher wurde eine noch fehlende wahrgenommene Kompatibilität mit den vergangenen Erfahrungen sowie Bedürfnissen angenommen, welche die Entstehung eines positiven Standpunktes gegenüber Connected Cars beeinflusst.
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 H. Holland, Dialogmarketing und Kundenbindung mit Connected Cars, https://doi.org/10.1007/978-3-658-22929-0_5
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5 Adoption von Connected Cars
5.1 Modell zur Untersuchung der Adoption von Innovationen 5.1.1 Innovation Diffusion Theory Kundenperspektive der Adoption Bei der Analyse der Adoption von Innovationen kann zwischen der Adoption durch Individuen bzw. kleine Einheiten eines sozialen Systems einerseits und der Diffusion im gesamten Markt andererseits unterschieden werden. Beide Perspektiven können sowohl aus Sicht der Endkunden – nachfolgend Endnutzer genannt – als auch aus Sicht eines Unternehmens untersucht werden (Schühle 2014, S. 61). Da vorliegendes Buch die Kundenperspektive der Adoption von Connected Cars und somit die Adoption einer Innovation durch Endnutzer fokussiert, wird die aggregierte Marktperspektive hier nicht behandelt. Zur Untersuchung der Adoption von Connected Cars in Deutschland wird im weiteren Verlauf das Modell Innovation Diffusion Theory (IDT) herangezogen. Im Rahmen der IDT definiert Rogers einen vollständigen Prozess für die Adoptionsentscheidung durch Individuen und nutzt einen multidimensionalen Ansatz, um die Einflussfaktoren auf den Adoptionsentscheidungsprozess zu erklären (Rogers 2003, S. 20–23). Demgemäß eignet sich die IDT besonders gut für die Untersuchung der Einflussfaktoren für die Adoption von Connected Cars durch die Endnutzer in Deutschland. Fünfstufiger Adoptionsprozess Rogers stellt den Adoptionsprozess in fünf Stufen dar. Zunächst nimmt der potenzielle Adopter eine Innovation erstmals wahr. Diese Stufe bezeichnet Rogers als die Phase der Kenntnisnahme. Die Kenntnisnahme kann aktiv oder passiv erfolgen und wird durch vergangenen Erfahrungen, Bedürfnisse, Innovationsbereitschaft, Normen des sozialen Systems sowie durch sozioökonomische Eigenschaften, persönliche Faktoren und Kommunikationsverhalten gelenkt. In der nächsten Stufe bildet sich der potenzielle Adopter einen Standpunkt bezüglich der Innovation. Die Merkmale einer Innovation – relativer Vorteil, Kompatibilität, Komplexität, Erprobbarkeit und Beobachtbarkeit – wirken in dieser Stufe signifikant auf den Ausgang des Standpunktes des Endnutzers zur Innovation ein. Das Ergebnis kann die Akzeptanz, Resistenz oder die Aufschiebung der Entscheidung sein. Im Falle der Akzeptanz ist der potenzielle Adopter offen gegenüber weiteren Informationen bezüglich der Innovation. In Stufe drei erfolgt eine Entscheidung des potenziellen Adopters bezüglich der Innovation. Bei einer Akzeptanz in Vorstufe zwei wird meist eine Entscheidung für die Innovation erfolgen, welche dann als Adoption bezeichnet wird. Eine mögliche Entscheidung gegen die Innovation führt zur Abweisung oder zum Aufschub der Adoption. Sofern die Innovation adoptiert wird, erfolgt der Einsatz der Innovation in der nächsten Stufe. Diese Stufe impliziert die Vorbereitung des Erwerbs der Innovation, die praktische Kaufhandlung sowie die tatsächliche Nutzung der Innovation.
5.1 Modell zur Untersuchung der Adoption von Innovationen
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Zahlreiche Adoptoren werden in einer weiteren Stufe über diverse Kanäle nach einer Bekräftigung der Adoptionsentscheidung suchen. Rogers bezeichnet diese Stufe als die Bestätigungsstufe (Rogers 2003, S. 169–171; Binsack 2003, S. 7–8). Abb. 5.1 illustriert den Adoptionsprozess nach Rogers.
5.1.2 Initialer Entwurf eines Modelles zur Untersuchung der Adoption von Connected Cars durch den Endnutzer Teilbereiche der Connected Cars
Um bei der Untersuchung der Adoption von Connected Cars alle relevante Dimensionen zu berücksichtigen, wird die Innovation Diffusion Theory (IDT) als Basismodell genutzt und um fehlende Dimensionen erweitert. Zunächst werden die Teilbereiche der Connected Cars anhand der Dimension Innovationseigenschaften, welche gemäß IDT die Stufe der Kenntnisnahme beeinflussen, überprüft (Rogers 2003, S. 170).
Hagman et al. fanden heraus, dass die Summe aus den wahrgenommenen Anschaffungssowie Betriebskosten (Total Cost of Ownership TCO) eine signifikante Auswirkung auf die Adoption von elektrisch betriebenen Fahrzeugen hat (Hagman et al. 2016, S. 16). Daher wird das Konstrukt TCO zu der Dimension der Innovationseigenschaften hinzugefügt.
• Vergangene Erfahrung • Bedürfnisse/ Probleme • Innovaonsbereitscha • Normen des sozialen
Urteils- und Entscheidungsergebnis
• Relaver Vorteil • Kompabilität • Komplexität
Systems
Passive/Akve Akzeptanz
Urteils- und Entscheidungsergebnis
• Sozioökonomische Eigenschaen • Persönliche Faktoren • Kommunikaonsverhalten
2
1 Kenntnisnahme
Meinungsbildung
Anhaltende Adopon
Adopon
3 Entscheidung
Passive/Akve Resistenz
Ablehnung
Aufschub der Entscheidung
Aufschub der Adopon
• Erprobbarkeit • Beobachtbarkeit • Image
Abb. 5.1 Adoptionsentscheidungsprozess nach Rogers
5
4 Implemenerung
Bestägung
Anhaltende Ablehnung
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5 Adoption von Connected Cars
Abb. 5.2 Initiales Modell zur Untersuchung der Adoption von Connected Cars durch Endnutzer
Weiterhin wird die Dimension der persönlichen Eigenschaften von Rogers in Bezug auf die Teilbereiche der Connected Cars untersucht. Diese beeinflussen laut Innovation Diffusion Theory die Bildung eines positiven Standpunktes gegenüber den Innovationen. Sodann wird die Dimension der wahrgenommenen Risiken untersucht. Gemäß der Forschung von Tanakinjal besteht ein Zusammenhang zwischen den wahrgenommenen Risiken und der Wahrnehmung der Innovationseigenschaften (Tanakinjal 2012, S. 74). Schließlich wird die Auswirkung des technischen Wissens – als ein Faktor der Dimension persönliche Eigenschaften – auf die Wahrnehmung von Risiken in das Modell aufgenommen. Wu und Wang unterstellen in einer Studie über die Adoption von Mobile Commerce in Taiwan den positiven Zusammenhang zwischen technischem Wissen und wahrgenommenen Risiken der Innovation (Wu und Wang 2005, S. 727). Untersuchungsmodell Das resultierende Untersuchungsmodell stellt einen initialen Ansatz für die Beantwortung der eingangs beschriebenen Problemstellung dar. Abb. 5.2 illustriert den Aufbau des initialen Modells zur Untersuchung der Adoption von Connected Cars durch die Endnutzer.
5.1.3 Überprüfung des initialen Modells zur Untersuchung der Adoption von Connected Cars durch die Endnutzer Vorgehensweise
Für die Untersuchung der Adoption von Connected Cars durch die Endnutzer werden gemäß dem Modell zunächst die Innovationseigenschaften relativer Vorteil, Komplexität, Kompatibilität, Erprobbarkeit, Beobachtbarkeit sowie
5.1 Modell zur Untersuchung der Adoption von Innovationen
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TCO überprüft. Es wird angenommen, dass sie auf die Bildung eines Standpunktes gegenüber Connected Cars Einfluss nehmen.
Die Untersuchung erfolgt auf Basis der bereits bestehenden Kenntnisse über die Adoption von Innovationen. Ferner werden die persönlichen Eigenschaften der Adoptoren, welche als Einflussfaktoren auf die Stufe der Kenntnisnahme angenommen werden, in Bezug auf Connected Cars analysiert. Als Grundlage dienen hier ebenso die bestehenden Kenntnisse über die Adoption von Innovationen. Als nächstes werden die wahrgenommenen Risiken bezüglich Connected Cars als angenommene Einflussfaktoren auf die Innovationseigenschaften anhand der bereits bestehenden Kenntnisse untersucht. Schließlich wird der vorgelagerte Faktor technisches Wissen, der als Einflussfaktor auf die Risikowahrnehmung angenommen wird, auf Basis der bereits bestehenden Kenntnisse aus der Adoption von Innovationen untersucht. Als Ergebnis dieser Untersuchung werden für jede Dimension Fragen formuliert, die das Fundament der weiteren Analyse bilden. Innovationseigenschaften Relative Vorteile Das vernetzte Fahren bietet Adoptoren diverse Vorteile. Zunächst senkt das vernetzte Fahren das Unfallrisiko durch die Nutzung der Car-to-Car- und Car-to-Infrastructure-Kommunikation sowie durch die Nutzung der Predictive- Maintenance-Technologie und bietet somit den Vorteil einer Gefahrenabwehr (Holland und Zand-Niapour 2018, S. 176). Zusätzlich optimiert das vernetzte Fahren das Fahrverhalten sowie den Verkehrsfluss durch die Kommunikation mit der Infrastruktur und trägt dadurch signifikant zu einer energieoptimierten Fahrt bei. Auch Parking Spot Finder, Online Traffic Data sowie die Nutzung von adaptiven Versicherungsraten (bei entsprechender Fahrweise) können zu einer Kostensenkung beitragen, etwa durch geringeren Treibstoffverbrauch oder niedrigere Versicherungskosten. Des Weiteren gewährt das vernetzte Fahren eine schnellere sowie effizientere Unterstützung bei Störungen am Fahrzeug bzw. bei einem Notfall und erhöht zugleich die Sicherheit der nichtbzw. leichtmotorisierten Verkehrsteilnehmer. Das vernetzte Fahren kann zusätzlich über die Car-to-Home Technologie zu einer Kostenersparnis bezüglich der Heizkosten des Zuhauses führen, indem das Smart Home das herannahende Fahrzeug erkennt und daraufhin das Haus bedarfsgerecht heizt. Tab. 5.1. fasst die Vorteile zusammen (Holland und Zand-Niapour 2017, S. 20–21). Eine Studie des Center of Automotive Research (CAR) in den USA und des Michigan Department of Transportation (MDOT) bestätigt die Vorteile des vernetzten Fahrens für Adoptoren. Im Rahmen dieser Studie nahmen die Probanden nach einer Probefahrt mit einem Connected Car an Fokusgruppen teil und einigten sich insbesondere auf die wahrgenommenen Connected-Car-Vorteile Fußgängerschutz, Fahrer-Komfort, entspanntes Fahren, regelgerechtes Fahrverhalten sowie die Ferndiagnose (CAR & MDOT 2012, S. 18).
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Tab. 5.1 Vorteile des vernetzten Fahrens 1. Senkung des Unfallrisikos 2. Optimierung des Fahrverhaltens und des Verkehrsflusses 3. Energieoptimiertes Fahren durch Kommunikation mit der Infrastruktur 4. Kostensenkung durch Parking Spot Finder, Online Traffic Data und adaptive Versicherungsraten 5. Unterstützung bei Störungen am Fahrzeug oder bei einem Notfall 6. Erhöhung der Sicherheit der nicht- bzw. leicht motorisierten Verkehrsteilnehmer 7. Kostenersparnis bezüglich der Heizkosten des Zuhauses durch die Car-to-Home Technologie
Innerhalb des Teilbereiches Informations- und Entertainmentsysteme kann die Echtzeit-Vernetzung mit den Medien als Vorteil wahrgenommen werden. Darüber hinaus können durch kommerzielle Dienste im Fahrzeug beachtliche Zeitersparnisse durch den Vollzug von Planungen sowie Reservierungen aus dem fahrenden Fahrzeug heraus erreicht werden. Im Rahmen des Teilbereichs assistiertes und automatisiertes Fahren kann der potenzielle Adopter ebenso den Vorteil der Gefahrenabwehr wahrnehmen, da die Fahrzeugsensoren hinsichtlich der Achtsamkeit und Einschätzung dem menschlichen Fahrer praktisch überlegen sind (Techtimes.com 2015). Ferner können sich Fahrer der Fahrzeuge aus den Automatisierungsstufen vier oder fünf während der Fahrtzeit auf andere Tätigkeiten als das Fahren fokussieren und somit die Gesamteffizienz des täglichen Lebens steigern. Eine Studie des Beratungsunternehmens PWC zeigt am Beispiel des US-amerikanischen Marktes, wie der Einsatz von autonom fahrenden Fahrzeugen aus den Stufen vier oder fünf die Zahl der Unfälle in Stausituationen, den verbrauchten Kraftstoff durch den Stau sowie die generelle Anzahl der Fahrzeuge auf den Straßen signifikant senken kann (PWC 2013, S. 1). Entsprechend kann Frage F1 in der Tab. 5.2 formuliert werden. Komplexität Da die Anzahl der Systemkomponenten bzw. Anwendungsgebiete von Connected Cars zunehmend steigt, kann ebenso eine steigende Komplexität aller entsprechenden Teilbereiche angenommen werden (Clement 2000, S. 67). Das Ergebnis einer Fokusgruppe durch das Beratungsunternehmen SBD Automotive im Teilbereich Informations- und Entertainmentsysteme in Fahrzeugen zeigt, dass Endnutzer die angenommene Komplexität in Connected Cars ebenso wahrnehmen (Sbdautomotive.com o. J.). Ferner haben Studien die negative Korrelation zwischen der wahrgenommenen Komplexität einer Innovation und der Adoptionswahrscheinlichkeit belegt (Tornatzky und Klein 1982, S. 36). Demgemäß kann im Umkehrschluss die in Tab. 5.2 als F2 bezeichnete Frage formuliert werden.
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Tab. 5.2 Abgeleitete Fragen zur Untersuchung der Adoption von Connected Cars durch Endnutzer Innovationseigenschaften F1
Erhöhen die wahrgenommenen relativen Vorteile die Wahrscheinlichkeit der Bildung eines positiven Standpunktes gegenüber den betroffenen Teilbereichen der Connected Cars durch die Endnutzer und beeinflussen somit die Adoption positiv? Persönliche Eigenschaften
F2
Erhöht die wahrgenommene Leichtigkeit der Nutzung (Ease of use) die Wahrscheinlichkeit der Bildung eines positiven Standpunktes gegenüber den betroffenen Teilbereichen der Connected Cars und beeinflusst somit die Adoption positiv?
F3
Erhöht die wahrgenommene Kompatibilität mit früheren Erfahrungen sowie Bedürfnisse der Endnutzer die Wahrscheinlichkeit der Bildung eines positiven Standpunktes gegenüber den betroffenen Teilbereichen der Connected Cars und beeinflusst somit die Adoption positiv?
F4
Erhöht die Möglichkeit die Teilbereiche der Connected Cars zu erproben die Wahrscheinlichkeit der Bildung eines positiven Standpunktes gegenüber den betroffenen Teilbereichen der Connected Cars und beeinflusst somit die Adoption positiv?
F5
Erhöht die Beobachtbarkeit der Ergebnisse durch die Nutzung von Teilbereichen der Connected Cars die Wahrscheinlichkeit der Bildung eines positiven Standpunktes gegenüber den betroffenen Teilbereichen der Connected Cars und beeinflusst somit die Adoption positiv?
F6
Steht die Wahrnehmung einer relativ hohen TCO von allen bzw. einzelnen Teilbereiche der Connected Car in einem negativen Zusammenhang zur Bildung eines positiven Standpunktes gegenüber den betroffenen Teilbereichen der Connected Cars?
F7
Tendieren männliche Endnutzer stärker dazu, alle oder einzelne Teilbereiche der Connected Cars zur Kenntnis zu nehmen und sie somit mit einer höheren Wahrscheinlichkeit zu adoptieren?
F8
Tendieren Endnutzer zwischen 40 und 50 Jahren stärker dazu, alle oder einzelne Teilbereiche der Connected Cars zur Kenntnis zu nehmen und sie somit mit einer höheren Wahrscheinlichkeit zu adoptieren?
F9
Tendieren Endnutzer mit hohem Einkommen mehr dazu, alle oder einzelne Teilbereiche der Connected Cars zur Kenntnis zu nehmen und sie somit mit einer höheren Wahrscheinlichkeit zu adoptieren?
F10 Tendieren Endnutzer mit hohem Bildungsabschluss mehr dazu, alle oder einzelne Teilbereiche der Connected Cars zur Kenntnis zu nehmen und sie somit mit einer höheren Wahrscheinlichkeit zu adoptieren? F11 Tendieren Endnutzer mit einem hohen sozioökonomischen Status mehr dazu, alle oder einzelne Teilbereiche der Connected Cars zu Kenntnis zur nehmen und sie somit mit einer höheren Wahrscheinlichkeit zu adoptieren? Risiken F12 Besitzen die wahrgenommenen funktionalen Risiken eine negative Korrelation mit der Wahrnehmung der Innovationseigenschaften der betroffenen Teilbereiche der Connected Cars? (Fortsetzung)
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5 Adoption von Connected Cars
Tab. 5.2 (Fortsetzung) F13 Besitzen die wahrgenommenen physischen Risiken eine negative Korrelation mit der Wahrnehmung der Innovationseigenschaften der betroffenen Teilbereiche der Connected Cars? F14 Besitzen die wahrgenommenen finanziellen Risiken eine negative Korrelation mit der Wahrnehmung der Innovationseigenschaften der betroffenen Teilbereiche der Connected Cars? F15 Besitzen die wahrgenommenen Zeitrisiken eine negative Korrelation mit der Wahrnehmung der Innovationseigenschaften der betroffenen Teilbereiche der Connected Cars? Technisches Wissen F16 Hat das technische Wissen des Endnutzers einen positiven Effekt auf die Wahrnehmung der funktionalen, physischen, finanziellen sowie Zeitrisiken bezüglich der Adoption der betroffenen Teilbereiche von Connected Cars?
Kompatibilität Eine Studie des Automobilzulieferers Continental belegt das vorhandene Bedürfnis der deutschen Endnutzer, die Vorteile aus dem Teilbereich assistiertes und automatisiertes Fahren in nahezu allen Fahrsituationen zu nutzen (Continental.de 2013). Eine Studie des Bundesverbands Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom) zeigt allerdings, dass die Mehrheit der deutschen Endnutzer das assistierte sowie automatisierte Fahren lediglich beim Einparken und in Stausituationen in Anspruch nehmen würde. Die gleiche Studie belegt außerdem, dass die Mehrheit der Deutschen sich für eine Investition des Staates in das vernetzte Fahren, insbesondere im Thema Car-to-Infrastructure Technologie, ausspricht. Bezüglich des Teilbereichs vernetztes Fahren ist die Mehrheit der Deutschen sogar bereit, einer zweckgebundenen Speicherung und Verarbeitung von Fahrzeugdaten zuzustimmen (Bitkom 2015, S. 6 ff.). Eine Studie der Beratungsgruppe Goldmedia wiederum zeigt, dass das Streamen von Musik im Fahrzeug einen beachtlichen Zuspruch in Deutschland findet (Goldmedia 2016, S. 7). Der Zusammenhang zwischen der wahrgenommenen Übereinstimmung von Innovationen mit der vergangenen Erfahrung sowie vorhandenen Bedürfnissen und Werten der Endnutzer wurde ebenso durch Studien belegt (Karahanna et al. 2006, S. 797 ff.). Demgemäß kann Frage F3 formuliert werden. Erprobbarkeit Endnutzer in Deutschland können schon heute manche Anwendungsgebiete der Teilbereiche vernetztes Fahren sowie assistiertes und automatisiertes Fahren und viele Anwendungsgebiete des Teilbereiches Informations- und Entertainmentsysteme bei Probefahrten kennenlernen. Die Crash Avoidance Metrics Partnership (CAMP) aus den Vereinigten Staaten hat eine Testreihe durchgeführt, bei der reguläre Endnutzer in sechs verschiedenen Städten der
5.1 Modell zur Untersuchung der Adoption von Innovationen
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USA und unter normalen Bedingungen die Connected Cars Technologie testen k onnten (CAR & MDOT 2012, S. 12). Auch belegt die Literatur den positiven Zusammenhang zwischen der Wahrnehmung der Erprobbarkeit von Innovationen und deren Adoption durch die Endnutzer (Tanakinjal et al. 2010, S. 40; Tan und Eze 2008, S. 2 f.). Demgemäß kann Frage F4 formuliert werden. Beobachtbarkeit Die Veränderungen durch die Nutzung des Connected Car-Teilbereiches vernetztes Fahren sind leicht und unmittelbar ersichtlich. Gemäß der Studie durch CAR & MDOT haben Probanden unmittelbar nach Testfahrten mit Connected Cars die beobachteten Vorteile Fußgängerschutz, Fahrer Komfort, entspanntes Fahren, regelrechtes Fahrverhalten sowie Ferndiagnose aufgezählt (CAR & MDOT 2012, S. 18). Zur Beobachtbarkeit der Ergebnisse aus den Teilbereichen Informations- und Entertainmentsysteme und assistiertes und automatisiertes Fahren existieren bislang keine Studien. Dadurch, dass das Informations- und Entertainmentsystem die Schnittstelle zwischen dem Fahrzeug und dem Fahrer darstellt, ist allerdings eine Beobachtbarkeit der Vorteile aus diesem Teilbereich anzunehmen. Ebenso sind die Ergebnisse assistierten und automatisierten Fahrens für den Fahrer unmittelbar spürbar, insbesondere durch den Vergleich mit Fahrzeugen ohne assistierende und automatisierte Fahreigenschaften, wodurch eine hohe Beobachtbarkeit anzunehmen ist. Es existieren zudem Studien, die einen positiven Zusammenhang zwischen der Beobachtbarkeit einer Innovation und deren Adoption aufzeigen (Wang et al. 2011, S. 446). Somit kann Frage F5 in Tab. 5.2 formuliert werden. Total Cost of Ownership Ein bedeutendes Kriterium beim Kauf eines Fahrzeuges ist der Kaufpreis. Allerdings berücksichtigen Käufer auch die laufenden Kosten beim Betrieb des Fahrzeuges. Beispielsweise erwarben viele Kunden Dieselfahrzeuge vor dem „Dieselskandal“ trotz des relativ höheren Anschaffungspreises, um jedoch beim Betrieb des Fahrzeuges eine Kostenentlastung zu erfahren. Diese ganzheitliche Betrachtung der Kosten wird als Total Cost of Ownership, TCO, bezeichnet. Demgemäß entspricht die TCO der Summe der Anschaffungs-, Betriebs- und Entsorgungskosten eines Fahrzeugs für die gesamte Haltungsdauer. Die Entsorgung eines Fahrzeugs kann dem Wiederverkauf auf dem Gebrauchtwagenmarkt entsprechen. Die wahrgenommene TCO spielt somit eine bedeutende Rolle bei der Akzeptanz von Fahrzeugkonzepten. Die C2C-CC bemüht sich um die Ermöglichung der kostenlosen Nutzung der Car-toCar sowie Car-to-Infrastructure-Technologie (Car-2-Car.org o. J.). Die Nutzung bestimmter Anwendungsgebiete der Connected Cars wird jedoch zusätzliche Kosten für den Nutzer bedeuten. Beispielsweise bietet VW bestimmte Connected- Car-Dienste aus dem Teilbereich vernetztes Fahren wie Parking Spot Finder, Online Traffic Data sowie Anwendungsgebiete aus dem Teilbereich Informations- und Entertainmentsysteme unter dem Namen „Car-Net“ für 79 EUR pro Jahr nach einer 3 6-monatigen
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kostenlosen Nutzung durch den Erstbesitzer an. Hinzu kommen die Kosten eines Mobilfunkbetreibers, da Connected Cars einen Internetzugang benötigen (Volkswagen-commercial-vehicles-carnet.com o. J.). Dass die TCO-Wahrnehmung die Adoption von elektrischen Fahrzeugen beeinflusst, wurde bereits belegt (Hagman et al. 2016, S. 16). Demgemäß kann Frage F6 formuliert werden. Persönliche Eigenschaften Frühe Adoptoren als Meinungsführer Basierend auf den Adoptorengruppen Innovatoren, frühe Adoptoren, frühe Mehrheit, späte Mehrheit sowie Nachzügler nach Rogers, kann eine Annahme über bestimmte Eigenschaften der Endnutzer getroffen werden, die für die Adoption aller Teilbereiche von Connected Cars relevant sind. Da die Gruppe der frühen Adoptoren in einem sozialen Gefüge als Meinungsführer wahrgenommen werden und somit eine wegweisende Funktion besitzen, wird hier auf die Eruierung der Eigenschaften dieser Gruppe bezüglich der Adoption von Connected Cars fokussiert. Eine Studie des Fraunhofer Instituts aus dem Jahre 2012 zeigt, dass es sich bei der Gruppe der frühen Adoptoren bei Elektrofahrzeugen um umweltbewusste Männer mittleren Alters (40 bis 50 Jahre), vorwiegend aus einem technischen Berufsumfeld, eher aus Vororten oder ländlichen Gebieten, häufig Familienväter mit hohem Bildungsstand sowie im Besitz mehrerer Fahrzeuge handelt. Die Kaufentscheidung bei dieser Adoptorengruppe basiert auf Fahrspaß, Individualität sowie umweltfreundlichem Fahren (Frauenhofer Institut 2012, S. 37). Diese Eigenschaften stimmen weitgehend mit den von Rogers genannten Eigenschaften für die frühen Adoptoren überein. Elektrofahrzeuge und Connected Cars Für Elektrofahrzeuge, die ebenso wie Connected Cars im Allgemeinen auf Konnektivität angewiesen sind, um mit der derzeit noch beschränkten Reichweite die Alltagsaufgaben eines Fahrzeugs bewältigen zu können, bieten Elektrofahrzeughersteller wie Nissan oder Tesla bereits jetzt ein umfangreiches Paket an Konnektivitätsdienstleistungen an (Telefonica 2013, S. 16). Somit besteht eine Abhängigkeit der Elektrofahrzeuge von Konnektivitätstechnologien im Fahrzeug. Innovative Technologien werden im Fahrzeug in der Regel über einen Top-Down- Ansatz eingeführt. Dies bedeutet, dass zunächst Fahrzeuge der Oberklasse mit der modernsten Technologie ausgestattet werden, insbesondere da die Käufer in diesem Segment, als Early Adopters, über die Zahlungsbereitschaft für Innovationen im Fahrzeug verfügen (Matheus und Königseder 2014, S. 56). Wie ein Beispiel der Zielgruppe für das Oberklasse-Modell von Volkswagen, den SUV Touareg, zeigt, stimmen die soziodemografischen Merkmale der Käufer dieses Fahrzeugmodells weitestgehend mit den Eigenschaften der Käufer von Elektrofahrzeugen überein. Die Zielgruppe hierbei sind ebenso Männer, die im Durchschnitt 45 Jahre alt sind, einen hohen Bildungsabschluss sowie ein hohes Einkommen besitzen (Grabarz & Partner Werbeagentur 2004, S. 48).
5.1 Modell zur Untersuchung der Adoption von Innovationen
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Entsprechend der Abhängigkeit der Elektrofahrzeugen von Konnektivitätsfunktionen sowie auf Basis der Zielgruppenmerkmale für Fahrzeuge aus der Oberklasse, in denen innovative Technologien in der Regel initial angeboten werden, sollen hier vergleichbare persönliche Eigenschaften der Adopter der Connected Cars-Teilbereiche und der Käufer von Elektrofahrzeugen bzw. Fahrzeugen aus der Oberklasse angenommen werden. Demgemäß können die Fragen F7 bis F11 (Tab. 5.2) formuliert werden. Wahrgenommene Risiken Risiken: funktionale, physische, finanzielle, soziale, psychologische, Zeitrisiko Schiffman et al. definieren das wahrgenommene Risiko als eine Unsicherheit, die Kunden entwickeln, sobald die Konsequenzen aus dem Kauf eines Produktes für sie nicht klar vorhersehbar sind. Des Weiteren unterteilen Schiffman et al. das wahrgenommene Risiko in die Typen funktionales, physisches, finanzielles, soziales und psychologisches Risiko sowie das Zeitrisiko. Bei dem funktionalen Risiko handelt es sich um eine unzureichende Leistung einer Innovation im Vergleich zu der erwarteten Leistung seitens des Kunden. Das physische Risiko umfasst das Risiko, dass von einer Innovation Gefahren ausgehen können, die physische Schäden bei dem Adopter hinterlassen. Die wahrgenommene Unsicherheit bezüglich des Preis-Leistungs-Verhältnisses einer Innovation stellt das finanzielle Risiko dar. Bei dem sozialen Risiko handelt es sich um das Risiko, dass die Adoption einer Innovation zu einer sozialen Abwertung des Adopters führt. Das psychologische Risiko liegt in der Möglichkeit, dass die Adoption einer Innovation zur Schädigung des Selbstwertgefühls des Adopters führt. Die Entscheidung für die Adoption von Innovationen kann einen großen Aufwand (Recherche, Verkaufsgespräche, etc.) für den Adopter bedeuten. Diese zeitliche Investition der Adopter stellt das Zeitrisiko dar, da die adoptierte Innovation trotz der zeitlichen Investition in deren Erforschung eine unzureichende Leistung aufweisen könnte (Schiffman et al. 2013, S. 186). Die noch zum Teil technisch unreife Funktionalität der Connected-Car-Technologie, insbesondere im Teilbereich assistiertes und automatisiertes Fahren, kann als ein funktionales Risiko eingestuft werden (Technologyreview.com 2016). Des Weiteren stellt die existierende Möglichkeit, ein Connected Car über Cyber- Attacken aus der Ferne kontrollieren zu können, ein physisches Risiko dar (Hsu et al. 2015, S. 90 f.). Die unklare Gesetzeslage bei rechtlich relevanten Haftungssituationen ist als finanzielles Risiko einzustufen (Johanning und Mildner 2015, S. 72 f.). Ebenso stellen die zum Teil unklaren Datenschutzregelungen bei Connected Cars ein finanzielles Risiko dar. Extensive Kaufentscheidung Da der Kauf eines Fahrzeuges im Allgemeinen zum Typ der extensiven Kaufentscheidungen gezählt werden kann, wird der Adopter im Kaufentscheidungsprozess viel Zeit in die Phasen der Informationssuche sowie Alternativsuche investieren. Demgemäß besteht hierbei ebenso ein Zeitrisiko. Die Implementierung
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5 Adoption von Connected Cars
der Connected Car-Technologien wird i. d. R. zunächst in den Fahrzeugen der hochpreisigen Oberklasse (Premiumklasse) stattfinden (Proff 2015, S. 617). Daher kann über den Erwerb und die Nutzung eines Connected Cars ebenso die Erlangung bzw. Wahrnehmung von sozialem Status angenommen werden. Connected Cars zielen auf die Erhöhung der Verkehrssicherheit und Verkehrseffizienz sowie auf die Reduzierung von Emissionen ab (Technologiestiftung Berlin 2016, S. 8). Demgemäß kann bei der Adoption von Connected Cars kein psychologisches oder soziales Risiko angenommen werden. Die Literatur belegt die negative Auswirkung der wahrgenommenen Risiken auf die Adoption von Innovationen bzw. die negativen Korrelation der wahrgenommenen Risiken mit der Wahrnehmung der Innovationsmerkmale aus der Dimension Innovationseigenschaften (Farzianpour et al. 2014, S. 55; Tanakinjal 2012, S. 74). Aus diesem Grund können an dieser Stelle die Fragen F12 bis F15 formuliert werden. Technisches Wissen Um eine technisch komplexe Innovation angemessen nutzen bzw. um die Eigenschaften entsprechend wahrnehmen zu können, muss ein Endnutzer über ein bestimmtes Maß an technischem Wissen verfügen (Rogers 2003, S. 173). Da auch die Literatur einen positiven Zusammenhang zwischen dem technischen Wissen und die wahrgenommenen Risiken unterstellt, kann Frage F16 formuliert werden (Wu und Wang 2005, S. 727). Tab. 5.2 fasst die Fragen aus diesem Kapitel zusammen. Die identifizierten Fragen aus diesem Kapitel werden im weiteren Verlauf genutzt, um die Gültigkeit des initialen Modells zur Untersuchung der Adoption von Connected Cars durch die Endnutzer zu prüfen sowie dieses basierend auf den entstehenden Hypothesen weiterzuentwickeln.
5.2 Forschungsdesign und -ergebnisse 5.2.1 Qualitative Erhebung Da das Gebiet der Adoption der Connected Cars durch die Endnutzer bislang kaum untersucht wurde, wird hier eine qualitative Vorgehensweise genutzt. Insbesondere durch den explorativen, interaktiven sowie flexiblen Charakter der qualitativen Untersuchung sollen neue Kenntnisse gewonnen werden sowie Hypothesen über Zusammenhänge bei der Adoption von Connected Cars durch die Endnutzer gebildet werden.
Für die Datenerhebung wird das Interview mit Experten als geeignete Methode gewählt, um durch die Erlangung von spezifischem Wissen Aussagen bzw. Hypothesen bezüglich der Adoption von Connected Cars durch die Endnutzer in Deutschland generieren zu können.
Elf Experteninterviews Da die bereits abgeleiteten Fragen aus der Literatur als Basis für das Interview dienen können, wird die Methode des Leitfadeninterviews Problemzentriertes Interview (PZI)
5.2 Forschungsdesign und -ergebnisse
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gewählt. Bei den befragten Personen handelt es sich um elf sachkundige Experten aus den Bereichen Fahrzeug-IT (E2, E11), Einführung von IT-Innovationen in Organisationen (E1, E3, E4, E5, E6, E7, E8, E9) sowie Humanpsychologie (E10).
5.2.2 Einflussfaktoren Dimension Innovationseigenschaften Im Rahmen der Problemzentriertes Interviews (PZI) konnten fünf Dimensionen identifiziert werden, die bei der Adoption von Connected Cars durch die Endnutzer in Deutschland eine Rolle spielen. Folgende Experten-Aussagen erhärten die obige Aussage bezüglich der Dimension der Innovationseigenschaften. • E1: „Die neuen Fahrzeuge haben ein oder zwei neue Features, machen allerdings, was sie schon immer getan haben.“ • E11: „BMW hat da ein bisschen was, aber nicht so, dass man sich das Auto kauft, weil das vor allem Connected-Features anbietet. Der Hebel ist, Dienste anzubieten, die den Leuten im täglichen Umgang mit dem Fahrzeug helfen.“ Innerhalb der Dimension der Innovationseigenschaften konnten im Rahmen der Interviews einige adoptionsrelevante Faktoren identifiziert werden. Hierbei ist der Faktor Mehrwert für den Endnutzer hervorzuheben, welcher ebenso die Frage F1 bestätigt. Nahezu alle Experten haben diesen Faktor angesprochen und dessen Fehlen für die niedrige Adoption durch die Endnutzer in Deutschland verantwortlich gemacht. • E2: „Der Hauptgrund ist, dass es zu wenige Funktionalitäten gibt, die in einem einzu-eins-Verhältnis für den Nutzer einen Mehrwert darstellen.“ • E7: „Das Thema ist hier erst einmal der Nutzen. Für viele deutsche Autofahrer ist kein Nutzen erkennbar.“ Der fehlende Mehrwert hängt auch häufig damit zusammen, dass einige Konnektivitätsfunktionen aus dem Fahrzeug bereits über das Smartphone der Endnutzer, zum Teil kostenpflichtig, genutzt werden. Somit fehlt es an der Bereitschaft, redundante Dienste im Fahrzeug zu adoptieren und gar hierfür zusätzlich zu bezahlen. • E3: „Echtzeitnavigation bekomme ich ja auch über Google. Auch einen freien Parkplatz kann ich über eine App und über das Telefon bekommen. Dazu brauche ich ja fast die Konnektivität vom Fahrzeug nicht mehr.“ • E4: „Hinzu kommt ja auch das Thema, dass viele Dinge redundant sind. Z. B. bei dem Thema Entertainment im Auto, da hast Du auf der anderen Seite ein Smartphone, für das Du bereits bezahlst. Auch wenn nicht integriert im Auto, du zahlst für dieselben Leistungen im selben Kontext ja auch Geld.“
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5 Adoption von Connected Cars
Eine weitere Erkenntnis im Zusammenhang mit dem fehlenden Mehrwert ist, dass die relevanten Akteure der Prozesskette, wie beispielsweise die Fahrzeughersteller, aber auch die Versicherungen, Werkstätten, Mobilnetzanbieter etc., bereits über diverse Ideen für Anwendungsgebiete von Connected Cars verfügen, die für sie selbst einen Mehrwert darstellen. Es wird jedoch erst im zweiten Schritt versucht, daraus einen Mehrwert für die Endnutzer abzuleiten. Daher besteht ein häufig asymmetrischer Zustand der Nutzenverhältnisse in Deutschland. • E9: „Wohingegen der Mehrwert für den Automobilhersteller aber hoch ist. Weil diese durch Dienste wie z. B. Predective Maintenance die Kunden dazu bewegen wollen die eigene Werkstätte zu besuchen, um das Thema After Sales voranzutreiben. Das ist der eigentliche Mehrwert, der momentan dahintersteckt, weil die KFZ-Hersteller mehr Geld verdienen wollen. Der Mehrwert für den Endnutzer steht leider noch hintendran. Der Mehrwert für den Endnutzer gehört hier aber nach vorne. „Customer first!“ und nicht VW will mehr Geld verdienen.“ Die technische Reife der Connected Cars stellt einen weiteren Faktor innerhalb der Dimension Innovationseigenschaften dar. Die bereits existierenden Anwendungsgebiete für Connected Cars für die Endnutzer in Deutschland haben derzeit noch nicht den technischen Reifegrad, der von dem Endnutzer zwecks Adoption erwartet wird. Solides Ingenieurswesen und technischer Perfektionismus hat in Deutschland eine lange Tradition. Demgemäß wird eine fehlerhafte Funktionalität der Konnektivitätsfunktionen im Fahrzeug den deutschen Endnutzer in eine Situation der kognitiven Dissonanz führen. In dieser Situation kann es gar zur Rücknahme der Adoptionsentscheidung kommen, welche die Verbreitung der Technologie unter den Endnutzern signifikant negativ beeinflussen wird (Göbel 2009, S. 18 f.). Diese Erkenntnis bestätigt somit Frage F3, da die fehlerfreie Funktionalität der Konnektivitätsdienste im Fahrzeug eine Kompatibilität mit den früheren Erfahrungen des Endnutzers in Deutschland darstellt. Diese Feststellung hängt jedoch auch mit dem Faktor funktionales Risiko zusammen und affirmiert daher ebenso Frage F12. Sowohl Frage F3 als auch Frage F12 wurden zugleich von der Mehrheit der Experten bestätigt. • E2: „Das liegt auch daran, dass die Erwartungshaltung ist, dass das Thema rund läuft und dass die Prozesse geschlossen sind. Sie sind aber größtenteils nicht geschlossen.“ • E5: „…und das muss natürlich reliable sein. Wenn es nicht immer funktioniert oder anfällig ist -was ja heutzutage für fast alle Produkte in den Internetforen diskutiert wird- dann kann so eine Technologie auch ganz schnell aus meiner Sicht sterben.“ Die Wahrnehmung der fehlenden technischen Reife bei den Connected Cars hängt mit der Wahrnehmung von physischen Risiken (F13) für die Endnutzer zusammen. Dies
5.2 Forschungsdesign und -ergebnisse
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schließt das Thema Cybersicherheit mit ein, das von den Endnutzern als ein physisches Risiko wahrgenommen wird und das derzeit seitens der Automobilhersteller weniger Beachtung findet. • E2: „Manche Menschen haben einfach Angst, dass ein Connected Car ihnen Stress bereiten wird, weil sie damit irgendwann gegen die Wand fahren könnten.“ • E6: „Ich behaupte, dass die OEMs ihre Autos sehr gut im Griff haben aber nicht das Thema Cyber Security. Erst kürzlich wurde wieder ein Video veröffentlicht, in dem gezeigt wird, wie zwei Hacker mit voller Absicht aber auch abgestimmt mit dem Fahrer, dem Fahrer die Kontrolle über das fahrende Auto entzogen und das Auto auf dem Highway gestoppt haben.“ • E10: „Ein anderes Thema ist aber auch die Sicherheit. Ich hätte beispielsweise schon gerne demnächst ein Fahrzeug, was mich selbstständig kutschiert. Ich würde allerdings auch gerne lebendig ankommen.“ Die Mehrheit der Experten bestätigte somit auch Frage F13. Des Weiteren konnte im Rahmen der Beantwortung der Ad-hoc-Fragen durch die Experten den Faktoren Leichtigkeit der Nutzung (Frage F2) und die Beobachtbarkeit der Ergebnisse (Frage F5) innerhalb der Dimension Innovationseigenschaften einstimmig zugestimmt werden. Demgemäß können die Fragen F2 und F5 bestätigt werden. Der Faktor Erprobbarkeit (Frage F4) konnte ebenso als adoptionsfördernd identifiziert werden. Jedoch ist hierbei erforderlich, dass der gesamte Mehrwert der Connected-CarFunktionen während der Erprobung dem Endnutzer vermittelt werden kann. Bezüglich des Einflusses der Total Cost of Ownership (TCO) (Frage F6) auf die Adoptionsentscheidung haben sich die Experten mehrheitlich bejahend ausgesprochen, jedoch gab es zwei Gegenstimmen. Die Mehrheit der zustimmenden Befragten ist allerdings ebenso der Meinung, dass die Akzeptanz der TCO eng mit dem wahrgenommenen Mehrwert zusammenhängt. Demgemäß würde eine als relativ hoch wahrgenommene TCO durch den Endnutzer in Deutschland keinen Einfluss auf seine Adoptionsentscheidung haben, sofern ein verhältnismäßiger Mehrwert gegeben ist. • E9: „Das Thema Kosten muss dem Nutzen gegenüberstehend passend sein. Ich denke, dass die TCO eigentlich gar nicht so wichtig ist, wenn der Mehrwert stimmt.“ • E10: „Außer, die Vorteile der vernetzten Welt wären für mich so positiv, dass ich sie mir nicht mehr wegdenken kann. Dann wäre ich auch bereit die relativ hohe TCO in Kauf zu nehmen.“ Tab. 5.3 fasst die Hypothesen zusammen, die bezüglich der Dimension der Innovations-eigenschaften aufgestellt werden können.
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5 Adoption von Connected Cars
Tab. 5.3 Hypothesen innerhalb der Dimension Innovationseigenschaften Hypothese Formulierung H1
Die wahrgenommenen relativen Vorteile erhöhen die Wahrscheinlichkeit der Bildung eines positiven Standpunktes gegenüber den betroffenen Teilbereichen der Connected Cars durch die Endnutzer und beeinflussen somit die Adoption positiv
H2
Die wahrgenommene Leichtigkeit der Nutzung (Ease of use) erhöht die Wahrscheinlichkeit der Bildung eines positiven Standpunktes gegenüber den betroffenen Teilbereichen der Connected Cars und beeinflusst somit die Adoption positiv
H3
Die wahrgenommene Kompatibilität mit früheren Erfahrungen sowie Bedürfnissen der Endnutzer erhöht die Wahrscheinlichkeit der Bildung eines positiven Standpunktes gegenüber den betroffenen Teilbereichen der Connected Cars und beeinflusst somit die Adoption positiv
H4
Die Möglichkeit, die Teilbereiche der Connected Cars zu erproben, sodass der Mehrwert im Rahmen der Erprobung vollständig vermittelt werden kann, erhöht die Wahrscheinlichkeit der Bildung eines positiven Standpunktes gegenüber den betroffenen Teilbereichen der Connected Cars und beeinflusst somit die Adoption positiv
H5
Die Beobachtbarkeit der Ergebnisse durch die Nutzung der Teilbereiche der Connected Cars erhöht die Wahrscheinlichkeit der Bildung eines positiven Standpunktes gegenüber den betroffenen Teilbereichen der Connected Cars und beeinflusst somit die Adoption positiv
H6
Sofern kein verhältnismäßiger Mehrwert gegeben ist, steht die Wahrnehmung einer relativ hohen TCO von allen bzw. einzelnen Teilbereiche der Connected Cars in einem negativen Zusammenhang zur Bildung eines positiven Standpunktes gegenüber den betroffenen Teilbereichen der Connected Cars
Dimension persönliche bzw. soziokulturelle Eigenschaften Folgende Experten-Aussagen lassen auf die Dimension der persönlichen bzw. soziokulturellen Eigenschaften im Zusammenhang mit der Adoption von Connected Cars durch die Endnutzer in Deutschland schließen. • E3: „In einem hochentwickelten ingenieursgetriebenen Land wie Deutschland wird der Technologie noch nicht getraut.“ • E4: „Kulturell gesehen sind wir in Deutschland sehr vorsichtig. Weil wir auch an der Stelle annehmen, dass Informationen und Daten über mich selbst, über das, was ich mag, was ich nicht mag, öffentlich gemacht wird. Und dass wir an der Stelle von unserer Persönlichkeit her eher einen etwas größeren Schutzwall um uns herum aufbauen als es vielleicht in anderen Kulturen der Fall ist.“ Innerhalb der Dimension der persönlichen sowie soziokulturellen Eigenschaften konnte zunächst der Faktor Kontrolle identifiziert werden. Gemäß der Experten-Aussagen ruft die lange Historie der Nutzung von Fahrzeugen in Deutschland eine ausgeprägte
5.2 Forschungsdesign und -ergebnisse
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Begeisterung für das Ingenieurswesen hervor und führt zu der Insistenz, die Kontrolle über das Produkt der Ingenieurskunst nicht aufgeben zu wollen. • E6: „Das ist auch die Technikverliebtheit, ohne in die Automatisierungstechnik zu gehen. Es geht mehr um Hubraum und Selbstkontrolle. Z. B. bei den Assistenzsystemen gibt man ja die Kontrolle ab.“ • E7: „Der Fahrer eines nicht Connected Car hat alles, was er in dem Fahrzeug macht, in seiner eigenen Verantwortung und teilt das mit niemandem. Ich glaube, daher weht der Wind.“ Die Humanpsychologie kategorisiert das Gefühl der Selbstbestimmung als ein zentrales Bedürfnis der Menschen. Dieses Bedürfnis gilt als befriedigt, wenn der Mensch unabhängig von äußeren Zwängen Entscheidungen treffen und Handlungen ausführen kann (Bednarek 2014, S. 96). Des Weiteren sprachen die Experten im Rahmen der Interviews häufig über die Einstellung der Deutschen gegenüber datenschutzrechtlichen Themen. • E7: „Da werden nämlich personenbezogene Daten an einen Dritten weitergeleitet. Also die Angst, Daten heraus und an jemand anderen zu geben, erweckt das Gefühl, dass hier Daten über einen gesammelt werden und ich gebe jemand anderem damit die Möglichkeit, uneingeschränkt irgendetwas damit zu tun, womit ich nicht einverstanden bin. Das ist eine grundsätzliche Angst, die in Deutschland existiert.“ • E8: „Ein Thema diesbezüglich ist das Thema Datensicherheit. Ich möchte nicht, dass -wer auch immer- diese Daten über mich nutzt.“ Jedoch kann sich ebenso in Deutschland eine stetig zunehmende Aufgeschlossenheit gegenüber der Freigabe von personenbezogenen Daten zeigen, sofern der Endnutzer im Gegenzug einen Mehrwert erhalten kann. • E10: „Ich denke, skeptische Menschen bezüglich Datenschutz gibt es immer, aber wenn die Mehrheit von dem Nutzen der Innovation überzeugt ist, dann sind sie auch keine Skeptiker oder Gegner.“ • E11: „Wobei der Großteil der User sofort bereit wäre, seine Daten freizugeben, wenn er einen Mehrwert im Gegenzug bekommen würde. Dann werden die Bedenken plötzlich weg sein.“ Die gegenwärtige sowie erfolgreiche Einführung von Personendaten sammelnden Innovationen im deutschen Markt bestätigt die oben angegebenen Aussagen der Experten. • E10: „So, wie ich es bisher erlebe, die meisten Menschen, die z. B. WhatsApp nutzen, machen sich auch keine Gedanken darüber, dass der Server in den USA steht. Man genießt eher die Schnelligkeit der Kommunikation und dass man mit seinem Netzwerk verbunden ist.“
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5 Adoption von Connected Cars
Eine Onlinestudie von ARD und ZDF zeigt, dass bereits 64 % der Menschen über 14 Jahre in Deutschland das digitale Kommunikationsmedium WhatsApp benutzen (ARD/ZDF-Onlinestudie 2017, S. 8). Die schnelle Diffusion der WhatsApp-Dienste in Deutschland hat trotz des Bewusstseins über die Tatsache, dass WhatsApp Nutzerdaten sammeln und weiterverarbeiten kann, stattgefunden. Die allgemeinen Geschäftsbedingungen des WhatsApp-Dienstes geben keine klare Aussage über den Zweck der Datensammlung, verlangen jedoch die Zustimmung des Nutzers, bestimmte Daten sammeln bzw. weiterverarbeiten zu dürfen. Tatsächlich sammelt WhatsApp ebenso Metadaten seiner Nutzer, woraus bei großen Mengen genaue Nutzerprofile abgeleitet werden können (Datenschutzbeauftragter-info.de 2015, Nachtrag von 06.04.2016). Die erfolgreiche Verbreitung von WhatsApp in Deutschland bestätigt somit die Annahme, dass viele der deutschen Nutzer der Sammlung sowie Weiterverarbeitung ihrer Daten zustimmen, sofern die Wahrnehmung eines verhältnismäßigen Mehrwertes gegeben ist. Folgende Experten-Aussage festigt diese Annahme. • E9: „Ich glaube nicht, dass das Thema Datenschutz und Security eine Pauschalbegründung sein kann, dass wir das Connected Car nicht adoptieren in Deutschland. Das ist eine Feigenblattdiskussion. Da versucht man den eigentlichen Problemen auszuweichen und schiebt hier andere Gründe vor. Da hätten sich ja dann auch in der Vergangenheit einige Technologien in Deutschland nicht durchgesetzt haben, wenn das der einzige Grund wäre. Dann wären WhatsApp und Co. in Deutschland niemals verbreitet worden.“ Bei der Frage der Auswirkung des Geschlechtes des Endnutzers auf die Kenntnisnahme der Connected-Car-Funktionen (Frage F7) herrschte keine Einigkeit zwischen den Experten. Die Gegenstimmen nehmen mehr den Effekt der technischen Affinität des Endnutzers auf die Kenntnisnahme der Connected-Car-Funktionen als der Effekt des Geschlechtes an. • E2: „Wer technikaffin ist, wer die Technik liebt, wer mit einem Handy gut und gerne umgeht, wer ein Smart-Fernsehen mit allen Funktionen gerne bedient, der wird auch so eine Connected-Funktionalität im Auto positiv bewerten. …. Also es geht mehr um die technische Affinität als um das Geschlecht.“ • E10: „Also, wenn ich einem Stereotyp folge, dann ja. Männer sind vielleicht technisch affiner als die Frauen.“ Da jedoch die Mehrheit der Experten einen Geschlechtereffekt im Zusammenhang mit der Kenntnisnahme der Connected-Car-Funktionen unterstellt, wird dieser Effekt hier angenommen. Zusätzlich wird der Effekt der technischen Affinität als ein Einflussfaktor auf die Kenntnisnahme der Konnektivitätsfunktionen durch die Endnutzer angenommen, um eine Verzerrung der Annahme basierend auf eine Stereotypisierung zu vermeiden. Auf die Frage, ob die Gruppe der 40 bis 50-jährigen mehr dazu tendiert, die Connected- Car-Funktionen zur Kenntnis zu nehmen (Frage F8), reagierten die Mehrheit der Experten
5.2 Forschungsdesign und -ergebnisse
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mit Ablehnung. Obwohl Endnutzer im Alter zwischen 40 und 50 Jahren nicht ausgeschlossen werden, schließt die Mehrzahl der Experten auch die jüngeren Generationen mit ein. Auch auf die Frage, ob ein hohes Einkommen der Endnutzer die Tendenz zur Kenntnisnahme der Connected-Car-Funktionen steigert (Frage F9), antwortete die Mehrheit der Experten negativ. Dadurch, dass inzwischen einige Konnektivitätsfunktionen in der Kompaktklasse bzw. in Kleinwagen, beispielsweise Opel Adam oder Hyundai i20, zu finden sind, spielt die Höhe des Einkommens keine signifikante Rolle. Die Mehrheit der Experten ist jedoch der Auffassung, dass ein hoher Bildungsabschluss positiv mit der Kenntnisnahme der Connected-Car-Funktionen zusammenhängt (Frage F10), da dieser mit einem besseren Verständnis der Connected-Car-Technologie verbunden wird. Dem entsprechend wird hier ein hoher Bildungsabschluss als Einflussfaktor auf die Kenntnisnahme der Connected-Car-Funktionen unterstellt. Die Mehrheit der Experten nimmt ebenso einen positiven Effekt des hohen sozioökonomischen Status auf die Kenntnisnahme der Connected-Car-Funktionen (Frage F11) an. Dies jedoch unter der Prämisse, dass durch die Adoption der Connected-Car-Technologie ein positives sowie gesellschaftlich anerkanntes Ergebnis erzielt werden kann. Dieses ist derzeitig noch nicht realisiert, da durch die fehlende Infrastruktur für die Connected-Car-Funktionen eine bemerkenswerte Rationalisierung der täglichen Arbeitsabläufe, so dass es für die gesellschaftliche Anerkennung relevant wäre, nicht ausreichend gegeben ist. Tab. 5.4 fasst die abgeleiteten Hypothesen innerhalb der Dimension der persönlichen sowie soziokulturellen Eigenschaften zusammen. Tab. 5.4 Hypothesen innerhalb der Dimension der persönlichen sowie soziokulturellen Eigenschaften Hypothese Formulierung H7
Die Wahrnehmung des Endnutzers einer Tendenz zur Reduzierung der Selbstbestimmung im Fahrzeug korreliert negativ mit der Kenntnisnahme aller oder einzelner Teilbereiche der Connected Cars und senkt somit die Wahrscheinlichkeit der Adoption
H8
Männliche Endnutzer tendieren stärker dazu, alle oder einzelne Teilbereiche der Connected Cars zur Kenntnis zu nehmen und sie somit mit einer höheren Wahrscheinlichkeit zu adoptieren
H9
Endnutzer mit hohem Bildungsabschluss tendieren stärker dazu, aller oder einzelne Teilbereiche der Connected Cars zur Kenntnis zu nehmen und sie somit mit einer höheren Wahrscheinlichkeit zu adoptieren
H10
Endnutzer mit einem hohen sozioökonomischen Status tendieren stärker dazu, alle oder einzelne Teilbereiche der Connected Cars zur Kenntnis zur nehmen und sie somit mit einer höheren Wahrscheinlichkeit zu adoptieren, sofern durch die Adoption ein gesellschaftlich anerkanntes Ergebnis entsteht
H11
Endnutzer mit einer hohen Affinität für Informationstechnik tendieren stärker dazu, alle oder einzelne Teilbereiche der Connected Cars zur Kenntnis zu nehmen und sie somit mit einer höheren Wahrscheinlichkeit zu adoptieren
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5 Adoption von Connected Cars
Dimension politisch-regulatorischer Determinanten Neben der Dimension der System- sowie persönlichen und soziokulturellen Eigenschaften konnte im Rahmen der Problemzentrierten Interviews (PZI) zusätzlich die Dimension der politisch-regulatorischen Determinanten identifiziert werden. Entsprechend den Experten-Aussagen ist diese Dimension aus zwei Gesichtspunkten zu betrachten. Zunächst können detailreiche Regulierungen einen Hinderungsgrund für die Adoption darstellen. • E4: „Damit sind natürlich solche Dinge, die dann in einer Gemeinschaft anzuwenden sind, strengeren Vorschriften unterworfen. Hier in Deutschland hat man den Anspruch, es muss perfekt sein, es müssen alle Eventualitäten ausgeschlossen sein. Das dient dazu, dass man nicht so schnell in den Modus kommt, sowas auch zu nutzen. Also Regulationen bzw. klare Sicherheitsvorschriften und Sicherheitsvorkehrungen können natürlich eine Geschwindigkeitsbremse sein.“ Eine Studie zum Einfluss von Regulierungen auf Innovationen in den USA zeigt, dass eine flexible Regulierung die Entstehung und damit die Durchsetzung von Innovationen stärkt. Hingegen können detailreiche Regulierungen, die nicht zwingend eine Innovation zwecks Einhaltung erfordern, eine Barriere für die Entstehung und damit für die Verbreitung von Innovationen darstellen (Stewart 2011, S. 190–191). Fehlende oder unklare Regulierungen könnten jedoch auch einen negativen Einfluss auf die Adoption von Connected Cars durch die Endnutzer in Deutschland haben. • E6: „Ein zweiter Baustein ist das Thema Grauzonen der Regulierung. Beispielsweise, darf ich mein Handy nicht anfassen während der Fahrt im Auto. Das ist reguliert. Jetzt habe ich allerdings ein IPad ohne Sim-Karte, das ich in meinen Holder im Auto stecken kann. Das Ding ist dann faktisch kein Telefon. Das ist nicht mal geregelt. Wenn ich es direkt auf das Dashboard lege, dann kann ich auch abgelenkt werden. Ich denke, die grundlegende Rechtsprechung ist hier nicht sauber genug. Dadurch, dass diese Unsicherheit herrscht, wird das Thema dann auch nicht adaptiert.“ • E7: „Es ist auch teilweise noch unklar, wie der Gesetzgeber, der nicht der schnellste ist, das Thema vor allem in Rechtsfragen reguliert. Wenn wir Media-Service und Entertainment-Programme in einem Auto liefern wollen, dann ist die Frage, wem gehört dann der Kunde. Ist der Kunde nun ein Kunde des Media-Broadcasters oder des Inhalteanbieters oder des Providers oder der Kunde des Autoherstellers? Das sind Dinge, die noch nicht eindeutig geregelt sind. In meisten Fällen ja, aber nicht in allen Fällen. Es gibt auch eine große Rechtsunsicherheit, was Haftungsfragen anbetrifft.“ Gemäß den obigen Experten-Aussagen stellen Unsicherheiten bezüglich rechtlicher Situationen ein Hindernis für die Adoption von Connected Cars durch die Endnutzer in Deutschland dar. Auch die Studie zum Einfluss von Regulierungen auf Innovationen in USA kann diese Annahme bestätigen (Stewart 2011, S. 190).
5.2 Forschungsdesign und -ergebnisse
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Tab. 5.5 Hypothese innerhalb der politisch-regulatorischen Dimension Hypothese Formulierung H12
Die Wahrnehmung einer flexiblen Regulierung der rechtlichen Aspekte bezüglich der Nutzung von Connected-Car-Funktionen korreliert positiv mit der Wahrnehmung der Innovationseigenschaften aller oder einzelner Teilbereiche der Connected Cars durch die Endnutzer
Da die Faktoren innerhalb der politisch-regulatorischen Dimension Parallelen zur Wahrnehmung von Risiken aufzeigen, werden die Annahmen innerhalb dieser Dimension mit der Wahrnehmung der Dimension Innovationseigenschaften der Connected Cars in Verbindung gesetzt. Tab. 5.5 stellt die entstandene Hypothese innerhalb der politisch- regulatorischen Dimension dar. Dimension makroökonomische Determinanten Wie durch das folgende Zitat aufgezeigt wird, konnte als Ergebnis der Problemzentrierten Interviews auch eine makroökonomische Dimension identifiziert werden. • E2: „Man hat sich bei den Connected Cars zu stark darauf konzentriert, was die Information auf dem Front-End sein könnte und woher diese kommt. Anstatt sich darauf zu konzentrieren, wer alles die Player in einer geschlossenen Prozesskette sind.“ Um die Connected-Car-Funktionen den Endnutzern störungsfrei (entsprechend H3) anbieten zu können, sind i. d. R. mehrere Instanzen zu berücksichtigen. Neben den Automobilherstellern stellen die Automobilhändler, Zulieferer der Automobil-hersteller, Werkstätten, Versicherungen, Telekommunikationsnetzanbieter, Leasinganbieter, Softwarehersteller sowie das Staatswesen einige dieser Instanzen dar. Demgemäß ist eine ganzheitliche Betrachtungsweise des Marktes von großer Bedeutung, um die Adoption von Connected Cars durch die Endnutzer in Deutschland zu forcieren. Entsprechend dieser Annahme ist die Entwicklung einer holistischen Verkaufsstory, welche alle Akteure im deutschen Markt umfasst und die relativen Vorteile durch die Adoption von Connected Cars durch die Endnutzer für diese Akteure gesondert darstellt, signifikant wichtig für die reibungslose Funktionalität der Konnektivitätsdienste im Fahrzeug und damit für die Adoption durch die Endnutzer in Deutschland. Folgende Expertenaussage erhärtet diese Erkenntnis. • E4: „An der Stelle sind es ja mehrere, die am Thema Connected Cars partizipieren würden. Das Ganze ergibt nur Sinn, wenn eigentlich die Beteiligten, und das geht ja im Grunde genommen über die Fahrer, über die Händler, über die Werkstätte hinweg, ein Interesse hätten. Das heißt, wenn eine gewisse Zielgruppe für sich im Gesamtkontext keinen Nutzen sieht, dann hat es auch eine Auswirkung auf alle anderen, die auch daran partizipieren müssten.“
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5 Adoption von Connected Cars
Innerhalb der makroökonomischen Dimension konnte durch die Interviews eine Notwendigkeit für die technische Kompatibilität der Connected-Car-Systeme festgestellt werden. • E9: „Für das Thema Connected Car hätten wir -Stand heute- noch nicht einmal eine zentrale Plattform, auf der das Thema betrieben werden könnte. Wenn ein Connected- Audi mit einem Connected-VW und dann aber auch mit einem Connected-Mercedes kommunizieren könnte, dann würde das Thema auch vielleicht schneller skalieren. Aber dummerweise macht ja Audi die Audi-Connect, Mercedes die Mercedes- Connect und nebenbei gibt es auch die Bosch-Connect. Es gibt ja noch nicht einmal diese zentrale Plattform, in der ich sicher sein kann, dass meine Daten nicht abhandenkommen, die sauber betrieben wird, die es mir leichtmacht, das Thema zu adoptieren und die auch älteren Fahrzeuge an die Plattform anschließen lässt.“ Entsprechend der obigen Expertenaussage ist die technische Kompatibilität der Connected- Car-Systeme der verschiedenen Hersteller, welche nachfolgend als Interoperabilität bezeichnet wird, um Fehldeutungen auszuschließen, für die Wahrnehmung der relativen Vorteile der Connected-Car-Funktionen durch den Endnutzer in Deutschland von Bedeutung. Tab. 5.6 fasst die abgeleiteten Hypothesen innerhalb der makroökonomischen Dimension zusammen. Dimension der wahrgenommenen Risiken Die Mehrheit der Experten bestätigt den Einfluss der wahrgenommenen finanziellen Risiken durch die Endnutzer als Hinderungsgrund für die Wahrnehmung der Innovationseigenschaften der Connected Cars und bekräftigt somit Frage F14. Die noch unklare Regulierung der rechtlichen Aspekte bezüglich einiger Connected-Car-Funktionen stärkt die Wahrnehmung der finanziellen Risiken. • E6: „… solange nicht geklärt ist, wie das Versicherungsverhalten sein wird, wenn durch die Connected-Funktionen ein Schaden entsteht, ist das finanzielle Risiko bei dem Thema so hoch, dass die Attraktivität für mich sinkt.“ Einen Zusammenhang zwischen den Zeitrisiken und die Wahrnehmung der Innovationseigenschaften der Connected Cars schließt die Mehrheit der Experten aus. Dies lässt Tab. 5.6 Hypothesen innerhalb der makroökonomischen Dimension Hypothese Formulierung H13
Eine ganzheitliche Verkaufsstory, unter Berücksichtigung aller Akteure und deren Vorteile im Markt, führt zur Absicherung einer reibungslosen Funktionalität der Connected-Car-Funktionen und korreliert somit positiv mit der Wahrnehmung der Kompatibilität mit früheren Erfahrung sowie Bedürfnissen durch die Endnutzer
H14
Die Interoperabilität der verschiedenen Connected-Car-Systeme steht in einem positiven Zusammenhang mit der Wahrnehmung der relativen Vorteile der Connected-Car-Funktionen durch die Endnutzer
5.2 Forschungsdesign und -ergebnisse
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die Verwerfung der F15 der Ad-Hoc-Fragen zu und die Zeitrisiken werden im weiteren Verlauf nicht berücksichtigt. Tab. 5.7 fasst die Hypothesen bezüglich wahrgenommener Risiken zusammen. Des Weiteren ist die Mehrheit der Experten der Auffassung, dass das technische Wissen des Endnutzers – als ein Faktor der Dimension persönliche Eigenschaften – eine positive Korrelation mit der Wahrnehmung der funktionalen, physischen sowie finanziellen Risiken bezüglich der Connected Car-Funktionen hat. Demgemäß kann Frage F16 bestätigt und als geeignet angenommen werden. Tab. 5.8 stellt die Hypothese bezüglich des technischen Wissens dar.
5.2.3 Adoptionsfördernde Instrumente Einer der am häufigsten im Rahmen der Problemzentrierten Interviews vorgeschlagenen Instrumente für die Stärkung der Adoption von Connected Cars durch die Endnutzer in Deutschland ist die Darbietung von direkten sowie indirekten finanziellen Anreizen als Gegenleistung zur Nutzung der Connected-Car-Funktionen. • E2: „Der OEM sagt dann zum Autofahrer, ich gewähre Dir den gleichen Rabatt wie die freie Werkstatt und liste Dich als Premiumkunde auf. Du musst dich dafür nur bei mir einloggen und Deine Daten freigeben. Das ist dann ein gegenseitiges Geschäft.“ • E3: „…oder indem ich Kosten verringere durch Versicherungen oder durch besondere Angebote im Service.“ Tab. 5.7 Hypothesen bezüglich wahrgenommenen Risiken sowie technischen Wissens Hypothese Formulierung H15
Die wahrgenommenen funktionalen Risiken besitzen eine negative Korrelation mit der Wahrnehmung der Innovationseigenschaften der betroffenen Teilbereiche der Connected Cars
H16
Die wahrgenommenen physischen Risiken besitzen eine negative Korrelation mit der Wahrnehmung der Innovationseigenschaften der betroffenen Teilbereiche der Connected Cars
H17
Die wahrgenommenen finanziellen Risiken besitzen eine negative Korrelation mit der Wahrnehmung der Innovationseigenschaften der betroffenen Teilbereiche der Connected Cars
Tab. 5.8 Hypothese bezüglich technischen Wissens Hypothese Formulierung H18
Das technische Wissen des Endnutzers hat einen positiven Effekt auf die Wahrnehmung der funktionalen, physischen sowie finanziellen Risiken bezüglich der Adoption der betroffenen Teilbereiche von Connected Cars
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5 Adoption von Connected Cars
• E4: „Z. B. ein Argument ist zu sagen, wenn Du in Deinem Gebrauchtwagen das Ding einbauen lässt (Nachrüstung von Konnektivität) und Du fährst danach nicht mehr zu ATU, sondern zu einer Vertragswerkstatt des Autohändlers, dann bekommst Du dort auch einen entsprechenden Rabatt.“ • E6: „Da denkt Ford derzeit daran, dem Kunden für die Daten, die er zur Verfügung stellt, äquivalent wie bei dem Miles & More System der Lufthansa, Punkte gutzuschreiben. Diese Punkte könnten dann in kostenfreie Services wie Reifeneinlagerung oder Inspektion umgewandelt werden.“ • E8: „Beispielsweise könnten die Vertragswerkstätte dem Kunden anbieten, dass wenn er nach Ablauf der Garantiezeit durch die drahtlose Konnektivität mit der Werkstatt verbunden bleibt, dann gewährt ihm die Werkstatt auch entsprechende Rabatte auf die Wartung des Fahrzeugs.“ Ferner schlagen manche Experten in den Interviews vor, einige Basis-Konnektivitätsdienste zu sehr niedrigen sowie einmaligen Preisen oder gar gänzlich kostenfrei anzubieten, um hierdurch die Einstiegsbarriere für den Endnutzer zu minimieren. Somit wird der Weg für eine rasante Verbreitung der Connected-Car-Dienste geebnet. Ähnlich wie bei dem Prinzip der In-App-Käufe könnte nach der Adoption der BasisDienste zusätzliche Konnektivitätsfunktionen innerhalb der Basis-Dienste angeboten werden, um so eine Monetarisierung zu ermöglichen. In-App-Käufe stellen zusätzliche Inhalte sowie Funktionen dar, die innerhalb einer bereits kostenfrei geladenen Smartphone-Applikation gegen Bezahlung vom Kunden genutzt werden können. • E5: „Die Technologie muss dann stark verbilligt zur Verfügung gestellt werden. Also wahrscheinlich müssen die in Kauf nehmen, dass sie bei diesen Optionen in den ersten X Jahren oder bei den ersten X-tausend von den Einheiten Verluste machen, um diese Technologie auf den Markt zu bringen.“ • E7: „Du musst ein gewisses Stickiness innerhalb des Marktes erzeugen. Der Kunde muss von Dir „abhängig“ werden, indem Du ihm einen bestimmten Service kostenlos zur Verfügung stellst. Den finden sie richtig toll und ab einem bestimmten Zeitpunkt sind sie auch dafür bereit Geld zu bezahlen, weil sie den Nutzen eindeutig wahrnehmen. Man muss hier etwas weniger wie ein klassischer Automobilhersteller denken, sondern bei der Vermarktung des Services eher denken wie ein Retailer.“ • E9: „Das führt zu dem eigentlichen Problem, dass digitale Geschäftsmodelle nur dann funktionieren, wenn ich sehr schnell eine vernünftige Reach habe. Das funktioniert, wenn ich mit niedrigen Einstiegshürden also niedrige Kosten ganz weit skaliere. In Deutschland ist derzeitig die Einstiegshürde für Connected Cars relativ hoch und wird auch daher nicht wirklich skaliert.“ Tatsächlich gibt es erste Ansätze für eine solche Lösung innerhalb der Automobilindustrie.
5.2 Forschungsdesign und -ergebnisse
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Beispielsweise kündigte Audi-Chef Rupert Stadler an, im Rahmen der Digitalstrategie der Audi AG künftig alle Extras in die Fahrzeuge einzubauen, um sie bei Bedarf vom Kunden freischalten zu lassen. Bei diesem Geschäftsmodell würde der Kunde lediglich für die Zeit der Nutzung bezahlen. Hierzu gehören ebenso Konnektivitätsdienste, wie der Parking Spot Finder. Der Kunde würde in diesem Fall über ein vernetztes Fahrzeug verfügen und lediglich dann einen festgelegten Preis bezahlen, wenn er das Fahrzeug mit der Suche nach einem freien Parkplatz beauftragt (Auto-Motor-und-Sport 2016). Es kann angenommen werden, dass durch eine gezielte Preispolitik (wie z. B. Rabatte, Konditionen) die Wahrscheinlichkeit der Bildung einer positiven Meinung des Endnutzers gegenüber den betroffenen Connected Car-Teilbereiche gesteigert wird. Ein weiteres Instrument, das durch die Experten im Rahmen der Interviews empfohlen wurde, ist der Aufbau eines zielgerichteten Kommunikationskanals, um relevante Inhalte, wie beispielsweise die relativen Vorteile oder ein attraktives Preismodell an die Endnutzer zu vermitteln. Des Weiteren könnte über einen solchen Kommunikationskanal dem Endnutzer ein transparentes Bild über den Zweck der Datensammlung gegeben werden, um über die Aufklärung der Endnutzer Spekulationen zu eliminieren. Zusätzlich kann das Vertrauen hierdurch gewonnen werden. • E5: „Werbung natürlich, was ja auch viel Geld kostet. Z. B. Fernsehwerbung, um das Kunden schmackhaft zu machen. Vor allem als neue Funktion im Auto und dann natürlich wie im klassischen Sales, sollte kommuniziert werden, was sind denn die Benefits von den Connected-Funktionen? Was sind die Unique Selling Points?“ • E6: „Viele Menschen haben es noch nicht wirklich verstanden. Man muss auch ganz klar sagen, meines Erachtens macht hier die Automobilindustrie nicht den besten Job in der Erläuterung der Vorteile solcher Services.“ • E10: „Wir brauchen also ein geschicktes Marketing, um die Menschen von dem Nutzen der Connected-Funktionen zu überzeugen und um das Thema zum Statussymbol zu erklären.“ • E11: „Die OEMs können die Daten ja sammeln, sollten allerdings eine Transparenz darüber darstellen, welche Daten und zu welchen Zwecken gesammelt werden. Momentan ist es ja so, dass man gar nicht weiß, welche Daten gesammelt werden. Man kann es auch nirgendwo nachschauen. Vertrauen zu schaffen, um da wieder auf die Connectivity-Mehrwertdienste zu kommen, ist dann schon wichtig.“ Rogers kategorisiert die Kanäle für die Kommunikation von Innovationen in interpersonelle Kommunikation und Massenmedien. Bei der interpersonellen Kommunikation handelt es sich um den Austausch von Informationen zwischen zwei oder mehreren Individuen. Sie findet mehr auf der persönlichen Ebene statt und hat einen großen Überzeugungseffekt. Als Massenmedien bezeichnet Rogers jegliche Kanäle, die zur Verbreitung von Informationen auf eine Art Informationsträger wie beispielsweise das Internet, Fernsehen, Radio oder ähnliche angewiesen sind. Diese sprechen zeitgleich mehrere Personen an
128
5 Adoption von Connected Cars
Tab. 5.9 Hypothesen über adoptionsfördernde Instrumente Hypothese Formulierung H19
Die gezielte Nutzung einer Preispolitik führt zur Bildung eines positiven Standpunktes der Endnutzer bezüglich der betroffenen Connected Car-Teilbereiche und beeinflusst somit die Adoption positiv
H20
Die gezielte Nutzung von interpersonellen Kommunikationskanälen führt zur Bildung eines positiven Standpunktes der Endnutzer bezüglich der betroffenen Connected Car-Teilbereiche und beeinflusst somit die Adoption positiv
H21
Die gezielte Nutzung von Massenmedien erhöht die Wahrscheinlichkeit der Kenntnisnahme der betroffenen Connected Car-Teilbereiche für die Endnutzer und beeinflusst somit die Adoption positiv
und besitzen eine mächtige Reichweite. Massenmedien haben somit einen großen Einfluss auf die Phase der Kenntnisnahme innerhalb des Adoptionsentscheidungsprozesses. Die interpersonelle Kommunikation beeinflusst eher die Phase der Bildung eines Standpunktes (Rogers 2003, S. 204–206). Demgemäß kann angenommen werden, dass der Einsatz von Massenmedien zur Vermittlung relevanter Inhalte über Konnektivitätsfunktionen im Fahrzeug die Kenntnisnahme aller oder einzelner Teilbereiche der Connected Cars stärkt und somit die Wahrscheinlichkeit der Adoption erhöht.
Ebenso kann angenommen werden, dass der gezielte Einsatz von interpersoneller Kommunikation wie beispielsweise durch die Nutzung von Dialogmarketinginstrumenten, die Wahrscheinlichkeit der Bildung eines positiven Standpunktes gegenüber den betroffenen Teilbereichen der Connected Cars erhöht und somit die Adoption positiv beeinflusst.
Tab. 5.9 fasst die Hypothesen über die adoptionsfördernden Instrumente zusammen.
5.2.4 Finales Modell für die Untersuchung der Adoption von Connected Cars durch die Endnutzer Basierend auf den Ergebnissen aus Abschn. 4.1 bzw. Abschn. 4.2 wurde der erste Entwurf eines Modells zur Untersuchung der Adoption von Connected Cars durch die Endnutzer überarbeitet, ergänzt und in Abb. 5.3 illustriert.
5.3 Fazit
Im Rahmen der Untersuchung der Einflussfaktoren für die Adoption von Connected Cars durch die Endnutzer in Deutschland wurde festgestellt, dass eine multidimensionale Betrachtung des Adoptionsprozesses von Connected
5.3 Fazit
129
Abb. 5.3 Finales Modell für die Untersuchung der Adoption von Connected Cars durch die Endnutzer
Cars eine optimale Auffassung des Sachverhaltes zulässt. Demgemäß wird die Adoption von Connected Cars durch die Endnutzer in Deutschland direkt sowie indirekt durch mehrere Dimensionen beeinflusst, welche zum Teil Interdependenzen aufweisen.
Hierzu gehören die Dimensionen der Innovationseigenschaften, der persönlichen sowie sozioökonomischen Eigenschaften und der wahrgenommenen Risiken sowie die makroökonomische und politisch-regulatorische Dimension. Innerhalb der Dimension der Innovationseigenschaften wurde festgestellt, dass die Darbietung von relativen Vorteilen eine signifikante Rolle für die Adoption von Connected Cars durch die Endnutzer einnimmt. Daher wurde angenommen, dass die wahrgenommenen Vorteile, die derzeitig in Deutschland über die Konnektivitätsfunktionen im Fahrzeug angeboten werden, nicht ausreichend sind, um die Bildung eines positiven Standpunktes gegenüber Connected Cars zu bewirken. Um diese Situation zu ändern, sollte der Fokus auf die Endnutzer gelegt werden, um dedizierte Anwendungsfälle zu identifizieren, die an erster Stelle den Endnutzern einen Vorteil bieten. Weiterhin spielt die Interoperabilität aus der makroökonomischen Dimension eine bedeutende Rolle für die Wahrnehmung der relativen Vorteile der Connected Cars durch die Endnutzer in Deutschland. Die Errichtung einer einheitlichen Big-Data-Plattform, mit der Fahrzeuge aller Fabrikate verbunden werden und kommunizieren können, wäre ein erster Schritt in Richtung der Realisierung der Interoperabilität.
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Darüber hinaus ist die wahrgenommene Leichtigkeit der Nutzung ein wichtiger Faktor. Die Bildung eines positiven Standpunktes gegenüber Connected Cars wird gestärkt, wenn eine Wahrnehmung der Verständlichkeit sowie Übersichtlichkeit der Connected- Car-Funktionen gegeben ist. Die reibungslose Funktionalität der Konnektivitätsfunktionen im Fahrzeug entspricht derzeitig nicht vollständig den Erwartungen der Endnutzer in Deutschland. Dies ist durch die fehlende Zusammenarbeit aller beteiligten Akteure (makroökonomische Dimension) zu begründen. Daher wurde eine noch fehlende wahrgenommene Kompatibilität mit den vergangenen Erfahrungen sowie Bedürfnissen angenommen, welche die Entstehung eines positiven Standpunktes gegenüber Connected Cars beeinflusst. Für die Behebung dieses Problems könnte eine Plattform in Deutschland gegründet werden, in der alle Akteure entlang der Prozesskette vertreten sind, um gemeinsam eine ganzheitliche Verkaufsstory zu entwickeln. Auf dieser Plattform sollte sowohl der Mehrwert für alle Beteiligten und insbesondere für den Endnutzer berücksichtigt werden, als auch die zu tätigenden Investitionen der Beteiligten für die Sicherung der reibungslosen Funktionalität diskutiert werden. Im Rahmen der Untersuchung wurde auch ein Zusammenhang zwischen der Erprobbarkeit der Konnektivitätsfunktionen im Fahrzeug mit der Bildung eines positiven Standpunktes angenommen. Für die Praxis ist insbesondere die Darbietung von Vernetzungsfunktionen innerhalb des Bereiches der Mobilitätsdienste zu empfehlen. Endnutzer könnten im Rahmen der Nutzung von Mobilitätsdiensten wie Car Sharing oder Autoverleih mit den Konnektivitätsfunktionen im Fahrzeug in Berührung gebracht werden, sodass die relativen Vorteile wahrgenommen werden. Hiermit ist die Annahme verbunden, dass die Beobachtbarkeit der Ergebnisse der Konnektivität im Fahrzeug zur Bildung eines positiven Standpunktes gegenüber Connected Cars führt. Die Identifikation sowie Darbietung von dedizierten relativen Vorteilen ist jedoch die Voraussetzung für eine erfolgreiche Erprobbarkeit, sowie Beobachtbarkeit der Ergebnisse der Konnektivitätsfunktionen im Fahrzeug. Die Untersuchung nimmt eine negative Korrelation zwischen der Wahrnehmung einer relativ hohen Total Cost of Ownership (TCO) und der Bildung eines positiven Standpunktes gegenüber Connected Cars an, sofern ein verhältnismäßiger Vorteil nicht gegeben ist. Da die Konnektivitätsfunktionen derzeitig relativ wenige Vorteile für die Endnutzer wahrnehmen lassen, empfiehlt sich eine kostenfreie Bereitstellung für die Endnutzer, um eine rapide Diffusion und einen exponentiellen Zuwachs der Nutzerzahlen zu erreichen. Dies gilt auch für Fahrzeuge ohne Connected-Funktionen. Bei den Fahrzeugen ohne Vernetzungsfunktionen würden die kostenfreie Bereitstellung einer Nachrüstlösung, sowie die daraufhin kostenfreie Nutzung der Connected-Funktionen, signifikant zur Erreichung der kritischen Masse beitragen. Innerhalb der politisch-regulatorischen Dimension wurde angenommen, dass die Wahrnehmung einer flexiblen Regulierung die Wahrscheinlichkeit der Wahrnehmung der Innovationseigenschaften von Connected Cars steigert. Demgemäß sollte durch die Festlegung angemessener Regularien durch den Gesetzgeber insbesondere bei den wahrgenommenen Grauzonen, wie beispielsweise bei den Haftungsfragen, zur Adoption der
5.3 Fazit
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Connected Cars durch die Endnutzer in Deutschland beigetragen werden. Dieses würde ebenso die Wahrnehmung von finanziellen Risiken durch den Endnutzer reduzieren, welche hier angenommen wird. Die Studie nimmt die positive Korrelation zwischen den wahrgenommenen funktionalen sowie physischen Risiken mit der Wahrnehmung der Innovationseigenschaften an. Für die Reduzierung der Wahrnehmung der funktionalen Risiken könnten die Berücksichtigung der gesamten Prozesskette bei den Konnektivitätsfunktionen im Fahrzeug sowie die Stärkung der Qualitätskontrolle förderlich sein. Das Bedürfnis des Endnutzers in Deutschland nach technisch reibungslosen Konnektivitätsfunktionen steht jedoch auch der neuen agilen sowie digitalen Kultur entgegen, die derzeitig viele Organisationen der Connected-Car-Akteure auf dem deutschen Markt einführen möchten. Um eine zeitgemäße digitale Kultur in einer Organisation zu ermöglichen, gehören nämlich die Akzeptanz von Fehlern sowie die Vermarktung von Beta-Versionen zu den erforderlichen Merkmalen (Kienbaum 2016, S. 2–4). Dies stellt somit ein Paradox dar. Jenseits der Sicherstellung einer funktionalen Reife könnte die Wahrnehmung des physischen Risikos insbesondere reduziert werden, wenn die Akteure entlang der Prozesskette der Connected Cars dem Thema Cyber-Sicherheit mehr Aufmerksamkeit widmen würden. Beispielsweise wäre eine stärkere Hinzunahme von Cyber-Sicherheitsexperten aus der Softwarebranche zu empfehlen. Die Untersuchung nimmt einen Zusammenhang zwischen dem technischen Wissen der Endnutzer und den wahrgenommenen Risiken an. Durch die Minimierung dieser Risiken könnte dieser Faktor gar als ein fördernder Aspekt genutzt werden. Demgemäß könnte das steigende technische Wissen durch die Reduzierung der wahrgenommenen Risiken in Begeisterung resultieren. Die Studie hat innerhalb der Dimension der persönlichen sowie soziokulturellen Eigenschaften einige Faktoren identifiziert, welche als Merkmale der initialen Zielgruppe der Connected Cars angenommen werden. Hierzu gehören männliche Endnutzer, Endnutzer mit einem hohen Bildungsabschluss, mit einem hohen sozioökonomischen Status, mit einer hohen Affinität für Informationstechnik sowie mit einem geringeren Bedürfnis nach Selbstbestimmung im Fahrzeug. Demgemäß empfiehlt es sich, die Vermarktung der Konnektivitätsfunktionen im Fahrzeug dediziert auf die Zielgruppe mit den o. g. Merkmalen auszurichten. Diese Zielgruppe gilt als die Gruppe der frühen Adoptoren und hat somit einen signifikanten Einfluss auf die weitere Verbreitung der Konnektivitätsfunktionen im Fahrzeug und kann wesentlich zur Sicherung der Erreichung einer kritischen Masse in Deutschland beitragen. Einige Instrumente werden als adoptionsfördernd angenommen. Hierzu gehören die Preispolitik, die Nutzung von interpersonellen Kommunikation sowie Massenmedien. Die Darbietung von direkten sowie indirekten finanziellen Anreizen in Form von Rabatten, kostenfreie Leistungen, Minimierung von Wartezeiten, etc. sind einige Aspekte der Preispolitik, welche die Adoption von Konnektivitätsfunktionen im Fahrzeug forcieren könnten. Durch die interpersonelle Kommunikation kann dem Endnutzer insbesondere eine Transparenz darüber gegeben werden, zu welchem Zweck seine Daten gesammelt
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5 Adoption von Connected Cars
werden. Dies trägt zur Reduzierung der Unsicherheit bezüglich datenschutzrechtlicher Themen bei dem Endnutzer bei und fördert den Aufbau von Vertrauen. Instrumente des Dialogmarketings könnten für den Aufbau einer interpersonellen Kommunikation genutzt werden. Beispielsweise könnten Fahrzeughändler durch die Nutzung individualisierter Anschreiben mit Responsemöglichkeit die Aufmerksamkeit der Zielgruppe bezüglich des Umgangs der jeweiligen Fahrzeugmarke mit dem Thema Connected Cars und die damit verbundenen Unsicherheiten im Hinblick auf gesammelten Daten gewinnen. Durch die gezielte Nutzung von Massenmedien wie On- oder Offline-Werbung könnte den Endnutzern ein klarer Überblick über die relativen Vorteile von Connected Cars gegeben und somit die initiale Kenntnisnahme dieses Themas bei einer breiten Masse in Deutschland gesichert werden. Die Studie ist dahin gehend limitiert, dass die aufgestellten Hypothesen lediglich auf den Aussagen von Experten sowie auf bereits bestehenden Kenntnissen über die Adoption von Innovationen basieren.
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Potenziale der Connected Cars für das datenbasierte Marketing
Zusammenfassung
Der Einsatz von Big Data und die Verwendung der Erkenntnisse aus den erhobenen Daten sind bei den meisten Unternehmen heute gängige Praxis. Für alle Marketinginstrumente lassen sich spezielle Einsatzmöglichkeiten für Aktionen finden, die auf den Daten basieren, welche durch Connected Cars gewonnen werden. Den Herstellern wird es ermöglicht, potenziellen Kunden ein auf sie abgestimmtes und personalisiertes Angebot zum richtigen Zeitpunkt, am richtigen Ort und über das richtige Medium zu machen. Anhand von Big Data kann beispielsweise eine Zielgruppensegmentierung durchgeführt werden, um eine Vielzahl von unterschiedlichen Kunden in Gruppen zusammenzufassen, die mit einem differenzierten Marketing angesprochen werden. Ziel der Predictive Analytics im Automotive Bereich muss ein frühzeitiges Erkennen von Trends sein, das beispielsweise erkennen lässt, welches Produkt oder welchen Service ein Kunde in Zukunft kaufen möchte. Mit der Vernetzung von Fahrzeugen und der ständigen Übertragung von Daten entsteht die Möglichkeit, ständig mit dem Kunden im Kontakt zu stehen und somit optimal dessen Wünsche zu befriedigen. Es besteht ein großes Interesse Dritter an Connected-Car-Daten und den damit möglichen vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten. Zu diesen Dritten zählen Zulieferer, Versicherer, Telekommunikationsunternehmen und Verwaltungs- und Strafverfolgungsbehörden. Bei der Monetarisierung von Connected Car Data werden drei Modelle der Wertschöpfung unterschieden: Generierung von Einnahmen, Kostensenkungen und verbesserte Sicherheit. Für die Automobilhersteller ergeben sich diverse neue Einnahmequellen, mit denen sie gleichzeitig das Fahrerlebnis ihrer Kunden sicherer und komfortabler gestalten können.
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 H. Holland, Dialogmarketing und Kundenbindung mit Connected Cars, https://doi.org/10.1007/978-3-658-22929-0_6
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6.1 Bedeutung der Connected Car Data für das Marketing Individuelle Kundeninformationen Connected Cars bieten dem Automobilhersteller die einzigartige Möglichkeit, seine Kunden durch die erhaltenen Daten aus dem Fahrzeug genau zu kennen. Original Equipment Manufacturer (OEM) erfahren beispielsweise, wann und wohin der Kunde zum Einkaufen fährt. Sie erhalten Kenntnis über Fahrverhalten, häufig besuchte Orte und generelle Konsumpräferenzen des Kunden. Auf diese Weise entstehen sehr detaillierte Kundenprofile, die für einen direkten Dialog mit dem Kunden genutzt werden können.
Dies eröffnet enorme Potenziale, Dialogmarketing in Connected Cars treffsicher und zielgerichtet zu gestalten und dementsprechend einzusetzen. Dem Konsumenten können sowohl individuelle als auch geobasierte Angebote gemacht werden. Werden die Daten richtig genutzt, kann Kunden in Connected Cars demzufolge das richtige Angebot zur richtigen Zeit am richtigen Ort bereitgestellt werden.
Aftersales-Kommunikation Connected Cars bieten Automobilherstellern vor allem eine große Chance in der Aftersales-Kommunikation, also jegliche Kommunikationsaktivitäten, die nach dem Erstkauf eines Kraftfahrzeugs stattfinden. Aftersales-Kommunikation hat zum Ziel, den Kunden nach dem Kauf zum Erwerb weiterer Dienstleistungen, Zubehör oder Folgeprodukte dieser Marke zu motivieren (Fuchs 2001, S. 31). Hat ein Kunde also ein vernetztes Fahrzeug gekauft, kann der Automobilhersteller diese Vernetzung nutzen, um direkte Kommunikation zu diesem Kunden einzusetzen und in Folge des Erstkaufs weitere Produktteile oder Features zu verkaufen. Die Margen im Aftersales-Bereich sprechen dafür, Marketing in Connected Cars verstärkt für das Aftersales-Geschäft zu nutzen, sind. Beim Fahrzeugverkauf selbst sind die Gewinnspannen oft sehr niedrig, wohingegen die Automobilhersteller mit Aftersales höhere Deckungsbeiträge erwirtschaften können (Kaufmann 2015, S. 19).
Im Durchschnitt erzielen OEMs mit Aftersales-Verkäufen circa 80 % ihres gesamten Gewinns und das obwohl diese mit nur 20 % am Gesamtumsatz beteiligt sind (Grosse Kleimann und Beyer 2013). Mit erfolgreicher Aftersales-Kommunikation kann außerdem langfristig erreicht werden, dass ein Kunde nach dem Erstkauf auch Folgekäufe beim Unternehmen tätigt. Somit kann ein Kunde zum Stammkunden entwickelt und Kundenbindung und -loyalität im geschwächten Automobilmarkt gesteigert werden.
Große Wachstumschancen Generell lässt sich feststellen, dass die weitere Entwicklung und Verbreitung von Connected Cars große Wachstumschancen für die Automobilindustrie bereithält. Nicht nur beim
6.1 Bedeutung der Connected Car Data für das Marketing
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Autokauf selbst und im Aftersales-Bereich steigen die Absatzpotenziale, sondern auch auf neuen Märkten. Vor allem bei digitalen Servicedienstleistungen und im IT-Sektor haben Automobilhersteller Möglichkeiten, ihre Kernkompetenzen zu erweitern oder gar zu verlagern, um dort völlig neue Dienste anzubieten (Heymann und Meister 2017, S. 13). Kooperationspartner Die weitere Entwicklung von Connected Cars kann einen enormen Einfluss auf jeden Bereich der komplexen Wertschöpfungskette des Automobilsektors haben. Geschäftsmodelle mit anderen Teilnehmern der Kette entstehen, sowohl mit vorgelagerten als auch nachgelagerten Akteuren. Mögliche Kooperationspartner aus der vorgelagerten Stufe der Wertschöpfungskette sind Zulieferer jeglicher Autoteile aus der Metall- oder Elektrotechnik oder aus anderen Industrien. Auf nachgelagerter Stufe könnten sich neue Geschäftspotenziale mit Kfz-Werkstätten sowie Fahrzeughändlern ergeben. Darüber hinaus eignet sich die Zusammenarbeit mit automobileigenen Dienstleistern, wie beispielsweise Versicherungen, Banken oder dem Technischen Überwachungsverein (TÜV) (Heymann und Meister 2017, S. 8). Herausforderungen durch Big Data Durch Connected Cars und die permanente Vernetzung von Fahrzeugen entsteht eine große Datenmenge, Big Data. Das Potenzial der Masse von generierten Fahrzeugdaten scheint unermesslich groß. Einer Schätzung zufolge wird zukünftig ein einziges vernetztes Fahrzeug innerhalb einer Stunde 25 Gbytes an Daten generieren (Quartz 2015). Die Herausforderung für Autohersteller wird sein, diese Daten zu analysieren und aus der Datenmenge die nutzerrelevanten Informationen herauszuziehen. Aus der gewaltigen und komplexen Datenmenge müssen mithilfe von Big Data Analyseverfahren die tatsächlich wertvollen Informationen extrahiert werden. Nur wenn es gelingt, die relevanten Fahrzeugdaten herauszufiltern und daraus die richtigen Erkenntnisse zu generieren, ist das Potenzial für effektives Marketing gegeben. Ziel muss sein, die Daten langfristig zu monetarisieren und sie in gezielte individuelle Werbung umzuwandeln. Individualisierte und Location-Based-Services Die dauernde Verbindung von Fahrzeugen ermöglicht dem Automobilhersteller, immer genau zu wissen, welcher Fahrer wann welche Orte besucht und wo er sich besonders häufig aufhält, z. B. Restaurants, Tankstellen oder Supermärkte. Dies ermöglicht, den Kunden, seine Gewohnheiten, Interessen und Bedürfnisse genau zu kennen. Aufgrund dieses Wissens kann in Connected Cars individuell auf den Kunden zugeschnittene und kontextbezogene Werbung erfolgen (Coppola und Morisio 2016, S. 10).
Für Automobilhersteller bietet diese Sammlung von digitalen Kunden- und Fahrzeugdaten außerdem die Möglichkeit, diese für Kooperationen mit Dritten zu verwenden. Es ergeben sich viele Service- und Verkaufspotenziale für Location-Based-Services (LBS), also standortbezogene Dienste, sowie für das
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Dialogmarketing im Allgemeinen. Durch LBS ist das System in der Lage zu erkennen, wenn sich ein Kunde mit seinem Connected Car in der Nähe eines bestimmten Geschäfts oder Autohändlers befindet. In diesem Moment könnte beispielsweise ein Angebot von genau diesem Geschäft oder Händler im Fahrzeug eingespielt werden (Coppola und Morisio 2016, S. 10).
Schaffung von Markenerlebnissen Connected Cars ermöglichen Automobilherstellern, um ihre Kunden herum ein Markenerlebnis zu schaffen und darüber hinaus in direkter Interaktion und Kommunikation zu stehen. Werbebotschaften der Konkurrenz können in diesem System komplett ausgeschlossen und nur die markeneigene Kommunikation geschaltet werden. Die Beziehung zum Kunden kann dadurch nicht nur nachhaltig aufgebaut, sondern darüber hinaus auch kontrolliert werden. Auch für das Customer Relationship Management (CRM) ergeben sich hieraus zahlreiche Chancen, durch Rückkopplung der Daten und Erfahrungswerte die Kundenbindung und -zufriedenheit zu steigern. Big-Data-Strategie Der Einsatz von Big Data und die Verwendung der Erkenntnisse, die aus den erhobenen Daten gezogen werden können, sind bei den meisten Unternehmen heute gängige Praxis. Das Connected Car ist hierbei für die Automobilhersteller, aber auch für Technik-Unternehmen wie Google, Apple & Co. eine wahre „Goldgrube“ zur Datensammlung. Bevor es zur eigentlichen Verarbeitung von Big Data kommt, muss eine Big-Data- Strategie mit den Elementen Management, Analyse, Integration und Anwendungen gefunden werden (Rossa und Holland 2014, S. 255). Es ist Aufgabe der IT-Abteilung, die entsprechenden Big-Data-Infrastrukturen für verschiedene Unternehmensbereiche zur Verfügung zu stellen. Hierfür gibt es diverse Anbieter, die Komplettpakete zum Speichern, Managen und Analysieren von Big Data offerieren. Damit die Daten und Erkenntnisse aus Big Data an die richtigen Fachbereiche in verständlicher Form übergeben werden können, müssen die Ergebnisse mit Big-Data-Analytics analysiert und visuell (Diagramme, Grafiken, Bilder) oder in Textform aufgearbeitet werden. Nutzung der Daten Durch Connected Cars generierte Daten können variieren von Informationen über das Fahrverhalten und den Fahrzeugzustand, Standortinformationen bis hin zur Nutzung verschiedener Funktionen. Diese Informationen bieten diversen Abteilungen, insbesondere dem Marketing, potenziell einen großen Mehrwert. Die Vernetzung der Automobile sowie die Anbindung an das Internet sorgen dafür, dass Fahrzeugdaten nicht erst in der Werkstatt, also offline, ausgelesen werden, sondern permanent, also online.
6.2 Zielgruppe für Connected Cars
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6.2 Zielgruppe für Connected Cars Kunden von Premiumherstellern Connected-Car-Anwendungen sind vor allem für Kunden von Premiumherstellern ein wichtiges Kaufkriterium (Löffler und Decker 2017, S. 523). Laut der Studie der Unternehmensberatung LSP Digital aus dem Jahr 2015 antworteten über 54 bzw. 53 % der Kunden von BMW und Audi, dass Connected Car-Technologien beim nächsten Autokauf ein Entscheidungskriterium seien. Dagegen ist für nur 27 bzw. 29 % der Kunden von Renault und Nissan die Connected-Car-Technologie beim nächsten Autokauf entscheidend (LSP Digital 2015). Einer Studie von PricewaterhouseCoopers (PWC) zufolge ist für Premiumhersteller die Connected-Car-Technologie notwendig, um konkurrenzfähig zu bleiben und einen Preisverfall zu vermeiden. Diese Technologien werden keine starke Erhöhung des Verkaufspreises von Premiumfahrzeugen ermöglichen, sondern sie verhindern, dass die Hersteller gezwungen werden, ihre Fahrzeuge zu günstigeren Preisen anzubieten (Viereckl et al. 2015, S. 8). Im Volumensegment sind die Kunden laut der PWC Studie aus dem Jahr 2015 weniger bereit zusätzliche Kosten für Connected Car-Technologien zu akzeptieren, die von den Fahrzeugherstellern angeboten werden. Die Kunden suchen lieber nach günstigen Alternativen wie Angebote von Drittanbietern oder benutzen einfache Apps auf ihrem Smartphone. Auch Gärtner postuliert eine „…quasi nicht mehr vorhandene Mehrpreisbereitschaft für technische Innovationen…“ (Gärtner 2018, S. 28). Für das Jahr 2017 prognostizierte PWC, dass die Premiumhersteller einen Umsatzanteil von 65 % am vernetzen Fahren haben. Für die Volumenhersteller lautete die Prognose dagegen 35 % (Baker et al. 2016, S. 28). Kunden von Volumenherstellern Diese Betrachtung würde zunächst den Schluss zulassen, dass sich die Hersteller mit ihren vernetzten Fahrzeugen nicht auf Kunden anderer Fahrzeugsegmente konzentrieren, sondern nur das Premiumsegment fokussieren sollten. Zu beachten ist aber, dass der geschilderte Sachverhalt die momentane Situation beschreibt. Prognosen zufolge werden Premiumhersteller, sowie Volumenhersteller bereits im Jahr 2022 einen jeweiligen Umsatzanteil von 50 % an den Connected Cars und den damit verbundenen Dienstleistungen haben (Baker et al. 2016, S. 28). Als Grund für den steigenden Umsatzanteil von Volumenherstellern wird genannt, dass die Connected Car-Technologien eine gewisse Marktreife erreichen werden, was einen günstigeren Preis realisieren lässt. Zudem werden manche Connected Car-Features in naher Zukunft allgegenwärtig und standardmäßig verbaut sein, wie es heutzutage z. B. Airbags sind, weshalb sie nicht mehr zur Produktdifferenzierung genutzt werden können.
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6 Potenziale der Connected Cars für das datenbasierte Marketing
Vertikale Diffusion Es wird zu einer vertikalen Diffusion kommen, also zu einer Ausbreitung der Verfügbarkeit von Connected Car-Technologien von Oberklassewagen hin zu Klein- und Mittelklassewagen. Noch ist die Verfügbarkeit im oberen Preissegment höher als im mittleren oder unteren Preissegment. Die Diffusion nimmt aber deutlich zu (Diez 2018, S. 126).
In Zukunft werden weniger Menschen ein Fahrzeug besitzen, sondern zu Nutzern von ganzheitlichen Mobilitätslösungen werden. Gerade junge Menschen zwischen 18 und 30 Jahren werden aufgrund auf alternative Mobilitätskonzepte zurückgreifen. Das Angebot ganzheitlicher Mobilitätslösungen beschränkt sich folglich nicht nur auf Kunden von Premiumfahrzeugen.
6.3 Datenbasierte Marketingkonzepte 6.3.1 Produktpolitik Individuelle Angebote und Updates Personalisiertes Angebot Die Erkenntnisse aus Big Data ermöglichen es den Herstellern, potenziellen Kunden ein auf sie abgestimmtes und personalisiertes Angebot zum richtigen Zeitpunkt, am richtigen Ort und über das richtige Medium zu machen (Holland 2016, S. 93). So muss der Kunde nicht mehr selbst langwierig den Online-Konfigurator des Automobilherstellers bedienen, um sich sein Wunschauto zusammenzustellen, da anhand seiner Präferenzen die Ausstattung, Motorleistung und weitere Extras bereits passend vorgeschlagen werden können. Selbstverständlich müssen Änderungen an dem vorkonfigurierten Auto mit wenigen Klicks möglich sein. Zudem ist es dank Big Data möglich, zu prognostizieren, wann ein Kunde ein neues Auto kaufen wird. Folglich kann bereits vor der ersten Kontaktaufnahme mit der Konkurrenz oder Informationssuche des Kunden ein entsprechendes Angebot unterbreitet werden. Die Abb. 6.1 gibt einen Überblick über Marketinginstrumente, die durch Connected Cars ermöglicht werden und die auf den erhobenen Daten basieren. Service-Pakete Bei einem Angebot eines Automobilherstellers an einen Kunden muss es sich nicht zwangsläufig um ein neues Auto handeln, es kann sich auch beispielsweise auf ein bestimmtes Service-Paket beziehen. Service-Pakete können ebenso wie Neuwagen an die Bedürfnisse des Kunden angepasst werden, oder es werden verschiedene Abstufungen (z. B. Standard, Luxus, Premium etc.) angeboten, die unterschiedlich viele Dienste enthalten. Für Vielfahrer würde sich beispielsweise ein Premium-Paket anbieten, das Real Live Traffic Information mit entsprechender Routenoptimierung, Gefahrenwarnung (Unfälle, Eis, Straßenschäden – derzeit noch eine Zukunftsvision) und umfangreiche Entertainment-Funktionen wie Musikstreaming etc. enthält. Real Live Traffic Information
6.3 Datenbasierte Marketingkonzepte
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Abb. 6.1 Marketingkonzepte für Connected Cars
und die dazu gehörige Routenoptimierung können dem Kunden viel Zeit und Geld einsparen; sie sind somit optimal als Verkaufsargument geeignet, auch wenn solche Features beispielsweise in Form eines Abonnements einen gewissen jährlichen Betrag kosten. Es gibt also diverse Möglichkeiten des Cross- und Upsellings in diesem Bereich. Over-the-Air-Update Eine weitere Möglichkeit wäre ein Over-the-Air-Update bzw. Upgrade, welches neue Funktionen im Auto möglich macht oder bestehende Funktionen verbessert. Dies entspricht der Vorgehensweise von Tesla. Alle Fahrzeuge der zweiten Tesla-Generation mit der entsprechenden Hardware konnten im Nachhinein durch Updates einen Autopilot erhalten, der mittlerweile bis 130 km/h funktioniert. Die ständig verbesserten Autopiloten und anderen Funktionen werden per Update der Software problemlos installiert. Eine solche Prozedur ermöglicht es Automobilherstellern erstmalig, nach Auslieferung des Autos dieses zu verbessern und eventuell ebenfalls dessen Wert zu steigern. Das Unternehmen hat somit die Möglichkeit, ein Auto zu vermarkten, das mit dem Alter nicht so stark an Wert verliert. Des Weiteren werden die Kommunikation sowie die Beziehung zwischen Kunden und Hersteller intensiviert. Gezielte Produktentwicklung Neben der gezielten Ansprache von Kunden und der jeweiligen Angebotsunterbreitung bieten sich dem Marketing noch diverse weitere Möglichkeiten. Mit Hilfe von Daten zum Fahrverhalten und Nutzungsmustern verschiedener
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6 Potenziale der Connected Cars für das datenbasierte Marketing
Funktionen kann eine gezielte Produktentwicklung vorgegeben werden. Gemeint ist damit, dass die Entwicklung neuer Produkte und Funktionen veranlasst wird, z. B. Gefahrenwarnung, oder dass bestimmte Teile, die durch ausgiebige Nutzung schneller verschleißen als geplant, nachgebessert bzw. ausgetauscht werden. Funktionen, die wenig oder gar nicht genutzt werden, können weggelassen werden. Somit können Kundenwünsche sowie -bedürfnisse zu neuen oder verbesserten Produkten bzw. Funktionalitäten führen und individuell befriedigt werden. Informationsgewinnung ersetzt Marktforschung Da die Automobilhersteller permanent Informationen der Connected-Car-Fahrer erhalten und mit diesen in ständigem Kontakt stehen, müssen sie keine aufwendige Marktforschung mehr betreiben, bei der es zu Problemen bei Repräsentativität, Aktualität, Objektivität, Reliabilität und Validität der Ergebnisse kommen kann. Die Daten müssen nicht mehr durch die Auskunftsbereitschaft der Befragten erhoben werden, sie fallen „automatisch“ an. Sicherheitsfunktionen Sicherheitsfunktionen und -systeme Zu den zahlreichen Sicherheitsfunktionen, die bereits heute in Connected Cars vorzufinden sind, zählen beispielsweise der eCall (emergency call oder automatischer Notruf), Bremsassistent sowie die Night Vision. In naher Zukunft sollen diese noch um Gefahrenwarnungen wie Unfall- oder Glatteiswarnungen ergänzt werden. All diese Sicherheitsfunktionen und -systeme eröffnen dem Marketing die Möglichkeit, dem Kunden ein entspanntes und unbeschwertes Fahrerlebnis anzubieten, das insbesondere für Vielfahrer interessant ist. Bis auf den gesetzlich vorgeschriebenen eCall handelt es sich bei den meisten Sicherheitssystemen um Zusatzausstattung. Durch diese Ausstattung steigt die Sicherheit im Straßenverkehr für jeden Teilnehmer, gleichzeitig helfen die zusätzlichen und Aufpreis pflichtigen Sicherheitssysteme den Automobilherstellern, ihre Umsätze und Ergebnisse zu steigern. Pannenhilfe und Diebstahlschutz Die Übertragung von GPS-Daten, die die Grundlage für einen funktionierenden eCall bilden, ist außerdem die Basis für Dienste wie die Pannenhilfe oder einen Diebstahlschutz. Mit der Pannenhilfe kann dem Kunden problemlos und schnell geholfen werden, da der Ort der Panne genau festzustellen ist. Eine permanente oder auf Abfrage des Eigentümers erfolgende Übertragung von Standort-Informationen an den Automobilhersteller würde einen Diebstahl nahezu unmöglich machen. Fahrassistenz Fahrassistenzsysteme wie Autopiloten, Stauassistenten oder das Platooning können dazu beitragen, den Kraftstoffverbrauch und Schadstoffausstoß zu senken. Platooning (elektronische Deichsel) sind die in der Entwicklung befindlichen Systeme für den Straßenverkehr, bei denen mehrere Fahrzeuge mithilfe eines technischen Steuerungssystems in sehr
6.3 Datenbasierte Marketingkonzepte
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geringem Abstand hintereinander fahren können, ohne dass die Verkehrssicherheit beeinträchtigt wird. Somit können ökologische Ziele, wie die Schonung von Ressourcen, die von den meisten Automobilherstellern in ihren Geschäftsmodellen verankert sind, eher erreicht werden. Komfortfunktionen Neben den Sicherheitsaspekten können GPS-Daten auch anderweitig verwendet werden. Vorschläge über den Bordcomputer oder Apps zu Restaurants, Hotels, Sehenswürdigkeiten, die sich in der Nähe befinden, bieten dem Kunden einen Mehrwert, der über das eigentliche Fahren hinausgeht. Auch im Entertainment-Bereich ergibt sich die Gelegenheit, mit Kombination von GPS-Daten und persönlichen Daten des Smartphones (z. B. Lieblingskünstler) bestimmte, für den Fahrer besonders relevante Events, wie Konzerte, anzubieten. Bucht der Kunde dieses Event noch im Auto, könnte eine Provision vom Veranstalter an den Hersteller gezahlt werden.
6.3.2 Preispolitik Individueller Preis Beim Preis besteht, wie auch schon beim personalisierten Auto selbst, die Möglichkeit, dem Kunden einen individuellen Preis zu unterbreiten. Dieser kann beispielsweise von der Länge der Kundenbeziehung abhängen. Des Weiteren wäre es denkbar, für individuelle Service-Pakete auch individuelle Preise festzusetzen oder diese kostenlos anzubieten. Die Finanzierung müsste dann entweder bereits durch den Verkaufspreis oder durch Werbung im Auto gedeckt sein. Concierge-Service Durch die Verbindung des Connected Cars mit dem Internet eröffnen sich nicht nur für den Automobilhersteller zahlreiche Möglichkeiten zur Werbung. Der Concierge-Service, der 24 h am Tag verfügbar ist und Fragen beantwortet, Hotelbuchungen usw. übernimmt, greift auch auf GPS-Daten und gegebenenfalls auf den Bordcomputer zur Streckenprogrammierung zu. Bei BMW beispielsweise kostet dieser Service für drei Jahre 250 EUR. Over-the-Air-Updates Die angesprochenen Over-the-Air-Updates und die damit verbundenen Vorteile sollten, insbesondere sofern sie kostenpflichtig sind, kommuniziert werden, um für Kunden und Automobilhersteller den größtmöglichen Nutzen zu erzeugen.
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6 Potenziale der Connected Cars für das datenbasierte Marketing
6.3.3 Distributionspolitik Die Vernetzung von Automobilen untereinander und mit der Infrastruktur sowie die Anbindung an das Internet sorgen dafür, dass der Fahrer immer während der Fahrt ansprechbar ist. Automobilhersteller können somit neben den klassischen Kanälen des Marketings den Kunden direkt in seinem und über sein Automobil erreichen.
6.3.4 Kommunikationspolitik Neue Kommunikationskanäle Neue Kommunikationsplattform Die Vernetzung des Automobils und die Verbindung zum Internet eröffnen eine weitere Plattform für die Kommunikation. Die Automobilhersteller können bei Bedarf den Kunden individuell direkt während der Fahrt ansprechen und müssen nicht mehr auf E-Mail-Marketing oder Offline Instrumente setzen. Diese Ansprache sollte nicht in Textform ablaufen, sondern beispielsweise von einem Sprachcomputer vorgelesen werden, damit der Fahrer nicht abgelenkt wird. Auto als Third Place Neben der eigenen Wohnung (First Place) und dem Arbeitsplatz (Second Place) entwickelt sich das Auto durch passgenaue Angebote für viele Menschen zum Third Place. Früher erfüllten Autos nur das Mobilitätsbedürfnis und beförderten die Passagiere von A nach B. Im Laufe der Zeit erweiterten sich die Funktionen, man kann während der Fahrt telefonieren, Musik hören und E-Mails abrufen. Im Durchschnitt befindet der Mensch sich ca. 30 min pro Tag im Auto, aber die meisten würden nicht länger als notwendig darin ausharren. Diese Relevanzfalle der Mobilität wollen die Autohersteller in der Zukunft überwinden (Reidel 2017, S. 58). Die Unternehmen planen mit ihren Angeboten, eine größere Bedeutung im Leben der Nutzer als bisher zu erhalten und ein Teil des Alltags der Menschen zu werden, beispielsweise über das Smartphone. Damit wird die Emotionalisierung der Automobilmarken unterstützt.
Wenn das autonome Fahren realisiert ist, werden neue Nutzungsarten und Service-Welten jenseits der reinen Mobilität im Auto ermöglicht, Videokonferenzen, Media-Streaming, Online-Shopping oder Bezahlen und Bankgeschäfte. Jeff Williams, Chief Operating Officer bei Apple, sagte in diesem Zusammenhang, das Auto werde zum „ultimative mobile device“ (Reidel 2017, S. 58).
Mobile Marketing Durch die Integration des Smartphones und der damit verbundenen Übertragung aller Smartphone-Inhalte auf den Bordcomputer greifen sämtliche Mobile Marketing-Maßnahmen (Holland und Koch 2014, S. 432). Der Automobilhersteller hat hier keine Kontrolle, es kann somit, sofern das Smartphone des Nutzers
6.3 Datenbasierte Marketingkonzepte
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in das Connected Car integriert wird, jedes Unternehmen werbliche Botschaften während der Fahrt senden, sofern die rechtlichen Voraussetzungen (Permission) vorliegen. Einige Beispiele dafür sind E-Mail-Marketing, Location Based Marketing in Form von Apps (Voraussetzung ist, dass der Nutzer die Standortbestimmung und das Senden von Push-Benachrichtigungen zulässt) und digitale Audiowerbung von Anbietern wie Spotify. Beim E-Mail-Marketing im Connected Car müsste jedoch eine neue Darstellungsform entwickelt werden, die die gewünschten Informationen sehr kompakt bzw. in wenigen Sätzen oder Schlagwörtern im Head-Up-Display oder im Bordcomputer darstellt, damit der Fahrer nicht abgelenkt wird. Eine weitere Möglichkeit wäre der Einsatz eines Sprachcomputers, der die E-Mail vorliest. Bordcomputer als neuer Kommunikationskanal Abgesehen von den Möglichkeiten für das Marketing, die die Integration des Smartphones mit sich bringt, ist der Bordcomputer ein neuer Kanal für die Kommunikation, der verschiedene Anwendungen und Medienformate ausspielen kann. Dies können bereits etablierte Kanäle wie E-Mail, Mobile Messenger oder Push-Nachrichten aus Apps sein, aber auch die Entwicklung vollständig neuer Formate ist denkbar. Push-Benachrichtigungen von Apps können vielfältig eingesetzt werden. Ein Beispiel ist die Zusendung eines Rabattcodes, wenn sich das Fahrzeug einer Tankstelle nähert. Digitale Audiowerbung, die insbesondere von Streaming-Diensten wie Spotify angeboten wird, ermöglicht es Unternehmen, Kunden während der Fahrt zu erreichen. WLAN-Hotspot Neben Maßnahmen, die durch die Smartphone-Integration funktionieren, bietet der WLAN-Hotspot im Connected Car, der beispielsweise bei BMW mithilfe einer vom Smartphone unabhängigen Sim-Karte ermöglicht wird, diverse Optionen für das Marketing. Diese permanente Internetverbindung hat zur Folge, dass der Automobilhersteller ständig in direktem Kontakt mit seinen Kunden stehen kann. Wenn der Automobilhersteller beispielsweise mit Fashion-Anbietern zusammenarbeitet, könnte der an einem Modestück interessierte Fahrer dieses per Sprachbefehl bestellen, in der Filiale bereitlegen lassen oder es beispielsweise zu sich nach Hause liefern lassen (Bundesverband Digitale Wirtschaft 2016, S. 5). Maßnahmen der Kommunikationspolitik Werkstattservice Dienste wie ein Werkstattservice, der beispielsweise bei fälligem Service dem Kunden einen Termin vorschlägt oder diesen gegebenenfalls anruft und einen Termin vereinbart, gewährleisten dem Kunden eine individuelle Betreuung sowie Beratung. Neben den Service-Terminen kann wetterbedingt beispielsweise auch das Umrüsten der Reifen von Sommer- auf Winterreifen oder umgekehrt vorgeschlagen werden. Ferndiagnose Die Ferndiagnose, die mithilfe der übertragenen Daten Fehlerursachen feststellen kann und somit den Reparaturprozess, bestehend aus Fehlersuche, -behebung
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6 Potenziale der Connected Cars für das datenbasierte Marketing
und eventueller Ersatzteilbestellung beschleunigt, trägt zu einer intensiveren Kundenbindung bei. Bestandteil der Ferndiagnose kann auch predictive maintenance sein, wobei potenziell auftretende Probleme an bestimmten Teilen des Automobils vorhergesagt werden können. Over-the-Air-Updates Over-the-Air-Updates der Software führen dazu, dass sich der Kunde vom Hersteller wertgeschätzt fühlt, da sich dieser aktiv um seine Bedürfnisse kümmert. Zufriedene und loyale Kunden sind eine Voraussetzung für einen gesteigerten Umsatz. Zudem ermöglicht eine ständige Kommunikation und Zufriedenheitskontrolle mit dem bzw. des Kunden, Mangelzustände schnell aufzudecken und zu beseitigen. Diese Faktoren sorgen für eine langfristige Kundenbeziehung. Location-based Communication Für die Location-based Communication gibt es zwei Anwendungsmöglichkeiten. Die erste Anwendung „ist die dynamische Anpassung der Regelkommunikation an den Standort“ (Bundesverband Digitale Wirtschaft 2016, S. 5). Diese würde dem Fahrer, sofern dieser z. B. einen Newsletter eines Modeunternehmens abonniert hat und diesen während der Fahrt öffnet, die Sonderangebote der nächst gelegenen Filiale präsentieren. Ein solches Angebot könnte zeitlich begrenzt sein (nur gültig innerhalb der nächsten vier Stunden), bei Interesse an dem Angebot kann das Navigationssystem die Route automatisch einprogrammieren. Die zweite Anwendungsmöglichkeit betrifft das Location-basierte Triggern. Nähert sich ein Fahrer mit seinem Auto beispielsweise einem Supermarkt auf einen Kilometer, dann erhält dieser eine Nachricht. Angebote können an die einprogrammierte Strecke angepasst werden. Diese Methode wird durch Integration personenbezogener Daten besonders effektiv.
6.3.5 Kundensegmentierung Anhand der Big Data kann beispielsweise mit der Clusteranalyse eine Zielgruppensegmentierung durchgeführt werden, um eine Vielzahl von unterschiedlichen Elementen in Gruppen oder Cluster zusammenzufassen, die mit einem differenzierten Marketing angesprochen werden. Durch die gezielte Ansprache der Kunden wird das Massenmarketing (z. B. TV-Werbung) immer mehr überflüssig. Geringere Streuverluste führen automatisch zu einer Verringerung von Marketingkosten und zu einer gesteigerten Profitabilität. Zudem entstehen bei der Clusteranalyse keine zusätzlichen Kosten für die Datenerhebung, da diese auf vorhandene Kundeninformationen zurückgreift.
6.4 Trenderkennung
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Besitzerwechsel Die Daten aus Connected Cars schaffen die Möglichkeit zu erkennen, wann es einen dauerhaften Besitzerwechsel des Autos gibt. Dadurch erhalten Automobilhersteller einen umfassenden Blick auf den Gebrauchtmarkt und die Käufer von Gebrauchtwagen. Gebrauchtwagenkunden sollten schnellstmöglich erkannt werden, um diesen, wie schon den Neuwagenkäufern, personalisierte und individualisierte Angebote zukommen zu lassen. Chance und Ziel neben der Identifikation für das Marketing ist es, die Gebrauchtwagenkunden an das Unternehmen zu binden. Erst Connected Cars machen es möglich, dass Automobilhersteller unverzüglich in einen ausgeprägten Dialog mit Käufern von gebrauchten Automobilen eintreten können. Mit den kostenpflichtigen Service-Diensten können Automobilhersteller, abgesehen von Inspektionen etc., zudem mehr am Gebrauchtwagenmarkt partizipieren als je zuvor. Wechselgefährdete Kunden Mithilfe von Big Data kann frühzeitig auf Kunden eingegangen werden, bei denen die Gefahr besteht, dass sie ein Auto der Konkurrenz kaufen wollen. Solchen Kunden könnten besonders attraktive Angebote unterbreitet werden, die sie überzeugen, den Automobilhersteller nicht zu wechseln. Zudem lassen sich verlorene Kunden und die Wechselgründe schnell bestimmen. Die Hersteller können zudem versuchen, zur Konkurrenz gewechselte unzufriedene Kunden zurückzugewinnen. Tritt der Fall ein, dass ein Kunde nur bestimmte Service-Dienste/Pakete kündigt, gilt es ebenfalls zügig zu reagieren, um eine hohe Rückgewinnungsquote zu erzielen. Unprofitable Kunden Bei unprofitablen Kunden kann die Entscheidung getroffen werden, diese nicht weiter zu betreuen. Ein Beispiel dafür wäre ein wiederholter Motorschaden in der Garantiezeit, explizit ausgelöst durch den Fahrer. Es ist für die Hersteller wichtig, die besonders profitablen Kunden zu identifizieren und sich auf diese zu konzentrieren.
6.4 Trenderkennung Predictive Analytics Zur frühzeitigen Trenderkennung werden oftmals Predictive Analytics genutzt. Predictive Analytics ist eine Technologie, die aus Erfahrungen in Form von Daten lernt, das zukünftige Verhalten von Individuen vorherzusagen (Siegel 2016, S. 152). Abgesehen von predictive maintenance findet diese Technologie auch bei predictive collision avoidance, Cyber-Security und Auslastungs- sowie Absatzprognosen Anwendung. Bei der predictive collision avoidance werden Abstand und Geschwindigkeit zu den vorausfahrenden Fahrzeugen gemessen. Bremst eines dieser Fahrzeuge, gibt es ein visuelles und akustisches Warnsignal. Für die Cyber Security in Autos können
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6 Potenziale der Connected Cars für das datenbasierte Marketing
Predictive Analytics genutzt werden, indem sie bestimmte vom Nutzer differierende Verhaltensmuster von nicht autorisierten Nutzern erkennen und abwehren. Erkennen von Trends Ziel der Predictive Analytics im Automotive Bereich muss auch ein frühzeitiges Erkennen von Trends sein, das sich beispielsweise darin äußert, welches Produkt oder welchen Service ein Kunde in Zukunft kaufen möchte. Hierzu sollten neben Connected Car generierten Daten auch Daten aus anderen Quellen (Social Media etc.) mit einbezogen werden. Durch das Vorhersagen von Kundenwünschen kann der Bereich Forschung & Entwicklung genau auf die Bedürfnisse der Kunden mittels Produktverbesserungen und -neuerungen eingehen. Fehlerhafte Teile können frühzeitig erkannt, optimiert und ausgetauscht werden. Nachfrageprognosen, predictive maintenance etc. werden die Kosten im Vertrieb und der Logistik (z. B. für die Lagerhaltung) verringern. Außerdem können Lieferzeiten für Fahrzeuge reduziert werden.
6.5 Weitere mögliche Nutzer von Connected Car Data 6.5.1 Zulieferer Es besteht ein großes Interesse Dritter an Connected-Car-Daten und den damit möglichen vielzähligen Anwendungsmöglichkeiten. Zu diesen Dritten zählen Zulieferer, Versicherer, Telekommunikationsunternehmen und Verwaltungs- und Strafverfolgungsbehörden. Um die Entwicklung von Connected Cars voranzutreiben, müssen Automobilhersteller und Zulieferer enger kooperieren als je zuvor. Ziel ist es, nicht nur einheitliche Standards festzulegen, sondern auch auf die Kundenwünsche einzugehen. „Um bei der nächsten Entwicklungsgeneration marktführend zu sein, müssen Original Equipment Manufacturer (OEMs) und Zulieferer Hand in Hand bedarfsgerechte Servicepakete schnüren und diese für ein nahtloses Kundenerlebnis im Fahrzeug bereitstellen“ (Pierre Audoin Consultants 2015). Diese Ziel kann erreicht werden, wenn Zulieferer wenigstens einen teilweisen Einblick in Connected-Car-Daten bekommen, denn nur mit tatsächlichen Informationen über Kunden- und Nutzungsverhalten können Zulieferer letztendlich ihre eigenen Produkte und Services, die Bestandteil des Endprodukts Auto sind, verbessern. Des Weiteren sind Daten der Connected-Car-Nutzer für Zulieferer interessant, um wie auch die Automobilhersteller selbst ihre Geschäftsprozesse, beispielsweise in der Logistik, zu optimieren. Abb. 6.2 fasst den Nutzen von Daten zusammen, die durch Connected Cars gewonnen werden, und zeigt, welche Unternehmen und Organisationen davon profitieren können.
6.5 Weitere mögliche Nutzer von Connected Car Data
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Abb. 6.2 Nutzer von Connected Cars Daten
6.5.2 Versicherer Versicherungstelematik Die Versicherungstelematik ermöglicht eine nutzungsbasierte Berechnung des Versicherungstarifs für ein Fahrzeug durch die Nutzung von Telematiksystemen (Verschmelzung von Telekommunikations- und IT-Systemen). Basis für diese usage-based Tarife in der Versicherung ist eine Datenbox, die freiwillig von Kunden installiert wird. Diese Datenbox zeichnet permanent Daten über das Fahrverhalten auf und sendet diese dann an den Versicherer. Weitere Möglichkeiten, auf die Fahrdaten zuzugreifen, bietet die Nutzung des Smartphones des Fahrers, beispielsweise mit einer App oder dadurch, dass Nutzer und Automobilhersteller Versicherern den Zugriff auf die Fahrdaten gewähren. Mercedes bietet seinen Kunden an, mithilfe von Versicherungstelematik bis zu 30 % der Versicherungsprämie einzusparen. Pay-as-you-drive-Tarife Die Pay-as-you-drive-Tarife bewerten die Fahrweise mit Hilfe von Kriterien wie Geschwindigkeit, Beschleunigung, Bremsverhalten, Lenkverhalten, Fahrzeit, vorwiegend genutzte Wege (Stadtverkehr, Autobahn, Landstraßen, …) usw. So erhöhen hohe Geschwindigkeiten beispielsweise das Unfallrisiko, ebenso kann bei häufigem harten Bremsen davon ausgegangen werden, dass der Fahrer einen offensiven Fahrstil hat. Auch weist derjenige, der häufig bei Nacht fährt, ein höheres Unfallrisiko auf. Die Kriterien variieren im Einzelnen von Versicherer zu Versicherer; die genannten zählen zu denen, die am häufigsten verwendet werden.
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6 Potenziale der Connected Cars für das datenbasierte Marketing
Bei einer aus Sicht der Versicherer risikominimierten Fahrweise kann der Versicherte entweder Rabattierungen oder Prämien-Rückvergütungen erhalten. Auf der anderen Seite kann eine aggressive und damit risikosteigernde Fahrweise zur Erhöhung des Versicherungsbeitrags bis hin zur Kündigung des Versicherungs-Vertrags führen. Telematik-Box Eine fest eingebaute Datenbox kann neben der Aufzeichnung von Fahrdaten, ähnlich wie der ab dem Jahr 2018 verpflichtende eCall (Emergency Call), Unfälle und den Unfallstandort sofort an Rettungskräfte weiterleiten. Zudem kann eine Telematik-Box, ähnlich wie eine Black-Box bei Flugzeugen, Aufschluss über das Entstehen von Unfällen liefern. Damit werden die Rekonstruktion von Unfällen und die Klärung der Schuldfrage vereinfacht. Versicherungsbetrug wird durch eine Telematik-Box, die permanent Daten an den Versicherer überträgt, erschwert. Gestohlene Autos können mithilfe der GPS-Daten schneller wiedergefunden werden.
6.5.3 Telekommunikationsunternehmen Service-Dienste, die auf die Vernetzung von Automobilen zurückgreifen, werden nicht nur von den Automobilherstellern angeboten, sondern auch von Telekommunikationsunternehmen. So bietet beispielsweise Vodafone in Kooperation mit Porsche drei unterschiedliche Service-Pakete an. Hierbei wird eine App mit dem Bordcomputer gekoppelt. Je nach Paket sind dann der remote-Zugriff auf das Fahrzeug, Sicherheitsservices oder Security Services verfügbar. Um diese Funktionen dem Kunden zu ermöglichen, greift die App auf die Fahrzeugdaten zu. Telekommunikationsunternehmen wie die Telekom stellen der Automobilindustrie Konnektivität, Cloud-Infrastrukturen und Telematik-Dienste zur Verfügung und ermöglichen somit die Vernetzung des Fahrzeugs mit dem Fahrer, den Herstellern, den Werkstätten und der Infrastruktur. Autodata ist für Telekommunikationsunternehmen interessant, da sie durch deren Analyse ihre Strukturen und Services verbessern können.
6.5.4 Verwaltungs- und Strafverfolgungsbehörden Mautsysteme Für Verwaltungsbehörden bietet die immer stärker voranschreitende Vernetzung von Automobilen die Möglichkeit, Mautsysteme für Lkws und Pkws zu optimieren. Mithilfe ständiger Übertragung von GPS-Daten über den aktuellen Standort bzw. die Fahrstrecke des Fahrzeugs könnte in Zukunft automatisch der entsprechende Mautbetrag direkt über den Bordcomputer abgebucht werden. Eine solche Vorgehensweise würde Mautstellen und das entsprechende Personal überflüssig machen und zu einer Kostenersparnis beitragen. Schwarzfahren könnte durch die automatische Abbuchung gänzlich vermieden werden.
6.6 Monetarisierung der Connected Car Data
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Anpassung der Verkehrsinfrastruktur Daten über Verkehrsaufkommen oder Unfallhäufigkeiten an bestimmten Straßen könnten von Verwaltungsbehörden genutzt werden, um die Verkehrsinfrastruktur entsprechend anzupassen (z. B. mit Geschwindigkeitsbegrenzungen). Die Funktion, die Straßen sowie Wetterverhältnisse analysiert und auf Car-to-Car-Kommunikation basiert und in naher Zukunft eingeführt werden soll, könnte beispielsweise den Einsatz von Straßenräumdiensten optimieren. Strafverfolgungsbehörden Ähnlich wie bei den Versicherern ist Autodata auch für Strafverfolgungsbehörden von großem Interesse. Die Unfallrekonstruktion und die damit einhergehende Klärung der Schuldfrage sind für Strafverfolgungsbehörden wie auch für Versicherer von Bedeutung. Auch zur Verbrechensaufklärung, sofern ein Automobil involviert ist, wäre das Auslesen von Connected Car Data hilfreich. Mit einer ständigen Übertragung von Fahrdaten bezüglich der Fahrweise an Strafverfolgungsbehörden könnten Verkehrssünder effektiver bestraft werden. In den vorbeschriebenen Fällen ist die Verwendung der Daten durch Strafverfolgungsbehörden allerdings äußerst kritisch zu sehen, da sie den wesentlichen Grundsatz unseres Rechts verletzen würde, dass niemand sich selbst belasten muss. Die Entwicklung hin zum gläsernen Autofahrer wird daher insbesondere von Datenschützern bekämpft. Mögliche weitere Zukunftsszenarien sind, dass die Strafverfolgungsbehörde im Notfall von außen die Kontrolle über ein Fahrzeug übernimmt und dieses zum Stehen bringt. Notwendig könnte eine solche Nutzung beim Stoppen von Falschfahrern oder flüchtigen Kriminellen oder Terroristen sein.
6.6 Monetarisierung der Connected Car Data McKinsey unterscheidet bei der Monetarisierung von Connected Car Data drei Modelle der Wertschöpfung: Generierung von Einnahmen, Kostensenkungen und verbesserte Sicherheit (McKinsey&Company 2016, S. 12). Generierung von Einnahmen Beispiele für die direkte Monetarisierung sind das Verkaufen von Produkten und Services an den Kunden (z. B. Concierge Service). Diese Funktionen sind entweder kostenlos und werden dann finanziert durch Werbung oder Verkauf der Daten, sie sind bereits im Kaufpreis enthalten oder basieren auf Abonnement-Modellen. Maßgeschneiderte Werbung, wie z. B. das Location-Based-Advertising, zählen ebenfalls zu diesem Ansatz. Der Verkauf der Daten an Dritte bietet eine weitere Chance, schnell Umsätze zu generieren (McKinsey&Company 2016, S. 12).
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6 Potenziale der Connected Cars für das datenbasierte Marketing
Kostensenkungen Kostensenkungen können beispielsweise bei Forschung und Entwicklung erzielt werden, indem ständig Daten gesammelt und analysiert werden, die entscheidende Hinweise zu Produktverbesserungen liefern. Auch die Kosten des Kunden können durch P AYD-Tarife (pay as you drive), predictive maintenance und Optimierung der Fahrweise gesenkt werden. Die Verbesserung der Kundenzufriedenheit durch eine optimierte Anpassung des Produkts an die Kundenwünsche bietet weitere Möglichkeiten der Kostensenkungen (McKinsey&Company 2016, S. 12). Verbesserte Sicherheit Mit der verbesserten Sicherheit ist „Reducing time for intervention“ gemeint (McKinsey& Company 2016, S. 12). Das ständige Sammeln und Übertragen von Daten und die damit einhergehenden Funktionen wie der eCall sind Bestandteil dieses Modells, das eine schnelle Reaktion in Notfällen ermöglicht.
6.7 Fazit und Ausblick Der Automobilmarkt steht mit den derzeitigen Entwicklungen zum vernetzten, elektrischen und autonomen Fahrzeug im Umbruch und in diesem Wandel bietet das Connected Car zahlreiche Chancen für die Automobilbranche. Mit der Vernetzung von Fahrzeugen und der ständigen Übertragung von Daten entsteht die Möglichkeit, ständig mit dem Kunden im Kontakt zu stehen und somit optimal dessen Wünsche, ob diese nun vom Kunden selbst oder indirekt über seine Daten kommuniziert werden, zu befriedigen. Für die Automobilhersteller ergeben sich diverse neue Einnahmequellen bei gleichzeitiger Möglichkeit, das Fahrerlebnis ihrer Kunden sicherer und komfortabler gestalten zu können. Folglich sorgt die Vernetzung von Fahrzeugen auf der einen Seite dafür, dass Unternehmen ihre Kunden immer besser kennenlernen und sie auch immer individueller, beispielsweise mit personalisierten Angeboten, ansprechen können. Auf der anderen Seite haben Kunden die Möglichkeit, ein neues optimiertes Fahrgefühl zu erfahren.
Traditionelle Automobilhersteller müssen sich jedoch schneller an die Digitalisierung und die damit verbundenen kürzeren Produktlebenszyklen anpassen, um auch noch in Zukunft gegen Technologie-Unternehmen wie Apple und Google, die immer stärker in den Automobilmarkt drängen, bestehen zu können.
Wertschöpfungsketten müssen neu erfunden oder zumindest überdacht und aktualisiert werden. Fraglich ist, wie der Staat auf diese technischen Entwicklungen reagieren wird und ob der „Datensammelwut“ der Unternehmen gesetzlich Einhalt geboten wird und wie weitreichend dies gehen wird. Dafür sind zunächst offene Fragen zu klären, beispielsweise wem eigentlich die Daten gehören. Werden hier vom Gesetzgeber nicht die
Literatur
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entsprechenden Grundlagen geschaffen, wird der Autofahrer früher oder später zum „gläsernen Kunden“. Ist es dann zusätzlich noch dem Staat möglich, auf Fahrdaten zuzugreifen, ist ein großer Schritt hin zum Überwachungsstaat getan.
Letztlich sollte jeder einzelne Kunde selbst dazu befähigt werden zu entscheiden, welche Daten er, ob anonymisiert oder nicht, an wen überträgt. Nur so kann die Privatsphäre des Einzelnen geschützt werden, ohne den technischen Fortschritt einzuschränken.
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6 Potenziale der Connected Cars für das datenbasierte Marketing
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Dialogmarketing und Connected Cars
Zusammenfassung
Dialogmarketing umfasst alle Marketinginstrumente, die eingesetzt werden, um eine gezielte und direkte Interaktion mit Zielpersonen aufzubauen und dauerhaft aufrecht zu erhalten, und hat das Ziel, eine messbare Reaktion (Response) auszulösen. One-to-One Marketing ist die individuellste Form von Dialogmarketing, dabei steht die Gestaltung der Beziehung mit der einzelnen Person im Vordergrund. Die Entwicklungen der letzten Jahre haben die Einsatzmöglichkeiten des Dialogmarketings und die Palette der nutzbaren Medien ausgeweitet. Durch den technischen Fortschritt und die Kreativität der Anwender entwickeln sich ständig neue Dialogmedien. Das crossmediale Dialogmarketing, und dabei speziell die Integration von Online- und Offline-Medien, führt zu einer Verstärkung der Kommunikationswirkung. Das Resultat sind messbare ökonomische Variablen und psychologische Effekte. Das Connected Car kann, ähnlich dem Smartphone, als ein mobiles Endgerät betrachtet werden und damit in die Kategorie Mobile Marketing eingeordnet werden. Mobile Marketing beschreibt die Marketingaktivitäten auf mobilen Endgeräten und stellt eines der Instrumente von Online-Marketing dar. Eine Personalisierung der Nachrichten und Marketingbotschaften an den Kunden im Rahmen des Dialogmarketings bzw. One-toOne Marketings kann nur durch die Erhebung von relevanten Kundendaten stattfinden. Die Kombination verschiedener Daten ermöglicht es dem Automobilhersteller Inhalte von Relevanz und Interesse für den Kunden zu präsentieren. In diesem Kapitel werden Hypothesen aufgestellt und bewertet, die den Einsatz des One-to-One Marketing in Verbindung mit Connected Cars konkret untersuchen sollen.
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 H. Holland, Dialogmarketing und Kundenbindung mit Connected Cars, https://doi.org/10.1007/978-3-658-22929-0_7
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7 Dialogmarketing und Connected Cars
7.1 Entwicklung des Marketings Die Entwicklung des Marketings von den Anfängen bis zu den aktuellen Formen stellt die Tab. 7.1 dar. Damit soll das Marketing für und mit Connected Cars in einen übergeordneten Zusammenhang gestellt werden. Marketing Marketing als „Etwas auf den Markt bringen“ gesehen, ist eine der ältesten Tätigkeiten der Menschen. Tauschhandel und Arbeitsteilung führten zu lokalen Märkten, auf denen eine direkte Kommunikation zwischen Anbieter und Nachfrager stattfand – es wurde
Tab. 7.1 Von Märkten zu Internet of Things Trend
Implikationen für Unternehmen
Implikationen für Marketing
Lokale Märkte
Kleinstbetriebe mit Marketing = etwas auf direktem Kontakt zum den Markt bringen, Kunden vermarkten
Direkte Kommunikation zwischen Anbieter und Nachfrager, Verhandlungen auf Märkten
Industrialisierung
Massenproduktion, economics of scale
Massenmedien: Print, Radio, TV
Kontakt zum Kunden geht verloren: one-to-many-Kommunikation
Persönliche Kontakte
Kleinbetrieblicher Handel („Tante Emma-Läden“)
Steigende Bedeutung Renaissance der persönder direkten, lichen Kommunikation, individuellen Ansprache Kundenbindung
Implikationen für Kommunikation
Individualisierung, Unternehmen suchen Differenzierung den direkten Kontakt
Direkt-, DialogDirekte Kommunikamarketing, One-to-One- tion zwischen Anbieter Marketing und Nachfrager durch Mailings, Telefon und klassische Medien (Print, Radio, TV) mit Responseelement
Internet
Globalisierung, Informationstransparenz
Neue Formen der Kommunikation
Responsefähige OnlineMedien: www, E-Mail, etc.
Mobile
Ständiger Kontakt
Mobile Marketing Mobile Web
Orts- und zeitunabhängige Kommunikation, allways-on
Web 2.0
User generated Marke- Direkte ting, Crowdsourcing Kommunikation auch zwischen den Kunden
Social Media
Internet of Things → Connected Cars
Vernetzung, Konnektivität
Kommunikation mit und zwischen „Dingen“
Big Data
7.1 Entwicklung des Marketings
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auf Märkten gefeilscht und gehandelt. Hier wurden Informationen ausgetauscht und hier fand ein großer Teil des sozialen Lebens statt. Durch die Industrialisierung und Massenproduktion ging der Kontakt zum Kunden verloren. Die Unternehmen produzierten und versuchten, durch große Stückzahlen (economics of scale) eine Degression der Fixkosten zu erreichen. Es bestand die Gefahr, den Kunden als „anonyme Masse“ zu sehen und ihn durch Massenmedien in einer One-to-Many-Kommunikation anzusprechen. Der direkte Kontakt zum Kunden wurde von den Herstellern an den Handel abgetreten. Der kleinbetriebliche Handel („Tante Emma Läden“, Nachbarschaftsläden) pflegte den direkten Kontakt zum Kunden, kannte dessen Bedürfnisse und konnte ihn namentlich ansprechen, dadurch konnte eine persönliche Kundenbeziehung und -bindung aufgebaut werden. Dialogmarketing Der Trend zu einer immer stärkeren Individualisierung und Differenzierung führte zur Ausbildung einer Fragmentierung der Märkte. Die enger werdenden Nischen ließen die Unternehmen erkennen, dass die Methoden des Massenmarketings und der Massenmedien nicht mehr geeignet sind und zu großen Streuverlusten führen. Die Unternehmen strebten zurück zu den direkten Kontakten zu ihren Kunden, durch zunächst Werbebriefe, Telefonmarketing und andere Medien, die eine direkte Reaktion und Kontaktaufnahme zuließen. Der Handel führte Kundenkarten und -clubs ein und versuchte so, die Vorteile der direkten Kommunikation nach dem „Tante Emma-Prinzip“ für sich zu nutzen. Direkt-, Dialog- und One-to-One Marketing blühten auf. Internet, Mobile und Social Media Der Durchbruch des Internets beschleunigte diese Entwicklung. Neue Formen der Kommunikation, beispielsweise E-Mail, erleichterten die globale Kommunikation und führten zu einer enormen Informationstransparenz. Der Siegeszug der mobilen Telefone und später der Smartphones erlaubten eine ständige, orts- und zeitunabhängige Kommunikation, dies fand seinen Einsatz im Mobile Marketing. Der Trend zum Web 2.0, oder „Mitmach-Internet“, erleichterte die Kommunikation zwischen Anbieter und Nachfrager, vor allem aber auch zwischen den Konsumenten. Das Marketing wurde teilweise auf die Crowd (Crowdsourcing und User generated Marketing) verlagert. Die Unternehmen, die noch zögerten, die direkte Kommunikation mit ihren Kunden einzugehen, wurden durch die Macht der Social Media praktisch dazu genötigt. Internet of Things und Connected Cars Die jüngste Entwicklung im Marketing wird durch das Internet of Things geprägt. Nicht nur die Computer und Smartphones sondern immer mehr Geräte und Dinge werden mit dem Internet verbunden. Die Vernetzung erreicht neue Dimensionen, die entstehenden Daten erfordern neue Technologien, wie Big Data und Künstliche Intelligenz.
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7 Dialogmarketing und Connected Cars
Ein Teilbereich des Internet of Things stellen die Connected Cars dar, mit denen sich das vorliegende Buch beschäftigt.
7.2 Dialogmarketing 7.2.1 Dialogmarketing und One-to-One Marketing Dialog statt Monolog Zum besseren Verständnis von One-to-One Marketing sollen zunächst Direktmarketing und Dialogmarketing definiert werden. Direktmarketing nutzt die einstufige, direkte Kommunikation, um Zielpersonen individuell und persönlich zu erreichen. Der Wert eines jeden einzelnen Kunden für das Unternehmen, der sogenannte Kundenwert, soll durch diese Bindung des Kunden an das Unternehmen gesteigert werden (Holland 2016, S. 11). Statt auf den Monolog des Klassischen Marketings wird nun auf den Dialog mit den (potenziellen) Kunden gesetzt. Dialogmarketing Aus dem Direktmarketing hat sich im Laufe der Zeit, und insbesondere durch das Internet und dessen neue Möglichkeiten zum Dialog zwischen Kunde und Unternehmen, das Dialogmarketing entwickelt. Ist das Direktmarketing noch stark auf eine, mitunter einmalige, Response durch den Kunden ausgerichtet, hat Dialogmarketing das Ziel einer längerfristigen Kommunikation und Interaktion.
Dialogmarketing umfasst alle Marketinginstrumente, die eingesetzt werden, um eine gezielte und direkte Interaktion mit Zielpersonen aufzubauen und dauerhaft aufrecht zu erhalten, und hat das Ziel, eine messbare Reaktion (Response) auszulösen (Holland 2016, S. 12).
Mit dieser Definition, die auch das Ziel der Kontaktherstellung beinhaltet, lassen sich neben dem Werbebrief (Mailing) als Ausgangspunkt des Dialogmarketings auch viele weitere Medien zum Dialogmarketing zählen, wie beispielsweise die Response-Anzeige und die vielfältigen Online-, Mobile- sowie die Sozialen Medien. Fragmentierte Zielgruppen Das heutige Dialogmarketing ist vor allem dadurch entstanden, dass in den letzten 30 bis 40 Jahren ein Wandel vom Verkäufer- zum Käufermarkt stattgefunden hat. Das heißt, individuelle Käuferanforderungen bestimmen mehr und mehr den Markt und standardisierte Massenprodukte haben ausgedient. Fragmentierte Zielgruppen und Nischenmärkte dominieren das heutige Marktumfeld. Dies gilt nicht nur für den Automobilmarkt, sondern für fast alle anderen Märkte gleichermaßen. Infolgedessen musste Änderungen nicht nur an den Massenprodukten selbst, sondern auch an dem Kommunikationsprinzip One-to-Mass vorgenommen werden.
7.2 Dialogmarketing
159
In der Kommunikation fand demnach eine Transformation statt: Weg von der undifferenzierten Massenansprache hin zu einer spezifischen, individualisierten Kundenansprache. Die Kommunikation wurde also einem One-to-One-Prinzip angenähert. Dies begründet die Entstehung des Dialogmarketings. Der Trend zur Individualisierung wurde folglich nicht nur beim Produkt selbst, sondern auch im Marketingumfeld realisiert (Kreutzer 2016, S. 10). Tante Emma-Prinzip Der Grundgedanke des Dialogmarketings lässt sich sehr anschaulich durch das „Tante Emma-Prinzip“ erläutern. Als „Tante Emma“ wird hier die Inhaberin eines kleinen Lebensmittelgeschäfts, eines Nachbarschaftsladens, bezeichnet. Zwar wurde diese Handelsbetriebsform durch die Großbetriebsformen weitgehend verdrängt, jedoch hatte sie einige Vorteile im Kundenkontakt. „Tante Emma“ kannte ihre Kunden und konnte sie mit Namen ansprechen. Sie kannte ihr Einkaufsverhalten und kommunizierte individuell mit ihren Kunden. Auf diese Weise baute sie eine intensive Kundenbindung auf. Diese Kundenbeziehung der „Tante Emma“ soll im Dialogmarketing nachempfunden werden. Der Kunde wird nicht mehr als anonymer Kunde behandelt, sondern durch Interaktives Marketing mit messbaren Kontakten entsteht eine Beziehung. Bei zunehmendem Geschäftsvolumen muss das Gedächtnis von „Tante Emma“ durch technische Hilfsmittel, beispielsweise Datenbanken, unterstützt werden. Durch Dialogmarketing-Aktionen wird der Kunde direkt und gezielt angesprochen. Die Reaktionen werden erfassbar und können in Kundendatenbanken ausgewertet werden. One-to-One Marketing One-to-One Marketing, auch als Individualmarketing bezeichnet, ist die individuellste Form von Dialogmarketing, denn bei ihr steht die Gestaltung der Beziehung mit der einzelnen Person im Vordergrund (Holland 2014, S. 18). Die Abb. 7.1 zeigt den Unterschied zwischen klassischem Marketing und Dialogmarketing. Dieser liegt insbesondere in der Steigerung der Loyalität des Kunden und weniger in der breiten Aufmerksamkeit undifferenzierter Massen. Massenmarketing versus One-to-One Marketing Der Vergleich zwischen Massenmarketing und One-to-One Marketing macht weitere Unterschiede deutlich. Massenmarketing zeichnet sich durch eine geringe Individualisierung der Unternehmensleistung und eine fehlende direkte Interaktion mit dem Kunden aus. Die Ansprache einer möglichst hohen Personenzahl erfolgt dabei mit standardisierten Werbebotschaften. Die Identität der einzelnen adressierten Personen bleibt dem Unternehmen unbekannt und erlaubt keine individualisierte Ansprache. Als Folge werden Kunden mit für sie nicht relevanter Werbung konfrontiert, wodurch sie überfordert werden können. Beim One-to-One Marketing wird demgegenüber jeder Kunde identifiziert und kann, auf Basis der über ihn bekannten Daten, individuell angesprochen werden. One-to-One
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7 Dialogmarketing und Connected Cars
Abb. 7.1 Dialogmarketing als Instrument zur Steigerung der Loyalität der Kunden. (Quelle: Aus Holland 2016, S. 18; mit freundlicher Genehmigung von © Vahlen Verlag 2016. All Rights Reserved)
Abb. 7.2 Entwicklung von Massenmarketing zu One-to-One Marketing. (Quelle: Aus Becker 2002, S. 907; mit freundlicher Genehmigung von © Vahlen Verlag 2002. All Rights Reserved)
Marketing bietet die Möglichkeit zur Kommunikation und Interaktion mit jedem einzelnen Kunden auf Basis eines bidirektionalen Dialogs. Die Kunden können Nachrichten nicht nur empfangen, sondern sollen auch eine Response geben. Diesen Zusammenhang stellt die Abb. 7.2 dar, welche die Individualisierung der Ansprache und der Leistung von undifferenziertem Massenmarketing hin zu One-to-One Marketing zeigt.
7.2 Dialogmarketing
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Austauschbarkeit von Produkten Nicht nur der Individualisierungstrend, sondern auch die zunehmende Austauschbarkeit von Produkten, die sich auch in der Automobilbranche immer mehr angleichen, führt dazu, dass sich Unternehmen vor allem über die Kommunikation differenzieren müssen. Oftmals sind Produkte oder Angebote von Features und Design her kaum noch zu unterscheiden. Darüber hinaus lässt sich der Trend einer schwindenden Kundenloyalität feststellen. Das heißt, Kunden wählen aus Produkten meist opportunistisch und frei von Markenloyalität das für sie geeignetste Angebot aus. Die abnehmende Kundenloyalität ist eine große Gefahr für Unternehmen, welcher mit einem gezielten Dialogmarketing entgegengesteuert werden kann. Informationsüberlastung In den letzten Jahren ist zu erkennen, dass Verbraucher einer gigantischen Informationsflut ausgesetzt sind. Durch die Entstehung der neuen Medien und sozialen Netzwerke hat die Informationsflut in den letzten Jahren exponentiell zugenommen. Durch die Vielzahl mobiler Endgeräte sind zahlreiche neue Kanäle entstanden, auf denen Verbraucher mit Informationen überschüttet werden können. Diese Informationsüberflutung hat zur Folge, dass Konsumenten deutlich weniger als 1 % dieser gesamten Kommunikation überhaupt wahrnehmen. Dies zeigt die enormen Streuverluste, die das klassische Marketing im digitalen Zeitalter hinnehmen muss, und führt bei Unternehmen zu einer verstärkten Informationskonkurrenz. Die Herausforderung besteht darin, aus unzähligen Informationen die eigene Werbebotschaft bei der Zielgruppe sichtbar und einprägsam zu platzieren (Kreutzer 2016, S. 10).
Es ist nicht mehr ausreichend, Massenkommunikation nach dem Push-Prinzip einzusetzen. Vielmehr sollte auf Kunden und ihre individuellen Bedürfnisse eingegangen werden. Im Gegensatz zum klassischen Marketing, das Kommunikation für eine breite Masse entwickelt, greift das Dialogmarketing auf bekannte Kunden oder Interessenten zurück. Dialogmarketing ermöglicht die gezielte, individuelle und bedarfsgerechte Ansprache unterschiedlicher Kunden und kann damit leisten, was die klassische Kommunikation nicht kann. Das Dialogmarketing präsentiert dem einzelnen Kunden zum richtigen Zeitpunkt ein maßgeschneidertes Angebot (Holland 2014, S. 23–24).
Trend zum Dialogmarketing Die Trends der letzten Jahre zeigen Trends, die die Bedeutung des Dialogmarketings enorm gesteigert sowie die Wichtigkeit von zielgruppenspezifischer Kommunikation dramatisch erhöht haben. Die Entwicklungen, wie der Individualisierungstrend, fragmentierte Zielgruppen, die Austauschbarkeit von Produkten sowie die Informationsüberlastung der Verbraucher, machen ein effizientes Dialogmarketing unabdingbar. Diese Entwicklungen unterstreichen den enormen Streuverlust klassischer Kommunikation durch die Massenmedien und zeigen, warum eine individuelle Ansprache durch das
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7 Dialogmarketing und Connected Cars
Dialogmarketing der Schlüssel für eine langfristige Kundenbeziehung und -bindung in einem Marktumfeld mit homogenen Produkten und individuellen Kundenbedürfnissen sein kann (Holland 2014, S. 10–24). Online Marketing Als entscheidender Faktor zur Entwicklung des One-to-One Marketings trägt Online Marketing bei. Die Instrumente des Online Marketings sind dialogfähig und bieten damit eine Basis für die zielgruppengerechte Anpassung der Marketingmaßnahmen. Streuverluste werden vermieden. Online Marketing ist flexibel und kann so an die Weiterentwicklung der Online Medien und Technologien sowie die sich ständig verändernden Interessen der Nutzer angepasst werden (Holland 2016, S. 78).
7.2.2 Medien des Dialogmarketings Dialogmarketing über alle Medien Die Entwicklungen der letzten Jahre haben die Einsatzmöglichkeiten des Dialogmarketings und die Palette der nutzbaren Medien ausgeweitet. Die Abb. 7.3 zeigt eine Übersicht der wichtigsten Medien. Durch den technischen Fortschritt und die Kreativität der Anwender entwickeln sich ständig neue Dialogmedien. Auf der ersten Ebene werden die Offline- und Online-Medien und Instrumente des Dialogmarketings unterschieden.
Dialogmarkeng
Instrumente und Medien
Offline Dialogmarkeng
Online Dialogmarkeng Internet
E-MailMarkeng
Mobile Markeng
Social Media Markeng
Direktmarkeng
Printmedien
mit Responseelement
Out of Home
mit Responseelement
TV/ Radio
Telefon
mit Responseelement
Persönl. Kontakte
Website
Mobile Web
Mailings
Anzeigen
Plakate
TV-Spots
Outbound
Personal Promoons
Search SEO,SEA
Mobile Werbung
Postwurfsendung
Beilagen
Fahrzeugwerbung
RadioSpots
Inbound
Messen
Bannerwerbung
Teiladressiert
Couponing
Bandenwerbung
TeleShopping
FaxWerbung
Events
Affiliate Market.
Haushalts -werbung
Couponing
Abb. 7.3 Medien des Dialogmarketings. (Quelle: Aus Holland 2016, S. 47; mit freundlicher Genehmigung von © Vahlen Verlag 2016. All Rights Reserved)
7.2 Dialogmarketing
163
Online-Medien des Dialogmarketings Die Online-Medien des Dialogmarketings werden in der Abb. 7.3 in folgende Bereiche aufgespalten. Die Website eines Unternehmens dient vielen Interessenten und Kunden als Anlaufpunkt und Auslöser für einen langfristigen Dialog. Hier werden Informationen zu dem Unternehmen und seinen Angeboten gesucht. Wenn der Besucher seine Daten in dem System hinterlässt, seine E-Mail- oder postalische Adresse eingibt, fließen diese Daten in die Datenbank und das Unternehmen kann in den Dialog eintreten. Über Suchmaschinen wird in vielen Fällen der erste Kontakt gesucht, der gegebenenfalls zu einem langfristigen Dialog führen kann. Search-Engine-Optimization (SEO) bedeutet den eigenen Online-Auftritt so zu gestalten, dass er für die Suchmaschinen optimal auffindbar ist und hoch gerankt wird. Search-Engine-Advertising (SEA) beinhaltet die bezahlte Anzeige der eigenen Website bei der Suche. Auch über Banner und auf Vermittlungsprovisionen beruhende Affiliate-Systeme mit Verlinkung auf Partner-Webseiten können User einen direkten Kontakt zu Unternehmen aufbauen. Couponing bedeutet in diesem Zusammenhang über das Internet verteilte Coupons für einen Rabatt oder einen Gutschein; Coupons in gedruckter Form sind auch in der Spalte der Printmedien noch einmal aufgeführt. Das E-Mail-Marketing führt den Dialog auf elektronischem Weg und kann mit dem gedruckten Werbebrief verglichen werden. Die zunehmende Mobilität und das Bedürfnis nach ständiger Erreichbarkeit haben dem Mobile-Marketing hohe Wachstumsraten beschert. Sowohl die mobile Website als auch die unterschiedlichsten mobilen Werbeformen erlauben den Dialog zwischen Kunde und Unternehmen unabhängig von Zeit und Ort. Ein großes Wachstum erzielten die Sozialen Medien in den letzten Jahren. Sie ermöglichen die Vernetzung der Konsumenten untereinander, aber auch den Kontakt mit Unternehmen. Wenn das Social Media-Marketing auf Response und Reaktionen ausgerichtet ist, verfolgt es Ziele des Dialogmarketings. Offline-Medien des Dialogmarketings Bei den Offline-Medien unterscheidet die Abb. 7.3 zwischen sechs Varianten. Die Direktmarketing-Medien stellen den Ursprung des Dialogmarketings dar und umfassen adressierte (Mailings), teiladressierte (Postwurf Spezial) und unadressierte Werbesendungen (Postwurf und Haushaltswerbung). Anzeigen, Beilagen und Couponing in Printmedien, wie Zeitschriften und Zeitungen, können durch Coupons, Antwortkarten, Telefonnummern oder E-Mail-Adressen eine Reaktion und damit den Beginn eines Dialogs ermöglichen. Diese, der klassischen Kommunikation zugehörigen Medien, und auch die folgenden werden nur dann dem Dialogmarketing zugerechnet, wenn sie über ein Responseelement verfügen.
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7 Dialogmarketing und Connected Cars
Auch Out-of-Home-Medien, wie Plakate, City-Light-Poster, Werbung auf Fahrzeugen und auf Banden im Sport, werden zunehmend, beispielsweise durch QR-Codes, responsefähig. In Fernsehen und Rundfunk sind es häufig Telefonnummern, durch die zu einer Reaktion aufgerufen wird. Das Telefonmarketing wird in Outbound (aktives) Telefonmarketing und Inbound (passives) Telefonmarketing untergliedert. Aktives Telefon- und Faxmarketing sind bei privaten Kunden nur mit deren Einverständnis (permission) zulässig. Die persönlichen Kontakte sind der Ursprung jeder Form von Dialog. Dialogmarketing wird jedoch im Allgemeinen so verstanden, dass Medien verwendet werden. Diese Medien können bei Personal Promotions Prospekte mit Proben oder Teilnahmekarten an Gewinnspielen sein. Zu Messen und Events wird häufig durch Mailings oder E-Mails eingeladen. Tab. 7.2 zeigt eine zusammenfassende Beurteilung der unterschiedlichen Medien des Dialogmarketings mit ihren Vor- und Nachteilen.
7.2.3 Online-Marketing Pull- statt Push-Prinzip Der Einsatz von Online-Medien ermöglicht es Unternehmen, ihre Marketingkommunikation zielgruppengerecht anzupassen und Streuverluste zu minimieren. Dabei sollte das Ziel der Einbindung kommerzieller Angebote in vorhandene OnlineStrukturen, wie beispielsweise Websites, nicht ausschließlich darin liegen, die Aufmerksamkeit des Users zu erreichen, sondern vielmehr die angebotenen Inhalte mit den Nutzerinteressen in Übereinstimmung zu bringen. Weitere Herausforderungen des Online-Marketings sind die kontinuierliche Weiterentwicklung der Online-Medien und Technologien und die ständige Veränderung der Nutzerinteressen.
Dadurch, dass die Information für den Interessenten zum Abruf bereitgestellt wird, werden die Streuverluste praktisch eliminiert. Die werblichen Informationen werden nicht mehr nach dem Push-Prinzip an die Zielgruppe gesandt, sondern für die Interessierten bereitgestellt und von diesen nach dem Pull-Prinzip abgerufen.
Instrumente des Online-Marketings Die Instrumente des Online-Marketings sind dialogfähig und damit für den Einsatz im Dialogmarketing prädestiniert. Durch das rasante Wachstum des Online-Marketings hat sich das Dialogmarketing etabliert; es führt kein „Nischendasein“ mehr, sondern ist zum „Normalfall“ geworden. Die Kontaktaufnahme erfolgt im Online-Marketing durch das Anklicken eines Symbols oder die Angabe einer E-Mail-Adresse. Das Unternehmen hat
7.2 Dialogmarketing
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Tab. 7.2 Vor- und Nachteile der Medien des Dialogmarketings. (Quelle: Aus Holland 2018, S. 229–230; mit freundlicher Genehmigung von © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018. All Rights Reserved) Medien
Vorteile
Nachteile
Adressiertes Mailing
Direkte und individuelle Ansprache Zielgenauigkeit
Relativ hohe Kontaktkosten
Postwurfsendung/ Haushaltswerbung
Kostengünstig Geografisch selektierbar
Streuverluste Geringere Beachtung als personalisierte Ansprache
Print-Anzeige mit Responseelement
Gestaltungsmöglichkeiten Emotionale Bilder Responsealternativen
Streuverluste Kosten
Pressebeilage
Zielgruppe je nach Medium
Streuverluste abhängig vom Medium
Plakat mit Responseelement
Emotionale Bilder Andere Zielgruppen erreichbar
Streuverluste Flüchtige Wahrnehmung Einfache Responsemöglichkeit notwendig (E-Mail, QR-Code, Telefon)
Fernsehen/DRTV
Multisensorisch Adressgewinnung Bei nicht eng definierten Zielgruppen
Kosten Streuverluste Responsekanal muss eingeblendet werden
Hörfunk
Regional einsetzbar
Kosten Streuverluste Flüchtige Wahrnehmung Responsekanal muss eingeblendet werden
Telefonmarketing
Unmittelbarer Dialog Nachfassinstrument
Rechtliche Grenzen
Telefax
Effizient bei bestehenden Kontakten Vor allem im B-t-B-Bereich
Rechtliche Grenzen Abnehmende Bedeutung
Promotion, Messen, Events
Persönliche Kontakte für intensiven Dialog
Kosten
Website
Weltweite Präsenz Imagewirkung Möglicher Vertriebskanal
Aktualisierungsbedarf
Suchmaschinenmarketing
Pull – der User sucht aktiv
Aufwendige Optimierung Evtl. hohe Kosten für Buchung von Suchbegriffen
E-Mail
Schnell und effizient Kostengünstiger Informationsaustausch Dialogmöglichkeit
Antwortorganisation erforderlich Permission erforderlich
(Fortsetzung)
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7 Dialogmarketing und Connected Cars
Tab. 7.2 (Fortsetzung) Medien
Vorteile
Nachteile
Mobile Marketing
Unabhängigkeit von Zeit und Ort Erreichbarkeit des mobilen Verbrauchers
Rechtliche Grenzen Akzeptanzprobleme
Social Media Marketing
Zunehmende Bedeutung Teilnahme an kollektiver Kommunikation
Kontrolle wird abgegeben Effizienzmessung
Abb. 7.4 Instrumente des Online Marketings. (Quelle: Aus Kreutzer 2014, S. 89–91; mit freundlicher Genehmigung von © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2014. All Rights Reserved)
die Möglichkeit, die Interessenten in E-Mail-Listen aufzunehmen und elektronische Mailings zu versenden. Die Abb. 7.4 zeigt die Instrumente des Online Marketings in einem Überblick. Zielgruppenorientiertes Individualmarketing Durch die neu entstandene Konsumkultur erwartet der Kunde bzw. die Zielperson von einem Unternehmen, dass dieses seine Probleme und Bedürfnisse genau kennt und darauf eingeht. Dies setzt aber einen kontinuierlichen persönlichen Dialog und eine systematische Interaktion mit dem (potenziellen) Kunden voraus, was gleichzeitig aber den Ausstieg aus dem Massenmarketing, der Massenwerbung und der Massenkommunikation und einen Einstieg in ein zielgruppenorientiertes Individualmarketing bzw. One-to-One-Marketing über die Online-Medien bedeutet.
7.2 Dialogmarketing
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Individualisierung Es ist nun die Aufgabe der Unternehmen, hinsichtlich der Sicherung ihrer Wettbewerbsfähigkeit mit maßgeschneiderten Produkten und mit dialogisierter Kundenansprache dem Konsumententrend dieser Individualisierung (das heißt kundenindividuelle Ansprache mit Informationen, Produkten und Dienstleistungen) nachzukommen. Dies bedeutet, dass jeder Kunde als ein eigenständiges Marktsegment zu begreifen und seinen Bedürfnissen entsprechend im Marketing zu bedienen ist. Durch eine Individualisierung der Kundenbeziehung lernt das Unternehmen mehr und mehr über den jeweiligen Kunden und kann diese Wissen für die Befriedigung der Kundenbedürfnisse einsetzen. Die Individualisierung verspricht aber nicht nur auf Kundenseite, sondern auch aus Unternehmenssicht einige Vorteile: Kunden können heute aufgrund der Interaktivitätsmöglichkeit des Internets selbst entscheiden, welche Informationen in welcher Form sie nutzen wollen und welche nicht. Sie sind somit also nicht wie früher den Entscheidungen der Unternehmen darüber, welche Informationen sie ihren Kunden zukommen lassen, ausgeliefert. Aus der Sicht der Anbieter verspricht die Individualisierung unter anderem die Möglichkeit einer höheren Kundenbindung durch die Darstellung individueller Angebote und ein größeres Markt-Know-how eben durch systematische Sammlung verfügbarer Kundendaten und deren Nutzung im Rahmen von Produktentwicklung und Marketing (Holland 2016, S. 80). Aussagekräftige Datenbasis Die Ausführungen zur Individualisierung zeigen deutlich, dass die Grundlage eines effektiven One-to-One-Marketings eine aussagekräftige Datenbasis über jeden einzelnen Kunden bildet, welche in erster Linie das Kaufverhalten und die Präferenzen wiedergeben muss. Diese Datenerhebung, welche zur Erstellung von Nutzerprofilen dient, muss allerdings kontinuierlich fortgeführt und aktualisiert werden, denn nur so kann die Anwendung des One-to-One-Marketing-Konzeptes erfolgreich sein, und zwar sowohl im Geschäftskundenbereich (Business-to-Business) als auch bei Endkunden (Business-to-Consumer). Das Internet, mobile Medien und mobile Endgeräte ermöglichen es, diese Daten und Informationen zu generieren, zu übertragen, auszuwerten, in einen Zusammenhang zu bringen und schließlich ein umfassendes Bild von den Aktivitäten der Kunden zu erhalten. Voraussetzung ist die Nutzung des Internets und der Online Medien durch die Kunden. Das schließt einige Kunden, beispielsweise Menschen ohne Internetanschluss, vom One-to-One Marketing in dieser Form aus.
7.2.4 Social Media-Marketing Web 2.0 Durch die Entwicklung des Internets zum Web 2.0, zum sogenannten „Mitmach-Internet“, wird der Nutzer selbst aktiv, er stellt Videos bei Youtube ein, bewertet Bücher bei Amazon, verkauft Überflüssiges bei Ebay und stellt sein Expertenwissen bei Wikipedia
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7 Dialogmarketing und Connected Cars
zur Verfügung. Außerdem pflegt er seine Kontakte beim Social Networking, wie Facebook oder Xing. Dabei sind gerade in Zeiten zunehmend gesättigter Märkte, austauschbarer Produkte und Dienstleistungen und einer steigenden Anzahl von Kommunikationskanälen bei gleichzeitiger Informationsüberlastung des Konsumenten eine individuelle (bidirektionale) Kommunikation, ein aktuelles Konsumentenverständnis und Differenzierung wichtiger denn je. Die wichtigsten Komponenten von Social Media sind der Plattformcharakter, die Mobilität, offene Schnittstellen, Open Source und kollektive Intelligenz. Diese Komponenten fördern den Dialog zwischen den Teilnehmern und können im Dialogmarketing genutzt werden (Holland 2016, S. 152). User Generated Content Kollektive Intelligenz äußert sich am offensichtlichsten im Prinzip des User Generated Content: Webseiten werden in Teilen oder gar im Ganzen von den Usern mit Inhalten gefüllt. Beispiele für den ergänzenden Inhalt sind Bücherrezensionen durch Kunden bei Amazon oder in Internetforen. Letztere gab es zwar schon deutlich vor Web 2.0, allerdings führen die Entwicklungen insbesondere im Hardware-Bereich zu völlig neuen Dimensionen, wie beispielsweise an der Videoplattform YouTube zu erkennen ist (Holland 2016, S. 152). Beispiel
Ein beliebtes Beispiel für vollständig von Usern erstellte Webseiten sind die sogenannten Wikis, allen voran Wikipedia. Aber auch in diesem Bereich lassen sich erste Ansätze bereits vor dem Aufkommen des Begriffs Web 2.0 finden. So ist zum Beispiel ebay von Beginn an eine der ersten Internet-Präsenzen mit großer Reichweite, die nahezu vollständig aus User-Inhalten besteht. Obwohl der Entstehungsprozess nicht mehr zentral, sondern über viele Einzelpersonen verteilt ist, kontrollieren sich die meisten Angebote über die Community nahezu selbst. Eine Auswirkung dieses „Mitmach-Internets“ auf das Marketing besteht darin, dass dieses immer häufiger ohne die Unternehmen stattfindet. Um dem entgegenzuwirken, versuchen die Unternehmen, diese Entwicklung zumindest für sich zu nutzen und im Internet verstärkt zu einer Pull-Strategie überzugehen. Die Konsumenten sollen so zu einer selbstständigen, aktiven Beteiligung und Interaktion bewegt werden, und es soll ein freiwilliges Empfehlungsmarketing in Form von Mundpropaganda erzielt werden (Beck 2014, S. 721–751).
7.2.5 Crossmediales Dialogmarketing Verstärkung der Kommunikationswirkung Das crossmediale Dialogmarketing, und dabei speziell die Integration von Online- und Offline-Medien, führt zu einer Verstärkung der Kommunikationswirkung. Das Resultat sind messbare ökonomische Variablen und psychologische Effekte. Trotz dieser v alidierten
7.2 Dialogmarketing
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Wirkung von Crossmedia zeichnen sich in der Praxis zahlreiche Barrieren und Herausforderungen ab (Holland 2018, S. 233). Das Thema Crossmedia ist im Zuge der weiter zunehmenden Informationsüberlastung sehr aktuell. Aus der Sicht des Marketings gilt es, relevante Zielgruppen mit einem Höchstmaß an Effizienz anzusprechen. Unternehmen fordern immer wieder konkrete Wirkungsnachweise und die optimale Allokation der Marketingbudgets. Gleichzeitig wird klassische Kommunikation, wenn eindimensional geschaltet, zunehmend ineffizienter (Holland und Wengerter 2012, S. 65–92). Interaktivität und Dialogfähigkeit der Medien Die Medien erfahren eine steigende Interaktivität und Dialogfähigkeit durch die Verwendung von Rückkanälen. Schlagworte wie Social Communities, Internet-TV, interaktives Fernsehen, WAP-Portale, E-Magazines sind nur einige Beispiele für Kommunikationskanäle, die mithilfe der Digitalisierung eine Dialogfunktion übernehmen. „Die Digitalisierung macht aus den Medien Dialogmedien“ (Wiedmann 2006, S. 157–172). Die Medienwechselbereitschaft nimmt indessen stetig zu. Immer mehr Menschen nutzen Medien mittlerweile parallel. Ein erhöhter Wiedererkennungseffekt durch crossmediale Ansprache kann somit durch die parallele Nutzung differenzierter Touchpoints zu einer Steigerung der Werbeeffizienz führen. Der Begriff Crossmedia hat sich mittlerweile in der Praxis etabliert, allerdings wird oft dieser Begriff verwendet, wenn tatsächlich ein nur wenig koordinierter Media-Mix eingesetzt wird. Komplexität crossmedialer Kampagnen Das Ziel strategischer Managemententscheidungen besteht darin, den langfristigen Erfolg eines Unternehmens zu sichern. Funktionsbereichsstrategien umfassen dabei die operative Seite der Organisation und damit die Frage, wie die jeweiligen Organisationseinheiten die vorhandenen Ressourcen, Prozesse und Mitarbeiter einsetzen und koordinieren, um die Unternehmensstrategie effektiv umzusetzen. Crossmediales Dialogmarketing verlangt in diesem Zusammenhang ein Höchstmaß an organisatorischer Planung, da eine übergreifende Vernetzung stattfinden muss. Aufgrund der Komplexität crossmedialer Kampagnen fordert die Praxis ein funktionierendes Kampagnenmanagement, das Richtlinien für die Kanäle, Prozesse und Aufgabenverteilungen klar definiert. Sorgfältig abgestimmte Agenturnetzwerke sind dabei ebenso gefragt wie eine nachhaltige Integration neuer Kanäle wie Social Media. Crossmediales Dialogmarketing wirkt und birgt neben zahlreichen Chancen auch Herausforderungen. Dialogmarketing setzt deutliche Handlungsimpulse, liefert Informationen, bietet Interaktionsmöglichkeiten und animiert zum Kauf. Die Vernetzung von Offline- und Online-Medien wird zum Teil in der Praxis erfolgreich umgesetzt; nach wie vor besteht jedoch immenser Nachholbedarf bei vielen Unternehmen. Die Zeit ist reif für „echtes“ Crossmedia. Viele analoge Instrumente des Dialogmarketings werden zukünftig durch digitale ergänzt und ersetzt. Vor allem Mailings, Kataloge und Kundenzeitschriften lassen sich digital „effektiver und effizienter einsetzen und steuern“ (Thommes 2011, S. 25).
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7 Dialogmarketing und Connected Cars
Wandel der Mediennutzung Der Wandel der Mediennutzung spricht, gerade bei jüngeren Zielgruppen, für eine Vernetzung von Online- und Offline-Maßnahmen im Dialogmarketing. Die mediale Parallelnutzung und der Wandel hin zu den digitalen und sozialen Kanälen unterstreichen die Notwendigkeit einer personalisierten Kundenansprache. Der Ausbau vorhandener Touchpoints durch eingängige und wiedererkennbare Kommunikation und die Besetzung unterschiedlicher Mediakanäle erzeugt räumliche Nähe zum Kunden und verstärkt das Argument für crossmediale Integration.
7.2.6 Individualisiertes One-to-One Marketing Individualisierte Marketingbotschaften One-to-One Marketing beschreibt ein kundenindividuelles Marketing, das durch eine Interaktion mit den Kunden geprägt ist. Mit dem Wissen aus der Analyse der durch Database Marketing gesammelten Daten über Verhaltensweisen und Präferenzen des Kunden können individualisierte Marketingbotschaften erstellt werden. Die Individualisierung bezieht sich insbesondere auf die Ansprache der Kunden sowie die individuelle Interaktion. Der Zweck von One-to-One Marketing besteht insbesondere in der Erhöhung der Kundenbindung. Durch die Segmentierung ihrer Kunden in immer kleinere Kundengruppen versuchen Unternehmen, Kunden so individuell wie möglich anzusprechen. Mit den verfügbaren Methoden zur Erhebung von Daten und deren Auswertung ist es möglich, jeden Kunden losgelöst von Segmenten individuell zu betrachten. Damit entsteht das Segment of One. Trend zur Individualisierung One-to-One Marketing ist somit eine Weiterentwicklung bereits bestehender Marketing Strategien, bei der statt Segmenten einzelne Kunden betrachtet werden. Aufgrund des Trends der Individualisierung, der die Menschen schon seit vielen Jahren prägt, wird auch vonseiten der Kunden erwartet, dass deren Bedürfnisse und Probleme bekannt sind und darauf von Unternehmen durch One-to-One Marketing zum Beispiel über OnlineMedien eingegangen wird (Holland 2014, S. 373).
7.2.7 Chancen und Risiken von One-to-One Marketing Wettbewerbsvorteile Durch den Einsatz von One-to-One Marketing ergeben sich im Idealfall Wettbewerbsvorteile für Unternehmen. Als Konsequenz steigt der Umsatz und die Kundenbindung kann gefestigt werden. Weiterhin bietet es die Möglichkeit, den Kunden durch die individuelle Ansprache zu Wiederholungskäufen, höheren Kauffrequenzen sowie Cross- und Upselling zu bewegen, mit der Folge den Umsatz zu steigern und den Kunden an das Unternehmen zu binden. Hierdurch können Einsparungen bei der Neukundenakquisition erzielt werden, denn die Kosten für die Akquisition belaufen sich auf etwa das Fünffache
7.2 Dialogmarketing
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jener Kosten für die Pflege eines Bestandskunden (Holland 2016, S. 294). Durch automatisierte Prozesse und geringere Streuverluste beim individuellen Kundendialog sinken die Kosten für das Marketing. Demgegenüber liegen die Risiken in jenen Kosten, welche notwendig sind, um die Infrastruktur zur Analyse der Kundendaten bereitzustellen, ebenso im Aufbau und der Pflege der entstehenden Kundenbeziehungen. Durch den falschen Einsatz von One-toOne Marketing können Kundenbeziehungen auch geschädigt werden. Andererseits profitieren Kunden von personalisierten Produktangeboten, besonderen Kundenservices oder personalisierten Werbeinhalten. Im Idealfall erhalten die Kunden damit ausschließlich für sie persönlich relevante Angebote. Vertrauensvoller Umgang mit den Kundendaten Um das zu erreichen, ist es notwendig, dass Kunden die Daten und Informationen zu ihren Präferenzen und Verhaltensweisen preisgeben. Damit Unternehmen keine Vertrauensverluste erleiden und dem Kunden keine Nachteile entstehen, müssen sie klar und transparent mit den Kundendaten umgehen. Können Kunden nicht selbst entscheiden, ob, wann und zu welchem Zweck und mit welchen Auswirkungen ihre Daten genutzt werden, stellt dies einen deutlichen Nachteil dar und gilt als Kontrollverlust des Kunden über seine Daten. Um Vertrauen zu schaffen, müssen Unternehmen dem Kunden aus diesem Grund die Informationen zu Datensammlung, -verwendung und Sicherheit transparent und einfach darstellen (Peppers und Rogers 1994, S. 337).
7.2.8 Rechtlicher Rahmen für One-to-One Marketing Permission Marketing Unternehmen dürfen nicht jedem Kunden ohne Erlaubnis Nachrichten nach dem Push-Prinzip zukommen lassen; dies ist rechtlich eingeschränkt und würde aufseiten der Kunden zu Reaktanzen führen. Der Versand von adressierten Werbebriefen ist rechtlich unbedenklich, aber für Botschaften über E-Mail, Telefon und Mobile ist eine Einverständniserklärung notwendig. Auch die Speicherung, Analyse und Nutzung persönlicher Daten setzt eine Datennutzungserklärung des Betroffenen voraus. Um Reaktanzen entgegen zu wirken, ist es notwendig, vom Kunden eine Erlaubnis einzuholen, ihm Nachrichten zukommen zu lassen. Im Rahmen dieser Erlaubnis sollte auch das Einverständnis des Kunden zur Datenübertragung an das werbetreibende Unternehmen eingeholt werden. Marketing, das auf einer solchen Erlaubnis basiert, wird als Permission Marketing bezeichnet. Mit der vorliegenden Erlaubnis ist das Vertrauen der Kunden gesichert (Homburg 2012, S. 804). Mobile Marketing Es existiert kein Mobile Marketing Gesetz, aber beispielsweise die Verhaltensregeln der Mobile Marketing Association (MMA). Weiterhin wird Mobile Marketing von mehreren Rechtstexten tangiert. Dazu zählen § 4 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) und
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7 Dialogmarketing und Connected Cars
§ 7 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), beziehungsweise § 13 Abs. 1 des Telemediengesetzes (TMG). In diesen Paragrafen ist geregelt, dass es einer Erlaubnis des Empfängers bedarf, um ihm mobile Werbekampagnen zukommen zu lassen. Davon ausgenommen sind vertragsrelevante Inhalte in §§ 4, 28 Abs. 1 BDSG sowie §§ 13 Abs. 1, 14, 15 TMG. Auch für die Lokalisierung der Konsumenten muss nach § 98 Telekommunikationsgesetz (TKG) eine Einwilligung vorliegen. Europäische Datenschutz-Grundverordnung In der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung wird das Opt-Out-Prinzip des Bundesdatenschutzgesetzes beibehalten, betroffene Personen können jederzeit der Verwendung ihrer Daten für Dialogmarketing widersprechen. Die Verwendung von Daten zu Marketingzwecken unterliegt einer allgemeinen Interessenabwägung. Transparenzanforderungen und die Rechte der Betroffenen werden im Jahr 2018 erweitert. Die Eingriffs- und Sanktionsrechte der Datenschutzaufsichtsbehörden werden wesentlich verschärft.
7.3 Dialogmarketing im Connected Car 7.3.1 Einordnung in die Medien des Dialogmarketings Connected Cars und Mobile Marketing Zur Einordnung des Connected Cars als neuen Kanal für Online-Marketing gibt es noch keine eindeutige Stellungnahme in der aktuellen Literatur. Jedoch kann das Connected Car, das Automobil, ähnlich dem Smartphone, als ein mobiles Endgerät betrachtet werden und damit in die Kategorie Mobile Marketing eingeordnet werden. Mobile Marketing beschreibt die Marketingaktivitäten auf mobilen Endgeräten und stellt eines der Instrumente von Online-Marketing dar. Die Abb. 7.5 greift die Systematisierung der Medien aus der Abb. 7.3 auf und ordnet das Internet of Things der Kategorie Internet zu. Die Connected Cars, als einen Teilbereich davon, werden dem Mobile Marketing zugeordnet. Schon der Begriff Automobil weist auf den Grundnutzen der Mobilität hin, sodass diese Zuordnung zwingend erscheint. In der Abb. 7.5 wird das Connected Car in die Medien des Dialogmarketings eingeordnet.
7.3.2 Daten für das Dialogmarketing im Connected Car Eine Personalisierung der Nachrichten und Marketingbotschaften an den Kunden im Rahmen des Dialogmarketings bzw. One-to-One Marketings kann nur durch die Erhebung von relevanten Kundendaten stattfinden, wie die Tab. 7.3 aufzeigt. Die Kombination verschiedener Daten ermöglicht es dem Hersteller (Original Equipment Manufacturer = OEM), Inhalte von Relevanz und Interesse für den Kunden zu präsentieren (Holland 2016, S. 93 f.).
7.3 Dialogmarketing im Connected Car
173
Dialogmarkeng
Instrumente und Medien
Offline Dialogmarkeng
Online Dialogmarkeng Internet
E-MailMarkeng
Mobile Markeng
Social Media Markeng
Direktmarkeng
Printmedien
mit Responseelement
Out of Home
mit Responseelement
TV/ Radio
Telefon
mit Responseelement
Persönl. Kontakte
Website
Mobile Web
Mailings
Anzeigen
Plakate
TV-Spots
Outbound
Personal Promoons
Search SEO,SEA
Mobile Werbung
Postwurfsendung
Beilagen
Fahrzeugwerbung
RadioSpots
Inbound
Messen
Bannerwerbung
Teiladressiert
Couponing
Bandenwerbung
TeleShopping
FaxWerbung
Events
Affiliate Market.
Haushalts -werbung
Couponing Internet of Things
Connected Cars
Abb. 7.5 Connected Car als Medium des Dialogmarketings Tab. 7.3 Identifizierung des Fahrers bei einem Connected Car Login
Eingabe von User ID und Passwort
Chipkarte
Evtl. im Schlüssel verbaut
Biometrisches Verfahren
Fingerabdruck oder Irisscanner
Passive Verfahren
Ohne aktive Anmeldung, im Connected Car eher ungeeignet
Identifizierung des Fahrers Bei einem PKW ist es möglich, dass mehrere Fahrer das gleiche Fahrzeug nutzen und dadurch verschiedene Daten zu verschiedenen Fahrern entstehen. Um eine eindeutige Zuordnung treffen zu können, wird davon ausgegangen, dass sich der Fahrer beim Einsteigen in ein Connected Car aktiv identifizieren muss. Dazu gibt es verschiedene Verfahren, die aus der Nutzung von Onlinebrowsern und Apps abgeleitet werden können. Login Durch die Eingabe einer User ID und eines Passwortes kann sich der Fahrer einwählen und identifizieren. Dies könnte über das mit dem Fahrzeug gekoppelte Smartphone oder über das Display des Infotainment Systems im Fahrzeug geschehen.
174
7 Dialogmarketing und Connected Cars
Chipkarte Eine Chipkarte ist als Identifizierungsverfahren sehr sicher, weil sie als Hardware nur schwierig zu kopieren ist. Diese Chipkarte könnte im Schlüssel zum Fahrzeug verbaut sein und würde voraussetzen, dass jeder Fahrer einen eigenen Schlüssel mit Chip hat. Dieser Schlüssel muss einmalig registriert werden. Der Login-Vorgang beim Einsteigen in das Fahrzeug würde damit entfallen. Biometrisches Verfahren Bei einem biometrischen Verfahren kann der Fahrer des Fahrzeugs entweder über seinen Fingerabdruck oder einen Irisscanner erkannt werden. Einige Smartphones und Laptops nutzen diese Technologie im Konsumgüterbereich. Passive Verfahren Es existieren auch passive Verfahren zur Identifikation der Kunden, die insbesondere beim Browsen im Internet genutzt werden. Dabei ist keine aktive Anmeldung durch den Kunden erforderlich. Im Rahmen des Connected Cars scheinen diese Verfahren ungeeignet und werden nicht weiter betrachtet. Nachdem sich ein Fahrer im Fahrzeug identifiziert hat, können bei der Fahrt entstehenden Daten eindeutig zugeordnet werden und mit bereits im CRM System oder auf anderen Kanälen gesammelten Informationen in Zusammenhang gebracht werden. Unter der Voraussetzung, dass die Daten verhaltensrelevant und zeitstabil sind und unter wirtschaftlichen Bedingungen erfasst werden können, sind die verschiedensten Datenquellen potenziell geeignet. Sammlung impliziter Daten durch Connected Cars Das Connected Car selbst bietet die Möglichkeit, eine Vielzahl von impliziten Daten zu sammeln, die während der Nutzung des Fahrzeugs von selbst entstehen, ohne dass der Kunden diese eingeben muss (vgl. Tab. 7.4). Dazu zählen beispielsweise Geodaten aus dem Navigationssystem zur Bestimmung des Fahrzeugstandortes. Mit diesen Daten ist es möglich, Fahrstrecken, Geschwindigkeiten und Fahrverhalten nachzuverfolgen. Ebenso kann der Kilometerstand, der Regensensor, die Aktivität des Antiblockiersystems (ABS), die Tankfüllung oder der Inhalt des Fehlerspeichers über die Internetverbindung des Fahrzeugs übertragen werden. Die Zahl der Sensoren im Fahrzeug wird auch zukünftig noch weiter zunehmen und dadurch werden noch mehr Daten erzeugt (McKinsey&Company 2014, S. 31). Tab. 7.4 Datensammlung in einem Connected Car Implizite Daten
Entstehen während der Nutzung des Fahrzeugs „von selbst“ durch Sensoren
Soziodemografische Daten Aus CRM-Systemen des Händlers bzw. Herstellers Externe Datenquellen
Z. B. Wettervorhersage, Internet, soziale Medien, andere mobile Endgeräte
7.4 Mobile Marketing
175
Soziodemografische Daten Soziodemografische Daten, die in der Automobilindustrie in der Regel beim Händler in dessen CRM System vorliegen, geben Aufschluss über Alter, Geschlecht, Adresse und Kaufhistorie. Diese entstehen im Gegensatz zu den oben dargestellten explizit, denn sie werden in diesem Fall vom Kunden dem Händler aktiv bereitgestellt. Externe Datenquellen Auch externe Datenquellen bieten im Zusammenhang mit Zeit und Ort im Rahmen des Marketings einen Mehrwert, beispielsweise aus der Kombination des PKW-Standortes und der Wettervorhersage für diesen Ort (Chaffey und Ellis-Chadwick 2016, S. 320). So wäre es denkbar, den Fahrer bei bevorstehendem Winterwetter an seinem Standort an den Winterreifenwechsel in der nächstgelegenen Vertragswerkstatt zu erinnern. Weitere Quellen sind das Internet, soziale Medien, andere mobile Endgeräte sowie Elemente des Internet of Things, wie das Smarthome, die der Fahrer nutzt (Heimbrecht 2015). Die so zusammengetragenen Daten können nun jedem einzelnen Kundenprofil zugeordnet werden und mithilfe von Database Marketing für das One-to-One Marketing genutzt werden. Hierdurch entstehen im Idealfall relevantere Kampagnen und Ansprachen, welche wiederum zu einem besseren Kundenerlebnis und einer gesteigerten Kundenbindung führen (Holland 2016, S. 234).
7.4 Mobile Marketing Die Durchführung der personalisierten One-to-One Marketingmaßnahmen beim Connected Car gleicht dem Mobile Marketing. Mobile Marketing umfasst die Nutzung mobiler Endgeräte für Marketingaktivitäten. Da das Connected Car ebenfalls mobil genutzt wird, ist es einem mobilen Endgerät vergleichbar (Haffke und Cante 2016, S. 10–12). Push- und Pull-Prinzip Beim Push-Prinzip des Mobile Marketings sendet das werbetreibende Unternehmen Nachrichten auf das mobile Endgerät des Empfängers, der eine Response tätigen kann. Im Gegensatz dazu werden beim Pull-Prinzip Informationen aktiv angefordert. Hinweise auf den mobilen Marketingauftritt eines Unternehmens werden dabei über andere Medien, wie zum Beispiel TV, Plakate oder Produktverpackung gegeben. Beispiel
Beispielsweise besucht ein Kunde ein Geschäft und wird durch ein Plakat im Geschäft darauf aufmerksam gemacht, dass er sich mit einem „Gefällt mir“ auf Facebook einen Rabattcoupon sichern kann. Damit wird der Kunde dazu bewegt, das Facebookprofil des Unternehmens zu betrachten.
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7 Dialogmarketing und Connected Cars
Anwendungsbereiche Mobile Marketing lässt sich in vier Anwendungsbereiche einteilen, die in der Abb. 7.6 dargestellt sind. Zur mobilen Übermittlung von Informationen zählt insbesondere Werbung, die auf dem mobilen Endgerät zugestellt wird und deshalb als mobile Display Werbung bezeichnet wird. Weiterhin stellt die mobile Gewinnung von Informationen, gerade im Kontext des Connected Cars eine wichtige Aufgabe des Mobile Marketings dar. Dazu zählt insbesondere die Lokalisierung der Nutzer oder beim Connected Car auch die Übertragung anderer wichtiger Daten aus dem Bordsystem. Der mobile Verkauf und die Übermittlung von virtuellen Produkten ist ein weiteres Element und beschreibt den Verkauf von Apps, Musik, Videos und anderen digitalen Diensten. Beim Smartphone ist dieser Teil des mobilen Marketings in Form des AppleApp Stores beziehungsweise iTunes und des Google Play Stores sehr ausgeprägt. Über mobile Endgeräte können auch reale Produkte und Dienstleistungen verkauft werden. So können in einer Smartphone App beispielsweise Kleidungsstücke bestellt werden oder Bahntickets erworben werden. Im Connected Car ist das sinnvoll, um beispielsweise passendes Zubehör zum Fahrzeug direkt im Auto zu bestellen. Wenn autonom gefahren wird, können die Passagiere im Fahrzeug auch während der Fahrt online einkaufen. Der Verkauf mobiler sowie realer Produkte und Dienstleistungen zählt zum Mobile Commerce, also dem Verkauf über mobile Geräte. Vorteile des Mobile Marketings Mobile Marketing bietet gegenüber anderen Instrumenten des Online Marketings mehrere Vorteile. Das Marketing wird durch die mobilen Endgeräte ortsunabhängig, die Kunden können an jedem Ort erreicht werden. Weiterhin sind viele Menschen, gerade über ihr Smartphone, fast zu jeder Zeit erreichbar. Dieser Aspekt trifft beim Connected Car
Abb. 7.6 Anwendungsbereiche des Mobile Marketings in Connected Cars. (Quelle: Aus Kreutzer 2014, S. 327; mit freundlicher Genehmigung von © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2014. All Rights Reserved)
7.5 Anwendungsmöglichkeiten für Dialogmarketing in Connected Cars
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nur während der Fahrt zu. Auch ist eine Personalisierung der Inhalte möglich, weil die meisten mobilen Endgeräte nur von einer Person genutzt werden. Diese Identifikation ist beim Connected Car nicht immer gegeben; dem kann jedoch durch eines der zuvor beschriebenen Identifikationsverfahren entgegengewirkt werden. Mobile Marketing ermöglicht durch eine sofortige Responsemöglichkeit Interaktivität, auch das ist im Connected Car umsetzbar. Schließlich ist die Lokalisierbarkeit des Kunden unter rechtlichen Beschränkungen jederzeit möglich. Weitere Vorteile liegen in einer gut messbaren Reaktion der Nutzer.
Analyse von Konversionspfaden Ein besonders wichtiger Vorteil liegt in der Analyse von Konversionspfaden, die Mobile Marketing auch im Connected Car erlaubt. Denn durch die Ansprache des Fahrers, der schließlich die Kaufentscheidung trifft, können Kaufentscheidungen direkt beeinflusst werden, um Cross- und Upselling zu betreiben und letztlich auch den Absatz von digitalen Diensten zu erhöhen. Der Moment dieser Ansprache, um ein entstandenes Bedürfnis direkt befriedigen zu können, wird durch einen Trigger im Verlauf des Konversionspfades definiert. Damit ist eine bestimmte Aktion des Kunden gemeint, die zum Auslöser für diese Ansprache mit der Marketingbotschaft wird. Im Connected Car sind solche Trigger-Kampagnen gut umsetzbar, um dem Nutzer einen Mehrwert zu bieten und die Relevanz solcher Marketingmaßnahmen aufrecht zu erhalten (Wisselink et al. 2016, S. 79).
7.5 Anwendungsmöglichkeiten für Dialogmarketing in Connected Cars Geschäftsmodelle nach Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) Die Möglichkeiten von Geschäftsmodellen der Automobilhersteller für konkrete Anwendungsbeispiele für das Marketing lassen sich nach dem Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) grundsätzlich unterteilen in Business-to-Consumer (B2C) und Business-to-Business (B2B) Modelle. B2C-Modelle haben den Endkunden, also den Nutzer, im Fokus. Die Angebote bei diesen B2C-Geschäftsmodellen richten sich direkt vom Hersteller an den Nutzer. Bei B2B-Modellen stehen andere Unternehmen, also Drittanbieter, im Mittelpunkt. Diese könnten mithilfe der Daten aus Connected Cars beispielsweise Targeted Advertising, also themenrelevante und zielgerichtete Werbung für ihre bestimmte Zielgruppe anbieten (BVDW 2016, S. 6–8). Geschäftsmodelle nach McKinsey Auch McKinsey verfolgt einen ähnlichen Ansatz in der Unterteilung der möglichen Geschäftsmodelle. Eine Studie von McKinsey beschreibt die Möglichkeiten der Monetarisierung von Fahrzeugdaten in drei verschiedenen Kategorien. Diese sind Direct Monetarization, Tailored Advertising und Selling Data, wie in Abb. 7.7 zu sehen ist.
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7 Dialogmarketing und Connected Cars
Abb. 7.7 Mögliche Wertschöpfungsmodelle für Connected Cars. (Quelle: Mit freundlicher Genehmigung von © McKinsey&Company 2016, S. 24. All Rights Reserved)
Unter Direct Monetarization ist die direkte Umwandlung der Daten in Umsätze zu verstehen, also der Verkauf von Produkten oder Features durch den Hersteller direkt im Auto. Tailored Advertising ist die gezielte wirksame Einsetzung der Fahrzeugdaten, um personalisierte Angebote und Marketing zu schalten. Die dritte und letzte Kategorie Selling Data beinhaltet die Sammlung und Analyse aller Daten sowie das gezielte Weiterverkaufen an Drittanbieter (McKinsey&Company 2016, S. 24–25). Direct Monetarization und Tailored Advertising sind in gewisser Weise vergleichbar mit den B2C-Modellen des BVDW, genauso wie Selling Data den B2B-Modellen des BVDW ähnelt. Direct Monetarization Mögliche B2C-Use-Cases, die auch in die Rubrik 1 Direct Monetarization vom Hersteller an den Endkunden fallen, sind z. B. der Verkauf von Over-the-air Software add-ons, also die digitale Nachrüstung von Software über das Fahrzeug. Andere Verkaufsmodelle sind nach McKinsey z. B. Navigationsservices, Nutzungsüberwachung des Fahrzeugs, Tracking- und Diebstahlschutzservices sowie Angebote für verschiedene Parkservices (McKinsey&Company 2016, S. 25). Weitere Dienste in Connected Cars sind etwa die automatische Absetzung von Notrufen bei einem Unfall, die Fahrzeugortung im Falle eines Diebstahls sowie die Ferndiagnose bei einer Fahrzeugpanne. Digitale Marktplätze und In-Vehicle-Commerce Zusätzlich möglich wäre es, zukünftig eigene digitale Marktplätze für das Auto zu schaffen und weitere Angebote zu entwickeln (Wehinger und Cords 2015, S. 146–147). Generell könnte auch dem Kunden Gelegenheit geboten werden, auf ein bestimmtes
7.5 Anwendungsmöglichkeiten für Dialogmarketing in Connected Cars
179
Angebot in Connected Cars unmittelbar zu reagieren und eine Kaufentscheidung im Fahrzeug zu treffen. Dies wird als In-Vehicle-Commerce bezeichnet und beinhaltet alle Angebote, die direkte Verkäufe im Fahrzeug ermöglichen (BVDW 2016, S. 2). Pre-Sales und Fahrzeugentwicklung Durch Connected Cars und die damit mögliche Rückkopplung der Datenmengen in die Automobilkonzerne ergeben sich zudem Chancen für den Pre-Sales-Bereich und die Fahrzeugentwicklung. Mögliche häufiger auftretende Probleme bei einem bestimmten Fahrzeug-Modell oder Bauteil können schneller erkannt und in der weiteren Fahrzeugentwicklung verbessert werden. Ebenso können konkrete Kundenbedürfnisse oder -anforderungen an das Produkt in der künftigen Fahrzeugentwicklung berücksichtigt werden (BVDW 2015, S. 12). Strategische Kooperationen Um im Rahmen von Connected Cars wettbewerbsfähig zu bleiben und alle Potenziale optimal auszuschöpfen, wird es für Automobilhersteller von zentraler Wichtigkeit sein, strategische Kooperationen im B2B-Bereich einzugehen und die Daten an Drittanbieter zu vermarkten. Dies gilt sowohl für die Bewältigung digitaler Herausforderungen als auch für die optimale Kommunikation mit dem Kunden. Denkbare Partner wären die IT-Industrie sowie Unternehmen aus Branchen, für die die konkreten Nutzerdaten aus Connected Cars von Bedeutung wären (Johanning und Mildner 2015, S. 13–14). Kooperationen mit Kfz-Versicherungen Eine mögliche Kooperation, die sich aus der Gewinnung von Daten durch Connected Cars ergibt, ist die mit Kfz-Versicherungen. Diese könnten ihren Kunden individuelle Versicherungen anbieten, die sich aus den Fahrzeugdaten ableiten. Versicherungen nutzen für Connected Cars dynamische Berechnungsmethoden, die sogenannte Usage- Based Insurance (UBI) oder auch Pay-As-You-Drive (PAYD) genannt (Coppola und Morisio 2016, S. 9). Im Gegensatz zur derzeit gängigen Berechnung von Versicherungsbeiträgen, die sich aus Statistiken und allgemeinen Durchschnittswerten ergeben, würde ein Fahrer beim PAYD nur den Beitrag bezahlen, der sich anhand des tatsächlichen Fahrstils bzw. der gefahrenen Strecken errechnet. Hierbei wird für die Beitragseinstufung zwischen der Fahrweise, dem Pay-How-You-Drive, und tatsächlichem nutzungsbasierten Fahren, auch Pay-When-You-Drive genannt, unterschieden. Ersteres wäre besonders lukrativ für Fahrer mit risikoarmer Fahrweise, wohingegen die zweite Alternative für Personen, die weniger häufig fahren, interessant wäre (BVDW 2016, S. 13). Kooperationen mit Werkstätten und Autohändlern Weiterhin wäre eine Kooperation mit Werkstätten und Autohändlern für den Dialog mit dem Kunden denkbar. Hierfür ist ein mögliches Modell Predictive Maintenance, also die vorausschauende Instandhaltung. Dies bedeutet, dass durch die Fahrzeugdaten aus
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7 Dialogmarketing und Connected Cars
Connected Cars frühzeitig erkannt werden kann, welche Probleme an einem Fahrzeug auftauchen könnten, der Fahrer kann dann rechtzeitig informiert werden. Somit können dem Fahrer Wartungs- oder Inspektionsangebote gemacht und drohende Defekte frühzeitig behoben werden. Dies kann z. B. auch in Verbindung mit einem automatischen Terminvorschlag des Connected Cars bei einer Händlerwerkstatt geschehen. Wenn ein Defekt oder eine Störung an einem Fahrzeug bereits aufgetreten ist, wäre auch eine Ferndiagnose, sogenanntes Over-the-Air, möglich (BVDW 2015, S. 6–7). Beispiel
Im Rahmen des Predictive Maintenance wäre es auch möglich, dem Kunden eine Erinnerung in sein Connected Car zu schicken, wenn bald eine Inspektion des Fahrzeugs fällig wird. Dazu könnte eine Information über einen nahe gelegenen Autohändler gegeben oder eine aktuelle Rabattaktion für Inspektionen beworben werden. Dies wäre ein Beispiel für ein individuelles Angebot an den Konsumenten und bietet die Möglichkeit, durch Predictive Maintenance personalisiertes Dialogmarketing in Connected Cars umzusetzen (Strategy&PWC 2014, S. 11). Kooperationen mit Einzelhändlern Darüber hinaus könnten Autohersteller auch Kooperationen mit Einzelhändlern eingehen. Diese würden von einer Kooperation insofern profitieren, als dass sie Daten darüber gewinnen, wer ihre Kunden sind und zu welcher Zeit sie welche Geschäfte des Einzelhandels besuchen. Dies ermöglicht ihnen, über ihre Kunden sowie potenzielle Kunden und deren Gewohnheiten Informationen zu erhalten und anhand dieser Daten maßgeschneiderte Werbung an Personen in Connected Cars zu senden. Auch Location Based Services sind denkbar, wenn sich ein Kunde gerade in der Nähe eines Einzelhändlers befindet (McKinsey&Company 2016, S. 24).
7.6 Herausforderungen für Dialogmarketing in Connected Cars Datenschutzgrundverordnung Eine große Schwierigkeit bei Dialogmarketing in Connected Cars stellen die rechtlichen Regularien in Bezug auf Speicherung, Nutzung und Weitergabe personenbezogener Daten dar, wie die Tab. 7.5 zeigt. Seit dem Jahr 2016 gibt es in der Europäischen Union (EU) eine neue Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), welche strikte Regelungen zum Datenschutz personenbezogener Daten enthält (Art. 1–99, EU-DSGVO 2016). Sobald das Fahrzeug mit einer Person, z. B. über Name und E-Mail Adresse, verknüpft ist, handelt es sich bei allen aus dem Fahrzeug erhobenen Daten um personenbezogene Daten. Dies bedeutet, dass die EU-DSGVO bei Connected Cars Anwendung findet und diese Daten ohne ausdrückliche Zustimmung des Nutzers nicht genutzt oder weitergegeben werden dürfen.
7.6 Herausforderungen für Dialogmarketing in Connected Cars
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Tab. 7.5 Herausforderungen für Dialogmarketing in Connected Cars 1. Rechtliche Regularien in Bezug auf Speicherung, Nutzung und Weitergabe personenbezogener Daten, Datenschutzgrundverordnung 2. Privacy Paradox, tatsächliche Onlineverhalten vieler Nutzer weicht von bekundeten Einstellung zum Datenschutz ab 3. Klarer Mehrwert für den Kunden erforderlich für Einwilligung zur Datenerhebung 4. Gewerbliche Fahrzeugzulassungen erschweren Identifikation des Fahrers 5. Softwarehersteller wie Google oder Apple als neue Marktteilnehmer 6. Kommunikation mit dem Fahrer ohne Ablenkung von der Fahraufgabe nur möglich bei autonomem Fahren 7. Kommunikation bei manuellem Fahren möglich durch Sprach- und Gestensteuerung, Audiowerbenachrichten, Vorlesefunktion 8. Neue Anforderungen an die IT-Abteilungen der Automobilhersteller
Besonders problematisch sind speziell alle B2B-Geschäftsmodelle und Kooperationen, bei denen der Kunde somit explizit einer Datenweitergabe zustimmen muss (BVDW 2016, S. 6–8; Art. 4 Absatz 1 EU-DSGVO). Diese Datenspeicherung sowie die Weitergabe von Fahrzeug- und Nutzerdaten ist ein sehr kritisches Thema, da der Kunde von den Vorteilen einer Datenspeicherung überzeugt werden muss, damit er nicht in erster Linie seine Privatsphäre gefährdet sieht (Andelfinger und Hänisch 2015, S. 16). Privacy Paradox Die meisten deutschen Verbraucher haben eine äußerst kritische Einstellung gegenüber der Datensammlung und bekunden häufig die Wichtigkeit von Privatsphäre und Datenschutz. Zugleich shoppen zahlreiche Menschen online, nutzen Kundenkarten wie Payback und verschicken sorglos Bilder und Nachrichten über den Instant-Messaging-Dienst WhatsApp oder andere Dienste. Die nachlässige Preisgabe von Daten auf sozialen Netzwerken oder beim Onlineeinkauf und die gleichzeitigen Beschwerden wegen mangelnden Schutzes der Privatsphäre stellen einen Widerspruch dar, der als Privacy Paradox bezeichnet wird. Dies bedeutet, dass das tatsächliche Onlineverhalten vieler Nutzer von ihrer bekundeten Einstellung zum Datenschutz abweicht (Engels und Grunewald 2017, S. 1). Dieses Privacy Paradox macht deutlich, dass die Kundeneinwilligung zur Datenspeicherung trotz häufig bekundeter Skepsis dennoch möglich ist, und relativiert die Forderungen nach dem Schutz der Privatsphäre. Dennoch ist eine Schwierigkeit von Dialogmarketing in Connected Cars, zunächst die notwendige Akzeptanz und das Einverständnis der Verbraucher zu erlangen, die rechtlich benötigt werden, um die Daten speichern zu dürfen. Den Kunden muss hierfür, ähnlich wie bei Messaging-Diensten, sozialen Netzwerken oder Kundenkarten, ein Mehrwert geboten werden. Die meisten Konsumenten stehen der Datensammlung zwar eher misstrauisch gegenüber, stimmen aber dennoch zu, wenn sie selbst davon profitieren können und eine Gegenleistung dafür bekommen (Engels und Grunewald 2017, S. 1).
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7 Dialogmarketing und Connected Cars
Klarer Mehrwert für den Kunden Eine Studie von McKinsey beschreibt die Einwilligung der Kunden zur Datenerhebung ebenfalls als erste große Hürde für Marketing in Connected Cars. McKinsey hält es ebenso für bedeutsam, dass den Konsumenten mit der Zustimmung ein klarer Mehrwert geboten wird. Die meisten Kunden werden trotz vorgeschobener Bedenken bezüglich ihrer Privatsphäre dann der Datenspeicherung aus ihrem Fahrzeug zustimmen, wenn sie im Gegenzug etwas dafür erhalten, also gezielt einen zusätzlichen Nutzen geboten bekommen. Eine Möglichkeit des Mehrwerts wäre, verstärkt alle Vorteile zu kommunizieren, die Kunden mit Connected Cars erhalten. Solche Vorteile für den Kunden können beispielsweise Mehrwerte aus unterschiedlichen Bereichen sein, üblicherweise aus den verschiedenen Kategorien: Kosten- oder Zeitersparnis, Sicherheit und Komfort (McKinsey&Company 2016, S. 13). Ein Beispiel für einen Mehrwert aus dem Bereich Sicherheit ist, dass durch Connected Cars im Notfall in Echtzeit und automatisch ein Notruf abgesetzt werden kann und damit die Rettungskräfte schneller den Unfallort erreichen können. Auch frühzeitige Verkehrswarnungen oder Gefahrenhinweise können damit automatisch erfasst und gegeben werden. In Bezug auf den Komfort kann dem Konsumenten vermittelt werden, dass das Pannenrisiko reduziert werden kann, wenn er der Datensammlung zustimmt. Das Ausfallrisiko des Fahrzeugs wird durch Predictive Maintenance verringert. Dies bringt auch automatisch Zeit- und Kostenersparnis mit sich, da technische Probleme oder Fehler frühzeitig erkannt werden können. Um die Einverständniserklärung der Kunden für eine Datensammlung aus dem Fahrzeug zu bekommen, muss folglich ein klarer Mehrwert bzw. Kundennutzen aufgezeigt werden (McKinsey&Company 2016, S. 13). Gewerbliche Fahrzeugzulassungen Neben Datenschutz und Kundenzustimmung könnte die Anzahl der gewerblichen Fahrzeugzulassungen ebenfalls eine Grenze des Handlungsspielraums für Marketingaktionen in Verbindung mit Connected Cars darstellen. Im Jahr 2016 waren lediglich 35 % der Neuwagenkäufer in Deutschland Privatpersonen, somit entfielen nahezu zwei Drittel der Neuwagenzulassungen auf Geschäfts- und Firmenkunden (Kraftfahrt-Bundesamt 2016). Dies deutet auf die Schwierigkeit hin, dass es sich bei Firmen- oder Gewerbekunden häufig um Poolfahrzeuge handelt, auf die verschiedene Mitarbeiter Zugriff haben. In diesem Fall ist der Käufer des Fahrzeugs nicht gleich dem Fahrer und diesen Autos sind häufig wechselnde Personen als Fahrer zugewiesen. Dies führt dazu, dass der Nutzer des Autos dem Autohersteller nicht immer bekannt ist und es schwierig ist, den jeweiligen Fahrer unmittelbar zu identifizieren. Kunde und Nutzer sind hier nicht dieselbe Person, die Nutzer wechseln unter Umständen häufig und deshalb muss vonseiten der Hersteller bei Kommunikationsmaßnahmen differenziert werden. Ähnlich verhält es sich bei Pay-per-Use Modellen, wie Carsharing, welche ebenfalls häufigem Fahrerwechsel unterliegen. Dies führt für die Hersteller zu der Problematik, die richtige Person ansprechen zu können und personalisiertes Dialogmarketing fehlerfrei zu realisieren. Dieses Problem macht die Notwendigkeit von Identifizierungssystemen in solchen Fällen deutlich (BVDW 2016, S. 9).
7.6 Herausforderungen für Dialogmarketing in Connected Cars
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Neue Marktteilnehmer Eine weitere mögliche Herausforderung für die OEMs stellen die neuen Marktteilnehmer auf dem Automobilmarkt dar. Softwarehersteller wie Google oder Apple entwickeln ebenfalls vernetzte Fahrzeuge und werden somit zu neuen Konkurrenten auf dem Markt. Die Unternehmen aus der Internetbranche haben in diesem Bereich teilweise entscheidende Vorteile gegenüber den Automobilherstellern in Bezug auf ihre Expertise in digitalen Geschäftsmodellen sowie der Datenverwertung. Abhängigkeit der Kommunikation vom autonomen Fahren Darüber hinaus könnte die Abhängigkeit der Kommunikation in Connected Cars vom autonomen Fahren ein mögliches Hemmnis vom Einsatz von Dialogmarketing in diesen darstellen. Solange Fahrzeuginsassen mit der Fahraufgabe beschäftigt sind, sind das Anschauen von Inhalten und die Reaktion darauf nur eingeschränkt möglich. Dies macht es schwierig, Services im Fahrzeug anzubieten, wenn der Fahrer mit dem Bedienen des Fahrzeugs beschäftigt und auf den Verkehr konzentriert ist. Wird das vollautonome Fahren jedoch irgendwann zur Realität, könnte Dialogkommunikation im Fahrzeug erheblich an Relevanz gewinnen (BVDW 2015 S. 9). Sprach- und Gestensteuerung, Audiowerbenachrichten, Vorlesefunktion Eine Möglichkeit von Kommunikation trotz manuellen Fahrens wäre die Nutzung von Sprach- und Gestensteuerung sowie Audiowerbenachrichten (BVDW 2016, S. 4; Coppola und Morisio 2016, S. 10). Auch der Einsatz einer Vorlesefunktion würde Werbebotschaften während der Autofahrt möglich machen. Trotz allem könnte durch autonomes Fahren und in die damit einhergehende Abgabe der Fahraufgabe ein großes Potenzial für neue Dienste im Auto entstehen (Wehinger und Cords 2015, S. 146–147). Funktion der IT-Abteilungen Eine weitere mögliche Herausforderung für die erfolgreiche Implementierung von Dialogmarketing in Connected Cars könnte die zukünftige Funktion der IT-Abteilungen der Automobilhersteller sein. Bisher hatte die IT-Abteilung bei den Automobilherstellern eine hauptsächlich interne und oftmals administrative Rolle. Die Technologiefähigkeit ist allerdings für gezieltes Dialogmarketing in Connected Cars von besonderer Bedeutung. Die Informationstechnologie sollte in der Lage sein, die komplexen Softwaresysteme in Connected Cars zu entwickeln, zu betreiben sowie Kundenbedürfnisse aus den Fahrzeugdaten ableiten zu können.
Der IT-Abteilung fällt damit zukünftig eine Schlüsselstellung im Unternehmen zu. Sie wird dafür verantwortlich sein, das Dialogmarketing in Connected Cars zu integrieren, abteilungsübergreifend mit anderen Bereichen zusammenzuarbeiten sowie für eine interne Rückkopplung der Daten und Erkenntnisse aus Connected Cars zu sorgen.
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7 Dialogmarketing und Connected Cars
Dies stellt eine schwierige und kostspielige Herausforderung für Automobilhersteller dar, die erkennen müssen, wie essenziell die Kompetenzerweiterung der IT und deren Technologieentwicklung sein werden (Strategy&PWC 2014, S. 13). Fazit Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass vor allem die rechtlichen Datenschutzregularien und die erforderliche Kundenzustimmung große Herausforderungen für die Implementierung von Dialogmarketing in Connected Cars darstellen können. Darüber hinaus können die Softwarekonzerne als neue Marktteilnehmer, das Risiko der Fahrerablenkung beim manuellen Fahren sowie die neuen Organisationsanforderungen innerhalb der OEMs Schwierigkeiten für Dialogmarketing in Connected Cars bedeuten.
7.7 Qualitative Expertenbefragung 7.7.1 Methodologische Grundlagen Qualitative direkte Befragung Um die diskutierten Ansätze des Dialogmarketings in Connected Cars einem Praxistest zu unterziehen, wurde eine qualitative direkte Befragung durchgeführt. Die explorative Studie in Form von Experteninterviews soll dazu dienen, neue Erkenntnisse zu den Möglichkeiten des Dialogmarketings in Connected Cars hervorzubringen. Die direkte Form der Interviews bietet eine hohe Gestaltungsfreiheit und wird in der Regel persönlich durchgeführt. Üblicherweise ist das Tiefeninterview nicht standardisiert und die Fragestellungen sowie die gesamte Gesprächsführung sind relativ offen. Dies bietet die Möglichkeit, auf Antworten des Befragten umgehend zu reagieren und einzugehen. Der Interviewer hat außerdem die Möglichkeit, das Interview in eigener Wortwahl zu führen und durch das individuelle Festlegen von Themenschwerpunkten Akzente zu setzen (Kepper 1994, S. 33). Zwei Gruppen von Experten Für die Experteninterviews werden circa zehn bis zwölf Experten aus zwei verschiedenen Bereichen der Automobilbranche ausgewählt und befragt, um ein möglichst umfassendes und kritisches Meinungsbild zu erlangen. Die erste Gruppe von Experten besteht aus internen Spezialisten der Automobilhersteller. Dabei kann es sich um Experten handeln, die entweder im Marketing oder dem Gebiet der Informationstechnologie (IT) bei einem Automobilhersteller beschäftigt sind. Die zweite Gruppe beinhaltet Experten aus dem Bereich der Agenturen und Berater, die für die Automobilbranche arbeiten. Beide Expertengruppen sollten jeweils sowohl aus IT- als auch aus Marketingexperten bestehen. Auswertung Im Nachgang zu den Experteninterviews wurden die Ergebnisse analysiert und interpretiert. Daraus sollten möglichst genaue Anwendungsmöglichkeiten für das Dialogmarketing entwickelt werden. Es wird herausgearbeitet, inwieweit Marketing durch
7.7 Qualitative Expertenbefragung
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Connected Cars überhaupt schon Relevanz in der Automobilbranche besitzt. Ferner sollen detaillierte Handlungsempfehlungen gegeben werden, wie Automobilhersteller mithilfe von Connected Cars auf den geschwächten Märkten wieder an Stärke gewinnen können. Außerdem werden die größten Herausforderungen und Risiken von Dialogmarketing in Connected Cars aufgezeigt.
7.7.2 Zusammensetzung der Experten Vierzehn Experten Insgesamt wurden zwölf Interviews mit vierzehn verschiedenen Experten aus den zuvor festgelegten Bereichen durchgeführt. Zwei der zwölf waren gemeinsame Interviews mit jeweils zwei Experten, welche aus dem gleichen Unternehmen oder der gleichen Abteilung stammten. Es handelte sich hierbei um telefonische und persönliche Interviews. Die Zusammensetzung der Experten unterteilt sich in fünf Experten bei Automobilherstellern und neun externe Agenturen und Berater. Die Zuordnung zu Marketing und Vertrieb oder IT ließ sich nicht immer ganz eindeutig vornehmen, da manche Experten eine übergreifende Position innehaben. Aus Gründen der Vertraulichkeit werden die Namen und genauen Positionen der Experten nicht veröffentlicht. Es sind jedoch sowohl Experten der Premiumautomarken als auch der Mittelklasseautohersteller vertreten, somit werden unterschiedliche Marken und Segmente in den Interviews abgebildet. Berufserfahrung Die meisten Experten haben eine ausgesprochen lange Berufserfahrung in der Automobilindustrie, dies wurde auch bei den Rekrutierungskriterien gefordert. Die durchschnittliche Berufserfahrung aller befragten Experten in der Automobilbranche liegt bei 13 Jahren.
7.7.3 Anwendungsmöglichkeiten für Dialogmarketing in Connected Cars Angebote zur Fahrzeugwartung und Realtime-Traffic-Daten Bei den Fragen zu den direkten Anwendungsmöglichkeiten für Dialogkommunikation in Connected Cars wurde durch die Antworten der Experten vor allem deutlich, dass sich die aktuellen Anwendungen von Diensten oder Dialog in Connected Cars hauptsächlich auf Angebote zur Fahrzeugwartung beschränken. Viele Experten nannten Dienste wie Ferndiagnose oder Predicitive Maintenance. Weiterhin wurden Realtime-Traffic-Daten, also Verkehrsinformationen in Echtzeit, als aktueller Anwendungsbereich genannt. Tab. 7.6 fasst die Aussagen der Experten zu den Anwendungsmöglichkeiten für Dialogmarketing zusammen.
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7 Dialogmarketing und Connected Cars
Tab. 7.6 Dialogmarketing in Connected Cars 1. Angebote zur Fahrzeugwartung: Ferndiagnose, Predicitive Maintenance, Terminvorschläge für Werkstattbesuch 2. Realtime-Traffic-Daten 3. Function-On-Demand: Freizuschalten bzw. Buchen von Funktionen oder Features im Auto 4. Kooperationspartner: Aus der Automobilbranche: Versicherungen, Tankstellen oder Werkstätten, etc. Branchenfremde mit Mobilitätsbezug: Parkhäuser, Hotels, Restaurants, Cafés, Supermärkte, Baumärkte, andere Einzelhandelsunternehmen, etc. Andere Hersteller sowie Google und Apple, etc. 5. Dienste für Flotten- und Nutzfahrzeuggeschäft: Predictive Maintenance, automatisierte digitale Fahrtenbücher 6. Kommunikation mit dem Smart Home 7. Anschlussdienstleistungen: Paketzustellung ins Auto, Reinigung des Autos, ConciergeServices, etc.
Terminvorschläge für Werkstattbesuch Bis zum heutigen Zeitpunkt gibt es in Connected Cars noch kaum Marketingaktionen zu weiterführenden Angeboten oder Services mit gesteigertem Nutzen, die über die Wartung hinausgehen. Was momentan allerdings schon möglich ist, ist eine Verbindung mit dem Kalender des Kunden herzustellen und anhand dessen Terminvorschläge für einen Werkstattbesuch zu machen. Function-on-Demand Manche Autohersteller bieten ihren Kunden auch bereits Function-On-Demand an. Function-on-Demand bietet dem Kunden die Möglichkeit, einzelne Funktionen oder Features im Auto nachträglich freizuschalten bzw. dazu zu buchen. Die verschiedenen Fahrzeugeigenschaften sind dann bereits im Auto in gesperrter Form vorhanden und können vom Kunden jederzeit nachgebucht werden. Beispielsweise lässt sich zusätzliche Motorleistung nachträglich kaufen und durch einen Code freischalten. Kooperationen mit Drittanbietern Die Chancen, Dialogmarketing in Connected Cars in Form von Anwendungsfällen im Business-to-Business-Bereich, also Kooperationen mit Drittanbietern, zu erweitern, werden von den Experten als extrem hoch eingestuft. Kooperationen, sowohl mit branchennahen als auch mit branchenfremden Unternehmen, sind für die meisten Experten sehr gut vorstellbar. Als mögliche Kooperationspartner aus der Automobilbranche wurden Versicherungen, Tankstellen oder Werkstätten genannt. Mögliche Partner aus anderen Bereichen sind Supermärkte, Parkhäuser, Hotels oder Baumärkte. Aber auch Restaurants, Cafés sowie andere Einzelhandelsunternehmen sehen einige Experten als Partner für Kooperationen
7.7 Qualitative Expertenbefragung
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an, die für Automobilhersteller in Betracht kommen können. Zudem werden auch die Zusammenarbeit mit anderen Herstellern in Bezug auf Plattformen sowie mit Google und Apple genannt. Auf Kooperationen mit Softwareunternehmen wird in einem späteren Abschnitt detailliert eingegangen. Allerdings wurde von den Experten angemerkt, dass auch branchenfremde Kooperationen immer einen Bezug zum Auto oder zur Autofahrt haben sollten. Es sollte sich also immer um Dienste oder Angebote handeln, die in irgendeiner Form einen Mobilitätsbezug haben oder fahrzeugnah sind. Dies könnte beispielsweise das Angebot eines Kaffees für den Weg zur Arbeit oder ein Angebot für ein Restaurant auf einer längeren Fahrstrecke sein. Flotten- und Nutzfahrzeuggeschäft Als weiteres wichtiges Feld der Anwendungsmöglichkeiten für Dialogmarketing in Connected Cars wird in den Experteninterviews das Flotten- und Nutzfahrzeuggeschäft genannt. Dies spielt vor allem deshalb eine große Rolle, da zwei Drittel aller Neuzulassungen Geschäftskunden sind. Vor allem für dieses Nutzfahrzeuggeschäft ist das Thema Predictive Maintenance von großer Bedeutung. Besonders für Geschäftskunden sind ein reibungsloser und frühzeitiger Reparaturablauf und die damit verbundene Vermeidung von Ausfallzeiten von immenser Wichtigkeit. Auch zusätzliche Dienste, wie automatisierte digitale Fahrtenbücher oder ähnliches, haben im Flotten- und Nutzfahrzeuggeschäft großes Potenzial. Kommunikation mit dem Smart Home Weitere Use-Cases sehen die Experten in den verschiedensten Bereichen. Zum einen ist die Möglichkeit der Kommunikation mit dem Smart Home, also dem vernetzten Zuhause, ein denkbarer Use-Case. Hier könnte z. B. der Kühlschrank mit dem Fahrzeug kommunizieren und eine Information darüber geben, was eingekauft werden muss, und wo diese Artikel möglicherweise gerade in einem kooperierenden Supermarkt in der Nähe im Angebot sind. Paketzustellung ins Auto, Reinigung des Autos, Concierge-Services Zum anderen sind auch verschiedene Anschlussdienstleistungen denkbar. Zum Beispiel wurde hier die Idee der Paketzustellung ins Auto genannt. Der Paketzusteller könnte das Auto mithilfe der Standortdaten lokalisieren und den Kofferraum dann durch einen bestimmten einmaligen Code öffnen. Dies würde eine Paketzustellung ermöglichen, obwohl der Kunde nicht Zuhause ist und sein Fahrzeug auf einem Parkplatz abgestellt hat. Eine andere Dienstleistungsmöglichkeit wäre eine Reinigung des Autos, während der Fahrer sich bei seinem Arbeitsplatz befindet und das Fahrzeug unbewegt auf einem Parkplatz steht. Weitere mögliche Use-Cases wären Concierge-Services sowie andere Reisedienste. Unter Concierge-Service versteht man eine Art persönlichen Assistenten im Fahrzeug, der nützliche Tipps und Informationen über die Umgebung geben kann. Dies können
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z. B. Auskünfte über Restaurants, Geldautomaten oder die nächstgelegene Apotheke sein. Es handelt sich um ähnliche Informationen, wie sie der Concierge eines Hotels als Ortskundiger geben könnte. Potenziale für Dialogmarketing Die Experten sehen generell sehr große Potenziale für Dialogmarketing in Connected Cars in den verschiedenen abgefragten Bereichen, wie In-Car Verkäufe, individuelle Angebote, Location-Based Angebote als auch für das Aftersales-Geschäft. Diese vier Bereiche erreichten sehr hohe Bewertungen und sind damit Kommunikationsmöglichkeiten und Anwendungsgebiete, die für Dialogmarketing in Connected Cars als sehr interessant eingestuft werden können.
7.7.4 Herausforderungen für Dialogmarketing in Connected Cars Diskrepanz zwischen Chancen für Dialogmarketing und praktischer Umsetzung Die Experteninterviews haben gezeigt, dass das Thema Connected Cars grundsätzlich eine sehr große Relevanz für die Automobilhersteller besitzt und dass zum jetzigen Zeitpunkt bereits technisch hochwertige Fahrzeuge gebaut werden, die internetfähig sind und Kommunikationsfunktionen haben. Trotz dieser Ausgangssituation, die bereits viele Chancen für Dialogmarketing über Funktionen von Connected Cars bietet, wird zurzeit kaum Dialogmarketing in Connected Cars betrieben. Die Experten sind der Meinung, dass die Marketingkommunikation im Auto als sehr relevant anzusehen ist und die Fahrzeuge auf einem sehr guten technischen Stand sind, allerdings findet derzeit so gut wie keine marketingrelevante Kommunikation in Connected Cars statt. Dass von den Herstellern bisher noch kaum Marketingkommunikation im Fahrzeug betrieben wird, hat unterschiedliche Ursachen, welche im Folgenden durchleuchtet werden sollen. Zunächst werden die technischen Hürden aufgezeigt. In der Tab. 7.7 werden die von den Experten genannten Herausforderungen für den Einsatz des Dialogmarketings in Connected Cars zusammengefasst, die in diesem Kapitel diskutiert werden. Diese Herausforderungen gelten als die Gründe für die Diskrepanz zwischen den von den Experten wahrgenommenen Chancen für Dialogmarketing und den Defiziten der praktischen Umsetzung. Kommunikation ohne Ablenkung von der Fahraufgabe Die Form von Art und Umfang, in der die Kommunikation stattfinden kann, stellt laut Experten ein Hindernis von Dialogmarketing in Connected Cars dar. Zum jetzigen Zeitpunkt, da Fahrzeuge noch nicht autonom fahren können und dies auch gesetzlich noch nicht dürfen, muss jegliche Kommunikation so gestaltet sein, dass sie den Fahrer nicht von seiner Fahraufgabe ablenkt. Das bedeutet unter anderem, dass die Kommunikation
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Tab. 7.7 Herausforderungen für Dialogmarketing in Connected Cars aus Sicht der Experten 1. Technische Probleme • Kommunikation darf nicht von der Fahraufgabe ablenken – Kommunikation über ein Head-Up-Display – Kommunikation über Töne, Vibrationen, Sprache, Gestensteuerung, Touchscreen – Einfache Nachrichten • Erst autonomes Fahren ermöglicht die Kommunikation – Bei vollautonomem Fahren ist der Fahrer befreit von der Fahraufgabe, wird zum Passagier – Aber bei autonomem Fahren Nutzung von Smartphone oder Laptop • Schwierigkeiten der Fahreridentifikation – Dialogmarketing erfordert Personalisierung 2. Institutionelle Bedingungen • Organisationsstruktur von Automobilherstellern vergleichsweise statisch und schwerfällig – Produktzentrierte Automobilindustrie bremst die Entwicklung von Dialogmarketing in Connected Cars • Marketing wenig datengetrieben, Gießkannenprinzip • Schwächen bei der IT-Expertise – Unklare Einordnung des Themas Connected Cars in Marketing, Vertrieb, IT, Entwicklung – Umdenken bei Digital und Services erkennbar: neue Stellen wie „Chief Digital Officer“, „Vice President Digital Vehicle“ – Herausforderungen an die IT: Cloud- sowie Plattformlösungen und Algorithmen zur Datenspeicherung und -aufbereitung – Technisches Grundgerüst erforderlich für Dialogmarketing für Reaktionen, Transaktionen, Rechnungsstellung, Beschwerden, etc. • Konkurrenz durch neue Marktteilnehmer (wie Google, Apple, Amazon, etc.) oder Zusammenarbeit mit neuen Marktteilnehmern – Gefahr bei Kooperation: Kontrollverlust über Fahrer- und Fahrzeugdaten, Verlust der Datenhoheit im Fahrzeug – Vorteil bei Kooperation: Profitieren von der Expertise der Softwarekonzerne – Starke Position von Apple Carplay und Android Auto – Begrenzte Kooperation mit Softwareanbietern, Verteidigung der Daten über die Fahrzeugsensorik • Noch begrenztes Potenzial des Connected Cars Marktes • Unklare Kosten und Erlöse: das digitale Geschäftsmodell ist schwierig zu planen 3. Kundenabhängige Herausforderungen • Mangelnde Bereitschaft der Kunden zur Datenfreigabe, gesetzliche Datenschutzvorgaben • Geringe Akzeptanz des Fahrzeugs als Werbemedium • Mehrwert von Connected Cars muss vermittelt werden • Kulturelle Unterschiede zwischen den Ländern und Regionen • Hoher Anteil standardisierter Fahrten: Angebote auf der Strecke sind vertraut • Vielfahrer möglicherweise eher empfänglich für relevante Services oder Angebote auf unbekannten Strecken
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in Autos sehr schlicht und einfach aufgebaut sein muss und keine Filme oder lange Texte verschickt oder gezeigt werden dürfen.
Aus der Vorgabe, dass der Fahrer nicht abgelenkt werden darf, ergibt sich eine weitere Hürde für das Dialogmarketing in Connected Cars. Dialogmarketing erfordert Interaktion mit der Zielgruppe. Das heißt, es gibt Sender und Empfänger der Marketingmaßnahme und die Kommunikation muss in beide Richtungen stattfinden, einerseits vom Hersteller oder Drittanbieter zum Kunden und andererseits vom Kunden zurück zum Hersteller bzw. Drittanbieter. Diese Reaktion des Adressaten ist ohne Ablenkung von der Aufgabe des Fahrens kaum möglich.
Kommunikation über ein Head-Up-Display Als vorstellbare Lösung dieses Problems schlagen die Experten verschiedene Techniken vor, Kommunikation und Dialog während der Fahrt zu realisieren. Zum Beispiel ist es denkbar, ein Head-Up-Display (HUD) zu nutzen. Bei einem HUD, auch Blickfelddarstellung oder Frontscheibenanzeige genannt, kann der Blick des Fahrers permanent oben gehalten werden. Inhalte werden direkt im Sichtfeld des Fahrers eingeblendet; die Frontscheibe des Autos wird demnach zum Display. Der Fahrer kann so trotz Nachrichten oder Informationen durch das Auto seine Blickrichtung beibehalten und seinen Blick auf der Straße lassen. Kommunikation über Töne, Vibrationen, Sprache, Gestensteuerung, Touchscreen Eine weitere Möglichkeit, die obengenannten Hindernisse zu umgehen, ist die Kommunikation mittels Tönen oder Vibrationen am Lenkrad oder Sitz bzw. das Verschicken von Sprachnachrichten. Weiterhin wäre es für bestimmte Inhalte auch denkbar, eine Art LiveChat oder Videokonferenz anzubieten, welche eine unmittelbare Responsemöglichkeit für den Nutzer bietet, ohne ihn dabei übermäßig von seiner Fahraufgabe abzulenken. Für die Interaktion, die vom Fahrer zurück zum Automobilhersteller oder werbenden Partnern geht, müssen neben den bereits erwähnten Videokonferenzen und Live-Chats Lösungsformen gefunden werden. Diese Interaktion wäre laut Experten möglich über Sprach- oder Gestensteuerung. Weiterhin wäre es auch vorstellbar, Interaktionsmöglichkeiten durch Schalter und Bedienelemente am Lenkrad einzurichten. Überdies könnte ein Touchscreen auf Augenhöhe als Alternative zu Displays in der Konsole des Fahrzeugs eine bessere Handhabung ermöglichen. Einfache Nachrichten Bei der Suche nach der optimalen Form der Kommunikation ist generell zu beachten, dass die Art der Nachricht einfach gehalten werden sollte. Zu viele Informationen oder Inhalte können nicht sinnvoll und einfach aufbereitet und aufgenommen werden, ohne vom Fahren abzulenken. Ebenso sollte es für den Fahrer möglich sein, ohne großen Aufwand auf die Kommunikation zu reagieren, wie beispielsweise durch Ja-Nein-Antworten
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bei Entscheidungsfragen. Allgemein lässt sich zudem feststellen, dass Werbenachrichten besonders dann gesendet werden sollten, wenn das Fahrzeug steht oder sehr langsam fährt, also z. B. vor dem Start, im Stau oder an einer Ampel. Autonomes Fahren ermöglicht die Kommunikation Zum Einsatz von Werbebotschaften im Auto ist außerdem zu sagen, dass dieser stark erleichtert wird, wenn autonomes Fahren in der Zukunft Realität wird. Wenn vollautonomes Fahren möglich wird, ist der Fahrer befreit von der Fahraufgabe und jeglicher Verantwortung im Auto. Dies gibt ihm die Freiheit, sich auch längere oder detaillierte Nachrichten oder sogar kurze Spots im Auto anzuschauen. Die Experten waren der Meinung, dass das nichtautonome Fahren der heutigen Zeit teilweise ein Hemmnis für Dialogmarketing in vernetzten Fahrzeugen ist. Aber bei autonomem Fahren Nutzung von Smartphone oder Laptop Allerdings würde die Realisierung autonomen Fahrens wiederum ein neues Problem für Dialogmarketing in Connected Cars hervorbringen. Wenn autonomes Fahren zur Wirklichkeit wird, wandeln sich der Fahrer zu einem Passagier und das Auto zu seinem Taxi. Dies führt dazu, dass er auch sein Smartphone oder jegliche anderen internetfähigen Geräte verwenden kann und nicht zwangsläufig sein Auto für Dienste oder das Konsumieren von Musik und Filmen nutzen muss.
Die Abschaffung des manuellen Fahrens führt folglich dazu, dass das Infotainmentsystem des Autos als Werbemedium im Fahrzeug keine Alleinstellung mehr hat und in Konkurrenz tritt mit Smartphone, Laptop und anderen Medien.
Schwierigkeiten der Fahreridentifikation Ein zweites großes technisches Problem und damit einen weiteren Grund dafür, dass bisher noch kaum Dialogmarketing durch Connected Cars stattfindet, sehen die Experten darin, dass die Automobilhersteller ihre Kunden normalerweise nicht kennen und eine Fahreridentifikation meist äußerst schwierig ist. Das heißt, Hersteller wissen häufig nicht einmal den Namen der Person, die ein bestimmtes Fahrzeug fährt. Die Ursache hierfür liegt begründet im mehrstufigen Vertriebsmodell der Automobilbranche und darin, dass Autos nicht direkt an den Endkunden verkauft werden. Hersteller verkaufen ihre Autos erst an die verschiedenen Märkte, beispielsweise an einen Importeur. Der Importeur vertreibt die Fahrzeuge an die Händler und die Händler wiederum an den Endkunden. Der Verkauf eines Autos verläuft somit über eine Vielzahl von Intermediären, was bedeutet, dass ausschließlich der Händler in direkten Kundenkontakt tritt und der Autohersteller möglicherweise über keinerlei eigene Kundendaten verfügt, falls nicht entsprechende Vereinbarungen zur Datennutzung geschlossen wurden. Diese Absatzstruktur und der nicht bestehende Kontakt zwischen Hersteller und Endkunde führen dazu, dass die Hersteller oft nicht wissen, wer genau ihre Kunden sind. Dies kompliziert ein personalisiertes Dialogmarketing enorm, denn bevor Autohersteller
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ein qualitativ schlechtes Dialogmarketing betreiben, wird offenbar lieber gänzlich darauf verzichtet, wie die Experten bestätigen. Organisationale Bedingungen Neben den zuvor beschriebenen technischen Hürden stellen vor allem die institutionellen bzw. organisationalen Bedingungen innerhalb der Automobilkonzerne Herausforderungen für die Implementierung von Dialogmarketing in Connected Cars dar. Die gesamte interne Organisationsstruktur von Automobilherstellern ist nach Aussage der Experten überwiegend vergleichsweise statisch und schwerfällig. Die Autoindustrie ist eine alte und sehr traditionsreiche Branche, die zum Teil noch sehr festgefahren und starr in ihren Strukturen ist. Produktzentrierte Automobilindustrie Die Unternehmen sind nach Meinung der Experten bedingt durch ihre jahrzehntelange Geschichte oft konservativ, man findet vermehrt eine äußerst produktzentrierte Denkweise vor. Manche Automobilhersteller gehen nach Expertenmeinung davon aus, es genüge, gute Produkte herzustellen, um den Kunden zu überzeugen. Der Fokus liegt also noch sehr stark auf dem klassischen Kerngeschäft, dem Fahrzeugbau und dem Produkt Auto. Dieser Fokus bremst die Entwicklung von Dialogmarketing in Connected Cars aus, da es sich dabei um weiterführende Dienstleistungen und Services handelt, die in dieser Denkweise somit wenig Beachtung finden. Außerdem ist das Fahrzeuggeschäft generell ein sehr margengetriebenes Geschäft, das durch den Verkauf von Zusatzausstattungen und Aftersales bestimmt wird und wenig Raum für innovative Geschäftsmodelle zulässt. Marketing nach dem Gießkannenprinzip Auch das Marketing wird nach Auskunft der Experten bisher häufig nach dem Gießkannenprinzip durchgeführt und ist im Vergleich zu anderen Branchen wenig datengetrieben, was für den Einsatz des Dialogmarketings problematisch ist. Ebenso tragen ein ausgeprägtes Silodenken innerhalb einiger Organisationen und die Fixierung vieler Abteilungen auf sich selbst dazu bei, dass Innovationen, wie beispielsweise neue Geschäftsmodelle durch Connected Cars, erschwert und ausgebremst werden. Um also zusätzliche innovative Geschäftsmodelle für Marketing in Connected Cars zu entwickeln, sind eine Abkehr von der produktzentrierten Denkweise sowie eine engere Zusammenarbeit zwischen Abteilungen und Organisationen nötig. IT-Expertise Die Auswertung der Fragen zu den internen Strukturen zeigt deutlich, dass eine interne Zusammenarbeit der Bereiche Marketing und IT bei den Automobilherstellern zurzeit zu wenig stattfindet, dies verdeutlicht diese institutionelle Schwäche. Darüber hinaus wird die interne IT-Expertise und das Know-how der Hersteller als eher gering eingeschätzt. Dies bezieht sich vor allem auf Fähigkeiten zur Bewältigung anfallender Fahrzeug- und Kundendaten, der systematischen Analyse sowie das Extrahieren relevanter Daten.
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Die meisten Experten halten externe Partner für nötig und wichtig. Hierbei ist allerdings kritisch zu betrachten, dass neun der vierzehn Experten selbst aus der Beratungsbranche kommen und deshalb bei dieser Frage möglicherweise nicht unvoreingenommen argumentieren. Einordnung des Themas Connected Cars im Unternehmen Eine weitere Schwierigkeit stellt die interne Verortung des Themas Connected Cars innerhalb des Unternehmens dar. Offenbar war lange Zeit ungeklärt, wo genau das Thema einzuordnen ist bzw. welchem Bereich es angegliedert werden soll. Vor allem deshalb, weil Connected Cars sowohl Marketing und Vertrieb als auch die IT und die Entwicklung betreffen und all diese Abteilungen gemeinsam an Lösungen arbeiten müssen. Eine strikte Angliederung an einen bestimmten Bereich wäre wenig sinnvoll. Vielmehr müssen die verschiedenen Fachbereiche eng zusammenarbeiten, um strategische Kooperationspartner zu finden, Services für den Kunden zu entwickeln sowie deren Implementierung voranzutreiben. Umdenken bei Digital und Services Trotz oder vielleicht gerade wegen der Vielzahl der Probleme findet laut Experten mittlerweile ein Umdenken bei vielen Autoherstellern statt.
Die Themen Digital und Services werden immer wichtiger, was man auch daran erkennen kann, dass versucht wird, Positionen zu schaffen, die eine Schnittstelle zwischen den Funktionsbereichen darstellen und diese zusammenbringen sollen.
Die Schaffung von Stellen wie Chief Digital Officer oder Vice President Digital Vehicle bei verschiedenen Automobilherstellern zeigen, dass das Problem erkannt wurde und Änderungen in der Organisationsstruktur vorgenommen werden. Folglich werden erste Schritte in die richtige Richtung unternommen. Herausforderungen an die IT Eine weitere IT-seitige Herausforderung für Automobilhersteller besteht darin, dass mit Connected Cars und den anfallenden Daten völlig neue Aufgaben und Anforderungen entstehen. Zunächst werden Cloud- sowie Plattformlösungen zur Datenspeicherung und -aufbereitung der Fahrzeugdaten benötigt. Zusätzlich müssen Algorithmen entwickelt werden, um aus der großen Menge an Daten relevante Informationen filtern zu können, um sie für personalisierte Kommunikation zu nutzen. Auch die neu anfallenden vorher nicht beim Hersteller vorhandenen Kundendaten, die mit Connected Cars generiert werden können, machen zusätzliche Systeme erforderlich. Für das Anlegen von Kundenprofilen benötigt man neben neuen Datenbanken auch kontinuierliche Systempflege.
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Technisches Grundgerüst für Dialogmarketing Hinzu kommt, dass das Angebot von Services im Auto auch Transaktionen des Kunden möglich machen muss, falls dieser ein Angebot annehmen oder einen Kauf tätigen möchte. Es muss dem Kunden also möglich sein, auf unkomplizierte Weise zu reagieren, zu bezahlen und das Geschäft abzuwickeln, welches eine Rechnungsstellung sowie ein Beschwerdemanagement aufseiten der Hersteller notwendig macht. Dieses gesamte Grundgerüst, das das Dialogmarketing in Connected Cars ermöglicht, muss innerhalb der Automobilkonzerne erst einmal eingerichtet werden. All das sind neue Bereiche für die Hersteller, die aufgebaut werden müssen, um dem Kunden ein hochwertiges Erlebnis zu bieten, welches tatsächlich zur Umsatzgenerierung beiträgt. Die Experten betonen, dass die Automobilhersteller hierfür folglich ganz neue Fähigkeiten und Kompetenzen benötigen, die sie erst noch entwickeln müssen. Konkurrenz durch neue Marktteilnehmer oder Zusammenarbeit Eine weitere Herausforderung für die Automobilhersteller ist die Konkurrenz durch neue Marktteilnehmer aus der Softwareindustrie, wie Google, Apple, Amazon und viele weitere. In den Interviews sollte herausgefunden werden, ob die Tendenz eher dahin geht, mit den Softwareriesen zusammenzuarbeiten oder sie als gefährliche Konkurrenten anzusehen und möglichst vom Geschäft abzuschotten. Paradox ist hier, dass die Experten die Softwarehersteller einerseits als sehr starke Konkurrenz sehen, andererseits aber trotzdem eine Zusammenarbeit für ratsam halten bzw. viele Autohersteller bereits mit ihnen zusammenarbeiten. Dies haben die Experten alle sehr ähnlich begründet. Die Fahrzeughersteller stehen vor einer schwierigen strategischen Entscheidung: Arbeiten sie mit den Softwarekonzernen zusammen, riskieren sie, die Kontrolle über Fahrer- und Fahrzeugdaten zu verlieren. Schließen sie Kooperationen aus und verwenden eigens entwickelte Systeme in ihren Autos, können sie nicht von der enormen Expertise der Softwarekonzerne profitieren. So haben Softwareunternehmen wie Google und Apple ausgereifte und hochwertige Systeme, welche dem Kunden eine bessere User Experience in der Anwendung bieten als die Systeme der Autohersteller zum jetzigen Zeitpunkt. Auch bezüglich Know-how im Verwerten und Verwenden von Nutzerdaten sind die Softwarehersteller den Autoherstellern weit voraus, da diese Kompetenzen bereits lange zu ihren Kernkompetenzen zählen. Starke Position von Apple Carplay und Android Auto Ein weiteres Problem, das viele Automobilkonzerne haben, wenn sie auf eine Zusammenarbeit mit den Softwarekonzernen verzichten, liegt darin, dass Google und Apple eine so starke Position am Markt und eine derartige Beliebtheit haben, dass die Kopplung der Systeme vom Kunden nicht nur erwartet wird, sondern vielmehr für ihn ein wichtiges Kaufkriterium darstellt. Diese Kundenanforderung zwingt viele Autohersteller dazu, mit
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den Softwarekonzernen zu kooperieren und mit Apple Carplay und Android Auto Systeme anzubieten, mit denen der Kunde sein Smartphone im Auto koppeln und eins zu eins auf das Fahrzeugdisplay spiegeln kann. Datenhoheit im Fahrzeug Die größte Gefahr, die für Automobilhersteller durch eine solche Zusammenarbeit besteht, ist jedoch, dass sie die Datenhoheit im Fahrzeug verlieren und Google und Apple das Fahrzeug auch als Instrument für das Anbieten von Diensten nutzen werden. Dies könnte auch dazu führen, dass Automobilhersteller möglicherweise in der Zukunft nur noch Hardwarehersteller sein werden und die Software sowie die Datenverarbeitung aus den Fahrzeugdaten komplett von den internationalen Softwarekonzernen übernommen wird. Begrenzte Kooperation mit Softwareanbietern Die Softwarehersteller sind in ihren Strukturen nach Auskunft der Experten viel schnelllebiger und dynamischer und reagieren häufig sofort auf Kundenwünsche bzw. können diese schnell implementieren. Problematisch ist darüber hinaus, dass viele Dienste, die bei Autoherstellern nur entgeltlich zu erwerben sind, von Google beispielsweise kostenlos angeboten werden, da das Geschäftsmodell eine Bezahlung über die Datenfreigabe vorsieht. Der Kunde kann die Navigation von Google Maps völlig kostenfrei nutzen, wohingegen er für die Navigationssysteme beim Autohersteller meist bezahlen muss. Allerdings ist zu bedenken, dass ein Autohersteller kein Softwareentwickler ist und dass diese Kompetenzen nicht innerhalb kürzester Zeit erworben werden können. Trotzdem sollte nur eine teilweise Zusammenarbeit mit Google und Apple erfolgen, um die Fahrzeugdaten nicht gänzlich zu verlieren. Zudem sollten nach Meinung der Experten vor allem die Daten über die Fahrzeugsensorik verteidigt werden, da das ein Bereich ist, zu dem die Softwarehersteller bis heute keinen Zugriff haben. Geben die Automobilhersteller dieses Geschäft komplett in die Hände der Softwareanbieter, verlieren sie einen wesentlichen Wettbewerbsvorteil. In welcher Form und welchem Umfang tatsächlich zusammengearbeitet wird, sollte demnach gründlich evaluiert werden und eine strategische Unternehmensentscheidung auf höchster Ebene darstellen. Begrenztes Potenzial des Connected Cars Marktes Eine weitere allgemeine Hürde für Dialogmarketing in Connected Cars besteht darin, dass das gesamte Potenzial des Connected Cars Marktes für die Autohersteller bisher in der Betrachtung aller Fahrzeuge weltweit immer noch relativ klein ist. Auch bei starkem Anstieg der Anzahl von Connected Cars in den letzten Jahren ist der Anteil von Connected Cars an allen Fahrzeugen noch immer sehr gering. Aktuell sind nur circa 15 % aller Autos auf den Straßen weltweit connected, die Mehrheit aller Fahrzeuge hat noch keine Vernetzung mit dem Internet. Folglich wird das Potenzial für Automobilhersteller momentan
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nach Meinung der Experten noch als eher gering eingeschätzt. Dies könnte auch eine Ursache dafür sein, dass heute noch kaum Dialogmarketing in Connected Cars stattfindet.
Aber auch wenn der Großteil aller Autos heute noch nicht connected ist, wird diese Zahl vermutlich weiter ansteigen und dieses stark wachsende Potenzial sollte keinesfalls vernachlässigt werden. Laut Marktforschungsinstitut Gartner sollen im Jahr 2020 bereits 250 Mio. Connected Cars im Umlauf sein, dann werden 20 % aller Autos vernetzt sein (Gartner Inc. 2015).
Unklare Kosten und Erlöse Was viele Autohersteller zusätzlich hemmt, Dialogmarketing in Connected Cars zu realisieren, ist die bisherige Unklarheit darüber, wie genau damit Erlöse zu erzielen sind. Zurzeit bestimmt noch der klassische Autoverkauf den Großteil des Umsatzes von OEMs. Das Anbieten von Diensten und personalisierter Kommunikation ist ein komplett neues Geschäfts- bzw. Marketingfeld für die Autohersteller. Es handelt sich hierbei um ein digitales Geschäftsmodell, für welches man keine genauen Absatzstückzahlen planen oder Kostenaufstellungen abgeben kann, wie das in der Automobilbranche ansonsten üblich ist. Die Unklarheit über genaue Entwicklungen und Zahlen erschwert die Umsetzung neuer Geschäftsmodelle durch Connected Cars laut Expertenmeinung demnach zusätzlich. Kundenabhängige Herausforderungen Nachdem nun die technischen Hürden sowie die internen und institutionellen Herausforderungen seitens der OEMs erörtert wurden, werden im Folgenden die kundenabhängigen Herausforderungen erläutert. Dialogmarketing in Connected Cars, welches datengetrieben erfolgt und gleichzeitig Daten generiert, wird eingeschränkt durch strenge Datenschutzgesetze sowie die mangelnde Bereitschaft der Kunden zur Datenfreigabe. Die gesetzlichen Regularien machen eine Kundenzustimmung zur Datennutzung erforderlich, bevor überhaupt irgendeine datengetriebene Kommunikation stattfinden darf. Akzeptanz des Fahrzeugs als Werbemedium Hinzu kommt, dass das Fahrzeug als Werbemedium für den Kunden noch komplett neu ist und daher eine eher geringe Kundenakzeptanz genießt. Das Auto war bisher werbefreie Zone und ist für viele Menschen ein Symbol der Freiheit. Dass man im Auto gegebenenfalls permanent getrackt werden kann, könnte laut Experten für einige Kunden beunruhigend oder störend sein, auch wenn dies durch das Smartphone, sofern es im Auto bei sich getragen wird, ohnehin schon möglich ist. Für eine Akzeptanz des Fahrzeugs als Werbemedium ist demnach erforderlich, dass den Verbrauchern diese Skepsis oder Angst vor permanenter Überwachung genommen wird und stattdessen der Mehrwert von Connected Cars aufgezeigt wird. Welchen Mehrwert die OEMs ihren Kunden tatsächlich konkret bieten können, um diese Akzeptanz der Verbraucher zu erlangen, darauf wird noch im Detail eingegangen.
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Kulturelle Unterschiede Über gesetzlichen Datenschutz und Kundenskepsis hinaus bilden auch immense kulturelle Unterschiede in Einstellungen zu Werbung und Datenfreigabe große Hürden für die Autohersteller. Einige Experten betonen, dass es erhebliche kulturelle Unterschiede zwischen den Ländern und Regionen gibt. Die Kunden sind unterschiedlich werbeaffin und unterschiedlich offen, wenn es um die Speicherung ihrer Daten geht. Dies führt dazu, dass für verschiedene Länder und Regionen ganz unterschiedliche Modelle und Lösungen gefunden werden müssen, wie Kundenakzeptanz erlangt werden kann und wie konkret die Kommunikation ausgestaltet werden sollte. Es kann also keine One-fits-allLösung geben, was die Umsetzung erheblich erschwert. Hoher Anteil standardisierter Fahrten Betrachtet man das Marketingpotenzial in Connected Cars im Allgemeinen, muss man nach Meinung der Experten außerdem beachten, dass es einen hohen Anteil standardisierter Fahrten gibt. Standardisierte Fahrten sind Strecken, die Kunden regelmäßig auf gleichem Weg zurücklegen und diese dementsprechend gut kennen, wie z. B. der Arbeitsweg, die Fahrt zu Freizeitaktivitäten oder zum Einkaufen. Die Kunden, die als standardisierte Fahrer bezeichnet werden können, kennen üblicherweise ihre Fahrstrecke und sind oft bereits mit den Angeboten auf dieser vertraut. Sie wissen über mögliche Werbepartner, wie Supermärkte, Restaurants oder Autowerkstätten, die sich auf ihrer täglichen Fahrstrecke befinden, was das Marketingpotenzial womöglich einschränken könnte.
Man sollte also laut Experten eine Unterscheidung zwischen Vielfahrern, die oft weite und unterschiedliche Strecken fahren, und standardisierten Fahrten machen, wenn man über das Marketingpotenzial in Connected Cars nachdenkt. Vielfahrer sind möglicherweise eher empfänglich für relevante Services oder Angebote auf den ihnen unbekannten Strecken. Trotzdem gibt es auch Möglichkeiten, standardisierten Fahrern nützliche Dienste anzubieten oder sie über spezielle Angebote in ihnen bekannten Geschäften zu informieren.
7.7.5 Fazit zu den Herausforderungen Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Experteninterviews die sehr großen und vielschichtigen Herausforderungen der Implementierung von Dialogmarketing in Connected Cars aufdecken; Tab. 7.8 stellt diese zusammen. Wie zuvor erörtert, sind diese Herausforderungen unterschiedlichen Bereichen zuzuordnen. Es handelt sich um technische Probleme, institutionelle Bedingungen innerhalb der Automobilkonzerne sowie kundenabhängige Herausforderungen.
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7 Dialogmarketing und Connected Cars
Tab. 7.8 Fazit zu den Herausforderungen für Dialogmarketing in Connected Cars Technische Probleme
Unklarheit über die geeignete Kommunikationsform Keine Fahrerablenkung Konkurrenz zu anderen Geräten im Auto
Institutionelle Bedingungen
Probleme in der Datenbewältigung Geringe Software- und Daten-Expertise Zusammenarbeit mit und Konkurrenz zu den Software-Unternehmen
Kundenabhängige Herausforderungen
Gesetzliche Datenschutzvorgaben Geringe Kundenakzeptanz von Fahrzeugen als Werbemedium Kulturelle Unterschiede Hoher Anteil standardisierter Fahrten
Technische Probleme Technische Hürden sind vor allem die Unklarheit über die geeignete Kommunikationsform sowie die Anforderung, dass durch Dialogmarketing in Connected Cars keine Fahrerablenkung entstehen darf. Auch die Konkurrenz von Connected Cars zu anderen Geräten im Auto, durch die die Marketingkommunikation stattfinden kann, ist ein zu beachtendes Problem. Institutionelle Bedingungen Zusätzlich stellen der bisher nicht vorhandene und nun plötzlich eingetretene Zugang zu Endkundendaten Autohersteller vor neue technische Probleme in der Datenbewältigung. Weiterhin sind besonders die institutionellen Bedingungen und internen Strukturen so zum Beispiel die geringe Software- und Daten-Expertise der OEM Hürden, die es zu überwinden gilt. Die Zusammenarbeit mit und gleichzeitige Konkurrenz zu den Software-Unternehmen stellt ein enormes Spannungsfeld dar. Hinzu kommt die Unklarheit bei den OEM, wie konkret sich mit Diensten in Connected Cars Erlöse generieren lassen. Generell existiert weltweit bisher eine eher geringe Anzahl von Connected Cars im Vergleich zu nicht vernetzten Fahrzeugen, was Autohersteller zögern lässt, sich stärker auf Connected Cars zu fokussieren. Kundenabhängige Herausforderungen Weiterhin bestehen zahlreiche kundenabhängige Herausforderungen, wie Beschränkungen durch gesetzliche Datenschutzvorgaben, die geringe Kundenakzeptanz von Fahrzeugen als Werbemedium sowie große kulturelle Unterschiede bei Verbrauchern. Auch dass viele Kunden hauptsächlich standardisierte Fahrten zurücklegen, könnte ein Problem für Dialogmarketing in Connected Cars darstellen.
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7.7.6 Kundenmehrwert für die Zustimmung zur Datenspeicherung Mehrwert für Kundenzustimmung zur Datennutzung Die rechtliche Dimension bezüglich Datenschutz und der Datennutzung aus Connected Cars ist durch den Gesetzgeber sehr stark reglementiert. Diese rechtliche Herausforderung wurde auch in den Experteninterviews nochmals deutlich und macht die explizite Kundenzustimmung zur Datennutzung unerlässlich. Kunden stimmen trotz Bedenken wegen Verletzung ihrer Privatsphäre häufig einer Datenspeicherung zu, wenn sie einen Mehrwert dafür bekommen.
Dies führt dazu, dass Automobilhersteller einen Mehrwert kreieren müssen, um die Akzeptanz der Kunden für Marketingkommunikation in Fahrzeugen zu erlangen.
In den Interviews wurden die Experten gefragt, wie ein solcher Mehrwert für die Kunden genau aussehen könnte. Im Folgenden sollen nun konkrete Kundenmehrwerte erläutert werden, die von den Experten vorgeschlagen wurden, um die notwendige Kundenakzeptanz zu erreichen (siehe Abb. 7.8).
Abb. 7.8 Möglichkeiten für einen Kundenmehrwert
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Kundenvorteil Convenience Die Experten haben einige Vorschläge gegeben, welchen Mehrwert Autohersteller ihren Kunden bieten könnten, damit diese ihre Einwilligung zur Datensammlung und Datenspeicherung geben. Abb. 7.8 zeigt die Aspekte, die genannt wurden und in Klammern die jeweilige Häufigkeit der Nennung. Generell waren sich die Experten einig, dass man denjenigen Kunden, die der Speicherung ihrer Daten zustimmen, einen relativen Vorteil gegenüber allen, die das nicht tun, bieten muss. Am häufigsten angesprochen wurde das Thema Convenience, also Bequemlichkeit und Komfort. Wenn der Kunde der Datennutzung zustimmt, wird er bei zahlreichen Angelegenheiten im Fahrzeug unterstützt. Es könnte beispielsweise einen komfortablen Bezahlvorgang geben, da das System den Fahrer kennt. Das Auto kann den Fahrer ebenso darüber informieren, wann eine Inspektion für das Fahrzeug ansteht. Für den Kunden bedeutet dies insgesamt mehr Komfort, da Connected Cars seinen Alltag erleichtern und ihm hilfreiche Angebote machen können. Finanzielle Anreize Eine weitere Option wäre, dem Kunden einen Mehrwert über den Preis zu geben, also finanzielle Anreize anzubieten. Dies geht auf verschiedene Arten, wie z. B. über Rabatte, Ermäßigungen oder Gutscheine, die dem Kunden Preisvorteile offerieren. Sicherheit Ein weiterer Aspekt, der einen klaren Mehrwert für den Kunden darstellen würde, ist die Sicherheit. Wenn der Kunde der Datenerhebung zustimmt, können Automobilhersteller ihm dafür eine erhöhte Sicherheit bieten. Autofahrer können dann im Falle eines Unfalls sofort lokalisiert werden, und wenn ein Airbag ausgelöst werden wurde, wird von vielen Automobilherstellern automatisch ein Notruf abgesetzt. Damit würde sichergestellt, dass der Kunde in einer Notsituation schnell Hilfe bekommt, auch wenn er nicht mehr selbst in der Lage ist den Notruf zu wählen. Dies kann allerdings nur erfolgen, wenn der Autohersteller auf die Fahrzeugdaten zugreifen darf. Relevante Services Ein weiterer mehrwertstiftender Kundennutzen könnte sein, für den Fahrer eine Relevanz zu erzeugen und ihm ausschließlich relevante Services anzubieten. Der Kunde profitiert demnach davon, dass das Auto ihn sehr gut kennt und ihm nur Services oder Produkte anbietet, die ihn tatsächlich interessieren. Incentivierung Ein weiterer Vorschlag der Experten zum Thema Mehrwert lautete, eine Incentivierung beispielsweise über ein Bonussystem oder ähnliche Anreize einzuführen. Dieses Bonussystem könnte so gestaltet sein, dass der Kunde Punkte sammelt, indem er für gefahrene Kilometer Punkte bekommt. Ein solches Bonussystem für Kunden als Gegenleistung für
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die Erlaubnis zur Datensammlung ähnelt den Bonussystemen Payback des Einzelhandels oder dem Vielfliegerprogramm Miles & More der Fluggesellschaft Lufthansa. Zeitersparnis Weiterhin wurde das Thema Zeitersparnis genannt, welches teilweise mit Convenience und Relevanz einhergeht. Wenn der Kunde relevante Dienste angeboten bekommt, die ihm das Leben leichter und angenehmer machen, spart er damit Zeit, weil er weniger selbst recherchieren muss. Daneben bietet auch die Individualisierung einen Nutzen für den Kunden, da alle Informationen und Angebote auf ihn zugeschnitten und personalisiert sind. Zuletzt spielt noch der Aspekt der schnellen Informationsgewinnung eine Rolle. Der Kunde bekommt beispielsweise in Echtzeit Verkehrsdaten und Stauinformationen direkt in sein Fahrzeug gesendet. Fazit Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass es laut den Experten zahlreiche Möglichkeiten gibt, den Kunden durch einen Mehrwert davon zu überzeugen, dass er trotz konservativer Einstellung zum Thema Datenschutz der Datenspeicherung zustimmt. Die möglichen mehrwertstiftenden Nutzen reichen von Convenience, Preis, Sicherheit und relevanten Services bis hin zur Incentivierung durch ein Bonussystem, Zeitersparnis, Individualisierung und Information.
Aus diesen Bereichen müssen den Kunden folglich klare Vorteile ermöglicht werden, damit die Grundvoraussetzung für Marketing in Connected Cars, nämlich die Kundenzustimmung zur Datenspeicherung, überhaupt geschaffen werden kann.
7.7.7 Chancen und Risiken für Dialogmarketing in Connected Cars Zum Ende der Interviews wurden die Experten noch einmal zusammenfassend nach den größten Chancen und Risiken befragt, die für Automobilhersteller durch Kommunikation in Connected Cars entstehen. Dies sollte dazu dienen, das Interview zu reflektieren und die bereits genannten wichtigen Aspekte zusammenfassen sowie herauszustellen, welchen Themen die Experten die größte Wichtigkeit zuschreiben. Die Antworten zu diesen Fragen wurden mithilfe von Wordclouds aufbereitet. Größte Chancen Die größten Chancen sind in der Wordcloud in Abb. 7.9 aufgeführt mit der Häufigkeit der Nennung in Klammern. Hier sehen die Experten vor allem großes Potenzial darin,
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7 Dialogmarketing und Connected Cars
Abb. 7.9 Wordcloud größte Chancen
Abb. 7.10 Wordcloud größte Risiken
völlig neuartige Dienste und Services über Connected Cars anzubieten. Es entstehen nicht nur neue Business-Cases, sondern auch ganz neue Revenue-Modelle.
Als besonders große Chance sehen die Experten, dass für Automobilhersteller erstmals ein direkter Zugang zum Kunden entsteht. Mit bedeutsamen Angeboten kann Relevanz erzeugt sowie maßgeschneiderte und personalisierte Kommunikation betrieben werden. Dies kann auch eine Chance dafür sein, die Kundenbindung nachhaltig zu erhöhen.
Größte Risiken Auf die Frage, was sie als die größten Risiken für Dialogmarketing in Connected Cars ansehen, antworten viele Experten, dass die Fahrerablenkung ein großes Problem darstellt. Es gestaltet sich als schwierig, geeignete Kommunikationsformen zu finden, die den Fahrer nicht vom Verkehr ablenken, wie Abb. 7.10 zeigt.
7.8 Handlungsempfehlungen für Automobilhersteller
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Auch die strengen Datenschutzvorgaben sowie die Erlangung der Kundenzustimmung werden als große Herausforderungen angesehen. Hinzu kommt die schmale Gratwanderung, für den Kunden wirklich relevantes Dialogmarketing zu betreiben und ihn nicht nur mit nutzloser und überflüssiger Werbung zu verärgern. Marketingkommunikation, die überwiegend als lästig und störend empfunden wird, könnte den Automobilherstellern mehr schaden als nutzen und auch ihr Image beschädigen.
7.8 Handlungsempfehlungen für Automobilhersteller Durch die qualitativen Experteninterviews sollten das Potenzial für Dialogmarketing in Connected Cars erörtert, die Relevanz und Anwendungsmöglichkeiten in der Praxis beurteilt sowie Herausforderungen der Implementierung aufgedeckt werden. Im Folgenden sollen nun auf Grundlage des gegebenen theoretischen Bezugsrahmens sowie der empirischen Ergebnisse dieser Interviews Handlungsempfehlungen für die Automobilhersteller gegeben werden. Lösung der technischen Probleme Zunächst einmal sollen Empfehlungen gegeben werden, um die technischen Probleme im Zusammenhang mit Dialogmarketing in Connected Cars zu lösen. Es ist dringend notwendig, dass Automobilhersteller für jedes Geschäftsmodell in Connected Cars eine geeignete Darstellungsform für Kommunikation im Auto entwickeln, um eine möglichst geringe Fahrerablenkung sicherzustellen. Dies schließt Formen in zwei Richtungen ein, um auch die Gestaltung von Interaktion und Responsemöglichkeiten mit und für den Kunden zu gewährleisten. Hierfür wurden von den Experten bereits einige Vorschläge gemacht: Head-Up-Display (HUD), Sprachnachrichten und Live-Chats auf der einen Seite sowie Sprachsteuerung, Bedienelemente am Lenkrad oder Touchscreens auf der anderen Seite, um nur einige zu nennen. In der Praxis ist es unter Umständen sinnvoll, eine Mischung aus diesen Formen zu wählen bzw. für unterschiedliche Kommunikation je nach Informationsgehalt, Komplexität und Art des Angebots jeweils eine passende Form oder Kombination zu wählen. Ein Live-Chat würde sich möglicherweise eher für ein sehr komplexes Angebot eignen, wohingegen eine Sprachnachricht mit Responsemöglichkeit am Lenkrad eher für günstiges Produkt, wie z. B. einen Kaffee, denkbar wäre. Kundenregistrierung Mit der Einführung einer Kundenregistrierung bei der Inbetriebnahme des Fahrzeugs ließe sich das technische Problem des fehlenden Endkundenzugangs und der erschwerten Fahreridentifikation beim klassischen Fahrzeugkauf lösen. Wenn man zum Beispiel eine eigene Plattform des Herstellers aufbauen würde, müsste sich der Kunde dort registrieren und seiner Datennutzung zustimmen, um alle Dienste seines Connected Cars in Anspruch nehmen zu können. Damit wären die Kunden nicht nur beim Händler,
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7 Dialogmarketing und Connected Cars
s ondern auch in der Datenbank der Hersteller registriert, welche somit auf Kundendaten zugreifen könnten. Auf diese Weise können OEMs genau bestimmen, welcher konkrete Kunde sich in welchem Fahrzeug befindet, was eine direkte namentliche Ansprache und einen Einsatz von Dialogmarketing in Connected Cars ermöglichen würde. IT- und Datenexpertise Dieser Abschnitt liefert Ansätze zur Überwindung institutioneller Herausforderungen innerhalb der Automobilhersteller. So ist es empfehlenswert für Automobilhersteller, ihre Kompetenzen auf den für Connected Cars relevanten Geschäftsfeldern zu erweitern und vor allem aufgrund der bisher eher geringen IT- und Datenexpertise zu handeln. Für ein erfolgreiches Bestehen auf dem Connected Car Markt ist es unter anderem besonders wichtig, verstärkt in die Informationstechnik und Softwareentwicklung zu investieren, um sich in diesen Bereichen interne Expertise anzueignen und Ressourcen aufzubauen. Hierfür ist es sinnvoll, das Personal im IT-Bereich aufzustocken und hoch qualifizierte Mitarbeiter einzustellen. Auch die vorhandenen Mitarbeiter sollten in Schulungen und Trainings weitergebildet werden, um deren Know-how zu verbessern. Solange man noch nicht intern über ausgeweitete IT-Kompetenzen verfügt, ist es sinnvoll und empfehlenswert, mit externen Beratern zusammenzuarbeiten und sich die nötige Fachkenntnis von außen in das Unternehmen zu holen. Weiterhin sollte nicht nur in qualifizierte Mitarbeiter investiert werden, sondern auch in neue Systeme und Plattformen, um Ressourcen zur Handhabung des Dialogmarketings in Connected Cars aufzubauen.
Nur mit einer gezielten Ressourcenerhöhung in den Bereichen der IT kann das benötigte Grundgerüst zum Anbieten von Services in Connected Cars erlangt sowie die Nutzung von Kundenprofilen bewerkstelligt werden.
Kundenfreundliche Software und Benutzeroberflächen Die Expertise, die benötigt wird, ist allerdings nicht nur rein technischer Natur. Vielmehr müssen Autohersteller lernen, ihre Kunden und deren Anforderungen an digitale Dienste zu verstehen und umzusetzen. Dazu sollte man kundenfreundliche Software und Benutzeroberflächen entwickeln, die den Kunden ein hochwertiges Erlebnis bieten. Wichtig ist hier, dass diese Benutzeroberflächen im Vergleich dazu, was Kunden von marktführenden Softwareherstellern gewohnt sind, nicht als minderwertig empfunden werden. Schnelllebigkeit und Dynamik statt starrer Strukturen Darüber hinaus müssen Automobilhersteller verstärkt dafür sorgen, dass die komplexe Informationstechnologie in die Fahrzeugumgebung integriert wird. Dies gilt für das Produkt Connected Car, die angebotenen Services sowie für die Organisationsstruktur gleichermaßen. Die Herausforderung hierbei ist, die Schnelllebigkeit und Dynamik der kundenorientierten IT-Branche in die teilweise starren Strukturen der produktorientierten Autobauer zu integrieren. Die Automobil-Branche muss ihre Schwerfälligkeit ablegen
7.8 Handlungsempfehlungen für Automobilhersteller
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und die internen Strukturen der Digitalisierung anzupassen. Dafür sind eine stärkere Ausrichtung an Kundenwünschen nötig, sowie die Entwicklung innovativer Dienste und Services und das Loslösen von der starken Produkt- und Margenorientierung.
Damit Dialogmarketing in Connected Cars funktionieren kann, empfiehlt es sich, dass Fahrzeughersteller in ihrer allgemeinen Handlungsweise und Anwendung visionärer denken und dem neuen Markt mit innovativen Ideen und Geschäftsmodellen begegnen. Hierbei kann auch ein gewisses Maß an Mut zum Risiko von Vorteil sein. Wobei in einem Automobil im Fahrbetrieb Fehlfunktionen oder Systemabstürze natürlich nicht hinzunehmen sind; in der IT-Branche, werden diese eventuell akzeptiert, sofern sie keine weitreichenden Konsequenzen haben.
Zusammenfassend ist es für den Erfolg digitaler Geschäftsmodelle in Connected Cars also essenziell, Kundenanforderungen möglichst schnell zu implementieren und dynamisch auf Veränderungen zu reagieren. Digital oder Connected Services Abteilung Neben den zuvor genannten Maßnahmen für ein erfolgreiches Dialogmarketing in Connected Cars sollte das Thema außerdem intern innerhalb der Organisation optimal verortet werden. Hierfür ist es gegebenenfalls sinnvoll, einen ganz neuen Bereich zu schaffen, beispielsweise eine Digital oder Connected Services Abteilung. In Teilen ist dies auch schon bei manchen Automobilherstellern in der Umsetzung und sollte weiter forciert werden. Dieser neu eingerichtete Bereich könnte als Schnittstelle zwischen relevanten Abteilungen fungieren und das Thema Dialog durch Connected Cars sowie das Organisieren von Kooperationen und Partnerschaften federführend übernehmen. Intern sollte außerdem verstärkt für die Zusammenarbeit verschiedener Bereiche geworben werden. Für die neuen Geschäftsmodelle ist eine strikte organisationale Trennung der Funktionsbereiche nicht sinnvoll und zielführend. Kooperationen mit Softwarekonzernen Bei der Frage, welche genauen Anwendungsgebiete von Dialogmarketing in Connected Cars zu forcieren sind und inwieweit dafür verschiedene Kooperationen eingegangen werden sollten, geht es einerseits um Kooperationen mit Softwarekonzernen sowie andererseits mit Werbepartnern aus unterschiedlichen Branchen. Automobilkonzerne müssen eine strategische Entscheidung darüber treffen, ob und inwieweit mit Unternehmen wie Google, Apple und anderen zusammengearbeitet werden soll. Laut der befragten Experten fordern die Kunden die Kopplung mit diesen Systemen allerdings schon teilweise ein, indem sie dies als wichtiges Kriterium in ihrer Kaufentscheidung betrachten. Daher sollte zumindest eine teilweise Kooperation angestrebt werden. Dennoch müssen die Automobilhersteller verhindern, mit dem Einsatz der Fahrzeugsoftware der genannten Softwareunternehmen nicht auch die gesamten Daten und
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7 Dialogmarketing und Connected Cars
das Geschäft des datengetriebenen Dialogmarketings in Connected Cars an diese zu verlieren. Vielmehr müssen sich die Automobilhersteller mit ihren Diensten und Angeboten ganz klar von Unternehmen wie Google und Apple abgrenzen und dem Kunden echte Mehrwertdienste bieten, welche ein Softwarekonzern womöglich nicht bieten kann. Dies könnte vor allem durch das Angebot mobilitäts- und fahrzeugnaher Dienste sowie die Nutzung der Daten aus der Fahrzeugsensorik gelingen.
Werbekooperationen Um alle Geschäftspotenziale von Connected Cars auszuschöpfen, sollten die Automobilhersteller vermehrt Werbekooperationen mit branchennahen und branchenfremden Unternehmen eingehen. Geeignete Kooperationspartner müssen zur Markenidentität passen, da Marketing für die Produkte Dritter in einer bestimmten Fahrzeugmarke auch einen Einfluss auf das Image der Marke haben kann. Generell bieten sich branchennahe Kooperationen mit Autohändlern, Werkstätten, Tankstellen oder Versicherungen an. Möglichkeiten für branchenfremde Kooperationen sind z. B. Partnerschaften mit Hotels, Restaurants, Supermärkten oder Einzelhandelsunternehmen, die zum Markenimage passen. Dialogmarketing statt Gießkannenprinzip Auf allen Anwendungsgebieten von Dialogmarketing in Connected Cars, vor allem aber bei branchenfremden Kooperationen, ist speziell darauf zu achten, dass keine Werbung nach dem Gießkannenprinzip erfolgt. Dies widerspricht der Intention des Dialogmarketings und lässt dessen spezifischen Vorteile nicht zur Geltung kommen. Statt der willkürlichen Aussendung von Kommunikationsmaßnahmen sollten die Fahrzeugdaten wirklich dafür genutzt werden, dem Kunden spezifische und ausschließlich relevante, auf ihn maßgeschneiderte Angebote zu machen. Fahrzeugnahe Kommunikation Neben der Sicherstellung der Relevanz und Individualisierung der Dienste sollten diese Kommunikationsmaßnahmen ebenfalls fahrzeugnah sein oder Mobilitätsbezug haben. Es sollten also Angebote sein, die entweder mit dem Auto direkt zu tun haben, mit diesem erledigt werden können oder sich auf der Fahrstrecke befinden. Das Fahrzeug darf auf keinen Fall zum Ärger verursachenden Werbemedium werden, sondern soll dem Kunden das Leben erleichtern und Dienste anbieten, die ihn wirklich interessieren und ihm nützen. Es sollte einen optimalen Fit zwischen dem Kunden, seinen konkreten Bedürfnissen und dem im Auto stattfindenden Dialog geben. Ist dieser Fit nicht vorhanden, riskieren Autohersteller, den Kunden mit lästiger Werbung zu stören und damit einen negativen Einfluss auf ihr Markenimage auszuüben.
7.8 Handlungsempfehlungen für Automobilhersteller
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Individuelle Angebote Die Experteninterviews haben ergeben, dass Connected Cars momentan fast ausschließlich für Predictive Maintenance und Werkstatterinnerungen genutzt werden. Damit wird allerdings nur ein kleiner Teil der Möglichkeiten ausgenutzt. Die Anwendungsgebiete von Dialogmarketing in Connected Cars sollten vor allem über die zurzeit fast ausschließliche Nutzung für Wartungs- und Reparaturangebote hinausgehen und dem Kunden individuell auf ihn zugeschnittene weiterführende Angebote unterbreiten. Diese Angebote können Dienste sein, die ihm den Alltag erleichtern oder seine allgemeinen Konsumbedürfnisse erfüllen. Weiterführende Angebote neben den typischen Inspektionserinnerungen können aus unterschiedlichen Bereichen stammen und lassen sich anhand der Fahrzeugdaten und der genauen Kundenprofile ableiten. Flotten- und Nutzfahrzeuggeschäft Die Dienste in Connected Cars lassen sich nicht nur nach ihren Inhalten oder zugrunde liegenden Kooperationspartnern unterscheiden, sondern auch nach der Zielgruppe, die sie ansprechen sollen. So sollten Automobilhersteller nicht nur Anwendungsmöglichkeiten und Dienste für Privatkunden in Connected Cars entwerfen; auch für das Flottenund Nutzfahrzeuggeschäft ist es ratsam, spezielle Services und Angebote auf Grundlage der Fahrzeugdaten ins Auto zu spielen. Besonders Geschäftskunden sind an der störungsfreien Nutzung ihrer Fahrzeuge und der Vermeidung von Ausfallzeiten interessiert, weshalb das Thema Predictive Maintenance eine große Rolle spielen könnte. Im Flottengeschäft ebenso denkbar wären z. B. automatisierte digitale Fahrtenbücher. Ferner wären Angebote möglicher Kooperationspartner aus dem Einzelhandel auch für Geschäftskunden relevant. Diese könnten ins Fahrzeug gesendete Angebote für benötigte Materialien ihres Betriebs wahrnehmen. Diese Potenziale sollten durch die Hersteller definitiv genutzt werden, vor allem vor dem Hintergrund, dass das Flottengeschäft circa zwei Drittel des Automobilverkaufs ausmacht. Kundenabhängige Herausforderungen Aus den Experteninterviews ergeben sich auch Handlungsempfehlungen für die kundenabhängigen Herausforderungen zur Implementierung von Dialogmarketing in Connected Cars. Die Automobilhersteller sollten sich die kulturellen Unterschiede ihrer Kunden innerhalb der Regionen und Länder bewusst machen und auf dieser Grundlage unterschiedliche Kommunikationsmodelle für Connected Cars entwickeln. Es müssen lokale bzw. länderspezifische Adaptionen vorgenommen werden und die Geschäftsmodelle an den jeweiligen Verbrauchereigenschaften und -bedürfnissen ausgerichtet werden. Zum Beispiel wäre es vorteilhaft, in einem Land mit besonders werbeaffinen Kunden, die relativ großzügig bei ihrer Datenfreigabe sind, viele Kooperationen einzugehen, risikoreicher zu agieren und Neues zu testen. In einem Markt mit eher werbeaversiven Verbrauchern, die sehr achtsam und restriktiv mit ihren Daten umgehen, sollte hingegen eher konservativ vorgegangen werden und nur äußerst passgenaue Kooperationen eingegangen und Dialoge vorgenommen werden.
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7 Dialogmarketing und Connected Cars
Abgrenzung des Fahrzeugs als Werbemedium zu anderen Endgeräten In den Experteninterviews hat sich gezeigt, dass manuelles Fahren und das damit verbundene Risiko der Fahrerablenkung noch ein Hemmnis für Dialogmarketing in Connected Cars darstellt. Die Realisierung autonomen Fahrens würde der Marketingkommunikation in Connected Cars einen neuen Antrieb geben, gleichzeitig aber auch eine Konkurrenzsituation zwischen dem Fahrzeug und anderen während der Fahrt nutzbaren Endgeräten herstellen.
Automobilhersteller sollten darauf vorbereitet sein, dass das Fahrzeug in einer autonom fahrenden Mobilitätswelt sein Monopol als Werbemedium während der Autofahrt verlieren könnte. Diese Ablösung von Connected Cars als Marketinginstrument durch andere internetfähige Geräte gilt es zu verhindern.
Dies kann beispielsweise dadurch gelingen, dass durch fahrzeugnahe Dienste ein größerer Nutzen bereitgestellt wird als durch Angebote auf Smartphones oder anderen Geräten. Es muss also eine klare Abgrenzung des Fahrzeugs als Werbemedium zu anderen Endgeräten stattfinden. Mehrwert für den Kunden Die Kunden müssen davon überzeugt werden, dass es ihnen Vorteile bringt, wenn sie der Speicherung ihrer Daten in Connected Cars zustimmen. Die Mehrwerte für den Kunden, die in den Experteninterviews herausgestellt wurden, sind vor allem Convenience, Sicherheit, Preisvorteile und relevante Services. Aber auch die Möglichkeit eines Bonussystems, die Individualisierung, der Zeitersparnisfaktor sowie die einfache Informationsgewinnung können potenzielle Kundenvorteile darstellen. All diese Aspekte stellen Möglichkeiten eines Kundenmehrwerts dar, welche die Automobilhersteller anbieten könnten. Diese mehrwertstiftenden Nutzenformen müssen konkret an den Kunden kommuniziert oder aufgezeigt werden. Dies kann durch einen aufklärenden TV-Spot, Information durch den Händler oder eine Infobroschüre beim Autokauf erfolgen. Kunden sollten vor allem den Komfort durch Services sowie den zusätzlichen Nutzen durch maßgeschneiderte Angebote wahrnehmen und nicht, dass sie durch Datenfreigabe womöglich ihre Privatsphäre einschränken oder in gewisser Weise gläsern werden könnten. Die Kunden davon zu überzeugen, ist von essenzieller Wichtigkeit, denn ohne deren Zustimmung zur Datensammlung haben die OEMs kein Recht auf Fahrzeug- und Nutzerdaten zuzugreifen. Dies würde es nahezu unmöglich machen, personalisiertes Dialogmarketing in Connected Cars zu betreiben.
Literatur
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7 Dialogmarketing und Connected Cars
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8
Anwendung des One-to-One Marketings bei Connected Cars
Zusammenfassung
Um die Möglichkeiten des Einsatzes von One-to-One Marketing für Connected Cars an konkreten Beispielen zu überprüfen, werden zunächst sieben Use Cases (z. B. Parking Spot Finder, Real Time Traffic Information, Predictive Maintenance) dargestellt. Hierzu werden Best Practices für One-to-One Maßnahmen aus anderen Industrien auf jeweils einen Dienst aus dem Connected Car übertragen. Aus diesen sieben Use Cases werden die drei mit der höchsten Relevanz identifiziert und zu Ablaufplänen erweitert; diese bilden die Grundlage für die Experteninterviews. Die Marketingaktivitäten der verschiedenen Automobilhersteller in Bezug auf digitale Dienste zeigen sehr große Unterschiede. Einige Original Equipment Manufacturer sind im Verhältnis zu anderen aktiv und kommunizieren die Funktionalitäten ihrer Dienste beispielsweise in Verbindung mit der Markteinführung eines neuen Modells. Andere Hersteller tun sich schwerer, wodurch Kunden und Interessenten schlecht erreicht und informiert werden. Die Erkenntnisse aus den Experteninterviews zeigen, dass One-to-One Marketing ein potenziell geeignetes Instrument darstellt, um den Absatz digitaler Dienste im Connected Car zu steigern. One-to-One Marketing eröffnet die Möglichkeit, den Kunden individuell anzusprechen und ihm ein individuelles Kundenerlebnis zu bieten. Besonders geeignet erscheint die Vorgehensweise bei Diensten, die neu verfügbar sind. Die gravierendsten Probleme ergeben sich bezüglich des Datenschutzes. Um die Trigger der Kampagnen zu identifizieren, müssen die Hersteller in der Regel personenbezogene Daten auswerten. Diese dürfen nur mit einer ausdrücklichen Erlaubnis des Kunden erhoben und verarbeitet werden.
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 H. Holland, Dialogmarketing und Kundenbindung mit Connected Cars, https://doi.org/10.1007/978-3-658-22929-0_8
211
212
8 Anwendung des One-to-One Marketings bei Connected Cars
8.1 Use Cases für One-to-One Marketing bei Connected Cars 8.1.1 Sieben Use Cases Um konkrete Beispiele für den Einsatz des One-to-One Marketings bei Connected Cars zu überprüfen, werden zunächst sieben Use Cases erarbeitet. Hierzu werden Best Practices für One-to-One Maßnahmen aus anderen Industrien auf jeweils einen Dienst aus dem Connected Car übertragen. Diese Szenarien werden nachfolgend in Form der Use Cases kurz dargestellt. Im Anschluss daran werden aus diesen sieben Use Cases die drei mit der höchsten Relevanz identifiziert und zu Ablaufplänen erweitert. Diese bilden dann die Grundlage für die Experteninterviews. Die Tab. 8.1 gibt einen Überblick über die abgeleiteten Use Cases und unterteilt diese in die vorgestellten Kategorien.
8.1.2 Personalisierte Produktempfehlungen Amazon Best Practice: Amazon macht seinen Kunden Produktempfehlungen, die unter anderem auf den in der Vergangenheit gekauften Produkten, auf durch andere Kunden gekauften Produkten und auf den Produktsuchen des Kunden basieren. Über diese Daten lassen sich die Produktempfehlungen personalisieren und der Umsatz damit deutlich steigern. Circa 34 % der Kunden kaufen spontan ein Produkt, welches ihnen über die Produktempfehlung vorgeschlagen wurde. Die Loyalität steigt, weil der Kunde sich verstanden fühlt und den Eindruck hat, dass man sich um ihn persönlich kümmert (t3n 2015). Automobilindustrie Übertragen auf die Automobilindustrie können auch dort digitale Dienste verkauft werden. So können dem Kunden nach der Fahrzeugbestellung entsprechende Angebote für digitale Dienste gemacht werden, die dann bei der Auslieferung installiert sind. Basierend auf der Konfiguration des Fahrzeugs, auf Diensten, die auch andere Kunden gekauft haben und auf sonstigem Wissen über den Kunden können ihm personalisierte Vorschläge gemacht werden. Positiver Nebeneffekt ist, dass der kognitiven Dissonanz entgegengewirkt wird. Kognitive Dissonanzen sind Nachkaufzweifel, die bei Kunden entstehen, wenn sie nach der Bestellung des Fahrzeugs lange auf die Auslieferung warten müssen. Durch eine passende Kommunikation, auch mit passenden Produktempfehlungen, kann dem entgegengewirkt werden.
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8.1 Use Cases für One-to-One Marketing bei Connected Cars Tab. 8.1 Übersicht Use Cases Nr Dienst
Kurzbeschreibung
Ableitung der Maßnahme von
McKinsey
Deloitte
1.
Produktempfehlungen
Kunden werden Amazon passende Dienste nach Kauf angeboten
Driving- unrelated
Information
2.
Parking Spot Finder
Dienst gibt Hinweis, wenn Parkplätze verfügbar sind
Driving-related
Navigation
3.
Car-Sharing
Das eigene Auto Uber kann im Rahmen von Car-Sharing vermietet werden
Driving-unrelated
Fahrzeugmanagement
4.
Paketlieferung in Paketzusteller den Kofferraum liefern Pakete in den Kofferraum des PKW
DHL
Driving-unrelated
Entertainment/ Komfort
5.
Google Maps Real Time Traffic NavigationsInformation system kann (RTTI) Routen anhand der aktuellen Verkehrssituation anpassen
Driving-related
Navigation
6.
Concierge Services
Vorschlag von Ausflugsrouten passend zum Fahrverhalten
Komoot
Driving-unrelated
Entertainment/ Komfort
7.
Predictive Maintenance
Defekte Teile werden identifiziert und das Fahrzeug bleibt fahrbereit
Smarte Waschmaschinen
Driving-related
Fahrzeugmanagement
Parkpocket
8.1.3 Parking Spot Finder Parkpocket Best Practice: Die Smartphone-App Parkpocket schlägt den Nutzern freie Plätze in Parkhäusern in der Nähe vor, um die Parkplatzsuche in Städten zu erleichtern. Dabei nutzt sie die Lokalisierbarkeit des Smartphones im Fahrzeug (Bast 2015).
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8 Anwendung des One-to-One Marketings bei Connected Cars
Automobilindustrie Einige Hersteller bieten ebenfalls solche Apps als digitale Dienste an. Sie können direkt im Fahrzeug installiert werden und sind ohne das Smartphone nutzbar (Becker 2015). Der den größten Erfolg versprechende Zeitpunkt zur Ansprache des Kunden ist dann, wenn er gerade auf der Suche nach einem Parkplatz ist. Das Connected Car ist lokalisierbar, wodurch anhand eines bestimmten Bewegungsablaufes feststellbar ist, dass der Kunde gerade einen Parkplatz sucht. Wird ein solches Bewegungsprofil erkannt, kann dem Kunden ein Parkplatz in der Nähe vorgeschlagen werden. Im Nachgang sollte der Kunde zum Kauf des Dienstes bewegt werden.
8.1.4 Car-Sharing Uber Best Practice: Der Taxidienst Uber hat seine Fahrer in E-Mail Kampagnen darauf aufmerksam gemacht, dass sie mit der gleichen App auch für Uber Eats fahren können. Uber Eats ist eine Erweiterung des Uber Geschäftsmodells und beinhaltet das Ausliefern von Gerichten aus Restaurants ohne eigenen Lieferservice (GetMobility 2016). Automobilindustrie Dieses Prinzip kann auf die Nutzung des eigenen PKW übertragen werden. Der Halter eines PKW kann sein Fahrzeug im Rahmen von Car-Sharing vermieten, während der Zeit, in der er das Fahrzeug selbst nicht benötigt. Um die PKW-Halter darauf aufmerksam zu machen, sollten sie beispielsweise in einer E-Mail auf den Car-Sharingdienst des Automobilherstellers hingewiesen werden. Die Ansprache erfolgt, wenn das Auto mehrere Stunden am Tag nicht bewegt wird und in dieser Zeit anderen Nutzern zum Car-Sharing zur Verfügung gestellt werden könnte. Um einen höheren Grad der Personalisierung zu gewährleisten, ist in der E-Mail ein personalisiertes Rechenbeispiel enthalten, das dem Fahrzeugbesitzer einen für seinen Standort realistischen monetären Nutzen darlegt (BCS 2016).
8.1.5 Paketlieferung in den Kofferraum Paketdienste Best Practice: Paketdienste bieten eine Sendungsverfolgung an, um den Empfänger jederzeit über den Status seiner Lieferung zu informieren. Häufig wird die Zustellung der Pakete per E-Mail einen Tag vorher angekündigt. Die Kunden erhalten damit einen individuellen und persönlichen Service.
8.1 Use Cases für One-to-One Marketing bei Connected Cars
215
Automobilindustrie Mehrere OEM (Original Equipment Manufacturer) arbeiten bereits an einer Zustellung der Pakete in den Kofferraum der Kundenfahrzeuge. Der Paketbote kann mit einem Code auf den Kofferraum des Fahrzeugs des Paketempfängers zugreifen und das Paket hinterlegen. Damit können Pakete beispielsweise im Parkhaus des Arbeitgebers abgeliefert werden. Hat ein Kunde ein Paket nicht persönlich entgegennehmen können, ist das ein geeigneter Auslöser, um ihn, genau wie bei der Paketankündigung, auf die Möglichkeit der Paketlieferung in den Kofferraum aufmerksam zu machen.
8.1.6 Real Time Traffic Information Google Maps Best Practice: Die kostenlose Navigationsapp Google Maps ist für Smartphones verfügbar und kann im Fahrzeug zur Navigation genutzt werden. Mithilfe von Real Time Traffic Information (RTTI) kann die App Staus in Echtzeit erkennen und eine Alternativroute vorschlagen (Dirscherl 2017). Automobilindustrie Die Navigationssysteme der Autohersteller sind teilweise auch RTTI-fähig. Oftmals ist die Nutzung von Real Time Traffic Information (RTTI) in Form eines digitalen Dienstes kostenpflichtig, doch der Nutzer hat mit der Head Unit ein deutlich größeres Display und muss nicht sein Smartphone im Blickfeld haben. Um den Nutzer des Navigationsgerätes darauf aufmerksam zu machen, kann dem Fahrer bei einem bevorstehenden Stau ebenfalls eine Alternativroute vorgeschlagen werden, obwohl er bisher nicht für RTTI als Dienst zahlt. Nutzt er die neue Route, wird er im Nachgang dazu aufgefordert, in Zukunft für diesen Dienst zu zahlen, um ihn weiterhin nutzen zu können (Peuckert 2015).
8.1.7 Concierge Services Fahrradtracker Komoot Best Practice: Der Fahrradtracker Komoot wird von Radfahrern genutzt, um deren gefahrene Strecke aufzuzeichnen und auszuwerten. Den Nutzern von Komoot werden, basierend auf dem Schwierigkeitsgrad, dem Streckenverlauf, der Dauer und weiteren Parametern ihrer bisher durchgeführten Touren, weitere individuelle Strecken vorgeschlagen. Automobilindustrie In der Automobilindustrie können die Conciergedienste der Hersteller ähnliche personalisierte Tourenvorschläge machen. Sie basieren auf dem Fahrzeugtyp und den Daten
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8 Anwendung des One-to-One Marketings bei Connected Cars
zu gefahrenen Strecken der Kunden. Damit werden Ausflugsfahrten oder Shoppingtouren inklusive geeigneter Hotels und Restaurants empfohlen. Die Fahrer werden auf die Annehmlichkeiten des Conciergedienstes mit einer individualisierten Dienstleistung aufmerksam gemacht (Hecking 2013).
8.1.8 Predictive Maintenance Haushaltsgeräte Best Practice: Haushaltsgeräte, wie Waschmaschinen, bieten bereits Predictive Maintenance. Die Geräte erkennen selbstständig, wenn ein Bauteil defekt ist oder ein Schaden droht. Sie informieren daraufhin den Besitzer oder direkt den Hersteller, um den Schaden gering zu halten oder gar nicht erst entstehen zu lassen. Automobilindustrie Auch bei Connected Cars ist diese Predictive Maintenance Funktion teilweise schon umgesetzt. Bei BMW wird im Rahmen von Teleservices erkannt, ob der Autobatterie ein Defekt droht, um den Kunden zu informieren und ihm die Möglichkeit zu geben, sich direkt mit einer Werkstatt in Verbindung zu setzen. Wenn der Kunde den Dienst bisher nicht nutzt, sollte ihm bei einem drohenden Schaden ebenfalls eine Nachricht zugehen, die ihn warnt und einen entsprechenden Kontakt zur Reparatur anbietet. Im Nachgang kann der Kunde davon überzeugt werden, dass er mit Predictive Maintenance Schäden und damit einen ungeplanten Ausfall seines Fahrzeugs vermeiden kann (BMW 2017b).
8.1.9 Bewertung der Use Cases Die sieben vorgestellten Use Cases werden mit einem Punktwertverfahren bewertet. Mithilfe dieses Verfahrens lassen sich die Projekte mit der höchsten Relevanz identifizieren. Um die Gefahr der Verwendung ungeeigneter Bewertungskriterien zu minimieren, wurden in Abstimmung mit einem Marketingexperten aus dem Automotive Bereich der Unternehmensberatung Capgemini die zwei Hauptkriterien Mehrwert und Umsetzbarkeit definiert. Zu beiden Kriterien werden Unterkriterien definiert, die sowohl aus Kundensicht als auch aus Sicht der Hersteller zu einer realistischen Einschätzung der beiden Hauptkriterien führen. Diese Unterkriterien wurden aus Sicht des OEM jeweils zwischen 0 für unwichtig und 10 für sehr wichtig gewichtet. Die Unterkriterien und eine Begründung für die Gewichtung sind in den beiden Tab. 8.2 und 8.3 dargestellt. Jeder Use Case wird für jedes Unterkriterium zwischen 0 für trifft nicht zu und 5 für trifft sehr zu bewertet. Gewichtung des Kriteriums × Bewertung des Kriteriums = Summe pro Kriterium. Nach diesem Schema setzt sich für jeden Use Case eine Bewertung für das Kriterium Mehrwert und eine Bewertung für das Kriterium Umsetzbarkeit zusammen.
8.1 Use Cases für One-to-One Marketing bei Connected Cars
217
Tab. 8.2 Gewichtung der Unterkriterien für den Mehrwert Mehrwert Kriterium
Gewichtung Begründung
Mehrwert des Angebotes/Dienstes für den Kunden
10
Sehr wichtig, weil mit steigendem Mehrwert die Kaufwahrscheinlichkeit steigt
Innovation der Marketingmaßnahme
8
Wichtig, um dem Kunden ein besonderes Erlebnis zu bieten und die Bindung zu stärken
Individualität der Marketingmaßnahme
7
Wichtig, weil One-to-One Marketing möglichst individuell ist
Wettbewerbsvorteil des Angebotes/ Dienstes
5
Bedingt wichtig, weil es mehr um die One-to-One Maßnahme als um den Dienst selbst geht
Umsatzpotenzial des Angebotes/ Dienstes
7
Wichtig, weil davon das Gewinnpotenzial für den OEM abhängt
Tab. 8.3 Gewichtung der Unterkriterien für die Umsetzbarkeit Umsetzbarkeit Kriterium
Gewichtung Begründung
Umsetzbarkeit des Angebotes/Dienstes
8
Wichtig, weil der Dienst realistisch und zeitnah umsetzbar sein sollte
Datenlage zur Durchführung der Marke- 10 tingmaßnahme
Sehr wichtig, weil ohne die vorhandenen Daten die One-to-One Maßnahme nicht wie geplant durchgeführt werden kann
Datenschutz zur Durchführung der Mar- 5 ketingmaßnahme
Bedingt wichtig, weil die Bestimmungen zum Datenschutz berücksichtigt werden müssen. Diese können mit entsprechenden Einverständniserklärungen relativiert werden
Governance (beteiligte Instanzen und Units)
Normal wichtig, weil die One-to-One Maßnahme auch intern und organisatorisch umsetzbar sein muss
6
Die Gewichtungen und Bewertungen sind in den Tab. 8.4 und 8.5 dargestellt. (1 = Produktempfehlungen, 2 = Parking Spot Finder, 3 = Car-Sharing, 4 = Paketlieferung, 5 = RTTI, 6 = Concierge, 7 = Predictive Maintenance). Diese gewichteten Werte lassen sich zur Veranschaulichung in ein Koordinatensystem mit dem Kriterium Mehrwert auf der Abszisse und dem Kriterium Umsetzbarkeit auf der Ordinate übertragen, siehe Abb. 8.1. Der rechts oben gelegene Bereich des Diagramms repräsentiert dabei den Bereich, in welchem Mehrwert und Umsetzbarkeit der Dienste
218
8 Anwendung des One-to-One Marketings bei Connected Cars
Tab. 8.4 Bewertung der Use Cases nach Mehrwert Mehrwert Kriterium
Gewichtung
1
2
3
4
5
6
7
Mehrwert des Angebotes/Dienstes für den Kunden
10
2
5
4
5
3
2
5
Innovation der Marketingmaßnahme
8
2
4
2
3
2
2
5
Individualität der Marketingmaßnahme
7
3
5
2
3
4
3
3
Wettbewerbsvorteil des Angebotes/Dienstes
5
4
4
2
5
1
2
5
Umsatzpotenzial des Angebotes/Dienstes
7
3
4
4
2
3
3
5
6
7
Tab. 8.5 Bewertung der Use Cases nach Umsetzbarkeit Umsetzbarkeit Kriterium
Gewichtung 1
2
3
4
5
Umsetzbarkeit des Angebotes/Dienstes
8
4
4
5
4
5
5
2
Datenlage zur Durchführung der Marketingmaßnahme
10
4
3
4
5
5
3
3
Datenschutz zur Durchführung der Marketingmaßnahme 5
5
2
2
3
3
2
3
Governance (beteiligte Instanzen und Units)
4
4
3
1
5
3
2
Abb. 8.1 Mehrwert und Umsetzbarkeit der Use Cases
6
8.2 Konkretisierung der Use Cases zu Ablaufplänen
219
in einem guten Gleichgewicht liegen. Im Bereich links unten herrscht ein ungünstiges Gleichgewicht, während der mittlere Bereich einen Übergangsbereich darstellt. Zu erkennen ist, dass die Use Cases 2 (Parking Spot Finder), 4 (Paketlieferung) und 7 (Predictive Maintenance) einen höheren Mehrwert bieten, als andere Use Cases. Im Gegensatz dazu bieten die Use Cases 1 (Kaufempfehlung), 3 (Car-Sharing) und 5 (RTTI) eine höhere Umsetzbarkeit.
8.2 Konkretisierung der Use Cases zu Ablaufplänen 8.2.1 Grundsätzlicher Aufbau Expertengespräche Für die empirische Überprüfung dieser Use Cases wurden Experten aus der Automobilindustrie interviewt, um die Möglichkeiten von One-to-One Marketing zur Absatzsteigerung digitaler Dienste im Connected Car zu untersuchen. Als Diskussionsgrundlage der Interviews dienen Ablaufpläne, für die die Use Cases mit einer ausgearbeiteten Triggerkampagne in mehreren Phasen konkretisiert wurden. Die Kampagne basiert auf den bisher gewonnenen Erkenntnissen.
Für die Expertengespräche wurden die drei Use Cases mit der höchsten Relevanz zu konkreten Ablaufplänen erweitert. Dabei handelt es sich um die Cases zum Parking Spot Finder, zur Paketlieferung in den Kofferraum und zu Predictive Maintenance.
• Erste Phase: Vorselektion Jede der drei Ablaufpläne ist in vier Phasen unterteilt. Die erste Phase ist die Vorselektion. Dabei werden bestimmte Kriterien geprüft, die erfüllt sein müssen, um einen Kunden ansprechen zu können. Dazu zählt, dass der Kunde den Dienst, der beworben werden soll, noch nicht nutzt oder dass eine Erlaubnis vorliegt, den Kunden kontaktieren zu dürfen. Die Kriterien variieren je nach Ablaufplan. • Zweite Phase: Real-Time Trigger Die Kunden, die alle Kriterien der Vorselektion erfüllen, werden im Rahmen der zweiten Phase, dem Real-Time Trigger, auf den vorher definierten Trigger hin überprüft. • Dritte Phase: Zustellung der Nachricht Wird der Trigger durch ein bestimmtes Ereignis ausgelöst, folgt die dritte Phase, in welcher dem Kunden automatisch eine Nachricht zugestellt wird. Diese Nachricht kann, je nach Ablaufplan, direkt in das Auto versendet werden oder dem Kunden auf dem bevorzugten Kanal zugestellt werden. In allen drei Ablaufplänen wird dem Kunden in dieser Nachricht das kostenlose Ausprobieren des beworbenen Dienstes angeboten, das er annehmen oder ablehnen kann.
220
8 Anwendung des One-to-One Marketings bei Connected Cars
• Vierte Phase: Follow-Up Das sich nun anschließende Follow-Up ist für alle drei Ablaufpläne ähnlich aufgebaut. Nimmt der Kunde den Dienst in Anspruch, bekommt er die Option, den Dienst zu erwerben oder nicht weiter mit Nachrichten zu diesem Dienst kontaktiert zu werden. Kauft er den Dienst, werden ihm regelmäßig Updates und weitere Informationen zum Dienst bereitgestellt. Kauft er den Dienst nicht direkt, bekommt er einen weiteren Free-Trial. Kauft er nach diesem Trial oder innerhalb einer Woche nicht, bekommt er eine Nachricht auf seinem bevorzugten Kanal, in der die Vorteile des Dienstes beschrieben werden.
8.2.2 Flussdiagramme Alle Ablaufpläne werden in Form von Flussdiagrammen grafisch dargestellt. Rechtecke beschreiben einen Zustand oder eine Handlung. Rautenförmige Kästchen in der Abbildung stellen Entscheidungen dar, die mit Ja (grüne Pfeile) oder Nein (rote Pfeile) beantwortet werden können. Schwarze Pfeile verbinden Rechtecke oder Rauten, wenn keine Entscheidung notwendig ist. Beispiel 1: Parking Spot Finder
• Mehrwert: Der Parking Spot Finder ist ein digitaler Dienst, der insbesondere in Großstädten eine hohe Umsetzbarkeit aufweist und sowohl dem Kunden, als auch dem OEM einen hohen Mehrwert bietet. Den Ablaufplan für dieses Beispiel zeigt die Abb. 8.2.
Vorselektion
Real-Time Trigger
Botschaft
Zum Ende des Einparkvorgangs Hinweis auf weiteren kostenlosen Trial und Kaufmöglichkeit auf Head Unit oder bevorzugtem Kanal. Möglichkeit zum Abschalten der Marketingbotschaften für diesen Dienst.
Dienst an Geoposition verfügbar und Kunde auf Parkplatzsuche?
Registrierung Kundenportal ?
Follow-Up
Einverständniserklärung?
Grundvoraussetzungen nicht erfüllt Dienst nicht installiert.
Keine Maßnahme Nutzung des Dienstes nicht abgelehnt.
Abb. 8.2 Ablauf Parking Spot Finder
Kauf nach erstem Trial?
Navigation zum Parkplatz
Grundvoraussetzungen erfüllt Voraussetzungen PKW erfüllt?
Regelmäßige Updates zum Dienst liefern und passende Kommunikation auf bevorzugtem Kommunikationskanal.
Senden der Botschaft an Head Unit: „Der Parking Spot Finder hat für Sie einen Parkplatz in der Nähe gefunden. Jetzt navigieren?“
Jetzt navigieren?
Marketingbotschaft für den Dienst abgeschaltet?
Kauf nach zweitem Trial oder innerhalb einer Woche?
Hinweis, per bevorzugtem Kommunikationskanal, welche Vorteile der Dienst bietet und wie sicher und einfach er ist.
8.2 Konkretisierung der Use Cases zu Ablaufplänen
221
• Vorselektion nach fünf Kriterien: Um diesen Dienst mit einer Triggerkampagne zu bewerben, muss der Kunde im Rahmen der Vorselektion fünf Kriterien erfüllen. Zunächst muss er im Kundenportal des Herstellers registriert sein, damit seine Kontaktdaten und die Informationen zu seinem Fahrzeug vorliegen. Weiterhin muss eine Einverständniserklärung vorliegen, die es erlaubt, den Kunden mit einer Werbebotschaft zu kontaktieren und seine Fahrzeugdaten zu nutzen. Außerdem muss das Fahrzeug des Kunden die Hardware besitzen, damit der Dienst einwandfrei funktioniert. Der Kunde darf den Dienst noch nicht installiert haben und er darf die Nutzung des Dienstes nicht ausgeschlossen haben. • Analyse der Bewegungsmuster: Sind diese Grundvoraussetzungen erfüllt, werden die Geodaten des Fahrzeugs auf vorher definierte Bewegungsmuster analysiert, die darauf schließen lassen, dass der Kunde mit seinem Fahrzeug auf der Suche nach einem Parkplatz ist. Das ist der Fall, wenn sich ein Fahrzeug besonders langsam um einen Straßenblock bewegt oder wenn die Adresse im Navigationsgerät zwar angefahren wurde, der Kunde aber in der Nähe der Adresse weiterfährt. • Angebot der Navigation zu einem Parkplatz: Nachdem dieses Bewegungsmuster erkannt wurde, erhält der Kunde im Fahrzeug eine Nachricht, die ihn auf einen Parkplatz in der Nähe hinweist und ihm die Navigation dorthin anbietet. Der Kunde kann das entweder annehmen oder ablehnen. • Follow-Up: Anschließend wird der Dienst im Follow-Up zum Kauf angeboten oder es wird dem Kunden erlaubt, die Kommunikation zu diesem Dienst gänzlich abzulehnen, einen weiteren Free-Trial in Anspruch zu nehmen, oder bei einer ausbleibenden Reaktion des Kunden, einen Erinnerungsdialog herzustellen, der die Vorteile des Dienstes aufzeigt. Beispiel 2: Paketlieferung in den Kofferraum
• Mehrwert: Die Paketlieferung in den Kofferraum bietet dem Original Equipment Manufacturer (OEM) einen geringeren Mehrwert als der Parking Spot Finder, weil er selbst keinen direkten finanziellen Vorteil daraus ziehen kann. Der Dienst eignet sich jedoch, Kunden an das Unternehmen zu binden. Der Mehrwert für den Kunden ist deutlich höher. Der Dienst wird von einigen OEM und Paketdiensten bereits erprobt und ist damit gut umsetzbar. Abb. 8.3 zeigt den Ablauf der Paketlieferung in den Kofferraum. • Vorselektion: Zusätzlich zu den Kriterien aus dem vorher geschilderten Beispiel (Registrierung im Kundenportal, vorliegende Einverständniserklärung, gegebene Voraussetzungen des PKW, Dienst nicht installiert, Nutzung des Dienstes nicht abgelehnt) werden hier zwei weitere Voraussetzungen geprüft. Einerseits muss zwischen dem OEM und dem Paketdienst eine Verbindung bestehen, um nur denjenigen Kunden den Dienst anzubieten, die ein geeignetes Fahrzeug fahren und auch Kunden des Paketdienstes sind. Weiterhin ist die Paketzustellung vonseiten des Paketdienstes bisher nur in Großstädten darstellbar. Der Kunde muss sich dementsprechend in einem Gebiet aufhalten, in dem der Dienst verfügbar ist.
222
8 Anwendung des One-to-One Marketings bei Connected Cars
Vorselektion
Real-Time Trigger
Registrierung Kundenportal ?
Botschaft
Hinweis per bevorzugtem Kanal: Um diesen Dienst in Zukunft zu nutzen, muss der Dienst erworben werden. Kaufmöglichkeit. Möglichkeit zum Abschalten der Marketingbotschaften für diesen Dienst.
Kunde konnte ein Paket nicht persönlich entgegen nehmen.
Einverständniserklärung?
Voraussetzungen PKW erfüllt? Grundvoraussetzungen erfüllt Dienst nicht installiert.
Kunde OEM = Kunde Paketdienst
Grundvoraussetzungen nicht erfüllt
Regelmäßige Updates zum Dienst liefern und passende Kommunikation auf bevorzugtem Kommunikationskanal.
Kauf nach erster Lieferung?
Lieferung in Kofferraum wird beauftragt. Senden der personalisierten Botschaft an bevorzugten Kanal. Hinweis auf kostenlosen Trial bei der nächsten Bestellung. Klare Erläuterung des Dienstes.
Dienst am Ort verfügbar
Nutzung des Dienstes nicht abgelehnt.
Follow-Up
Keine Maßnahme
In Kofferraum liefern lassen?
Marketingbotschaft für den Dienst abgeschaltet?
Kauf nach 1 Woche oder vor nächster Lieferung?
Hinweis, per bevorzugtem Kommunikationskanal, welche Vorteile der Dienst bietet und wie sicher und einfach er ist.
Abb. 8.3 Ablauf der Paketlieferung in den Kofferraum
• Nicht zugestelltes Paket: In diesem Fall wird der Real-Time Trigger durch ein nicht zugestelltes Paket ausgelöst. In der daraufhin an den bevorzugten Kanal versendeten Botschaft wird dem Kunden eine Zustellung des Pakets in seinen Kofferraum angeboten. • Follow-Up: Das Follow-Up schließt sich an. Beispiel 3: Predictive Maintenance
• Mehrwert: Predictive Maintenance erlaubt es, den Kunden vor bevorstehenden Schäden zu warnen und seine Mobilität zu gewährleisten sowie den Kunden an die Vertragswerkstätten zu binden. Der Mehrwert ist damit für beide Seiten sehr hoch. Bisher bieten nur wenige Hersteller den digitalen Dienst an, was aber zeigt, dass er mindestens in begrenztem Umfang umsetzbar ist. Abb. 8.4 zeigt den Ablauf für dieses Beispiel. • Vorselektion: Die Kriterien zur Vorselektion stimmen mit denen aus dem Parking Spot Finder überein (Registrierung im Kundenportal, vorliegende Einverständniserklärung, gegebene Voraussetzungen des PKW, Dienst nicht installiert, Nutzung des Dienstes nicht abgelehnt). • Zustand der Bauteile: Der Real-Time Trigger richtet sich nach dem Zustand der Bauteile, die im Rahmen des Predictive Maintenance Dienstes überwacht werden können. Droht einem dieser Teile ein Defekt, bekommt der Kunde eine Nachricht auf seine Head Unit, die ihm die Option gibt, sich mit der Service Hotline des Herstellers verbinden zu lassen, um einen Termin zur Reparatur zu vereinbaren. • Follow-Up: Im Rahmen des Follow-Up kann der Kunde wählen, sich mit der Service Hotline verbinden zu lassen oder nicht. Vereinbart er einen Termin, wird ihm vor Ort der Dienst persönlich näher erläutert und er kann den Dienst erwerben, die Botschaften zum Dienst unterbinden oder weitere Informationen über den von ihm
223
8.4 Forschungsdesign der Experteninterviews
Vorselektion
Real-Time Trigger
Botschaft
Bauteil, dass bald ausgetauscht werden muss wird erkannt.
Registrierung Kundenportal ?
Follow-Up
Erläuterung des Dienstes durch Serviceberater im Autohaus und zusätzlich per bevorzugtem Kommunikationskanal.
Regelmäßige Updates zum Dienst liefern und passende Kommunikation auf bevorzugtem Kommunikationskanal.
Kauf nach Werkstattbesu ch?
Einverständniserklärung? Termin vereinbart?
Grundvoraussetzungen erfüllt Voraussetzungen PKW erfüllt? Grundvoraussetzungen nicht erfüllt Dienst nicht installiert.
Senden der Botschaft an Head Unit: „Ihre Fahrzeugbatterie sollte bald getauscht werden, um die Zuverlässigkeit ihres PKW zu erhalten. Wenn Sie wünschen, wird Sie unsere Service Hotline dazu nun kontaktieren. Dieser Service ist diesmal kostenfrei.“
Marketingbotschaft für den Dienst abgeschaltet?
Anruf beim Kunden durch Servicetelefon/Händler.
Kontakt herstellen?
Keine Maßnahme Nutzung des Dienstes nicht abgelehnt.
Kauf innerhalb einer Woche?
Hinweis, per bevorzugtem Kommunikationskanal, welche Vorteile der Dienst bietet und wie sicher und einfach er ist.
Abb. 8.4 Ablauf Predictive Maintenance
bevorzugten Kanal erhalten. Lehnt er einen Termin ab oder möchte keinen Kontakt herstellen, kann er ebenfalls die Botschaften unterbinden. Alternativ wird er auf seinem bevorzugten Kanal weiterhin auf die Vorteilhaftigkeit des Dienstes aufmerksam gemacht.
8.3 Hypothesen zum One-to-One Marketing bei Connected Cars In diesem Kapitel werden Hypothesen aufgestellt und bewertet, die den Einsatz des Oneto-One Marketing in Verbindung mit Connected Cars konkret untersuchen sollen. Dazu werden mögliche Cases erarbeitet und mit Experten aus der Branche diskutiert. Mit den in Tab. 8.6 aufgeführten Hypothesen sind die Bereiche Mobile Marketing (H1), Personalisierung (H2), Marketing Kampagnen (H3), Umsetzbarkeit von automatisiertem One-to-One Marketing (H4) und Datenschutz als Hindernis der Umsetzbarkeit (H5) abgedeckt. Ziel ist es, die Hypothesen durch eine qualitative Forschung in Form von Expertenbefragungen zu verifizieren oder zu falsifizieren.
8.4 Forschungsdesign der Experteninterviews Um die aufgestellten Hypothesen zu bestätigen oder zu falsifizieren, wurde ein qualitatives Forschungsverfahren in Form von Expertengesprächen mit Leitfadeninterviews eingesetzt, die auf den beschriebenen Ablaufplänen basieren.
224
8 Anwendung des One-to-One Marketings bei Connected Cars
Tab. 8.6 Hypothesen zum One-to-One Marketing im Connected Car Hypothesen H1
Das Connected Car ist ein neuer Kanal im Rahmen von Mobile Marketing, der für One-to-One Marketing genutzt werden kann
H2
Kunden sind eher bereit, ihre Daten preiszugeben, wenn sie im Gegenzug persönlichere und relevantere Werbebotschaften erhalten
H3
Trigger-Kampagnen sind besonders gut geeignet, um digitale Dienste zu bewerben
H4
Aufgrund mangelnder Daten und unzureichender Analytik der Daten ist aus heutiger Sicht ein automatisiertes One-to-One Marketing für die OEM nicht vollumfänglich umsetzbar
H5
Mit den derzeit geltenden Datenschutzerklärungen der OEM ist es nur begrenzt möglich, One-to-One Marketing zu betreiben, weil nicht genug Daten gesammelt werden können
Leitfadeninterviews Nach der Begrüßung und Erfassung der soziodemografischen Daten des Befragten wird das Ziel der Untersuchung erläutert. Die sich anschließenden Fragestellungen zielen auf verschiedene Schwerpunkte ab: 1. Einleitende Fragen, die sich allgemein mit dem Marketing für digitale Dienste in der Automobilbranche befassen, gefolgt von 2. Fragen zum Mehrwert und der Umsetzbarkeit der Ablaufpläne. Schließlich werden 3. Fragen zur allgemeinen Umsetzbarkeit von One-to-One Marketing, losgelöst von den erarbeiteten Beispielen, gestellt, bevor noch Zeit für 4. Ad-hoc Fragen bleibt, die flexibel diskutiert werden. Hier werden individuelle Fragen an die Experten gerichtet, um neue Erkenntnisse, welche sich aus der Befragung der übrigen Experten ergeben haben, berücksichtigen zu können. Auswahl der Experten Die Befragten sind weniger als Person, sondern mehr in ihrer Expertenfunktion mit Bezug zum Forschungsgegenstand relevant. Zur Beantwortung der Fragen wurden Experten aus der Informationstechnologie und aus der Automobilbranche ausgewählt. In Zusammenarbeit mit der Unternehmensberatung Capgemini konnte auf ein Netzwerk von geeigneten Experten zurückgegriffen werden. Die Kontaktaufnahme zu den Experten erfolgte per E-Mail und Telefon. Die Interviews selbst wurden teilweise persönlich vor Ort, teilweise telefonisch oder via Skype geführt. Tab. 8.7 gibt einen Überblick über die Experten, die sich für Interviews zur Verfügung gestellt haben.
225
8.5 Auswertung der Interviews Tab. 8.7 Übersicht der interviewten Experten Experte Name
Position
Organisation
E1
Anonym Manager CRM Digital Marketing
OEM 1
E2
Anonym Manager Marketing & Sales Strategic Product Management & Digital Transformation
OEM 1
E3
Anonym Connected Services Marketing
OEM 1
E4
Anonym Manager Connected Drive Store Rollout
OEM 2
E5
Anonym Product Manager Infotainment
OEM 3
E6
Anonym International Advertising, Website Content & Digital Communication
OEM 4
E7
Anonym Business Development Connected Car
OEM 5
E8
Anonym Managing Enterprise Architect
Capgemini
E9
Anonym Senior Consultant im Bereich Customer Experience
Capgemini
E10
Anonym Business Analyst
Capgemini
Auswertungsmethode Bei den Interviews werden verbale Daten erhoben. Die Datenaufbereitung erfolgte in Form eines Ergebnisprotokolls für jedes Interview. Die Auswertung der Interviews erfolgte durch Codierung. Bei der Codierung wurden einzelne Textpassagen aus den Ergebnisprotokollen mit Schlagwörtern, den sogenannten Codes, zusammengefasst.
8.5 Auswertung der Interviews 8.5.1 Einleitende Fragen Aktueller Stand des Marketings für digitale Dienste Im Rahmen der einleitenden Fragen soll zunächst der aktuelle Stand des Marketings für digitale Dienste in der Automobilindustrie geklärt werden. Auch die Frage nach nicht ausgeschöpften Potenzialen und mit welchen Instrumenten diese gehoben werden können, wurde im einleitenden Teil diskutiert.
Die meisten Experten sind der Meinung, dass sich die Marketingaktivitäten für digitale Dienste, die zurzeit stattfinden, bei den Herstellern deutlich unterscheiden. Einige betreiben wesentlich intensivere Marketingaktivitäten als andere, was mit den Diensten zusammenhängt, die die einzelnen OEM anbieten. Man kann nur dann etwas vermarkten, wenn man etwas Ansprechendes anzubieten hat.
226
8 Anwendung des One-to-One Marketings bei Connected Cars
Die eingesetzten Maßnahmen wirken teilweise unkoordiniert, werden auf verschiedenen Kanälen ausgerollt und nach dem Trial and Error Prinzip durchgeführt. Außerdem sind sie eher dem Massenmarketing zuzuordnen, es findet weniger zielgruppenspezifische Ansprache statt. Hauptsächlich werden die Dienste im Rahmen einer Fahrzeugneueinführung beworben. Die Funktionalitäten der Dienste werden also nicht alleinstehend, sondern in Kombination mit der Markteinführung eines neuen PKW Modells präsentiert. Das lässt darauf schließen, dass die Dienste alleinstehend in der Wahrnehmung der OEM für eigenständige Werbung nicht genügend Mehrwert bieten. Zielgerichtete und persönliche Ansprache Der Wunsch nach einer zielgerichteten und persönlichen Ansprache der Kunden besteht bei den Experten. • E7: „Momentan erreichen wir die Kunden noch nicht da, wo wir sie eigentlich erreichen wollen. […] Ich würde mir als Kunde wünschen, dass mich der OEM dort anspricht, wo ich ein Bedürfnis habe. Also auf dem Smartphone oder auch direkt im Fahrzeug. Damit werde ich während der Nutzung angesprochen und habe einen direkten Mehrwert aus der Kontaktaufnahme.“ Fast alle Experten geben an, dass das Potenzial zum Marketing für digitale Dienste noch nicht ausgeschöpft ist und insbesondere eine personalisierte Ansprache von Bestandkunden wünschenswert ist. Kanäle und Maßnahmen Die Experten sind sich darüber einig, dass je nach Strategie, zu bewerbendem Dienst und Zielgruppe unterschiedliche Kanäle und Maßnahmen zu wählen sind. Für technikaffine und junge Kunden, die eher zur Zielgruppe für digitale Dienste zählen, eignen sich insbesondere digitale Kanäle und die sozialen Medien. Für weniger technikaffine und ältere Kunden eignen sich Videos, die den Kunden überhaupt erst an die Materie der Dienste heranführen. Andererseits bietet sich auch das Autohaus selbst an, um mit Aufstellern zu werben oder auch im persönlichen Gespräch. • E10: „[…] bei dem einen oder anderen OEM (wird) noch nicht einmal im Handel durch den Verkäufer aktiv auf die Dienste aufmerksam gemacht.“ • Eine Begründung dafür, dass insbesondere bei den Händlern die Dienste nicht oder nur nachlässig beworben werden, ist die Tatsache, dass der Händler an den meisten Diensten keinen finanziellen Vorteil haben. • E1: „Wo auf der Customer Journey hängt denn der Kunde gerade und mit welchem Kommunikationspaket bespiele ich ihn? Das ist die Kür und das ist das Zielbild auch für den gesamten Marketingbereich eines OEM.“ Diese Aussage eines Experten eines OEM macht deutlich, dass es ein klares Ziel ist, den Kunden im passenden Moment mit den passenden Inhalten zu versorgen.
8.5 Auswertung der Interviews
227
8.5.2 Diskussion der drei Use Cases Um mehr über den praktischen Einsatz von One-to-One Marketing im Zusammenhang mit verschiedenen Diensten zu erfahren, werden die drei ausgearbeiteten Ablaufpläne diskutiert. Dazu wurden jeweils fünf Fragen vorbereitet, die auf den Mehrwert, auf Probleme bei der Umsetzung und auf Lösungsvorschläge für Probleme ausgerichtet sind. Parking Spot Finder Dem Parking Spot Finder wird für den Kunden ein hoher Nutzen sowohl als Dienst allein, als auch im Rahmen der geplanten Trigger Kampagne zugeschrieben. • E9: „Wenn es gut umgesetzt ist und dem Kunden proaktiv Unterstützung (bei der Parkplatzsuche) angeboten wird, ist das absolut sinnvoll.“ Die Experten heben den Komfort und die Zeitersparnis hervor, die der Kunde erlebt, wenn vom Automobilhersteller erkannt wird, dass der Kunde einen Parkplatz sucht und ihm vom Dienst ein Parkplatz vorgeschlagen wird. Manche Experten sehen den Mehrwert noch erhöht, wenn dem Kunden bereits vor Fahrtantritt die Möglichkeit gegeben wird, einen Parkplatz am Zielort zu reservieren. Neben kostenpflichtigen Parkhäusern, sollten auch kostenlose Parkplätze auf der Straße vom Dienst registriert werden. Auch für den Hersteller lohnt sich eine solche Triggerkampagne. Die Experten gehen davon aus, dass wenn alles funktioniert, einige Kunden den Dienst erwerben werden. Für sie stellt der Dienst eine Einnahmequelle, eine Datenquelle und schließlich ein Unterscheidungsmerkmal zu anderen Herstellern dar. Sie stehen in intensiverem Kontakt mit dem Kunden und können ihre Kundenbeziehung verbessern. • E4: „Als OEM stehe ich mehr im Kontakt mit dem Kunden und kann ganz grundsätzlich mein CRM verbessern und bessere Angebote machen.“ Der Mehrwert lässt sich in diesem Fall aus Sicht der OEM durch Crossselling Maßnahmen erhöhen, um zum Beispiel die Navigationssoftware zu verkaufen oder auch um Dienstleistungen wie eine Fahrzeugwäsche oder Wartung am Fahrzeug während des Parkens anzubieten. Die Experten sehen in der Umsetzung der Journey schon in der Phase der Vorselektion ein Problem. Der Trigger basiert auf Geodaten aus dem Fahrzeug. Diese Geodaten sind nicht ohne weiteres für jeden OEM frei verfügbar; weil es sich um personenbezogene Daten handelt, ist deren Verwendung in Deutschland nur mit der Zustimmung der Kunden erlaubt. Bei einem Hersteller wird das Problem umgangen, indem der Kunde bereits beim Kauf eines Fahrzeugs mit SIM-Karte der Verwendung einiger Daten zustimmt. Gelingt es dem OEM über ein solches oder ähnliches Verfahren, das Einverständnis des Kunden einzuholen, ergibt sich das Problem der zuverlässigen Anwendung des Real-Time Triggers. Auch wenn die Geodaten vorliegen und genutzt
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8 Anwendung des One-to-One Marketings bei Connected Cars
werden dürfen, wird es technisch problematisch festzustellen, ob der Kunde sich auf der Suche nach einem Parkplatz befindet. • E4: „Wie finde ich heraus, ob der Kunde wirklich auf Parkplatzsuche ist. Klar, wenn er jetzt dreimal um denselben Block fährt, dann ist es wahrscheinlich schon so, dass er einen Parkplatz sucht. Es kann natürlich auch sein, dass ich mich, aus was für einem Grund auch immer, ein bisschen langsamer um den Block bewege. Oder weil der Verkehr sehr zähflüssig ist, dass ich vielleicht gar nicht auf der Parkplatzsuche bin, sondern einfach nur langsam zu meinem Ziel komme. Da würde es mich wahrscheinlich dann wieder nerven, wenn mich jemand anspricht mit: Sind Sie auf der Suche nach einem Parkplatz?“
Die Gefahr, einen Kunden anzusprechen, der nicht auf der Suche nach einem Parkplatz ist und ihn dadurch zu verärgern, ist relativ hoch. Eine Lösung besteht darin, dem Kunden vor Fahrtantritt die Möglichkeit zu geben, an seinem Zielort einen Parkplatz zu reservieren. Alternativ kann dem Kunden gut sichtbar in der Head Unit ein Button angezeigt werden, den er aktiviert, sobald er einen Parkplatz sucht.
Ein weiteres Problem ergibt sich im Rahmen der Botschaft nach dem Trigger. Hier muss der Kunde sicher sein, nur einen kostenlosen Trial des Dienstes zu testen, ohne den Dienst zu erwerben. Schließlich ergibt sich eine Haftungsfrage im Fall, dass der Kunde beim Einparken in eine Parklücke, die ihm vorgeschlagen wurde, einen Schaden am Fahrzeug erleidet. Hätte er den Dienst bereits erworben, hätte der OEM seine Haftung für solche Fälle ausschließen können. Paketlieferung in den Kofferraum Den Mehrwert diese Dienstes sehen die Experten differenzierter als beim Parking Spot Finder. • E6: „Für den Kunden ist der Dienst optimal. Er muss sich nicht mehr in der Postfiliale anstellen nach Feierabend […].“ Viele sehen den Komfort jedoch nur für die Menschen, die im bisher sehr eingeschränkten Verfügbarkeitsgebiet eines solchen Dienstes leben. Außerdem wird der Zugriff auf den Kofferraum durch Dritte als eine große Hürde für den Verbraucher angesehen. Der OEM hat ebenfalls einen deutlich geringeren Mehrwert vom Dienst als beim Parking Spot Finder. Die meisten Experten sehen für den Hersteller keine Möglichkeit, mit diesem Dienst einen finanziellen Vorteil zu erreichen. Dieser liegt beim Paketdienstleister, der zum Beispiel höhere Versandkosten verlangen kann. Die Experten sind der Meinung, dass die OEM diesen Dienst nur anbieten müssen, um dem Kunden ein weiteres Differenzierungsmerkmal zu bieten und den Kunden besser zu binden. Eventuell lässt sich dieser Dienst im Paket mit anderen Diensten verkaufen.
8.5 Auswertung der Interviews
229
Experte 4 äußert eine differenzierte Idee. Aus seiner Sicht sollte der OEM mit dem Paketdienst ein Mediabudget vereinbaren. Dieses Budget entspricht der Höhe der Kosten, die der Paketdienstleister durch die Paketzustellung in den Kofferraum einsparen kann. Der Zusteller kann auf diese Weise die Pakete effizienter bei Nacht ausliefern. Im Rahmen dieses Budgets betreibt der Paketdienst Werbung für den Dienst bei dem OEM. Der Ablaufplan dieses Dienstes wird von den Experten zwar positiv gesehen und als komfortabel für den Kunden erachtet, er ist aber so nicht umsetzbar. Die größten Probleme treten im Rahmen der Vorselektion auf. Falls ein Paket vom Paketdienstleister nicht zugestellt wurde, soll dem Empfänger die Lieferung dieses Pakets in den Kofferraum angeboten werden. Dazu muss eine vertragliche Verbindung zwischen dem OEM und dem Paketdienstleister bestehen, um Daten beider Unternehmen zu dem Kunden austauschen zu können. Es muss festgestellt werden, ob der Empfänger ein Auto besitzt, das die Lieferung in den Kofferraum zulässt. Die Experten halten es für sehr aufwendig und kompliziert, diese Schnittstelle rechtlich und technisch darzustellen. Experte 3 äußert insbesondere Bedenken zu den Kundendaten, weil in einem Pilotversuch der Paketdienstleister sehr viele Daten vom OEM verlangt hat, die der OEM aber aufgrund seines Qualitätsversprechens den Kunden gegenüber nicht gewillt ist an Dritte weiterzugeben. Weiterhin wird die Flexibilität und Kapazität der Paketdienstleister nicht ausreichen, um diesen Dienst so umzusetzen. Diese Probleme sind nicht einfach zu lösen. • E9: „Der Paketdienst wird Schwierigkeiten haben ein Paket, das nicht an der Haustür zugestellt wurde, noch am gleichen Tag in den Kofferraum zu liefern. […] Außerdem muss berücksichtigt werden, dass der Paketdienst wissen muss, wo das Auto steht.“
Die Experten sind sich fast durchweg einig, dass es sinnvoller ist, in diesem Fall auf eine One-to-One Kampagne in dieser Form zu verzichten. Es ist einfacher, den Kunden bereits beim Bestellvorgang auswählen zu lassen, das Paket in das Auto liefern zu lassen. Weiterhin merken einige Experten an, dass es empfehlenswert ist, einfach alle Kunden im Rahmen einer Kampagne anzusprechen, die im Einzugsgebiet des Dienstes leben und ein passendes Fahrzeug haben.
Als Zeitpunkt eignet sich beispielsweise die Weihnachtszeit, in der besonders viele Pakete bestellt werden und viele Kunden vom Dienst profitieren könnten. Die Kampagne wird somit weniger aufwendig, kostengünstiger und ähnlich effektiv eingeschätzt, auch wenn damit der klassische One-to-One Ansatz verloren geht. Predictive Maintenance • E7: „Ich habe keine Lust, mich als Kunde um mein Auto zu kümmern. So wünsche ich mir, dass mein Auto mir sagt, wenn etwas nicht stimmt und ich in die Werkstatt muss.“ • E5: „Hoppla. Da hat der Dienst ja jetzt vermieden, dass ich irgendwo stehen bleibe.“
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8 Anwendung des One-to-One Marketings bei Connected Cars
Diese Aussagen der Experten zeigen, dass der Mehrwert des Dienstes für den Kunden grundsätzlich als sehr hoch eingeschätzt wird. Der Dienst kann vermeiden, so die meisten Experten, dass der Kunde mit einem Schaden stehen bleibt und seine Mobilität verloren geht. Eine Expertin spricht von einem „Fürsorgeeffekt“. Einer der befragten Experten (E8) sieht den Dienst zunächst nur für sicherheitsrelevante Teile als nützlich an. • E8: „Von einem Batterietausch hat der Kunde zunächst nichts, außer dass es ihn Geld kostet. Die funktioniert ja aktuell und wenn das Auto dann sagt, dass die demnächst defekt sein wird, wirkt das unglaubwürdig.“ Außerdem sieht er nicht ein, warum der Kunde für den Dienst zahlen sollte. • E8: „Der Kunde hat aus meiner Sicht nichts von dem Dienst. Denn wer verdient dran? Der Hersteller. Warum ich als Kunde dann auch noch 100 € im Jahr zahlen soll, verstehe ich nicht.“ Noch einen Schritt weiter geht ein weiterer Experte (E2): • E2: „Der Kunde möchte sein Auto eigentlich fahren und vielleicht noch tanken und waschen. Mit dem OEM möchte er eigentlich nie wieder etwas zu tun haben. Die Ansprache in der Form, da könnte etwas kaputt sein, wird ihn eher verärgern.“ Das Qualitätsversprechen der Hersteller vor allem bei einem Neufahrzeug wird damit infrage gestellt, entsprechend sensibel muss die Kommunikation zum Dienst behandelt werden. Es darf nicht der Eindruck entstehen, den Kunden ständig in die Werkstatt zitieren zu wollen. Er bekommt dann das Gefühl, ausgenutzt zu werden und ein qualitativ minderwertiges Fahrzeug zu fahren. Wenn der Mehrwert für den Kunden fraglich ist, so ist er für den OEM eindeutig. Der Hersteller kann grundsätzlich die Kunden an die Vertragswerkstätten und damit an die Marke binden. Hauptprofiteure sind die Vertragswerkstätten, die durch den Dienst Aufträge generieren können. Weitere Mehrwerte liegen in den Daten, die gesammelt werden können, um eigene Produkte und Teile zu verbessern und die Qualität zu steigern, sowie in einer besseren Auslastungsplanung für Werkstätten. Der Mehrwert für den Kunden lässt sich durch eine Abholung des PKW zum Service, eine Verringerung der Wartezeit beim Werkstattbesuch, Probefahrten und passende Rabattangebote erhöhen. Mit diesen Angeboten können auch OEM und Händler weitere Mehrwerte erzielen. Bei der Umsetzung der Maßnahme ergeben sich Probleme. Auch in diesem Fall wird es schwierig sein, im Rahmen der Vorselektion vom Kunden eine Einverständniserklärung zur Nutzung sämtlicher Fahrzeugdaten zu erhalten. • E1: „Technisch alles möglich und Datenübertragung auch alles möglich, nur welche Daten benutzt werden können, ist schwierig. Da muss die Einverständniserklärung zu den Daten vorliegen, weil ich ja Rückschlüsse ziehen kann und Einsichten in das Fahrzeug habe.“
8.5 Auswertung der Interviews
231
Eine Nutzung der Daten ohne vorliegende Zustimmung, die normalerweise erst bei Erwerb des Dienstes eingeholt wird, scheint schwierig. Bei einem OEM (E2) wird eine entsprechende Datenschutzerklärung, wie bereits beim Parking Spot Finder beschrieben, in den Kaufvertrag des PKW integriert. Das Problem kann umgangen werden, auch wenn offenbar einige OEM diese Vorgehensweise als riskant erachten. Weitere Kritikpunkte sind, dass die Aussagen zum Zustand der Teile verlässlich sein müssen, um den Kunden nicht unnötig in die Werkstatt zu rufen und, dass es modernere und bequemere Möglichkeiten zur Terminvereinbarung als eine Servicehotline gibt.
Es gibt kaum direkte Verbesserungsvorschläge vonseiten der Experten. Aus ihrer Sicht ist die Ablaufplanung gut umsetzbar, sobald die Datenschutzproblematik geklärt ist. Wichtig ist, dass die Zustimmung bewusst geschieht, damit Kunden nicht von der Überwachung ihrer Fahrzeugteile überrascht werden.
8.5.3 Umsetzbarkeit von One-to-One Marketing Die Fragen zur allgemeinen Umsetzbarkeit des One-to-One Marketings im Zusammenhang mit digitalen Diensten lassen eine Betrachtung der Thematik losgelöst von den zuvor diskutierten drei konkreten Beispielen zu. Einerseits wird die Frage nach der grundsätzlichen Eignung von One-to-One Marketing für digitale Dienste hinterfragt, andererseits die Umsetzbarkeit der Maßnahmen aus Sicht des OEM. Grundsätzliche Eignung von One-to-One Marketing Alle befragten Experten sehen One-to-One Marketing als ein grundsätzlich geeignetes Marketinginstrument für digitale Dienste. • E3: „Individualität, persönliches Ansprechen. Das wäre perfekt.“ Experte 1 sieht One-to-One Marketing als ein „Muss“ und begründet seine Meinung so: • E1: „Wenn ich als Kunde einen Touchpoint habe, an dem ich persönlich erreicht werden kann, wie das Smartphone und das Connected Car, erwarte ich, dass ich mit meinem Namen und in einem entsprechenden Zusammenhang angesprochen werde.“ • Andere Experten sehen das differenzierter. Sie halten eine solche Vorgehensweise nicht bei jedem Dienst für geeignet, weil es nicht immer einen passenden Trigger gibt. Wenn das Informationslevel beim Kunden in Bezug auf digitale Dienste eher niedrig ist, wird es schwierig den Kunden abzuholen (E4). Nicht außer Acht zu lassen sind die vielfältigen technischen und rechtlichen Hürden, die je nach Dienst mehr oder weniger ausgeprägt sind. • E6: „Wenn es zuverlässig funktioniert, ist es sehr gut geeignet.“
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Einige Kunden könnten abgeschreckt sein, wenn sie mit sehr individuellen, auf persönlichen Daten basierenden Nachrichten konfrontiert werden. • E7: „Definitiv, ich fühle mich mehr wertgeschätzt. Es wird Kunden geben, denen es unheimlich ist, wenn sie solche spezifischen Angebote bekommen. Ich sehe es aber mehr als Mehrwert, wenn es wirklich funktioniert, dass genau mein Bedürfnis erkannt wird und befriedigt wird.“ Fähigkeit zur Umsetzung der Maßnahmen Die Antworten zur Fähigkeit der Hersteller entsprechende Maßnahmen umzusetzen, sind unterschiedlich. • E6: „Ja sofort, man kann komplette CRM Maßnahmen auf das Auto aussteuern. Wenn man das Auto ansteuern kann, da sind große Displays drin. Solange alles innerhalb der gesetzlichen Richtlinien der Driving Distraction abläuft, ist da einiges machbar.“ Während zwei Experten (E6 und E1) sehr euphorisch sind, sehen andere Probleme in der Datenlage, in noch nicht implementierten Prozessen und in der Funktion, Nachrichten direkt in das Auto zu senden. • E3: „Das System muss die Intelligenz haben, die verschiedenen Profile und Milieus der Kunden unterscheiden zu können und automatisch die passenden Nachrichten zu verschicken.“ Die meisten Automobilhersteller, so Experte 7, sind von ihrer Arbeitsweise und Flexibilität her noch nicht bereit dazu und reagieren sehr träge.
8.5.4 Ad-hoc Fragen Die Ad-hoc Fragen sind während des Gesprächsverlaufs im Interview aufgekommen oder haben sich aus anderen Interviews ergeben, sie wurden nicht mit jedem Experten diskutiert. Driver Distraction Die meisten Experten sehen das Connected Car als einen geeigneten Kanal zur Ansprache des Kunden. Bedenken werden jedoch bezüglich der Driver Distraction geäußert, also der Gefahr, dass der Fahrer zu sehr vom Fahrgeschehen abgelenkt wird. Dem kann entgegengewirkt werden, wenn Nachrichten nur bei Stillstand des Fahrzeugs zugehen. In Deutschland muss von Kunden eine Einverständniserklärung vorliegen, um sie mit Marketingbotschaften über bestimmte Kanäle (z. B. Telefon, E-Mail, Mobile) kontaktieren zu dürfen. Das schränkt den Kreis ein.
8.7 Fazit
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Datenschutzproblem Grundsätzlich kann das Datenschutzproblem gelöst werden, indem der Kunde beim Kauf des Fahrzeugs oder bei der Anmeldung eine allumfassende Nutzungserlaubnis für personenbezogene Daten abgibt und gleichzeitig einen Haftungsausschluss für Schäden, die im Zusammenhang mit noch nicht installierten Diensten auftreten. • E8: „Du kannst die Variante von OEM 1 wählen: Alles zu 120 % absichern. Du kannst aber auch die Variante von Google und Apple wählen: Nur zu 50 % sicher. Dann muss man das Risiko abwägen: Was bringt dir das finanziell und wieviel Leute klagen? Und was kostet mich dann die Klage?“
8.6 Bewertung der Hypothesen Die gewonnenen Erkenntnisse aus den Interviews lassen eine Bewertung der aufgestellten Hypothesen in Tab. 8.8 zu. Bei der Bewertung dieser Hypothesen muss berücksichtigt werden, dass nur ein kleiner Expertenkreis befragt wurde, den Experten wurde Anonymität in der Auswertung zugesichert. Es sind nicht alle Automobilhersteller repräsentiert und die befragten Personen haben jeweils eine persönliche Meinung, die in ihre Aussagen einfließt. Dadurch kann die Meinung der Experten nicht vollständig auf die Ausrichtung des OEM zu diesem Thema übertragen werden. Weiterhin wurden beispielsweise von einem Hersteller drei Mitarbeiter befragt, während von den anderen OEM nur jeweils eine Person befragt wurde.
8.7 Fazit Unterschiedlicher Einsatz der Marketingaktivitäten Die Marketingaktivitäten der verschiedenen Automobilhersteller in Bezug auf digitale Dienste sind sehr unterschiedlich. Einige Original Equipment Manufacturer (OEM) sind im Verhältnis zu anderen aktiv und kommunizieren die Funktionalitäten ihrer Dienste beispielsweise in Verbindung mit der Markteinführung eines neuen Modells. Andere Hersteller tun sich schwerer, wodurch Kunden und Interessenten schlecht erreicht und informiert werden. Die Unterschiede ergeben sich sowohl bei Herstellern der Premiumklasse als auch bei solchen der Mittelklasse. Eine konkrete Bedrohung durch den Markteintritt branchenfremder Unternehmen, wie zum Beispiel Google und Apple, wurde im Rahmen der Interviews mit den Experten nicht identifiziert.
Nach den Erkenntnissen der Interviews betreibt kein Hersteller ein One-toOne Marketing, welches denjenigen Kunden, die bereits ein Fahrzeug mit den Eigenschaften eines Connected Car fahren, individuelle Nachrichten zu digitalen Diensten unterbreitet. Die diskutierten Ansätze sind bei den Interviewpartnern auf ein entsprechend großes Interesse gestoßen und wurden als grundsätzlich positiv bewertet.
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Tab. 8.8 Bewertung der Hypothesen H1 Das Connected Car ist ein neuer Kanal im Rahmen von Mobile Marketing, der für One-toOne Marketing genutzt werden kann Diese Hypothese kann bestätigt werden. Es gibt Einschränkungen, um den Fahrer nicht von der Fahrt abzulenken H2 Kunden sind eher bereit, ihre Daten preiszugeben, wenn sie im Gegenzug persönlichere und relevantere Werbebotschaften erhalten Diese Hypothese kann eingeschränkt für onlineaffine und junge Kunden bestätigt werden. Für ältere Kunden und uninformierte Kunden kann die Hypothese nicht bestätigt werden H3 Trigger-Kampagnen sind besonders gut geeignet, um digitale Dienste zu bewerben Diese Hypothese kann nur mit Einschränkungen bestätigt werden. Die Beispiele 1 (Parking Spot Finder) und 3 (Predictive Maintenance) haben gezeigt, dass es sehr sinnvolle Ansatzpunkte für Trigger gibt, die technische Machbarkeit und der Datenschutz stehen der Umsetzung aber häufig im Weg. Bei dem Beispiel 2 (Paketlieferung in den Kofferraum) hat die Anwendung eines Triggers wenig Sinn ergeben. Die Eignung von Trigger-Kampagnen hängt insgesamt vom beworbenen Dienst ab H4 Aufgrund mangelnder Daten und unzureichender Analytik der Daten ist aus heutiger Sicht ein automatisiertes One-to-One Marketing für die OEM nicht vollumfänglich umsetzbar Diese Hypothese kann bestätigt werden. Es ist allerdings eine Frage der Zeit, bis die OEM in der Lage dazu sind, zumindest einfache Kampagnen automatisiert und personalisiert umsetzen zu können H5 Mit den derzeit geltenden Datenschutzerklärungen der OEM ist es nur begrenzt möglich One-to-One Marketing zu betreiben, weil nicht genug Daten gesammelt werden können Diese Hypothese kann bestätigt werden. Technisch ist es möglich, sämtliche relevanten Daten zu sammeln. Weil es sich aber fast ausschließlich um personenbezogene Daten handelt, können diese nicht ohne explizite Zustimmung der Kunden gesammelt und ausgewertet werden. Nur zwei der betrachteten OEM haben hier zumindest für einen Teil der Daten eine Lösung gefunden, indem der Kunde im Rahmen des Kaufvertrages oder bei der Anmeldung im Kundenportal der Bereitstellung einiger Daten zustimmen muss
Vier Erkenntnisse Die zentrale Frage „Wie kann der Absatz von digitalen Diensten im Connected Car mit One-to-One Marketing gesteigert werden?“ kann anhand der folgenden vier Erkenntnisse wie folgt beantwortet werden: 1. One-to-One Marketing stellt ein potenziell geeignetes Instrument dar, um den Absatz digitaler Dienste im Connected Car zu steigern. 2. One-to-One Marketing eröffnet die Möglichkeit, den Kunden individuell anzusprechen und ihm ein individuelles Kundenerlebnis zu bieten.
8.7 Fazit
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3. Das im Rahmen dieser Studie untersuchte Modell einer Triggerkampagne lässt sich mit leichten Modifikationen für einige Dienste anwenden und würde sowohl dem Kunden als auch dem Hersteller einen hohen Mehrwert liefern. Zu den Modifikationen zählen: – Vom Kunden muss eine Erlaubnis zur Verwendung personenbezogener Daten vorliegen. Eine Gelegenheit zur Erlangung dieser Erlaubnis ergibt sich beim Verkauf des Fahrzeugs. Die Erlaubnis muss transparent und verständlich sein, um das Kundenvertrauen nicht zu enttäuschen. Auch muss dem Kunden die Möglichkeit eingeräumt werden, die Erlaubnis jederzeit widerrufen zu können und die Datenübertragung aus dem Connected Car jederzeit, auch für einzelne Dienste, unterbinden zu können. – Die OEM müssen in der Lage sein, die vorhandenen Daten auszuwerten, um Kunden zu identifizieren und ihnen die passenden Nachrichten zu den richtigen Diensten im richtigen Moment zukommen zu lassen. – Die Trigger müssen für einige Dienste neu überdacht werden. Beim Parking Spot Finder ist es alternativ möglich, den Kunden bei der Adresseingabe in seinem Navigationsgerät anzusprechen. – Das Connected Car selbst ist ein geeigneter Kanal für One-to-One Marketing. Bei der Ansprache des Kunden muss darauf geachtet werden, dass er nicht vom Fahrgeschehen abgelenkt wird. 4. Besonders geeignet erscheint die Vorgehensweise bei Diensten, die neu verfügbar sind. Solche, die bereits beim Kauf des Fahrzeugs erhältlich sind, können im Rahmen des Kaufprozesses angeboten werden. Bei Diensten, die erst nach dem Kauf des Fahrzeugs verfügbar sind, ist es schwieriger, den Kunden persönlich zu informieren. Stattdessen wird der Kunde direkt im potenziellen Anwendungsfall auf den neuen Dienst aufmerksam gemacht. One-to-One Marketing ist umsetzbar Anhand der Hypothesenbewertungen wird deutlich, dass One-to-One Marketing grundsätzlich umsetzbar ist. Die Experten bewerten den Ansatz einer Triggerkampagne, bei der Kunden im exakten Bedarfsmoment für einen Dienst angesprochen werden, als gut. Einige Hindernisse stehen diesem Vorgehen entgegen. Die drei Beispiele haben verdeutlicht, dass sich diese Vorgehensweise nicht für jeden Dienst eignet. Während beim Parking Spot Finder und bei Predictive Maintenance die Kunden eine sofortige Dienstleistung erhalten, wenn sie angesprochen werden, ist es dem gegenüber bei der Paketlieferung in den Kofferraum nicht möglich, dass der Kunde den Dienst sofort nutzen kann und einen zeitnahen Mehrwert daraus gewinnt. Hindernisse Schwierigkeiten ergeben sich auch bei der technischen Umsetzung. Angenommen, die Hersteller hätten alle Daten zur Verfügung, um die Triggerkampagnen wie beschrieben
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d urchführen zu können, dann sind zumindest zum aktuellen Zeitpunkt nicht alle OEM in der Lage, im Rahmen einer Vorselektion geeignete Kunden zur Ansprache zu identifizieren. Dieses Problem lässt sich laut Aussagen der Experten allerdings kurz- bis mittelfristig beheben. Eine weitere Schwierigkeit liegt in den technischen Hindernissen zur eindeutigen Identifizierung des Triggers, deutlich geworden am Beispiel des Parking Spot Finders. Die Gefahr, einem Kunden einen Parkplatz anzubieten, obwohl er gerade keinen sucht, wird hoch eingeschätzt. Entsprechend muss der Trigger eindeutig identifizierbar sein. Datenschutz bei personenbezogenen Daten Die gravierendsten Probleme ergeben sich aber bei einigen Herstellern bezüglich des Datenschutzes. Um die Trigger der Kampagnen zu identifizieren, müssen die OEM in der Regel personenbezogene Daten auswerten. Diese dürfen nur mit einer ausdrücklichen Erlaubnis des Kunden erhoben und verarbeitet werden. Bei den meisten Automobilherstellern liegt eine solche umfängliche Erlaubnis nicht vor. Zwei befragte Hersteller nehmen in gewissem Umfang eine Vorreiterrolle ein und holen von den Kunden, die in ihrem Fahrzeug eine SIM-Karte verbaut haben, eine umfangreiche Einverständniserklärung beim Fahrzeugkauf ein. Diese beinhaltet neben der Erlaubnis, den Kunden mit Marketingbotschaften zu kontaktieren, auch die Erlaubnis – wenn auch in eingeschränktem Umfang – personenbezogene Daten zu erfassen und weiterzuverarbeiten. Damit ergibt sich bereits ab dem Kauf des Fahrzeugs die Möglichkeit, Daten des Kunden auch für Marketingaktionen zu verwenden. Andere OEM sehen diesen Aspekt deutlich restriktiver und begründen ihre Entscheidung die Daten nicht zu verwenden, mit dem Vertrauens- und Qualitätsanspruch, der an ihre Marke gestellt wird. Anwendungsfälle ohne Trigger Weitere hier nicht untersuchte Anwendungsfälle der direkten Kundenansprache im One-to-One Marketing, die weniger kompliziert sind, bieten sich ohne Trigger an. Basierend auf den Diensten, die der Kunde bereits nutzt, können ihm per E-Mail oder Nachricht in das Postfach des Kundenaccounts Angebote zu noch nicht genutzten Diensten gemacht werden, und zwar ohne einen individuellen Trigger und ohne personenbezogene Daten aus dem Connected Car. Das gleicht dann den Ausführungen zum Use Case 1 (Personalisierte Produktempfehlungen). Auch diese einfache Form von One-to-One Marketing findet heute größtenteils nicht statt. Die einzelnen Dienste wurden hier isoliert betrachtet, allerdings verkaufen die OEM ihre Dienste in der Regel nicht einzeln, sondern meist gebündelt in Paketen mit anderen Diensten. Das erschwert es, einen Dienst einzeln zu bewerben.
Die Interviews haben gezeigt, dass die OEM eine One-to-One Ansprache ihrer Kunden in den Bereichen Marketing und CRM anstreben. Die Aktivitäten und Bemühungen dazu sind aktuell noch anderen Unternehmenszielen untergeordnet, wie zum Beispiel der Entwicklung der Dienste selbst. Es scheint aber nur eine Frage der Zeit zu sein, bis auch die Automobilhersteller ihre Kunden deutlich gezielter und individueller adressieren können.
Literatur
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Advisor Dienst Einen komplett losgelösten Ansatz, Kunden Dienste im Bedarfsmoment anzubieten, bietet ein Advisor Dienst. Das ist ein digitaler Dienst, welchen die Kunden aktiv in ihrem Connected Car installieren müssen. Beim Installieren des Dienstes gibt der Kunde eine vollumfängliche Einverständniserklärung zur Verwendung seiner Daten ab. Sobald dieser Dienst installiert ist, kann er dem Nutzer anhand der personenbezogenen Daten andere vorschlagen, die für ihn nützlich sein können. Mit einem solchen Dienst entscheidet sich der Kunde bewusst dazu, seine Daten preiszugeben und im Gegenzug nützliche Dienste zur Alltagserleichterung vorgeschlagen zu bekommen. Der Advisor Dienst kann so am Markt platziert werden, dass der OEM keinen Imageverlust erleidet, wenn es Probleme mit dem Datenschutz oder unzufriedene Kunden geben sollte. Für die Hersteller, die beim Verkauf ihrer Fahrzeuge keine umfängliche Erlaubnis zur Verwendung von Kundendaten einholen, kann das eine Alternative darstellen.
Literatur Bast V (2015) Wie Parkpocket die Parkplatzsuche erleichtern will. https://www.impulse.de/gruendung/cash-test-folge-2-wie-parkpocket-die-parkplatzsuche-erleichtern-will-6669/2051411. html. Zugegriffen: 17. Aug. 2017 BCS (Bundesverband Car Sharing) (2016) Wirkung verschiedener CarSharing-Varianten auf Verkehr und Mobilitätsverhalten. https://carsharing.de/alles-ueber-carsharing/studien/wirkung- verschiedener-carsharing-varianten-auf-verkehr. Zugegriffen: 17. Aug. 2017 Becker J (2015) Online zum freien Parkplatz. http://www.sueddeutsche.de/auto/ parkraummanagement-in-staedten-online-zum-freien-parkplatz-1.2514764. Zugegriffen: 17. Aug. 2017 BMW (Bayerische Motorenwerke AG) (Hrsg) (2017b) BMW teleservices battery guard. http:// www.bmw.de/de/topics/service-zubehoer/bmw-service/teleservices/uebersicht.html#teleservicebattery. Zugegriffen: 17. Aug. 2017 Dirscherl HC (2017) Google Maps im Test: Gratis-Navigation mit exakten Verkehrslage-Informationen. https://www.pcwelt.de/produkte/Tolle-Gratis-Navi-App-Google-Maps- Navigation-im-Test-446952.html. Zugegriffen: 17. Aug. 2017 GetMobility (Hrsg) (2016) UberEats als separate App, Valk Fleet eingestellt. http://getmobility. de/20160321-valk-fleet/. Zugegriffen: 17. Aug. 2017 Hecking M (2013) Mobile Dienste für die Auto Oberklasse. http://www.manager-magazin.de/ unternehmen/autoindustrie/vernetzte-autos-internet-und-apps-fuer-luxusautos-a-909020-2.html. Zugegriffen: 17. Aug. 2017 Peuckert M (2015) Welches Navi bietet die besten Verkehrsinformationen? http://www.connect.de/vergleich/navi-app-oem-system-test-verkehrsinfo-stauumfahrung-rtti-3195131.html. Zugegriffen: 17. Aug. 2017 t3n (Hrsg) (2015) Personalisierte Produktempfehlungen – so steigert ihr euren Umsatz. http://t3n. de/magazin/personalisierte-produktempfehlungen-umsatz-steigern-238966/. Zugegriffen: 17. Aug. 2017
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Kundenbindung durch Connected Cars
Zusammenfassung
Seit der Neuausrichtung des Marketings hat sich der Schwerpunkt auf das Beziehungsmarketing verlagert. Im Mittelpunkt der Marketingaktivitäten steht nun die Kundenbindung durch Pflege und Vertiefung von Kundenbeziehungen und nicht mehr ausschließlich das Auslösen einer einzigen Transaktion. Die Zufriedenheit von Kunden gilt als Voraussetzung für Kundenloyalität bzw. Kundenbindung, sie ist jedoch kein Garant dafür. Customer Relationship Management wird sehr umfassend verstanden als ein strategischer Ansatz, der zur vollständigen Planung, Steuerung und Durchführung aller interaktiven Prozesse mit den Kunden genutzt wird. Die mit dem Connected Car gewonnen Daten bieten den Automobilherstellern im Rahmen von CRM großes Potenzial, die gesamte Organisation kundenorientiert auszurichten. Kundenbindung ist für Automobilhersteller eine enorm wichtige Zielgröße, die vor allem mit hoher Kundenzufriedenheit einhergeht und in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen wird. In Zeiten der fortschreitenden Digitalisierung des Alltags wird die Vernetzung der Fahrzeuge immer wichtiger. Dementsprechend wächst die Bedeutung von produktbegleitenden digitalen Dienstleistungen, da sie wichtige Wettbewerbsmerkmale darstellen. Die durch die Vernetzung möglichen digitalen Dienste ermöglichen eine Vielzahl an Kundenkontakten, durch welche die Beziehung gepflegt und aufrechterhalten werden kann. Sie müssen den Kunden ein besonderes, neues Fahrerlebnis, aber auch Serviceerlebnis bieten, da so Emotionalität gegenüber der Marke empfunden wird, Kunden begeistert werden und die Loyalität bzw. Kundenbindung steigt.
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 H. Holland, Dialogmarketing und Kundenbindung mit Connected Cars, https://doi.org/10.1007/978-3-658-22929-0_9
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9.1 Grundlagen der Kundenbindung 9.1.1 Begriff des Kundenbindungsmanagements Paradigmenwechsel vom Transaktions- zum Beziehungsmarketing Mit der Globalisierung haben stagnierende Märkte und hoher Wettbewerbsdruck in vielen Branchen zu einer verstärkten Bedeutung von langfristigen Kundenbeziehungen geführt. Ab der Mitte der 1990er Jahre fand eine Neuausrichtung des Marketings statt, wobei das Relationship Marketing oder Beziehungsmarketing einen besonderen Schwerpunkt bekam. Im Mittelpunkt der Marketingaktivitäten steht nun die Kundenbindung durch Pflege und Vertiefung von Kundenbeziehungen und nicht mehr ausschließlich das Auslösen einer einzigen Transaktion.
Diese Veränderung wird auch oft als Paradigmenwechsel vom Transaktionszum Beziehungsmarketing beschrieben und ist ein oft diskutiertes Thema in der Marketingwissenschaft (Holland 2016, S. 29–30).
Relationship Marketing Um den Begriff der Kundenbindung ins Marketing einzuordnen, ist zunächst der Zusammenhang mit dem Relationship Marketing zu betrachten. Dieses befasst sich mit der Steuerung von Kundenbeziehungen, welche in verschiedene Phasen unterteilt sind. Die Kundenakquisition beginnt eine jede Beziehung; nach dem ersten Kauf setzt das Kundenbindungsmanagement ein. Bei Verlust der Kunden kann das Rückgewinnungsmanagement erfolgen. Die Steuerung dieser drei Phasen erfolgt abteilungsübergreifend und verfolgt damit das Ziel der Steigerung der Beziehungsdauer und ihrer Rentabilität. Die Kundenbindung kennzeichnet demnach den Kernpunkt des Relationship Marketings. Kundenbindung aus Nachfragesicht Die Literatur betont bei der Begriffsdeutung die Unterscheidung zwischen einer Nachfrager- und einer Anbieterperspektive. Meffert betrachtet Kundenbindung aus Nachfragersicht als einen Zustand, in dem sie den Grad beschreibt, „zu dem private oder institutionelle Nachfrager aufgrund faktischer oder emotionaler Bindungen beim Wiederkauf eine identische Entscheidung bei der Wahl einer Leistung, einer Marke, eines Anbieters oder einer Geschäftsstätte treffen“ (Meffert 2008, S. 161). Es werden hierbei zwei Bindungsarten betrachtet, wobei die faktische Bindung vertraglich, technisch-funktional oder ökonomisch bedingt ist und emotionale Bindung beispielsweise durch Zufriedenheit hervorgerufen wird. Kundenbindung aus Anbietersicht Auf Anbieterseite hat Kundenbindung einen instrumentellen Charakter. Das Kundenbindungsmanagement beschreibt „die systematische Analyse, Planung, Durchführung
9.1 Grundlagen der Kundenbindung
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sowie Kontrolle sämtlicher auf den aktuellen Kundenstamm gerichteten Maßnahmen mit dem Ziel, dass diese Kunden auch in Zukunft die Geschäftsbeziehung aufrechterhalten oder intensiver pflegen“ (Homburg und Bruhn 2013, S. 8). Kundenloyalität Der Begriff Kundenloyalität ist von der Kundenbindung klar abzugrenzen, da er die Bindung ausschließlich aus Nachfragersicht beschreibt. Kundenloyalität kann bei übertroffenen Erwartungen bzw. positiver Einstellung von Kunden gegenüber Anbietern entstehen, während Kundenbindung auch bei negativer Einstellung, z. B. durch Vertragsbindung, auftreten kann (Bruhn 2013, S. 96). Eine faktische Bindung resultiert in einer Gebundenheit, der Kunde ist in seiner Entscheidungsfreiheit eingeschränkt und kann aufgrund ökonomischer oder technologischer Wechselbarrieren das Unternehmen nicht wechseln (Meffert 2008, S. 162). Verbundenheit statt Gebundenheit Es gibt unterschiedliche Arten der Kundenbindung. Im Rahmen des Customer Relationship Managements ist es nicht das Ziel, dass der Kunden (vertraglich) gebunden ist, sondern es soll eine Verbundenheit erreicht werden, die sich aus der Zufriedenheit des Kunden mit dem Unternehmen speist sowie aus dem gegenseitigen Vertrauen (Holland 2016, S. 296). Eine faktische Bindung des Kunden kann man erreichen durch vertragliche Bindungen (z. B. Zwei-Jahres-Vertrag), durch eine technisch-funktionale Bindung (z. B. Bindung des Kunden an ein bestimmtes System auf Grund von Kompatibilität) oder durch eine ökonomische Bindung, bei der der Vertrag nur mit einem ökonomischen Einsatz durch den Kunden gelöst werden kann (z. B. Auflösungsgebühr). Die Verbundenheit beruht dagegen auf der Zufriedenheit des Kunden, einer emotionalen Bindung und Kundenloyalität durch Kundenzufriedenheit. Diese emotionale Bindung führt zu einer verringerten Bereitschaft zum Hersteller-, Marken- oder Einkaufsstättenwechsel und somit über den Wiederkauf zu einer hohen Kundenloyalität. Sie entsteht bei positiven Verhaltensdispositionen, beispielsweise bei auf vergleichbaren Werten und Einstellungen basierender emotionaler Wertschätzung der Beziehung und der Bereitschaft diese weiterzuführen (Gröppel-Klein et al. 2013, S. 50–51). Emotionalität und Zufriedenheit sind dementsprechend wichtige Determinanten, um Verbundenheit mit dem Unternehmen zu erzeugen.
9.1.2 Zusammenhang zwischen Zufriedenheit, Loyalität und Bindung Wirkungskette der Kundenbindung Mit der verstärkten Kundenorientierung wurde die Kundenzufriedenheit zur zentralen Zielgröße in vielen Branchen. Auch in der Automobilindustrie wird sie eingesetzt, um
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Differenzierung und Kundenloyalität zu erreichen. Um den Zusammenhang von Kundenzufriedenheit, Kundenloyalität und Kundenbindung darzustellen, wird die Wirkungskette der Kundenbindung erläutert. Hierbei beginnt Kundenbindungsmanagement mit dem Kauf eines Produktes oder dem Bezug einer Leistung, wie in Abb. 9.1 darstellt. Kunden bewerten den Transaktionsvorgang und das Produkt bzw. die Leistung, wobei es zu Zufriedenheit oder Unzufriedenheit kommt. Sind Kunden allgemein zufrieden mit der Leistung des Anbieters oder wurden ihre Erwartungen übertroffen, kann es zur Kundenloyalität kommen (Giering 2000, S. 54–56). Kunden zeigen dabei eine verringerte Wechselbereitschaft, vertrauen dem Anbieter und erwägen Wiederholungskäufe. Loyale Kunden gelten als gebunden, wenn ein tatsächlicher Wiederkauf stattfindet. Ein weiteres Merkmal ist das Cross-Buying-Verhalten, sowie Weiterempfehlungen an mögliche Kunden. Abgeschlossen wird die Wirkungskette mit einem höheren wirtschaftlichen Erfolg. Kundenzufriedenheit und Kundenbindung Die Zufriedenheit von Kunden kann damit als Voraussetzung für Kundenloyalität bzw. Kundenbindung angenommen werden, sie ist eine notwendige Bedingung aber keine hinreichende. Eine Steigerung der Zufriedenheit führt nicht immer zu einer äquivalenten Steigerung der Kundenbindung, was beispielweise eine Studie von Herrmann und Johnson verdeutlicht. Deren Untersuchungen zeigen einen S-förmigen Zusammenhang zwischen Kundenbindung und Kundenzufriedenheit in der Automobilbranche, wie in Abb. 9.2 verdeutlicht. Bei gering zufriedenen Kunden führt eine Erhöhung der Zufriedenheit nur
Abb. 9.1 Wirkungskette der Kundenbindung. (Quelle: Aus Homburg und Bruhn 2013, S. 10; mit freundlicher Genehmigung von © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2013. All Rights Reserved)
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Abb. 9.2 Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenbindung. (Quelle: Aus Homburg und Bucerius 2016, S. 60; mit freundlicher Genehmigung von © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2016. All Rights Reserved)
zu einer geringen Steigerung der Bindung. Ausgehend von einer hohen Zufriedenheit führt eine Anhebung der Zufriedenheit zu einer erheblichen Erhöhung der Bindung. Bei sehr zufriedenen Kunden kann man bei einer Erhöhung der Zufriedenheit nur noch eine geringe Steigerung der Kundenbindung feststellen (Herrmann und Johnson 1999, S. 595). Einflussfaktoren auf die Kundenbindung Unter den weiteren, die Kundenbindung beeinflussenden, Faktoren spielt das Marktumfeld eine große Rolle. Je stärker die Wettbewerbsintensität, desto höher ist auch die Wechselbereitschaft von Kunden bei schon geringem Rückgang der Zufriedenheit (Jones und Sasser 1995). Neben der Kundenzufriedenheit und dem Marktumfeld haben auch soziale und psychische Wechselbarrieren einen hohen Einfluss. Dazu zählen beispielsweise Meinungen des persönlichen Umfelds, die Identifikation mit der Marke oder der persönliche Kontakt zum Verkäufer. Negativ wirkt sich das sogenannte Variety Seeking aus, der Wunsch nach Abwechslung. Dieser entsteht bei Monotonie und Langerweile gegenüber einem Produkt oder einer Marke, trotz der eigentlichen Zufriedenheit (Gröppel-Klein et al. 2013, S. 64).
Demzufolge müssen Automobilhersteller Maßnahmen umsetzen, die vor allem die Kundenzufriedenheit steigern und das Variety Seeking vermindern.
Zufriedenheit und Marken- bzw. Händlerloyalität Ein weiterer wichtiger Faktor ist der Zusammenhang zwischen Zufriedenheit und Marken- bzw. Händlerloyalität. Burmann zufolge wird Markenloyalität vor allem durch die Produktzufriedenheit bestimmt. Händlerloyalität dagegen wird überwiegend von der Kundendienstzufriedenheit beeinflusst, demnach ist der Servicebereich ein wichtiger Bestandteil, um Kundenbindung zu erhöhen (Burmann 1991, S. 249–251).
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9.1.3 Wirkungen der Kundenbindung Eine gesteigerte Kundenzufriedenheit kann zu den in Abb. 9.3 dargestellten positiven ökonomischen Konsequenzen führen (Holland 2016, S. 340–341). Erhöhte Wiederkaufrate und Steigerung der Kundentreue Durch höhere Wiederkaufraten können insbesondere Akquisitions- und Beziehungskosten eingespart werden. Die Gewinnung eines Neukunden ist im Vergleich zur Bindung eines bestehenden Kunden fünf- bis siebenmal teurer. Bei vielen Unternehmen entfallen ca. 70 % des Umsatzes auf Wiederkäufe. Jedoch kann eine so hohe Wiederkaufsrate nur erfolgen, wenn die Erwartungen des Kunden erfüllt wurden und der Kunde zufrieden ist. Langfristig führen die höheren Wiederkaufraten zu einer stabileren Kundenbasis, aus welcher ein höherer und beschleunigter Cash Flow mit einer geringeren Volatilität sowie ein verbesserter Residualwert des Unternehmens resultieren. Bei einer nachhaltig erhöhten Kundenzufriedenheit von nur einem Prozentpunkt beträgt damit die potenzielle Steigerung des Return on Investment 7,25 % (Bruhn und Murmann 1998, S. 1, 3, 36). Verringerung der Wechselbereitschaft und Abwanderungsrate Um das Problem der Nachfrager besser zu lösen als die Konkurrenz, müssen komparative Wettbewerbsvorteile gesucht und realisiert werden. Die strikte Kundenorientierung, welche auf Kundenzufriedenheit zielt, kann hier als Mittel zur Erreichung von Wettbewerbsvorteilen gesehen werden.
Abb. 9.3 Wirkungen der Kundenbindung
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Bei einer Senkung der Abwanderungsrate um nur 5 % kann der Gewinn um bis zu 85 % gesteigert werden. Außerdem schenkt ein zufriedener Kunde konkurrierenden Anbietern und deren Marketing-Maßnahmen eine geringere Beachtung. Positives Word-of-Mouth Word-of-Mouth ist die persönliche Kommunikation über einen Anbieter bzw. dessen Angebot mit positiver, neutraler oder negativer Richtung. Mundwerbung kann aufgrund des Verhalten steuernden Potenzials als aktives Marketinginstrument eingesetzt werden. Sie hat einen größeren Einfluss auf die Wahrnehmung als Massenkommunikation, da sie von Freunden und Bekannten stammt und somit persönlicher und glaubhafter als die anonyme Marketing-Kommunikation ist. Mundwerbung hängt vom Grad der Zufriedenheit des Kunden, seinem Involvement, der Kauf- bzw. Nutzungshäufigkeit und der letzten Kauf- oder Beziehungsepisode ab. Steigerung des Cross-Selling-Potenzials Wirkt sich die positive Erfahrung mit einer Leistung auf die Akzeptanz weiterer Produkte des gleichen Anbieters positiv aus, spricht man von Cross-Selling. Durch den Verkauf zusätzlicher Leistungen, die auf denselben Kernkompetenzen des Herstellers beruhen, wird ein zusätzlicher Deckungsbeitrag generiert und der Cross-Selling-Effekt ausgenutzt. Die Einführung neuer Produkte und Dienstleistungen kann so erleichtert, Verkaufszahlen bzw. Umsätze können erhöht und eine schnellere Marktpenetration kann bei niedrigen Beziehungskosten realisiert werden. Erhöhung der Preisbereitschaft Zufriedene Kunden mit entsprechend hoher Loyalität gegenüber dem Anbieter weisen eine niedrige Preissensibilität auf. So werden preispolitische Wirkungen aus eigener Preiserhöhung und aus Preissenkungen der Konkurrenz im bestimmten Rahmen abgefangen. Für bewiesene Vertrauenswürdigkeit kann ein höherer Preis gefordert und die Reaktionszeit sowie das Reaktionsausmaß auf Preissenkungen der Konkurrenz verringert werden. Unzufriedenheit entsteht, wenn die Erwartungen des Kunden enttäuscht werden.
9.1.4 Wirkung der Kundenbindung auf den ökonomischen Erfolg Erfolgspotenziale der Kundenbindung Um die Wirksamkeit eines erfolgreichen Kundenbindungsmanagements zu evaluieren, werden diverse Erfolgspotenziale herangezogen. Der wohl bedeutendste Effekt für Anbieter ist der ökonomische Erfolg, da durch Kundenbindung mehr Umsätze, geringere Kosten und damit ein höherer Gewinn erzielt werden kann, wie in Abb. 9.4 veranschaulicht. Die Umsatzsteigerung resultiert einerseits aus der höheren Preisbereitschaft von gebundenen Kunden, andererseits aus der Erhöhung der Absatzmenge. Diese ist auf steigende Kauffrequenzen, Weiterempfehlungen und Cross-Selling-Verhalten zurückzuführen, da weitere Produkte und Leistungen aus dem Sortiment leichter an zufriedene Kunden verkauft werden können.
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Umsatz ↑ Menge ↑ • Steigende Kauffrequenz • Cross-Selling • Steigende Produktionsmenge
Preis ↑ • Höhere Preisbereitschaft
Kosten ↓ • Sinkende Kundenbetreuungskosten
Gewinn ↑ Erfolg
Kundenbindung
Abb. 9.4 Ökonomische Wirkung von Kundenbindung. (Quelle: Aus Meffert und Bruhn 2006, S. 207; mit freundlicher Genehmigung von © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2006. All Rights Reserved)
Kostensenkung durch Kundenbindung Auch bezüglich der Kosten existieren positive Effekte. Mit erhöhter Kundenbindung gehen sinkende Betreuungskosten einher, da nur der für das Unternehmen wichtige Kundenstamm betreut wird. Ferner sind die Kosten für die Aufrechterhaltung von Kundenbeziehungen ca. fünf- bis achtfach geringer als die der Neukundengewinnung. Untersuchungen von Reichheld und Sasser zeigen, dass eine verringerte Kundenabwanderung zu einer Gewinnsteigerung führen kann, die je nach Branche unterschiedlich intensiv ausfällt (Reichheld und Sasser 1990). Abgesehen vom ökonomischen Erfolg repräsentiert freiwillige Kundenbindung die Bekanntheit des Unternehmens und steigert Vertrauen und Image (Homburg und Bruhn 2013, S. 19).
9.2 Customer Relationship Management CRM
Customer Relationship Management wird sehr umfassend verstanden als ein strategischer Ansatz, der zur vollständigen Planung, Steuerung und Durchführung aller interaktiven Prozesse mit den Kunden genutzt wird. CRM umfasst das gesamte Unternehmen und den gesamten Kundenlebenszyklus
9.2 Customer Relationship Management
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und beinhaltet das Database-Marketing und entsprechende CRM-Software als Steuerungsinstrument. Das Ziel besteht darin, eine optimale Kundenorientierung zu erreichen.
CRM stellt also kein isoliertes Instrument dar, sondern muss als Philosophie in die Unternehmensprozesse einfließen, um eine konsequente Kundenorientierung zu erreichen. Die Implementierung eines CRM-Software-Tools ist dafür ein wichtiges Instrument um eine optimale Gesamtwirkung herbeizuführen. Im CRM steht der Kunde im Mittelpunkt. Es geht nicht länger darum, bestimmte (auf dem Lager liegende) Produkte möglichst vielen Kunden zu verkaufen und Marktanteile zu maximieren. Das Ziel besteht jetzt darin, einem bestimmten Kunden möglichst viele Angebote zu verkaufen. Der Kunde mit seinem bisherigen Kaufverhalten und seinen Präferenzen ist durch die Kundendatenbank bekannt, sodass man ihm ein optimales Angebot machen kann. Beziehungsmanagement Im Rahmen des CRM verfolgen Unternehmen das Ziel, die Beziehungen zu ihren Kunden positiv auszubauen und somit eine lang anhaltende und möglichst stabile Partnerschaft zu gewährleisten. Das Beziehungsmanagement ist als ein ganzheitlicher Ansatz kundenorientierter Unternehmensführung zu verstehen, sodass entsprechend die gesamten Prozesse einer Unternehmung auf den Kunden fokussiert sind und bedürfnisgerechte Servicedienstleistungen anboten werden. Es sind alle Abteilungen, die im Unternehmen Kundenkontakt haben, zu integrieren; dies betrifft in der Regel Marketing, Service und Vertrieb und andere. Dabei kommt es darauf an, alle Kontaktpunkte, Touchpoints, zum Kunden zu berücksichtigen. Einen besonderen Stellenwert haben in diesem Zusammenhang CRM-Systeme, da sie dazu dienen, die Information über die Kunden effizienter in der Unternehmensorganisation zu verteilen und somit eine differenziertere, auf die individuellen Bedürfnisse ausgerichtete Kundenbearbeitung zu ermöglichen. Die zentrale Zielgröße im CRM-Konzept ist die Kundenzufriedenheit, die einen Indikator für die Kundenbindung und letztendlich auch einen wesentlichen Einflussfaktor auf den langfristigen Erfolg eines Unternehmens darstellt. Electronic CRM Die Nutzung des Internets als wichtige Schnittstelle zum Kunden und als technologische Plattform für das CRM-System wird als E-CRM (oder eCRM) bezeichnet. Electronic Customer Relationship Management ist der digitale Kundenbindungsprozess, um den Weg zu einer echten Eins-zu-eins-Beziehung zwischen Unternehmen und Kunden zu bereiten. Dabei werden Präferenzen des Kunden aus vorherigen Interaktionen extrapoliert, über eine beziehungsoptimierende Feedback-Schleife in den Web-Applikationen hinterlegt, damit das Unternehmen bei der automatisierten Digitalkommunikation auf die Kundenbedürfnisse personalisiert und in Echtzeit eingehen kann (Meyer et al. 2001, S. 80).
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9 Kundenbindung durch Connected Cars
Der Einsatz des Internets für die Gestaltung der Kontakte zu Abnehmern und potenziellen Kunden bietet für das CRM neue Möglichkeiten und Herausforderungen. Die besonderen Eigenschaften des Internets, wie beispielsweise die Auflösung räumlicher und zeitlicher Distanzen zwischen Anbieter und Nachfrager sowie die multimediale und interaktive Informationsübermittlung, machen es zu einem idealen Medium zum Aufbau, zur Pflege und Intensivierung von Kundenbeziehungen. Mobile CRM Da das Smartphone von vielen Menschen täglich genutzt wird und sie orts- und zeitunabhängig darüber erreichbar sind, wird dieses Medium auch für das Kundenbindungsmanagement unumgänglich. Es wurden Apps für die Nutzung von Kundenclubs und Kundenkarten entwickelt, die von der Automobilbranche auch in Verbindung mit Connected Cars genutzt werden können. Social CRM Social CRM ist eine Strategie zur Beteiligung des Unternehmens an kollaborativen Konversationen von Kunden und Interessierten in Social Media-Kanälen, um für beide Seiten Vorteile aus der kollektiven Wissensgenerierung zu realisieren. Es ist die Antwort des Unternehmens auf die Vorherrschaft des Nutzers von Social Media über die Kommunikationsinhalte, -orte und -zeitpunkte. Ziel ist es, Beziehungen zu Interessierten und Kunden über Social Media zu intensivieren, um daraus für die Kundeninteraktion zu lernen (Greve 2011, S. 268).
Customer Experience Management Customer Experience Management stellt das Kundenerlebnis oder die Kundenerfahrung in den Fokus. Kundenerlebnisse werden verstanden als eher kurzfristige, emotionale Erlebnisse, bei denen das „persönliche und subjektive Erleben des Konsums“ im Vordergrund steht. Dagegen resultiert die Kundenerfahrung aus der Reflexion der einzelnen Kundenerlebnisse. Kundenerfahrung ist oftmals mit der „Aneignung von Wissen, Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten“ hinsichtlich eines Produktes oder einer Dienstleistung verbunden. Der Kunde bildet sich mittels der Reflexion der wahrgenommenen Erlebnisse ein Urteil darüber, ob die gemachte Erfahrung als positiv oder als negativ empfunden wird (Bruhn und Hadwich 2012, S. 9). Die Customer Experience stellt die Gesamtheit aller Eindrücke dar, die ein Kunde während der gesamten Dauer einer Kundenbeziehung von einem Unternehmen erhält. Sie umfasst sämtliche individuellen Wahrnehmungen und Interaktionen des Kunden an den verschiedenen Kontaktpunkten (Touchpoints) mit einem Unternehmen. Sie stellt ein holistisches Konstrukt dar, das mehrere Prozessphasen mit einschließt und als vorgelagertes Konstrukt zur Kundenbindung betrachtet wird. Die Customer Experience, als vielschichtiges und multidimensionales Konstrukt, setzt sich aus verschiedenen Erlebnisdimensionen zusammen. Diese Erlebnisdimensionen werden unterteilt in sensorische, affektive, kognitive, verhaltensbezogene, soziale und Lifestyle-Dimension.
9.3 CRM in der Automobilindustrie
249
Programmatic CRM Programmatic CRM ist die logische Konsequenz in der Entwicklung des CRM und des Programmatic Advertisings, um die Möglichkeiten automatisierter und zielgruppenrelevanter Inhalte zu erlauben. Kreation, Einkauf und Art der Ausspielung einer Werbeanzeige erfolgen an Hand der Daten, die über den User bekannt sind. Anhand von Kundenprofilen aus Datenquellen berechnet die Demand Site Platform beim Kauf digitaler Werbeflächen, wo in der Customer Journey sich der Konsument befindet, welcher Wert ihm zuzurechnen ist, und entscheidet dann über das Gebot bei der Ausspielung der Werbeanzeige.
In Verbindung mit den Big Data, die durch die Connected Cars gewonnen werden, und den Kommunikationsmöglichkeiten mit den Menschen, die in einem vernetzten Automobil unterwegs sind, ergeben sich neue Formen von Kundenbindungsaktivitäten.
9.3 CRM in der Automobilindustrie Connected Car und CRM Die mit dem Connected Car gewonnen Daten bieten in einer Datenbank und mit entsprechender Analytik den Automobilherstellern (OEM) im Rahmen von Customer Relationship Management großes Potenzial, die gesamte Organisation kundenorientiert auszurichten. Dieser ganzheitliche Ansatz des CRM integriert und optimiert alle kundenbezogenen Prozesse (Holland 2016, S. 300). CRM dient der Verbesserung und dem Ausbau der Kundenbeziehung, um Mehrwerte auf beiden Seiten zu generieren. 360-Grad Sicht auf den Kunden In Anbetracht sich verändernder Kaufkriterien der Kunden ist es für die Hersteller entscheidend, ihr Client Relationship Management zu optimieren, um Kunden an die Marke zu binden und sie in den Mittelpunkt der Unternehmensaktivitäten zu stellen. Die Daten aus dem Connected Car lassen sich zu detaillierten Profilen verdichten, wodurch eine 360-Grad Sicht auf den Kunden entsteht. Ein Aufbrechen bestehender Wechselbarrieren kann verhindert werden, indem beispielsweise individualisierte Botschaften zum richtigen Zeitpunkt im passenden Kontext an den Kunden verschickt werden, um mit ihm in den Dialog zu treten (Marek 2016; Hardt und Manthey 2016, S. 16). Mit einer ausgereiften Analytik können Bedürfnisse des Kunden bereits festgestellt werden, bevor sie entstehen, so wird die Ansprache noch treffsicherer (PWC 2016, S. 19). Daten bei Hersteller und Händler Ein Problem stellt in diesem Zusammenhang das CRM in seiner bisherigen Form in der Automobilindustrie dar. Der direkte Kontakt zum Kunden findet bisher dezentral über die Händler statt, ohne einen Kontakt zum Hersteller. Jeder Händler verfolgt dabei in
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9 Kundenbindung durch Connected Cars
Bezug auf das CRM eine eigene Strategie (Deloitte 2015, S. 5). Händler sind in der Regel rechtlich eigenständige Unternehmen in einem Franchiseverhältnis zum Hersteller und ein Großteil der Kundendaten liegt nur dort vor.
Die Hersteller sind für ein allumfassendes CRM auch auf diese Daten der Händler angewiesen, um die Informationen aus dem Connected Car damit anzureichern.
Um an diese Daten zu gelangen, ist einerseits eine tief greifende Einverständniserklärung des Kunden erforderlich, andererseits eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Händler und OEM. Die Daten aus dem Connected Car werden vom Hersteller gesammelt und können aufgrund der notwendigen Expertise und kostenintensiven IT-Infrastruktur in Form von integrierten performanten Datenbanken und Analytik nur dort gespeichert, verarbeitet und für das CRM genutzt werden (Recktenwald und Schmidt 2016, S. 34–35; Padberg und Schmidt 2016, S. 5–6). Automatisierter Dialog Diese Daten müssen anschließend mit Data Management zunächst identifiziert und anschließend kombiniert werden, um sie dann mit Big Data und Vorhersageverfahren, im Idealfall in Echtzeit, zu analysieren (Hardt und Manthey 2016, S. 5). Hierdurch kann ein automatisierter Dialog stattfinden, um den Kunden im richtigen Moment mit dem richtigen Inhalt anzusprechen. Vorhersagen des Kundenverhaltens sind damit auch möglich (PWC 2016, S. 19). Durch die steigende Menge von Daten ist es möglich, mit dem CRM verschiedene Geschäftsbereiche mit Informationen zu versorgen. Dazu zählen die Produktentwicklung zur Verbesserung der Fahrzeuge, das After-Sales zur Identifikation von fehlerhaften Bauteilen, das Marketing zur optimalen Kundenansprache sowie der Vertrieb für Crossund Upselling. Organisatorisch entstehen dadurch ein hoher interner Abstimmungsaufwand sowie Interdependenzen zwischen den CRM-Verantwortlichen und den einzelnen Abteilungen. Bei den bisherigen historisch gewachsenen und starren Strukturen der OEM ist das ein kritischer Punkt (Marek 2016). Schafft es der Hersteller, ein solches komplexes System zu etablieren, ist es möglich ein ganzheitliches CRM aufzubauen, welches den Dialog zum Kunden über den gesamten Kundenlebenszyklus aufrechterhält. Bisher endete der Kontakt zum Kunden in der Regel nach der Schlüsselübergabe im Autohaus und wurde bei Werkstattbesuchen kurzzeitig fortgeführt. Das Ziel ist, dass am Ende „[…] der Kunde als wertvollste Ressource des Unternehmens im Mittelpunkt […]“ steht und ihm ein einzigartiges Kundenerlebnis geboten wird (Deloitte 2015, S. 5 f.).
9.4 Kundenbindung durch Connected Cars
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9.4 Kundenbindung durch Connected Cars 9.4.1 Maßnahmen zur Steigerung der Kundenbindung Diez nennt drei strategische Ansätze, wie Automobilhersteller Kunden an die eigene Marke binden können. Steigerung der Kundenzufriedenheit Im Rahmen der Kundenzufriedenheit ist vor allem die Produktzufriedenheit von besonderer Bedeutung für die Markenloyalität. Produktzufriedenheit lässt sich unter anderem erreichen durch Sicherstellung einer hohen Fahrzeugqualität, eine umfangreiche Serviceausstattung und ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis (Diez 2014, S. 436–437). Speziell der Service nimmt im Kontext Connected Car einen hohen Stellenwert ein. Durch die klassischen, vertraglichen Vertriebssysteme haben die Automobilhersteller bisher nur begrenzten Einfluss auf die Optimierung von servicebezogenen und beziehungsorientierten Maßnahmen und somit auch auf die Kundenloyalität nehmen können, da die Kommunikation meist zwischen den Händlern und den Kunden stattfindet. Durch die Connected Car-Technologien kann in Zukunft auch eine Kommunikation zwischen Hersteller und Kunden stattfinden. Aufbau von Wechselbarrieren Um wirksame Wechselbarrieren zu errichten ist ein umfassendes Customer Relationship Management wichtig. Mit modernen Informations- und Kommunikationstechnologien können profitable Kundenbeziehungen aufgebaut werden (Diez 2014, S. 441). Beschränkung des Variety-Seeking-Verhaltens Das Bedürfnis nach Varierty-Seeking kann durch die Automobilhersteller nicht verhindert werden, doch existieren Strategien, um das Verhalten bezüglich der Kundenbindung zu steuern: 1. Verkürzung der Modellzyklen: Durch die Verkürzung der Modellzyklen wird verhindert, dass der Kunde im Falle einer Neuanschaffung das gleiche Modell erneut kaufen muss. Ebenso kann mit Modellpflegemaßnahmen dem Bedürfnis nach Abwechslung nachgegangen werden. 2. Ausdehnung des Modellprogramms: Durch die Ausdehnung des Modellprogramms mit neuen Varianten und Baureihen kann der Kunde zwar nicht an ein bestimmtes Modell, aber an die Automarke gebunden werden. 3. Ausdehnung der Markenportfolios: Dem Wunsch des Kunden nach Abwechslung kann auch entsprochen werden, indem ihm ein Modell einer anderen Konzernmarke angeboten wird. Beispielsweise kann einem VW-Kunden ein Fahrzeug der Marke Audi, Seat oder Skoda offeriert werden. Voraussetzung dafür ist ein entsprechend großes Markenportfolio des Automobilunternehmens (Diez 2014, S. 447–448).
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9 Kundenbindung durch Connected Cars
Hohe Fahrzeugqualität
Steigerung der Kundenzufriedenheit
Steigerung der Produktzufriedenheit
Umfangreiche Serviceausstaung
Auau von Wechselbarrieren
Auau eines umfassenden CRM
Gutes PreisLeistungs-Verhältnis
Kundenbindung / Markenloyalität Ausdehnung der Markenporolios Beschränkung des Variety-Seeking Verhaltens
Ausdehnung des Modellprogramms
Verkürzung der Modellzyklen
Abb. 9.5 Maßnahmen zur Steigerung der Kundenbindung
Die Abb. 9.5 fasst die genannten Möglichkeiten der Bindung von Kunden an einen Automobilhersteller bzw. an eine Automobilmarke zusammen.
9.4.2 Nutzung generierter Daten zur Kundenbindung Nutzung der Daten für positives Kundenerlebnis Die Daten, die durch den Betrieb des Connected Car gewonnen werden, entsprechen einem Volumen von 10 bis 25 Gbytes pro Stunde. Diese Daten können genutzt werden, um daraus Dienste zu generieren, die zu einem positiven Kundenerlebnis führen (Löffler und Decker 2017, S. 530). Ein positives Kundenerlebnis steigert die Produktzufriedenheit, die wiederum eine höhere Markenloyalität zur Folge haben kann. Außerdem können durch den permanenten Zufluss an Daten das Fahrerprofil, wie das Fahr- und Nutzungsverhalten des Kunden und der Zustand des Fahrzeuges, ständig aktualisiert werden, wodurch vorzeitig Bedarfe der Kunden erkannt werden können. Erkannte Bedarfe wiederum lassen sich als Grundlage für personalisierte Service- und Neuwagenangebote nutzten. Personalisierte Angebote Personalisierte Angebote sind beispielsweise sinnvoll, wenn ein Fahrer identifiziert wird, der die maximale Geschwindigkeit seines Fahrzeugs häufig ausreizt, oft lange Strecken
9.4 Kundenbindung durch Connected Cars
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fährt und seinen Wagen schwer belädt. Diese Faktoren werden durch die Sensoren am Fahrzeug erfasst und über die Car-to-Web Technologie an den Fahrzeughersteller übermittelt. Diese Daten bieten den Fahrzeugherstellern eine Argumentationsgrundlage für neue Angebote, wie für ein neues Fahrzeug mit höherer Maximalgeschwindigkeit und einem größeren Stauraum (Alich et al. 2016, S. 6). Beispiel
Ein weiteres Beispiel ist die Erkennung von Verschleiß und Beschädigungen von Fahrzeugbauteilen durch die Sensoren. Entsteht daraufhin die Notwendigkeit einer Reparatur, kann dem Fahrer dies mitgeteilt und ihm gleichzeitig ein Angebot einer Vertragswerkstatt in der Nähe des derzeitigen Standorts mit der Option einer sofortigen Terminvereinbarung unterbreitet werden. Verändertes Kundenbeziehungsmanagement Generell wird sich das gesamte Kundenbeziehungsmanagement durch die permanente Datenerhebung verändern. Diese Veränderungen im Vergleich zum klassischen Kundenbeziehungsmanagement sind in Tab. 9.1 dargestellt.
9.4.3 Dienste und Technologien Die aufgrund der Datennutzung möglichen Dienste lassen sich in fahrzeug- und fahrerbezogene Dienste und Technologien einteilen (Diez 2018, S. 124–125). Wenn sich Zufriedenheit mit der Nutzung dieser Angebote einstellt und der Fahrer nicht auf die damit verbundenen Annehmlichkeiten verzichten möchte, steigert das die Kundenbindung. Tab. 9.1 Veränderungen im Customer Relationship Management durch Connected Cars Klassisches CRM
CRM auf Basis von Connected Cars
Offline- und Online-Medien
Zusätzliches Medium im Connected Car
Customer Experience Management durch Medien und spezifische Aktionen
Customer Experience Management durch Nutzung des Fahrzeugs verbunden mit dem Anbieter
Programmatic CRM durch Kundenprofile aus Datenquellen
Programmatic CRM in Realtime gesteuert durch die Nutzung des Fahrzeugs
Entstehung von Daten bei Dialog und Nutzung von Medien
Entstehung von Daten bei Nutzung des Fahrzeugs
Kenntnis des Kunden abhängig von dessen Interaktionen
360-Grad Sicht auf den Kunden und seine Nutzung des Fahrzeugs
Dialog durch spezifische Aktionen
Automatisierter Dialog
Kundenbindung durch spezifische Aktionen Kundenbindung durch Digitale Services
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9 Kundenbindung durch Connected Cars
Fahrzeugbezogene Dienste
Unter den fahrzeugbezogenen Diensten sind die im Fahrzeug direkt verbauten Systeme, wie Fahrerassistenzsysteme, zu verstehen. Die Fahrerassistenzsysteme, auch Advanced-Driver-Assistant-Systems (ADAS) genannt, unterstützen und entlasten den Fahrer und greifen, wenn notwendig, auch in den Fahrbetrieb ein. Außerdem gehört zu den fahrzeugbezogenen Diensten der Bereich Operations. Darunter fallen alle Technologien und Systeme, wie z. B. Sensoren, Netze, Aktuatoren, die den Einsatz von fahrerbezogenen Diensten ermöglichen.
Nachfolgend werden einige fahrzeugbezogene Servicefunktionen erläutert. Die Auswahl zeigt, welche Technologien dem Kunden angeboten werden können, um das Bedürfnis nach individueller Sicherheit zu befriedigen. 1. Durch eine sich im Sitzgewebe befindliche elektrokardiografische Sensorik und durch Sensoren, die die Augenbewegungen, die Zeitintervalle, in denen die Augen geschlossen sind, Augenreiben und Gähnen erfassen, kann das Fahrzeug eine Ermüdung des Fahrers erkennen (Löffler und Decker 2017, S. 530–531). 2. Mögliche Traumata bzw. Gehirnerschütterungen nach einem Unfall kann das Fahrzeug mittels Crash-Analyse-Sensoren und Aufprallanalyseverfahren erkennen. 3. Durch EDR- und EKG-Sensoren am Lenkrad, biometrische Gesichtserkennung und 360 Grad Rundumbeobachtung der Verkehrssituation kann das Stress- und Aggressionslevel des Fahrers erkannt werden. Außerdem können Sensoren Stressmuster in der Stimme des Fahrers erkennen (Siddiqui et al. 2016, S. 140–141). 4. Eine nachlassende Fahrzeuglenkfähigkeit, bedingt z. B. durch erhöhtes Alter, kann durch Sensoren erkannt werden, die kontinuierlich die Fahrerreaktion auf unterschiedliche Verkehrssituationen erfassen. 5. Die Umgebung des Fahrzeugs wird durch Radare, Laser und Videosensoren ständig überwacht, um so mögliche Unfälle vorauszusehen. Entweder kann der Fahrer rechtzeitig gewarnt werden oder das Fahrzeug kann selbst Maßnahmen einleiten um einen Unfall zu verhindern (Copolla und Morisio 2016, S. 6). Um dem Kunden ein entsprechendes Angebot mit den für ihn passenden Servicefunktionen zu unterbreiten, ist es notwendig, auf Grundlage der gewonnen Daten ein individuelles Fahrerprofil zu erstellen. So kann beispielsweise die Ermüdungserkennung für Kunden sinnvoll sein, die häufig lange Strecken, teilweise auch nachts, mit dem Fahrzeug zurücklegen. Die Erkennung von nachlassender Fahrzeuglenkfähigkeit dagegen kann z. B. für Kunden im fortgeschrittenen Alter eine mögliche Option sein.
9.4 Kundenbindung durch Connected Cars
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Fahrerbezogene Dienste Die fahrerbezogenen Dienste können, im Gegensatz zu den fahrzeugbezogenen Diensten, unabhängig vom Fahrzeug bzw. vom Fahren genutzt werden. Dazu zählen vor allem verschiedene App-basierte Mobilitätsdienstleistungen, auf die im Folgenden näher eingegangen wird. Außerdem gehören zu den fahrerbezogenen Diensten auch Basisfunktionen, wie Telefonieren oder Mailen, Infotainment-Angebote, wie Musik-, Film- und Nachrichtenstreaming und Location Based Services (Diez 2018, S. 125–126). Mobilitätsdienstleistungen und Individuelle Reiseorganisation Die Basis für das Thema Mobilitätsdienstleistungen bzw. Individuelle Reiseorganisation bildet ein Algorithmen-basierter Service. Dieser Algorithmus ist in der Lage, relevante Informationen zu kombinieren, um dem Kunden das optimale Hotel oder die optimale Reiseroute vorzuschlagen. Die Daten, die für diesen Service genutzt werden, stammen u. a. aus dem Terminkalender des Smartphones des Kunden, welches mit dem Fahrzeug vernetzt ist. Diese Daten werden mit den Rezensionen der einschlägigsten Bewertungsportale (z. B. Hotel- oder Restaurantbewertungen), mit der aktuellen und voraussichtlichen Verkehrslage und der aktuellen und voraussichtlichen Wetterlage kombiniert. Anhand dieser Daten lässt sich für den Kunden eine kosten-, zeit- und erlebnisoptimale Reiseplanung realisieren. Zusätzlich kann vom Kunden die präferierte Preisklasse oder der gewünschte Standard angegeben werden, um bestmögliche Ergebnisse zu generieren (Löffler und Decker 2017, S. 531–532). Location-Based-Services Das Global Positioning System (GPS) erlaubt jederzeit die Ermittlung des Fahrzeugstandorts. In Kombination mit der Vernetzung des Fahrzeugs ergeben sich daraus neue Möglichkeiten, um durch Location-Based-Services Einfluss auf die Kundenbindung zu nehmen. Grundsätzlich existieren zwei Möglichkeiten der Location-Based-Services. Die Erste ist die dynamische Anpassung der regelmäßigen Kommunikation zwischen Fahrzeughersteller und dem Fahrer an den Standort des Fahrzeugs. Beispiel
Zur Veranschaulichung dient folgendes Beispiel: Ein Fahrer hat einen wöchentlichen Newsletter abonniert oder nutzt einen sonstigen Informationsservice des Fahrzeugherstellers. Erreichen ihn die Neuigkeiten des Herstellers während der Fahrt, kann dem Fahrer in Abhängigkeit von seinem aktuellen Standort ein entsprechendes Angebot unterbreitet werden. Das kann z. B. ein Angebot für neue Winterreifen sein. Hat der Fahrer Interesse, schlägt das Fahrzeug Niederlassungen oder Vertragswerkstätten in der Nähe vor und navigiert bei Bedarf den Fahrer dorthin (Alich et al. 2016, S. 5). Die zweite Möglichkeit ist die Ausspielung von Nachrichten nach location-basierten Triggern. Das bedeutet, dass mit dem Fahrer kommuniziert wird, sobald sich das Fahrzeug einem bestimmten Ort nähert.
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9 Kundenbindung durch Connected Cars
Beispiel
In Bezug auf die Bindung zwischen Fahrzeughersteller und Kunde kann dies zum Beispiel ein Angebot für Autozubehör sein. Das Angebot erreicht den Fahrer dann, wenn dieser sich einer Niederlassung oder Vertragswerkstatt nähert (Alich et al. 2016, S. 5–6). Optimieren lassen sich die Angebote, wenn dem Hersteller sowohl personenbezogene Daten des Fahrers vorliegen als auch Daten, die über das Fahrzeug gewonnen wurden. Denkbar ist auch die Nutzung der Location-Based-Services von anderen Unternehmen, wie z. B. von Supermärkten, für Maßnahmen zur Kundenbindung. Dabei muss beachtet werden, dass es bei einer zu intensiven Werbepräsenz im Fahrzeug zu einer Reizüberflutung und damit verbunden zu einer ablehnenden Haltung des Kunden gegenüber den Location-Based-Services kommen kann. Außerdem wäre für diesen Zweck die Weitergabe der Daten an Dritte notwendig, was auch ein datenschutzrechtliches Problem darstellen kann. Infotainment-Apps Laut dem Marktforschungsinstitut Bitkom Research besitzen im Jahr 2018 57 Mio. Menschen in Deutschland ein Smartphone, was einem Anteil von ca. 69 % der Gesamtbevölkerung in Deutschland entspricht. In der Altersgruppe 14–29 und 30–49 Jahren besitzen 95 bzw. 97 % ein Smartphone (Bitkom Research 2017, S. 3, 15). Die Smartphone Besitzer nutzen die Geräte täglich und vor allem zur Kommunikation über soziale Netzwerke und für Infotainment-Apps. Das Connected Car bietet den Automobilherstellern neue Möglichkeiten die Bedürfnisse nach ständiger Kommunikation und der Nutzung von Infotainment-Apps auch während der Fahrt zu befriedigen. Gerade vor dem Hintergrund, dass das Fahren durch das Connected Car immer automatisierter wird und das eigentliche Fahrerlebnis in den Hintergrund rückt, spielt die Unterhaltung durch Infotainment-Anwendungen während der Fahrt eine immer größere Rolle. Zu den Infotainment-Anwendungen zählen die folgenden Dienste: Musikstreaming, Videostreaming, Spiele, Internet Browsing, In-car WLAN Netzwerke und Soziale Netzwerke (Copolla und Morisio 2016, S. 7–8). Context Aware Recommender Systems Um den Komfort und die Sicherheit für den Fahrer zu erhöhen, können Context Aware Recommender Systems (CARS) genutzt werden, um während der Fahrt Musik aus dem Internet zu streamen und abzuspielen, die zu der Umgebung passt, in der sich das Fahrzeug gerade befindet. Darüber hinaus können der Fahrstil, der Straßentyp, die Landschaft, die Schläfrigkeit des Fahrers, das Verkehrsaufkommen, die Stimmung des Fahrers, das Wetter und andere Naturereignisse als Parameter genutzt werden, um dem Fahrer Musikempfehlungen zu geben. Im besten Fall wird der Fahrer dadurch aus einer negativen in eine entspanntere Stimmung gebracht (Copolla und Morisio 2016, S. 7).
9.4 Kundenbindung durch Connected Cars
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Beispiel
Die Fahrzeughersteller BMW, MINI, Volvo, Tesla und Jaguar Land Rover haben bereits eine exklusive Partnerschaft mit dem Musikstreaming-Marktführer Spotify geschlossen. In einigen Fahrzeugen der Marken ist die Spotify-App bereits installiert. Der Fahrer muss somit keine separate Verbindung über sein Smartphone zu Spotify herstellen. Videostreaming, Spiele und Internet Browsing eignen sich dazu das Fahrzeug höchstmöglich mit multimedialen Anwendungen auszustatten. Zu beachten ist hierbei, dass die Anwendungen nur so aktiviert werden dürfen, dass die Aufmerksamkeit des Fahrers zu keiner Zeit beeinträchtig ist. WLAN Netzwerk Die Konnektivitätsform V2I (Vehicle-to-Internet) kann dazu genutzt werden, im Fahrzeug ein WLAN Netzwerk zu integrieren, worüber sich die Fahrzeuginsassen mit ihren Endgeräten einloggen können. So wird das Fahrzeug zu einem beweglichen WLAN-Hotspot. Die Vehicle-to-Vehicle Kommunikation kann für soziale Interaktionen zwischen Fahrern auf der Straße genutzt werden. Die können ihre Routenplanung austauschen, andere Fahrer mit ähnlichen Interessen finden, um Unterstützung bitten oder ihre Erfahrungen teilen. Eine bereits auf dem Markt befindliche Anwendung ist Drive And Share, die für das Apple Betriebssystem iOS entwickelt wurde. Damit lassen sich in Echtzeit Verkehrsinformationen und persönliche Informationen mit anderen Fahrern austauschen. Ein weiteres Beispiel ist die App RoadSpeak, mit der sich die Möglichkeit bietet Sprachnachrichten mit Fahrern auszutauschen, die sich auf der gleichen Strecke befinden.
9.4.4 Kundenbindung durch Over-the-Air-Services Over-the-Air-Services Neben den fahrzeug- und fahrerbezogenen Diensten existiert die Möglichkeit, durch einen Over-the-Air-Service (OTA) die Kundenbindung zu erhöhen. OTA-Services sind Dienste, die „IT-gestützt neue oder zusätzliche Fahrzeugfunktionen ermöglichen bzw. diese aktualisieren und erhalten“ (Diez 2018, S. 130). Das bedeutet, dass über Updates und Erweiterungen die Dienste laufend verbessert werden. Gängig sind beispielsweise bereits Kartenupdates von Navigationssystemen. Darüber hinaus können auch die Bereiche Infotainment, Fahrwerk und Antriebssystem, Batterie und Aufladung sowie Sicherheit verbessert werden. Dies könnte die Bereiche Erhöhung der Motorleistung oder eine Steigerung der Effizienz des Antriebssystems betreffen. Außerdem ermöglicht der OTA-Service den nachträglichen Verkauf von Assistenzsystemen, wie selbstständiges Einparken oder einen Spurhalteassistenten.
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9 Kundenbindung durch Connected Cars
Der Vorteil der OTA-Services besteht darin, dass der Kunde immer über ein Fahrzeug verfügt, das technisch auf dem aktuellsten Stand ist. Gleichzeitig erspart es dem Kunden den Weg zur Werkstatt, da die Updates und Erweiterungen per Internetverbindung heruntergeladen werden. Des Weiteren ermöglichen die OTA-Services eine ständige Aufrechterhaltung des Kundenkontakts und gleichzeitig, systembedingt, ein Alleinstellungsmerkmal im Markt (Diez 2018, S. 131–132). Beispiel Tesla
Der Automobilhersteller Tesla optimiert seit dem Jahr 2012 ständig die bereits auf dem Markt befindlichen Fahrzeuge seiner Marke mittels OTA-Services. Durch das Update 8.0 im Jahr 2016 wurden der Media Player neugestaltet, die Sprachsteuerung verbessert, Karten und Navigationsanzeigen aktualisiert, ein Schutz vor Überhitzung des Innenraums eingeführt, die Übersicht des Routenplaners verbessert und der Autopilot optimiert. OTA-Services bieten ein wirtschaftliches Potenzial, das durch folgendes Beispiel des Tesla Model X veranschaulicht wird. Mit einem Verkaufspreis von 68.000 US$ lässt sich durch ein Batterieupgrade, einen erweiterten Autopiloten und ein Upgrade, damit das Auto in der Lage ist selbstständig zu fahren, ein zusätzliches Umsatzvolumen von 19.000 US$ erreichen (Diez 2018, S. 133).
9.4.5 Anwendungsbeispiel: Aufbau eines CRM-Systems am Beispiel Porsche Der Automobilhersteller Porsche führte eine Marktforschungsuntersuchung durch um herauszufinden, wie das Unternehmen ein Kundenbindungsprogramm im Kontext des Connected Car schaffen kann (Löffler und Decker 2017, S. 528). Nachfolgend werden die zentralen Marktforschungserkenntnisse erläutert. Convenience Die Dienste, die über das Connected Car angeboten werden, müssen einfach in Anspruch genommen werden können. Porsche baut dazu ein Kundenportal auf, in dem bereits alle bisherigen Daten des Kunden vorliegen. Diese werden in Zukunft durch Daten, die durch das Fahrzeug gewonnen werden, ständig erweitert. Informationen, die aus diesen Daten entstehen, werden dem Kunden über ein weltweit einheitliches CRM-System zur Verfügung gestellt, auf das der Kunde zugreifen kann und in dem er selbst Daten ändern oder aktualisieren kann. Auf Grundlage dieses Systems kann Porsche das folgende zweite Ergebnis der Marktforschung umsetzen. Implementierung prädiktiver Verfahren Dieses Verfahren ermöglicht die Nutzung der generierten Daten zur Kundenbindung; dem Kunden werden inhaltlich und zeitlich optimierte Informations- und Kontaktangebote unterbreitet. Je nach Fahrleistung oder Kundenprofil können damit alternative
9.5 Chancen zur Kundenbindung in der Automobilbranche durch Vernetzung
259
Angebote offeriert werden (z. B. Leasing statt Kauf). Darüber hinaus wird dadurch auch eine Erhöhung der Konversationsrate erreicht (Löffler und Decker 2017, S. 528–529). Concierge-Service Die Marktforschungsstudie von Porsche hat gezeigt, dass die Kunden nach einer Assistenzfunktion verlangen, die die Fahrzeuginsassen persönlich betreut. Dieser Concierge-Service kann auch auf das CRM-System zugreifen. Dies ermöglicht die Inanspruchnahme von kostenpflichtigen Servicedienstleistungen, wie Buchungs- oder Reservierungsvorgänge, durch den Kunden. Dazu werden von Porsche weltweit Customer Interaction Center aufgebaut, über die die jeweiligen Dienstleistungen erbracht werden (Löffler und Decker 2017, S. 529). Durch GPS-Ortungstechnik und Routeninformationen können die genannten Services auch sehr spezifisch angeboten werden, sodass für Orte in der Nähe des Fahrzeugs, wie z. B. Restaurants oder Hotels, Empfehlungen gegeben und Reservierungen getätigt werden können. Für die Auswahl der am besten bewerteten Lokation werden zusätzlich Daten von anderen Fahrern hinzugezogen Außerdem kann der Concierge Service genutzt werden, um dem Kunden komplizierte Bedienumfänge mittels In-Car-Services erstmals, wenn nicht bei der Fahrzeugübergabe geschehen, oder erneut zu erläutern. Dies schafft einen weiteren Kontaktpunkt und trägt dazu bei die Kunden-Hersteller-Beziehung verbessern. Gleichzeitig kann durch diesen Service auch die Akzeptanz neuartiger Technologien erhöht werden, da dem Kunden eine eventuell vorhandene Angst genommen wird, die neuen Technologien im Fahrzeug nicht bedienen zu können (Löffler und Decker 2017, S. 530).
9.5 Chancen zur Kundenbindung in der Automobilbranche durch Vernetzung Verringerte Kundenkontakte durch lange Beschaffungsintervalle Das zunehmende Durchschnittsalter und die längeren Zeitintervalle und Laufleistungen von Autos bis zu einer Wartung senken die Kontakte und damit die Chancen für den Automobilhändler sich zu profilieren. Lange Beschaffungs- und Serviceintervalle können somit Kundenkontakte zwischen Kauf und Wiederkauf verringern. Die Fahrzeugvernetzung ermöglicht Automobilkonzernen nun einen direkten Zugang zu ihren Kunden und das während der gesamten Nutzungsdauer zur Steigerung der Kundenzufriedenheit als wichtige Voraussetzung für Kundenloyalität. Nach dem Kauf werden Erwartungen mit der Ist-Leistung verglichen und ein Zufriedenheitsurteil gefällt. In der Automobilbranche umfasst dieses aber nicht nur die Kaufzufriedenheit, sondern auch die Produkt- und Kundendienstzufriedenheit. Erstere beinhaltet den Kaufprozess und die Nachkaufbetreuung. Die Produktzufriedenheit ergibt sich aus Erwartungen an und Erfahrungen mit dem Fahrzeug, wohingegen die Kundendienstzufriedenheit aus Serviceleistungen der betreuenden Werkstatt resultiert (Diez 2006, S. 64). Abb. 9.6 fasst die Chancen zur Kundenbindung in der Automobilbranche durch Vernetzung zusammen.
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9 Kundenbindung durch Connected Cars
Abb. 9.6 Kundenbindung durch Connected Cars
Kundenbindung durch digitale Services Digitale Services können jeden dieser drei Zufriedenheitsanteile beeinflussen und stellen dadurch ein effektives Instrument der Kundenbindung dar.
Die Möglichkeit, Kunden durch digitale Services zu binden, entsteht vor allem durch die Gewinnung von Big Data, denn die Vernetzung im Fahrzeug ist eine wertvolle Quelle für Echtzeit-Informationen. Darunter lassen sich drei große Chancen zur Bindung von Kunden identifizieren: Fahrzeugdaten, geobasierte Daten und Kundendaten.
Der Zugriff auf Fahrzeugdaten stellt einen großen Wettbewerbsvorteil gegenüber branchenfremden Unternehmen und gleichzeitig eine wichtige Voraussetzung für zukünftige Wartungs- und Reparaturservices dar. Dieser Zugriff verbessert maßgeblich Angebote, Diagnosen, Problemlösungen, aber auch das allgemeine Serviceerlebnis für den Kunden. Ein vernetztes Fahrzeug kann unmittelbar feststellen, wo ein Fehler entstanden ist und gegebenenfalls sogar die Ursache dafür nennen. Diese Daten können somit genutzt werden, um Kunden in eine Vertragswerkstätte zu leiten. Bei einer Nutzungsdauer von fünf Jahren wird in den ersten zwei Jahren die Fahrzeugwartung überwiegen in Vertragswerkstätten durchgeführt. Nach Ablauf der typischen Garantielaufzeit wechseln viele Kunden im dritten bis fünften Nutzungsjahr zu unabhängigen Werkstätten. In diesem Zeitraum werden ca. 60 % der Wartungseinnahmen erzielt, ein enormes Potenzial zur weiteren Kundenbindung und Marktanteilvergrößerung für die Anbieter (McKinsey&Company 2014a, S. 29).
9.5 Chancen zur Kundenbindung in der Automobilbranche durch Vernetzung
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Kundenbindung durch Predictive Maintenance Big Data ermöglicht aber auch eine Predictive Maintenance oder vorausschauende Wartung, wovon die Kunden profitieren, da die Verfügbarkeit des Fahrzeugs steigt und sich die anfallenden Servicekosten möglicherweise senken lassen. Im Kontext der autonomen Fahrzeuge und Car-to-Machine-Kommunikation ist der zukünftige Plan der Hersteller, dass Fahrzeuge selbst nach automatischer Diagnose einen Termin in der Werkstatt vereinbaren, der auf den Terminkalender des Fahrers abgestimmt ist. Dadurch kann dann auch die Werkstattauslastung verbessert werden, wovon die Servicequalität und -verfügbarkeit profitieren. Unfallvermeidung, Einparkassistent, selbstbestimmte Mobilität Außerdem sollen mithilfe von Fahrzeugvernetzung bzw. (teil)autonomen Fahrzeugen Unfälle durch den Austausch von Informationen zwischen Fahrzeugen über deren Geschwindigkeit und Beschleunigung vermieden werden. Auch das Einparken wird zunehmend autonom funktionieren. Schon heute gibt es zahlreiche Einparkassistenten, die das Fahrzeug ohne fremde Hilfe in die Parklücke manövrieren. Mit diesen zukünftig erwarteten Funktionen können die Konzerne den Kunden alltägliche Aufgaben abnehmen und damit Sicherheit und Komfort enorm steigern. Die neuen Möglichkeiten bieten nicht nur mehr Zeit für andere Dinge, sondern verhelfen auch Menschen, die nicht in der Lage sind, eigenständig Auto zu fahren, zur selbstbestimmten Mobilität. Aufgrund des demografischen Wandels in Deutschland wird in diesem Bereich eine große Chance gesehen, vor allem in ländlichen Gebieten. Autonome Fahrzeuge könnten z. B. Gesundheitsdaten eines Fahrers der älteren Generation analysieren und Auffälligkeiten dem Hausarzt oder auch dem Krankenhaus übermitteln. Persönliche Kundenbetreuung Die Fahrzeugdatenanalyse und das daraus resultierende neue Serviceerlebnis können zu einer effektiveren, gezielteren und persönlicheren Kundenbetreuung führen (Stricker et al. 2014, S. 6). Dies ermöglicht eine Steigerung der Kundendienstzufriedenheit, aber auch der Produktzufriedenheit und kann demnach die Wechselbereitschaft verringern. Kundenbindung durch Geobasierte Echtzeit-Informationen Geobasierte Echtzeit-Informationen ermöglichen Autoherstellern die Bereitstellung von aktuellen Stauwarnungen, Voraussagen über witterungsbedingte Straßensperrungen und allgemeine ortsspezifische Dienste, die mit dem Ausbau der Karten zukünftig noch ausgeprägter werden. Kunden erhalten auf dieser Basis individuelle Vorschläge zu ihrer aktuell gewünschten Fahrstrecke. Die Fahrzeuge bieten ihnen damit die auf ihre Interessen angepasste, schnellste und sicherste Route unter Berücksichtigung von Wetterund Straßeneinschränkungen, was zu einer Steigerung der Zufriedenheit führen kann (McKinsey&Company 2014b, S. 2–3).
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9 Kundenbindung durch Connected Cars
Nutzung von Daten für Marketingzwecke Ein weiterer Ansatz besteht in der Sammlung wertvoller Kundendaten, wie z. B. Musikgeschmack, Konsumpräferenzen oder Fahrverhalten. Mithilfe von Big Data können Kundendaten, geobasierte und fahrzeugbezogene Daten kombiniert und für Marketingzwecke genutzt werden. Auf dieser Basis können dann zu Kundenbedürfnissen passende Marketing-Aktivitäten zum richtigen Zeitpunkt, am richtigen Ort stattfinden. Beispielsweise könnten den Fahrern bei Defekten oder Unfällen in unbekannten Umgebungen die nächstgelegenen Werkstätten angezeigt werden. Wenn eine schnelle Fahrzeugsoftwareaktualisierung sichergestellt ist, können auch allgemeine Software-Updates, Aktualisierungen oder Erweiterungen des Navigationssystems angeboten werden. Personalisierte Versicherungsangebote Die Kombination der Daten kann aber auch für das Versicherungsgeschäft genutzt werden. Nach einem Unfall etwa könnten mithilfe von datenbasierten Risikoabschätzungen personalisierte Versicherungsangebote gemacht werden, die z. B. auf Fahrverhalten oder Alter angepasst sind (McKinsey&Company 2015, S. 23). Die Daten enthalten dementsprechend ein hohes Potenzial für Up- und Cross-Selling, die ausschlaggebende Merkmale für Kundenbindung darstellen.
Die Verknüpfung und Analyse von geobasierten, fahrzeugbezogenen und kundenspezifischen Daten bietet dementsprechend eine wertvolle Basis zur Stärkung der Kundenbindung.
Individueller, personalisierter und andauernder Zugang zum Kunden Die digitalen Dienste bieten den Automobilherstellern individuellen, personalisierten und andauernden Zugang zum Kunden und dessen Produktnutzung. Es werden dadurch wertvolle Informationen gewonnen, die in Form von neuen oder verbesserten Produkten und Services umgesetzt werden können. Vor allem die generischen Services wie Nachrichtendienste, Social Media oder Multimediadienste können bereits heute bei den Basisfaktoren des Kano-Modells eingeordnet werden, da Kunden die Integration in das Fahrzeug zunehmend voraussetzen. Sie führen damit nicht unbedingt zu einer erhöhten Zufriedenheit, müssen aber Bestandteil werden, um die Unzufriedenheit der Kunden zu verhindern. Differenzierung durch emotionale Markenerlebnisse Fahrspezifische Dienste dagegen ermöglichen eine Differenzierung durch individuelle After-Sales-Maßnahmen. Insgesamt wird das emotionale Markenerlebnis aufgrund abnehmender Produktdifferenzierungsmöglichkeiten für Autobauer immer wichtiger. Sie müssen den Kunden emotional berühren, indem sie Wünsche, Leistungs- und Begeisterungsanforderungen erfolgreich umsetzen. Digitale Dienste bieten in diesem Bereich ein hohes Potenzial durch das neue Qualitätserlebnis, das Fahrerlebnis und das Serviceerlebnis (Stricker et al. 2014, S. 6).
9.6 Fazit zur Kundenbindung
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Wenn diese sinnvoll gestaltet, den Markenwerten entsprechend umgesetzt und als exzellent wahrgenommen werden, kann Kundenbegeisterung nach Service Excellence und dementsprechend Kundenloyalität und Verbundenheit mit der Automarke ausgelöst werden.
9.6 Fazit zur Kundenbindung Steigende Bedeutung der Kundenbindung Kundenbindung ist für Automobilhersteller eine enorm wichtige Zielgröße, die vor allem eine hohe Kundenzufriedenheit voraussetzt. In Zukunft wird ihre Bedeutung aufgrund von Markt- und Konsumentenveränderungen noch dominanter werden. Intensiver Wettbewerb und homogene Produkte grenzen mehr und mehr die Möglichkeiten der Produktdifferenzierung ein. Dementsprechend wächst die Bedeutung von produktbegleitenden digitalen Dienstleistungen, da sie wichtige Wettbewerbsmerkmale darstellen. In Zeiten der fortschreitenden Digitalisierung des Alltags wird die Vernetzung der Fahrzeuge immer wichtiger.
Es stellt sich nicht die Frage, ob das Internet im Fahrzeug integriert werden soll, sondern wie die Digitalisierung der Automobilbranche in Zukunft gewinnbringend genutzt werden kann. Automobilproduzenten stehen in diesem Kontext vor den wohl größten Veränderungen ihres Bestehens.
Digitale Dienstleistungen in Fahrzeugen Digitale Dienstleistungen sind aus den Fahrzeugen bereits heute nicht mehr wegzudenken. Sie stellen kaufentscheidende Argumente für viele Kunden dar. Generische Dienste, die Konsumenten bereits außerhalb des Fahrzeugs nutzen können, wie z. B. Nachrichtendienste, Internetbrowsing, Social Media oder Multimediadienste, werden von Kunden der Automobilkonzerne immer mehr vorausgesetzt. Dementsprechend können sie als Basisfaktoren des Kano-Modells gesehen werden und sollten unbedingt in die Fahrzeuge integriert werden, um Unzufriedenheit zu verhindern. Differenzierungspotenzial zu anderen Automarken bieten sie in erster Linie zwar nicht, Autoproduzenten verfügen aber im Bereich der Benutzerschnittstelle, welche die Bedienung dieser Dienste im Fahrzeug ermöglicht, über ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal gegenüber neuen Marktteilnehmern. Mit ihrem umfassenden Know-how im Bereich der Fahrzeugtechnik und über die Wünsche der Fahrer können sie in Zukunft die Nutzung sicherer, intuitiver und komfortabler gestalten. Fahrspezifische Dienste Vor allem fahrspezifische Dienste, die den Fahrer unterstützen, wie beispielsweise Parkplatzfinder oder vorausschauende Wartung und After-Sales-Services oder auch Navigationsdienste, die Mehrwert durch Echtzeit-Informationen generieren, genießen
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9 Kundenbindung durch Connected Cars
einen hohen Stellenwert beim Autokauf. Sie können den Leistungsfaktoren des Kano-Modells zugeordnet werden, da sie häufig von den Kunden erwartet werden und bei guter Ausführung oder übertroffenen Erwartungen Zufriedenheit hervorrufen. Sie bieten den Automobilherstellern Differenzierungspotenziale, da durch sie große Datenmengen zu Fahrzeugnutzung und -zustand entstehen, die wiederum für personalisierte Services oder ortsspezifische Dienste genutzt werden können. Dadurch kommt es verstärkt zu Up- bzw. Cross-Selling, wodurch die Kundenbindung erhöht wird. Vielzahl an Kundenkontakten Die Dienste ermöglichen eine Vielzahl an Kundenkontakten, durch welche die Beziehung gepflegt und aufrechterhalten werden kann. Sie müssen den Kunden ein besonderes, neues Fahrerlebnis, aber auch Serviceerlebnis bieten, da so Emotionalität gegenüber der Marke empfunden wird, Kunden begeistert werden und die Loyalität bzw. Kundenbindung dementsprechend steigt. Veränderte Wertschöpfungskette Um die Dienste in ein ganzheitliches Ökosystem einzugliedern, muss die Wertschöpfungskette der Autokonzerne maßgeblich verändert werden, womit eine Transformation des gesamten Unternehmens erfolgt. Sie müssen diverse neue Kompetenzen aufbauen, darunter in der Datenanalyse, diese in die verschiedenen Abteilungen integrieren und Ertragsmodelle bestimmen, um die Potenziale der digitalen Dienstleistungen umsetzen zu können. Da die digitale Welt von Schnelllebigkeit geprägt ist, müssen Anpassung und Aktualisierung der Dienste an die neuesten Kundenbedürfnisse schnell und unabhängig von der Fahrzeugproduktion erfolgen, da die Entwicklungszyklen der beiden Bestandteile stark divergieren.
Kundenbedürfnisse müssen in allen Unternehmensbereichen im Mittelpunkt der Betrachtungen stehen, damit bei jedem Kundenkontakt, unabhängig vom Kanal, ein synchronisiertes Markengesamtbild präsentiert werden kann. Die Unternehmen sind außerdem auf starke Partnerschaften angewiesen, sowohl innerhalb der Branche als auch branchenübergreifend, da hierbei Kompetenzen, Kosten und Aufgaben geteilt werden können.
Kommunikation der Mehrwerte Wesentlich für den Erfolg der digitalen Dienste ist die Kommunikation. Autohersteller, aber auch Händler müssen Kunden die Mehrwerte der Dienste veranschaulichen. Dies ist nicht nur für die Zahlungsbereitschaft notwendig, sondern auch um die Akzeptanz von vor allem älteren Menschen bezüglich den zunehmenden autonomen Funktionen zu schaffen. Zudem muss Vertrauen und Einverständnis bezüglich der Datenverarbeitung eingeholt, aber vor allem die Angst vor Hackerangriffen genommen werden. In beiden Bereichen sind Sicherheitsmaßnahmen von hoher Bedeutung.
Literatur
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Produktbegleitende digitale Dienstleistungen ermöglichen die Stärkung der Kundenbindung. Wie stark jedoch der Einfluss ist, wird sich erst in den kommenden Jahren zeigen. Wichtig ist ein umfassendes Kundenbindungsmanagement, in dem alle Maßnahmen aufeinander abgestimmt gesteuert werden. Die Digitalisierung sollte dabei in Zukunft im Zentrum der unternehmerischen Tätigkeiten stehen, da sie Kundenbedürfnisse stark beeinflusst. Digitale Dienste und zunehmende Fahrzeugvernetzung wirken sich dementsprechend bedeutend auf die gesamte Automobilbranche aus und werden die zukünftige Mobilität steuern.
Fahrzeughersteller sollten demnach schnell handeln und ihre Kompetenzen und Strategien analysieren, um die neuen Erlöspotenziale nicht der branchenfremden Konkurrenz zu überlassen, zumal die deutschen Autofahrer noch hohes Vertrauen in die traditionellen Automarken haben und sie über einige Wettbewerbsvorteile verfügen.
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Connected Cars und Digitalisierung
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Zusammenfassung
Teil der heutigen Digitalisierungswelle ist die digitale Modifikation von „Dingen“, also die Ausstattung von Geräten des alltäglichen Gebrauchs oder industriellen Maschinen mit Sensoren und einer Internetverbindung, das Internet of Things. Im Bereich der Künstlichen Intelligenz gilt die Automobilindustrie als Early Adopter. Die KI wird dort hauptsächlich im Herstellungsprozess und bei der Entwicklung von autonomen Fahrzeugen eingesetzt, aber auch in der Vernetzung von Connected Cars findet sie Anwendung. Durch den rasanten Fortschritt der Mobilfunkbranche ist es in der westlichen Welt in den letzten Jahren gelungen, eine flächendeckende und stabile Internetverbindung sicherzustellen. Mithilfe einer SIM-Karte kann das Automobil eine kontinuierliche Datenverbindung zum Internet aufbauen und zum Connected Car werden. Die Car IT-Anwendungen basieren auf einer IT-Architektur mit diversen Geschäftsprozessen und IT-Systemen; diese geben Aufschluss darüber, welche Daten das Connected Car generiert, auf denen die Car IT-Funktionen basieren und die für die angestrebten Big Data-Analysen im Marketing der Automobilhersteller besonders relevant sind. Die Car IT bringt die Hersteller mit dem Kunden und darüber hinaus mit neuen Lieferanten in einen direkten Kontakt. Die Prozessbeteiligten lassen sich durch folgende Module, IT-Systeme und Schnittstellen der Car IT ergänzen: Infotainment-System, Fahrzeugsteuerung, Kundenportal, Smartphone-Apps, OnlineShop, Call-Center-System, Bordelektronik, Customer Relationship Management- System, Cloud, Kundendatenbank, Fahrzeugdatenbank, Datenbank der Content Provider, Big Data Warehouse. Sofern die zu verarbeitenden Daten als unstrukturiert gelten und in Echtzeit ausgewertet werden können, spricht man von Big Data Analytics. Auch dort kommt das Data Mining zum Einsatz, das als Wegbereiter für eine weitere Unterdisziplin gilt: Predictive Analytics, die Vorhersage von zukünftigen Ereignissen. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 H. Holland, Dialogmarketing und Kundenbindung mit Connected Cars, https://doi.org/10.1007/978-3-658-22929-0_10
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10.1 Einordnung der Connected Cars in die Digitalisierung 10.1.1 Digitalisierung und digitale Transformation Digitalisierung Aus technischer Sicht handelt es sich bei der Digitalisierung um die Umwandlung analoger Informationen in eine digitale Speicherform. Wertkontinuierliche analoge Informationen der Umwelt werden bei der digitalen Überführung trivialisiert und gesichert, wodurch sie medium-, zeit-, und ortsunabhängig werden. Ermöglicht wird diese Überführung durch Sensoren, die die analogen Größen erfassen können, sowie eine Software, die diese Größen in ein binäres Format wandelt, abspeichert und dazu in der Lage ist sie zu verarbeiten und zu übertragen (Schanze 2017). Konkret können beispielsweise visuelle Umweltinformationen in einem Foto digital und dauerhaft festgehalten, mit einer Bildbearbeitungs-Software manipuliert und in Sekundenschnelle um die Welt verschickt werden. Aus dieser Digitalisierung analoger Informationen resultierte aus Unternehmenssicht zunächst die Möglichkeit der Automatisierung repetitiver Aufgaben, wie sie beispielsweise im Rechnungswesen zu finden sind. Künstliche Intelligenz Über die beschriebenen Aufgaben hinaus geht die Digitalisierung aktuell noch deutlich weiter: Aufgaben, die weniger strukturiert sind, können mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) automatisiert ablaufen. So können nicht nur einzelne Produktionsschritte in einer Fabrik, sondern die gesamte Supply Chain flexibilisiert werden (Andelfinger und Hänisch 2015, S. 58–59). Dadurch haben sich komplett neue Geschäftsmodelle entwickelt, deren Wettbewerbsvorteile die der traditionellen übertreffen und verdrängen. Beispiel
Ein Beispiel für ein solches Geschäftsmodell zeigt das Unternehmen Uber mit einer Taxi-App, mit der in kurzer Zeit ein privater Fahrer in unmittelbarer Nähe für einen günstigen Preis engagiert werden kann. Weltweit sehen sich traditionelle Taxi- Unternehmen durch die niedrigeren Preise und kürzeren Anfahrtszeiten des Fahrdienstes existenziell bedroht. In Deutschland klagte sogar der Verbund Taxi Deutschland gegen Uber, wodurch im März 2015 die App des Unternehmens vom Landgericht Frankfurt verboten wurde.
Digitale Revolution Das Beispiel zeigt den enormen Einfluss der Digitalisierung auf Gesellschaft und Wirtschaft. Die politische Willensbildung ändert sich, Marktgleichgewichte verschieben sich und rechtliche Rahmenbedingungen müssen neu definiert werden. Dieser durch IT hervorgerufene Wandel wird auch als „digitale Transformation“, „digitale Revolution“ oder vereinfacht als „Digitalisierung“ bezeichnet.
10.1 Einordnung der Connected Cars in die Digitalisierung
271
10.1.2 Internet of Things Digitale Modifikation von Dingen Teil der heutigen Digitalisierungswelle ist die digitale Modifikation von „Dingen“, also die Ausstattung von Geräten des alltäglichen Gebrauchs oder industriellen Maschinen mit Sensoren und einer Internetverbindung (Andelfinger und Hänisch 2015, S. 9). Dadurch können diese Informationen untereinander austauschen oder Befehle entgegennehmen, wodurch sich Anwendungen automatisieren lassen. Hierfür sorgt die künstliche Intelligenz, die mithilfe der von der Sensorik generierten Daten Vorhersagen und Entscheidungen treffen und basierend hierauf sogar eigenständig Handlungen ausführen kann. Aufgrund dieser simulierten Intelligenz werden die Dinge auch als „smart“ oder „intelligent“ bezeichnet. Die Bandbreite an Beispielen reicht von Uhren über Autos bis hin zu Spargelfeldern, die mit dieser Technik ausgerüstet werden. Dritte Stufe der Entwicklung des Internets Das Internet of Things (IoT) stellt derzeit die dritte Stufe der Entwicklung des Internets dar. Während die ersten beiden Stufen in den 1990er und 2000er Jahren etwa 2 Mrd. Nutzer umfassten, werden für das IoT im Jahre 2020 ca. 28 Mrd. Geräte prognostiziert, die mit dem Internet verbunden sein werden. Erklärtes Ziel des IoT ist es, die Welt effizienter, produktiver, gesünder, sicherer und umweltfreundlicher zu machen (Goldmann Sachs 2014, S. 2). Betroffen sind dabei – wie generell bei der Digitalisierung auch – sämtliche Bereiche der Gesellschaft und Wirtschaft. Die enorme Breite der Anwendungsbereiche und Visionen des IoT werden vereinfacht in verschiedene Teilbereiche untergliedert. Anwendungsgebiete Es kristallisieren sich sechs Kerngebiete heraus, die im Folgenden aufgeführt und in Tab. 10.1 mit Beispielen übersichtlich dargestellt werden.
Die sechs Kerngebiete des Internet of Things betreffen: Smart Factory, Smart Mobility, Smart City, Smart Home, Smart Energy und Smart Health.
Smart Factory Durch die Vernetzung von Maschinen und Bauteilen wird ein Informationsaustausch ermöglicht, der den Produktionsprozess effizienter gestalten, die Supply Chain flexibilisieren und somit individualisierte Massenproduktionen ermöglichen soll. Konkret gelingt dies z. B. durch den Einsatz von RFID-Chips (Radio-Frequency Identification), in denen der individuelle Ablauf der Produktionsschritte und das individuelle Design des Produkts gespeichert sind. Dadurch können auch kleine Losgrößen und sogar Einzelanfertigungen kosteneffizient hergestellt werden, indem Kapazitätsengpässe durch die Vernetzung völlig vermieden werden.
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10 Connected Cars und Digitalisierung
Tab. 10.1 Die Anwendungsgebiete des Internet of Things. (Quelle: VDE 2016, S. 26) Smart Factory
Effizientere Gestaltung der Produktionsprozesse
Smart Mobility Connected Cars kommunizieren mit anderen Fahrzeugen, der Verkehrsinfrastruktur, dem eigenen Haus Smart City
Steigerung der Lebensqualität der Bürger durch Vernetzung von Themen wie Energie, Sicherheit, Mobilität, Wasser und Abfall
Smart Home
Automatisierung des Hauses durch die Vernetzung diverser Geräte, wie Fensterund Türkontakte, Kameras, Heizungen, Lampen
Smart Energy
Zur effizienteren Nutzung regenerativer Energien steuern Smart Grids die limitiert verfügbare Strommenge intelligent
Smart Health
Einzug der intelligenten Technologien ins Gesundheitswesen, wie die Sammlung verschiedener biometrische Daten von Patienten
Smart Mobility Das Connected Car ist dazu in der Lage, mit anderen Fahrzeugen, der Verkehrsinfrastruktur oder sogar dem eigenen Haus zu kommunizieren. Dadurch können beispielsweise eisglatte Fahrbahnen oder durch Kurven verborgene Staus durch vorausfahrende Fahrzeuge entdeckt und nachfolgende Fahrer gewarnt werden (Johanning und Mildner 2015, S. 15–16). Der Begriff Smart Mobility beinhaltet auch generelle Transport- und Mobilitätskonzepte wie Car-Sharing, die Nutzung des Autos als mobilen Energiespeicher oder auch selbstfahrende und platzsparende LKW-Kolonnen. Smart City Im Rahmen der Smart City geht es primär um die Themen Energie, Sicherheit, Mobilität, Wasser und Abfall, die – vernetzt im Sinne des Internet of Things – die Lebensqualität der Bürger einer Stadt erhöhen sollen. Es können beispielsweise Geo-Daten einzelner Veranstaltungsbesucher über Smartphones gesammelt werden, die das Besucheraufkommen auf einem Fest in der Stadt aufzeigen und entsprechende Ballungsräume auf einer Karte visualisieren. Dadurch könnten Maßnahmen zur Auflockerung der Menschenmasse getroffen und eine Massenpanik verhindert werden. Smart Home Das Smart Home beinhaltet die Automatisierung des Hauses durch die Vernetzung diverser Geräte. Dabei können Fenster- und Türkontakte, Kameras, Heizungen, Lampen, Markisen oder Kaffeemaschinen vernetzt werden und sich automatisch ein- und ausschalten (Miller 2015, S. 78 f.). Dabei könnte die Heizung schon aufwärmen, wenn der Wohnungsinhaber mit seinem Connected Car von der Arbeit wegfährt. Oder sollte ein Fenster geöffnet w erden, während
10.1 Einordnung der Connected Cars in die Digitalisierung
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niemand zu Hause ist, könnte eine Notiz an das Smart Phone des Wohnungsinhabers oder sogar die Polizei geschickt werden. Überwachungskameras können sich bei erkannter Bewegung einschalten und das Bild an ein Smartphone senden. Smart Energy Um regenerative Energien effizienter nutzen zu können, können Smart Grids die limitiert verfügbare Strommenge intelligent steuern und Spitzenbelastungen ausgleichen. Smarte Stromzähler wären hierbei in der Lage, das Einschalten des Kühlschrank-Kompressors um einen unkritischen Moment zu verzögern, wenn das Stromnetz gerade einer besonders hohen Auslastung ausgesetzt ist. Überträgt man dieses Szenario auf eine ganze Stadt, könnten viele Geräte koordiniert, so das Stromnetz optimal ausgelastet und schließlich konventionelle Kraftwerke eingespart werden, die derzeit noch als Puffer im Einsatz sind (Andelfinger und Hänisch 2015, S. 17). Smart Health Der Begriff Smart Health umfasst den Einzug der intelligenten Technologien ins Gesundheitswesen. Beispielsweise könnte man Senioren mit einem Sensor ausstatten, der erkennt, wann ein Patient gestürzt ist oder das Krankenhaus verlässt, und dementsprechend einen Pfleger benachrichtigen (Miller 2015, S. 231). Darüber hinaus wäre es denkbar, verschiedene biometrische Daten von Patienten zu sammeln, um mithilfe von Big Data Korrelationen zwischen Symptomen und daraus resultierenden Krankheiten herauszufinden. Dadurch würden diese Krankheiten diagnostizierbar und sogar vorhersagbar werden. Die Inhalte dieser Visionen zeigen, welches revolutionäre Potenzial in der Digitalisierung und dem Internet of Things stecken: Maschinen sind dazu in der Lage, sogar ohne menschliche Intervention zu entscheiden und eigenständige Handlungen auszuführen. Die bahnbrechende Künstliche Intelligenz (KI), die dafür verantwortlich ist und die Geräte erst „smart“ macht, wird nun im folgenden Kapitel genauer betrachtet.
10.1.3 Künstliche Intelligenz und Maschinenlernen An Künstlicher Intelligenz (KI), also der Realisierung von kognitiven Fähigkeiten und daraus resultierendem intelligenten Verhalten von Computern, forschen Informatiker schon seit etwa 60 Jahren. Dabei kann die Entwicklung grob in vier Phasen unterteilt werden, die in Abb. 10.1 zusammenfassend illustriert werden (Wahlster 2017, S. 11). • Phase 1 – bis 1970: Heuristische Systeme Man versuchte mit heuristischen Systemen auf der Basis von Such- und Schlussfolgerungen zu einer möglichst optimalen Lösung zu gelangen. Brettspiele und einfache mathematische Aufgaben konnten damit erfolgreich gelöst werden, diese Systeme konnten aber noch lange nicht an die menschliche Intelligenz heranreichen.
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10 Connected Cars und Digitalisierung
Abb. 10.1 Die vier Phasen der KI-Forschung. (Quelle: Wahlster 2016, S. 3)
• Phase 2 – bis 1990: Wissensbasierte Systeme Den Computern wurde menschliches Expertenwissen übersetzt und eingespielt und mithilfe logischer Regeln z. B. für Diagnose- und Beratungszwecke erfolgreich eingesetzt. Jedoch war dies mit einem erheblichen Aufwand verbunden, da die Regeln von Menschen erstellt und die Wissensbasen gepflegt werden mussten. • Phase 3 – bis 2010: Lernende Systeme Man konnte mit dem Zugang zum Internet Massendaten für statistische Lernverfahren nutzen. Damit konnten die Computer beispielsweise Sprache erlernen oder lernen die Inhalte von Bildern zu verstehen und zu klassifizieren. Allerdings lässt sich auch damit nicht die komplette menschliche Intelligenz und das daraus resultierende Verhalten umsetzen. • Phase 4 – ab 2010: Kognitive Systeme Man verfolgt daher heute ein hybrides Verfahren, nämlich eine Kombination aus den Wissensbasen der zweiten Phase und dem maschinellen Lernen der dritten Phase. Beispiel autonomes Fahrzeug
Ein Beispiel für ein solches aktuelles hybrides System ist das Reagieren eines autonomen Fahrzeugs auf ein Stoppschild. Die Erkennung des Symbols wird durch Trainingsdaten, also zahlreichen unterschiedlichen Bildern von Stoppschildern, erlernt. Dabei erkennt das System bestimmte Muster des Schildes und ist schließlich dazu in der Lage, es über die Kamera auch dann zu erkennen, wenn es verschmutzt, beschädigt, nur zum Teil zu sehen ist oder die Kamera durch Regen oder Nebel gestört wird.
10.2 Grundbegriffe Connected Car und Car IT
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Den Stoppvorgang des Autos über dieses Verfahren lernen zu lassen, indem man ihm zahlreiche Videos eines stoppenden Wagens einspeist, ist jedoch nicht sinnvoll. Daher befindet sich eine entsprechende Regel aus der zweiten Phase der KI- Entwicklung auf der Wissensbasis des Systems. Vereinfacht ausgedrückt: Wenn Stoppschild erkannt, dann bremsen (Wahlster 2016, S. 3). Künstliche Intelligenz in den Unternehmen Wie das Beispiel „Stoppschild“ zeigt, ist die moderne Künstliche Intelligenz unverzichtbar für das Ausschöpfen des vollen Potenzials des Internet of Things und für die damit verbundenen Visionen. Zahlreiche große Unternehmen arbeiten daher derzeit am Einsatz von KI in den für sie relevanten Bereichen. Eine Studie von McKinsey zeigt, dass Unternehmen im Jahr 2016 bis zu 39 Mrd. EUR in Künstliche Intelligenz investiert haben, darunter die Technologie-Konzerne wie Google, Apple oder Amazon mit Investitionen von bis zu 27 Mrd. EUR für die Forschung und Entwicklung intelligenter Roboter und selbstlernender Systeme (McKinsey 2017, S. 10 f.). Künstliche Intelligenz in der Automobilindustrie Die Automobilindustrie gilt dabei als Early Adopter und rangiert hinter den Tech- Konzernen auf Platz Zwei im KI-Rating. Dort wird diese hauptsächlich im Herstellungsprozess und bei der Entwicklung von autonomen Fahrzeugen eingesetzt, wie eine Investition von Toyota in Höhe von 1 Mrd. EUR beweist (McKinsey 2017, S. 15; Markoff 2015). Aber auch für die Vernetzung der Fahrzeuge nehmen die Automobilhersteller (Original Equipment Manufacturer – OEM) ihre Digitalisierungsstrategien ernst und haben hohe Erwartungen an die Zukunft der Connected Cars.
10.2 Grundbegriffe Connected Car und Car IT Durch den rasanten Fortschritt der Mobilfunkbranche ist es in der westlichen Welt in den letzten Jahren gelungen, eine flächendeckende und stabile Internetverbindung sicherzustellen. Mithilfe einer SIM-Karte ist es auch dem Automobil seither möglich eine kontinuierliche Datenverbindung zum Internet aufzubauen. Dieser Einzug des Internets in das traditionsreiche Automobil führt zu der Bezeichnung vernetztes Fahrzeug oder Connected Car. Die Mobilfunkunternehmen bieten grundsätzlich zwei verschiedene Technologien an, um das Fahrzeug zu vernetzen. Integrierte Systeme Integrierte Systeme sind durch ein elektronisches Steuergerät mit der notwendigen Hardund Software fest im Fahrzeug verbaut, wodurch eine einfachere Kommunikation mit anderen Fahrzeugkomponenten, wie z. B. den Assistenzsystemen, ermöglicht wird.
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10 Connected Cars und Digitalisierung
Integration eines bestehenden Kundensystems Die zweite Variante beinhaltet die Integration eines bestehenden Kundensystems über eine Schnittstelle. Beispielsweise kann das Smartphone des Kunden den Internetzugang und den Prozessor bereitstellen, während die Anzeige auf dem Bildschirm des Autos erfolgt (Reuter 2015, S. 75). Neue Funktionen und Leistungen für das Automobil Die Automobilhersteller betreten mit der Telematik, als Fusionswort aus Telekommunikation und Informatik, Neuland mit hohem Potenzial. Denn das Produkt Auto erhält aus Kundensicht völlig neue Funktionen und Leistungen, die die bisherigen Kaufmotive ergänzen oder sogar ersetzen werden und die nur durch IT zu realisieren sind. Die Car IT betrachtet alle Informationsflüsse, die in das Fahrzeug hinein-, aus dem Fahrzeug heraus- oder im Fahrzeug selbst fließen. Damit wird das Ziel verfolgt, das Fahrzeug oder auch den Fahrer unabhängig von Zeitpunkt und Standort als direkten Informationsempfänger und -lieferanten in die erweiterten Geschäftsprozesse und Geschäftsmodelle zu integrieren (Rademacher 2012). Mit diesen Informationsflüssen werden bereits aus Kundensicht nützliche und kaufkritische Car IT-Funktionen entwickelt, die den Einzug in das klassische Automobil gefunden haben.
10.3 IT-Architektur und Datenquellen des Connected Car 10.3.1 IT-Architektur Die vorgestellten Car IT-Anwendungen basieren auf einer IT-Architektur mit diversen Geschäftsprozessen und IT-Systemen; diese geben Aufschluss darüber, welche Daten das Connected Car generiert, auf denen die Car IT-Funktionen basieren und die für die angestrebten Big Data-Analysen im Marketing der Automobilhersteller besonders relevant sind. Abb. 10.2 zeigt die zugehörige IT-Architektur.
10.3.2 Prozessbeteiligte der Car IT Die Car IT bringt die etablierten Automobilhersteller mit dem Kunden und darüber hinaus mit neuen Lieferanten in einen direkten Kontakt. Die am Geschäftsprozess Beteiligten und ihre Rollen werden in einem Überblick dargestellt (Johanning und Mildner 2015, S. 18–19).
10.3 IT-Architektur und Datenquellen des Connected Car
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Abb. 10.2 Die IT-Architektur des Connected Car. (Quelle: Aus Johanning und Mildner 2015, S. 24; mit freundlicher Genehmigung von © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2015. All Rights Reserved)
Fahrzeug Das Fahrzeug enthält die On Board Unit (OBU), die als Human Machine Interface (HMI) die zentrale Schnittstelle zum Fahrzeugnutzer darstellt. Man kann vereinfacht zwei Teile des HMIs unterscheiden: Das Infotainment-System, als Schnittstelle zu den Car IT-Funktionen, und die Fahrzeugsteuerung als Schnittstelle zur Quer- und Längsführung des Fahrzeugs. Fahrzeugnutzer Er ist der Nutzer der bereits beschriebenen Car IT-Funktionen und steuert darüber hinaus das Fahrzeug. Content Provider Der Content Provider liefert als Drittanbieter den Inhalt der Online-Funktionen wie E-Mails, Social Media-Nachrichten, News, Wettermeldungen oder auch Verkehrsdaten. Beispiele hierfür sind beispielsweise Facebook oder ein News-Portal.
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Dritte Dritte können Autohändler, Werkstätten, Versicherungen und mehr sein, die z. B. für Predictive Maintenance oder Pay-As-You-Drive-Modelle Interesse an den Fahrzeugdaten haben.
10.3.3 Module, IT-Systeme und Datenbanken der Car IT Die Prozessbeteiligten lassen sich durch folgende Module, IT-Systeme und Schnittstellen der Car IT vernetzen (Johanning und Mildner 2015, S. 20–21). Infotainment-System Dieses umfasst Software zur Nutzung der Car IT-Funktionen im Fahrzeug; Beispiele hierfür sind Lösungen wie CarPlay oder Android Auto. Fahrzeugsteuerung Sie beinhaltet die Quer- und Längsführung des Fahrzeugs. Hierunter sind das Bremsund Gaspedal sowie das Lenkrad zu verstehen. Kundenportal Im Kundenportal des Herstellers muss sich der Fahrzeugnutzer zunächst registrieren, um die Car IT-Funktionen nutzen zu können. Er bekommt des Weiteren hierdurch auch Zugang zu weiteren Fahrzeuginformationen und -funktionen und zum Contract Management, in dem sich abgespeicherte Kundenverträge pflegen und löschen lassen. Smartphone-Apps Die beschriebenen Fahrzeuginformationen und -funktionen lassen sich über den Zugang zum Kundenportal durch downloadbare Smartphone-Apps abrufen. Hierunter fallen aber auch sämtliche weitere Apps, die mit der Car IT verbunden sind. Online-Shop Hierüber können die Fahrzeugnutzer käuflich neue Funktionen erwerben. Denkbar wären in Zukunft Over-The-Air Updates, die beispielsweise zusätzliche Motorleistung oder neue digitale Dienste freischalten. Call-Center-System Es beinhaltet die Ruffunktion des Call-Centers bezüglich Breakdown- und Information-Call, die über die On Board Unit ausgelöst werden können. Bordelektronik Sie repräsentiert vereinfacht die Gesamtheit aller Bauteile des Fahrzeugs, die dazu in der Lage sind Daten über das Fahrzeug zu generieren. Das betrifft sämtliche Bauteil-
10.3 IT-Architektur und Datenquellen des Connected Car
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sensoren, die z. B. die Motordrehzahl oder den Reifendruck überwachen, Sensoren der Fahrassistenzsysteme (FAS), das GPS-System (Global Positioning System) des Fahrzeugs und weitere. Customer Relationship Management-System Hiermit werden die Kundendaten verwaltet und für Marketing und Vertrieb nutzbar gemacht. Mit diesem lässt sich auch auf die Kundendatenbank oder das Big Data Warehouse zugreifen. Cloud Die Cloud stellt das Zentrum und Herzstück der Car IT dar, da über sie sämtliche Informationsflüsse, die in und aus dem Fahrzeug gelangen, gesteuert werden. Kundendatenbank Dort werden sämtliche Kundendaten abgespeichert, die der Fahrzeugnutzer über das Infotainmentsystem, die Smartphone-Apps und das Kundenportal generiert. Fahrzeugdatenbank Hier werden sämtliche Daten abgespeichert, die das bereits beschriebene System der Bordelektronik generiert. Diese Daten werden unter anderem auch für den Betrieb des Fahrzeugs und die Fahrassistenzsysteme benötigt. Datenbank der Content Provider Dort werden die Daten gespeichert, die der Content Provider in das Infotainment-System des Fahrzeugs einspeist. Big Data Warehouse Hier laufen sämtliche Datenquellen aus dem Fahrzeug zusammen, die der Hersteller (Original Equipment Manufacturer) potenziell für Analysezwecke nutzen kann. Es kommen also sämtliche Kunden- und Fahrzeugdaten zusammen, um sie mithilfe von Big Data Analytics auszuwerten.
10.3.4 Erläuterung der IT-Architektur Anhand der Prozessbeteiligten, Module, IT-Systeme und Datenbanken lässt sich das Gesamtbild der IT-Architektur erläutern (Johanning und Mildner 2015, S. 23–24). Wie aus Abb. 10.2 hervorgeht, können die Daten, die das Connected Car generiert, in Kunden- und Fahrzeugdaten eingeteilt werden, deren Speicherung zur besseren Übersicht in zwei separaten Datenbanken dargestellt wird.
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Kundendaten Der Fahrzeugnutzer erzeugt die Kundendaten, indem er beispielsweise Car IT-Dienste über das Infotainment oder den damit verbundenen Online-Shop bzw. das Call Center nutzt. Außerhalb des Fahrzeuges, aber immer noch Teil der Car IT, hat er Zugang zum Kundenportal oder die Smartphone-Apps, die zusätzlich Daten über deren Nutzung übertragen. Alle vom Fahrzeugnutzer generierten Daten laufen schließlich in der Kundendatenbank zusammen. Fahrzeugdaten Nicht eindeutig abgrenzbar hiervon sind die vom Auto selbst generierten Fahrzeugdaten. Zum jetzigen Standpunkt der Technik ist das Connected Car noch auf den Fahrzeugnutzer angewiesen, der das Auto mit Hilfe von Gaspedal, Bremse und Lenkrad bewegen muss. Diese Aktivitäten werden den Fahrzeugdaten zugerechnet. Darüber hinaus werden auch beiläufig generierte Daten aus der Bordelektronik, die nicht über die Infotainment-Schnittstelle durch den Fahrzeugnutzer direkt generiert werden, diesen Daten zugeordnet und in der Fahrzeugdatenbank gespeichert. Im Big Data Warehouse (Abb. 10.2) kommen schließlich sämtliche Daten zusammen, die für Big Data-Analysen zu Marketingzwecken der Hersteller von Interesse sein könnten. Zunächst werden hierbei die Kunden- und Fahrzeugdaten genauer betrachtet, bevor gezeigt wird, welche weiteren Quellen sich für die Analysen eignen.
10.3.5 Datenquellen des Connected Car Mit bis zu 25 GB pro Stunde, die ein Mittelklassewagen an Daten derzeit generiert, gelten Connected Cars als zweitgrößter Datensammler innerhalb des Internet of Things (Wollschläger 2016, S. 31). Welche Daten dies sind, die auch in der IT-Architektur vorgestellt wurden, soll im Folgenden detaillierter betrachtet werden. Die Daten lassen sich danach einteilen, ob sie beiläufig vom Auto (Upstream-Daten) oder vom Nutzer generiert werden (Downstream-Daten). Upstream-Daten Bei den Upstream-Daten des Connected Car handelt es sich um diejenigen, die als Fahrzeugdaten betiteltet werden; sie werden aus der Bordelektronik der Autos gewonnen. Das betrifft sämtliche klassischen Bauteile wie Motor, Kupplung, Reifen etc., die Radarund Kamerasysteme der modernen Fahrerassistenzsysteme, aber auch das GPS-System. So lassen etwa Motordrehzahlen, Geschwindigkeit, Gas- und Bremspedalstellungen oder sogar die Anzahl der elektronischen Gurtstraffungen Rückschlüsse auf den Fahrstil des Fahrers zu, die einem OEM mitteilen könnten, ob es sich um einen dynamischen oder eher sicherheitsorientierten Fahrer handelt.
10.4 Big Data Analytics im Marketing
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Darüber hinaus können auch Produktnutzungsprofile verschiedenster Natur erstellt werden. Es lassen sich beispielsweise die gefahrenen Kilometer auf der Autobahn, der Landstraße oder in der Stadt sowie die Länge von Fahrtstrecken oder die letzten Ziele im Navigationsgerät nachvollziehen, um Nutzungsprofile zu analysieren. Downstream-Daten Dem gegenüber werden die Downstream-Daten durch die Eingabe über das Infotainment-System gewonnen, sie werden auch als Kundendaten bezeichnet. Wird das Smartphone mit dem Auto verbunden, können sogar Namen, Anschriften, Telefonnummern oder Fotos der Kontakte und die gehörte Musik ausgelesen werden, was Rückschlüsse auf die personenbezogene Nutzung der Car IT-Funktionen zulässt. In neueren Fahrzeugmodellen wird auch durch Künstliche Intelligenz getriebene Stimmerkennungssoftware, wie Alexa von Amazon, verbaut. Alexa geriet schon häufiger in Kritik, weil sie Sprachbefehle aufzeichnet und an Amazon sendet. Grundsätzlich könnten die Fahrzeughersteller hierbei in Zukunft ebenfalls von den Daten profitieren, sofern sie sich mit Amazon und den Kunden darüber arrangieren. Die Beispiele zeigen, wie tief mit dem Connected Car in das Fahr- und Nutzungsverhalten und letztlich auch in die Persönlichkeit des Kunden geblickt werden kann. Dies lässt bereits erahnen, wie groß das Potenzial dieser Daten für Analysen im Marketing der Autobauer ist. Ebenso wichtig wie die Datenquellen, die das Connected Car zur Verfügung stellt, ist dabei auch die Frage, mit welchen Mitteln diese analysiert werden können.
Big Data Analytics stellt die Techniken zur Verfügung, die in der Lage sind, die gewaltige Menge an Daten aus dem Connected Car auszuwerten.
10.4 Big Data Analytics im Marketing 10.4.1 Volume, Variety, Velocity, Value und Veracity von Big Data Als Schlagwort hat sich Big Data in den letzten Jahren in Theorie und Praxis etabliert, gilt aber als nicht klar definiert und nicht ausreichend abgegrenzt zu anderen unternehmerischen Datenanalysemethoden (Fasel und Meier 2016, S. 3). Aus diesem Grund schließt sich hier nach einer Definition eine Abgrenzung zu Business Analytics und Business Intelligence an.
Bei Big Data handelt es sich um solche Daten, die aufgrund ihrer Größe und Komplexität nicht mehr durch die klassischen Mittel und Hardware der Datenanalyse verarbeitet werden können (George et al. 2014).
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Abb. 10.3 Die 5 V von Big Data. (Quelle: Aus Holland 2016, S. 243; mit freundlicher Genehmigung von © Vahlen Verlag 2016. All Rights Reserved)
Diese großen und komplexen Daten lassen sich durch die „fünf V’s“ beschreiben, wie in Abb. 10.3 dargestellt. Volume (Datenmenge) Das Volumen der generierten digitalen Datenmenge steigt weltweit exponentiell an. Lag dieses im Jahr 2016 noch bei ca. 16,1 Zbytes (1 Bio. Gbytes), werden für das Jahr 2025 schon 163 Zbytes, also rund das zehnfache an Datenvolumen prognostiziert (Reinsel et al. 2017, S. 3). Das schlägt sich auch auf das Datenvolumen der Mikroebene, der Unternehmen, nieder, die immer größere Datenmengen durch die zunehmende Digitalisierung zu bewältigen haben. Variety (Datenvielfalt) Lagen die Daten bei traditionellen Business Intelligence-Systemen noch homogen bzw. strukturiert vor, kommen bei Big Data neue Datenformate zur Analyse hinzu: Die Daten sind zunehmend heterogen bzw. semi- und unstrukturiert. Das können beispielsweise Posts aus sozialen Medien oder Bilder und Videodateien sein, die zur Analyse nur schwer kategorisiert und miteinander kombiniert werden können. Die Verfahren des Social Media-Monitorings mit Text- und Bildmining tragen zur Auswertung unstrukturierter Daten bei.
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Velocity (Datengeschwindigkeit) Zusätzlich zur Menge und Vielfalt der Daten kommt noch eine weitere Dimension hinzu, die bewältigt werden muss. Die Daten erreichen die Unternehmen oft als ununterbrochener Datenstrom. Die Systeme müssen dazu in der Lage sein, diesen Strom in Echtzeit analysieren zu können. Aus der Auswertung in bestimmten Abständen (z. B. wöchentlich) der Business Intelligence wird die Analyse in (near) Real-Time. Value (Wert der Daten) Big Data soll dem Unternehmen Nutzen bringen, es handelt sich nur dann von Big Data, wenn dieser Mehrwert auch geschaffen wird (Fasel und Meier 2016, S. 6). Veracity (Wahrhaftigkeit der Daten) Die Masse an Daten liegt in unterschiedlicher Qualität und häufig auch ungenau vor. Es bedarf daher Algorithmen, die die Aussagekraft der Daten bei den Analysen berücksichtigen. Zusätzlich zu diesen fünf vorgestellten Vs, die Big Data im Kern charakterisieren, lassen sich in der Literatur noch etliche weitere finden, die aber eine eher untergeordnete Rolle spielen. Im Folgenden wird der Big-Data-Begriff von anderen Datenanalysemethoden abgegrenzt.
10.4.2 Business Intelligence, Business Analytics und Big Data Analytics Business Intelligence Business Intelligence (BI) wird oft als Überbegriff für sämtliche Datenanalysen verwendet, die in Unternehmen Einsatz finden. Die Literatur versteht BI allgemein als eine Managementstrategie, die einen strukturierteren und effektiveren Ansatz für die Entscheidungsfindung bietet (Nelson 2010, S. 2). Obwohl die Grenze nicht eindeutig gezogen werden kann, wird bei genauerer Betrachtung ersichtlich, dass sich BI vor allem mit der Analyse retrospektiver, interner Daten beschäftigt und sich mit deren Auswirkungen auf die Gegenwart befasst. Der Begriff der BI ist also deutlich enger zu sehen und als Überbegriff weniger geeignet. Descriptive Analytics Die Vorgehensweise von BI, die vergangenheitsbezogene Fragestellungen wie „Was ist wann passiert?“ beantwortet, wird auch als Descriptive Analytics bezeichnet. Tools, die hierbei verwendet werden, sind klassisches Reporting via Key Performance Indicators (KPI), Dashboards oder Online Analytical Processing (OLAP). OLAP arbeitet deduktiv, das heißt es werden im Vorhinein Hypothesen aufgestellt, die durch die gezielte Informationsabfrage bestätigt oder verworfen werden können.
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Beispiel: Mit OLAP lassen sich beispielsweise Verkaufszahlen von ausgewählten rodukten über ausgewählte Fiskaljahre abrufen, die dem Analysten zeigen, welches P Produkt sich mit welchem Erfolg verkaufen ließ. Business Analytics, Diagnostic Analytics Business Analytics (BA) ergänzt die BI um die Perspektive der Zukunft. Mithilfe von statistischen Analysen von Unternehmensdaten lassen sich nun auch die Fragen nach den Gründen, Wechselwirkungen oder den Folgen von Ereignissen beantworten, was auch als Diagnostic Analytics bezeichnet wird. Hierbei kommen Werkzeuge wie A/B-Testing oder multivariate Tests (zur Überprüfung von Entscheidungen) sowie quantitative Analysen (zur Erklärung des Eintritts eines Ereignisses) zum Einsatz. Darüber hinaus ist auch das Data Mining Teil von Business Analytics, das versucht, verborgene Muster, Trends und Zusammenhänge in den vorhandenen Datensätzen zu entdecken. Im Gegensatz zu OLAP geht diese Analysetechnik induktiv vor, das System sucht nach den Mustern, ohne vorher Annahmen treffen zu müssen, interpretiert sie und stellt dann eigene Hypothesen auf. Ein klassisches Beispiel für Data Mining ist die Suche nach „ statistischen Zwillingen“: Analysiert man die Personengruppe, die ein bestimmtes Auto gekauft hat, lassen sich durch die Data Mining-Methoden die Variablen (z. B. bestimmte Persönlichkeitsmerkmale der Gruppe) feststellen, die für den Kauf verantwortlich waren. Dadurch können dann Personen mit einer ähnlichen Persönlichkeit identifiziert werden, denen man dasselbe Auto anbieten kann. Big Data Analytics, Predictive Analytics Sobald die zu verarbeitenden Daten auch unstrukturierte enthalten und in Echtzeit ausgewertet werden können, spricht man von Big Data Analytics (BDA). Auch dort kommt das Data Mining zum Einsatz, das als Wegbereiter für eine weitere Unterdisziplin gilt: Predictive Analytics, die Vorhersage von zukünftigen Ereignissen. Dabei werden potenzielle Zukunftsszenarien analysiert, dadurch Wahrscheinlichkeiten für den Eintritt bestimmter Ereignisse berechnet und deren Frühwarnindikatoren identifiziert. Dies gelingt mit Hilfe von Data Mining und darüber hinaus mit Methoden wie dem maschinellen Lernen, Elementen der Spieltheorie oder Simulationsverfahren. Predictive Analytics bedient sich dabei auch des Text-Minings, das dazu in der Lage ist, Strukturen aus nichtstrukturierten Textdaten von sozialen Medien zu identifizieren. Bleibt man bei dem erwähnten Beispiel mit der Personengruppe, die ein bestimmtes Auto gekauft hat, ist Predictive Analytics also dazu in der Lage, vorherzusagen, mit welcher Wahrscheinlichkeit eine Gruppe mit einer ähnlichen Persönlichkeit dasselbe Produkt kaufen wird. Neben diesem Beispiel ist auch die Predictive Maintenance ein Anwendungsfall von Predictive Analytics.
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Prescriptive Analytics Noch einen (und den bislang letzten) Schritt weiter geht Prescriptive Analytics: Basierend auf den Ergebnissen von Predictive Analytics und mitHilfe von stochastischen Szenarioanalysen werden verschiedene Ereignisse simuliert. Hierdurch lassen sich dann Handlungsempfehlungen generieren, um den Eintritt eines vorhergesagten Ereignisses positiv zu beeinflussen bzw. zu verhindern (Mauerer 2015). Greift man das vorangegangene Beispiel erneut auf, würden also Empfehlungen vom System ausgesprochen, dass bestimmten (ähnlichen) Kundengruppen das Auto angeboten werden sollte, da sie es mit einer hohen Wahrscheinlichkeit kaufen werden. Abb. 10.4 gibt einen Überblick über die vorgestellten Methoden und veranschaulicht auch, warum Big Data als nicht eindeutig definiert gilt. Die Methoden von BI, BA und BDA unterscheiden sich hauptsächlich durch das Volumen, die Vielfalt und die Verarbeitungsgeschwindigkeit der Daten, die sie auswerten. Klare Grenzen zwischen den Methoden zu ziehen, fällt schwer, da nicht sinnvoll ist, z. B. ab einer bestimmten Anzahl von zu verarbeitenden Giga- oder Petabyte von BDA und nicht mehr von BA zu sprechen. Vielmehr gehen die Methoden fließend innerhalb eines zweidimensionalen Kontinuums ineinander über. Bei diesen Dimensionen handelt es sich um die Komplexität, die sich aus der Kombination von Volume, Variety und Velocity ergibt und den Wert (Value) für das Unternehmen, der aus den Daten generiert wird.
Das Kontinuum beginnt hierbei bei den „Small Data“, die sich aufgrund ihrer geringen Komplexität leichter verarbeiten lassen, die allerdings auch nur einen geringeren monetären Wert für das Unternehmen bieten. Es endet derzeit bei Big Data, die durch ihr Volumen, ihre Vielfalt und ihre Verarbeitungsgeschwindigkeit nur mit sehr komplexen Methoden analysiert werden können, aber dadurch auch einen deutlich höheren Nutzen für das Unternehmen schaffen. Zusätzlich lassen sich die Daten umso besser für Zukunftsprognosen verwenden, je komplexer sie zu verarbeiten sind. Mit der zunehmenden Komplexität der Analysen gehen verschiedene Herausforderungen einher, mit denen die Unternehmen bei Big Data konfrontiert werden.
10.4.3 Herausforderungen von Big Data Analytics Um die Daten im Sinne von Big Data Analytics im Marketing tatsächlich nutzbar zu machen, gilt es verschiedene Hindernisse zu überwinden und sämtliche Aktivitäten der Datenanalyse neu zu denken. Bei diesen Hindernissen handelt es sich um die in Tab. 10.2 dargestellten.
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Abb. 10.4 Das Analytics-Reifegradmodell von Small zu Big Data. (Quelle: Mauerer 2015)
Tab. 10.2 Herausforderungen von Big Data Analytics
1.
Technische Hürden
2.
Predictive Analytics versus Descriptive Analytics
3.
Reorganisation von Verantwortlichkeiten
4.
Korrelation versus Kausalität
5.
Datenquantität versus Datenqualität
6.
Maschine versus Mensch
7.
Mut zum Experimentieren
8.
Anforderungen an den Datenschutz
10.4 Big Data Analytics im Marketing
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Technische Hürden Die Daten kommen aus verschiedenen Quellen und werden in vielen Unternehmen in unterschiedlichen Silos gelagert. Um sie nutzbar zu machen, müssen die Daten in ein Data Warehouse überführt und gespeichert werden, wo sie schließlich miteinander in Relation gesetzt werden können. Darüber hinaus müssen Big Data-Plattformen zur Verfügung stehen, die dazu in der Lage sind, den Ansprüchen von Big Data gerecht zu werden. Sie müssen fähig sein, große Datenmengen, permanente Datenströme in Echtzeit und Daten unterschiedlichster Struktur verarbeiten zu können (Holland 2016, S. 244). Predictive Analytics versus Descriptive Analytics Big Data Analytics befasst sich nicht mehr mit deskriptiven, sondern vielmehr mit prädiktiven Analysen, die die Zukunft vorhersagen können. Um dem Rechnung zu tragen, müssen die richtigen Fragen gestellt und Vertrauen in die Algorithmen aufgebracht werden. Um die Genauigkeit der Prognosen zu verbessern, müssen außerdem die richtigen Daten in möglichst großem Umfang zur Verfügung gestellt werden. Reorganisation von Verantwortlichkeiten Auch Organisationsstrukturen und Verantwortlichkeiten müssen für Big Data Analytics neu überdacht werden, zu deren Zweck die Fach-, IT- und Analyseabteilungen häufig zusammenarbeiten. Während die Fachabteilungen die Anforderungen an die Analysen formulieren, verwaltet die IT die Big Data-Systeme und überlässt der Analyseabteilung die Auswertung der Datenstrukturen. Hierzu wird durch die steigenden Aktivitäten rund um Big Data häufig mehr Personal in den beteiligten Bereichen notwendig, was budgetiert und eingeplant werden muss. Auch übernimmt häufig die IT die entsprechenden Analyse-Aufgaben, was auf Sinnhaftigkeit geprüft und gegebenenfalls zusätzlich mit einkalkuliert werden muss. Korrelation versus Kausalität Entgegengesetzt der menschlichen Natur erschließen sich die Kausalitäten aus den Big Data-Analysen nicht immer. Es bedarf keiner These mehr, die erst aufgestellt und untersucht werden muss, da die Data Mining-Technologien Korrelationen automatisch erkennen. Der Kausalitätsgedanke muss also in den Hintergrund gestellt und Vertrauen für die Systeme geschaffen werden. Datenquantität versus Datenqualität Die ursprünglichen Business Intelligence-Systeme zeichneten sich durch eine hohe Qualität der Daten im Sinne von Vollständigkeit, Konsistenz und Zeitnähe aus. Das liegt daran, dass eine geringere Qualität zu Verfälschungen bei den Ergebnissen der Datenanalysen führen konnte. Heute spielen diese Qualitätskriterien eine untergeordnete Rolle, da die Quantität der Daten verschiedenste Messfehler ausgleicht. Dadurch lassen sich auch kostengünstigere, fehlerbehaftete Datenquellen für Big Data Analytics heranziehen, die bei der klassischen Business Intelligence nicht infrage kamen.
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Maschine versus Mensch Während man sich bei der klassischen Business Intelligence deskriptiven Analysen gewidmet hat, die noch von Experten, also dem Menschen selbst, durch gezielte Abfragen vorgenommen wurden, liefert bei Big Data Analytics das System die Ergebnisse. Das liegt daran, dass die zukunftsorientierten Analysen zu komplex für den menschlichen Verstand geworden sind, und hat zur Folge, dass in der Unternehmenskultur Platz für Vertrauen in die Algorithmen der Big Data Analytics geschaffen werden muss. Die Experten werden dadurch nicht obsolet, sehen sich aber mit neuen Aufgaben konfrontiert, die tendenziell aus der kritischen Überprüfung der Analysen bestehen werden (Rossa und Holland 2014, S. 293). Mut zum Experimentieren Dass Big Data-Analysen nicht deduktiv, sondern induktiv vorgehen, birgt noch ein weiteres Hindernis für die praktische Umsetzung im Unternehmen. Dadurch, dass keine gezielte Anfrage vorformuliert wird, deren Ergebnis man einschätzen kann, steigt das Risiko keines zu erhalten. Es bleibt häufig offen, ob man am Ende nützliche Korrelationen oder Erkenntnisse aus den Daten ziehen kann. Daher müssen der Mut zur Experimentierfreudigkeit und die Akzeptanz des Scheiterns eine wichtige Rolle in der Unternehmensphilosophie einnehmen. Anforderungen an den Datenschutz Um Big-Data-Marketing zu realisieren, bedarf es letztlich der Auswertung personenbezogener Daten, die mit namentlichem Bezug nur mit der Genehmigung der Kunden verwendet werden dürfen. Fälle von Datenmissbrauch, die schon dann vorliegen, wenn die Daten für einen anderen als den ursprünglich erhobenen Zweck genutzt werden, führen dazu, dass die Verbraucher bezüglich des Datenschutzes sensibler werden (Rose et al. 2016). Folglich werden Konsumenten mit der Zunahme von Big Data Analytics- Anwendungen ihre Daten tendenziell zurückhalten und nicht mehr so leichtfertig freigeben. Für die Unternehmen bedeutet das, dass mit den Daten verantwortungsvoll umgegangen, aber auch, dass die Genehmigung des Kunden als wertvoll betrachtet werden muss. Die gesetzliche Grundlage zum Entziehen dieser Permission ist mit dem „Recht auf vergessen werden“ gegeben und lässt sich sicherlich nur schwer zurückerlangen. Dementsprechend müssen die Unternehmen hinsichtlich des Datenschutzes sensibilisiert und muss die Unternehmenskultur angepasst werden (Rossa und Holland 2014, S. 294 f.). Eine mögliche Umgehung der Permission bieten Tools zur Anonymisierung personenbezogener Daten. Werden die Big Data anonymisiert, lassen sie sich grundsätzlich auch ohne Kundengenehmigung datenschutzkonform analysieren. Das Thema Datenschutz bleibt ein kritischer Faktor beim Kundenvertrauen und ist dementsprechend sensibel zu behandeln.
10.5 Datenquellen für Big Data Analytics im Marketing
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10.5 Datenquellen für Big Data Analytics im Marketing Es gibt viele verschiedene unternehmerische Daten, die für Big Data Analytics (BDA) herangezogen werden können, um zu neuen Erkenntnissen für die unterschiedlichsten Unternehmensbereiche zu gelangen. Die grundsätzliche und gängigste Einteilung dieser Daten erfolgt an Hand der bereits erwähnten Vielfalt, die zwischen strukturierten, semistrukturierten und unstrukturierten Daten unterscheidet. Während klassische Business Intelligence-Systeme primär mit internen, strukturierten Daten in relationalen Datenbanken mit Hilfe von OLAP arbeiteten, wurden bei der Einführung von CRM-Systemen erstmals semistrukturierte Dateien ausgelagert, die nicht mit in die transaktionalen Datenbanken aufgenommen wurden. Dabei handelte es sich überwiegend um technische Protokolle aus Call Centern oder Webshops, die schon früher Aufschluss über das Kundenverhalten gaben und dadurch für das Marketing nützlich waren. Mit dem Web 2.0 und den damit verbundenen sozialen Medien, Blogs und Foren wurden weitere semistrukturelle, in Textform vorliegende, aber erstmals auch externe Daten generiert, die mit dem Text-Mining heute analysiert werden können. Daneben finden sich im Internet noch weitere nichttextuelle und unstrukturierte Daten, wie Audio-, Bilddateien oder Standortinformationen, die mit klassischen Data Mining-Methoden nicht verarbeitet werden konnten. Mithilfe der Künstlichen Intelligenz (KI) und des maschinellen Lernens können heute auch solche Dateien analysiert werden. Beim Image- Mining können beispielsweise KI-Systeme erkennen, was sich auf einem Foto befindet oder welche Situation sich hierauf abspielt.
Mit Big Data Analytics ist es im Gegensatz zu Business Intelligence und Business Analytics nun auch möglich unstrukturierte Daten auszuwerten. Hierdurch sind strukturierte und weniger komplexe Daten jedoch nicht obsolet geworden: Die komplexen Big Data müssen für viele sinnvolle Analysen mit weniger komplexeren Small Data, wie z. B. Stamm- und Transaktionsdaten angereichert werden.
Abb. 10.5 gibt einen Überblick über das gerade vorgestellte Spektrum an Datentypen, die bei Big Data Analytics zum Einsatz kommen. Datentypen in der Automobilbranche Neben der Einteilung nach Datenvielfalt existiert noch eine weitere Möglichkeit, die wegen des Bezugs zur Automobilbranche relevant ist. Diese Einteilung unterscheidet zwischen menschen-, maschinen-, und geschäftsgenerierten Daten. Erstere Kategorie betrifft Content, der durch Interaktionen in den sozialen Medien oder auf Webseiten generiert wird. Maschinengenerierte Daten sind vor allem solche, die durch Sensoren generiert werden, etwa die Fahrzeugdaten des Connected Car, wie Drehzahl, Geschwindigkeit, Öldruck oder auch die Daten zum Betrieb der
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Abb. 10.5 Datentypen für Big Data Analytics. (Quelle: Finkel und Dill 2013; Meier und Kaufmann 2016, S. 12)
ahrerassistenzsysteme (FAS). Darüber hinaus sind auch GPS- oder RFID-Daten (Radio F Frequency Identification) hierunter zu verstehen. Die letzte Kategorie betrifft solche Daten, die durch unternehmerische Interaktionen zustande kommen, wie z. B. Kundenstammdaten aus dem CRM oder Verkaufszahlen. Datenquellen Nachdem nun eine Typisierung der Daten vorgenommen wurde, soll der Blick auf die einzelnen Datenquellen gerichtet werden, die dem Unternehmen zu Marketingzwecken zur Verfügung stehen. Grundsätzlich können sämtliche Daten für die Analysen verwendet werden, die einen Kunden-, Produkt-, Markt- oder Wettbewerbsbezug aufweisen. Es können jedoch auch Daten für bestimmte Fragestellungen herangezogen werden, deren Nutzen für das Marketing nicht immer offensichtlich sind. Im Folgenden wird eine Liste mit den relevantesten Datenquellen präsentiert: 1. Externe Marktdaten – Daten der öffentlichen Verwaltung (z. B. Statistiken, Geodaten, Publikationen, Fernseh- und Rundfunk etc.) – Soziodemografische Kundendaten (z. B. Kaufkraft, Alter, PKW-Besitz) – Wettbewerberinformationen (z. B. Preise, Sortiment)
10.5 Datenquellen für Big Data Analytics im Marketing
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– Externer Social-Media-Content (auch Foren, Blogs, Wikis uvm.) – Suchmaschinendaten – Sonstige externe Daten (z. B. Wetterdaten, Verkehrsdaten uvm.) 2. Interne Kundendaten – Kunden-Stammdaten (z. B. Name, Wohnort, E-Mail) – Bewegungsdaten (z. B. Käufe, Retouren, Umsatz, Werbekosten) – Kampagnen- und Mediapläne sowie Kundenreaktionen auf Kampagnen – Produktnutzungsdaten (z. B. Daten aus Smartphones, Smartwatches (auch biometrische Daten), QR-Codes) – Eigene Website (inkl. Onlineshop) (z. B. Click Stream-Daten: Page Visits, Clicks auf Mikroseiten/Produkte, Conversions) – Eigene Social-Media-Kanäle – Call- und Service-Center – Point of Sale (z. B. Videoüberwachung: Verweildauer vor Regalen) – Daten aus Controlling, Produktion, F&E, Logistik etc. (z. B. Maschinendaten aus RFID und Sensoren) 3. Kunden- und die Fahrzeugdaten des Connected Cars Das Connected Car bietet zwei primäre Datenquellen: Die Kunden- und die Fahrzeugdaten. Big Data-Analysen im Marketing der OEM sollten sich jedoch nicht auf diese beschränken. Vielmehr sind sie als Teil der oben aufgelisteten Datenquellen zu verstehen und könnten den Produktnutzungs- und Maschinendaten zugeordnet werden. Die Hersteller können dabei sämtliche Quellen, zusätzlich zu den Kunden- und Fahrzeugdaten aus dem Connected Car, in einem Big Data Warehouse zusammenführen und für umfassende Analysen in Relation setzen. Einstellungen zur Verwendung von Daten In vernetzten Autos entstehen zahlreiche Daten, beispielsweise zur Motorleistung, zum Fahrverhalten oder zur Position des Fahrzeugs. Der großen Mehrheit der Bürger ist es wichtig zu wissen, welche Daten erzeugt werden (83 %) und wer sie nutzt (93 %). Dabei fordern die meisten der Befragten, dass der Eigentümer des Fahrzeugs (69 %) bzw. der Fahrer (57 %) entscheiden soll, wer die Daten nutzen darf. 28 % wollen diese Entscheidung dem Gesetzgeber überlassen, nur 2 % dem Automobilhersteller (Bitkom 2018). 42 % der Befragten würden die anfallenden Daten Dritten zur Verfügung zu stellen, wenn damit ein gesellschaftlicher Nutzen verbunden wäre, beispielsweise ein besserer Verkehrsfluss oder die Aufklärung von Straftaten. Etwa ein Viertel (27 %) wäre zur Datenweitergabe bereit, wenn ihnen dafür eine individueller Nutzen geboten würde, etwa persönliche Verkehrsmeldungen oder automatische Parkplatzreservierungen. 15 % würden ihre Daten zur Verfügung stellen, ohne dies an Bedingungen zu knüpfen (Bitkom 2018).
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Meinungen zu digitalen Plattformen Um Dritten den Zugriff auf Daten zu ermöglichen, müssten sie auf digitalen Plattformen gespeichert werden mit einer Regelung für eine Zugriffsberechtigung. Das größte Vertrauen zum Betreiben einer solchen Plattform bringen die Menschen unabhängigen Prüforganisationen wie TÜV oder Dekra entgegen (55 %). Die Automobilclubs (11 %), staatliche Behörden wie das Kraftfahrtbundesamt (8 %) oder Automobilhersteller (5 %) folgen mit großem Abstand (Bitkom 2018). Ausblick Im nächsten Kapitel wird dargelegt, welche branchenübergreifenden Anwendungsfelder sich aus den umfassenden Big Data-Analysen für das Marketing ergeben. Diese bilden die Grundlage für die sich hieran anschließenden Anwendungen im Marketing der Automobilhersteller.
Literatur Andelfinger V, Hänisch T (2015) Grundlagen: Das Internet der Dinge. In: Andelfinger V, Hänisch T (Hrsg) Internet der Dinge – Technik, Trends und Geschäftsmodelle. Springer, Wiesbaden, S 9–75 Bitkom (2018) Autonome Autos: Hoffnung auf mehr Sicherheit und Umweltschutz. https://www. bitkom.org/Presse/Presseinformation/Autonome-Autos-Hoffnung-auf-mehr-Sicherheit-undUmweltschutz.html. Zugegriffen: 19. Apr. 2018 Fasel D, Meier A (2016) Was versteht man unter Big Data und NoSQL? In: Fasel D, Meier A (Hrsg) Big Data – Grundlagen, Systeme und Nutzungspotenziale. Springer, Wiesbaden Finkel B, Dill M (2013) Big Data Analytics im Marketing. http://www.absatzwirtschaft.de/big- data-analytics-im-marketing-3-19176/. Zugegriffen: 9. Sept. 2017 George G, Haas M, Pentland A (2014) Big data and management. Acad Manag J 57(2):321–326 Goldman Sachs (2014) http://www.goldmansachs.com/our-thinking/outlook/internet-of-things/ iot-report.pdf. Zugegriffen: 24. Mai 2017 Holland H (2016) Dialogmarketing – Offline- und Online-Marketing, Mobile- und Social Media-Marketing, 4. Aufl. Vahlen, München Johanning V, Mildner R (2015) Car IT kompakt – Das Auto der Zukunft – Vernetzt und autonom fahren. Springer, Wiesbaden Markoff J (2015) Toyota Invests $1 Billion in Artificial Intelligence in U.S. https://www.nytimes. com/2015/11/06/technology/toyota-silicon-valley-artificial-intelligence-research-center.html. Zugegriffen: 10. Aug. 2017 Mauerer J (2015) Was ist was bei Predictive Analytics? Erscheinungsdatum: 26.08.2015 https:// www.computerwoche.de/a/was-ist-was-bei-predictive-analytics,3098583. Zugegriffen: 14. Sept. 2017 McKinsey&Company Inc. (2017) Artificial Intelligence – The next digital Frontier? https://www. mckinsey.com/~/media/McKinsey/Industries/Advanced%20Electronics/Our%20Insights/ How%20artificial%20intelligence%20can%20deliver%20real%20value%20to%20companies/ MGI-Artificial-Intelligence-Discussion-paper.ashx. Zugegriffen: 5. Aug. 2017
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Big Data Analytics und Connected Cars
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Zusammenfassung
Grundsätzlich hat Big Data Analytics einen Einfluss auf sämtliche Marketinginstrumente, vor allem aber auf das One-to-One-Marketing. Eine bedeutende analytische Anwendung von Big Data Analytics im Marketing ist die Klassifizierung von (potenziellen) Kunden und die sich hieraus ergebende Möglichkeit, diese persönlich ansprechen zu können. Mithilfe der Individualisierung von Product, Price und Promotion kann dem Kunden ein personalisiertes Produkt zu einem personalisierten Preis über einen personalisierten Kommunikationskanal angeboten werden. Angesichts der derzeitigen Entwicklungen in der Automobilindustrie, beispielsweise nimmt das Produktportfolio der Hersteller immer weiter zu, die Fahrzeuge werden herstellerübergreifend immer homogener, die Bedeutung der emotionalen Attraktivität eines Fahrzeugs nimmt zu, ergeben sich diverse Beispiele dafür, wie sich die Individualisierung von Product, Price und Promotion von den Herstellern umsetzen ließe. Auf Basis der Erkenntnisse über Big Data Analytics und Connected Cars werden deduktiv Hypothesen abgeleitet, die mit Experten diskutiert werden. Bei den Hypothesen geht es in einem ersten Teil darum, zu zeigen, ob die Daten aus dem Connected Car überhaupt für Big Data-Analysen nutzbar sind und wie der Status quo zur Nutzung dieser Daten in der Automobilindustrie aktuell ist. Teil 2 befasst sich mit der spezielleren Nutzung der Connected-Car-Daten für die Personalisierung von Produkt, Preis und Promotion für den Automobilkunden. Im Teil 3 wird sich abschließend der Frage der Datenfreigabe gewidmet, die eine Voraussetzung zur Umsetzung der Individualisierung darstellt.
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 H. Holland, Dialogmarketing und Kundenbindung mit Connected Cars, https://doi.org/10.1007/978-3-658-22929-0_11
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11.1 Anwendungsfelder von Big Data Analytics im Marketing 11.1.1 One-to-One-Marketing und das Segment of One Grundsätzlich hat Big Data Analytics einen Einfluss auf sämtliche Marketinginstrumente. Hierunter befinden sich drei Anwendungsgebiete, die sowohl als besonders nützlich scheinen als auch für die Automobilhersteller besonders geeignet sind. Es handelt sich dabei um die Produktpolitik mit einer „Preconfigured Mass Customisation“, die Preispolitik mit einem „Differentiated Dynamic Pricing“ und die Kommunikationspolitik mit der „Self-Learning Touchpoint Customisation“. Die Grundlage hierfür legt das One-to-One-Marketing. Personalisiertes Marketing Die vermutlich bedeutendste analytische Anwendung von Big Data Analytics im Marketing ist die Klassifizierung von (potenziellen) Kunden und die sich hieraus ergebende Möglichkeit, diese persönlich ansprechen zu können. Der Grund hierfür liegt in der zunehmenden Bedeutungslosigkeit von Massenmarketing, das mit enormen Streuverlusten eine breite Masse anzusprechen versucht. Es wird zunehmend von einem personalisierten Marketing abgelöst, das einen fünf- bis achtfach höheren Return on Marketing Investment realisieren kann (Leibowitz et al. 2012). Diese Erkenntnis lässt sich mit dem sogenannten „Tante-Emma-Prinzip“ untermauern: Die Besitzer solcher kleinen Nachbarschaftsläden kannten ihre Kunden oft persönlich, wussten dadurch über deren Einkaufverhalten Bescheid und unterhielten sich auch persönlich mit ihnen. Dadurch wurde eine starke Beziehung zwischen Kunde und Verkäufer aufgebaut. Die kleinen Läden und deren Verbindung zum Kunden wurden zwar zunehmend durch große Handelsunternehmen verdrängt, jedoch ist die Möglichkeit zum Aufbau einer solchen Beziehung mit Dialogmarketing und Big Data Analytics erneut gegeben (Holland 2016, S. 234). One-to-One-Marketing Beim Aufbau dieser Kundenbeziehungen werden verschiedene Entwicklungsstufen unterschieden, innerhalb derer sich sowohl der Individualisierungsgrad der Produkte und Services als auch der Individualisierungsgrad der Kommunikationsmaßnahmen mithilfe von Datenanalysen über die Zeit erhöht hat. Am Ende steht dabei das One-to-One-Marketing, bei dem die Kundensegmentierung derart feingranular fortgeführt wird, bis schließlich die Segmente aus nur noch einem einzigen Kunden bestehen (Segment of One), der maßgeschneiderte Angebote erhält. Abb. 11.1 illustriert diese Entwicklung mit den einzelnen Entwicklungsstufen. Um diese Segmentierung zu realisieren, kommt bei Big Data Analytics ein Data Mining-Algorithmus zum Einsatz, der Kundenverhaltensdaten analysiert. Zu diesen
11.1 Anwendungsfelder von Big Data Analytics im Marketing
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Abb. 11.1 Die Entwicklung vom Massenmarketing zu One-to-One-Marketing. (Quelle: Aus Becker 2002, S. 907; mit freundlicher Genehmigung von © Vahlen Verlag 2002. All Rights Reserved)
Daten zählen heute klassische Small Data, Click-Stream- oder Social Media-Daten, in denen oft ungenutzte Potenziale schlummern. Beispielsweise war mithilfe der Auswertung von nur zehn Facebook-Likes ein Computer schon im Jahr 2014 dazu in der Lage, die Persönlichkeit eines Menschen so gut einschätzen zu können wie ein Arbeitskollege. Bei der Auswertung von 300 Likes konnte der Computer sogar über die Persönlichkeit der Testperson so gut urteilen wie der Ehepartner (Youyou et al. 2014). Die extrem feine Zielgruppensegmentierung, die ein Algorithmus hieraus und aus vielen weiteren Datensätzen erstellen kann, ermöglicht eine 360-Grad-Sicht auf den einzelnen Kunden, der nun potenziell mit einem maßgeschneiderten Produkt und individuellen Kommunikationsmaßnahmen zu einem individuellen Preis in Echtzeit angesprochen werden kann. Marketingmix Aus der Perspektive des Marketings geht es nun also darum Product, Price und Promotion, drei klassische Instrumente des Marketingmix, mithilfe von Big Data Analytics hochgradig zu individualisieren. In welchem Ausmaß Big Data Analytics dazu in der Lage ist, wird in den folgenden Kapiteln eruiert.
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11.1.2 Product: Preconfigured Mass Customisation Big Data Analytics eignet sich dazu, Entscheidungen sowohl bezüglich des Leistungsumfangs eines einzelnen Produkts als auch bezüglich der Sortimentsbreite und -tiefe zu verbessern. Bedürfniserkennung durch Big Data Sourcing Musste man noch vor einiger Zeit aufwendige Marktforschungsstudien erstellen, um Erwartungen und Bedürfnisse der Kunden herauszufinden, damit Produkte nicht am Markt vorbeientwickelt wurden, kann heute auf Big Data zurückgegriffen werden. Die Daten liegen nämlich häufig schon im Web vor und müssen dadurch nicht erst durch konventionelle Marktforschungsmethoden, wie z. B. Befragungen, ermittelt werden. Es können Webseiten von Mitbewerbern, der Presse, Social Media-Inhalte oder Suchmaschinenergebnisse durch von Textmining analysiert werden. Ein oft genanntes Beispiel für die Auswertung von sozialen Netzwerken ist die Sentimentanalyse, mithilfe derer Einstellungen und Stimmungen der Nutzer zu den eigenen Produkten überwacht, sich aber auch Trends über zukünftig nachgefragte Produkteigenschaften erkennen lassen. Mit dieser, auch als Big Data Sourcing bezeichneten Technik lassen sich nun also Bedürfnisse aufdecken, die vermutlich weder Marketing-Experten noch die Kunden selbst erahnen können (Rossa und Holland 2014, S. 270). Produktnutzungsdaten aus Nutzerprofilen Das Verbesserungs- oder Entwicklungspotenzial kann aber auch durch Daten, die von Softwareprodukten oder vernetzten Maschinen an die Hersteller gesendet werden, identifiziert werden. Mit den Produktnutzungsdaten können Nutzerprofile erstellt werden, mit denen sich neue Geschäftsmodelle wie die adaptiven Versicherungsraten realisieren lassen. Die Big Data können hierbei ebenfalls zum Produkt werden, indem die gesammelten Kundendaten an Drittanbieter verkauft werden. Letztlich können durch Data Mining-Methoden auch Produktdefekte frühzeitig erkannt und verhindert werden, wie es in Form der Predictive Maintenance schon geschieht. Dies lässt sich beispielsweise als After-Sales-Service implementieren, der das Produktportfolio um eine differenzierende Leistung ergänzt (Rossa und Holland 2014, S. 273 f.). Individualisierung des Produktangebots Der wohl bedeutendste Nutzen von Big Data Analytics innerhalb der Produktpolitik bezieht sich im Sinne des One-to-One-Marketings auf die Individualisierung des Produktangebots. Betrachtet man die klassischen Strategien zur Erreichung eines strategischen Wettbewerbsvorteils von Porter, stehen sich die Kostenführerschaft und die Differenzierung gegenüber (Porter 2013, S. 73 ff.).
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Preconfigured Mass Customisation Durch Big Data Analytics lassen sich jedoch Kostenführerschaft und Differenzierung im Sinne einer Mass Customisation gleichzeitig realisieren. Durch die Erkenntnisse über das Kauf- und Nutzungsverhalten, die Big Data-Analysen liefern, können die Bedürfnisse des Kunden direkt in den Produktgestaltungsprozess miteinbezogen werden. Dadurch wird es möglich, dem Kunden ein Produkt vorzukonfigurieren, das seinen individuellen Vorlieben entspricht, ohne ihn mit einer zu großen Anzahl von Konfigurationsoptionen zu überfordern. Somit wird eine Differenzierung erreicht, die in einer gesteigerten Kundenzufriedenheit und -bindung resultiert. Simultan wird durch Skalenerträge und Verbundvorteile auch eine Kosteneffizienz erreicht, die einen Preis unterhalb von Einzelanfertigungen erlaubt. Diese Anwendung von Big Data Analytics in der Produktpolitik, in der vorkonfigurierte Produkte auf den Kunden zugeschnitten werden, nennt sich Preconfigured Mass Customisation (Rossa und Holland 2014, S. 273).
11.1.3 Price: Differentiated Dynamic Pricing Üblicherweise werden im Marketingmix drei Ansätze der Preisfindung verfolgt: Während bei der kostenorientierten Preisgestaltung die Voll- oder Teilkosten auf die prognostizierte Menge der Produkte aufgeteilt werden, orientiert sich die nachfrageorientierte Preispolitik an der Preisbereitschaft der (potenziellen) Kunden. Bei einer konkurrenzorientierten Preisfindung wird der Preis je nach gewünschter Positionierung im Wettbewerb entsprechend höher oder niedriger angesetzt als der der Konkurrenzprodukte. Dynamic Pricing Big Data Analytics kann grundsätzlich alle drei Methoden optimieren: Die zukünftige Absatzmenge der Kostenorientierung kann genauer berechnet werden, indem z. B. Reaktionen im Web auf Vorankündigungen des Produkts analysiert und im Forecast mit einberechnet werden. Ebenso können technische Details und Kundenrezensionen bereits auf dem Markt befindlicher, ähnlicher Produkte Aufschluss über die Preis-AbsatzFunktion eines neuen Produktes geben. Mit dieser Funktion lässt sich ein entsprechend nachfrageorientierter Preis berechnen. Letztlich können auch die Webshops der Konkurrenz oder Preisvergleich-Seiten analysiert werden, so wird eine ständige und dynamische Preisanpassung gegenüber dem Wettbewerb ermöglicht (Rossa und Holland 2014, S. 261 ff.). Beispiel
Ein solches Dynamic Pricing-Modell verfolgt bereits das E-Commerce Unternehmen Amazon, der seine Preise täglich unzählige Male anpasst. Bei einem dreitägigen Preismonitoring durch Experten der ARD änderten sich beispielsweise die Preise einer Digitalkamera insgesamt 275 Mal (Maier 2015).
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Amazon beschränkt sich hierbei nicht auf eine Wettbewerbsorientierung zur Preisanpassung. Vielmehr lässt das Unternehmen sämtliche Daten, derer sich die drei oben genannten Preisgestaltungsmethoden bedienen können, zusammenfließen und berücksichtigt diese bei der Berechnung der Preise. Differentiated Dynamic Pricing Es können beispielsweise Preisdaten von Wettbewerbern, Kundenverhalten und -profile, Erkenntnisse über die eigene Nachfragekurve, Produktbewertungen und Kommentare aus sozialen Medien herangezogen werden, um den Preis eines Produktes automatisiert zu errechnen und kontinuierlich anzupassen. Denkbar ist es, festzustellen, wie stark das persönliche Interesse eines Kunden an einem Produkt ist, wie hoch dessen Preissensibilität ist, und ihm hierauf basierend den höchsten Preis anzubieten, den der Kunde gerade noch bereit ist zu zahlen. Auch können Preisänderungen, wie z. B. Rabatte von Wettbewerbern durch die Technologie in Echtzeit erkannt und der Preis daraufhin korrigiert werden.
Hier geht es nicht mehr um eine Optimierung der klassischen Preisgestaltung, sondern um ein neues Differentiated Dynamic Pricing, das erst durch Big Data Analytics möglich wird.
11.1.4 Promotion: Self-Learning Touchpoint Customisation Auch die Kommunikation als Instrument des Marketingmix lässt sich durch Big Data Analytics optimieren. Beispielsweise kann im Sinne einer integrierten Kommunikation, die anstrebt einen konsistenten Gesamteindruck über alle verfügbaren Kanäle hinweg zu erzeugen, Big Data zur Transparenz zwischen den Kommunizierenden beitragen, indem alle Kommunikationsdaten zusammengetragen und ausgewertet werden. Erfolgsmessung Darüber hinaus lässt sich aber auch der Erfolg der verwendeten Kanäle exakter messen und hierdurch der Budgeteinsatz besser allokieren. Bei klassischen, tendenziell unflexibleren Werbemitteln wie z. B. Plakatwerbung kann anhand von Standortdaten ermittelt werden, ob ein Passant den Shop des Werbetreibenden besucht, nachdem er das Plakat gesehen hat. Insgesamt kann Big Data Analytics also dabei helfen, die Off- und Onlinewelt der Werbemittel näher zusammenzubringen, da es sich der Datenquellen beider Welten bedient. Predictive Behavioural Targeting Auch hier lässt sich feststellen, dass die bedeutendste Anwendung auch innerhalb der Kommunikationspolitik in der Individualisierung besteht. Hierfür geeignet sind vor allem extrem dynamische Online-Medien wie der Webshop des Werbetreibenden.
11.1 Anwendungsfelder von Big Data Analytics im Marketing
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islang findet bei Online-Medien das Predictive Behavioural Targeting (PBT) B Anwendung. Dabei werden das Surf-Verhalten von Seitenbesuchern analysiert, psychografische und demografische Daten beispielsweise im Registrierungsvorgang erfragt und weitere verhaltensorientierte Kriterien festgestellt. Mithilfe dieser Daten lassen sich die User in viele Gruppen mit präzisen Merkmalen einteilen und mittels prädiktiver Analysen Inhalte möglichst individuell ausspielen. Durch Machine Learning- Verfahren lassen sich auch die Reaktionen der Nutzer messen und für zukünftige Aktivitäten berücksichtigen (Hünermann 2015, S. 190 f.). Zwar kommt man mit Predictive Behavioural Targeting dem One-to-One-Charakter schon sehr nahe, allerdings hat das System auch seine Grenzen: Die Methode, die die User in Segmente einteilt, bedient sich oftmals der Korrelationsanalysen, die nur offensichtliche Merkmalskombinationen berücksichtigen, wodurch viele konsumrelevanten Faktoren verloren gehen. Außerdem ist die Anzahl der Segmente bei solchen Systemen begrenzt, sodass häufig Daten (z. B. Uhrzeiten zu Tageszeiten) aggregiert werden müssen, wodurch das Segment of One folglich nicht realisiert werden kann. Operational Intelligence Die neueste Technologie, die die Inhalte individuell für jeden einzelnen User bestimmen und dem Segment of One somit gerecht werden kann, ist die Operational Intelligence (OI). Sie bedient sich eines Realtime-Clusterings, das sämtliche Merkmale eines Seitenbesuchers aus der Web-Analyse, aber auch aus sämtlichen anderen Datenquellen wie z. B. CRM oder Social Media in Echtzeit berücksichtigt. Das Zusammenspiel all dieser Daten ermöglicht die 360-Grad-Sicht und erlaubt es dem System zu erkennen, welchen Usern ein einzelner Seitenbesucher ähnelt. Es kann dann simuliert werden, welche Varianten einer Landingpage die höchste Erfolgswahrscheinlichkeit für den Besucher hat, und diese wird ihm dann angezeigt. Die übrigen Versionen werden jedoch nicht verworfen, sondern für weitere Simulationen für andere Usertypen verwendet (Hünermann 2015, S. 194).
Durch die Operational Intelligence wird es nun also möglich, dem Nutzer eine maßgeschneiderte Produktpalette, darüber hinaus sogar ein für ihn individuell vorkonfiguriertes Produkt zu präsentieren.
Auch können Aufbau, Inhalt und Design der Touchpoints automatisiert an die Merkmale des Users angepasst werden und die Kommunikation dementsprechend individualisiert werden. Es lassen sich also neben der Anzeige der relevanten Produkte auch emotionale Reize gezielt anpassen. So können etwa Testimonials, Kundenbewertungen oder detailliertere Produktinformationen angezeigt werden, je nachdem, wie empfänglich der User für die entsprechenden Reize ist. Denkbar wäre es auch visuelle Reize, wie Farben oder Fotos, automatisiert anzupassen. Somit lässt sich die User-Customised Homepage realisieren, die nur solche Inhalte ein- oder ausblendet, die für den Besucher besonders relevant, respektive irrelevant sind. Diese Vorgehensweise ließe sich auch auf sämtliche weitere digitale Touchpoints übertragen.
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11 Big Data Analytics und Connected Cars
Self-Learning Touchpoint Customisation Durch Machine Learning-Methoden erlernt das System selbstständig, welche Varianten des Touchpoints für die Nutzer besonders relevant sind, so kann mit Zunahme der Kundenkontakte die Individualisierung im Sinne eines sich ständig wiederholenden Closed Loop optimieren.
Diese Anwendung von Big Data Analytics zur Individualisierung der Kundenkommunikation wird im weiteren Verlauf als Self-Learning Touchpoint Customisation bezeichnet.
Die Distributionspolitik ließe sich grundsätzlich zwar ebenfalls durch Big Data Analytics individualisieren, wird aber aufgrund der begrenzten Relevanz für das vorliegende Thema vernachlässigt.
11.2 Anwendungsfälle für Big Data Analytics im Marketing der Autohersteller 11.2.1 Individualisierung von Product, Price und Promotion Mithilfe der Individualisierung von Product, Price und Promotion kann dem Kunden ein personalisiertes Produkt zu einem personalisierten Preis über einen personalisierten Kommunikationskanal angeboten werden. Angesichts der derzeitigen Entwicklungen in der Automobilindustrie, beispielsweise nimmt das Produktportfolio der Hersteller immer weiter zu, die Fahrzeuge werden herstellerübergreifend immer homogener, die Bedeutung der emotionalen Attraktivität eines Fahrzeugs nimmt zu, ergeben sich diverse Beispiele dafür, wie sich die Individualisierung von Product, Price und Promotion von den OEM umsetzen ließe (Parment 2016, S. 36, 52–55). Mit den Fahrzeugdaten lassen sich Profile erstellen, die Aufschluss über den Fahrstil des Fahrzeugführers geben. Darüber hinaus erlaubt beispielsweise Social Media tiefe Einblicke in die Persönlichkeit und damit verbundene emotionale Bedürfnisse des Kunden, dies lässt sich mithilfe von weiteren personenbezogenen Daten zu einem Persönlichkeitsprofil vervollständigen. Auch Data Mining-Methoden könnten in der Masse an Fahrzeugnutzern Korrelationen in diversen Persönlichkeitsmerkmalen aufspüren, die das Profil zusätzlich ergänzen können. Neuromarketing Aus der Sicht der OEM lassen sich demnach individuelle Profile erstellen, die den Fahrstil mit der Persönlichkeit des Kunden kombinieren.
11.2 Anwendungsfälle für Big Data Analytics im Marketing der Autohersteller
303
Beispiel
Man stelle sich nun beispielhaft drei unterschiedliche, stereotypische Profile von Autofahrern vor, die auf Basis der drei im Neuromarketing gängigen Kernemotionen „Dominanz“, „Balance“ und „Stimulanz“, erstellt wurden (Häusel 2012, S. 36–38): 1. Dominanz: Ein dominanter Autofahrer fährt demnach gern sportlich und dynamisch und ist dementsprechend empfänglich für Sportwagen und Coupés. 2. Balance: Der Balance-Orientierte hat typischerweise Familie, legt viel Wert auf ein sicheres Auto und ist folglich eher an robusten Kombis interessiert. 3. Stimulanz: Dieses Profil ergibt einen abenteuerlustigen Fahrer, der sein Auto zum Verreisen und zu Erkundungstouren nutzt und demnach einen Geländewagen mit Allradantrieb bevorzugt. Diese drei Profile sind dabei nur als stereotypische Beispiele zu verstehen, die die große Masse an Fahrern repräsentieren. Es ist aber davon auszugehen, dass im Sinne des One-to-One-Marketings Profile mit der individuellen Merkmalskombination und im Sinne des Neuromarketings Mischformen der drei Kernemotionen des Fahrers abgebildet werden können.
11.2.2 Preconfigured Mass Customisation Aus den oben genannten Daten lassen sich nun Rückschlüsse auf die vom Kunden präferierten Fahrzeugmerkmale, wie Motorisierung und Farbe des Wagens oder gewünschte Materialien für das Interieur ziehen. Tritt man nun mit einem sportlichen Fahrer in Dialog, ließe sich aus Sicht von Daimler etwa ein Mercedes CLA AMG passend zu dessen persönlichen Vorlieben vorkonfigurieren. Einen Schritt weitergedacht, sind solche Vorkonfigurationen nicht nur auf das Fahrzeug an sich beschränkt. Ebenfalls denkbar wäre es, die Car IT-Funktionen, wie Location Based Services oder vorinstallierte Apps wie Spotify mitanzubieten, wenn die Big Data-Analyse ergeben hat, dass sie für den Kunden besonders wünschenswert sind. Im Endergebnis würde dem Kunden ein maßgeschneidertes Fahrzeug präsentiert, das seinen individuellen Wünschen entspricht.
11.2.3 Differentiated Dynamic Pricing Mit dem Wissen über den Wettbewerb, das Kundenverhalten und über die eigene Nachfragekurve ließe sich beispielsweise für einen vorkonfigurierten Volvo V70 der maximale Preis ermitteln, den ein sicherheitsbedürftiger Balance-Kunde gerade noch bereit ist zu zahlen. Es ist auch davon auszugehen, dass ein solcher Kunde für Sicherheitsfeatures,
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wie z. B. einen Notbremsassistenten oder Predictive Maintenance, besonders empfänglich ist und dadurch eine geringere Preissensibilität hierfür aufweist. Der Preis könnte dem Kunden derart persönlich angepasst werden, dass er sich das Automobil und/oder die Car IT-Dienste gerade noch leisten will. Der Anbieter profitiert im Endeffekt dadurch, dass wegen der angepassten Preise tendenziell mehr Kunden dazu in der Lage sind, sich das Auto und die Dienste zu kaufen und dadurch, dass die einzelnen Abverkäufe mithilfe der Preisdiskriminierung tendenziell höhere Margen erzielen.
11.2.4 Self-Learning Touchpoint Customisation Der eigentliche Dialog des Anbieters mit dem Kunden lässt sich ebenfalls personalisieren. Durch die Flexibilität digitaler Medien können sämtliche digitalen Touchpoints automatisch an die Profile der Fahrer angepasst werden. Wenn nun ein Kunde mit einem Stimulanz-Profil auf die Webseite des Unternehmens gelangt, kann diese entsprechend individualisiert werden. Stellt man nun also fest, dass der Kunde häufig mit seinem Auto in die Berge verreist, auf Facebook häufiger outdoorbezogenen Content liked und mehr Informationen über das Unternehmen sucht, könnte sich beispielsweise aus Sicht von BMW der BMW xDrive CUP auf der Webseite als Landing Page mit zugeschnittenen Inhalten präsentieren. Hat der Kunde bereits die Intend-to-Purchase-Phase der Customer Journey erreicht, lässt sich ein individuell für ihn vorkonfigurierter BMW X5 anzeigen. Diese Adaption ist auch für sämtliche weiteren digitalen Touchpoints, wie den Online-Shop, E-Mails oder sogar das Connected Car selbst, im Sinne eines mobilen Endgerätes, denkbar. Da auch Offline-Medien zunehmend digitalisiert und zu Dingen des Internet of Things werden, ist eine solche Personalisierung von Content und Design auch über solche Medien, beispielsweise über digitale Außenplakate nicht auszuschließen.
11.3 Expertenbefragung 11.3.1 Hypothesen Auf Basis der Erkenntnisse aus den letzten Kapiteln lassen sich nun deduktiv entsprechende Hypothesen ableiten, die mit Experten diskutiert werden. Sieben Hypothesen Dabei geht es in einem ersten Teil I um allgemeiner formulierte Hypothesen, die zeigen sollen, ob die Daten aus dem Connected Car überhaupt für Big Data-Analysen nutzbar sind und wie der Status quo zur Nutzung dieser Daten in der Automobilindustrie aktuell aussieht.
305
11.3 Expertenbefragung Tab. 11.1 Übersicht über die Hypothesen Teil I Aktueller Stand von Big Data und grundsätzliche Datennutzung
Teil II Individualisierung von Product, Price und Promotion
Teil III Datenfreigabe
H1
In der Automobilindustrie finden Big Data- Systeme, die die Daten aus dem Connected Car bei Analysen berücksichtigen, bereits Anwendung
H2
Die Daten aus dem Connected Car sind für Big Data-Analysen im Marketing der OEM geeignet
H3
Die Daten aus dem Connected Car eignen sich besonders zum Erstellen von Nutzerprofilen der Fahrer
H4
Die Daten aus dem Connected Car eignen sich besonders für eine maßgeschneiderte Vorkonfiguration von Fahrzeugen
H5
Die Daten aus dem Connected Car e ignen sich besonders für eine individuelle Preisdifferenzierung beim Fahrzeugkauf
H6
Die Daten aus dem Connected Car eignen sich besonders für eine Personalisierung der digitalen Touchpoints zum Kunden
H7
Automobilkunden sind dazu bereit, ihre personenbezogenen Daten aus dem Connected Car für eine persönliche Ansprache freizugeben
Teil II befasst sich mit der spezielleren Nutzung der Connected Car-Daten für die Personalisierung von Produkt, Preis und Promotion für den Automobilkunden. Im letzten Teil III wird sich abschließend der Frage der Datenfreigabe gewidmet, die eine Voraussetzung zur Umsetzung der Individualisierung darstellt. Die einzelnen Hypothesen können der Tab. 11.1 entnommen werden.
11.3.2 Auswahl der Forschungsmethode Das leitfadengestützte Interview strebt sowohl einem konkreten Ziel entgegen, nämlich der Verifizierung bzw. Falsifizierung der Hypothesen, als auch der Exploration neuer Aspekte. Der halbstandardisierte Leitfaden für die Interviews gliedert sich analog zu den Hypothesen in die drei Teile: • Teil I: Aktueller Stand von Big Data und grundsätzliche Datennutzung Die ersten einleitenden Fragen betreffen die allgemeine Anwendung von Big Data Analytics in der Automobilindustrie und gehen fließend in die Nutzung der Daten Connected-Car-Daten über.
306
11 Big Data Analytics und Connected Cars
• Teil II: Individualisierung von Product, Price und Promotion Der zweite Teil beschäftigt sich vor allem mit der Personalisierung von Product, Price und Promotion für den Automobilkunden. Es wird davon ausgegangen, dass eine solche Massenindividualisierung im Sinne des One-to-One-Marketings mithilfe von Big Data-Analysen grundsätzlich möglich ist. Dass dabei die Connected-Car-Daten, insbesondere Nutzerprofile der Fahrer, eine zentrale Rolle spielen, wird ebenfalls vermutet. Beides gilt es anhand der Aussagen der interviewten Personen zu verifizieren. Darüber hinaus wird anhand der Fragestellung ermittelt, inwieweit die Experten die Realisierung dieser Massenindividualisierung für ökonomisch sinnvoll, technisch machbar und aus Sicht des Kunden für erstrebenswert halten. • Teil III: Datenfreigabe Letztlich wird die wohl größte Hürde, die der Personalisierung von Produkt, Preis und Promotion entgegensteht, angesprochen. Dabei werden die Interviewten befragt, inwieweit und unter welchen Voraussetzungen die Kunden bereit sind ihre Daten für die Personalisierung freizugeben.
11.3.3 Auswahl der Experten Die Untersuchung des Forschungsgegenstandes durch das Leitfadeninterview setzt voraus, dass die Interviewten in der Automobilindustrie arbeiten oder forschen, zusätzlich Fachkenntnisse in den Unternehmensbereichen Marketing und IT aufweisen und sich hierbei insbesondere mit Digital Marketing und/oder Dialogmarketing sowie Big Data-Analysen auskennen. Die in der Tab. 11.2 aufgeführten Experten, die anonym bleiben möchten, wurden interviewt.
11.3.4 Ergebnispräsentation Teil I: Aktueller Stand von Big Data und grundsätzliche Datennutzung Anhand der Aussagen aller neun Experten konnte festgestellt werden, dass es sich in der Branche bei Big Data zwar um ein wichtiges und im Trend liegendes Thema handelt, es bislang aber noch wenig Anwendung findet. Die Automobilzulieferer arbeiten beispielsweise bereits daran, Big Data produktionsbegleitend einzusetzen und sammeln Datenmengen im Sinne von Industrie 4.0 für smarte Fabriken. Bei den OEM (Original Equipment Manufacturer), die in der Regel von IT-Dienstleistern bei diesen Themen unterstützt werden, sind zwar Marketing-Projekte vorhanden, die jedoch noch auf manuell angefragten Korrelationsanalysen basieren und dementsprechend noch nicht automatisiert ablaufen.
307
11.3 Expertenbefragung Tab. 11.2 Befragte Experten aus der Automobilindustrie Nr. Name
Bereich
Unternehmen
E1 Anonym Manager
Position
Digital Strategy
IT-Dienstleister 1
E2 Anonym Consultant
Change Management
IT-Dienstleister 1
E3 Anonym Sr. Manager Strategy & Business Development
Intelligent Transportation Systems
Automobil Zulieferer 1
E4 Anonym Head of Sales & Marketing
Intelligent Transportation Systems
Automobil Zulieferer 1
E5 Anonym Sr. Manager
Automotive Digital
IT-Dienstleister 2
E6 Anonym Manager
Digital Strategy
IT-Dienstleister 1
E7 Anonym Managing Enterprise Architect Automotive Application Services
IT-Dienstleister 2
E8 Anonym Spezialist Europ. Groß- und Gewerbekunden
Telemetrie-Dienste für Flotten, Deutschland
OEM
E9 Anonym Product Manager Telematics
Automotive Aftermarket, Connected Services
Automobil Zulieferer 2
Da es sich hierbei um einen Premium-OEM handelt, von dem anzunehmen ist, dass er den Mittelklasseherstellern bei Big Data-Lösungen voraus ist, kann davon ausgegangen werden, dass es sich dabei schon um eine der fortschrittlichsten Big Data-/en im Marketing der OEM handelt. Das bestätigt auch die Aussage des Mittelklasse-OEM, für den Big Data „einen zunehmend hohen Stellenwert hat, aber aktuell noch kein absolutes Top-Thema darstellt.“ Mit der Frage nach dem aktuellen Stand in der Branche werden auch konkrete Anwendungsszenarien von den Experten genannt, die sich primär auf Car IT-Funktionen bzw. synonym hierzu auf digitale Dienste beziehen. Allen voran sind adaptive Versicherungsmodelle, die bereits eingesetzt werden, sowie Predictive Maintenance und Location Based Services, an denen zwar gearbeitet wird, die aber noch keine vollumfänglichen Anwendungen bieten. Der Fahrer bekommt beispielsweise schon einen Werkstatttermin vorgeschlagen, der jedoch noch nicht auf prädiktiven Analysen, sondern auf bestimmten Zeitintervallen beruht. Die Pay-As-You-Drive-Modelle für Versicherungen zeigen auch, dass Daten über das Fahrverhalten des Kunden besonders relevant sind und bereits gesammelt werden, da ohne sie eine solche Anwendung nicht möglich wäre. Die Frage nach der Erstellung von Nutzerprofilen zum Fahrstil des Fahrers stellt sich daher für die Experten nicht mehr, da sie bereits Realität sind. Ebenfalls als wichtig werden darüber hinaus die GPS-Daten aus dem Fahrzeug empfunden, die für die Realisierung von Location Based
308
11 Big Data Analytics und Connected Cars
ervices benötigt werden. Auch Daten über die Nutzung von Infotainmentdiensten, S wie z. B. Musikstreaming, generelle Daten über das Verhalten des Fahrzeugnutzers im Auto und Sensordaten aus Bauteilen und FAS sind für die Experten für verschiedene Anwendungen, auch im Marketing der OEM, von Bedeutung. Teil II: Individualisierung von Product, Price und Promotion Obwohl im ersten Frageteil naturgemäß schon einige Anwendungsszenarien für das Marketing der OEM vorweggenommen wurden, konnten mit einer allgemein gestellten Frage noch weitere aufgedeckt werden. Neben weiteren digitalen Diensten, wie den Parking Spot Finder oder Paketdienste, die das Auto als Lieferort nutzen, sprachen einige wenige Experten von einer Anpassung von Fahrzeugkomponenten und verschiedenen Infotainmentfunktionen an den Kunden. Auch auf Kundenverständnis basierende Angebote, die mit einfachen Rabatten und kundenspezifischen Ansprachen einhergehen, wurden an der Stelle bereits erwähnt.
Der Fokus von Big-Data-Anwendungen im Marketing liegt derzeit auf der Entwicklung digitaler Dienste, der Nutzen der Connected-Car-Daten für die vorgestellten Anwendungsfälle wird aber grundsätzlich erkannt.
Anwendungsfall 1: Preconfigured Mass Customisation
Die Idee, dem Kunden sein individuelles Fahrzeug anhand von Big Data-Analysen vorzukonfigurieren, wurde zunächst kontrovers diskutiert. Teilweise wurde infrage gestellt, ob mit den Analysen tatsächlich der Geschmack des Kunden bis ins Detail getroffen werden könnte oder ob der Kunde nicht lieber selbst über die Ausstattung entscheiden möchte. Die Mehrheit der Experten war der Idee der Preconfigured Mass Customisation gegenüber positiv gestimmt: Es sei ein „Schritt nach vorne“. Als virtuelle Vorkonfiguration, sogar mithilfe von Virtual Reality, ließe sich das Auto dem Kunden zeigen und ihm dadurch die „Last“ abnehmen, das Produkt selbst konfigurieren zu müssen. Dabei wurde auch das Basisbeispiel bestätigt, nach dem einem sportlichen Fahrer ein entsprechend leistungsstärkerer Motor angeboten werden könnte. Über dieses Beispiel hinaus waren sich einige Experten sicher, dass die Analysen die gewünschte Fahrzeugkonfiguration aufdecken könnte, an der der Kunde nichts mehr zu bemängeln hätte. Auch die skeptischeren Experten räumten ein, dass zumindest eine Basiskonfiguration erstellt werden könnte, deren Finalisierung der Kunde dann vornehmen kann. Experte 5 merkte letztlich an, dass er mit Vorkonfigurationen bei einem Premium-OEM bereits Kontakt hatte. Diese wurden allerdings beim Händler vor Ort zusammen mit dem Kun-
11.3 Expertenbefragung
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den erstellt. Die Idee dessen Präferenzen mithilfe von Big Data und ohne sein Mitwirken implizit vorwegzunehmen, schätzte er als „sehr wertvoll“ ein. Experte 1 dachte sogar noch einen Schritt weiter: Da Elektrofahrzeuge mit deutlich weniger Bauteilen auskommen als die klassischen Benziner, ließen sich diese sogar in Zukunft massenhaft individualisieren. Demnach würde das Fahrzeug nicht mehr wie bislang anhand verschiedener Komponenten konfiguriert (Configure-to-Order), sondern der Kunde könnte es sich individuell nach seinen Vorstellungen designen (Engineer-to- Order). In der Dynamik mancher Interviews wurde das Thema auch von der Konfiguration des Fahrzeugs selbst auf die Car IT-Funktionen gelenkt. Das Potenzial umfasste dabei die Entwicklung neuer Dienste oder die Vorauswahl eines bestimmten Portfolios an Funktionen. Anwendungsfall 2: Differentiated Dynamic Pricing
Die Annahme, dass die OEM mithilfe von Big Data-Analysen individuelle Fahrzeugpreise ermitteln könnten, wurde grundsätzlich von einigen Experten bestätigt. Jenseits der technischen Machbarkeit dieses Vorhabens wurden jedoch einige Bedenken geäußert, die der tatsächlichen Umsetzung entgegenstehen. Zwar wurden Preisschwankungen beispielsweise bei Flugpreisen schon erlernt, die meisten Experten glauben jedoch, dass der Kunde nicht dazu bereit sein wird sie beim Autokauf zu akzeptieren. Zum einen liegt es am Produkt, das in der Regel nicht spontan gekauft wird, zum anderen könnten Kunden z. B. feststellen, dass ihnen ein bestimmtes Fahrerassistenzsystem in der Auswahl teurer angezeigt wird als ihren Nachbarn. Selbst wenn eine individuelle Konfiguration diese Preistransparenz verdecken würde, wäre das Risiko das Vertrauen der Kunden zu verlieren zu hoch. Das wohl kritischste Argument, das im Laufe eines Interviews zur Sprache kam, lieferte Experte 6: Wird beispielsweise der Notbremsassistent für einen Fahrer mit vorsichtigem Fahrstil teurer, weil er hierfür entsprechend weniger preissensibel ist, würde er im Umkehrschluss günstiger für ihn werden, wenn er anfängt sportlicher zu fahren. Dadurch würden also Kunden zu aggressiverem Fahren motiviert, was als moralisch höchst verwerflich zu betrachten ist. Deutlich besser bewertet wurde jedoch die Idee, diese Preisdiskriminierung bei digitalen Diensten vorzunehmen. Vorstellbar sind verschiedene Pakete eines bestimmten Dienstes, ähnlich wie bei einem Mobilfunktarif. Es könnten auf Basis der Nutzung Basic-, Premium-, oder Deluxe-Pakete angeboten werden, die preislich gestaffelt sind. Stellt man sich nun vor, dass ein Kunde ein Fahrzeug bei einem Carsharing-Anbieter mieten möchte, kann der Preis hierfür auf Basis der Flottenauslastung oder der Fahrstrecke noch dynamischer adaptiert werden. Sind in der Rush-Hour besonders viele Fahrzeuge ausgebucht, kann der Preis für ein Auto nach oben angepasst werden.
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Die oben genannten Pakete ließen sich auch in Zukunft anhand der Persönlichkeit des Nutzers bilden: Weiß man über den Kunden, wie viel und welche Musik er gerne hört, wie oft und welche Filme er sich anschaut, kann er in einem autonomen Fahrzeug die entsprechenden Features und dazu passende Musik und Filme zu einem individuellen Preis zur Verfügung gestellt bekommen. Anwendungsfall 3: Self-Learning Touchpoint Customisation
Aufgrund der Erfolge, die Google oder Amazon bei einer solchen Individualisierung schon aufweisen können, war die Frage nach der technischen Machbarkeit für alle Experten eher hintergründig. Die Möglichkeit der Content-Anpassung ist auch für die OEM (Original Equipment Manufacturer) mit den Daten des Connected Car und den vielen weiteren Daten, die ihnen zur Verfügung stehen, gegeben und „fast schon ein logischer Schluss“. Das betrifft hierbei klassische digitale Touchpoints, wie die Webseite des Herstellers, aber auch die Connected Cars selbst, bei denen z. B. Angebote zu digitalen Diensten personalisiert werden können. In welchem Ausmaß diese Individualisierung potenziell vorgenommen werden kann, polarisierte die Expertenmeinungen jedoch. Durch die Maßschneiderung könnten dem Kunden nämlich relevante Inhalte verborgen bleiben, die die Analyse nicht erkannt hat. Außerdem könnte der Aufwand für eine tatsächliche Individualisierung für den Hersteller zu groß sein. Allerdings wurde das Vorhaben, einem Fahrzeugnutzer, der häufig in die Berge verreist, entsprechende Themenwelten anzuzeigen, durchweg positiv bewertet: Dadurch werde sichergestellt, dass diesem beispielhaften Kunden keine Rennstreckenbilder als „Einheitsbrei“ serviert werden, sondern er relevanten Content ausgespielt bekommt. Ermittelt man nun, in welcher Stufe der Customer Journey sich der Kunde befindet, und erkennt beispielsweise, dass er sich bereits häufiger Offroad-Videos angeschaut hat, lässt sich auch nach Meinung der Experten ein entsprechend vorkonfiguriertes und für den Kunden ansprechenderes Fahrzeug anzeigen. Es zeigte sich letztlich, dass eine solche Touchpoint Customisation für die Hersteller in Zukunft relevant sein könnte: „Die Aufmerksamkeit des Kunden gewinnt man ja, wenn man an dessen emotionale Punkte geht. Mit dieser Fahrt durch die Berge ist das dann ein tolles Beispiel, wie das funktionieren kann.“ Teil III: Datenfreigabe Da die Daten aus den Anwendungsfällen personenbezogen erhoben werden müssten, unterliegen sie strengen Datenschutzmaßnahmen und benötigen dadurch die Zustimmung des Kunden. Eine Anonymisierung dieser Daten ermöglicht es zwar, die
11.3 Expertenbefragung
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Big Data-Analysen auch ohne Datenfreigabe zu betreiben, es ist jedoch davon auszugehen, dass das Kundenvertrauen hierbei als besonders wertvoll und sensibel betrachtet werden muss. Die Expertenmeinungen vermitteln dazu Eindrücke. Ähnlich wie es beim Smartphone oder in sozialen Medien wie Facebook schon passiert, gehen die Experten durchweg davon aus, dass die Kunden dazu bereit sein werden, ihre Daten für einen deutlich sichtbaren Mehrwert mit dem OEM zu teilen. Eine anonymisierte Analyse der Daten, die ohne Mitwissen des Kunden erfolgt und so dessen Vertrauen gefährden könnte, wird nicht notwendig sein und ist demnach auch nicht zu empfehlen. Zwar wurde festgestellt, dass in Europa, insbesondere Deutschland, der Datenschutz kritischer zu betrachten ist als in anderen Ländern, jedoch ist der genannte Mehrwert laut Experten auch für diese Anwendungsfälle gegeben. Die Datenfreigabe ist sensibel zu behandeln und dementsprechend an verschiedene Voraussetzungen geknüpft. Beispielsweise muss sichergestellt sein, dass die Daten vor dem Missbrauch durch Dritte geschützt sind. Das schließt einerseits mögliche Hackerangriffe mit ein, andererseits könnten sich viele Kunden auch schon daran stören, wenn die Daten an Drittanbieter für deren Werbezwecke weitergegeben werden. Entscheidend dabei ist, dass der OEM transparent offen legt, was mit den Kundendaten passiert und dass er sie auch nur für die Zwecke nutzt, für die er sie eingefordert hat. Dem Kunden müsse man ebenfalls die Möglichkeit geben selbst zu entscheiden, welche der Daten er an den Automobilhersteller senden möchte und welche nicht. Auch eine Art „Flugmodus“, analog zur Funktion beim Smartphone, könnte sicherstellen, dass der Kunde die Kontrolle über seine Daten und dementsprechend das Vertrauen in den OEM behält.
11.3.5 Abschließende Bewertung der Hypothesen Die Ergebnisse werden nun zusammenfassenden und konkret auf die Hypothesen bezogen in Tab. 11.3 dargestellt. Es konnten also sämtliche Hypothesen anhand der Experteninterviews überprüft werden. Hierbei muss jedoch berücksichtigt werden, dass die Anzahl der ausgesuchten Experten als nicht repräsentativ gilt und die bestätigten Hypothesen nicht auf die Gesamtheit der Automobilbranche übertragen werden können. Es handelt sich hierbei lediglich um einen Auszug an Experten, der erste qualitative Einschätzungen der Thematik zulässt und so das Fundament zur weiteren Erforschung legt.
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Tab. 11.3 Bewertung der Hypothesen H1 In der Automobilindustrie finden Big Data-Systeme, die die Daten aus dem Connected Car bei Analysen berücksichtigen, bereits Anwendung Die Anwendungen stehen zwar noch am Anfang, werden jedoch schon genutzt. Die Hypothese kann daher bestätigt werden H2 Die Daten aus dem Connected Car sind für Big Data-Analysen im Marketing der OEM geeignet Wegen des Zuspruchs der Experten kann diese Hypothese bestätigt werden H3 Die Daten aus dem Connected Car eignen sich besonders zum Erstellen von Nutzerprofilen der Fahrer Nach Meinung der Experten und anhand des oft genannten Beispiels der bereits realisierten adaptiven Versicherungsraten kann die Hypothese bestätigt werden H4 Die Daten aus dem Connected Car eignen sich besonders für eine maßgeschneiderte Vorkonfiguration von Fahrzeugen Aufgrund der durchweg positiven Reaktionen der Experten auf den Anwendungsfall kann die Hypothese bestätigt werden H5 Die Daten aus dem Connected Car eignen sich besonders für eine individuelle Preisdifferenzierung beim Fahrzeugkauf Da dieser Anwendungsfall von den Experten größtenteils infrage gestellt wurde, muss die Hypothese verworfen werden. Durch den Zuspruch, der die Preisdifferenzierung bei digitalen Diensten erfahren hat, kann jedoch die folgende, abgewandelte Hypothese aufgestellt und zugleich bestätigt werden: H5a: Die Daten aus dem Connected Car eignen sich besonders für eine individuelle Preisdifferenzierung für mit dem Fahrzeug verbundene digitale Dienste H6 Die Daten aus dem Connected Car eignen sich besonders für eine Personalisierung der digitalen Touchpoints zum Kunden Aufgrund der positiven Bewertung dieses Anwendungsfalls durch die Experten kann die Hypothese bestätigt werden H7 Automobilkunden sind dazu bereit, ihre personenbezogenen Daten aus dem Connected Car für eine persönliche Ansprache freizugeben Zwar wurde von den Experten bestätigt, dass die Kunden bereit sind, ihre Daten für den Mehrwert der Anwendungsfälle bereitzustellen, jedoch kann die Hypothese nur eingeschränkt bestätigt werden. Das liegt daran, dass die Freigabe der Daten an verschiedene Bedingungen geknüpft ist, die hierfür erfüllt sein müssen
11.4 Fazit zu Big Data Analytics durch Connected Cars Das Connected Car bedeutet eine fundamentale Veränderung für die etablierten Automobilhersteller.
Die Automobilhersteller haben den Trend zur Digitalisierung ihrer Geschäftsmodelle bereits erkannt und ihre Strategien dahin gehend angepasst. Die Hersteller haben im Zuge dessen auch Big Data im Marketing als Potenzial
Literatur
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bereits erkannt. Die Big-Data-Anwendungen, die hierbei zum Einsatz kommen, stehen zwar noch am Anfang der Entwicklung, werden aber schon realisiert.
Mit den Up- und Downstream-Daten, die das Connected Car dem Original Equipment Manufacturer (OEM) zur Verfügung stellt, erhält er wertvolles und tief greifendes Wissen über die Nutzung des Fahrzeugs und der damit verbundenen digitalen Dienste. Ob der Kunde einfache, strukturierte Stammdaten über das Human Machine Interface (HMI) eingibt oder das Fahrzeug komplexe, unstrukturierte Standortinformationen erzeugt – das gesamte Spektrum an Daten lässt sich mithilfe modernster Big-Data-Analytics- Methoden wertschöpfend analysieren. Dabei muss sich der OEM für seine Analysen nicht auf die Fahrzeug- und Kundendaten aus der Car IT beschränken. Vielmehr sind diese Teil einer massiven Datenmenge, derer sich das Marketing zusätzlich bedienen kann. Social Media-, Suchmaschinenund Click-Stream-Daten oder Informationen über den Wettbewerber sind nur einige Beispiele, die der Automobilhersteller in einem Big Data Warehouse zueinander in Relation setzen kann. Es ist durchaus denkbar, das Wissen über Fahrstil und Persönlichkeit des Kunden zu kombinieren, um Fahrzeuge für ihn virtuell vorzukonfigurieren, Preisdifferenzierungen bei digitalen Diensten vorzunehmen und maßgeschneiderten Content über digitale Kanäle auszuspielen. Diese drei Anwendungsfälle sind dazu in der Lage einen Mehrwert für den Kunden zu generieren, für den er unter bestimmten Bedingungen bereit ist seine Daten zu übermitteln. Sollte es den OEM dabei gelingen, die dafür notwendige Sicherheit, Transparenz und kundenseitige Kontrolle über die Daten sicherzustellen, steht ihnen schließlich die Tür zu einer auf Vertrauen basierenden und engen Beziehung zum Kunden offen.
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