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Thomas Bossert
Derivate im Portfoliomanagement
Derivate im Portfoliomanagement
Thomas Bossert
Derivate im Portfoliomanagement
Thomas Bossert Frankfurt am Main, Deutschland
ISBN 978-3-658-17573-3 https://doi.org/10.1007/978-3-658-17574-0
ISBN 978-3-658-17574-0 (eBook)
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Für meine Familie – und alle, die ihr Wissen mit mir geteilt haben und teilen.
Geleitwort
Derivatemärkte bieten den Wirtschaftssubjekten verbesserte und erweiterte Möglichkeiten zur Transformation von Risiken, die Separation einzelner Risikobestandteile und damit die Handelbarkeit und verbesserte Steuerungsmöglichkeit finanzwirtschaftlicher Risiken. Nicht nur Finanzunternehmen, sondern auch Industrieunternehmen nutzen diese effizienzsteigernden Eigenschaften von derivativen Finanzinstrumenten, indem sie unterschiedliche Risikopositionen beispielsweise im Währungs- und Zinsbereich absichern. Mit der Erfüllung dieser Funktionen tragen derivative Produkte zu einer Vervollkommnung – im Sinn der Transparenz und der Kosten – und Vervollständigung – im Sinn der Handelbarkeit beliebiger Zahlungsströme – der Finanzmärkte und damit zu einer Verbesserung der Informationslage und zu gesamtwirtschaftlichen Produktivitätszuwächsen bei. Diese positiven Effekte können aber nur dann erzielt werden, wenn Derivate sachgerecht eingesetzt und die mit ihnen verbundenen Risiken angemessen berücksichtigt und geregelt werden. Trotz dieser von der Wissenschaft und Experten allgemein anerkannten Vorzüge geraten derivative Finanzinstrumente und Märkte immer wieder in die Kritik. Insbesondere in Krisenzeiten – so auch in der Finanzkrise 2009 – werden sie vorschnell und für negative Marktentwicklungen und hohe Volatilitäten verantwortlich gemacht. Solche Zeiten sind typischerweise von einer strengen Regulierung der Märkte geprägt, manches Mal werden sogar bestimmte Produkte ganz verboten. Thomas Bossert leitet sein Buch mit der Beobachtung ein, dass es häufig sehr extreme Ansichten zu derivativen Finanzinstrumenten gibt. Einerseits gibt es Marktteilnehmer, die diese Produkte als „Wunderwaffe“ vergöttern. Andererseits werden sie als „Teufelszeug“ pauschal verurteilt. In diesem Spannungsfeld ist es das Anliegen von Thomas Bossert, dem Leser eine realistische und damit ausgewogene Position der Vorzüge und Risiken dieser Instrumente zu vermitteln. Es folgt eine über 600 Seiten lange, sehr lesenswerte Abhandlung zu Derivaten im Portfoliomanagement. Nach einer knappen Einführung in die notwendigen finanzmathematischen Grundlagen (Kap. 1) werden die wesentlichen Eigenschaften und die Bewertungsverfahren von Futures und Optionen vorgestellt (Kap. 2). In Kap. 3–5 werden Einsatzgebiete von Derivaten – wie Hedging sowie die Optimierung der Performance und Risiken – anhand realer Praxisbeispiele beschrieben. Spezialgebiete von Derivaten werden in Kap. 6 und 7 behandelt. Thematisiert werden dabei Fragen des Risikomanagements und der Regulierung von VII
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Geleitwort
Derivaten, exotische Optionen sowie Derivate als Informationsquellen beispielsweise in Form von impliziten Volatilitäten. Das Buch ist aus verschiedenen Gründen sehr lesenswert. Trotz der sehr breiten wissenschaftlichen Literatur und der vielen wissenschaftlichen Lehrbücher haben sich die oben skizzierten grundlegend verschiedenen Positionen zu Derivaten immer noch nicht angenähert. Das lässt nur den Schluss zu, dass diese Literatur viele Anwender nicht erreicht. Anders als die klassischen Lehrbücher verzichtet Thomas Bossert deshalb auf formale Herleitungen der häufig komplexen Bewertungsverfahren. Zwar kommt ein solches Buch nicht ganz ohne Formeln aus, aber die formalen Darstellungen beschränken sich auf die wesentlichen Ergebnisse, die zudem anschaulich ökonomisch erläutert werden. Das macht das Lesen sehr viel einfacher. Insbesondere gefällt mir die konsequente und sehr konkrete Praxisorientierung des Derivateeinsatzes im Portfoliomanagement, was das Buch einzigartig macht. Dies wird beispielsweise in den Ausführungen zum Short Hedge (Abschn. 3.1) und Risikomanagement (Abschn. 6.1) deutlich. Thomas Bossert beschreibt nicht nur das obligatorische Vorgehen beim Short Hedge (Wahl der Laufzeiten der Derivate, Umgang mit den Basisrisiken), sondern auch praktische Fragestellungen, ob beispielswiese ein Put einem Call vorzuziehen ist und wie die Absicherung finanziert werden kann. Bei der Analyse der Risikomanagementprozesse widmet sich Thomas Bossert zudem Fragen der Risikophilosophie und damit dem wichtigen Thema, wie eine Organisation auf den Einsatz technischer Risikomanagementverfahren reagiert. Die Ausführungen zeugen somit nicht nur von einem ausgezeichneten Fachwissen, sondern insbesondere von sehr umfangreichen Anwendererfahrungen des Autors. Die Ausführungen sind somit erfrischend einfach zu lesen, gut verständlich und klar strukturiert. Das Buch ist für Portfoliomanager eine Pflichtlektüre, da sich Kapitalanlagen heutzutage kaum noch effizient ohne Derivate managen lassen. Mitarbeiter in den Bereichen Risikocontrolling, Compliance und Buchhaltung der Asset Manager können von den praxisorientierten Ausführungen profitieren, ebenso Vertriebsmitarbeiter, die in der Lage sein müssen, Investoren die Vorteile und Risiken des Derivateeinsatzes im Rahmen des Portfoliomanagements zu erklären. Regulatoren und Asset Consultants sollten das Buch in ihrer Bibliothek vorhalten, um sich jederzeit anwendungsbezogen über den Derivateeinsatz insbesondere im Portfoliomanagement informieren zu können. Schließlich ist das Buch auch für Studenten und Akademiker geeignet, die Derivate nicht nur formal, sondern in ihrer ökonomischen Anwendung im Portfoliomanagement verstehen wollen. Das Buch eignet sich zudem als sehr gutes Kompendium zu derivativen Finanzinstrumenten, da es nahezu alle Quellen der letzten Jahre zu diesem Thema erfasst. Wenn es sich ein Geschäftsführer einer der großen deutschen Fondsgesellschaften mit 30-jähriger Erfahrung zur Aufgabe macht, ein solch umfangreiches Buch zu Derivaten im Portfoliomanagement zu schreiben, dann verdient dies eine außerordentliche Anerkennung. Es ist sehr zu wünschen, dass das Buch eine große Leserschaft gewinnt und damit einen Beitrag zur notwendigen Versachlichung der Diskussion um derivative Finanzinstrumente leistet. Vallendar, im Dezember 2016
Prof. Dr. Lutz Johanning
Geleitwort
Wie Thomas Bossert richtig in seinem Vorwort ausführt, ist die Verzahnung von Praxis und Wissenschaft wichtig und auch in beiderseitigem Interesse. Die an Grundlagen interessierte Wissenschaft hat dabei zwangsläufig zuvorderst die Aufgabe, eben diese Grundlagen zu schaffen und dabei, auch bei der Vermittelbarkeit, zunächst vorrangig an den internen Diskurs zu denken. Dabei kann es allerdings nicht bleiben. Denn letztlich muss sich gerade in einem anwendungsbezogenen Bereich wie dem des Finance jede Theorie beweisen. Bruce Wasserstein hat in seinem Buch „Big Deal: Mergers and Acquisitions in the Digital Age“ den Prozess der praxisbezogenen Auslese und Vermittlung der Ergebnisse der Wissenschaft wie folgt dargestellt: Essentially, every five years a bright business school professor comes up with a new twist and publishes it in the Journal of Finance or some other academic periodical. It filters down, often through consultants and bankers, to corporations, to adapt variant forms of the theories. But it’s all theoretical as hell, so naturally the theories get adapted and tangled. As long as a sense of humor is kept, the exercises are worthwile.
Was Bruce Wasserstein hier vergessen hat, ist allerdings die Rolle von Büchern wie dem von Thomas Bossert und die Rolle ihrer Autoren, insbesondere wenn diese es schaffen, den Kontakt zur Wissenschaft zu halten und dabei doch „mit beiden Beinen in der Praxis stehen“. Als jemand, der als Professor in INSEAD im Rahmen des einführenden Finanzkurses auch die Grundlagen der Derivate, bis hin zu einem intuitiven Verständnis der BlackScholes-Formel, zwar hochmotivierten, aber letztlich analytisch sehr unterschiedlich „vorbelasteten“ Studenten nahebringen musste, sind mir gerade bei diesem Thema auch die pädagogischen Schwierigkeiten bewusst. Thomas Bossert hat einen guten Mittelweg in der Darstellung gewählt, da er wichtige Formeln angibt, den Platz allerdings dann wesentlich auf die ökonomische Erläuterung statt ihre Herleitung verwendet. Dabei merkt man dem Autor auch das stete Bemühen an, durch eine klare Sprache, eine notwendigerweise reduzierte Finanz- und Derivatemathematik mit vielen Beispielen einem breiten Leserkreis zu vermitteln. Konsequenterweise beschränkt sich die Darstellung dann auch nicht auf das Aufsetzen isolierter Trades, wie in manch anderem Derivatebuch. Thomas IX
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Geleitwort
Bossert nimmt einen holistischeren Ansatz, sowohl hinsichtlich des Einsatzes von Derivaten im gesamten Kontext des Portfoliomanagements als auch hinsichtlich des möglichen Leserkreises, ein. Dieses Buch eignet sich nicht zuletzt auch für all jene, die zwar nicht selbst den richtigen Einsatz eines Derivats etwa im Rahmen eines Hedges entscheiden, aber solche Entscheidungen in ihrer Gesamtheit verstehen, überblicken und ggf. kontrollieren sowie auch gegenüber Dritten wieder vermitteln müssen. Besonders dürften damit von diesem Buch auch Mitarbeiter im Risikocontrolling und in der Compliance-Abteilung von Asset Managern aber auch Regulatoren und Asset Consultants profitieren. Und damit leistet Thomas Bossert mit diesem Buch einen wesentlichen Beitrag im langen Prozess der Schaffung, der Vermittlung und des Anwendens neuer Erkenntnisse. Denn dieses Buch schließt gerade in dieser Hinsicht eine Lücke. Frankfurt, März 2017
Prof. Dr. Roman Inderst
Vorwort
Man soll die Dinge so einfach machen wie möglich – aber nicht einfacher. Albert Einstein (1933) zugeschrieben Es gibt zwei pathologische Einstellungen Derivaten gegenüber: Zum einen sind da Anleger, die Derivate scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Zum anderen solche, die neuartige Instrumente unreflektiert einsetzen, einfach nur, weil sie existieren, weil sie neu und „cool“ sind. Dieses Buch soll beiden Typen helfen, eine ausgewogene Haltung gegenüber dem Einsatz von Derivaten zu entwickeln, denn heutzutage ist ein zeitgemäßes Portfoliomanagement ohne derivative Finanzinstrumente praktisch nicht mehr vorstellbar. In professionellen Kreisen ist die Akzeptanz mittlerweile so weit gediehen, dass ein grundsätzliches „Ja“ zu Derivaten eher die Regel als die Ausnahme darstellt, dies umso mehr, seit viele Investoren im Niedrigrenditeumfeld erkannt haben, dass Derivate ihre Handlungs- und Ertragsmöglichkeiten beträchtlich erweitern können. Dennoch ist der Einsatz von Derivaten auch in institutionellen Portfolios noch keine Selbstverständlichkeit. Dies ist oftmals darauf zurückzuführen, dass der Anleger selbst oder wahrscheinlicher noch das Aufsichtsgremium, dem gegenüber er sich letztlich verantworten muss, nur unzureichenden Einblick in das Leistungsspektrum von derivativen Finanzinstrumenten und die Möglichkeiten zur Verbesserung von Rendite UND Risiko im Portfolio haben. Dieses breite Einsatzspektrum möchte ich in diesem Buch abstecken. Gleichzeitig ist der Einsatz von Derivaten in Portfolios bei aller Gemeinsamkeit mit anderen Anlageformen durch eine Reihe von Besonderheiten gekennzeichnet, die ebenfalls beleuchtet werden. In diesem Sinne möchte ich all den Lesern, die zwischen den beiden pathologischen Extremen liegen (und das dürften zum Glück die allermeisten sein) Informationen und Inspirationen dazu geben, wie Derivate sie bei der Lösung ihrer Anlageprobleme unterstützen können. Dieses Buch ist in erster Linie ein praktisches und das Resultat täglicher Arbeit und unzähliger Diskussionen über die letzten 30 Jahre mit derivatekundigen Portfoliomanagern, Händlern, Analysten, Risiko-Controllern, institutionellen Investoren und Weiterbildungsteilnehmern, für die ich sehr dankbar bin. Es ist jedoch nicht nur ein Buch für Praktiker. Im Austausch mit hervorragenden Akademikern und in gemeinsamen Veranstaltungen mit ihnen habe ich nicht nur viel dazugelernt, sondern auch festgestellt, dass Einblicke in und XI
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Vorwort
Lehren aus der Praxis zur Bereicherung der akademischen Arbeit beitragen können und aktiv nachgefragt werden. Um darzustellen, wie Derivate zur Lösung von Anlageproblemen beitragen können, ist das Buch nach Einsatzzwecken gegliedert. Anstatt die einzelnen Instrumente und deren jeweilige Einsatzmöglichkeiten zu besprechen, orientiert sich der Aufbau am Anwender, geht von dessen anlagetechnischen Fragestellungen aus und erklärt derivatebasierte Lösungsmöglichkeiten. So tauchen bestimmte Derivatepositionen an verschiedenen Stellen des Buches auf, je nachdem aus welchen Überlegungen des Anlegers heraus die einzelne Position geboren wurde und welches Anlageproblem es derivativ zu lösen gilt. Ein Short Call kann eben eine Position sein, um einen Mehrertrag gegenüber einer nicht veroptionierten Position zu erzielen, aber auch ein Ersatz für eine limitierte Verkaufsorder. Er kann eine Volatilitätsposition darstellen, vielleicht gar eine Teilabsicherung gegen fallende Kurse, eine Maßnahme zur Liquiditätsbeschaffung und einiges mehr. Dieser Blick aus unterschiedlichen Anwenderblickwinkeln soll Querverstrebungen im vermittelten Wissensgerüst bilden und diese aushärten, vor allem aber auch den Blick für unterschiedliche Anwendungsmöglichkeiten von Derivaten schulen und so letztlich die Kreativität des Nutzers in der Vermögensanlage unterstützen. Um dieses Ziel zu erreichen, habe ich mich bemüht, Struktur und Niveau so anzulegen, dass ich Thompson gerecht werde, der in der Vorrede seines mathematischen Lehrbuchs schreibt [zitiert in Reiners, L. (2004): Stilkunst – Ein Lehrbuch deutscher Prosa, C.H. Beck, S. 32–33]: Die Männer, welche Lehrbücher für fortgeschrittene Mathematiker verfassen, geben sich selten Mühe, uns zu zeigen, dass tatsächlich viele Rechenverfahren im Grunde recht einfach und leichtverständlich sind. Sie scheinen im Gegenteil nur den Wunsch zu haben, uns durch abstrakte Beweise ihren Scharfsinn darzutun, und schlagen deshalb oft den dornenvollen Weg ein, um das gesteckte Ziel zu erreichen. Da ich mir selbst nun auch nicht allzu viel zutrauen kann, musste ich mir diese Schwierigkeiten allein aus dem Weg räumen. Jetzt ist jedoch an mich der Ruf ergangen, meine armen Mitmenschen mit den Rechenverfahren bekanntzumachen, soweit sie nicht gar zu schwer sind. Wenn wir diese erst gründlich beherrschen, wird das übrige ganz von selbst kommen – was ein Durchschnittsmensch kann, kann ein anderer auch.
Als ein solcher Durchschnittsmensch bin ich sicher, dass ein praxisorientiertes Derivatebuch weder höhere Mathematik noch eine mathematisierte Sprache benötigt. Die grundlegenden Berechnungen in der Derivatesphäre sind oft von bestechender Eleganz. Sicherlich wirken sie manchmal optisch abschreckend, stellen sich aber als allenfalls lang, aber selten komplex heraus – und es gibt keinen Grund, sie intellektuell anspruchsvoller zu machen als unbedingt nötig. Bestenfalls verleidet es einem das Thema. Schlechtestenfalls produziert die nicht vollständig verstandene Scheingenauigkeit eine Menge Verluste – und man ist dann wieder schnell dabei, diese den „bösen Derivaten“ anzulasten. Natürlich kommt deswegen ein Buch über Derivate nicht ohne Formeln aus, ebenso wenig wie das moderne Portfoliomanagement allgemein. Ein Mindestmaß an mathemati-
Vorwort
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schen Kenntnissen oder zumindest eine Aufgeschlossenheit der Materie gegenüber ist als Eintrittskarte in der Regel ausreichend, gleichzeitig aber auch unabdingbar. Aufgrund der vielen Facetten des Themas sind einige Bereiche in erster Linie angerissen, um klar zu machen, dass dieser Bereich überhaupt existiert, in dem der Einsatz von Derivaten ebenfalls von Vorteil ist. Idealerweise resultiert daraus für den einen oder anderen Leser vielleicht der entscheidende Anstoß, um ein Anlageproblem, mit dem er sich konfrontiert sieht, durch den Einsatz von Derivaten zu lösen. Zum spezifischen Vorgehen findet er einen Fundus an weiterführender Literatur. Nach einer kurzen Einführung in essenzielles Handwerkszeug des modernen Portfoliomanagements und die Instrumente „Optionen“ und „Futures“ werden die Anwendungsgebiete „Absicherung“, „Performance-Verbesserung“ und „Risikosteuerung“ ausführlich besprochen. Dabei steht stets die Perspektive des Praktikers im Vordergrund, die jedoch durch den nötigen theoretischen und empirischen Unterbau ergänzt wird und das erforderliche Hintergrundwissen vermittelt, um die Instrumente im Rahmen der finanziellen Selbstverteidigung sachgerecht einzuschätzen und einzusetzen. Im sich anschließenden Kapitel werden Aspekte ergänzt, die im täglichen Umgang mit Derivaten zu beachten sind. Den Abschluss bildet eine Darstellung, wie die Analyse von Derivaten und den Märkten, auf denen sie gehandelt werden, zum besseren Verständnis der Finanzmärkte insgesamt – und vielleicht gar der realen Welt – beitragen kann.
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Finanzmathematische Grundlagen 1.1 Rendite . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Mittelwerte . . . . . . . . . . . . 1.3 Streuungsparameter . . . . . . . 1.4 Volatilität . . . . . . . . . . . . . 1.5 Value at Risk (VaR) . . . . . . . 1.6 Renditeverteilung . . . . . . . . 1.7 Diversifikation . . . . . . . . . . 1.8 Wertentwicklungspfade . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Eigenschaften und Bewertung von Derivaten 2.1 Derivative Instrumente im Überblick . . . 2.2 Einsatz von Derivaten . . . . . . . . . . . . . 2.3 Futures . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Auszahlungsprofil . . . . . . . . . . 2.3.3 Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3.1 Cost of Carry . . . . . . . . 2.3.3.2 Basis . . . . . . . . . . . . . 2.3.4 Aktien-Futures . . . . . . . . . . . . 2.3.4.1 Aktienindex-Futures . . . . 2.3.4.2 Einzelaktien-Futures . . . . 2.3.5 Renten-Futures . . . . . . . . . . . . 2.3.5.1 Konversionsfaktor . . . . . 2.3.5.2 Cheapest-to-Deliver . . . . 2.3.6 Margin . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Optionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.1 Moneyness . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.2 Amerikanisch versus europäisch . . 2.4.3 Bewertungsmodelle . . . . . . . . .
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2.4.4 Volatilität in der Optionspreisbewertung 2.4.5 Optionsrisikokennzahlen . . . . . . . . . 2.4.5.1 Delta . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.5.2 Omega/Lambda . . . . . . . . . . 2.4.5.3 Gamma . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.5.4 Theta . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.5.5 Vega . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.5.6 Vanna und Volga . . . . . . . . . 2.4.5.7 Rho . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.5.8 Übersicht . . . . . . . . . . . . . . 2.4.6 Margin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.7 Rentenoptionen . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.7.1 Optionen auf Renten-Futures . 2.4.7.2 Zinsoptionen . . . . . . . . . . . 2.5 Wichtigste Kontrakte . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.1 Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.2 Renten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
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Hedging . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Short Hedge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Abzusichernde Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Absicherungszeitpunkt(e) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.3 Symmetrische versus asymmetrische Absicherung . . . . . . . . . 3.1.4 Call oder Put . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.5 Wahl des Basispreises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.5.1 Außenfinanzierung der Absicherung . . . . . . . . . . . . . 3.1.5.2 Innenfinanzierung der Absicherung . . . . . . . . . . . . . 3.1.6 Welcher Anteil des Portfolios soll abgesichert werden? . . . . . . . 3.1.7 Wahl der Laufzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.7.1 Absicherungsperiode zwischen zwei Kontraktfälligkeiten 3.1.7.2 Absicherungsperiode über mehrere Kontrakte . . . . . . . 3.1.8 Börsennotiert versus OTC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.9 Statisch oder dynamisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Long Hedge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Hedge Ratio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Naiver Hedge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Exakter Hedge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.1 Renten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.2 Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.3 Zusammenfassung Future Hedge . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2.4 Absicherung mittels Volatilität . . . . . . . . . . . . . . . .
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3.3.2.5 Absicherung mit Optionen . . . . . . . . . Dynamischer Hedge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.1 Delta Hedge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.2 Transaktionsfilter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.3 Delta-Gamma Hedge . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.4 Pro und Contra dynamischer Hedge . . . . . . . . . 3.4.5 „Das Schwarze Loch der Liquidität“ . . . . . . . . 3.5 Praktische Probleme bei der Absicherung . . . . . . . . . 3.5.1 Basisrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.2 Veränderung der Cheapest-to-Deliver . . . . . . . . 3.5.3 Nichtparallelverschiebung der Zinsstrukturkurve . 3.5.4 Round Lot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.5 Cross Hedge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.6 Roll-over . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.7 Liquidität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Derivate zur Optimierung der Performance . . . . . . . . . . . 4.1 Arbitrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1 Ausnutzung von Abweichungen vom Fair Value . . 4.1.2 Futures gegen kombinierte Optionsportfolios . . . . 4.1.3 Abweichender risikoloser Zins . . . . . . . . . . . . . 4.1.4 Inter Market Arbitrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.4.1 (Praktisch) identische Produkte . . . . . . . 4.1.4.2 Umverpackte Derivate . . . . . . . . . . . . . 4.1.5 Regulatorische Arbitrage . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.6 Steuer-Arbitrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.7 Instrumentelle „Arbitrage“ . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.8 Kapitalstruktur-„Arbitrage“ . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Schreiben von Optionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Verkauf von Kaufoptionen . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1.1 Motivationen für Covered Short Call . . . . 4.2.1.2 Short Call im Absolute Return . . . . . . . . 4.2.1.3 Short Call im Relative Return . . . . . . . . 4.2.1.4 Chancen von systematischem Call Writing 4.2.1.5 Flexibles Call Writing . . . . . . . . . . . . . 4.2.1.6 Short Call auf Renten . . . . . . . . . . . . . 4.2.2 Verkauf von Verkaufsoptionen . . . . . . . . . . . . . 4.3 Handel der Richtung des Marktes . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.1 Overlay . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.1.1 Hebel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.1.2 Verkauf von Optionen . . . . . . . . . . . . .
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3.4
4
XVII
XVIII
Inhaltsverzeichnis
4.3.1.3 Buy-write . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 4.3.2 Basis Trades . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 4.3.3 Spreads . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 4.3.3.1 Intra Contract Spread . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 4.3.3.2 Inter Contract Spread . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 4.3.3.3 Inter Market Spread . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 4.4 Handel der Richtung der Volatilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 4.4.1 Volatilitätsallokation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 4.4.2 Handel der realisierten Volatilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 4.4.3 Handel der impliziten Volatilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 4.4.4 Relative Value Volatility Trades . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 4.4.5 Erfolgspotenzial von Volatilitätsstrategien . . . . . . . . . . . . . . . 294 4.4.6 Umsetzungsvehikel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 4.4.6.1 Optionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 4.4.6.2 Spreads . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 4.4.6.3 Straddle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 4.4.6.4 Strangle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 4.4.6.5 Butterfly . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 4.4.6.6 Condor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 4.4.6.7 Volatilitätsderivate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 4.4.6.8 Entscheidungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 4.4.7 Korrelationshandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 4.5 Kostensenkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 4.5.1 Nach-Kosten Alpha . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 4.5.2 Exchange for Physical . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 4.6 Optimierung der Nachsteuer-Performance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 4.6.1 Quellen für Steuer-Arbitrage-Strategien . . . . . . . . . . . . . . . . 329 4.6.1.1 Unterschiedliche Besteuerung wirtschaftlicher Ergebnisse 329 4.6.1.2 Unterschiedliche Besteuerung von Anlegergruppen . . . . 333 4.6.2 Strategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 4.6.2.1 Synthetische Long-Positionen . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 4.6.2.2 Synthetische Short-Positionen . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 4.6.2.3 Restrukturierung von Cashflows . . . . . . . . . . . . . . . 345 4.6.3 Geldwäsche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 5
Feinsteuerung des Risikoprofils . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Erwerbsvorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Liquiditätssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1 Investition von Liquidität . . . . . . . . . . . 5.2.2 Aufbau synthetischer Geldmarktpositionen 5.2.3 Cash Extraction . . . . . . . . . . . . . . . . .
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361 361 362 362 364 366
Inhaltsverzeichnis
XIX
5.2.4 Erschließung von Liquidität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Asset Allocation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.1 Rebalancing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.2 Internationale Asset Allocation . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.2.1 Trennung von Markt und Währungs-Exposure . . . 5.3.2.2 Reduzierung von Abrechnungsfriktionen . . . . . . 5.3.3 Erschließung neuer Asset-Klassen . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Indexierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5 Steuerung des Marktrisikos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.1 Steuerung des Beta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.2 Steuerung der Duration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.6 Aussteuerung extremer Marktbewegungen . . . . . . . . . . . . . . . 5.7 Allokation auf der Zinsstrukturkurve . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.8 Management der Konvexität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.9 Ersatz einer Aktienposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.10 Alternative zu einem Leerverkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.11 Stimmrechtsextraktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.12 Kombinierte Positionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.12.1 Long-Short-Portfolios . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.12.2 Diversifikation konzentrierter Positionen . . . . . . . . . . . 5.13 Hebeln einer Einzelaktienposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.14 Isolierung des Alpha . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.15 Faktorrisiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.16 Setzen von Stops . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.16.1 Sell Stop . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.16.2 Stop Loss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.16.3 Buy Stop . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.16.4 Implizite Stops . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.17 Absicherung des Betriebsergebnisses eines Vermögensverwalters . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Besondere Herausforderungen beim Derivateeinsatz . . . 6.1 Risikomanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.1 Organisation des Derivate-Risikomanagements . 6.1.2 Risikomanagementprozess . . . . . . . . . . . . . 6.1.3 Risikomanagementphilosophie . . . . . . . . . . . 6.1.4 Modellrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.5 Optionsspezifische Analyseaspekte . . . . . . . . 6.1.5.1 Performance-Analyse . . . . . . . . . . . 6.1.5.2 Risikoanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Optionen im Zeitablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.1 Volatilitätseffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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423 424 425 426 428 431 434 435 443 448 448
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6
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XX
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6.2.2 Umbau der Position . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.3 Pin Risk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Extremmärkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.1 Lieferengpässe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.2 Marktmanipulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4 Exotische Derivate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.1 Exotische Basiswerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.2 Exotische Optionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.2.1 Zahlungsprofil verändernde Optionen . . 6.4.2.2 Zeitabhängige Optionen . . . . . . . . . . 6.4.2.3 Pfadabhängige Optionen . . . . . . . . . . 6.4.2.4 Grenzwertabhängige Optionen . . . . . . 6.4.2.5 Mehrfaktorenoptionen . . . . . . . . . . . . 6.4.2.6 Kosten und Nutzen exotischer Optionen . 6.5 Dividendenrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.6 Margin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.6.1 Hedge Tailing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.6.2 Cash Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.7 Abwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.8 Image . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.8.1 Fachwissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.8.2 Psychologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.8.3 Derivate Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.8.4 Schadensfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.8.5 Ethische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.9 Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.9.1 Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.9.2 Regulierung im Zeitablauf . . . . . . . . . . . . . . 6.9.3 Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.10 Bilanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
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Derivate als Informationsquelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1 Informationen in Echtzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Implizite Volatilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.1 Zusammenspiel historische und implizite Volatilität . 7.2.2 Volatilitätsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.2.1 Volatilitätshistorie . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.2.2 Wirtschaftliche Makrotreiber . . . . . . . . . 7.2.2.3 Sonstige Makrotreiber . . . . . . . . . . . . . . 7.2.2.4 Marktstrukturbedingte Treiber . . . . . . . . . 7.2.2.5 Unternehmensspezifische Treiber . . . . . . .
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551 552 553 553 555 557 558 562 564 574
Inhaltsverzeichnis
7.3
7.4 7.5 7.6
7.7 7.8 7.9
7.2.2.6 Zusammenspiel der Volatilitätsquellen . . . . . . . . . . . 7.2.3 Volatilität als Schätzer der zukünftigen Volatilität . . . . . . . . . 7.2.3.1 Volatilitätsprognose mittels impliziter und historischer Volatilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.4 Implizite Volatilität als Schätzer der Marktrichtung . . . . . . . . 7.2.5 Informationen aus der Volatilitätsstrukturkurve . . . . . . . . . . . 7.2.6 Volatility Skew . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.6.1 Erklärungen für den Skew . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.6.2 Volatilitätsindizes und Skew . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.7 Volatilität der Volatilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.8 Wahrscheinlichkeitsverteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.8.1 Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.8.2 Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.9 Implizite Korrelation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verbessertes Portfoliomanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.1 Input für Portfoliooptimierung und Risikomanagement . . . . . . 7.3.1.1 Verbesserte Risikoschätzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.1.2 Kontrolle von Chancen und Risiken aktiver Positionen . 7.3.2 Verbesserung des operativen Managements von dynamischen Strategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prognose von Credit Spreads . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konstruktion einer performance-abhängigen Vergütung . . . . . . . . . . Informationen aus der Anwenderstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.6.1 Zentralbanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.6.2 Asset-Liability Manager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.6.3 Investoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.6.3.1 Asset Manager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.6.3.2 Hedgefonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.6.3.3 Privatanleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.6.4 Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.6.4.1 Banken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.6.4.2 Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.6.5 Besondere Effekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.6.5.1 Effekte durch die Einführung von Derivaten . . . . . . . 7.6.5.2 Effekte bei Verfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.6.5.3 Effekte am Tagesende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.6.5.4 Einfluss auf die Volatilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.6.5.5 Liquiditätseffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.6.5.6 Informationseffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Informationen an den Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prognose von Dividenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Volumen und Open Interest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XXI
. 575 . 578 . . . . . . . . . . . . . . .
579 587 594 598 602 613 614 614 614 618 621 622 622 622 624
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XXII
Inhaltsverzeichnis
7.10 7.11 7.12 7.13 7.14 7.15
Put/Call Ratio . . . . . . . . . . . . . . . Calender Spreads . . . . . . . . . . . . . Realoptionen . . . . . . . . . . . . . . . . Performance Attribution . . . . . . . . . Prognose volkswirtschaftlicher Größen Neue Perspektiven durch Derivate . . . 7.15.1 Fed Put . . . . . . . . . . . . . . . 7.15.2 Derivate mit Wettcharakter . . . 7.15.2.1 Wahlwetten . . . . . . . 7.15.2.2 Terror Futures . . . . . . 7.15.3 Tagtägliche Optionen . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Bildrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 727 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 729
1
Finanzmathematische Grundlagen
I
Einleitung In diesem Kapitel werden einige grundlegende Begriffe und Konzepte aus der Finanzmathematik erklärt, deren Kenntnis erforderlich ist, um die Grundzüge des Portfoliomanagements im Allgemeinen und Derivate im Besonderen zu verstehen. Sollten Ihnen diese Grundlagen vertraut sein, können Sie das komplette Kapitel gefahrlos überspringen. Sollten Sie sich ein wenig tiefer mit der Materie befassen wollen, mag der kompakte Klassiker von Kritzman (1995) eine gute Wahl sein.
1.1 Rendite Das prozentuale Ergebnis einer Anlage erhält man, indem man die Wertveränderung in Relation zum Kapitaleinsatz setzt: r D .Endwert Anfangswert/=Anfangswert D Endwert=Anfangswert 1
(1.1)
Sollten noch weitere Erträge wie Zinsen und Dividenden vereinnahmt worden sein, werden diese dem Endwert zugeschlagen. Wenn man statt dieser diskreten Renditen stetige verwendet, hat man den Vorteil, dass sich gleiche absolute Veränderungen in gleichen prozentualen Veränderungen widerspiegeln. Außerdem sind stetige Renditen eher normalverteilt, was im weiteren Verlauf insbesondere bei der Risikoberechnung von Vorteil ist. r D ln.Endwert=Anfangswert/
(1.2)
mit ln = natürlicher Logarithmus.
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017 T. Bossert, Derivate im Portfoliomanagement, https://doi.org/10.1007/978-3-658-17574-0_1
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1 Finanzmathematische Grundlagen
1.2 Mittelwerte Diese Kennzahlen werden herangezogen, wenn es darum geht, die zentrale Frage zu beantworten: „Wie hoch war die durchschnittliche Rendite meiner Anlage?“, also: „Wie ist das Verhältnis zwischen dem Ergebnis meiner Investition und dem eingesetzten Kapital?“ Je nachdem, wie man das Ergebnis misst, erhält man unterschiedliche Werte. Die wichtigsten Maße für die Bestimmung eines Zentralwerts sind das arithmetische und geometrische Mittel sowie der Median und der Modus. Sortiert man die Renditen einzelner Perioden der Höhe nach, so ist der Median der Wert, der in der Mitte dieser Aufreihung liegt. Als einzelne Kennzahl zur Durchschnittsrendite ist der Median eher ein Außenseiter. Für ihn spricht jedoch, dass er sich gegenüber Extremwerten/Ausreißern als recht robust erweist. Ein weiterer Wert, der in der Statistik hin und wieder auftaucht, ist der häufigste Wert, der Modus. Er bezeichnet den Wert, der am häufigsten in einer Stichprobe auftaucht. Auch er ist in der Finanzmathematik nicht sehr gebräuchlich. Wesentlich verbreiteter sind das arithmetische und geometrische Mittel. Um diese interpretieren und weiter verwenden zu können, ist es erforderlich, zu verstehen, welche Annahmen ihnen zugrunde liegen. Das arithmetische Mittel a entspricht der Summe der Einzelwerte geteilt durch die Anzahl der Einzelwerte: 1X ri N iD1 N
a D .r1 C r2 C : : : C rN /=N D
(1.3)
mit N = Anzahl der Renditen ri = Rendite in Periode i Es unterstellt einen Investor, der zu Beginn jeder Anlageperiode (meist handelt es sich um einzelne Jahre) – wieder das gleiche Kapital investiert. Hat er also im Vorjahr einen Gewinn gemacht, entnimmt er diesen am Jahresende. Hat er einen Verlust gemacht, wird er diesen einschießen, um so das ursprünglich investierte Anfangskapital wiederherzustellen. Dadurch wird der für die langfristige Kapitalanlage so wichtige Zinseszinseffekt eliminiert. Natürlich handelt es sich dabei um einen Investor, dessen Anlagebaren als durchaus „außergewöhnlich“ zu bezeichnen ist. Das geometrische Mittel g hingegen gibt an, wie hoch die durchschnittliche jährliche Zuwachsrate des Vermögens ist, wenn man davon ausgeht, dass etwaig zwischenzeitlich angefallene Ausschüttungen wieder reinvestiert wurden. Diese Rendite wird auch als zeit-
1.2
Mittelwerte
3
gewichtete Rendite bezeichnet.
g D
p N
v uN uY N .1 C r1 /.1 C r2 / : : : .1 C rN / 1 D t .1 C ri / 1
(1.4)
iD1
Das geometrische Mittel liegt grundsätzlich unter dem arithmetischen, bestenfalls drauf, wenn es keine Schwankungen in der Zeitreihe gibt. Beispiel
Die Tab. 1.1 vergleicht die Entwicklung zweier Anlagen. Beide kommen zu einem arithmetischen Mittelwert von fünf Prozent. Anlage A erreicht dies über eine einheitliche Performance von fünf Prozent in jeder einzelnen Periode. Für diese Anlage errechnet sich auch ein geometrisches Mittel von fünf Prozent. Anlage B erreicht die (arithmetischen) durchschnittlich fünf Prozent auf Umwegen. In neun von zehn Perioden erzielt die Anlage eine Performance von sechs Prozent. In der dritten Periode kommt es jedoch zu einem scharfen Einschnitt in Form eines 45-prozentigen Kursverlusts. Dieser Absturz und das daraus resultierende unterschiedliche Profil im Vergleich zu Anlage A drücken sich in einem geometrischen Mittel von lediglich 3,28 % aus.
Tab. 1.1 Beispiel arithmetisches und geometrisches Mittel
Mittelwert
Perioden-Performance Anlage A (in %) 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5 Arithmetisch 5 Geometrisch 5
Anlage B (in %) 10 10 45 10 10 10 10 10 10 10 10 Arithmetisch 5 Geometrisch 3,28
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1 Finanzmathematische Grundlagen
Je höher die Schwankung in den einzelnen Perioden ausfällt und je länger der Investitionszeitraum, desto weiter wird die arithmetische über der geometrischen Rendite liegen. Das arithmetische Mittel eignet sich also eher, wenn es darum geht, die Frage zu beantworten, wie hoch voraussichtlich die Rendite im kommenden Jahr sein wird. Diese läge bei beiden Anlagen bei fünf Prozent. Möchte man allerdings die Wahrscheinlichkeitsverteilung des Endvermögens einer mehrjährigen Anlage ermitteln, zieht man besser das geometrische Mittel heran. An einem drastischen Beispiel lässt sich der Unterschied zwischen arithmetischem und geometrischem Mittel noch einmal schön vor Augen führen: Beispiel
Eine Anlage verdoppelt sich im ersten und halbiert sich im zweiten Jahr. Durch einfache Addition würde man auf eine Rendite von 100 % C (50 %) D 50 % (arithmetisch) kommen. Dieses Ergebnis erzielt ein Anleger aber eben nur dann, wenn er im ersten Jahr 100 C investiert, aus denen dann 200 C werden. Im zweiten Jahr investiert er von diesen 200 C wiederum 100 C, die sich auf 50 C halbieren, sodass er am Ende des zweiten Jahres über 100 C C 50 C D 150 C verfügt und damit seine anfänglichen 100 C um 50 % gesteigert hat. Belässt der Anleger zu Beginn der zweiten Investitionsphase das Kapital, über das er zu diesem Zeitpunkt verfügt, nämlich 200 C, auf dem Tisch, halbiert sich dieses wieder auf einen Endstand von 100 C. Geht es also darum, was aus den anfänglichen kommt man auf 100 C wird, wenn man sie zwei Jahre lang investiert und nicht anfasst,p eine Rendite von null Prozent. Geometrisch ergibt sich der Mittelwert .2 0;5/ 1 D 1 1 D 0. Würde man arithmetisch rechnen, läge die Fußangel natürlich im unterschiedlich großen Nenner bei der Berechnung der Renditen in den Einzelperioden. Logarithmisch lassen sich die einzelnen Wertentwicklungen zum langfristigen Wert addieren: ln(2) C ln(0,5) D 0,6931 0,6931 D 0. Wenn man sich mit langfristigen Renditebetrachtungen beschäftigt, sollte man seine Schritte mit Bedacht setzen. Der Zinseszinseffekt, den Albert Einstein als „größte Erfindung des menschlichen Geistes“ bezeichnete, hat einen teils gewaltigen Effekt auf die Ergebnisse und die daraus zu ziehenden Schlüsse. Man sollte sich bewusst sein, dass ein einziges Ereignis das Endergebnis in erheblichem Maß beeinflussen kann. Dabei muss dieses Schlüsselereignis gar kein großes gewesen sein. Dafür, dass es diese überragende Bedeutung erlangt, sorgt schon der Zinseszinseffekt, wenn nur der Betrachtungszeitraum lang genug ist. So argumentiert auch McLean (2012), dass die Bedeutung einzelner oder weniger Ausreißer für die langfristige Rendite mit Umsicht interpretiert werden muss. Separiert man nämlich den Effekt der Ausreißer vom Zinseszinseffekt, reduziert sich die Bedeutung einzelner Ereignisse mitunter drastisch. Nach seiner Berechnungsmethodik beruht beispielsweise der von Taleb (2008) sowie Mandelbrot und Taleb (2006) angeführte
1.4
Volatilität
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Unterschied zwischen der 50-Jahres-Performance des S&P 500 und derjenigen des gleichen Index ohne seine zehn besten Tage zu 99,3 % auf dem Zinseszinseffekt.
1.3 Streuungsparameter Der zweite Eckpunkt, wenn man über Kapitalanlagen spricht, ist neben der Rendite („Wie viel kann ich mit meinem Investment erwarten zu verdienen?“) das damit verbundene Risiko („Wie stark kann das Ergebnis von diesem Erwartungswert abweichen?“). Um sich ein Bild davon zu verschaffen, wie weit sich die Werte einer Stichprobe um den Mittelwert herum verteilen, kann man sich verschiedener Streuungsmaße bedienen. Man kann sich beispielsweise die Spannweite anschauen, also den Abstand zwischen dem größten und dem kleinsten Wert. Das sagt aber letztlich nur etwas über genau diese beiden Extremwerte aus. Die restlichen Werte fallen unter den Tisch, ganz egal, ob sie sich ebenfalls in der Nähe dieser beiden Extrema befinden oder das Maximum und das Minimum nicht repräsentative Ausreißer sind. Man könnte sich ebenso die durchschnittliche Abweichung vom Mittelwert anschauen. Man summiert dazu die Beträge der Abweichung jedes Werts vom Mittelwert und teilt die Summe durch die Anzahl der Abweichungen.
1.4 Volatilität Das gängige Risikomaß in der modernen Portfoliotheorie ist jedoch die Volatilität. Hinter der Volatilität (lateinisch: volatilis = flüchtig, vergänglich) verbirgt sich die Standardabweichung der Renditen, das heißt die Schwankungsbreite der Erträge um ihren Mittelwert. Mathematisch drückt sich dies aus als: sP .ri /2 (1.5) ¢D N1 mit ri = (natürlich) logarithmierte Periodenperformance1 = ri D ln P = Preis des Asset N = Anzahl der Beobachtungen
Pt Pt1
Im Zähler wird die Rendite jeder einzelnen Periode vom Mittelwert der Renditen des gesamten betrachteten Zeitraums abgezogen und quadriert. Die Summe dieser Differenzen wird durch die Anzahl der Beobachtungen abzüglich eins geteilt (da eine Beobachtung 1
Der natürliche Logarithmus zweier aufeinanderfolgender Preise liegt nahe bei der prozentualen Wertveränderung. Zum Beispiel errechnet sich mit zwei Preisen von 100,00 und 100,10: ln(100,10 / 100,00) D 0,099950 und (100,10 100,00) / 100,00 D 0,010000.
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1 Finanzmathematische Grundlagen
für den Mittelwert benötigt wird). Daraus erhält man die Varianz, die mittlere quadratische Abweichung (man quadriert die Renditen, bevor man sie mittelt, damit man nur positive Werte erhält). Zieht man aus dieser die Quadratwurzel, erhält man die Standardabweichung. Um die erwartete Volatilität einer Aktie zu bestimmen, bietet sich als erste Möglichkeit an, einmal auszurechnen, welche historische Volatilität diese Aktie aufwies, in welchem Maße sie also in der Vergangenheit geschwankt hat. Das Thema „Prognose der Volatilität“ wird ausführlich in Abschn. 7.2.3 ff. behandelt. Die Berechnung erfolgt anhand von Gl. 1.5 und ist ziemlich simpel. Während die meisten Taschenrechner, Tabellenkalkulationsprogramme und erst recht Optionsbewertungsprogramme diese Berechnung als Standard durchführen, lohnt es sich auf jeden Fall, zu verstehen, wie ein solcher Wert zustande kommt. Dies sei anhand eines einfachen Beispiels illustriert: Beispiel
Eine Aktie weist an sechs Handelstagen eine Tagesperformance zwischen 3,03 und 6,91 % auf. Daraus ergibt sich eine annualisierte historische Volatilität von 57,5 %. 7DJ
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3HUIRUPDQFH DEZHLFKXQJ
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Dazu errechnet man zunächst den Mittelwert der Tagesperformances. Diesen Wert zieht man von jeder einzelnen Tagesperformance ab. Die Differenzen werden quadriert und aufsummiert. Die daraus gewonnene Summe dividiert man durch sechs minus eins, also fünf. Damit hat man die Varianz berechnet. Zieht man aus dieser die Wurzel, erhält man die Standardabweichung der Aktie für den betrachteten Sechstageszeitraum. Die Volatilität wird in der Praxis auf eine Periode von einem Jahr normiert. Dazu wird die berechnete Tagesvolatilität mit der Wurzel der Anzahl der Handelstage in einem Jahr multipliziert. Als Erfahrungswert hat sich hier die Wurzel aus 252 eingebürgert. Auch 250 ist eine weithin akzeptierte Größe. 260 wird ebenfalls in manchen Modellen
1.4
Volatilität
7
verwendet. Es gibt hierfür keinen „richtigen“ Wert. Wichtig ist lediglich, dass man weiß, welche Konvention verwendet wird, wenn man auf Zahlen zurückgreift, die man nicht selbst berechnet hat, um Konsistenz und Vergleichbarkeit zu wahren. I
Tipp Egal, welcher Handelstagekonvention man folgt, es gilt die Faustformel, dass die annualisierte Volatilität rund der 16-fachen Tagesvolatilität entspricht, da die Wurzel aus 250, 252 und 260 jeweils im Bereich von 16 liegt. Weist eine Aktie also eine Jahresvolatilität von 32 % auf, entspricht dies einer Tagesvolatilität von zwei Prozent.
Zu beachten ist, dass diese Art der Berechnung sämtliche Tagesperformancewerte gleich gewichtet, egal ob es sich dabei um einen Wert neueren oder älteren Datums handelt. Die Folge ist ein gewisser Plateaueffekt, indem ein einzelner oder wenige Ausreißer in der Lage sind, den gesamten Durchschnittswert deutlich zu beeinflussen. Wenn man die historische Volatilität berechnet hat, um daraus Schlüsse für die Zukunft zu ziehen, muss man sich bewusst sein, dass man nicht mehr als eine Momentaufnahme gemacht hat. Die Volatilität ist aber allenfalls temporär stabil, ein Umstand, der schon in den Sechzigerjahren dokumentiert wurde [zum Beispiel Mandelbrot (1963) sowie Fama (1965). Neuere Übersichten finden sich in Bollerslev et al. (1992), Bollerslev et al. (1994), Ghysels et al. (1996) sowie Shephard (1996)]. Außerdem sollte man sich der bei dieser Berechnung getroffenen Annahmen bewusst sein, wenn man sich mit der Standardabweichung oder den oft daraus abgeleiteten Value at Risk-Maßen (Abschn. 1.5) beschäftigt. Eine wichtige Annahme ist die, dass die Preisänderung unabhängig von vorhergehenden Preisänderungen ist. Diese Voraussetzung ist jedoch an den realen Kapitalmärkten nicht immer erfüllt. Es gibt durchaus Anlageformen, deren Preise eher einer Mean Reversion-Bewegung folgen, bei der sehr hohe und sehr tiefe Kurse dazu tendieren, sich im Laufe der Zeit wieder ihrem Mittelwert anzunähern. Ist dies der Fall, fallen die Volatilitätsschätzungen regelmäßig zu hoch aus (Shimko und St. Germain 1998). Umgekehrt gibt es Kapitalmarktreihen, die ein spürbares Beharrungsvermögen zeigen, bei denen also auf hohe (niedrige) Werte eher weitere hohe (niedrige) Werte folgen (sogenannte Autokorrelation). Die Standardabweichung ist ein symmetrisches Risikomaß, bei dem große Schwankungen „schlecht“ und geringe Schwankungen „gut“ sind, zumindest im Empfinden eines risikoaversen Investors. Schwankungen nach oben haben also die gleiche Wertigkeit wie Abweichungen nach unten. Das mag im produzierenden Gewerbe ein brauchbares Qualitätsmaß sein. Hier ist ein Werkstück, das zu groß ausfällt, genauso unbrauchbar wie eines, das das Sollmaß unterschreitet. Im Feld der Investitionen wird ein Anleger jedoch stets eine positive Überraschung in Form einer unerwartet hohen Rendite einer negativen Überraschung vorziehen. Aufgrund der realitätsfremden Annahme, dass die Richtung der Abweichung dem Anleger egal sein sollte, steht die Standardabweichung als Risikomaß immer wieder in der Kritik. So hat sich eine Reihe von alternativen Risikomaßen herausgebildet, beispielsweise das Shortfall-Risiko (Roy 1952; Abschn. 6.1.5.1).
8
1 Finanzmathematische Grundlagen
Zusätzlich sollte man bei der Interpretation der Standardabweichung im Hinterkopf behalten, dass Renditen oftmals nicht der Normalverteilungsannahme genügen. Viele Assets sind leptokurtisch, das heißt, sie weisen gegenüber der Normalverteilung eine höhere Wahrscheinlichkeit kaum veränderter und sehr stark veränderter Renditen auf. Hintergrundinformation Die ersten Studien zur Renditeverteilung datieren mit Mandelbrot (1963) und Fama (1965) aus den Sechzigerjahren und setzen sich bis ins neue Jahrtausend fort (zum Beispiel Rey 2000). Mittlerweile liegen Ergebnisse für jedes bedeutende Asset vor (Abschn. 1.6, 7.2.6). Auch die Verteilung der Volatilität ist mittlerweile detailliert untersucht worden (Bali und Neftci 2001).
Und auch bei der „Berechnung“ des Mittelwerts sollte man sich stets bewusst sein, dass es sich tatsächlich nur um eine Schätzung handelt. Zur Schätzung des Mittelwerts greift man sich aus allen Kursen bzw. Renditen ein Zeitfenster heraus und zieht aus diesem Daten einer bestimmten Frequenz heran. Der tatsächliche Mittelwert kann jedoch von dieser Schätzung (deutlich) abweichen (Figlewski 1997). Über eine Erhöhung der Stichprobenfrequenz oder eine Verlängerung des Stützzeitraums kann der Standardfehler bis zu einem gewissen Grad reduziert werden. Um beispielsweise zu Monatsprognosen für die Volatilität zu kommen, kann man sich einerseits die letzten 60 Monatswerte anschauen und hat so eine stabile Datenbasis über den Großteil eines Marktzyklus bei Konsistenz des Messintervalls (Monatsdaten) mit Prognosehorizont (Monat). Andererseits kann es sein, dass man damit historische Zusammenhänge abgreift, die längst nicht mehr gültig sind. Außerdem unterlaufen manche Marktbewegungen den Radarschirm, macht es doch einen Unterschied, ob in einem Monat die Kurse kontinuierlich leicht gefallen sind oder ob sie zunächst angestiegen und dann dramatisch eingebrochen sind. Um derartige Bewegungen in die Schätzung mit einzubeziehen, kann man sich auch für Tagesdaten entscheiden. Dann genügt in der Regel ein kürzerer Stützzeitraum und man misst den jüngeren Entwicklungen eine größere Bedeutung bei. Der Nachteil dabei ist, dass man mitunter längerfristig zyklisch wirkende Einflussfaktoren zu wenig berücksichtigt. Die Vorteilhaftigkeit des einen oder anderen Vorgehens lässt sich letztlich nur empirisch abschätzen. Gosier et al. (2005) beispielsweise neigen eher zum hochfrequenten Vorgehen. Um genau diese Probleme zu lösen, hat sich auch im Bereich der historischen Volatilitätsmodelle eine Reihe von unterschiedlichen Ansätzen entwickelt. Im Wesentlichen lassen sich drei Modellgruppen unterscheiden: Die einfachsten Modelle basieren auf historischen Durchschnitten, die auch als gleitende Durchschnitte mit unterschiedlichen Gewichtungen oder geglättet eingesetzt werden. Die zweite Modellfamilie ist die ARCH/GARCH-Gruppe (Generalized AutoRegressive Conditional Heteroscedasticity), die ebenfalls in vielen Verfeinerungen zur Zeitreihenprognose herangezogen wird. Den neuesten Ansatz repräsentiert das Modell der stochastischen Volatilität (SV), das jedoch aufgrund seiner Rechenintensität bislang keine große Anhängerschaft für sich gewinnen konnte. Vergleicht man die Ergebnisse dieser historischen Modellklassen miteinander, so liefern ARCH/GARCH- und SV-Modelle meist vielversprechende Ergebnisse (zum
1.4
Volatilität
9
Beispiel Brailsford und Faff 1996). Allerdings stehen ihnen die wesentlich einfacheren Durchschnittsmodelle oft kaum nach, bei gleichzeitig deutlich besserer Bedienerfreundlichkeit [zum Beispiel Giannopoulos und Eales (1996); Übersichten über Modelle zur Volatilitätsprognose auf Basis historischer Kurse finden sich in Brown (1990), Engle (1993), Kroner (1996) sowie Poon und Granger (2003); Beschreibungen und Übersichten zu Stochastischen Volatilitätsmodellen (SV) finden sich in Harvey et al. (1994), Jacquier et al. (1994), Ghysels et al. (1996), Danielsson (1998), Shephard und Pitt (1998) oder Jiang und Sluis (1998)]. Im Rentenbereich findet man Volatilitätskennzahlen in Form der Preis-, Rendite- und Prozentvolatilität. Im Gegensatz zur Preisvolatilität wird bei der Renditevolatilität der Durationseffekt korrigiert, der dazu führt, dass die Preise längerer Anleihen bei gleicher Zinsschwankung stärker schwanken als kürzere Anleihen. Das ist insbesondere dann problematisch, wenn man die Volatilität einer einzelnen Anleihe über einen längeren Zeitraum als Preisvolatilität misst. Schließlich wird die Anleihe immer risikoärmer, weil die Restlaufeit kontinuierlich abschmilzt, was aber nichts darüber aussagt, in welcher Weise sich die zinsinduzierte Schwankung verändert hat. Die Preisvolatilität kann wie folgt in die Renditevolatilität umgerechnet werden (Allen und Belton 1993): ¢P PF (1.6) ¢r D BPV FRCTD 100 mit ¢r ¢P PF BPV
FRCTD
= Renditevolatilität = Preisvolatilität = Preis des Future = Basis Point Value. Preisliche Auswirkung einer Renditeveränderung von einem Basispunkt [Abschn. 3.3.2.1. Der BPV findet sich auch in allen gängigen (professionellen) Kursinformationssystemen als Standardinformation]. = Forward-Rendite der Cheapest-to-Deliver
Beispiel
Nehmen wir eine Anleihe mit einem aktuellen Kurs von 100, einer Rendite von vier Prozent, einem Basispunktwert von 7 und einer Preisvolatilität von fünf Prozent. Zunächst einmal sagen uns diese Daten, dass mit einer Wahrscheinlichkeit von rund zwei Dritteln der Preis der Anleihe in einem Jahr +/ fünf Prozent über bzw. unter dem aktuellen Niveau liegen wird, also zwischen 95 und 105. Die zu erwartende tägliche Schwankungsbreite erhält man mittels Umrechnung über die Wurzel der Handelstage eines Jahres: p 5= 252 D 0;3149 D ˙31;49 Ticks täglich Die Zinsvolatilität errechnet sich über o. g. Formel mit .5 % 100/=.7 4 % 100/ D 17;86 %
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1 Finanzmathematische Grundlagen
Die Spanne für die Rendite in einem Jahr erstreckt sich also mit etwa zwei Drittel Wahrscheinlichkeit zwischen 4 % 0;71 % D 3;29 % und 4 % C 0;71 % D 4;71 %, da 17;86 % 4 % D 0;71 % Die tägliche erwartete Preisspanne errechnet sich auch auf diesem Weg mit ˙31,49 Ticks pro Tag: p 17;86= 252 D 1;125 1;125 4 % D 0;045 Basispunkte täglich 0;045 7 D 0;3149 D ˙31;49 Ticks pro Tag Instrumente wie Swaptions werden auf Basis der Prozentvolatilität quotiert. Je nach Höhe des Zinsniveaus fällt bei gleicher Prozentvolatilität die erwartete absolute Volatilität unterschiedlich hoch aus. Bei einem hohen Zinsniveau läuft die gleiche prozentuale Veränderung auf einen hohen absoluten Wert hinaus. Die gleiche prozentuale Veränderung liefert bei niedrigen Zinsen einen niedrigen absoluten Wert. Dieser Effekt wird bei Optionen auf Renten-Futures noch dadurch verschärft, dass bei hohen Zinsen die CTD eher auf eine lang laufende und bei niedrigen Zinsen auf eine kurz laufende Anleihe fällt, wodurch die Zinssensitivität mit dem Zinsniveau variiert (Abschn. 2.3.5.2 und 3.3.2.1). Wenn man die Prozentvolatilität mit dem Forward-Satz multipliziert, erhält man die absolute Volatilität in Basispunkten, die es insbesondere erlaubt, die impliziten Volatilitäten von Optionen mit unterschiedlichen Laufzeiten miteinander zu vergleichen.
1.5 Value at Risk (VaR) Eine der in der Praxis am häufigsten anzutreffenden Risikokennzahlen ist der Value at Risk (VaR) – spätestens seit die Vorschriften der Basel II-Richtlinie zum Management von Bankrisiken die Finanzinstitute mit dieser Kennzahl zwangsbeglückt hat. Eigentlich handelt es sich nur um eine anders ausgedrückte Standardabweichung. Sie ist nur insofern eingängiger, als sie nicht angibt, wie groß die Schwankung eines Kurses ist, sondern welcher Verlust mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit nicht überschritten wird. VaR D N1Konfidenzniveau ¢
(1.7)
Gibt man also ein bestimmtes Konfidenzniveau vor, kann man aus statistischen Tabellen [oder Excel über die Funktion =NORM.S.INV(Konfidenzniveau)] das entsprechende
1.6
Renditeverteilung
11
Quantil der Normalverteilung bekommen. Dies besagt, die wievielfache Standardabweichung man anzusetzen hat. Dieser Wert wird um den erwarteten Mittelwert der Rendite adjustiert. Beispiel
Bei einem Aktienportfolio mit einer erwarteten jährlichen Rendite von zehn Prozent und einer Volatilität von 20 % beträgt der VaR für ein Konfidenzniveau von 99 % VaR D N10;99 0;2 0;1 D 0;3653: Die Aussage des VaR würde in diesem Beispiel lauten: „Mit 99-prozentiger Wahrscheinlichkeit wird diese Aktienposition im kommenden Jahr nicht mehr als 36,53 % verlieren.“ Was der VaR leider nicht beantwortet, ist die Frage, wie hoch denn der Verlust jenseits der 99-Prozent-Schwelle ausfallen mag. Hierfür müsste man zusätzlich den Conditional Value at Risk berechnen. Außerdem ist die Aussage nur dann brauchbar, wenn die Berechnung auf Basis der Renditeverteilung erfolgt, die der analysierte Vermögensgegenstand in der Finanzmarktrealität aufweisen wird. Oft wird aus Gründen der Rechenbequemlichkeit eine Normalverteilung unterstellt, die jedoch in Wahrheit nicht zutrifft (Abschn. 1.6).
1.6 Renditeverteilung Um ein umfassenderes Bild vom Erwartungswert einer Anlage und dem damit verbundenen Risiko zu gewinnen, sollte man sich die Verteilung der Rendite des Investments anschauen. Will man also wissen, wie sich die jährliche Rendite des deutschen Aktienmarkts verteilt, schaut man sich die Ergebnisse an, die der DAX in der Vergangenheit abgeliefert hat. Man ordnet diese der Größe nach und sortiert sie in einzelne Schubladen ein. Man zählt also ab, wie oft der Index beispielsweise zwischen 50 und 45 % verloren hat, wie oft zwischen 45 und 40 %, zwischen 40 und 35 % usw. Das geht so lange, bis man alle Werte in einer Schublade versorgt hat. Im nächsten Schritt kann man die relative Häufigkeit ausrechnen. Hat man also 40 Jahreswerte, von denen zwei in die Kategorie 50 bis 45 % fallen, weiß man, dass auf Basis der bisher in der Vergangenheit erzielten Ergebnisse ein Verlust zwischen 45 und 50 % eine Wahrscheinlichkeit von fünf Prozent (2 / 40 D 0,05) hat. Optisch lassen sich die so ermittelten Schubladenergebnisse in Form eines Balkendiagramms als sogenanntes Histogramm abtragen (vgl. Abb. 1.1). Natürlich nimmt man einen gewissen Informationsverlust in Kauf, weil nicht die genauen, sondern nur die gebündelten Werte angezeigt werden. Aber als einfacher Überblick über die bisherige Renditeverteilung taugt diese Abbildung allemal. Will man nun für ein Investment abschätzen, wie dessen Renditen sich in der Zukunft verteilen könnten und auf dieser Basis weiterführende Risikoberechnungen durchführen,
12
1 Finanzmathematische Grundlagen
errechnet man aus der Vergangenheit (oder aus anderweitigen Schätzungen) eine idealtypische Renditeverteilung. Im Vergleich zum Histogramm geht es darum, die Verteilung glatter zu gestalten, also ohne Wertlücken und ohne Sprünge zwischen den einzelnen „Renditebündeln“, im Endeffekt also eine richtige Kurve zu generieren. Der Prototyp dieser Verteilung und Liebling der Finanzanalysten ist die Normalverteilung. Sie wird nach dem Mathematiker Carl Gauß, der das Konzept von Abraham de Moivre aus dem Jahr 1733 ausformulierte, auch oft als Gaußsche Normalverteilung oder, ob ihrer charakteristischen Form, als Gaußsche Glockenkurve bezeichnet. Die Normalverteilung ist deshalb so populär, weil sie in der Tat viele Vorgänge in der Natur sehr präzise beschreibt. Und bei Finanzanalysten erfreut sie sich großer Beliebtheit, weil sie in der Berechnung so schön handlich ist (Kritzman 1995). Da sieht man schon einmal großzügig darüber hinweg, dass Vorgänge an den Finanzmärkten nicht immer exakt der Normalverteilung folgen. Dies gilt leider auch für die Renditen, selbst dann, wenn sie logarithmiert werden. Mit welcher Renditeverteilung sollte man denn dann rechnen? Unglücklicherweise konstatieren Albrecht und Maurer (2016, S. 157), dass die Frage nach der „richtigen“ Renditeverteilung „nach aktuellem Literaturstand keine befriedigende Antwort besitzt“. Das liegt daran, dass sämtliche mathematisch formulierbaren Verteilungen nicht auf die tatsächlich am Markt vorhandenen Renditeverteilungen passen oder bestenfalls nur vorübergehend, weil sich die Renditeverteilungen der Realität im Zeitablauf verändern. Um die Glockenkurve zu konstruieren, genügt es, die oben bereits eingeführten Parameter Mittelwert und Standardabweichung (Volatilität) zu kennen bzw. zu schätzen. Die Berechnungsvorschrift für eine Normalverteilung ist dann so gestaltet, dass (ganz symmetrisch) die Hälfte der Wert oberhalb und die andere Hälfte unterhalb des Mittelwertes liegen. Darüber hinaus liegen 68 % aller Werte in einer Umgebung von einer Standardabweichung rund um den Mittelwert, also wiederum 34 % drüber und 34 % drunter. Zwei Standardabweichungen umfassen, von der Mitte ausgehend, 95 % der Fläche unter der Kurve. Damit lässt sich die Eleganz der Kombination aus Mittelwert, Volatili-
2016 2015 2014 2004 1995
2008 2002
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2007
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2001
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1999
1993
1970
1979
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1974
1969
2005
1989
1983
1966
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-50 – -40 -40 – -30 -30 – -20 -20 – -10 -10 – 0
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1968
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0 – 10
10 – 20
20 – 30
30 – 40
40 – 50
50 – 60
60-70
Abb. 1.1 DAX-Kalenderjahres-Performance (in Prozent). (Quelle: Datastream)
1.6
Renditeverteilung
13
tät und Normalverteilung erahnen. Kombiniert man diese in einfacher Weise, kann man herrlich präzise klingende Aussagen treffen wie: „Mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit wird der Kurs der XYZ-Aktie in einem Jahr innerhalb eine Spanne von 9,37 und 12,96 C liegen.“ Oder eben, wie beim Value at Risk: „Am Ende von zehn Handelstagen wird das Portfolio mit 99 % Wahrscheinlichkeit nicht mehr als 13,82 % verloren haben.“ Für den DAX ergibt sich bei einem Mittelwert von ca. acht Prozent p. a. und einer Standardabweichung von rund 20 % eine Glocke wie in Abb. 1.2. Wenn man annimmt, dass die Normalverteilung die Entwicklungsmöglichkeiten des DAX treffend beschreibt, kann man davon ausgehen, dass er in 95 % (genaugenommen 95,4 %, was +/ zwei Standardabweichungen entspricht) aller Jahre eine Wertenwicklung zwischen 8 % 2 20 % D 32 % und 8 % C 2 20 % D 48 % erzielt. Für längere Horizonte sollte man darauf achten, die Renditen besser logarithmisch zu berechnen (Abschn. 1.2). Dadurch wird dem Zinseszins adäquat Rechnung getragen und gleichzeitig der Effekt genutzt, dass die Addition von normalverteilten Werten (den logarithmierten Renditen) wiederum zu einer Normalverteilung führt. Arbeitet man ohne Logarithmierung, überschätzt über längere Anlageperioden die Normalverteilung die Wahrscheinlichkeit, unterdurchschnittliche Ergebnisse zu erzielen (zur Vertiefung vgl. Kritzman 1995).
2,5
Wahrscheinlichkeit (Prozent)
2
1,5
1 Standardabweichung 68% 1
0,5
2 S t a n d a r d a b w e i c h u n g e n 95 % 0 -50%
-40%
-30%
-20%
-10%
0%
10%
20%
30%
DAX Jahres-Performance
Abb. 1.2 Normalverteilung des DAX
40%
50%
60%
70%
80%
14
1 Finanzmathematische Grundlagen
1.7 Diversifikation Ein weiteres zentrales Konzept im modernen Portfoliomanagement ist das der Diversifikation. Es besagt, dass man das Chance-Risiko-Profil seiner Kapitalanlage verbessern kann, indem man mehrere Vermögenswerte geschickt miteinander kombiniert. Dabei macht man sich zunutze, dass man, wenn man zwei Assets zu einem Portfolio zusammenstellt, zwar die gewichtete Durchschnittsrendite der beiden Anlagen erhält, das damit verbundene Risiko aber niedriger ausfällt als das gewichtete Mittel, sofern diese Titel nicht das exakt gleiche Bewegungsmuster aufweisen. Hilfreich sind dabei Zusammenstellungen, bei denen sich die Kursbewegungen zumindest teilweise ausgleichen; also eine Anlage verliert an Wert, was aber zum Teil durch Kursgewinne auf der anderen Anlage kompensiert wird. Auch Anlagekombinationen, die sich nicht gegenläufig bewegen, aber nicht perfekt synchron laufen, profitieren von diesem Effekt. Mathematisch drückt sich dieses Maß an Gleichlauf im Korrelationskoeffizienten aus. Dieser kann Werte zwischen 1 und 1 annehmen. Bei einem Wert von 1 bewegen sich die Anlagen konträr zueinander, bei 1 laufen sie parallel. Genau genommen drückt der Korrelationskoeffizient aus, wieviel der Schwankung eines Assets durch die eines anderen erklärt werden kann, aber zur Veranschaulichung scheint die volkstümliche Interpretation hilfreich. In die Risikoberechnung eines Portfolios geht die Korrelation wie folgt ein: 2 D ¢Pf
X i
w2i ¢i2 C
X
wi wj ij ¢i ¢j
(1.8)
i¤j
mit 2 ¢Pf wi ¢i2 ij
= Varianz des Portfolios = Gewicht des Titels i im Portfolio = Varianz des Titels i = Korrelation(skoeffizient) zwischen Titel i und j
Der Urvater moderner Aktienanalyse, Benjamin Graham, kam schon 1949 zu dem Schluss, dass sich ein angemessenes Ausmaß an Diversifikation im Bereich von zehn bis 30 Aktien abspielt (Graham 1949). Anhand der Formel wird jedoch klar, dass dies in starkem Maße von den jeweiligen Korrelationen und Volatilitäten abhängig ist. Ein einseitig von bestimmten Risikofaktoren geprägtes Portfolio (zum Beispiel Aktien einer einzigen oder mehrerer verwandter Branchen ohne regionale Streuung) wird einen hohen Gleichlauf der einzelnen Aktien verzeichnen und so wenig Diversifikationswirkung verzeichnen können. Darüber hinaus mag das angestrebte Volatilitätsniveau des Portfolios von Anleger zu Anleger verschieden sein. Abb. 1.3 zeigt, wie eine von 0,5 auf 0,3 zurückgehende durchschnittliche Korrelation in einem gleichgewichteten Portfolio bei gleicher Titelanzahl eine deutlichen Rückgang des Portfoliorisikos bewirkt. Alternativ betrachtet führt dies dazu, dass ein bestimmtes
1.8
Wertentwicklungspfade
15
40% 38% 36% 34%
Volatilität
32% 30% 28% 26% 24% 22% 20% 1
6
11
16
21
26
31
36
41
46
Anzahl Titel Korrelation 0,5
Korrelation 0,3
Abb. 1.3 Niedrigere Korrelation reduziert das Risiko
Risikoniveau mit einer geringeren Anzahl an Titeln erreicht werden kann. Beispielsweise sinkt das Risiko bei zehn Titeln um mehr als fünf Prozentpunkte von 30,9 auf 25,2 %. Oder eben anders herum: Während das Portfolio bei einer Korrelation von 0,3 bereits mit zehn Titeln die Volatilität auf 25,2 % drückt, wird dieser Wert bei einer Korrelation von 0,5 selbst mit 50 Titeln nicht erreicht. Wenn man sich Korrelationen und daraus abgeleitete Risikokennzahlen anschaut, sollte man jedoch im Hinterkopf behalten, dass ein Korrelationskoeffizient nur eine durchschnittliche Korrelation ausdrückt. Gerade dann, wenn man Optionen einsetzt, ist es offensichtlich, dass sich diese beispielsweise in der Betrachtung auf den Verfall ober- und unterhalb des Basispreises fundamental anders verhält, sodass ein Durchschnittswert über die gesamte Verteilung leider keine brauchbare Information liefert. Hinzu kommt, dass der Korrelationskoeffizient unterstellt, dass sowohl die Renditeverteilungen der Variablen als auch die Abhängigkeitsstruktur normalverteilt sind. Auch diese Annahme ist bei Optionen verletzt, sodass die Ergebnisse doppelt unbrauchbar sind.
1.8 Wertentwicklungspfade I
Einleitung Dieser Abschnitt ist eine kurze Einführung in die Mathematik, die hinter der Kursbewegung von Wertpapieren, insbesondere Aktien, steht. Wiewohl sie beispielsweise der gängigen Risikoberechnung im Wertpapierbereich
16
1 Finanzmathematische Grundlagen
und der Bewertung von Optionen unterliegt, handelt es sich um ein Vertiefungskapitel für geneigte Leser, kann aber auch gefahrlos übersprungen werden. Wer sich diesem Thema weiter nähern möchte, dem seien Figlewski (1990) oder Hull (1993) als Einstieg empfohlen.
Die Pioniere der Optionsbewertung mussten sich zunächst einmal Gedanken machen, wie sich das Underlying bewegt. Zentral ist, dass man irgendwann erkannt hat, dass es fruchtlos ist, eine Punktprognose anzustellen, um vorherzusagen, wohin sich eine Aktie in einem bestimmten Zeitraum entwickelt, um daraus abzuleiten, was die dazu gehörende Option wert ist. Man fand aber auch heraus, dass man schon ziemlich weit kam, wenn man eine mathematische Beschreibung dafür finden konnte, auf welche Weise sich eine Aktie typischerweise bewegt. Das ist wie bei einem Vogel, für den man keine Aussage treffen kann, wohin er fliegt, sondern lediglich, wie er fliegt: wie eine Amsel mit durchgehend hochfrequentem Flügelschlag, wie eine Taube mit einem Wechsel aus Flügelschlag- und Gleitphasen oder gleitend wie ein Bussard. Den Flugstilen entsprechen die aus der Physik herrührenden Bewegungsprozesse von Teilchen, die man auf Kursverläufe von Wertpapieren übertragen hat. Diese Bewegung wird allgemein durch einen sogenannten Markov-Prozess beschrieben, einem Zufallsprozess, bei dem die Kursbewegung unabhängig davon ist, wo der Kurs gerade steht oder in der Vergangenheit einmal stand. Beim Markov-Prozess gibt es zwei Bewegungsmöglichkeiten: Entweder der Kurs bewegt sich kontinuierlich in kleinen Bewegungen. Dies bezeichnet man als Diffusionsprozess, der in der Physik in einer sogenannten Brownschen Bewegung den Weg eines Teilchens in einer Flüssigkeit beschreibt. Das Teilchen wird permanent durch die Moleküle der Flüssigkeit getroffen und verändert dadurch seinen Kurs minimal. Die zweite Bewegungsmöglichkeit ist der Poisson- oder Sprungprozess. Dieser zeichnet sich dadurch aus, dass das Objekt der Beobachtung sich entweder gar nicht bewegt oder einen Sprung vollführt, wobei die Wahrscheinlichkeit eines Sprungs unabhängig davon ist, wie lang das Objekt sich zuvor nicht mehr bewegt hatte. Folgt man dem Gedanken eines Diffusionsprozesses weiter, kommt man am Ende auf eine stochastische Differenzialgleichung, mit der üblicherweise in der Finanzwissenschaft das Verhalten von Aktienkursen modelliert wird, und die einen sogenannten Ito-Prozess darstellt: dP=P D dt C ¢dz (1.9) Sie setzt sich zusammen aus einem mittelwertgetriebenen, deterministischen („berechenbaren“) Teil dt, der den durchschnittlichen Wachstumspfad der Aktie beschreibt und dem stochastischen (zufallsbestimmten) Teil ¢dz, der diesen Wachstumspfad auslenkt, auf der Standardabweichung ¢ aufsetzt und dessen grundlegender Diffusionsprozess dz als Wiener Prozess bezeichnet wird. Ein Problem des modernen Risikomanagements, wenn nicht gar das grundlegende Problem überhaupt, ist darin begründet, dass weder der Diffusions- noch der Sprungprozess die tatsächliche Bewegung von Wertpapieren realitätsgerecht beschreibt. Dennoch
1.8
Wertentwicklungspfade
17
hat man sich mehrheitlich dazu entschlossen, Wertpapierprozesse und -risiken über die Diffusion abzubilden. Das hat ganz praktische Gründe. Einerseits lässt sich mit diesem Ansatz relativ einfach rechnen. Darüber hinaus erlaubt er risikolose Arbitrage, ein wichtiges Prinzip in der Bewertung von Wertpapieren. Natürlich war von Anfang an klar, dass die Annahme einer kontinuierlichen Bewegung schon im Alltagsgeschäft in zweierlei Hinsicht nicht realistisch ist. So handelt ein Wertpapier nicht kontinuierlich, beispielsweise an Wochenenden und Feiertagen. Außerdem gibt es keine beliebig kleinen Preisveränderungen. Zumeist ist bei einem Cent Schluss. Und spätestens in den Finanzkrisen wurde nochmal klar gemacht, dass Kurse sich durchaus auch in Form von Sprüngen bzw. Abstürzen bewegen können und somit die diffusionsbasierten Risikomaße das Risiko zu niedrig ausweisen. Smith (2001) zeigt, dass die Abweichung bei einem 99-Prozent-Konfidenz-Value-at-Risk durchaus 50 % betragen kann. Daher votiert er auch klar dafür, Sprung- statt Diffusionsmodelle zu verwenden. Er illustriert dies am Beispiel einer normal invertierten Gaußschen Verteilung, die relativ unkompliziert aus einer Brownschen Bewegung generiert werden kann. Damit würde sogar das empirisch beobachtete Problem adressiert, dass sich manche Asset-Klassen wie Junk Bonds (Unternehmensanleihen unterhalb des Investment Grade, heute meist gesellschaftsfähiger als High-Yield-Bonds bzw. Hochzinsanleihen bezeichnet) auf einem Wertentwicklungspfad bewegen, der nach oben diffundiert, aber nach unten springt, sodass das Risiko dieser Asset-Klasse für eine Long-Position anders ausfallen müsste als für eine Short-Position. Fazit
Um die Grundzüge des Portfoliomanagements im Allgemeinen und Derivate im Besonderen zu verstehen, kommt man um das Verständnis einiger grundlegender Begriffe und Konzepte aus der Finanzmathematik nicht herum. Das fängt bei der Berechnung von Renditen an und geht über die Bestimmung von Mittelwerten und Streuungsmaßen bis hin zu Verteilungen. Dabei stehen bei jeder Größe meist mehrere Varianten zur Auswahl (stetige und diskrete Renditen, arithmetischer und geometrischer Mittelwert usw.). Jede davon hat ihre Vor- und Nachteile und spezifischen Einsatzzwecke. Bis dato existiert weder eine passgenaue mathematische Beschreibung des Wertentwicklungsprozesses der gängigsten Finanzanlagen noch von deren Renditeverteilungen. So sind die Annahmen, die hinter den einzelnen Berechnungen stehen, von besonderem Interesse, sind sie doch in der Praxis in Bewertungs- und Risikomodellen verbaut. Der daraus erwachsenden blinden Flecken und Risiken sollte man sich bewusst sein, auch wenn die Ergebnisse dieser Modelle nicht mit einem entsprechenden Warnhinweis versehen werden. Andernfalls läuft man Gefahr, bei der Auswahl der passenden Strategien, bei deren Implementierung oder am Ende bei der korrekten Interpretation der Ergebnisse einen mitunter teuren Fehler zu begehen.
18
1 Finanzmathematische Grundlagen
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2
Eigenschaften und Bewertung von Derivaten
I Definition Ein Derivat ist ein Derivat, also eine Ableitung des lateinischen derivare, was ableiten bedeutet. Im finanzwirtschaftlichen Kontext versteht man unter einem Derivat einen Vertrag, dessen Wert sich aus einer Referenzgröße ableitet. Bevor wir mit derivativen Instrumenten arbeiten, schauen wir uns unser Handwerkszeug erst einmal genauer an: Welche Derivate gibt es? Wie stehen sie miteinander und dem Underlying in Verbindung? Und welche Eigenschaften zeichnen sie aus?
2.1
Derivative Instrumente im Überblick
Abb. 2.1 gliedert das derivative Instrumentarium, das einem Portfoliomanager zur Verfügung steht. Die wichtigste Unterscheidung besteht darin, ob er sich eines Kontrakts bedienen möchte, der ein lineares oder ein asymmetrisches Auszahlungsprofil hat. Bei Ersterem geht es um den unkomplizierten Auf- und Abbau von Exposure. Bei Letzterem kauft oder verkauft der Manager eine Versicherung in Form einer Option. Das weltweite Derivatevolumen ist gigantisch, beeindruckend und einschüchternd. Es belief sich 2015/2016 auf über 600 Billionen US-Dollar. Das entspricht in etwa dem Achtfachen der weltweiten Wirtschaftsleistung (Abb. 2.2). Allein die Deutsche Bank verfügte in dieser Phase über einen Bestand an Derivaten (ohne Verrechnung von gegenläufigen Positionen), der mit fast 50 Billionen Euro mehr als 18 Mal so groß war wie das deutsche Bruttoinlandsprodukt. Kein Wunder, dass man diesen Instrumenten einen gehörigen Respekt entgegenbringt. Der weit überwiegende Teil des Derivatevolumens wird, zumindest bislang noch, OTC (Over the Counter, also außerbörslich) gehandelt. Von diesen sind rund 80 % Kontrakte, die sich auf Zinsen beziehen. Damit ist das Nominalvolumen des Derivatemarkts auch bedeutend größer als der Kassamarkt. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017 T. Bossert, Derivate im Portfoliomanagement, https://doi.org/10.1007/978-3-658-17574-0_2
21
22
2
Eigenschaften und Bewertung von Derivaten
Finanzmärkte Terminmärkte
Kassamärkte Unbedingte Termingeschäfte (lineares Auszahlungsprofil) Börsengehandelt Futures
Over the Counter (OTC) Termingeschäfte (Forwards) Swaps
Bedingte Termingeschäfte (nichtlineares Auszahlungsprofil) Börsengehandelt Optionen Optionen auf Futures
Over the Counter (OTC) Optionen Swaptions Caps, Floors Maßgeschneiderte Auszahlungsprofile
Abb. 2.1 Übersicht Finanzinstrumente
Allerdings muss man diese gewaltigen Zahlen stark relativieren. Wenn man die gegenseitigen Verpflichtungen von Vertragspartnern im OTC-Markt saldiert, bleibt nur eine deutlich geringere Nettoverpflichtung übrig. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich hat 1995 ausgerechnet, wie hoch der Verlust der Gläubiger wäre, wenn alle Schuldner auf ihre OTC-Derivate ausfallen würden. Er betrug lediglich 4,3 % (o.V. 1995).
Abb. 2.2 Offenes Derivatevolumen. (Quelle: BIS, DESTATIS, Statista)
Nominalwert in Billionen US-Dollar OTC
Börsengehandelt
H2 2015
Juni 2016
Währungen
70,4
0,4
Zinsen
384,0
67,3
Aktien
7,1
67,7
Rohstoffe
1,3
CDS
12,3
Sonstige
17,7
0,4
Gesamt
492,9
135,8
628,7
Welt-BIP1
74
BIP-Deutschland2
3,7
1:
2016 geschätzt; 2: 2015
2.1 Derivative Instrumente im Überblick
23
Wie kommt es zu diesem deutlich kleineren, tatsächlichen Risiko? Die Verpflichtung aus einem Vertrag bezieht sich in der Regel nicht auf das Nominalvolumen, sondern nur auf einen aus diesem abgeleiteten Anspruch. Wenn zum Beispiel ein Asset Manager einen Tausch von Zahlungsströmen in Form eines Swap vornimmt, besteht das Risiko darin, dass der Vertragspartner seinen Zahlungsstrom nicht liefert. Wird ein fester Kupon von fünf Prozent gegen einen variablen Kupon von derzeit ein Prozent getauscht, fällt der Vertragspartner maximal auf die fünf Prozent bzw. ein Prozent aus. Das Nominalvolumen kann nicht verloren werden. Es dient lediglich als Bezugsgröße für den Swap. Bei einem Future liegt das Verlustpotenzial ebenfalls nicht auf Höhe des Exposure. Sollte die Gegenpartei in Schwierigkeiten geraten, besteht nur das Kursrisiko im Umfang einer Tagesbewegung (siehe die Ausführung zum Margin-System in Abschn. 2.3.6). Darüber
Edelmetalle 2%
Industriemetalle 4%
Andere 1%
Energie 5% Aktienindex 27% Landwirtschaft 6%
Währung 10%
Zins 15% Einzelaktie 30%
Abb. 2.3 Weltweites Futures- und Optionsvolumen [Futures Industry, Acworth (2015); Anzahl im ersten Halbjahr 2012 gehandelter/abgerechneter Kontrakte an 84 Börsen weltweit (insgesamt mehr als 11 Mrd. Kontrakte)]. (Eigene Darstellung)
24
2
Eigenschaften und Bewertung von Derivaten
hinaus bestehen oft vielfältige Geschäftsbeziehungen, deren wechselseitige Forderungen gegeneinander aufgerechnet werden können. Und schließlich sind viele Geschäfte mit Sicherheiten unterlegt. Welche Wachstumsdynamik dennoch am Werk ist, zeigt sich darin, dass sich allein im Zeitraum von 1998 bis 2008 die Relation zwischen Derivate- und Kassamarkt von 1,5:1 auf 8:1 vergrößert hat (Chan et al. 2009). Das ausstehende Nominalvolumen in OTCKontrakten hat sich in den 20 Jahren von 1995 bis 2015 verzwölffacht. Bei den börsengehandelten Derivaten dominieren diejenigen mit Aktienbezug, sei es auf individuelle Aktien oder auf Aktienindizes (Abb. 2.3). Dann folgen Zinsderivate vor Kontrakten auf Währungen. An Börsen im asiatisch-pazifischen Raum und in Nordamerika werden jeweils rund ein Drittel der Kontrakte gehandelt, gefolgt von Europa mit ca. 20 % Marktanteil.
2.2 Einsatz von Derivaten Auch wenn der Markt für Derivate erstaunliche Dimensionen hat, ist es dennoch nicht so, dass derivative Instrumente ein Selbstläufer sind, an deren Einsatz man schlichtweg nicht vorbeikommt. Nicht einmal in den USA, wo die Investoren im Vergleich zu Kontinentaleuropa allgemein und Deutschland im Besonderen als risikofreudiger gelten, war Ende des vergangenen Jahrtausends der Einsatz von derivativen Finanzinstrumenten die Regel. So setzten gerade einmal 21 % aller US-Aktieninvestmentfonds Derivate ein (LynchKoski und Pontiff 1999). Eine gemeinsam von der New York University Stern School of Business, CIBC World Markets und KPMG durchgeführte Studie in den USA kommt zu dem Ergebnis, dass immerhin knapp die Hälfte aller befragten institutionellen Investoren (46 %) den Einsatz von Derivaten erlaubt (Hayt und Levich 1999). Dabei ergibt sich jedoch eine deutliche Differenzierung zwischen den einzelnen Investorengruppen. So stehen große Institutionelle (70 % Zulassungsquote) und Sponsoren von Pensionsplänen (63 % Zulassung) diesen Instrumenten sehr aufgeschlossen gegenüber. Bei diesen Anlegern stellt deren Einsatz offensichtlich eher die Regel als die Ausnahme dar. Im Gegensatz dazu ist die Akzeptanz in der Gruppe kleiner Institutionen (26 % Zulassung) und Stiftungen (28 %) noch sehr niedrig. Das Bild, dass vor allem sophistizierte Profiinvestoren Derivate einsetzen, wird bestätigt, wenn man sieht, dass schon 1995 71,9 % der globalen Hedgefonds Derivate eingesetzt haben (Van Money 2000). Die Tendenz ist positiv. Der Nutzungsgrad steigt immer weiter an. So wuchs der Anteil an Nutzern in Europa von 47,5 % im Jahr 2004 auf 70 % zwei Jahre später (Richard Davies 2006). Diese Tendenz wird unterstrichen von einer Umfrage des Internationalen Währungsfonds aus dem Jahr 2011, in der nach der Verbreitung von Hedge-Instrumenten gefragt wurde (Tab. 2.1; IMF 2011). Die Zahlen belegen, dass es zumindest bei den großen professionellen Portfoliomanagern mittlerweile die Regel ist, Derivate einzusetzen und die Abstinenzler die deutliche Minderheit bilden. Auch wenn beispielsweise die grundsätzliche Durchdringung von Op-
2.2 Einsatz von Derivaten
25
Tab. 2.1 Einsatz von Absicherungsinstrumenten bei Asset Managern 2011 (in Prozent). (Quelle: IMF Survey on Global Asset Allocation 2011) Instrumente Devisentermingeschäfte Futures Options/Swaptions Zins-Swaps Credit Default Swaps Currency Swaps Korrelations-Hedging Forward Rate Agreement Währungs-Swaps Leerverkäufe Politikrisikoversicherung
Derzeitige Nutzer 88,9 88,9 76,2 69,8 57,1 47,6 42,9 38,1 36,5 27 6,3
Veränderung unter Nutzern seit 2006 Erhöht Reduziert 73,2 7,1 67,9 12,5 56,3 20,8 59,1 9,1 58,3 22,2 50 26,7 63 3,7 50 12,5 52,2 17,4 47,1 5,9 0 25
Basierend auf Antworten von 63 Asset-Managern weltweit. Bei den zum Vergleich befragten Pensionsfonds war die Nutzerbasis etwas niedriger. Dafür lag die Steigerungsrate deutlich höher
tionen und Futures schon sehr hoch ist, hat das positive Momentum weiter Bestand. So gaben die Nutzer in allen wesentlichen Derivatekategorien an, die Nutzung in den vergangenen fünf Jahren erhöht zu haben. Der Trend gewinnt also insofern weiter an Breite, dass mehr Mandate mit Derivaten bearbeitet und die Instrumente innerhalb der Portfolios breiter genutzt werden. An erster Stelle stehen Devisentermingeschäfte zur Absicherung von Fremdwährungsrisiken gemeinsam mit Futures. Den dritten Platz nehmen Optionen ein. Damit sind Optionen und Futures die am häufigsten eingesetzten Derivate, wenn es darum geht, Wertpapierrisiken zu managen. Das bedeutet jedoch nicht etwa, dass das Wachstumspotenzial für Derivate weitgehend ausgeschöpft wäre. Einerseits gibt es eine Reihe von Instrumenten, die noch nicht sehr weit verbreitet sind. Und in Zeiten immer niedrigerer Renditen und immer effizienterer Märkte können es sich professionelle Portfoliomanager noch viel weniger leisten, auf die vielfältigen Möglichkeiten zu verzichten, die Derivate bieten, um Risiken auszusteuern, vorhandene Stärken auszudifferenzieren und zu hebeln und neue Ertragsquellen zu erschließen. Diesem Druck werden sich auch weniger große Investoren, deren Derivatenutzung im Schnitt hinter den großen professionellen Anlegern zurückbleibt, nur schwer entziehen können. Insofern ist zu erwarten, dass die Nutzung derivativer Instrumente auch aus dieser Richtung weiter an Bedeutung gewinnen wird. Am Ende wird vermutlich nur noch ein Bodensatz an unprofessionellen institutionellen Anlegern existieren, der sich diesen Instrumenten verschließt – oder regulatorisch gezwungenermaßen verschließen muss. Wie es der ehemalige Vorstandsvorsitzende von Wells Fargo Nikko Investment Advisors, Donald L. Luskin schon früh formuliert hat (Luskin 1993, S. 13):
26
2
Eigenschaften und Bewertung von Derivaten
Bis jeder Derivate nutzt, müssen wir Befürworter vielleicht warten, bis unsere Vision, Stil, Sprache, Risikokonzeption und Komplexität die Norm werden. Wir werden vermutlich eine Generation warten müssen, damit das passiert. Bis dahin müssen wir akzeptieren, dass manche es nicht verstehen und nie verstehen werden.
Wir werden im Rest dieses Buches sehen, dass Derivate die Handlungsspielräume des Portfoliomanagers deutlich erweitern und ihm das Werkzeug liefern, sowohl bestehende Ertragsquellen besser auszubeuten und neue Ertragsquellen zu erschließen als auch die allfälligen Risiken besser zu kontrollieren. Insofern bleibt die Nachfrage nach Derivaten weiter gut unterstützt. Was diesen Trend brechen könnte, wäre eine fortgesetzte starke, derivateunfreundliche Regulierung (Abschn. 6.9). Dieses politische Risiko ist hinsichtlich seiner Wahrscheinlichkeit und Ausprägung als sehr relevant einzustufen, konkret jedoch unmöglich zu quantifizieren. In welcher Form werden Derivate nun im Portfoliomanagement eingesetzt? Verfolgt man die allgemeine Diskussion, so könnte man zu dem irrigen Schluss kommen, dass das Hauptanwendungsgebiet von Derivaten die Spekulation ist, die dann auch häufig zu spektakulären Verlusten führt. Repräsentative Umfragen unter Praktikern kommen aber zu anderen Ergebnissen. Regelmäßig steht hier der Absicherungsgedanke (Hedging) im Fokus des Interesses (LIFFE 1996, S. 9; Hiemstra 1998, S. 45; Van Money 2000; Richard Davies 2006). In der Tat verringern Fondsmanager, die Optionen einsetzen, das systematische Risiko im Vergleich zu Managern, die keine Optionen einsetzen und schaffen so einen echten Anlegernutzen (Natter et al. 2015). Das ist nicht selbstverständlich. Zwar erschließt der Einsatz von Optionen eine Reihe von Vorteilen, die in diesem Buch behandelt werden, wie zum Beispiel:
Optionen können Transaktionskosten senken. Optionsmärkte können Informationen effizienter im Pricing reflektieren. Sie erschließen eine Reihe von Zusatzertragsmöglichkeiten. Vor allem erlauben sie dem Portfoliomanager neben Absicherungsstrategien das Maßschneidern des Rendite-Risiko-Profils.
Dem steht jedoch entgegen, dass die Performance von optionsunterstützten Portfolios durch höhere Kosten belastet sein könnte. Die Investitionen in die technische Infrastruktur wie Informations- und Risikomanagementsysteme könnten höher sein (Lynch-Koski und Pontiff 1999). Auch die Personalkosten für Portfoliomanager mit Fachwissen und Erfahrung mit Derivaten könnten das Portfolioergebnis belasten (Chevalier und Ellison 1999). Die empirische Datenlage ist gemischt: Lynch-Koski und Pontiff (1999) können keine Unterschiede in Risiko oder Rendite von Fonds mit und ohne Derivaten feststellen. Cao et al. (2011) untersuchen die Ergebnisse von Derivatenutzern und -abstinenzlern in der Russlandkrise 1998 und kommen zu dem Schluss, dass derivateunterstützte Portfolios diese besser überstanden haben. Cici und Palacios (2015) finden nur bei Fonds, die in hohem
2.3 Futures
27
Maße Puts schreiben, bessere Ergebnisse. Natter et al. (2015) ermitteln einen durchschnittlichen, risikoadjustierten Performance-Vorteil von 0,48 % p. a. von Fonds, die Derivate einsetzen und kommen zu dem Schluss, dass der Derivateeinsatz vorteilhaft für Investoren ist und, entgegen der Erwartungen der amerikanischen Wertpapieraufsichtsbehörde SEC, das systematische Risiko reduziert. Analysen im Bereich der sehr derivateaffinen Hedge Fonds stützen die These des Nutzens von Derivaten (Chen 2011; Aragon und Martin 2012).
2.3
Futures
2.3.1 Definition I Definition Wie bei allen Derivaten handelt es sich auch bei einem Future um ein Termingeschäft. Das bedeutet, dass Vermögensgegenstände in der Zukunft gehandelt, die Bedingungen aber schon heute fixiert werden. Genauer gesagt einigen sich zwei Parteien darauf,
an einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft eine bestimmte Menge eines Gutes zu einem im Vertrag bereits vereinbarten Preis zu kaufen oder zu verkaufen.
Es handelt sich demzufolge um ein unbedingtes Termingeschäft, weil beide Vertragspartner fest an ihre Verpflichtung gebunden sind. Anders betrachtet, erkennt man in einem Future auch eine Long-Position in einem Vermögensgegenstand, z. B. einer Anleihe, und einer Short-Position am Geldmarkt, da sich der Käufer eines Future in der gleichen Position befindet wie ein Anleger, der sich Geld leiht, um damit eine Anleihe zu kaufen und diese zum Ende der Kreditlaufzeit wieder verkauft, um den Kredit zurückzuzahlen. Basiert ein solches Termingeschäft auf standardisierten Konditionen und wird an einer Börse gehandelt, bezeichnet man den Kontrakt als Future. Bei den Futures, deren Vertragsgegenstand ein Finanzmarktrisiko ist, spricht man von Financial Futures. Ist ein Terminkontrakt nicht standardisiert, bezeichnet man diesen als Forward. Hintergrundinformation Im Folgenden liegt der Fokus auf Terminkontrakten, die Preisrisiken abdecken. Kreditderivate, die Ausfallrisiken abdecken, stehen nicht im Fokus des Buchs – auch wenn sie hin und wieder einbezogen werden. Darüber hinaus existieren noch andere Kontrakte, die jedoch nicht dem Bereich der Financial Futures zuzuordnen sind. Neben den etablierten Warenterminkontrakten auf Getreide, Kaffee, Orangensaft etc. werden Kontrakte auf Kunststoffe und Holz gehandelt. Mittlerweile existieren beispielsweise auch Kontrakte auf Strom, das Wetter, Bandbreitenzertifikate im Telekommunikationsbereich sowie Umweltzertifikate, die eine bestimmte Menge an Umweltbelastung verbriefen.
28
2
Eigenschaften und Bewertung von Derivaten
2.3.2 Auszahlungsprofil Da mit dem Future ein bestimmter Vermögensgegenstand gehandelt wird, ist der Preis eines Future sehr eng mit diesem sogenannten Underlying verknüpft. Abb. 2.4 zeigt den Kursverlauf des Euroland-Aktienindex Euro STOXX 50 und des an der Eurex gehandelten Euro STOXX 50-Future. Der Gleichlauf sowohl bei Bewegungen nach oben wie auch nach unten ist offensichtlich. Daher weist ein Future auch immer ein Auszahlungsprofil auf, das dem des Underlying entspricht. Dieses Auszahlungsprofil ist symmetrischer Natur. Abb. 2.5 stellt den Zusammenhang zwischen der Preisveränderung eines Aktienindex auf der X-Achse und der Preisveränderung des dazugehörigen Future auf der Y-Achse dar. Der 45°-Winkel der Geraden verdeutlicht den Eins-zu-eins-Zusammenhang zwischen Underlying und Derivat. Steigt der Index um zehn Punkte, so tut es ihm der Future gleich. Fällt der Index um zehn Punkte, fällt der Future um den gleichen Betrag. In der Praxis kann es zu geringfügigen Abweichungen kommen (dazu später mehr, beispielsweise unter dem Stichwort „Basis“ in Abschn. 2.3.3.2).
5600
5400
5200
5000
4800
4600
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4200
4000
19.06.2000
31.07.2000
11.09.2000 Future
23.10.2000 Index
Abb. 2.4 Kursverlauf EuroSTOXX 50-Index und Future
04.12.2000
18.01.2001
01.03.2001
2.3 Futures
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600
Veränderung Future
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-600 -600
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Veränderung Index
Abb. 2.5 Auszahlungsprofil Future
2.3.3 Bewertung 2.3.3.1 Cost of Carry Die Bewertung von Futures basiert auf dem Arbitrage-Prinzip, nach dem zwei Vermögensgegenstände, die ein identisches Cashflow-Profil aufweisen, auch den gleichen Preis haben müssen. Am Liefertag entspricht der Wert des Future dem des Underlying. Der Termin- oder Forward-Kurs errechnet sich ganz einfach als Kurs des Underlying zuzüglich der Nettofinanzierungskosten (Cost of Carry; CC) der Position, die bis zur Fälligkeit anfallen. Tage bis Fälligkeit (2.1) Future D Kassa 1 C CCSatz p. a. 360 Beispiel
Angenommen, die Daimler-Aktie handelte bei 50 C. Kann ein Anleger einen risikolosen Gewinn erzielen, wenn er die Möglichkeit hat, diese Aktie bereits heute auf Termin in einem Jahr zu 51 C zu verkaufen? Da er in einem Arbitrage-Geschäft kein eigenes Kapital bindet, wäre er zunächst gezwungen, hierzu einen Kredit in Höhe von 50 C aufzunehmen. Von diesem kauft er die Aktie am Markt (vereinfacht ohne Transaktionskosten) und verpflichtet sich in einem Terminkontrakt, die Aktie in einem Jahr zu 51 C an seinen Kontrahenten zu verkaufen. Während des Jahres laufen Kreditzinsen von drei Euro auf (sechs Prozent auf 50 C) auf. Aber der Anleger erhält auch eine Dividende von 2,34 C. Die Nettofinanzierungskosten, die er aufzuwenden hat, belaufen
30
2
Eigenschaften und Bewertung von Derivaten
sich mithin auf 0,66 C (3 C minus 2,34 C). Auf der anderen Seite kann er die Aktie, die er zu 50 C erworben hat, zu 51 C verkaufen. Mit 50 C tilgt er seinen Kredit, sodass ihm zunächst ein Euro als Gewinn verbleibt. Da diesem Gewinn nur Nettofinanzierungskosten von 0,66 C gegenüberstehen, erwirtschaftet der Arbitrageur einen risikolosen Gewinn von 0,34 C. Daher wird er so viele Daimler-Aktien wie möglich kaufen und auf Termin verkaufen. Dadurch steigt der Preis der Aktie, während gleichzeitig der Kurs des verkauften Terminkontrakts sinkt, bis sich ein Gleichgewicht einstellt, bei dem kein risikoloser Gewinn (in „Finanzmarktsprech“: Free Lunch) mehr erhältlich ist. Auf Basis eines Aktienkurses von 50 C liegt der faire Terminkurs (Fair Value), zu dem es ihm nicht mehr möglich ist, einen risikolosen Arbitrage-Gewinn zu erzielen, bei 50 C plus 0,66 C, das heißt genau bei 50,66 C. Der Kauf eines Kontrakts entspricht somit der Aufnahme eines Kredits und der Anlage der geliehenen Gelder im Underlying. Wenn der Arbitrageur das Underlying, das er über den Future auf Termin verkauft, nicht über einen Kredit finanziert, weil er es bereits im Bestand hat, so ergibt sich daraus, bei fairer Bewertung des Future, trotzdem keine Arbitrage-Gelegenheit, nur weil keine Kreditkosten Eingang in die Gleichung finden. Die Kosten fallen dennoch in Form von Opportunitätskosten an, weil er die im Underlying gebundenen Mittel nicht mehr anderweitig anlegen kann. Die Position resultiert in einem Ertrag in Höhe des risikolosen Zinssatzes, da gilt: Long Underlying Future D Risikoloser Zinssatz;
(2.2)
wenn man unter „Long Underlying“ den Gesamtwert der Position, also inklusive Zinsen und Dividenden versteht. Andernfalls gilt: Long Underlying Future D Nettofinanzierungskosten:
(2.3)
Hintergrundinformation Bei Financial Futures ist die Berechnung der Cost of Carry vergleichsweise einfach. Bei Warenterminkontrakten werden noch Lager- und Versicherungskosten in die Berechnung mit einbezogen. Diese müssen insoweit in Anrechnung gebracht werden, als dem Eigentümer der Waren diese Kosten entstehen, während sie dem Terminkäufer erspart bleiben. Damit sich aus dieser Kostendifferenz keine Möglichkeit zur Arbitrage ergibt, muss der Forward-Preis entsprechend angepasst werden.
Der Abstand zwischen der X-Achse und der horizontalen Linie „Gesamte Position“ in Abb. 2.6 entspricht dem risikolosen Zins. Dieses Ergebnis wird unabhängig davon erzielt, ob der Markt steigt, fällt oder stagniert. Der Arbitrageur verdient also nur das, was er zum Beispiel auch durch eine Festgeldanlage verdient hätte, jedoch keine risikofreie Überrendite. Für den Einsatz in der Praxis ist es erforderlich, das vereinfachte Cost of Carry-Modell so anzupassen, dass sämtliche in der Praxis auf die Nettofinanzierungskosten einwirkenden Komponenten in die Bewertung der Futures einbezogen werden. Dazu sind zunächst einmal die für jeden Anleger individuellen Finanzierungskosten anzusetzen. Geht
31
Gewinn & Verlust
2.3 Futures
Entwicklung Underlying Gesamte Position
Underlying
Future
Abb. 2.6 Auszahlungsprofil Long Underlying, Short Future
man vom umgekehrten Fall aus, also einem Investor, der das Underlying Short geht und die erhaltenen Mittel investiert, ist der relevante Geldmarktsatz der Anlagesatz. Daraus ist ersichtlich, dass der Spread zwischen Anlage- und Finanzierungssatz (zum Beispiel EURIBOR und EURIBID) wichtige Eckpunkte für den Bewertungskorridor, innerhalb dessen sich der Preis des Future bewegt, bildet (Bohn und Meyer-Bullerdiek 1997). In diesem Zusammenhang spielen auch steuerliche Effekte eine wichtige Rolle. Hintergrundinformation Der Arbitrageansatz über die Cost of Carry trifft eine Reihe von Annahmen, unter anderem dass keinerlei steuerliche Effekte auftreten (Bruns und Meyer-Bullerdiek 1996, S. 284–286). Wie sich Steuern auf die Bewertung von Derivaten auswirken, wird in Abschn. 4.6.2.1.2 dargestellt.
Ebenso müssen Leiheerträge, der Effekt von Margin-Aufwendungen und -Einnahmen und deren Finanzierung bzw. Anlage sowie sämtliche Transaktionskosten berücksichtigt werden. Hintergrundinformation Bei diesen „Nebenkosten“ spricht man von den sogenannten XVAs. Unter diese Sammelbezeichnung fallen eine Reihe von Finanzierungskosten, die vor allem im Markt für OTC-Derivate eine zunehmend wichtigere Rolle spielen, insbesondere bei der Frage, mit welchem Wert Derivate in den eigenen Büchern auftauchen sollen. Darunter fällt das Funding Valuation Adjustment (FVA), das CVA (Credit Valuation Adjustment oder Counterparty Valuation Adjustment) und das Margin
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2
Eigenschaften und Bewertung von Derivaten
Valuation Adjustment (MVA). Das Problem mit diesen Größen ist, dass sie in hohem Maße firmenspezifisch sind, sodass die an einer Transaktion beteiligten Parteien jeweils unterschiedliche Bewertungen in ihren Konten ausweisen können. Die Behandlung dieser Preiskomponenten ist im Markt höchst umstritten. Während die sehr angesehenen und einflussreichen Derivate-Professoren John Hull und Alan White argumentieren, dass die Händler keine FVAs vornehmen sollten (Hull und White 2012), wird dies mittlerweile an den Märkten von der Mehrheit der Händler praktiziert (Hull und White 2016). Eine besonders wichtige Rolle im Markt für OTC-Derivate spielt das Credit Valuation Adjustment (CVA). Dabei handelt es sich um einen Preiszuschlag, der berücksichtigt, wie gut die Bonität der Gegenseite ist. Damit ist der Preis eines Derivats auch davon abhängig, mit wem das Geschäft abgeschlossen wird. Im Zusammenhang mit diesem Kreditrisiko kann auch Art und Umfang der Besicherung eines Geschäfts eine Rolle spielen, was dann ebenfalls in die Berechnung einfließen muss (Collateral Valuation Adjustment, COLVA). Welche gewaltigen Auswirkungen beispielsweise Anpassungen des CVA haben können, deutet der Fall Standard Chartered an. Im Jahresabschluss 2015 hatte die Bank die Berechnung des CVA umgestellt. In der Vergangenheit hatte man die Ausfallwahrscheinlichkeit der Gegenseite von Derivate-Transaktionen auf Basis historischer Credit Spreads oder Ratings geschätzt. In 2015 ging man dazu über, aktuelle Credit Default Swaps heranzuziehen – wie es eigentlich seit mehr als einer Dekade Marktstandard war. Diese implizierten teilweise doppelt so hohe Ausfallwahrscheinlichkeiten. Die erforderlichen Wertberichtigungen auf dem Derivatebuch beliefen sich auf 712 Mio. US-Dollar, was fast dem kompletten Jahresgewinn aus dem Zinsgeschäft in Höhe von 793 Mio. US-Dollar entsprach (Becker 2016). Organisatorische Folge dieser neuen Preiskomponenten ist, dass große Derivatehäuser neue, spezialisierte Kreditabteilungen aufgebaut haben, die als XVA Desks diese Komponenten fortlaufend bewerten und überwachen.
Bei maßgefertigten Derivaten kommt natürlich noch die Marktstruktur dergestalt hinzu, dass je nach Marktstellung entweder der Käufer oder der Verkäufer eher in der Lage ist, seine Verdienstmarge zu realisieren und seine Preisvorstellungen durchzusetzen. Außerdem können die Zeitpunkte von Zahlungen und Einnahmen und daraus resultierende Wiederanlageeffekte zu Änderungen in der Kontraktbewertung führen. Da diese einzelnen Komponenten bei unterschiedlichen Marktteilnehmern unterschiedlich hoch ausfallen können, gibt es für diese eben auch individuelle Fair Values. Jeder einzelne Marktteilnehmer hat also seinen individuellen Gleichgewichtspreis, zu dem er eine Replikation darstellen kann. Der für alle einheitliche faire Preis existiert in der Praxis nicht. Er ähnelt eher einem (wenn auch engen) Preiskanal. Am Ende steht dennoch ein einziger Marktpreis, an dem sich in der Dynamik des Marktes die Mehrheit der Marktteilnehmer im Ausgleich von Angebot und Nachfrage trifft.
2.3.3.2 Basis Im Zusammenhang mit der Bewertung von Futures und den Cost of Carry spielt der Begriff der Basis eine wichtige Rolle. Allgemein wird damit die Differenz zwischen Preis des Future und des Underlying bezeichnet: (Gross) Basis D Preis des Underlying Lieferpreis
(2.4)
2.3 Futures
33
Der Lieferpreis entspricht bei Renten-Kontrakten dem Future-Kurs multipliziert mit dem Konversionsfaktor. Auf den Konversionsfaktor geht Abschn. 2.3.5.1 ein. Genau genommen handelt es sich bei dieser Basis um die Gross Basis, also die tatsächlich am Markt zu beobachtende Differenz zwischen Underlying und Derivat. Die Gross Basis wird auch als Brutto Basis oder aktuelle Basis bezeichnet. Sie kann positiv, negativ oder null sein. Die Gross Basis lässt sich in zwei Komponenten aufspalten, die Carry Basis und die Value Basis. Gross Basis D Carry Basis C Value Basis
(2.5)
Bei der Carry Basis handelt es sich um die theoretische Basis, die sich als Carry Basis D Ertrag Finanzierungskosten;
(2.6)
errechnet und den Nettofinanzierungskosten entspricht. Die Value Basis, die auch als Net Basis, Netto-Basis oder Wertbasis bezeichnet wird, repräsentiert die Über- oder Unterbewertung des Future. Sie kann auch errechnet werden, wenn man den Kapitaleinsatz mit der Differenz zwischen dem in den Kursen implizierten Repo-Satz und dem tatsächlichen Markt-Repo-Satz verzinst. Der Future erreicht genau dann seinen Fair Value, wenn es keine Bewertungsverzerrungen gibt, die Value Basis mithin null wird. Dann entspricht die Gross Basis den Cost of Carry. Bei Verfall ist die Basis null, da zu diesem Zeitpunkt weder Finanzierungskosten noch Anlageerträge anfallen. Abb. 2.7 verdeutlicht, wie die Basis vor Verfall gegen null konvergiert, wenn sich die Nettofinanzierungskosten durch Zeitablauf immer weiter reduzieren. Es ist jedoch auch ersichtlich, dass dieser Konvergenzprozess nicht ohne Verzerrungen abläuft. Es gibt eine ganze Reihe von Einflussfaktoren, die für eine nichtlineare Konvergenz sorgen. Dabei kann man zwei Arten von Einflussfaktoren unterscheiden: solche, die primär auf die theoretische Basis wirken und solche, die die Wertbasis einen Wert ungleich null annehmen lassen. Auf die theoretische Basis wirken beispielsweise Änderungen der Finanzierungskosten in Form des kurzfristigen Zinssatzes. Bei fallenden kurzfristigen Zinsen weitet sich die Basis aus, bei steigenden engt sie sich ein. Auch Änderungen in der Einschätzung der Erträge spiegeln sich hier wider. Im Aktienbereich kommt es typischerweise immer wieder zu geänderten Dividendenerwartungen. Bei den Renten kann auch ein Wechsel der günstigsten lieferbaren Anleihe (CTD, s. u.) bzw. allein die Befürchtung, dass ein solcher bevorstehen könnte, dazu führen, dass der Konvergenzpfad der Gross Basis gegen null nicht linear ist (zur Cheapest-to-Deliver vgl. Abschn. 2.3.5.2). In der Value Basis ist nämlich unter anderem der Wert der sogenannten Lieferoption enthalten. Was hat es damit auf sich? Wenn es nur eine einzige lieferbare Anleihe gäbe, wäre die Value Basis, in Abwesenheit aller anderen verzerrenden Faktoren, null. Tatsächlich kann der Verkäufer des Future jedoch wählen, welche Anleihe er aus dem Korb aller zugelassenen Bonds einliefert. Rationalerweise wählt er die für ihn günstigste Anleihe, die
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2
Eigenschaften und Bewertung von Derivaten
200
Basispunkte
150
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-50 19.06.2000
31.07.2000
11.09.2000
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04.12.2000
18.01.2001
01.03.2001
Abb. 2.7 (Gross) Basis des Euro STOXX 50 Future
Cheapest-to-Deliver (CTD). Nun besteht jedoch die Möglichkeit, dass sich bis zum Lieferzeitpunkt die CTD ändert (Abschn. 3.5.2). Eine andere Anleihe käme ihn also billiger. Anders ausgedrückt: Seine „alte“ CTD hat nun einen Zusatzwert, denn er müsste ja nur die „neue, billigere“ CTD liefern. Nochmal anders ausgedrückt: In dieser Konstellation würde seine „alte“ CTD bei Fälligkeit keine Basis von null, sondern einen positiven Wert aufweisen. Der Erwartungswert dieser Basis-Optionalität ist der Wert der Lieferoption. Sie ist insofern eine echte Option, als sie die Wahrscheinlichkeit bemisst, dass die aktuelle CTD bis zum Fälligkeitstag abgelöst wird. Für den Käufer der Basis stellt sie (bei einem Zinsniveau unter sechs Prozent) einen Long Put dar (CME 2013). Wenn also kein anderer Faktor auf die Value Basis wirken würde, wäre die Value Basis gleich dem Wert der Lieferoption. Die mögliche Höhe der Lieferoption ist von den Kontraktspezifikationen abhängig und kann von Kontrakt zu Kontrakt unterschiedlich sein. Beim Bund Future muss der Inhaber einer Short-Position am letzten Handelstag avisieren, welche Anleihe er zwei Tage später, am Liefertag, einliefern wird. Der Wert dieses Teils der Lieferoption ist also sehr niedrig. Anders in den USA: Der T-Bond Future hat eine längere Lieferperiode, sodass dieser Wertanteil der Lieferoption hier tatsächlich relevant werden kann. In der Realität wird die Value Basis aber noch von anderen Faktoren bewegt, von denen sich die meisten unter der Überschrift „Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage“ zusammenfassen lassen. Hier spielen Faktoren wie Erwartungen im Markt, die Veröffentlichung von unerwarteten Wirtschaftsdaten ebenso wie die Liquiditätslage in den Kontrakten und Underlyings bis hin zu echten Knappheitssituationen (Squeezes) eine
2.3 Futures
35
Rolle. Diese drücken sich zum Beispiel darin aus, dass der tatsächlich am Markt handelbare Repo-Satz vom Schirmpreis abweicht. Hintergrundinformation Theoretisch sollte es keine derartigen Preisabweichungen zwischen den Marktteilnehmern geben, wenn diese über Generalized Collateral-Plattformen wie zum Beispiel den europäischen Marktführer Eurex Repo handeln, da hier ein anonymer und zentralisierter Handel erfolgt. In der Realität kommt es jedoch durchaus zu einer mitunter bedeutsamen Streuung der gehandelten Repo-Sätze, was nicht ausschließlich den Unterschieden in den jeweils gestellten Sicherheiten geschuldet ist.
Darüber hinaus spielt das Wiederanlagerisiko eine Rolle. Gerade während einer intakten Zinsabwärtsbewegung besteht die Gefahr, dass der zufließende Kupon nur zu gesunkenen Zinsen reinvestiert werden kann. Auch kann der organisatorische Rahmen einseitig in eine Richtung wirken, wenn beispielsweise hohe Transaktionskosten oder Margin-Anforderungen Transaktionen verteuern oder Abwicklungshemmnisse das Eingehen von Positionen erschweren. Im Extremfall existieren gar keine Instrumente und Mechanismen, die es erlauben, die Short-Seite des Marktes zu spielen und so über eine Arbitrage-Position für einen fairen Preis zu sorgen. Ein weiterer Faktor, der, meist jedoch in geringem Maße, auf die Value Basis einwirkt, können Zinseffekte aufgrund von Margin-Zahlungen sein. Wenn einer oder mehrere dieser Faktoren für eine hinreichend große Verzerrung der Basis sorgen, ergibt sich unter Umständen die Möglichkeit für ein Spread- oder gar Arbitrage-Geschäft, wie sie in nachfolgenden Kapiteln beschrieben werden.
2.3.4 Aktien-Futures 2.3.4.1 Aktienindex-Futures Die Ableitung der Bewertung von Aktien- und Aktienindex-Futures aus der allgemeinen Formel ist unproblematisch. Es gilt lediglich, die richtigen Größen für die Berechnung der Nettofinanzierungskosten zu ermitteln. Im Falle von Aktienpreisindizes und gelegentlich auch von Aktien werden vereinfachend als Finanzierungserlöse nur die Dividenden in Form der Dividendenrendite angesetzt. Tage bis Fälligkeit (2.7) Future D Index 1 C .Kreditzins Dividendenrendite/ 360 Auch an dieser Stelle gibt es bereits Spielraum für divergierende Futures-Preise, denn gerade wenn man mit einem stetigen Dividendenstrom rechnet, findet man in vielen Lehrbüchern auch eine stetige Barwertberechnung der Form Future D Index e.KreditzinsDivdendenrendite/
Tage bis Fälligkeit 360
(2.8)
Die Abweichungen zwischen den beiden Formeln sind jedoch bei den in aller Regel kurz laufenden Futures gering.
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2
Eigenschaften und Bewertung von Derivaten
Um genauer zu rechnen, verwenden manche Marktteilnehmer nur die Dividenden, die bis zur Fälligkeit des Future anfallen und verbarwerten nur diese. Eine große Bank rechnet beispielsweise: d1 d2 div 1 C i2 (2.9) F D I 1 C .i1 r/ c c mit F I i1 r d1 c div i2 d2
= Future-Preis = Indexpreis = Zinssatz bis Fälligkeit, zum Beispiel Euribor +/ individuellem Spread = Repo = Tage bis Fälligkeit = Tageskonvention = Dividende = Forward-Zins vom Zahltag der Dividende bis Future-Verfall = Tage zwischen Dividendenzahlung und Future-Verfall
Doch selbst wenn sich alle Marktteilnehmer auf eine Formel einigen würden, werden sie doch nie zu einem allgemeingültigen Zinssatz kommen, da Teilnehmer mit unterschiedlichen Refinanzierungskosten am Markt agieren („individueller Spread“ in Gl. 2.9), was zu unterschiedlichen Future-Preisen führt. Dazu kommen weitere Faktoren, die für eine Streuung der Bewertungsergebnisse sorgen. So ist die erwartete Dividende ihrer Höhe nach mit Unsicherheiten belastet. Sie steht erst nach Beschluss auf der Hauptversammlung fest. Darüber hinaus kommt es zu Problemen im Zusammenhang mit der Bestimmung von steuerlichen Effekten. In Deutschland spielte die Einrechnung der Körperschaftsteuergutschrift immer wieder eine gewichtige Rolle. Darüber hinaus nutzen sowohl steuerpflichtige als auch steuerbefreite Anleger diese Kontrakte. Gerade auch in den Vereinigten Staaten haben sich hinsichtlich der Bewertung die großen institutionellen Investoren durchgesetzt, die entweder steuerbefreit sind oder Verluste so gegenrechnen können, dass die Dividendensteuer für sie keine Rolle spielt. So sind in US-amerikanischen Aktienindex-Futures annähernd 100 % der Dividendenzahlungen im Future-Preis enthalten (Mueller 2003). Ein Steuerabschlag findet also praktisch nicht statt. Bei Performance-Indizes wie dem deutschen Aktienindex DAX gestaltet sich die Bewertung von Futures noch einfacher. Da die Erträge der dem Index zugrundeliegenden Aktien direkt in diesen reinvestiert werden, spiegelt der Indexstand die Gesamtwertentwicklung eines Investments in den Index wider. Daher müssen keine zusätzlichen Erträge in die Berechnung einbezogen werden. Die Bewertungsformel vereinfacht sich zu Tage bis Fälligkeit (2.10) DAX Future D DAX 1 C Kreditzins 360 Doch selbst bei einem Performance-Index kann die Steuer als preisbildender Bestandteil auf den Plan treten. In 2016 wurde die sogenannte 45-Tage-Regel eingeführt, um
2.3 Futures
37
ausschließlich steuerlich motivierte Transaktionen im Zusammenhang mit Dividenden zu unterbinden. Demnach muss man als Investor die Aktie innerhalb einer Spanne von 91 Tagen um den Termin der Hauptversammlung herum mindestens 45 Tage ungesichert halten, um die komplette Dividende zu empfangen. Das ist für Indexhändler ein Ding der Unmöglichkeit. Deren Bestand in Long-Aktien wird durch Short-Futures gesichert. Daher erhalten sie die Dividende nicht zu 100 %, sondern, gemäß Angaben aus dem Markt, nur zu durchschnittlich 73 %. Bei einem DAX-Stand von 10.000 und einer durchschnittlichen Dividendenrendite von drei Prozent ergibt sich dadurch zwei Monate vor Verfall ein spürbarer Effekt auf die Basis von 10.000 60 / 360 0,03 0,27 D 13,5 Indexpunkten. In der Realität müssen auch die jeweiligen Handelskosten der Instrumente in Form von Ausführungs- und Abwicklungskosten sowie der Geld-Brief-Spanne berücksichtigt werden. Erstere unterscheiden sich je nach Börse, Instrument und Marktteilnehmer (je nachdem, was er mit seinem Broker und Abwickler für Konditionen ausgehandelt hat). Die Geld-Brief-Spanne kann, je nach Angebot- und Nachfragesituation mitunter stark schwanken und ist marktnah festzustellen, bevor man sich auf etwaige Arbitrage-Geschäfte einlässt.
2.3.4.2 Einzelaktien-Futures Eine vergleichsweise junge Kontraktklasse sind die Single Stock Futures, also Futures auf einzelne Aktien. Mehrere Derivatebörsen haben diese Produkte bereits eingeführt. So haben sowohl die Hong Kong Exchange als auch die Euronext in Amsterdam im Jahr 2000 die Vorreiterrolle übernommen. Am 29. Januar 2001 hatte die Londoner Terminbörse LIFFE die bis dahin umfangreichste Palette an Single Stock Futures gestartet. Sie bot Kontrakte auf britische, kontinentaleuropäische und US-amerikanische Big Caps an. Die spanische Terminbörse ging mit einem rein national ausgerichteten Angebot im ersten Quartal 2001 an den Start. In Nordamerika wurden Aktien Futures zuerst in Montreal gehandelt. In den USA ist es den Chicagoer Terminbörsen Chicago Mercantile Exchange (CME) und Chicago Board of Trade (CBOT) erst nach massivem Einsatz gelungen, im Commodity Futures Modernization Act 2000 die Abschaffung der sogenannten Shad Johnson-Regulierung durchzusetzen. Diese hatte bislang das Angebot von Single Stock Futures verboten. Damit durften im August 2001 Kontrakte für institutionelle und im Dezember für private Investoren zum Handel zugelassen werden. Hinsichtlich der Berücksichtigung von Dividenden im Rahmen der Bewertung sind Single Stock Futures pflegeleicht. Das Datum der Hauptversammlung und der nachfolgenden Dividendenzahlung ist lange im Voraus bekannt, sodass man genau abgrenzen kann, für welche Kontraktfälligkeiten die Dividende einzurechnen ist und für welche nicht. Bleibt einzig die Herausforderung, die Höhe der Ausschüttung richtig zu prognostizieren.
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2
Eigenschaften und Bewertung von Derivaten
2.3.5 Renten-Futures 2.3.5.1 Konversionsfaktor Deutlich schwieriger gestaltet sich die Bewertung bei Renten-Futures wie zum Beispiel des an der Eurex gehandelten Bund Future (eine ausführliche Besprechung der Bewertung von Zins-Futures findet sich in Diwald 1994, S. 160 ff.): Der entscheidende Faktor ist die Ausgestaltung des Kontrakts dergestalt, dass er sich auf ein Underlying bezieht, das in dieser Form nicht am Markt gehandelt wird. Das Underlying ist eine fiktive Bundesanleihe mit einer Laufzeit von 8,5 bis 10,5 Jahren und einem Kupon von sechs Prozent. Nun notieren zwar am Markt einige Anleihen, die von ihrer Restlaufzeit her in diese Bandbreite fallen. Allerdings weisen die nur dann einen Kupon von sechs Prozent auf, wenn dieser in der näheren oder weiteren Vergangenheit als marktnah emittiert wurde. Um nun die in den Kontrakt lieferbaren Anleihen vergleichbar zu machen und sie gleichzeitig auf den fiktiven sechsprozentigen Kupon zu normieren, bedient man sich des Konversions- oder Preisfaktors. Der Konversionsfaktor ist der Preis, den eine Anleihe am Liefertag eines Future hätte, wenn sie mit sechs Prozent rentieren würde. Er wird über diese von der Börse vorgegebene Formel errechnet: KF D
K 1 1 K.1 m/ 1 1;06 C 1;06m 6 1;06j 1;06j 100
(2.11)
m = Volle Monate bis zur nächsten Kuponzahlung/12 j = Jahre von nächster Kuponzahlung bis Anleihefälligkeit K = Kupon der Anleihe Intuitiv lässt er sich als Verhältnis der Barwerte der lieferbaren Anleihe zur hypothetischen Anleihe bei einem Zins von sechs Prozent annähern: KonversionsfaktorAnleihe
% Renditeniveau Barwert6Anleihe % Renditeniveau Barwert6theoretisches Underlying
(2.12)
2.3.5.2 Cheapest-to-Deliver Bei Fälligkeit des Kontrakts hat der Verkäufer eines Future die Wahl zwischen mehreren Anleihen zur Einlieferung. Vergleicht er die lieferbaren Anleihen miteinander, so kann er feststellen, welches Papier für ihn zum Zwecke der Einlieferung am günstigsten ist. Er sucht sich die in diesem Sinne billigste Anleihe, die sogenannte Cheapest-toDeliver (CTD) heraus. Diese Berechnung ist dadurch, dass durch den Terminverkauf der Verkaufspreis einer Anleihe schon jetzt verbindlich festgelegt wird, auch während der Kontraktlaufzeit und nicht erst bei Fälligkeit möglich. Dazu simuliert der Anleger für jede mögliche Anleihe den Anleihekauf und gleichzeitigen Verkauf des Future. Alternativ kann die CTD auch über den Vergleich der Implied Repo Rate (IRR) durchgeführt werden.
2.3 Futures
39
Hintergrundinformation Die IRR gibt die Rendite p. a. an, die man erzielt, wenn man das Underlying kauft, es über den Future absichert und bei Fälligkeit in den Future liefert. Ein Beispiel aus dem Aktienbereich findet sich in Abschn. 4.1.1.
CTD ist dann die Anleihe, die jeweils den höchsten impliziten Repo-Satz aufweist (Diwald 1994, S. 206 ff.). Damit weist die CTD auch die kleinste Basis, auf. Sie ist also die Anleihe, bei deren Einlieferung der größte Gewinn bzw. der kleinste Verlust anfällt. Dass es überhaupt eine CTD gibt, ist „nicht beabsichtigt“. Die von der Börse berechneten Konversionsfaktoren dienen eigentlich dem Zweck, alle lieferbaren Anleihen gleich attraktiv zur Einlieferung zu machen. Diese Adjustierung funktioniert aber nicht perfekt. Sie wäre es nur dann, wenn die Zinsstrukturkurve flach wäre und zwar auf Höhe der hypothetischen sechs Prozent-Basisanleihe. Bei einem Marktzinsniveau von über sechs Prozent wird jedoch tendenziell eine Anleihe mit niedrigem Kupon und langer Laufzeit CTD sein, bei einem Niveau unter sechs Prozent eher eine Anleihe mit hohem Kupon und kurzer Laufzeit. Dies lässt sich auf die einfache Faustformel, dass bei einer Rendite unter sechs Prozent die Anleihe mit der kürzesten Duration, über sechs Prozent die mit der längsten Duration CTD ist, reduzieren. Damit steht auch das aktuelle Underlying für den Future fest, sodass der Future wie folgt bewertet werden kann: tt0 rc;t CTDt C CTDt C K actual Future D KFCTD
Tt 360
KCTD
Tt actual
(2.13)
mit CTD KF K T t t0 r
= Kurs der CTD = Konversionsfaktor = Kupon = Fälligkeit des Future = Valuta = Datum der letzten Kuponzahlung = Kreditzinssatz (Repo)
Zu beachten ist dabei, dass bei der Berechnung der Kupons die für alle Euro-Staatsanleihen gebräuchliche Kapitalmarktkonvention für die Zinstage „actual/actual“ verwendet wird, also die tatsächlichen Zins- und Jahrestage. Für die Refinanzierung hingegen gilt die Geldmarktkonvention „actual/360“. Hintergrundinformation Zur Zinskonvention bei der Bewertung von Bund Futures findet man immer mal wieder die Konvention „30/360“. Offiziell gilt für den Bund Future jedoch „actual/actual“ (vgl. Eurex 2007a, FN 11 auf S. 25). Für Schweizer Staatsanleihen zum Beispiel wäre „30/360“ korrekt.
40
2
Eigenschaften und Bewertung von Derivaten
Beispiel
Mit Marktdaten bestückt, ergibt die Formel im Oktober 2016 einen fairen Wert des Bund Future von 163,20: Valuta Fälligkeitstag der Anleihe Kupon Preis der CTD Liefertag der Anleihe Tage bis zum Liefertag der Anleihe Zahltag des letzten Kupons Stückzinstage Stückzinsen CTD-Konvertierungsfaktor Repo/Geldmarktzinssatz Theoretischer Future-Preis
19.10.2016 15.08.2025 1% 109,444 12.12.2016 54 15.08.2016 65 0,1781 0,669312 0,406 % 163,1965
Aufgrund der Konstruktion des Bund Future über die hypothetische sechs Prozent Anleihe herrschte lange Zeit die Daumenregel vor, dass der Bund Future maximal auf einen Kurs von 160 steigen könnte. Im April/Mai 2015 hat sich diese Faustregel als doppelt falsch herausgestellt. Aufgrund der Annäherung an die Marke von null Prozent Rendite beschäftigten sich die Marktteilnehmer genauer mit dem theoretischen Maximalkurs. Einerseits wurde klar, dass es keinen Grund gibt, warum die Bund-Rendite nicht auch unter die magische Nullmarke fallen sollte. Zum anderen sorgt der Korb der lieferbaren Anleihen dafür, dass selbst bei einer Rendite von null Prozent der Bund Future über 160 notiert. Der Konvertierungsfaktor unterstellt eine im Lieferzeitpunkt flache Zinsstrukturkurve bei exakt sechs Prozent. Die Formel für die Berechnung des Lieferpreises bewertet bei einer Marktrendite von unter sechs Prozent alle lieferbaren Anleihen zu niedrig. Die Unterbewertung ist jedoch bei der Anleihe aus dem Korb der lieferbaren Anleihen am geringsten, die die geringste Zinsreagibilität aufweist. Das ist ceteris paribus die kürzeste Anleihe, sofern die Kuponhöhe nicht zu weit auseinander liegt. Im Falle einer normalen, also ansteigenden Zinsstrukturkurve liegt die Rendite einer kurzen Anleihe unter der einer längeren. Gibt es im Korb lieferbare Anleihen mit einer Restlaufzeit von unter zehn Jahren, kann also die Rendite der (unter zehn Jahren liegenden) CTD bereits im negativen Bereich liegen, während die „echte“ zehnjährige Rendite noch darüber notiert. Aus diesem Grund kann also bei einer zehnjährigen Rendite von null Prozent der Bund Future über 160 notieren (sehr schön illustriert von Herrmann 2015). Das Underlying steht jedoch nur temporär fest. Tatsächlich kommt es immer wieder zu einem Wechsel der CTD. Dadurch ändert sich der faire Preis des Future. Abb. 2.8 zeigt exemplarisch den Verlauf der CTD-Entwicklung im Euro BUXL 02/2006-Kontrakt. Bis Ende März war die 30-jährige Silvesteranleihe 2031 CTD. Nach dem langen Zinsanstieg wurde dann die Bund Juli 2034 neue CTD.
2.3 Futures
41
108 1 106
1 1
1 1
1
11 1
1
104
1: 5,5% Bund 01/2031 2: 4,75% Bund 07/2034
11 1 11 1
102
11
1 11
1
1
11
1 111 1
11
1 11
1 1
1
11 1
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100
11
1
1
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1
1
11 1
11 1 1
98
1 2 2
96 6.1.06
13
20
27
3.2.
10
17
24
3.3.
10
17
24
31
2
7.4.
Abb. 2.8 Wechsel der Cheapest-to-Deliver im Zeitablauf. (BUXL Future 06/2006; Datenquelle: Thomson-Reuters)
Ursächlich für derartige Wechsel ist vor allem eine Veränderung der Zinsstrukturkurve. Aufgrund der dadurch hervorgerufenen Preis- und Renditeänderungen der lieferbaren Anleihen kann sich bei Durchrechnung der Papiere eine andere Anleihe als vorteilhaftestes Papier ergeben. Dies insbesondere deshalb, als die Konversionsfaktorsystematik kleine Differenzen bei der Vereinheitlichung der lieferbaren Anleihen zulässt. Auch verändert sich der Inhalt des Korbs lieferbarer Titel immer wieder, was nicht selten einen Wechsel der CTD nach sich zieht. Dies kann einerseits durch neu in den Korb aufgenommene Anleihen der Fall sein. Dabei handelt es sich entweder um Anleihen, die mit längerer Laufzeit emittiert worden waren, die sich durch Zeitablauf aber irgendwann soweit verkürzt haben, dass sie die Voraussetzungen für die Aufnahme in den Korb erfüllen. Oder aber Neuemissionen im entsprechenden Laufzeitfenster erhöhen das Angebot im Korb. Andererseits verschwinden auch Anleihen, wenn ihre Restlaufzeit nach unten aus dem zulässigen Laufzeitband herausfällt. Schließlich sorgen gelegentlich Verzerrungen an den Märkten für Änderungen der CTD. So war bereits zu beobachten, dass praktisch identische Anleihen unterschiedliche Renditen aufwiesen. Gerade kurz vor Verfall besteht eine erhöhte Gefahr für sprunghafte Wechsel der CTD. Ist für viele Shorts (Verkäufer des Future) absehbar, dass sie ihre Position nicht durch ein Gegengeschäft schließen, sondern die Anleihe tatsächlich liefern werden, müssen sie die Titel am Markt einkaufen, sofern sie sie nicht bereits im Bestand haben. Durch diesen Nachfrageschub verteuert sich die CTD unter Umständen so stark, dass eine andere Anleihe im Vergleich attraktiver und damit zur neuen CTD wird. Durch den Wechsel der CTD kann zu es zu kleineren Sprüngen im Preis des Future kommen. Außerdem zieht er Veränderungen der Basis nach sich. Die neue CTD weist Abweichungen hinsichtlich des Preises, der Laufzeit und oft auch des Kupons auf, sodass sich andere Finanzierungskosten und Halteerträge ergeben.
42
2
Eigenschaften und Bewertung von Derivaten
Für die korrekte Bewertung in der Praxis müssen, neben den oben bereits aufgeführten, allgemeinen Einflussfaktoren auf die Nettofinanzierungskosten, auch noch einige rentenspezifische Besonderheiten berücksichtigt werden. Diese treten in Form von Optionen auf, die dem Verkäufer des Kontrakts bestimmte vorteilhafte Wahlmöglichkeiten einräumen. Man unterscheidet die sogenannten Qualitätsoptionen, die dem lieferverpflichteten Inhaber der Short-Position vor Ende des Kontrakthandels, wie eben beschrieben, das Wahlrecht hinsichtlich der zu liefernden Anleihe ermöglichen, und die Wahlmöglichkeiten im Zeitraum zwischen Ende des Future-Handels und dem spätestmöglichen Einlieferungstag. Diese werden als Wechseloptionen bezeichnet. So kann der Lieferverpflichtete bei einigen Kontrakten nicht nur entscheiden, welche Anleihe er liefert, sondern auch wann. Beispielswiese hat der Future-Verkäufer im T-Bond im Sinne einer amerikanischen Option fast einen Monat lang Zeit, um ihn zu beliefern [Diwald 1994, S. 190 ff.; vgl. auch Kronstein et al. (2016) zu den Feinheiten im Lieferprozess von Treasury Futures sowie den sich daraus ergebenden Optionen]. Diese Optionen haben einen, wenn auch kleinen, monetären Wert, der sich in der Bewertung des Future widerspiegeln sollte. Hintergrundinformation Die Finanzwelt ist voll von diesen kleinen Optionen, die man in der Bewertung von Derivaten leicht übersieht; natürlich begünstigt dadurch, dass sie sich nicht selten irgendwo im Kleingedruckten verstecken. Beispielsweise war eines der Probleme beim Kollaps von Lehman Brothers, dass in der Rahmenvereinbarung der International Swaps and Derivatives Association (ISDA) eine Klausel enthalten war, die im Fall, dass eine Vertragspartei ihren Verpflichtungen nicht nachkommt, der anderen Partei das Recht zuerkennt, das Geschäft zu beenden. Es handelt sich also um eine PutOption, die in den allermeisten Fällen weit aus dem Geld notiert, es im Falle eines Falles aber dem Optionsinhaber erlaubt, sich rechtzeitig zurückzuziehen, um nicht in jahrelange Insolvenzklärungen einbezogen zu werden (Wood 2014; Madigan 2014).
Was die Bewertung von Renten-Futures ebenfalls nicht gerade erleichtert, sind die diversen Eigenarten der Underlyings wie unterschiedliche Kuponfrequenzen (manche Kupons sind jährlich, andere halbjährlich fällig), Tages- oder Stückzinskonventionen, ganz abgesehen von divergierenden steuerlichen Regelungen. Diese Faktoren eröffnen einerseits Chancen auf Arbitrage-Gewinne, erschweren diese jedoch gleichzeitig, da es keinen für alle Marktteilnehmer einheitlichen, „richtigen“ Preis gibt (zur Arbitrage siehe Abschn. 4.1).
2.3.6 Margin Bei einem Future-Geschäft werden keine Vermögensgegenstände gehandelt, sondern gegenseitige Verpflichtungen. Um sicherzustellen, dass die aus diesen Verpflichtungen entstehenden Ansprüche vom jeweiligen Schuldner auch bedient werden, fordern die Terminbörsen Sicherheiten (Margins) ein.
2.3 Futures
43
Bei Eröffnung der Position müssen die Kontrahenten die sogenannte Initial Margin – die Eurex verwendet die Bezeichnung Additional Margin – hinterlegen. Diese richtet sich nach der Volatilität des Underlying und liegt bei Renten-Futures meist in der Größenordnung eines niedrigen einstelligen Prozentsatzes vom Kontraktwert, bei Aktien-Futures im niedrigen zweistelligen Bereich. Hintergrundinformation Oft wird die Margin auf Basis historischer Entwicklungen berechnet. Das führt regelmäßig dazu, dass immer wieder Diskussionen über die angemessene Höhe der Margin aufkommen, wenn besondere Marktausschläge die historische Volatilität prägen. Beispielsweise machte es für die MarginAnforderungen der Abrechnungshäuser einen großen Unterschied, ob sie die Turbulenzen während der Lehman-Krise nach zwei, drei oder fünf Jahren aus ihren Risikomodellen tilgten und dementsprechend die Margin-Anforderungen wieder senkten (Osborn 2013a).
Der Anleger muss nur einen Bruchteil des Gegenwerts hinterlegen. Daraus resultiert die gehebelte Natur von Futures. Bei einem DAX-Stand von 10.000 Punkten und einem Punktwert von 25 C bewegt der Future-Nutzer also eine Viertelmillion Euro. An Margin muss er aber vielleicht nur 17.000 C hinterlegen. Daraus ergibt sich ein Hebel von 250.000 / 17.000 D 14,7. Allerdings behalten sich die Börsen meist vor, auch während des Handelstages zusätzliche Sicherheiten zu fordern. Diese sogenannte Intra Day Margin wird insbesondere in Risikosituationen eingefordert, um die Solvenz des Systems aufrecht zu erhalten. Jederzeit die anfallenden Margin-Zahlungen sicherstellen zu können, ist eine veritable Herausforderung für das Cash Management, insbesondere in extrem volatilen Märkten (siehe Abschn. 6.6). Eine weitere Besonderheit ist die Futures Spread Margin. Hält ein Anleger unterschiedliche Futures in seinem Portfolio, die sich zwar auf den gleichen Basiswert beziehen, aber hinsichtlich ihrer Fälligkeit abweichen, werden diese hoch, aber nicht perfekt korreliert sein. Bei einem Long in der nächsten Fälligkeit und einem Short in der übernächsten verbleibt nur das reduzierte Risiko, dass sich die Basen relativ zueinander verschieben. Diesem verminderten Risiko wird insofern Rechnung getragen, dass für die Long- und Short-Position nicht jeweils die volle Margin hinterlegt werden muss, sondern nur ein Bruchteil davon in Form der Futures Spread Margin (Abb. 2.32). Um seiner Verpflichtung der Margin-Leistung gerecht zu werden, kann der Investor entweder einen entsprechenden Betrag in Cash hinterlegen oder Wertpapiere, die gewissen Mindestanforderungen genügen, sperren lassen. Beide Varianten haben ihre Vor- und Nachteile (Tab. 2.2). Im OTC-Bereich wird mittlerweile Cash als Sicherheitsleistung eindeutig präferiert, da die aufwändigere Sicherheitenprüfung ebenso entfällt wie die Eigenkapitalunterlegung von Sicherheiten. Im weiteren Verlauf erzielt die Future-Position Gewinne und Verluste. Diese werden börsentäglich abgerechnet und dem Kontrahenten als Variation Margin auf seinem Margin-Konto gutgeschrieben oder belastet. Bei Licht betrachtet schließt die Börse also
44
2
Eigenschaften und Bewertung von Derivaten
Tab. 2.2 Formen der Sicherheitenstellung. (BNY Mellon; Benda und Sturm 2014; Bossert) Vorteile
Nachteile
Cash in Währung Einfach Handhabung Schneller Transfer Evtl. Verzinsung Abschläge (Haircuts) nur bei Fremdwährung Keine Bewertungsprobleme Erschwerte Segregation ! geringerer Ausfallschutz Cash Drag Restriktionen für den Sicherheitenempfänger durch regulatorische Anforderungen wie Basel III
Wertpapiere Insolvenzschutz und Portabilität durch Segregierbarkeit Möglichkeit der Transformation
Höhere operative Anforderungen Eingeschränkte Möglichkeit der Wertpapierleihe Übersicherung durch Anwendung von Haircuts
Segregation bezeichnet die Absonderung der gestellten Sicherheiten, insbesondere vom Vermögen des Sicherheitenmanagers. Cash Drag: Da diese beiseitegelegte Cash-Position nicht am Kapitalmarkt investiert ist, wird sie in den Phasen steigender Kapitalmärkte die Performance belasten (Abschn. 5.2.1).
virtuell jeden Kontrakt am Tagesende zum Abrechnungspreis und eröffnet in der gleichen Sekunde einen neuen Kontrakt. Dadurch wird erreicht, dass der Schuldner Verluste jeweils nur für einen Tag anhäuft. Wenn sich der Saldo des Margin-Kontos aufgrund von fortgesetzten Verlusten unterhalb eines Schwellenwerts – dieser firmiert häufig unter der Bezeichnung Maintenance Margin und liegt meist bei rund 75 % der Initial Margin – wiederfindet, wird ein Sicherheitennachschuss (Margin Call; in der Regel bis zur Höhe der Initial Margin) angefordert. Bleibt dieser aus, wird die Position zwangsliquidiert. Hintergrundinformation Da die Details zum jeweiligen Margining System von Börse zu Börse verschieden sein und auch einem zeitlichen Wandel unterliegen können, lohnt sich stets ein Blick auf die genauen Spezifikationen, die bei den Terminbörsen erhältlich sind. Die gemachten Ausführungen beziehen sich im Wesentlichen auf die Handhabung an der Eurex (Details dazu finden sich in Eurex 2007).
2.4 Optionen I Definition „Option“ ist schon rein sprachlich ein unheimlich positiv besetztes Wort, steht es doch für freiheitliche Begriffe wie „Wahlmöglichkeit“ und „Alternative“. Die lateinische Herkunft drückt dies auf wunderbare Weise aus: optio = freier Wille. Bei Optionen in der Finanzsphäre handelt es sich um bedingte Termingeschäfte. Das heißt, dass nur eine der beide Vertragsparteien eine Verpflichtung wie bei einem Future eingeht, während die andere Partei, das Recht, aber nicht die Pflicht hat, seinen Kontrahenten aus dessen Verpflichtung in Anspruch zu nehmen. Für die Einräumung dieses
2.4 Optionen
45
Rechts zahlt der Optionskäufer dem Optionsverkäufer einen Preis, die Optionsprämie. Dieses Geld behält der Optionsverkäufer in jedem Fall. Da er sich gegenüber dem Käufer der Option verpflichtet hat und er nun warten muss, ob der Inhaber der Option ihn in die Pflicht nimmt, bezeichnet man ihn auch als Stillhalter. Übt der Optionskäufer sein Recht aus, so ist der Stillhalter gezwungen, seinen Teil der Vereinbarung einzuhalten. Erweist sich für den Optionskäufer die Ausübung der Option als unvorteilhaft, verzichtet er darauf und lässt sie zum Ende der vorher vereinbarten Laufzeit verfallen. Beide Parteien sind einander dann nichts mehr schuldig. Bei Optionen entsteht also eine asymmetrische Rechtsbeziehung. Der Käufer kann sein Recht ausüben. Verpflichtet ist er dazu jedoch nicht. Auf der anderen Seite muss der Stillhalter in jedem Fall seiner Verpflichtung nachkommen, sofern der Optionskäufer dies einfordert. Schließlich hat der Stillhalter dafür ja auch eine Entschädigung, die Optionsprämie, erhalten. Mag die Vielfalt der Einsatzmöglichkeiten, auf die wir in diesem Buch zu sprechen kommen, auf den ersten Blick auch noch so unübersichtlich erscheinen, lassen sich alle Positionen letztlich doch auf die zwei Vertragsformen Call (Kaufoption) und Put (Verkaufsoption) zurückführen. Der Call verbrieft das Recht, etwas zu einem im Vertrag festgelegten Preis zu kaufen. Ein Put verbrieft das Recht, etwas zu einem im Vertrag festgelegten Preis zu verkaufen. Wer ein solches Recht erwirbt, ist die Option long, wer es verkauft, short. Daraus ergeben sich die vier Grundgeschäftsarten für Optionen: Geht es um den Handel mit Kaufoptionen, also dem Recht, etwas zu kaufen, so bezeichnet ein Long Call den Kauf einer Kaufoption und Short Call das Gegengeschäft, den Verkauf der Kaufoption. Geht es um den Handel mit Verkaufsoptionen, also dem Recht, etwas zu verkaufen, so spricht man von einem Long Put, wenn jemand eine Verkaufsoption gekauft hat und von einem Short Put, wenn jemand eine Verkaufsoption verkauft hat. Long Call = Kauf einer Kaufoption = Kauf des Rechts, von jemandem etwas zu einem bestimmten Preis kaufen zu dürfen Short Call = Verkauf einer Kaufoption = Verkauf des Rechts, etwas zu einem bestimmten Preis kaufen zu dürfen = Eingehen der Verpflichtung, jemandem auf dessen Aufforderung hin etwas zu einem estimmten Preis zu verkaufen Long Put = Kauf einer Verkaufsoption = Kauf des Rechts, jemand anderem etwas zu einem bestimmten Preis verkaufen zu dürfen Short Put = Verkauf einer Verkaufsoption = Verkauf des Rechts, etwas zu einem bestimmten Preis verkaufen zu dürfen = Eingehen der Verpflichtung, jemandem auf dessen Aufforderung hin etwas zu einem bestimmten Preis abzukaufen
46
2
Eigenschaften und Bewertung von Derivaten
Entsprechend der asymmetrischen Verteilung von Rechten und Pflichten ergibt sich bei Optionen auch ein asymmetrisches Auszahlungsprofil. Geht beispielsweise ein Anleger eine Long Call-Position auf eine Aktie mit einem Basispreis (Strike Price) von 150 C ein, dann erwirbt er damit das Recht, diese Aktie zu 150 C vom Verkäufer der Option zu erwerben. Dafür bezahlt er diesem den Optionspreis von fünf Euro. Steht die Aktie am Fälligkeitstag der Option höher als 150 C, wird der Optionskäufer seine Option ausüben und sich die Aktie zum Preis von 150 C vom Stillhalter liefern lassen. Notiert die Aktie beispielsweise bei 200 C, bezieht er die Aktie aus der Option zu 150 C und verkauft sie sofort am Markt zu 200 C. Damit erzielt er einen (Brutto-)Gewinn von 50 C. Abzüglich der aufgewendeten Optionsprämie von fünf Euro verbleiben ihm netto 45 C Gewinn. Notiert die Aktie bei weniger als 150 C, so wird der Optionskäufer von seinem Recht, die Aktie zu 150 C vom Stillhalter zu beziehen, keinen Gebrauch machen. Er kann sie ja am Markt für unter 150 C direkt erwerben. Er verbucht lediglich die Optionsprämie von fünf Euro als Verlust. Egal wo die Aktie am Verfallstag steht, wird er also niemals einen Verlust von mehr als fünf Euro erleiden. Daraus resultiert das charakteristische, asymmetrische Auszahlungsprofil eines Long Call: Nach unten bleibt der Verlust in jedem Fall auf die Optionsprämie beschränkt. Nach oben reduziert sich der Gewinn gegenüber einer Direktanlage in der Aktie lediglich um die Optionsprämie (Abb. 2.9). Wenn man es genau nimmt, ist diese oft verwendete Hockeyschlägergrafik nicht ganz korrekt, denn sie vernachlässigt den Barwerteffekt. Bei den allermeisten Optionen muss die Prämie bei Abschluss des Geschäfts bezahlt werden. Demzufolge kann der Options-
200
150
Gewinn & Verlust (Euro)
100
50
0
-50
-100
-150
-200 0
50
100
150
200
Aktienkurs (Euro) Aktie
Long Call
Abb. 2.9 Long Call (Basispreis 150 C); Auszahlungsprofil bei Fälligkeit
250
300
2.4 Optionen
47
käufer aus diesem abgeflossenen Geld keine Zinsen mehr vereinnahmen. Ergo liegt der tatsächliche Break-even (bei positiven Zinsen) über dem hier dargestellten, vereinfachten Break-even – je länger die Laufzeit der Option und je höher der Zinssatz, desto größer dieser Effekt. Das Auszahlungsprofil für den Verkäufer der Kaufoption (Short Call) erhält man, indem man das Auszahlungsprofil des Long Call an der X-Achse spiegelt. Da die Gewinne der einen Vertragspartei stets die Verluste der anderen sind, beläuft sich sein maximaler Gewinn auf die fünf Euro Optionsprämie, während seinem Verlustpotenzial keine Grenzen gesetzt sind (Abb. 2.10). Beim Kauf einer Verkaufsoption (Long Put) setzt der Käufer ebenfalls maximal die fünf Euro Optionsprämie, die er dem Verkäufer der Option bezahlt, aufs Spiel. Dafür kauft er sich ein Auszahlungspotenzial von bis zu 150 C ein. Seinen maximalen Gewinn von 145 C erzielt er genau dann, wenn er eine Aktie, die so weit gefallen ist, dass er sie geschenkt bekommt, an den Stilhalter zu einem Preis von 150 C verkaufen kann (Abb. 2.11). Für den Verkäufer der Verkaufsoption (Short Put) stellt sich das Chance-Risiko-Potenzial wiederum mit umgekehrten Vorzeichen dar. Der maximal mögliche Verlust erreicht erst bei 145 C seinen Grenzwert, während sein Gewinn höchstens fünf Euro betragen kann (Abb. 2.12). Warum sich die Stillhalter auf Geschäfte einlassen, die ein Chance-RisikoVerhältnis aufweisen, das sich auf den ersten Blick derart unvorteilhaft präsentiert, und warum sie dies aus gutem Grund tun, verraten die folgenden Abschnitte.
200
150
Gewinn & Verlust (Euro)
100
50
0
-50
-100
-150
-200 0
50
100
150
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Aktienkurs (Euro) Aktie
Short Call
Abb. 2.10 Short Call (Basispreis 150 C); Auszahlungsprofil bei Fälligkeit
250
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48
2
Eigenschaften und Bewertung von Derivaten
200
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Abb. 2.11 Long Put (Basispreis 150 C); Auszahlungsprofil bei Fälligkeit
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Gewinn & Verlust (Euro)
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Aktienkurs (Euro) Aktie
Short Put
Abb. 2.12 Short Put (Basispreis 150 C); Auszahlungsprofil bei Fälligkeit
2.4 Optionen
2.4.1
49
Moneyness
I Definition Drei Begriffe, die im Optionsfachjargon immer wieder auftreten, sind „im Geld“ (in-the-money), „am Geld“ (at-the-money) und „aus dem Geld“ (out-of-the-money). Damit wird der Grad bezeichnet, mit dem eine Option bei sofortiger Ausübung zu Geld gemacht werden könnte (Moneyness). Dies spiegelt sich im Verhältnis vom aktuellen Preis des Underlying zum Basispreis der Option wider. Im Beispiel des Long Call mit einem Basispreis von 150 C ist die Option bei einem Aktienpreis von 200 C im Geld, da der Optionsinhaber die Aktie bei sofortiger Ausübung vom Stillhalter zu 150 C beziehen und sofort wieder am Markt zu 200 C verkaufen könnte. Dadurch würde er einen Gewinn von 50 C erzielen. Man spricht in diesem Fall auch davon, dass die Option einen inneren Wert aufweist. Anders wenn die Aktie bei 100 C notierte. Eine Ausübung würde ihm kein Geld, im Sinne von Gewinn, bringen, da er bei Ausübung eine Aktie vom Stillhalter zu 150 C kaufen würde, für die am Markt lediglich 100 C bezahlt werden. Die Option ist aus dem Geld. Der innere Wert der Option ist null – er kann nicht negativ werden, weil die Option nicht ausgeübt werden muss. Bei einer Out-of-the-money-Option verzichtet der Inhaber auf die Ausübung. Der Optionspreis besteht in dieser Konstellation vollständig aus dem Zeitwert (Abb. 2.13). Vereinfacht gesprochen repräsentiert dieser den Wert der Wahrscheinlichkeit, dass der Preis des Underlying sich bis zum Verfallstag doch noch so entwickelt, dass er über dem Basispreis liegt und der Optionskäufer seine Option sinnvoll ausüben kann. Das heißt, dass er damit entweder einen Gewinn realisiert oder doch zumindest einen Teil seiner gezahlten Optionsprämie zurückerhält.
60
Callpreis
am Geld
aus dem Geld
50
im Geld
40
30
20
10
Zeitwert 0 100
110
120
130
140
150
160
170
180
190
Aktienkurs Optionspreis
Innerer Wert
Abb. 2.13 Optionspreisbestandteile 90 Tage vor Verfall (Long Call; Basispreis 150 C)
200
50
2
Eigenschaften und Bewertung von Derivaten
Von einer Option am Geld (at-the-money) spricht man, wenn sich aktueller Marktpreis des Underlying und Basispreis der Option in etwa entsprechen. Im Beispiel wäre dies bei Kursen um 150 C der Fall. Bei einem Call ist eine Option also im Geld, wenn der Preis des Underlying über dem Basispreis der Option liegt und aus dem Geld, wenn das Underlying unterhalb des Basispreises notiert. Ein Put hingegen ist bei einem Underlying-Preis unterhalb des Basispreises im Geld und bei Underlying-Notierungen oberhalb des Basispreises aus dem Geld. Als Verfeinerungen der Begriffe „im Geld“ und „aus dem Geld“ werden gelegentlich auch „tief (oder weit) im Geld“ (deep-in-the-money) und „tief (oder weit) aus dem Geld“ (deep-out-of-the-money) benutzt. Während einige die Grenze zwischen den beiden Ausprägungen bei einer Differenz zwischen Preis des Underlying und Basispreis von zehn Prozent ziehen, gibt es doch keinen allgemein akzeptierten Schwellenwert, sodass die Unterscheidung letztlich willkürlich bleibt. Einen wichtigen Punkt gilt es bei der Moneyness zu beachten. Intuitiv setzt man den Am-Geld-Punkt mit dem aktuellen Preis des Underlying gleich. Die meisten Optionspreismodelle sehen dies jedoch richtigerweise anders. Der korrekte Bezugspunkt ist nicht der aktuelle Preis des Underlying, sondern dessen Forward-Preis. Gerade bei lang laufenden Optionen, aber auch bei hohen Zinssätzen – gerade auch im Rentenbereich – und Dividendenzahlungen, gilt es, diesen Umstand zu berücksichtigen. Ansonsten läuft man insbesondere bei der intuitiven Abschätzung der Optionsrisiken (der „Griechen“ aus Abschn. 2.4.5) Gefahr, diese falsch einzuschätzen. So wird nicht etwa der Call ein Delta von 0,5 aufweisen, dessen Basispreis dem Preis des Underlying am nächsten kommt, sondern derjenige, welcher dem Forward-Preis am nächsten kommt (Abschn. 2.4.5.1).
2.4.2
Amerikanisch versus europäisch
Kauf und Verkaufsoptionen treten an den Märkten in zwei Varianten auf, als europäische oder amerikanische Optionen. I Definition Eine europäische Option kann vom Optionsinhaber nur am Fälligkeitstag ausgeübt werden. Dagegen kann er dieses Recht bei einer amerikanischen Option jederzeit während der Laufzeit des Kontrakts ausüben. Hintergrundinformation Sehr amüsant ist die Entstehung der Bezeichnungen „europäisch“ und „amerikanisch“. Diese können zurückverfolgt werden bis zu einem Artikel von Nobelpreisträger Paul Samuelson über Optionsscheine (Samuelson 1965). Darin unterscheidet er zwei Arten von Optionsscheinen: solche, die nur am Ende und andere, die während der Laufzeit ausgeübt werden können. Die erste Variante bezeichnete er als europäisch, weil sie wie in Europa gehandelte Optionen funktionierten. Da in der Zeit, bevor es in den Vereinigten Staaten echte Optionsbörsen gab, Optionskäufer ihre Kauf- und Verkaufsoptionen nach Gutdünken ausüben konnten, taufte er die zweite Variante amerikanisch. Soweit die offizielle Version. Angeblich soll Samuelson jedoch verraten haben, dass er die komplizierteren Optionen in Wahrheit deshalb als amerikanisch bezeichnet haben soll, weil er es satt
2.4 Optionen
51
hatte, dass ihm Europäer immer wieder erzählt haben sollen, dass Optionen und Optionsscheine zu komplex seien, als dass ungebildete Amerikaner sie verstehen könnten (Angel et al. 1997).
Die beiden Ausübungsarten verleihen den Optionen unterschiedliche Eigenschaften, denen aufgrund der damit verbundenen Chancen und Risiken zwangsläufig auch unterschiedliche Werte beigemessen werden. Dadurch weisen identische Optionen, die sich lediglich als europäisch und amerikanisch unterscheiden, auch unterschiedliche Preise auf. Die Möglichkeit der vorzeitigen Ausübung einer amerikanischen Option stellt ein zusätzliches Recht dar, das die ansonsten gleich ausgestaltete europäische Option nicht hat. Demzufolge ist die amerikanische Option niemals billiger als ihr europäisches Pendant – so hatte man über viele Jahre hinweg gerechnet. Doch dann kamen die negativen Zinsen. Wie wir gleich sehen werden, liegt der potenzielle Vorteil im Zinsgewinn aus der Wiederanlage der frei werdenden Mittel. Da wir mittlerweile die bizarre Erfahrung gemacht haben, dass das Parken von Guthaben auch zu planmäßigen Verlusten führen kann, die nicht auf die finanzielle Schieflage der das Guthaben verwahrenden Bank zurückzuführen sind, kann der Zinsgewinn auch negativ ausfallen. Daher kann eine amerikanische Option nun auch billiger werden als eine europäische, wobei man wiederum bedenken muss, dass der Anleger nicht gezwungen ist, den Verkaufserlös mit negativer Verzinsung zu reinvestieren. Er könnte ebenso gut einfach Bargeld halten und sich so der Negativverzinsung entziehen – zumindest so lange das Bargeld noch nicht abgeschafft ist. Wofür braucht man also amerikanische Optionen, wenn man europäische Optionen zwar nicht während der Laufzeit ausüben, aber doch jederzeit kaufen und verkaufen und somit auch von zwischenzeitlichen Bewegungen im Underlying profitieren kann? Der Unterschied liegt darin, dass man beim Verkauf den Marktwert, bei der Ausübung jedoch den inneren Wert realisieren kann. Interessant kann dies zum Beispiel dann sein, wenn die Option sehr tief im Geld ist. Hat man eine Long Put-Position auf ein Unternehmen, das in die Insolvenz gehen muss, wird der Aktienkurs extrem tief liegen. „Idealerweise“ liegt er bei null. Damit wäre klar, dass er gar nicht mehr weiter fallen kann. Auch die implizite Volatilität müsste in dieser Konstellation bei null liegen. Eine Ausübung zu diesem Zeitpunkt realisiert den maximal möglichen inneren Wert und stellt das damit frei gewordene Kapital zur schnellen Wiederanlage zur Verfügung. Dieser optimale Ausübungszeitpunkt existiert auch dann, wenn der Kurs des Underlying nicht auf null gefallen ist, so lange sich am Markt die Überzeugung durchsetzt, dass er nicht noch weiter fallen wird. Ob sich eine Ausübung dann tatsächlich lohnt, hängt von mehreren Faktoren ab, insbesondere von der Höhe des Zinssatzes, zu dem das freigewordene Kapital reinvestiert werden kann, in Relation zu den Transaktionskosten. Neben den direkten Kosten wie Provisionen spielt die Geld-Brief-Spanne eine entscheidende Rolle. Bei einer Option, deren Konstellation sie zu einem potenziellen Kandidaten für eine vorzeitige Ausübung macht, kann die Geld-BriefSpanne durchaus so unglücklich liegen, dass sie eine vorzeitige Ausübung wiederum uninteressant macht. Darüber hinaus gilt es zu beachten, welcher Abrechnungskonvention der Kontrakt unterliegt, ob also das Underlying physisch übertragen wird oder einfach nur Geld fließt.
52
2
Eigenschaften und Bewertung von Derivaten
Eine weitere Situation, in der ein Call gewinnbringend vorzeitig ausgeübt werden könnte, ist der Tag unmittelbar vor einer Dividendenzahlung, wenn der Investor sich durch den Bezug der Aktie und den Erhalt der Dividende besser stellt, als wenn er die Option behält oder sie verkauft.
2.4.3 Bewertungsmodelle Das Thema dieses Kapitels ist die Bewertung von Optionen. Zu diesem Punkt sind jedoch vermutlich bereits Tausende von Artikeln und Hunderte von Büchern veröffentlicht worden. Daher wird das Thema Optionsbewertung in diesem Kapitel nur insoweit besprochen, als dass zum einen ein Grundverständnis für die Optionsbewertung vermittelt und zum anderen ein Überblick über die verschiedenen Bewertungsmodelle und ihre Zusammenhänge vermittelt wird. I
Tipp Zur Vertiefung sei beispielsweise die jeweils aktuelle Auflage von Uszczapowski „Optionen und Futures verstehen“ empfohlen. Für den eher mathematisch geneigten Leser stellt der Klassiker von Hull „Optionen, Futures und andere Derivate“ eine lesenswerte Quelle dar.
Die Geschichte der Optionsbewertung begann um die Jahrhundertwende des 19./20. Jahrhunderts. Bachelier (1900) unterstellte einem Underlying eine Wertentwicklung auf Basis einer arithmetisch Brownschen Bewegung, um eine Call Option zu bewerten. I
Tipp Eine gerade auch für Nichtmathematiker faszinierend geschriebene Erklärung der grundlegenden physikalisch-mathematischen Zusammenhänge im Rahmen der Optionsbewertung findet sich in Dunbar (2000, Kap. 1).
Mehr als 60 Jahre später nahmen sich Sprenkle (1961) und Samuelson (1965) dieses Ansatzes wieder an. Problematisch an Bacheliers Arbeit war, dass seine arithmetische Brownsche Bewegung auch negative Preise für das Asset zuließ. Sprenkle und Samuelson ersetzten die additiven Bewegungen durch multiplikative. Dadurch ergibt sich letztlich anstelle einer Normalverteilung eine Lognormalverteilung der Preise, bei der negative Werte ausgeschlossen werden. Mit dieser Annahme, dass die Preise der Assets einer geometrisch Brownschen Bewegung folgen, war der Grundstein für die nobelpreisgekürten Arbeiten von Black und Scholes (1973) und Merton (1973) gelegt. Vor Black-Scholes’ und Mertons Optionspreisformel hatten sich auch schon viele andere an der Berechnung einer derartigen Formel versucht. Problematisch war jedoch, dass sie die erwartete Aktienrendite bestimmten und, darauf basierend, den Optionswert ableiten wollten (Boness 1964). Der Optionswert bei Fälligkeit wurde dann bis in die Gegenwart abgezinst. Der Erwartungswert steht jedoch in Verbindung mit dem Grad der Risikoaversion eines Investors. Diese Risikoaversion bestimmt beispielsweise die Risikoprämie, die
2.4 Optionen
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ein Anleger verdienen will, wenn er ein bestimmtes Risiko eingeht. Dies hätte zur Folge gehabt, dass der Preis einer Option bei Fälligkeit mit einem von Anleger zu Anleger unterschiedlichen Zinssatz hätte diskontiert werden müssen. Damit hätte sich aber kein allgemeingültiger Preis für eine Option berechnen lassen. Black, Scholes und Merton setzen bei ihrer bahnbrechenden Formel jedoch auf einen anderen Ansatz zur Optionswertbestimmung, das Prinzip der Arbitrage. Sie wiesen nach, dass man Aktien und risikolos verzinste Geldmarktanlagen so miteinander kombinieren kann, dass sie das gleiche Risiko aufweisen wie eine Option auf diese Aktien. Bei gleichem Risiko und gleichem Kapitaleinsatz muss diese Asset-Kombination auch zum gleichen Preis notieren wie die Option. Andernfalls würde Arbitrage einsetzen, die diese Gleichgewichtsbeziehung herstellen würde. Der entscheidende Vorteil dieses Bewertungsansatzes ist, dass das Thema Risikoaversion keine Rolle spielt. Dies rührt daher, dass der Erwartungswert der Aktien in beide Anlagealternativen (Option und Aktien-GeldmarktKombination) in gleichem Maße eingeht und somit aus der Bewertungsgleichung herausfällt. Damit war der Weg frei für eine Optionsbewertung, die unabhängig von individuellen Anlegerpräferenzen durchgeführt werden kann. Allerdings war auch die Idee, der Optionsbewertung eine Arbitrage-Beziehung zugrunde zu legen, bereits seit mehreren Jahrzehnten im Umlauf, bevor Black, Scholes und Merton alle Bausteine zusammenfügten [Higgins (1902), Bronzin (1908), Deutsch (1910) oder Gann (1937), ein Praktiker und zu seiner Zeit der wohl populärste Rohstoff- und Derivatehändler]. Zentral dabei war das Prinzip der Put-Call-Parität und des Delta Hedging (Abschn. 3.4.1), das von Optionshändlern bereits Ende des 19. Jahrhunderts intuitiv korrekt betrieben wurde und das schon Nelson (1904) beschrieb: Auf Basis einer langen Erfahrung kaufen Optionsverkäufer in London, wenn sie einen Call verkaufen, unmittelbar die Hälfte der Aktien gegen die der Call verkauft wurde; oder, wenn ein Put verkauft wird, verkaufen sie sofort die halbe Aktienmenge.
Haug und Taleb (2011) mutmaßen, dass möglicherweise durch die lange Handelsunterbrechung während und nach dem Zweiten Weltkrieg (in London wurde erst 1958 der Handel wiederaufgenommen) eine Menge dieses akkuraten, praktischen Arbitrage Know-hows vergessen und beinahe verlorengegangen war. Gerade auch das Delta Hedging wurde Ende der 1960er-Jahre wieder mehrfach aufgegriffen und in Optionspreisformeln verarbeitet, die ziemlich genau der Black-Scholes-Merton Formel entsprechen (Thorp und Kassouf 1967; Thorp 1969). Thorp behauptet gar, dass er noch bevor Black, Scholes und Merton ihren Ansatz publizierten, seinen Computer mit einer identischen Formel gefüttert hatte (Thorp 2007). Es ist klar, dass Fischer Black, Myron Scholes und Robert Merton ihre Formel nicht aus dem luftleeren Raum heraus entwickelt hatten. Ihre epochale Rolle entspricht aber zumindest der einer Art „Gebrüder Grimm der Optionspreisbewertung“: Sie haben „dem Händlervolk aufs Maul geschaut“, haben überliefertes und praktiziertes Wissen neu aufgeschrieben und durch ihre Art der Herleitung einen theoretisch-ökonomischen Unterbau geschaffen, wenn auch auf Basis von recht heroischen Annahmen, wie wir gleich sehen werden.
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2
Eigenschaften und Bewertung von Derivaten
Hintergrundinformation Edward O. Thorp ist eine spannende Persönlichkeit: Black Jack-Spieler und Akademiker, Professor für Mathematik und Finanzwissenschaften und Hedgefonds Manager. Fischer Black startete mit Hintergrund-Research im Jahr 1965 und begann die Arbeit an der Formel 1969. Publiziert wurde sie dann 1973 (Black 1997).
Wie ist nun die Black-Scholes-Formel aufgebaut? Zunächst ist der Preis eines Assets der Erwartungswert. Dies bedeutet, dass berechnet wird, welche Zahlungen aus dem Besitz eines Vermögensgegenstands erfolgen. Bei Bundesanleihen ist diese Rechnung einfach, da sowohl Zeitpunkt als auch Höhe der Zahlungen (jährlicher Kupon und Rückzahlung des Kapitals am Ende der Laufzeit) feststehen. Sofern nicht klar ist, ob Zahlungen erfolgen oder in welcher Höhe, wird die Höhe der Zahlungen und die Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts geschätzt. Der erwartete Zahlungsstrom wird dann abdiskontiert. Die Summe dieser abdiskontierten Zahlungen ergibt den Wert eines Assets. Genau diesen Prozess berechnet die Black-Scholes-Formel. Dass es sich dabei um einen intuitiv leicht nachvollziehbaren Ansatz handelt, zeigt das folgende Beispiel: Beispiel
Zur Bestimmung des Preises eines Calls mit einem Basispreis (Strike-Preis) von 100 C wird unterstellt, dass die zugrundeliegende Aktie nur einen Preis zwischen 97 und 103 C annehmen kann. Für jeden dieser Preise wird berechnet, wie hoch der dazu gehörige Wert der Option ist. Bei Fälligkeit entspricht dieser dem inneren Wert. Da die Beispieloption einen Basispreis von 100 hat, wird erst ab einem Aktienpreis größer 100 Geld mit der Option verdient. Bei einem Aktienpreis unter 100 verfällt die Option wertlos. In unserem vereinfachten Beispiel wollen wir auf die Abzinsung dieses Betrages, die als nächster Berechnungsschritt erfolgen müsste, aus Gründen der Übersichtlichkeit des Beispiels verzichten. Der Ertrag wird für jeden möglichen Aktienpreis mit seiner Wahrscheinlichkeit gewichtet. Bei normalverteilten Aktienkursen ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Aktienkurs nur geringfügig verändert, am höchsten. Sie fällt, je ausgeprägter die Bewegungen werden. Die Summe dieser wahrscheinlichkeitsgewichteten Optionserträge ergibt den Preis der Option: 0,55 C. Aktie (€)
Ertrag (Aktie – Strike)
Wahrscheinlichkeit
Gewichtet (Ertrag * Wahrsch.)
97
0,00 €
5%
0,00 €
98
0,00 €
10 %
0,00 €
99
0,00 €
20 %
0,00 €
100
0,00 €
30 %
0,00 €
101
1,00 €
20 %
0,20 €
102
2,00 €
10 %
0,20 €
103
3,00 €
5%
0,15 €
100 %
0,55 €
2.4 Optionen
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Genau das ist es, was, etwas vereinfacht ausgedrückt, die Black-Scholes-Formel berechnet: (2.14) C D K N.d1 / B erf t N.d2 / mit K B rf t N(d1,2 )
= Kurs Underlying = Basispreis (Strike Price) = Risikoloser Zinssatz = Restlaufzeit in Jahren = Kumulierte Dichtefunktion der Normalverteilung 2 C rf C ¢2 t p d1 D ¢ t p d2 D d1 ¢ t ln
K B
(2.15) (2.16)
Hintergrundinformation In der Praxis hat man für rf meist den jeweiligen Interbankensatz (EURIBOR, LIBOR, . . . ) verwendet. Seit der Finanzkrise greift man eher auf die Kurve der Overnight Indexed Swaps (OIS) zurück. Interessant dabei ist, dass es sich beim OIS-Satz um einen Anlagezinssatz handelt, während der Euribor ein Ausleihzinssatz ist. In der Praxis wird hier aber auch häufig der Repo-Satz verwendet. Allein diese Ausführungen unterstreichen, dass es Black-Scholes am Ende doch nicht gelungen ist, einen universellen, für alle Marktteilnehmer gültigen Preis zu berechnen. Aber in Zeiten von Nullverzinsung spielt die genaue Abzinsung ohnehin (fast) keine Rolle.
Grob vereinfacht handelt es sich bei dem ersten Teil der Gleichung (vor dem Minuszeichen) um den Barwert der Aktien unter der Voraussetzung, dass der Aktienkurs über dem Basispreis liegt. N(d1 ) liefert die Wahrscheinlichkeit, dass das der Fall sein wird. Der zweite Teil der Gleichung (hinter dem Minuszeichen) ist der Barwert des Ausübungspreises, wieder vorausgesetzt, dass der Aktienkurs höher steht als der Basispreis. Die Differenz aus diesen beiden Größen ist der Wert der Kaufoption. Etwas genauer: Die kumulierte Dichtefunktion N(d1 ) kann man als die risikoadjustierte Wahrscheinlichkeit, dass die Option am Verfallstag im Geld notiert, auffassen. Liegt dieser Wert nahe bei 1, bedeutet dies, dass die Option mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ausgeübt wird. Bei dieser Wahrscheinlichkeit handelt es sich um das sogenannte Delta (Abschn. 2.4.5.1). Der Anleger erhält dann die Differenz zwischen dem Marktpreis K und dem Basispreis B als Gewinn. Um den Wert am heutigen Tag zu bestimmen, geht der Abzinsungsfaktor erf t in die Gleichung ein. Ist die Chance, dass die Option im Geld ausläuft, sehr gering, nimmt N(d1 ) einen Wert nahe null an. Die Formel errechnet damit ebenfalls einen Call-Preis nahe null. Für jeden Wert zwischen diesen beiden Extrema weist die Gleichung den Call-Wert als Barwert der
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2
Eigenschaften und Bewertung von Derivaten
potenziellen Auszahlung des Calls bei Fälligkeit auf Basis der Wahrscheinlichkeit, dass er in-the-money ausläuft, aus. Sieht man sich die Formel etwas genauer an, so entdeckt man in der Tat die Moneyness der Option im Ausdruck ln(K/B). Dieser findet sich sop wohl im Zähler von d1 als auch, über den Umweg d1 , in d2 . Der Term ¢ t adjustiert die Moneyness um die erwartete Schwankungsbreite der Aktie über die Restlaufzeit der Option und gibt damit letztlich an, wie wahrscheinlich es ist, dass die Option bis zur Fälligkeit in- oder out-of-the-money bleibt. Je weiter die Option aktuell in-the-money ist, je kürzer die verbleibende Zeit bis zur Fälligkeit und je schwankungsärmer die Aktie, desto wahrscheinlicher ist ein Gewinn bei Verfall. Bei solch einer Konstellation steigt N(d1 ) und steigert demzufolge den Wert des Call. Natürlich kann der Wert einer Option nicht unter null fallen. Das ergibt sich investmentlogisch dadurch, dass der Optionskäufer keine Verpflichtung eingeht und selbstverständlich sein Optionsrecht nicht ausüben würde, wenn er sich dadurch zusätzlich Verluste einhandelte. Interessant (und bewertungstechnisch äußerst elegant) ist, dass in der Tat nirgends ein Kursziel für das Underlying auftaucht. Lediglich die Verteilung des Underlying ist relevant. Das wird unterstrichen durch die Formel für die Volatilität. Da die Renditen quadriert werden, spielt die Richtung des Preises keine Rolle. Der Wert ist der gleiche, egal ob die erste Veränderung positiv und die zweite negativ ist oder umgekehrt oder beide positiv oder negativ sind. Nur die Auslenkung der Preisveränderung ist wichtig (Gl. 1.5). Bemerkenswert ist darüber hinaus, dass nur eine Standardabweichung in die Berechnung eingeht und nicht zwei oder drei. Das ist insofern bedeutsam, als sich daraus ableiten lässt, dass eine Bewegung im Underlying in Höhe von einer Standardabweichung den Volatilitäts-Break-even darstellt. Der Käufer eines Calls am Geld hat zunächst eine Chance von 50:50, dass sein Call bei Fälligkeit im Geld liegt und einen positiven inneren Wert aufweist. Will er tatsächlich mit dem Call Geld verdienen, muss dieser innere Wert größer sein als die zu Beginn verauslagte Optionsprämie. Diese Prämie ist auf eine Standardabweichung (rund 68 %) gerechnet. Diese Prämie kostet ihn also noch einmal rund 34 % Wahrscheinlichkeit (68 %/2). Damit verbleibt ihm eine Gewinnwahrscheinlichkeit von 50 % 34 % D 16 %, also etwa ein Sechstel. Dies entspricht der Fläche der Normalverteilung rechts einer Standardabweichung in Abb. 1.2. Daher wird ein Optionskäufer in fünf Sechsteln der Fälle schlechter abschneiden als der Inhaber des Underlying. Anders ausgedrückt: Ein Optionshändler, der long Optionen ist, muss „nur“ in weniger als fünf Sechsteln der Fälle Geld verlieren, um erfolgreich zu sein. Umgekehrt wird der Optionsverkäufer in fünf Sechsteln der Fälle besser abschneiden – immer vorausgesetzt, die Optionen sind fair bepreist. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Kauf von Optionen grundsätzlich ein schlechtes Geschäft wäre. Der Ausgleich für die geringere Wahrscheinlichkeit liegt in dem höheren Gewinn des Optionskäufers, wenn die Option ins Geld läuft. Dieser muss bei der rund sechsfachen Prämie liegen, um aus dem Optionsgeschäft eine faire Angelegenheit zu machen. Die grundsätzliche Konstellation ist ähnlich wie beim Lotto. Die Wahrscheinlichkeit für einen Sechser ist sehr
2.4 Optionen
57
gering. Aber die Auszahlung im Falle eines Gewinns liegt sehr hoch. Der Lottoschein hat jedoch einen negativen Erwartungswert, weil die Gewinnausschüttungen so festgelegt sind, dass eine Marge für den Betreiber übrig bleibt. Die Tatsache, dass Optionen leicht überteuert sind, liegt daran, dass die in Form der Optionsprämie bezahlte erwartete Volatilität durchschnittlich höher liegt als die tatsächlich eintretende (Abschn. 4.4.2). Rosett beobachtete schon 1967, dass in der Periode von 1957–1960 die meisten geschriebenen Calls wertlos verfielen und schloss daraus, dass das Schreiben von Calls eine profitable Strategie sein müsste (Rosett 1967). Dank der Fortschritte in der Optionsbewertung wissen wir heute, dass dieser einfache Schluss so nicht zulässig war, da zumindest nicht klar war, ob im Gegenzug eine faire Prämie vereinnahmt werden konnte. Interessanterweise gibt aber auch die Chicago Mercantile Exchange (2000) an, dass vierzig Jahre später, in den drei Jahren 1997 bis 1999 über mehrere Märkte hinweg durchschnittlich 76,5 % der Optionen wertlos verfallen sind. Beispiel
Wenn wir nun den Basispreis des Call auf 101 C erhöhen, sinkt der Preis des Call. Da mit dem Call nun erst ab einem Aktienpreis von mehr als 101 Geld verdient wird, die Gewinnschwelle mithin schwerer zu erreichen ist, ist der Kontrakt im Vergleich zu demjenigen mit einem Basispreis von 100 weniger attraktiv. Aktie (€)
Ertrag (Aktie – Strike)
Wahrscheinlichkeit
Gewichtet (Ertrag * Wahrsch.)
97
0,00 €
5%
0,00 €
98
0,00 €
10 %
0,00 €
99
0,00 €
20 %
0,00 €
100
0,00 €
30 %
0,00 €
101
0,00 €
20 %
0,20 €
102
1,00 €
10 %
0,10 €
103
2,00 €
5%
0,10 €
100 %
0,20 €
Den Einfluss der Volatilität auf den Optionspreis kann man durch eine leichte Veränderung in unserem vorherigen Beispiel darstellen. Geht man von einer etwas niedrigeren Volatilität der Aktie aus, so ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Aktienpreis stärker vom aktuellen Aktienpreis abweicht, reduziert. Eine Kursveränderung auf 97 oder 103 C wird nun nur noch mit einer Wahrscheinlichkeit von je zwei Prozent erwartet. Dafür steigt die Wahrscheinlichkeit eines weitgehend unveränderten Preises. Zum Beispiel ist mit einem Preis von 100 C nun mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit von 40 % zu rechnen. In einem solchen Fall, sinkt die Chance auf einen höheren Gewinn, ohne dass das Verlustrisiko zurückgeht. Der Anleger hat ja die Möglichkeit, von einer Ausübung
58
2
Eigenschaften und Bewertung von Derivaten
der Option Abstand zu nehmen, wenn dies für ihn wirtschaftlich nachteilig wäre. Der Verlust ist daher immer auf die bezahlte Optionsprämie begrenzt. Bei geringerem möglichen Ertrag und gleichbleibendem Verlustrisiko wird der Call weniger wertvoll. Sein Preis sinkt von 0,55 C auf 0,41 C. Ertrag
Aktie (€)
Wahrscheinlichkeit
(Aktie – Strike)
Gewichtet (Ertrag * Wahrsch.)
97
0,00 €
2%
0,00 €
98
0,00 €
7%
0,00 €
99
0,00 €
21 %
0,00 €
100
0,00 €
40 %
0,00 €
101
1,00 €
21 %
0,21 €
102
2,00 €
7%
0,14 €
103
3,00 €
2%
0,06 €
100 %
0,41 €
Beispiel
Die Black-Scholes-Formel sieht komplexer aus, als sie ist. Nimmt man beispielsweise folgende Eckdaten: Art: Aktienkurs: Basispreis: Risikoloser Zins: Restlaufzeit: Vola:
Call 160 150 3% 90 Tage 40 %
Dann setzt man d1 wie folgt ein
d1 D
ln
160 150
2 C 0;03 C 0;42 q 90 0;4 365
90 365
D 0;46
Aus einer entsprechenden Tabelle liest man die kumulierte Dichtefunktion der Normalverteilung ab oder zieht eine Funktion in einem Tabellenkalkulationsprogramm heran und bekommt für N(0,46) heraus: 0,678. d2 ist dann r d2 D 0;46 0;4 N(0,26) ist 0,604.
90 D 0;26 365
2.4 Optionen
59
Dann kostet der Call 90
C D 160 0;678 150 e 0;03 365 0;604 D 18;56 Um den Preis eines Put zu bestimmen, kann man die Formel zur Bewertung des Call leicht anpassen: (2.17) P D B erf t N.d2 / K N.d1 / Allerdings ist es gar nicht erforderlich, all diese Überlegungen für den Put noch einmal anzustellen. Hier hilft die sogenannte Put-Call-Parität (PCP). Wie man aus Abb. 2.14 leicht sehen kann, entspricht das Auszahlungsprofil eines mittels Long Put abgesicherten Aktienportfolios demjenigen eines Long Call (Abb. 2.9). Um auf genau das gleiche Profil zu kommen, muss man nur zu dem Long Call noch einen Term addieren, der den Ertrag des risikolos investierten Basispreises ausgleicht. Damit kommt man zu dem einfachen Zusammenhang Aktie C Put D Zerobond C Call C Dividende;
(2.18)
wobei der Zerobond zum risikolosen Zinssatz angelegt werden muss und zwar in Höhe des barwertigen Basispreises der Option. Wird dieses zentrale Put-Call-Theorem verletzt, ergeben sich Gelegenheiten für ein Free Lunch, einen risikolosen Gewinn. Ist beispielsweise die rechte Seite grösser als die linke, verkaufen Arbitrageure die rechte (teure) Seite
Auszahlungsprofil bei Fälligkeit Protective Put; Basis 150 200
Gewinn & Verlust (Euro)
150 100 50 0 -50 -100 -150 -200 0
50
100
150
200
Aktienkurs (Euro) Aktie
Long Put
Protective Put
Abb. 2.14 Protective Put (Basispreis 150 C); Auszahlungsprofil bei Fälligkeit
250
300
60
2
Eigenschaften und Bewertung von Derivaten
und kaufen die linke (billige) Seite, indem sie einen Call verkaufen und einen Kredit in Höhe des Basispreises aufnehmen, um mit dem Großteil dieser Einnahmen die Aktie und den Put zu erwerben. Der Überschuss, der dabei entsteht, ist ihr sicherer Gewinn. Da die Arbitrageure mit ihren Positionen das gleiche Auszahlungsprofil einmal ge- und einmal verkauft haben, werden sich die Gewinne und Verluste der eingegangenen Positionen bei Fälligkeit genau aufheben und somit das Ergebnis nicht mehr verändern. Die Arbitrage wird die linke Seite so lange kaufen und die rechte Seite verkaufen, bis sich die Preise durch die anhaltenden Käufe und Verkäufe soweit angepasst haben, dass kein risikoloser Gewinn mehr möglich ist. Beispiel
Bewertet man das Pendant zu unserem Call von eben, so kostet der Put: Zerobond D 150 e3 % 90=365 D 148;89 und damit Put D 18;56 160 C 148;89 D 7;45 Berechnet man den Zerobond diskret, erhält man einen Anleihepreis von 148,91 (150 (1 C 0,03)(90/365) ) und der Put verteuert sich um 0,02 auf 7,47. I
Tipp Aus diesem Beispiel wird klar, dass es eine Faustformel für die Relation zwischen Call- und Put-Preis gibt, die da lautet: Die Differenz zwischen Call- und PutPreis entspricht in etwa der Differenz zwischen Kurs des Underlying und Barwert des Basispreises (Forward-Basispreis).
Hintergrundinformation Die Erkenntnis, wie sich ein Optionstyp in einen anderen überführen lässt, ist deutlich älter als die Black-Scholes-Merton-Formel. Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts gehörte dies zum HändlerKnow-how (Nelson 1904). Rudimentär hat bereits De Pinto 1771 (De Pinto 1969) angedeutet, wie man Kauf- in Verkaufsoptionen umbaut (Poitras 2009).
Daraus ist leicht ersichtlich, dass sich bei Optionen am Geld nur eine geringe Differenz zwischen den beiden Optionen in Höhe des Barwertabschlags ergibt. Anders ausgedrückt: Die kleine Differenz spiegelt den Zinsvorteil des Call wider. Bei Am-Geld-Optionen auf Futures entsprechen sich Call-Preis und Put-Preis ziemlich genau, da der Future-Preis schon ein Forward-Preis ist. Drückt man diese Relation noch ein wenig anders aus, nämlich Call Put D Future Basispreis;
(2.19)
erhält man die Bauanleitung für einen synthetischen Future in Form einer Kombination von Long Call und Short Put mit identischem Basispreis.
2.4 Optionen
61
Tab. 2.3 Wirkung von Optionspreiskomponenten Aktienkurs Basispreis Zins Restlaufzeit Volatilität Dividende
Call C C C C
Put C C C C
Bei der PCP ist zu beachten, dass diese bei amerikanischen Optionen nicht unbedingt immer erfüllt sein muss, da hier die Möglichkeit, die Option vor Verfall auszuüben, nicht vollständig ausgeschlossen werden kann (Merton 1973a und Abschn. 2.4.2). Auch der Barwerteffekt kann zu geringen Abweichungen von der PCP führen. Unabhängig davon, ob es sich um europäische oder amerikanische Optionen handelt, können Einschränkungen in der Marktinfrastruktur wie Leerverkaufsverbote dazu führen, dass die PCP verletzt wird (Abschn. 5.10). Der Bewertungsrahmen der PCP ist mittlerweile sehr gut am Markt etabliert. In den Anfangszeiten des Optionshandels war das nicht immer der Fall. Kamara und Miller (1995) dokumentieren das allmähliche Verschwinden von Verletzungen der PCP bei europäischen Optionen in den 1980ern. Sie zeigen auch, dass etwaige bestehende Abweichungen durch mangelhafte Liquidität induziert waren. Auch heutzutage ist die PCP für Market Maker ein prima Hilfsmittel, um durch unterschiedliche Kombinationen von Futures und Optionen die jeweils andere Option zu bewerten. Für den Portfoliomanager ist sie ein mächtiges Werkzeug, um eine Vielzahl passgenauer Strategien aufzusetzen oder bestehende Strategien innovativ umzumodellieren. Der Einfluss der preisbestimmenden Faktoren auf den Preis von Calls und Puts ist wie in Tab. 2.3 beschrieben. Sprich: Steigt der Aktienkurs, ist das positiv für den Preis des Call, aber negativ für den Preis des Put usw. I
Wichtig Die Black-Scholes-Formel war der Nukleus der systematischen Optionsbewertung. Allerdings hat man schnell festgestellt, dass sie aufgrund ihrer zahlreichen Annahmen in vielen Fällen nur ungefähr richtige Preise auswirft. Die einschränkenden Annahmen sind 1. Der Preis des Basiswertes folgt einer geometrischen Brownschen Bewegung mit konstantem Drift (keine Preissprünge) und konstanter Volatilität. 2. Lognormalverteilte Renditen. 3. Es gibt keine Dividenden. 4. Es sind keine risikolosen Arbitragegewinne erzielbar. 5. Keine Beschränkungen beim Leerverkauf. 6. Keine Transaktionskosten.
62
2
7. 8. 9. 10. 11.
Eigenschaften und Bewertung von Derivaten
Keine Steuern. Keine Handelspausen. Keine Mindesthandelsgrößen. Flache Zinsstrukturkurve. Konstante Zinsstrukturkurve.
Hintergrundinformation Ein sehr anschauliches Beispiel, welche Auswirkungen eine dieser Annahmen, die Lognormalverteilung, haben kann, findet sich in Abschn. 6.1.4. Auch haben einige Underlyings spezielle Eigenschaften, die mit der Black-Scholes-Welt nicht übereinstimmen. Auch dafür findet sich ein sehr bezeichnendes Beispiel in Abschn. 6.1.4.
So ist diese epochale Formel doch nur eine Art Thermometer für den Portfoliomanager, der sich fragt, wie warm er sich für den Kapitalmarkt anziehen muss. Es liefert eine erste Indikation in Form der Temperatur. Um richtig ausgerüstet zu sein, sollte er aber noch viele weitere Faktoren beachten: Wind, Tageszeit, Bewölkung, körperlicher Allgemeinzustand, persönliches Temperaturempfinden, Bekleidungsalternativen, Dauer der Exponiertheit, Höhe, . . . Aber Fischer Black und Myron Scholes haben es geschafft, dass sich die ganze Branche an einer einzigen Art der Temperaturmessung anlehnte und ihre Geschäfte sowie die weitere Forschung und Entwicklung auf dieser Basis betrieb. Emanuel Derman (2000, S. 64; übersetzt) hat das einmal sehr treffend zusammengefasst: Der Erfolg der Optionsbewertung ist die Geschichte einer einfachen, näherungsweise korrekten Idee, die ernster genommen wurde, als sie es verdient hatte und die dann extravagant, mit Hybris, genutzt wurde als Krücke für das menschliche Denken.
Dementsprechend lieferte die Black-Scholes-Merton-Formel die Initialzündung für eine Reihe von Weiterentwicklungen. Nachdem der Anfang gemacht war, sind aus dem ursprünglichen Modell viele Erweiterungen hervorgegangen, die entweder besondere Basiswerte oder Ausgestaltungen (zum Beispiel verschiedene Auszahlungsformen von Dividenden, unterschiedliche Settlement-Möglichkeiten) berücksichtigen oder die Lösung für die Bewertung exotischer Optionstypen liefern (Abschn. 6.4.2). Die Abb. 2.15 soll einen kleinen Einblick vermitteln, wie die Weiterentwicklung der Optionspreismodelle in den folgenden zwei Jahrzehnten vonstattengegangen ist. Durch die permanente Weiterentwicklung und die exponentiell wachsende Rechnerleistung ist die Anzahl der existierenden Modelle und Varianten mittlerweile nur noch schwer nachhaltbar. Auch der „Erfinder“ dieses Modellbaums hat die Darstellung in einem Nachfolgeartikel stark vereinfacht (Smithson 2007). Optionen auf Futures Fischer Black hat 1976 sein eigenes Modell auf die Bewertung von Optionen auf Futures angewandt und dabei zuerst an Rohstoff-Futures gedacht (Black 1976). Mittlerweile hat sich diese Formel aber auch für die Bepreisung von Zins-Caplets, Floorlets und europäische Swaptions als Standard etabliert. Asay (1982) hat diesen Ansatz für Futures-
Longstaff-Schwartz
Cox-Ingersoll-Ross
Brennan-Schwartz
Vasicek
Tilley
Boyle
Monte Carlo Simulationen
Clancy
Boyle-Lau
Hull-White/Black-Derman-Toy/Black-Karasinski Heath-Jarrow-Morton
Brenner-Courtadon-Subrahmanyan
Courtadon
Binomialmodelle
Trinomialmodelle
Ho-Lee/Boyle
Parkinson
Sharpe Cox-Ross-Rubinstein Rendleman-Bartter
Schwartz/Brennan-Schwartz
Finite Differenzen
Numerische Modelle
Merton Thorpe Merton
Hull-White
Heston
Scott
Co mp ou nd
Margrabe Geske
Ex ch an ge
Jamshidian Longstaff
Asay Grabbe
Chooser Rubinstein
arithm.
Rogers-Shi
Kemna-Vorst
geom.Miel
Garman
Look
Geske
Johnson
Stultz
Rubinstein-Reiner
Barrier
Goldman-Sosin-Gatto
Min/ Max
Vorläüfer des Black-Scholes Modells Bachelier (1900) Higgins (1902) Nelson (1904) Bronzin (1908) Deutsch (1910) Gann (1937) Sprenkle (1961) Boness (1964) Samuelson (1965) Thorp/Kassouf (1967) Thorp (1969)
Garman-Kohlhagen
Devisen
Black-Scholes
Analytische Modelle
Ramaswamy-Sundaresan Whaley
Black
Futures
Erweiterungen des Black-Scholes Modells
Ball-Torous Schaefer-Schwartz
Ingersoll
Wiggins
Jarrow-Rudd
Cox-Ross
Verallgemeinerungen des Black-Scholes Modells
Abb. 2.15 Historischer Optionsmodellbaum. (In Anlehnung an Smithson)
1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995
Zinsstrukturmodelle
Kim
Macmillan Barone-Adesi-Whaley/Omberg
Whaley Johnson Geske-Johnson
amerikanisch
Geske
Roll
Analytischapproximierende Modelle
2.4 Optionen 63
64
2
Eigenschaften und Bewertung von Derivaten
Optionen spezifiziert, die im Futures-style Verfahren abgerechnet werden, das heißt, die Optionsprämie fließt nicht zu Beginn des Geschäfts, sondern wird, wie bei Futures, durch ein tägliches Mark-to-Market verrechnet. Und weil es für amerikanische Optionen auf Aktien-Index-Futures keine analytische Lösung gibt, kamen auch hier wieder numerische Ansätze zum Einsatz, beispielsweise von Brenner et al. (1985). Optionen auf Währungen Die prominenteste Arbeit im Bereich der Währungsoptionen ist sicherlich diejenige von Mark Garman und Steven Kohlhagen (1983). Sie entspricht in ihrer Idee einer Aktienoption mit kontinuierlicher Dividendenrendite, nur dass man anstelle des Aktienkurses den Wechselkurs verwendet. Darüber hinaus muss man einen zweiten Zinssatz, den auf die ausländische Währung, in der Bewertungsformel unterbringen. Dazu wird lediglich die Dividendenrendite aus der Aktienformel durch den ausländischen Zins ersetzt. In der gleichen Ausgabe des Journal of International Money and Finance stellte Grabbe eine alternative Berechnungsformel dar. Compound Options Unter Compound Options versteht man Optionen, die sich wiederum auf Optionen als Underlying beziehen (Abschn. 6.4.2.1.2). Geskes Arbeit (1979) erlaubt beispielsweise die Bewertung eines europäischen Call auf einen Call. Dazu weicht er von der in der BlackScholes-Formel getroffenen Annahme einer konstanten Schwankung ab und stellt die Varianz in Abhängigkeit vom Aktienkurs. Diese Berechnung führt zum Beispiel bei aus dem Geld liegenden Optionen zu höheren Optionspreisen. Berücksichtigung von Dividenden Die Berücksichtigung von Dividenden stellt die Optionsbewertung vor mehr oder weniger große Herausforderungen, je nachdem, ob es sich um europäische oder amerikanische Kontrakte handelt. Optionen europäischer Art Die Berücksichtigung von Dividenden ist bei europäischen Optionen relativ einfach. Handelt es sich zum Beispiel um einen engen Index mit wenigen Titeln und damit wenigen, diskreten Dividendenzahlungen, genügt eine leichte Adjustierung der Black-Scholes-Formel. Bezieht sich die europäische Option auf einen breiten Index, unterstellt man vereinfachend einen kontinuierlichen Dividendenstrom und bewertet die Option mit der Formel von Merton (1973). Für den Call: C D K eyt N.d1 / B erf t N.d2 / mit y = Dividendenrendite ¢2 ln. K B /C rf yC 2 t p d1 = ¢ p t d2 = d1 ¢ t
(2.20)
2.4 Optionen
65
Und für den Put: P D B erf t N.d2 / K eyt N.d1 /
(2.21)
Optionen amerikanischer Art Amerikanische Optionen sind doof – zumindest was ihre Bewertung angeht. Eine schöne geschlossene Formel wie die Black-Scholes-Formel gibt es für sie nicht. Also hat man, von der numerischen Seite kommend, den Wert approximiert (Schwartz 1977; Courtadon 1982). Nur sind numerische Verfahren wie das Aufstellen partieller Differenzialgleichungen und der Binomialansatz rechenaufwändig und unhandlich. Daher gab es immer wieder neue Ansätze, sich einer analytischen Lösung anzunähern. Die zentrale Herausforderung besteht darin, die unendlich vielen Konstellationen, wann und zu welchem aller möglichen Preise eine amerikanische Option vor Verfall ausgeübt werden könnte, sinnvoll einzuschränken. Neben Geske (1979a) starten Roll (1977) und Whaley (1981) mit dem Fall, der sich aufdrängt: der Bewertung eines amerikanischen Call, dessen Aktie nur eine Dividendenzahlung vor Verfall hat. Dann kann man nämlich prüfen, ob an dem einzig optimalen vorzeitigen Ausübungszeitpunkt, nämlich unmittelbar vor dem Dividendenabschlag, eine Ausübung sinnvoll ist und welchen Wert die Option dann zu diesem Zeitpunkt annimmt. Johnson (1983) und Geske und Johnson (1984) weiten diesen Ansatz dann auf amerikanische Puts aus. Brenner et al. (1985) haben die Abrechnung von Indexoptionen in Cash in der Bewertung berücksichtigt. Etwas anders gehen Macmillan (1986), Barone-Adesi und Whaley (1987) und Omberg (1987) vor. Sie nutzen die grundlegende partielle Differenzialgleichung von Black-Scholes, um mit der Hilfe einiger einschränkender Annahmen die Prämie für die vorzeitige Ausübungsmöglichkeit amerikanischer Optionen separat auszurechnen. Pfadabhängige Optionen Neben den Lookback-Optionsmodellen von Goldman et al. (1979) sowie Garman (1987), findet sich das Modell von Kemna und Vorst (1990) für die Berechnung des Wertes einer Option auf ein geometrisches Mittel. Hintergrundinformation Bei Lookback Options wird der Basispreis erst im Nachhinein festgelegt und zwar für Calls auf den niedrigsten Preis, den das Underlying während der Optionslaufzeit erreicht hatte und für Puts auf den höchsten Preis (Abschn. 6.4.2.3.2).
Für die komplexere Berechnung auf einen arithmetischen Durchschnitt schlugen Rogers und Shi (1995) einen vereinfachten Ansatz vor. Den dritten Zweig bildet das Modell von Mark Rubinstein und Eric Reiner (1991) für die Bewertung von Barrier Options, also Optionen, die bei Erreichen eines bestimmten Schwellenwertes aufleben oder verfallen (Abschn. 6.4.2.4.1). Mark Rubinstein (1991) schließlich bediente sich dieses Rahmens bei der Bewertung von Chooser Options. Bei diesen Optionen entscheidet der Optionskäufer erst nach dem Kauf der Option, ob er einen Call oder einen Put erworben hat (Abschn. 6.4.2.2.1). Seit der Arbeit von Boyle und Lau (1994) werden aber eher numerische Bewertungsmethoden bevorzugt.
66
2
Eigenschaften und Bewertung von Derivaten
Exchange Options Die wegweisende Arbeit zur Bewertung von Optionen, ein Asset gegen ein anderes einzutauschen, stammt von Margrabe aus dem Jahr 1978 (Margrabe 1978; Abschn. 6.4.2.5, siehe „Exchange Options“). Optionen auf mehrere Assets Das Modell von Rene Stultz (1982) auf zwei Assets wurde von Herb Johnson (1987) auf mehrere Assets verallgemeinert. Bond Options Die originäre Black-Scholes-Formel ist für Rentenoptionen nicht adäquat. Einerseits geht man von einem konstanten risikolosen Zins aus. Das Hauptproblem ist jedoch die Annahme einer konstanten Volatilität des Underlying. Es ist leicht ersichtlich, dass eine zehnjährige Anleihe bei ihrer Emission eine deutlich höhere Zinsreagibilität und damit Volatilität aufweist als einen Tag vor ihrer Fälligkeit. Als weiterer Grund, warum die originäre Black-Scholes-Formel bei Anleihen nicht funktioniert, wurde früher angeführt, dass bei Aktien die Verteilung der Kurse nur in eine Richtung beschränkt ist, nach unten, da der Wert einer Aktie nicht negativ werden kann. Dem gegenüber stoße die Kursverteilung einer Anleihe oben wie unten an natürlich Grenzen, da die Rendite nicht negativ werden könne. Mittlerweile hat uns das extreme Niedrigzinsumfeld gelehrt, dass negative Renditen nicht nur eine theoretische Möglichkeit darstellen. Es gab sehr viele Ansätze, um der Bewertung von Rentenoptionen Herr zu werden. So modifizierten Cox und Ross 1975 den Black-Scholes-Ansatz für europäische Optionen mittels Verwendung von Terminkursen (Forwards) (Cox und Ross 1975). Auch Cox et al. (1979) widmeten sich diesem Thema. Ihr Ansatz basiert auf der Verteilung der Preise der Rente und sieht sich damit mit ähnlichen Problemen konfrontiert wie die Black-ScholesFormel. Aber bereits 1975 verallgemeinerte Merton den Black-Scholes-Ansatz in der Form, dass er die Volatilität nicht mehr als konstant annahm, sondern von der Restlaufzeit der Anleihe abhängig machte. Ball und Torous (1983) spannen diesen Faden weiter und fügten einen stochastischen Zinssatz hinzu. Stephen Schaefer und Eduardo Schwartz (1984) kamen auf den fast naheliegenden Ansatz, die Volatilität in Abhängigkeit von der Duration des Bonds zu definieren. Später wurde dieser Ansatz abgelöst durch Methoden, die ein Zinsstrukturmodell enthielten, um sich an die beobachtbare Realität der Finanzmärkte anzunähern, beispielsweise die Zwei-Faktoren-Modelle von Brennan und Schwartz (1979) sowie Longstaff und Schwartz (1992) oder das auf einem Faktor basierende Black-Derman-Toy-Modell (Black et al. 1990). Hintergrundinformation Das sehr populäre Modell wurde erst 1990 publiziert, war aber bereits in den 1980er-Jahren bei Goldman Sachs im proprietären Einsatz. Dies illustriert exemplarisch die Entwicklung der Forschung im Bereich der Derivatebewertung im Widerstreit zwischen akademischen Veröffentlichungen und kommerziellen Betriebsgeheimnissen.
2.4 Optionen
67
Die weitesten Kreise zog jedoch „die Mutter aller Zinsmodelle“ von Vasicek (1977), das zum Beispiel von Cox et al. (1985) aufgegriffen und so modifiziert wurde, dass es keine negativen Zinsen zulässt. Daraus ergab sich eine Formel für die Berechnung von europäischen Calls und Puts auf kuponlose Anleihen. Jamshidian (1989) erweiterte dies auf Kuponanleihen. Ho und Lee (1986) und der darauf basierende, allgemeine Ansatz von Hull und White (1990) führten Cox-Ingersoll-Ross weiter und orientieren sich letztendlich, wie auch Heath et al. (1992), eher in Richtung binomialer oder trinomialer Bäume zur Bewertung amerikanischer Optionen. Bis heute stellt Hull und White eine Art informellen Marktstandard dar. Für Rentenoptionen europäischen Typs sind mittlerweile aber auch häufig Monte-Carlo-Simulationen im Einsatz. Bei amerikanischen Optionen stellt sich das Problem der vorzeitigen Ausübung. Dies führt dazu, dass der Preis der Anleihe, genauer gesagt ihre Volatilität, über die gesamte Optionslaufzeit modelliert werden müsste und nicht nur zum Verfall der Option. Clancy (1985) entwickelte einen Ansatz zur Bewertung von amerikanischen Optionen mit einem Binomialmodell auf die Rendite auf Endfälligkeit, musste dabei jedoch eine Verletzung der No-Arbitrage-Bedingung in Kauf nehmen. Für Renten-Futures wird in der Praxis nach wie vor häufig das Black-Modell von 1976 (s. o.) verwendet, wobei in der Regel auf Renditen und nicht auf Preise gerechnet wird. Warum funktioniert dieses Modell bei Renten-Futures, aber nicht bei Renten? Weil das Underlying, die Cheapest-to-Deliver, stets durch eine Anleihe repräsentiert wird, die innerhalb eines relativ engen Laufzeitkorridors liegt. Daher tritt das Problem nicht auf, dass sich die Volatilität der Anleihe durch Zeitablauf nennenswert verändert. Der Preis des Bund Future ist quasi eine Art umgerechneter Index auf die Rendite einer etwa zehnjährigen Bundesanleihe. Alternativ kommen auch Binomialmodelle, ebenfalls auf den Zins, zum Einsatz. Diese sind etwas genauer als der Black-Ansatz, der jedoch den Vorteil hat, die Optionsrisikokennzahlen einfach frei Haus zu liefern (die Optionsrisikokennzahlen werden in Abschn. 2.4.5 besprochen). Verallgemeinerungen des Black-Scholes-Modells Eine weitere wissenschaftliche Stoßrichtung ist die Verallgemeinerung des Black-Scholes-Models. Zunächst hat Robert Merton, ebenfalls im Jahr 1973, Dividenden in das Black-Scholes-Model in Form einer konstanten Dividendenrendite eingebaut. Darüber hinaus war er der Vorreiter bei der näheren Untersuchung der Volatilität. Er verwarf die Annahme einer konstanten Volatilität, wie sie von Black und Scholes getroffen wurde, und modellierte Volatilität stattdessen als deterministische Funktion der Zeit. Auch für die Annahme einer stochastischen Volatilität, bei der für die Volatilität ein eigener Diffusionsprozess unterstellt oder der Kursentwicklungspfad des Assets mit Sprüngen überlagert wird oder beide Varianten miteinander kombiniert werden, hat Merton 1976 eine wegweisende Arbeit veröffentlicht (Merton 1976). Eine Reihe von anderen Arbeiten stellt einen Zusammenhang zwischen der Entwicklung des Underlying und der Volatilität her. Die Arbeit von John Cox und Stephen Ross
68
2
Eigenschaften und Bewertung von Derivaten
(1975) beschreibt das sogenannte Constant Elasticity of Variance Model, das die empirisch beobachtbare negative Korrelation zwischen Asset-Preis und Volatilität verarbeitet (Abschn. 4.2.1.5.3). Auch andere Autoren basieren ihre Modelle auf Korrelationsannahmen zwischen den Diffusionsprozessen von Volatilität und Underlying. Während das Underlying in der Regel einer geometrisch Brownschen Bewegung folgt, kann die Volatilität beispielsweise einem allgemeinen Wiener Prozess (Wiggins 1987), einer Mean Reversion Bewegung (Scott 1987) oder ebenfalls einer geometrisch Brownschen Bewegung (Hull und White 1987) folgen. Mehrere Jahre später schob sich die Methode von Heston (1993) in der Gunst der Anwender nach vorn. Dieser Ansatz ist auch heute nach wie vor gebräuchlich und wird stetig weiterentwickelt (Pacati et al. 2014). Numerische Verfahren Unglücklicherweise gibt es nicht für jedes Optionsbewertungsproblem eine Lösung in Form einer geschlossenen Formel. Das klassische Beispiel ist die Bewertung einer amerikanischen Option, bei der der Optionsinhaber den Stillhalter jederzeit in die Pflicht nehmen kann. Neben den analytischen Modellen haben sich daher numerische Verfahren zur Bewertung von Optionen entwickelt. Numerische Ansätze versuchen, eine Näherungslösung zu bestimmen. Die drei approximierenden Verfahren zur Optionspreisbestimmung sind Binomiale und Trinomiale Modelle Finite-Differenzen-Methode Monte-Carlo-Simulationen Bi- und Trinomialmodelle Unter diese Rubrik fallen die Klassiker von Cox et al. (1979) sowie Rendleman und Bartter (1979). Etwas vereinfacht ausgedrückt, geht das Binomialmodell wie folgt vor: Zunächst einmal lässt man den Kurs des Underlying, zum Beispiel einen Aktienkurs, einem zufälligen Entwicklungspfad folgen. Zu jedem Zeitpunkt kann die Aktie im kommenden Zeitpunkt nur zwei Preise annehmen, einen höheren und einen tieferen. Damit ist das Binomialmodell ein Beispiel für den oben beschriebenen Markov-Prozess, der hier jedoch in diskreten Zeitschritten abläuft. Diese Abstufung kann beliebig fein vorgenommen werden. Daraus ergibt sich eine Verteilung der zukünftigen Kurse (Abb. 2.16). Dann zäumt man das Pferd von hinten auf. Man betrachtet sich die Verteilung der Kurse zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Option. Die Optionspreise für unterschiedliche Aktienkurse bei Fälligkeit sind die inneren Werte, da keinerlei Zeitwert mehr existiert. Sodann rechnet man auf Basis dieser bekannten Optionspreise zurück. Hintergrundinformation Dieses Vorgehen entspricht demjenigen, das weiter vorn in diesem Kapital zur Illustration einer intuitiven Call-Bewertung angewandt wurde.
2.4 Optionen
69
Aktienkurs
Abb. 2.16 Wertentwicklungspfad des Underlying im Binomialmodell
Der Optionspreis ist zu jedem Zeitpunkt (an jeder „Abzweigung“) der Erwartungswert auf Basis der Optionspreise zum nächsten Zeitpunkt. Durch Rückwärtsrechnen durch den gesamten Baum hindurch wird der Optionspreis heute bestimmt (Abb. 2.17). Obwohl das Durchrechnen des gesamten Baumes sehr rechenintensiv ist, erfreut sich das Verfahren aufgrund seiner breiten Einsetzbarkeit sehr großer Beliebtheit. Darüber hinaus erlaubt es die Übersichtlichkeit, relativ einfach zu verstehen, wie sich die Option durch unterschiedliche Szenarien bewegt. Das Trinomialmodell von Ho und Lee (1986) sowie Boyle (1986) ist die natürliche Erweiterung des Binomialmodells. Das Trinomialmodell setzt dem Binomialmodell einen weiteren Pfad hinzu. In der Grundform des Baums kann der Preis des Underlying nicht nur steigen oder fallen, sondern auch gleich bleiben. Es gibt jedoch auch Bereiche eines Kursverlaufs, in denen sich ganz andere Entwicklungen abspielen. Beispielsweise könnte
Verfall Optionspreis
Optionspreis
Optionspreis aktuell
Optionspreis
Optionspreis
Optionspreis
Abb. 2.17 Bewertungspfad der Option im Binomialmodell
70
2
Eigenschaften und Bewertung von Derivaten
bei einer Aktie, deren Kurs bei 0 C steht, der Kurs gleich bleiben, steigen oder stark steigen. Damit wird bei der gleichen Anzahl von Schritten eine höhere Genauigkeit erreicht. Dies geht jedoch auf Kosten der Rechengeschwindigkeit. Finite-Differenzen-Methode Die erste pfadbasierte Optionsbewertungsmethode war die Finite-Differenzen-Methode, mit der ursprünglich Bewegungen von Flüssigkeiten untersucht und baustatische Fragestellungen untersucht wurden. Mit ihr haben Schwartz Optionsscheine und Brennan und Schwartz schon im Jahre 1977 amerikanische Aktien-Puts bewertet (Schwartz 1977; Brennan und Schwartz 1977). Die Finite-Differenzen-Methode ähnelt dem Trinomialmodell im Preisentwicklungspfad des Underlying, der ebenfalls dreiteilig verläuft. Allerdings bestehen Unterschiede in der Wahl der Preisschritte und den zugewiesenen Wahrscheinlichkeiten. Monte-Carlo-Simulationen Mit Boyles Arbeit (1977) begann das „Zeitalter der Monte-Carlo-Simulationen“ in der Bewertung von Optionen. Auch bei diesem Verfahren werden unterschiedliche Kursverlaufspfade des Underlying simuliert. Es ist sehr flexibel und erlaubt, durch die Möglichkeit, den Verlaufspfad nachzuvollziehen, auch die Bewertung von pfadabhängigen Optionen (Abschn. 6.4.2.3) wie asiatischen Optionen (Abschn. 6.4.2.3.1) aber auch Barrier (Abschn. 6.4.2.4.1) und Bermuda Options. Außerdem kann der Schätzfehler berechnet werden. Hintergrundinformation Eine Bermuda Option verfügt über mehrere Ausübungszeitpunkte. Da die Bermudainseln zwischen Europa und Amerika liegen, wurde für eine Optionsart, deren Ausübungsmöglichkeiten zwischen einer europäischen und einer amerikanischen liegen, dieser Name gewählt.
Jim Tilley (1993) war der erste, der amerikanische Optionen mittels Monte-CarloSimulation bewertete. Dies galt lange Zeit als bestenfalls unpraktisch, weil zu jedem Ausübungszeitpunkt mehrere Pfade simuliert werden müssen, um festzustellen, ob sich eine Ausübung lohnen könnte. Mittlerweile hat sich hier jedoch ein reger Forschungszweig etabliert, ohne bislang einen klaren Favoriten hervorgebracht zu haben. Analytisch-approximierende Verfahren Schließlich hat sich ein dritter Bewertungszweig etabliert, der Optionen über analytische Approximationsmodelle bewertet. Dabei handelt es sich um eine Mischung aus numerischem und analytischem Ansatz. Man löst also beispielsweise eine geschlossene Gleichung zur Optionsbewertung (wie die Black-Scholes-Formel) und addiert zu dem so ermittelten Wert einen Preisaufschlag für eine Optionsbesonderheit, wobei man diesen Aufschlag über eine numerische Technik approximiert hat. Diese Herangehensweise hat den Vorteil, dass man ein besseres Gefühl für die Elastizitäten der Option bekommt und dass sich die Rechenintensität in Grenzen hält. Insbesondere verfolgten zu Beginn der Achtzigerjahre einige Spezialisten einen anderen Ansatz, um der Bewertung von amerikanischen
2.4 Optionen
71
Optionen Herr zu werden. So bedienten sich Geske und Johnson (1984) des Compound Model-Ansatzes von Geske (1979), um den Wert eines amerikanischen Call analytisch zu approximieren, indem sie ihn als Compound Option mit unendlich vielen Ausübungsmöglichkeiten bewerteten. Barone-Adesi und Whaley (1987) nutzten den Ansatz von Macmillan (1986) und berechneten mittels quadratischer Approximation die Prämie für die vorzeitige Ausübung, die sie dann einem europäischen Call zuschlugen.
2.4.4
Volatilität in der Optionspreisbewertung
In die Black-Scholes-Formel zur Optionspreisberechnung gehen fünf Input-Faktoren ein: der Preis des Underlying, der Basispreis, die Restlaufzeit, die Zinsen und die Volatilität. Die ersten vier sind beobachtbare Größen, die am Markt abgelesen und in den Optionsrechner eingespeist werden können. Problematisch ist der fünfte Faktor. Dabei handelt es sich um die erwartete Volatilität des Underlying bis zum Optionsverfall und mithin um eine Schätzgröße. Die Volatilität kann aber nur rückwirkend für die Vergangenheit berechnet werden. Selbst die aktuelle Volatilität ist, im Gegensatz beispielsweise zum Zinssatz, nicht beobachtbar. So muss auch die erwartete Volatilität geschätzt werden (zum Thema Volatilitätsanalyse und -prognose vgl. Abschn. 7.2). Da man die Black-Scholes-Formel leider nicht passend nach der Volatilität invertieren kann, erhält man die implizite Volatilität mathematisch, indem man die bekannten Größen inklusive des Optionspreises in die Formel einsetzt und dann so lange herumprobiert, bis die Gleichung aufgeht. In Optionspreisrechnern ist diese Berechnung als Standard enthalten. Dabei kommt es aber zu einer Reihe von Ungereimtheiten: So erhält man meistens für jede Option eine eigene implizite Volatilität. Das ist aber unlogisch, da das Underlying ja nur eine einzige Volatilität aufweisen wird. Da es sich um eine reine Modellrechnung handelt, bekommt man eben nur den Wert heraus, der dafür sorgt, dass die Formel aufgeht, der berechnete Modellpreis also dem aktuell beobachtbaren Marktpreis entspricht. Eine Information im Sinne einer Fehlbewertung der Option kann man daraus nicht ableiten. Das gilt umso mehr, als auf den Preis einer Option ja noch andere Faktoren einwirken, die nichts mit der Volatilität des Underlying zu tun haben: Neben Angebot und Nachfrage nach der Option kann auch deren Liquidität Preiseffekte haben, die sich zum Beispiel in einer mehr oder weniger breiten Geld-Brief-Spanne niederschlagen. Würde man also den Optionspreis für bare Münze nehmen und direkt in die implizite Volatilität umrechnen, würde man beispielsweise aus dem Umstand, dass die Option illiquide ist, eine erhöhte Volatilität der Aktie prognostizieren. Umgekehrt ist gerade die Schätzung der Volatilität verantwortlich für viele neue Ansätze in der Optionsbewertung. Aus den oben skizzierten Grundmodellen haben sich mittlerweile unzählige Verfeinerungen herausgebildet. Immer wieder finden sich in den einschlägigen Fachmagazinen verbesserte Ansätze, insbesondere im Bereich der Volatilitätsmodellierung, von denen viele nach Jahren auch wieder von der Bildfläche verschwunden sind. Gerade im Bereich exotischer Optionen ist dies häufig der Fall. Derzeit ist die Mo-
72
2
Eigenschaften und Bewertung von Derivaten
dellvielfalt so groß, dass selbst diejenigen, die täglich damit ihr Geld verdienen müssen, vor einem fast undurchdringlichen Dschungel stehen (Jasper Andreasen, Leiter quantitative Analytik bei der Danske Bank, in Carver 2012a): Die Quants haben hunderte von Modellen; und sogar in ein und derselben Anlageklasse hat ein Quant zehn Modelle, die den Smile abbilden können.
Hintergrundinformation Der Smile ist das Muster der Volatilität entlang der Moneyness und wird in Abschn. 7.2.6 erklärt.
Die Schätzung der Volatilität hat aber auch viel handfestere Einflussfaktoren. So dominiert gerade im OTC-Bereich letztlich die Frage, wer aufgrund der Marktstruktur und Konkurrenzsituation seine Vorstellungen hinsichtlich Verdienstmarge und damit Preis wie weit durchsetzen kann. Das zeigt sich regelmäßig, wenn man Preisanfragen bei mehreren Marktteilnehmern stellt und diese mit den eigenen Preisvorstellungen abgleicht. Nicht selten kommt es dabei zu deutlichen Unterschieden sowohl zwischen den eigenen Bewertungen und den Angeboten des Gegenübers als auch zwischen den erhaltenen Angeboten vom Markt. Am Ende kann eine modellhaft niedrig geschätzte Volatilität doch in einer hohen impliziten Volatilität der tatsächlich gehandelten Option münden, wenn der Käufer die Option viel dringender erwerben als der Verkäufer sie loswerden will und umgekehrt.
2.4.5 Optionsrisikokennzahlen Wir haben gesehen, dass der Preis einer Option von vielen Faktoren abhängt. Ändert sich einer dieser Faktoren, ändert sich der Preis der Option. Ein Anleger, der Optionen einsetzt, ganz gleich ob als Käufer oder Verkäufer, hat ein verständliches Interesse daran, eine Vorstellung davon zu entwickeln, welche Faktoren in welchem Maße auf den Preis „seiner“ Option einwirken. Mit der Einbürgerung der Black-Scholes-Formel war es möglich, diese preisbestimmenden Faktoren zu extrahieren, zu ordnen und mit – in diesem Fall griechischen – Schlagworten zu versehen.
2.4.5.1 Delta Mit Abstand die wichtigste Optionskennzahl ist das Delta (). I Definition Das Delta gibt an, wieviel Prozent einer absoluten Kursveränderung des Underlying der Optionspreis mitnimmt. Für eine dividendenlose Aktie entspricht das Delta der kumulierten Dichtefunktion der Normalverteilung N(d1 ): (2.22) D N.d1 / für Calls und
2.4 Optionen
73
D N.d1 / 1 für Puts.
(2.23)
Bei einem Aktienindex mit einer Dividendenrendite y sieht das Delta wie folgt aus: D eyt N.d1 / für Calls und
(2.24)
D eyt ŒN.d1 / 1
(2.25)
für Puts.
mit t
= Restlaufzeit in Jahren. Beispiel
Wir wollen die „Griechen“ an einer Beispieloption durchrechnen: Kurs Underlying Basispreis Risikoloser Zins Restlaufzeit in Jahren Volatilität (Standardabweichung)
K B rf t ¢
100 C 95 C 2% 1 20 %
Ein Call mit dieser Spezifikation kostet 11,61 C, ein Put 4,73 C. Das Delta für eine dividendenlose Aktie wäre 0,68, für einen entsprechenden Put 0,32. An diesem Beispiel sieht man sehr schön eine Delta-Relation: Der Betrag des Call Delta und der Betrag des Put-Delta ergeben zusammen ziemlich genau 1 (genauer gesagt den Barwert von 1). Dies leitet sich aus der Put-Call-Parität ab. Falls es sich um einen Aktienindex mit Dividendenrendite y von drei Prozent handelte, lägen die Werte bei 0,66 bzw. 0,31. Wenn das Underlying um einen Euro auf 101 C steigt, vollzieht der Call diese Bewegung zu 68 % nach. Er gewinnt also 0,68 C und kostet neu 12,29 C. Der Put fällt um 32 Cent auf 4,41 C. Calls weisen stets ein positives, Puts ein negatives Delta auf. Calls, die tief im Geld liegen, kommen auf sehr hohe Delta-Werte. Der Maximalwert beträgt eins. In diesem Fall vollzieht die Option jede Preisbewegung im Underlying eins zu eins nach. Für jeden Euro Preisanstieg oder -rückgang in der Aktie steigt bzw. fällt auch der Call um einen Euro. Umgekehrt weist ein Deep-in-the-money Put ein Delta von 1 auf. Er fällt um einen Euro, wenn der Aktienkurs um einen Euro steigt. Bei Out-of-the-money-Optionen nähert sich die Reagibilität null an. Die Option reagiert dann fast nicht mehr auf Preisänderungen im Underlying. Am Geld weist ein Call ein Delta von etwa 0,5, ein Put entsprechend von 0,5 auf. Hintergrundinformation Gerade im Zusammenhang mit der Einordnung von Optionsrisiken kommt der Definition des Atthe-money-Punkts eine besondere Bedeutung zu. Dieser liegt nicht etwa beim aktuellen Preis des Underlying, sondern bei dessen Forward-Preis (vgl. hierzu Abschn. 2.4.1).
74
2
Eigenschaften und Bewertung von Derivaten
I Definition Das Delta, das sich im ersten Glied der Black-Scholes-Optionspreisformel als N(d1 ) identifizieren lässt, kann in mehrfacher Weise interpretiert werden. Grafisch ist es der Steigungswinkel (Gradient) der Optionspreistangente an deren Schnittpunkt mit dem Aktienkurs. Aus Abb. 2.18 ist ersichtlich, wie das Call-Delta (die Steigung) mit zunehmender Moneyness ansteigt. Für den eher rentengeneigten Leser lässt sich die Verbindung zwischen Delta und (Modified) Duration herstellen. Während bei der Rentenrisikokennziffer das Risiko in Abhängigkeit von einer Zinsänderung quantifiziert wird, erfolgt dies im Optionsbereich in Abhängigkeit von Preisänderungen im Underlying. Lässt man das Vorzeichen außer Acht, kann man das Delta auch als die Wahrscheinlichkeit, dass die Option bei Fälligkeit im Geld liegt, interpretieren. Daher weisen Optionen mit zunehmender Moneyness steigende Deltas auf. Ein Call, der sehr weit im Geld liegt, hat den Basispreis deutlich überschritten. Die Wahrscheinlichkeit, dass er bis zum Verfallstag über dem Basispreis bleibt, ist höher als bei einem Call, der nur leicht im Geld notiert. Daher weist der Deep-in-the-money Call ein höheres Delta auf. Out-of-the-money-Optionen weisen ein niedriges Delta auf, da die Wahrscheinlichkeit, dass sie im Geld auslaufen, geringer ist. Optionen am Geld liegen mit ihrem Delta bei 0,5, da bei zufallsverteilten Kursveränderungen des Underlying je eine 50-prozentige Chance besteht, dass die Option am Verfall im Geld notiert oder wertlos verfällt. Die mit Abstand wichtigste Interpretation ist jedoch die der Hedge Ratio, dem Verhältnis von absicherndem Volumen und Volumen im Underlying. Weltweit ziehen Abertau-
60
50
40
30
20
10
0 100
110
120
130
140
150
160
170
180
190
Abb. 2.18 Optionspreis (vor Verfall) in Abhängigkeit vom Aktienkurs; Basispreis 150 C
200
2.4 Optionen
75
sende von Optionshändlern und Investoren diese Kennzahl heran, wenn es darum geht, Positionsrisiken zu bestimmen und abzusichern. Gesetzt den Fall, ein Investor möchte eine Aktie nicht auf den Verfallstag der Option, sondern gegen unmittelbar erwartete Kursrückgänge absichern. In diesem Fall liefert das Delta die Anzahl der zu kaufenden Puts oder zu verkaufenden Calls, um die Aktienkursbewegung zu neutralisieren. Das Underlying hat immer ein Delta von 1. Um dieses Risiko aus dem Underlying abzusichern, ist dem Underlying eine gegenläufige Position gegenüberzustellen, die das Delta ausgleicht: Underlying Delta Underlying C Kontrakte Delta Kontrakt D 0 Da Delta Underlying = 1, vereinfacht sich die Gleichung zu Underlying C Kontrakte Delta Kontrakt D 0 Die Hedge Ratio ergibt sich mit Hedge Ratio D Underlying=Delta Kontrakt
(2.26)
Entscheidet sich der Investor beispielsweise für einen Put mit einem Delta von 0,5, kann er sich ausrechnen, dass er zwei Kontrakte je Aktie benötigt. Hedge Ratio D 1= 0;5 D 2 Zur Vereinfachung wird unterstellt, dass jeder Kontrakt nur eine Aktie abdeckt. In der Praxis muss die Anzahl der tatsächlich abgedeckten Aktien (zum Beispiel 50 Aktien je Kontrakt) berücksichtigt werden. Dass dieser Hedge funktioniert, zeigt sich, wenn man betrachtet, was passiert, wenn die Aktie um einen Euro fällt: Jeder der beiden Puts gewinnt 0,5 C und gleicht so den Verlust im Underlying aus. Auf diese Art lässt sich auch das Risiko komplexerer Positionen berechnen und absichern. Hätte der Investor noch drei Calls mit einem Delta von je 0,1 geschrieben und weitere zehn Aktien-Puts mit einem Delta von 0,3 veräußert, berechnete sich sein Gesamtdelta zu 1 C 2 0;5 3 0;1 10 .0;3/ D 2;7 Damit hat er eine Gesamtposition, deren Kursrisiko dem von 2,7 Aktien entspricht und das er demzufolge durch den Verkauf von 2,7 Aktien neutralisieren könnte. Über das Delta kann das Risiko einer Position gesamthaft gesteuert werden. Allerdings muss die Position permanent angepasst werden, da das Delta einer Option variabel ist. Insbesondere ändert es sich bei Kursveränderungen im Underlying. Dies lässt sich bereits
76
2
Eigenschaften und Bewertung von Derivaten
1 0,9 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0 125
135
145
155
Vola 10
Vola 25
165
175
185
Vola 40
Abb. 2.19 Call Delta in Abhängigkeit von Kurs und Volatilität
aus der konvexen Linie in Abb. 2.18 ablesen. Je weiter der Call nach rechts ins Geld läuft, desto steiler wird die Kurve, desto höher wird also auch das Delta. Nach links (aus dem Geld) läuft die Kurve flacher aus, das heißt, das Delta geht zurück. Das Delta einer Option ändert sich ständig. Neben dem Kurs des Underlying spielen dabei die anderen Faktoren eine Rolle, die auch auf den Optionspreis einwirken. So hat die Volatilität einen bedeutenden Einfluss, wie in Abb. 2.19 ersichtlich. Man sollte also beim Einsatz von Optionen auf Einzeltitel im Hinterkopf behalten, dass sehr agile Aktien mit hoher impliziter Volatilität, wie Small Cap Internet-Titel, ein träges Delta aufweisen, sodass selbst weit im Geld handelnde Optionen noch ein Delta aufweisen können, das relativ stark an der Marke von 0,5 „klebt“. Umgekehrt können Kaufoptionen auf „Witwen- und Waisenpapiere“ mit niedriger impliziter Volatilität sehr schnell Delta auf- bzw. unterhalb des Basispreises abbauen. Aber auch der Zeitablauf verändert das Delta. Je kürzer die Restlaufzeit, desto mehr reagiert das Delta binär. Entweder die Option ist im Geld. Dann schnellt das Delta in Richtung eins. Oder die Option läuft aus dem Geld, sodass das Delta der Null zustrebt (Abb. 2.20).
2.4.5.2 Omega/Lambda Interessiert man sich für die prozentuale Änderung des Optionspreises bei einer Preisänderung des Underlying von einem Prozent, betrachtet man den Hebel oder die Elastizität einer Option. Diese Kennzahl interessiert in erster Linie spekulativ ausgerichtete Trader. Sie findet sich sehr oft im Bereich der von Kleinanlegern dominierten Optionsscheine und Zertifikate und ist für Calls größer als eins und für Puts kleiner als minus eins. Tatsächlich spielt das Omega/Lambda bei der Berechnung von Absicherungen eine Rolle, da
2.4 Optionen
77
1 0,9 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0 1
11 21 31 41 51
61 71 81 91 101 111 121 131 141 151 161 171 181 191 201 211 221 231 241
Restlaufzeit ITM
ATM
OTM
Abb. 2.20 Call Delta in Abhängigkeit von Laufzeit und Moneyness (ATM at-the-money, ITM inthe-money, OTM out-of-the-money)
es, wenn auch versteckt, einen Teil der Hedge Ratio bildet. Allerdings wird es in diesem Zusammenhang in der Praxis nicht extra bemüht (Abschn. 5.5.1). Beim Hebel handelt es sich nicht um eine originäre Optionsrisikokennzahl. Vielmehr ergibt sie sich aus dem Delta als Omega D Delta Aktienkurs=Optionspreis
(2.27)
Dennoch wird dem Hebel gelegentlich ein griechischer Buchstabe zugewiesen. Neben dem Omega () findet sich auch Lambda (œ) als Bezeichnung. Aus der Wandelanleiheanalyse kommt gelegentlich noch eine Verschärfung der Begriffsverwirrung. Hier steht Omega auch für die Sensitivität einer Wandelanleihe gegenüber Änderungen im Credit Spread. Die Abb. 2.21 und 2.22 belegen, dass das Omega anders ausgeprägt ist als das Delta. Einer Option mit einem hohen Delta sollte man nicht zwangsläufig intuitiv ein hohes Omega zusprechen. Ein Call, der ins Geld läuft, baut zwar Delta auf. Da der Optionspreis aber mit steigendem Delta immer stärker mitsteigt, fällt der Hebel. Die höchsten Hebel liegen also bei Optionen aus dem Geld, insbesondere, wenn diese mit einer niedrigen Volatilität und kurzer Restlaufzeit einhergehen.
78
2
Eigenschaften und Bewertung von Derivaten
20
16
12
8
4
0 125
135
145
155
Vola 10
Vola 25
165
175
185
Vola 40
Abb. 2.21 Call Omega in Abhängigkeit von Kurs und Volatilität (Basispreis 150) 20
16
12
8
4
0 1
11
21
31
41
51
61
71
81
91 101 111 121 131 141 151 161 171 181 191 201 211 221 231 241
Restlaufzeit ITM
ATM
OTM
Abb. 2.22 Call Omega in Abhängigkeit von Restlaufzeit und Moneyness
Beispiel
Für unseren Beispiel-Call hatten wir ein Delta von 0,67 ausgerechnet. Bei einem Anstieg des Underlying um einen Euro steigt der Preis des Call also um 0,67 C. Da der Preis des Underlying jedoch ein Vielfaches des Optionspreises beträgt, weist die Option ein Omega/Lambda von 5,82 auf. Der Gewinn und Verlust des Underlying wird also im Call mit beinahe dem Sechsfachen gehebelt. Der Hebel des entsprechenden Puts liegt bei 2,79.
2.4 Optionen
79
2.4.5.3 Gamma Um die Instabilität des Delta hinsichtlich der Kursveränderungen im Underlying zu beziffern, bedient man sich des Gamma (). I Definition Das Gamma ist die zweite Ableitung der Black-Scholes-Funktion nach der Kursveränderung des Underlying. Für eine dividendenlose Aktie errechnet sich das Gamma mit D mit
N0 .d1 / p K¢ t
1 2 N0 .x/ D p ex =2 2
(2.28)
(2.29)
Der Wert drückt die Veränderung des Delta bei Änderung des Aktienkurses um einen Euro aus. Das Gamma entspricht also dem Delta des Delta. Zieht man die Analogie aus den Risikokennzahlen des Rentenbereichs heran, entspricht das Gamma der Konvexität, denn es misst die Konvexität des Wertkurvenverlaufs in Abb. 2.18. Für unsere Beispieloptionen errechnet sich ein Gamma von 0,02. Das Delta wird also um 0,02 steigen (fallen), wenn das Underlying um einen Euro steigt (fällt). Das Gamma einer Option ist über weite Strecken nicht null. Das bedeutet, dass sich das Delta fast immer mehr oder weniger stark bewegt. Ein Investor muss also für eine permanente Absicherung ständig auf die sich ändernden Deltas reagieren. Er muss das Portfolio immer wieder anpassen. Insofern ist das Gamma auch ein Maß für die Stabilität des Delta. Je höher das Gamma, desto weniger stabil ist das Delta. Damit steht das Gamma auch für die Aufwendigkeit eines Hedges, da es ausdrückt, ob häufige oder weniger häufige bzw. große oder kleine Anpassungen erforderlich sind. Beachtenswert ist, dass sowohl Calls als auch Puts positive Gammas aufweisen. Aus diesem Grund findet sich an dieser Stelle auch nur eine Formel, die sowohl für den Call als auch den Put gilt. Daher nimmt ein Optionskäufer eine Long Gamma Position und ein Optionsverkäufer eine Short Gamma Position auf das Buch, unabhängig davon, ob es sich um Calls oder Puts handelt. Tatsächlich ist das Gamma für Calls und Puts mit gleichem Basispreis und gleicher Laufzeit sogar (fast) identisch, sodass es für einen Portfoliomanager oder Händler, der nur danach strebt, sein Gamma Exposure aufzubauen, fast egal ist, ob er sich eines Calls oder Puts bedient, so lange er nur Optionen kauft. Hintergrundinformation Aufgrund der Annahme lognormalverteiler Preise des Underlying kann es zu leichten Abweichungen zwischen Call und Put Gamma kommen. Wären die Preise normalverteilt und nicht die Renditen, wären die Werte exakt gleich.
Der Käufer des Underlying muss sich in dieser Hinsicht keine Gedanken machen. Das Delta des Underlying ist immer eins, das heißt, es ändert sich nie. Somit ist das Gamma des Underlying stets null. Das Gamma eines Optionsbuchs kann also nicht durch Auf- oder
80
2
Eigenschaften und Bewertung von Derivaten
Abbau des Underlying verändert werden. Will ein Optionshändler Gamma-Neutralität in seinem Buch herstellen, bleibt ihm nichts anderes übrig, als passende Gamma-Positionen in Form von Optionen zu kaufen und zu verkaufen. Während die große Bedeutung der Kontrolle des Delta offensichtlich ist, kann das Gamma leicht unterschätzt werden. Optionen mit hohem Gamma sind sehr agil. Daher werden sie von Optionskäufern gerne gekauft. Auf der anderen Seite stellen sie für Verkäufer von Optionen sehr riskante Positionen dar. Selbst erfahrene Optionshändler laufen Gefahr, die dem Gamma innewohnende Gefahr zu unterschätzen. Beispiel
Ein markantes Beispiel hierfür lieferte das Frühjahr 1985. Eine Reihe von Händlern wollte von den bis dato relativ ruhigen Goldpreisen profitieren und verkaufte massiv Optionen aus dem Geld. Während die Händler darauf achteten, ihre Bücher deltaneutral zu stellen, blieb das extrem große Short Gamma offen. Als der Goldpreis nach oben schoss, wurden die Händler im weiter steigenden Markt in Windeseile massiv Delta short und erlitten erhebliche Verluste. Da viele dieser Händler dieselbe Firma für die Abwicklung benutzten, die daraufhin ebenfalls zusammenbrach, entwickelte sich dieser Vorfall zu einer ernsthaften Krise für die gesamte COMEX Terminbörse (Natenberg 1994, S. 105). Insbesondere At-the-money-Optionen weisen kurz vor Verfall und bei abnehmender impliziter Volatilität dramatisch ansteigende Gammas auf (Abb. 2.23 und 2.25). Die Veränderung der Steigerungsrate der Delta-Kurve ist am Geld am höchsten, das heißt, dort erreicht das Gamma die höchsten Werte (Abb. 2.23). Grund hierfür ist, dass mit jeder
0,06
0,05
0,04
0,03
0,02
0,01
0 125
135
145
155
Vola 10
Vola 25
165
Vola 40
Abb. 2.23 Call Gamma in Abhängigkeit von Kurs und Volatilität
175
185
2.4 Optionen
81
Bewegung über oder unter den Basispreis die Vorentscheidung gefallen sein könnte, ob die Option bei Verfall einen inneren Wert hat oder wertlos verfällt. Und je niedriger die Volatilität, desto eher wird das Underlying vermutlich auch auf der „richtigen“ oder „falschen“ Seite bleiben. Bei Optionen, die tief im Geld oder aus dem Geld notieren, ändert sich das Delta jedoch praktisch nicht, weil in diesen Regionen die Vorentscheidung über Auszahlung oder Verfall schon weitestgehend gefallen ist und eine kleine Bewegung im Underlying daran nicht viel ändert. Das Delta bleibt (nahe) bei eins bzw. null. Daher liegt das Gamma für diese Optionen auch (nahe) bei null. Auch die Ausprägung des Gamma in Abhängigkeit von Restlaufzeit und Volatilität der Option ist wieder Ausdruck der Überlegung, inwieweit die Vorentscheidung über den wertlosen Verfall der Option schon gefallen ist. Bei einer langen Restlaufzeit ist die Entscheidung noch offen. Steht der Verfalltag unmittelbar bevor, werden Optionen, die deutlich im Geld liegen, voraussichtlich dort bleiben und Optionen, die weit aus dem Geld notieren, höchstwahrscheinlich wertlos verfallen. Ihre Wahrscheinlichkeit, im Geld zu enden (Delta) wird sich nicht mehr spürbar verändern. Ihr Gamma ist also fast null. Am Geld ist noch alles möglich, weshalb die Option hochreagibel agiert, also ein hohes Gamma aufweist (Abb. 2.24). Gleiche Überlegung hinsichtlich der Volatilität: 90 Tage vor Verfall ist bei einer hohen Volatilität noch alles drin, egal welche Moneyness die Option aufweist. Irgendwelche Bewegungen werden die Wahrscheinlichkeiten nicht großartig verschieben. Daher bleibt das Gamma in diesem Fall bei allen Optionen überschaubar. Liegt die Volatilität hingegen sehr niedrig, werden die Optionen in und aus dem Geld vermutlich auf ihrer jeweiligen Seite des Basispreises verharren. Das Delta bleibt bei einem sehr geringen Gamma recht konstant. Anders bei der Option am Geld: Bei geringer Volatilität kann jede Veränderung
0,15 0,14 0,13 0,12 0,11 0,1 0,09 0,08 0,07 0,06
1
11
21
31
41
51
61
71
81
91 101 111 121 131 141 151 161 171 181 191 201 211 221 231 241
Restlaufzeit ITM
ATM
OTM
Abb. 2.24 Call Gamma in Abhängigkeit von Restlaufzeit und Moneyness
82
2
Eigenschaften und Bewertung von Derivaten
0,21 0,18 0,15 0,12 0,09 0,06 0,03 0 1
6
11
16
21
26
31
36
41
46
Volatilität ITM
ATM
OTM
Abb. 2.25 Call Gamma in Abhängigkeit von Volatilität und Moneyness
die Vorentscheidung über Ertrag oder wertlos ausbuchen bedeuten. Das hohe Gamma verschiebt die Wahrscheinlichkeit, also das Delta, markant (Abb. 2.25).
2.4.5.4 Theta Der Käufer eines Call profitiert, wenn das Underlying am Verfalltag über dem Basispreis seiner Option notiert. Liegt es darunter, verliert er nicht mehr als die bezahlte Optionsprämie. Je länger die Restlaufzeit einer Option, desto mehr Gelegenheit bietet sich dem Underlying, über den Basispreis zu steigen. Eine Aktie, die in der Regel ein Prozent pro Tag schwankt, kommt auf eine jährliche Standardabweichung von fast 16 %. So ist es wahrscheinlicher, dass der Optionskäufer mit einem Call, der fünf Prozent aus dem Geld liegt, den Basispreis übertreffen wird, wenn dieser noch ein Jahr Laufzeit hat, als wenn dieser am morgigen Tag verfällt. I Definition Der Wert des Faktors Zeit drückt sich im Theta ( ) aus, der ersten Ableitung des Optionspreises nach der Kalenderzeit. Je länger die Restlaufzeit einer Option, desto werthaltiger ist sie. Umgekehrt verlieren Optionen, egal ob Call oder Put, mit jedem Tag der vergeht, an Wert. Daher werden sie auch oft als Wasting Assets („sich selbst verbrauchende Güter“) bezeichnet. Für einen europäischen Call auf eine dividendenlose Aktie berechnet man ‚D mit
KN0 .d1 /¢ p rBerf t N.d2 / 2 t
(2.30)
1 2 N0 .x/ D p ex =2 2
(2.31)
2.4 Optionen
83
Für den Put ‚D
KN0 .d1 /¢ p rBerf t N.d2 / 2 t
(2.32)
Für Indizes mit einer Dividendenrendite von y lautet die Formel für den Call KN0 .d1 /¢eyt p C yKN.d1 /eyt rf Berf t N.d2 / 2 t
(2.33)
KN0 .d1 /¢eyt yKN.d1 /eyt C rf Berf t N.d2 / p 2 t
(2.34)
‚D Für den Put ‚D Beispiel
Unsere Beispieloptionen weisen folgende Thetas auf:
Call Put
Dividendenlose Aktie 3,62 C 3,65 C
Index mit Dividendenrendite von 3 % 5,14 C 4,10 C
Das Theta wird normalerweise in Währungseinheiten je Tag Restlaufzeit ausgedrückt. Gelegentlich findet man auch einen Prozentwert bezogen auf eine Währungseinheit, was aber letztlich auf das Gleiche hinausläuft. Dazu muss man die oben ermittelten Thetas noch durch die Anzahl der Handelstage pro Jahr (ca. 250) teilen. Der Call auf die dividendenlose Aktie hat also ein Tagestheta von rund einem Cent. Ein Theta von 0,01 bedeutet, dass eine Option mit einem Tag längerer Restlaufzeit einen Cent mehr wert ist. Umgekehrt ist unser Beispiel-Call, der heute 11,61 C wert ist, morgen nur noch 11,60 C wert, wenn alle anderen Parameter unverändert bleiben. Long-Positionen haben ein positives Theta (je länger die Restlaufzeit, desto höher das Theta), und Calls und Puts mit gleicher Laufzeit und gleichem Basispreis weisen (fast) das gleiche Theta auf. Aber die Zeit läuft nur in eine Richtung. Die Restlaufzeit verkürzt sich täglich. Daher wird gelegentlich das Theta auch mit umgekehrten Vorzeichen ausgewiesen, das heißt, gekaufte Optionen weisen dann ein negatives Theta auf, da sie durch Zeitablauf an Wert verlieren, während verkaufte Optionen profitieren und somit ein positives Vorzeichen haben. Wir wollen im Folgenden jedoch mit den mathematisch korrekten Vorzeichen arbeiten. Theta und Gamma gehen Hand in Hand. Anders ausgedrückt ist Theta der Preis, den der Optionskäufer für das eingekaufte Gamma bezahlen muss. Gamma ist werthaltig, steht es doch für die Chance, dass die Option von einer Bewegung im Underlying profitiert. Der Anleger muss abwägen. Entweder er will sich ein hohes Gamma einkaufen. Dann bezahlt er dies durch einen höheren Zeitwertverfall. Oder er ist nur bereit, einen kleinen Zeitwertverfall in Kauf zu nehmen. Dann erhält er dafür aber auch nur ein niedrigeres Gamma.
84
2
Eigenschaften und Bewertung von Derivaten
Mathematisch sieht der Zusammenhang wie folgt aus, wobei dieser hier vom risikolosen Zins abstrahiert. Demzufolge ist dieser Zusammenhang eine Näherungslösung, die jedoch bei einem Zins von null exakt ist. 1 ‚ K2 ¢ 2 2
(2.35)
mit K = Kurs des Underlying ¢ = Implizite Volatilität der Option Entscheidender Verbindungsfaktor der beiden „Griechen“ ist die implizite Volatilität. Dies führt zu einer zentralen Erkenntnis, die im Laufe dieses Buches noch mehrfach eine Rolle spielen wird, insbesondere beim Handel der Volatilität: Wenn sich am Markt genau die Volatilität realisiert, die zuvor als implizite Volatilität in die Option eingepreist wurde, gleicht der Gewinn aus dem Gamma exakt die Verluste aus dem Theta aus. Nur wenn die realisierte Volatilität höher liegt, überkompensiert das Gamma den Zeitwertverfall und es verbleibt ein Gewinn beim Options(volatilitäts)käufer. Beispiel
Dies lässt sich anschaulich zeigen, wenn man sich in die Position eines Optionshändlers versetzt, der 1000 Calls mit Basispreis 100 (am Geld) long ist. Er will keine direktionale Wette eingehen. Er glaubt aber, dass die realisierte Volatilität höher sein wird als die von ihm bezahlte implizite und will dadurch Geld verdienen. Daher strebt er Deltaneutralität an. Das Delta sichert er über den Verkauf und Kauf von Aktien ab. Dazu handelt er immer genau so viele Aktien, dass sein Bestand den 1000 Optionen mal ihrem Delta entspricht, natürlich mit gegenläufigem Vorzeichen, damit das Kursrisiko neutralisiert wird. Tag
Aktienkurs
Delta
Neutralisierungs- AktienHedge position
Durchschn. Aktienpreis
1
100
0,5
-500
-500
100,00
5
105
0,55
-50
-550
100,45
10
110
0,61
-60
-610
101,39
20
90
0,4
210
-400
101,39
30
70
0
400
0
G&V
2.392,62 12.557,38 14.950,00
Theta
Tage
0,02
30
Optionsposition 1.000
-600,00
Ergebnis
14.350,00
2.4 Optionen
85
Der Aktienkurs hat sich also stark genug bewegt, sodass der Optionshändler in ausreichendem Maße in die Lage versetzt wurde, bei hohen Aktienkursen zu verkaufen und die Aktien dann billiger zurückzukaufen, sodass sein Handelsgewinn den Zeitwertverfall mehr als wettgemacht hat. Wäre er von der umgekehrten Annahme ausgegangen (realisierte Volatilität bleibt unterhalb der impliziten), hätte er die Option verkauft und das Theta der Optionsprämie vereinnahmt. Wenn seine Idee aufgegangen wäre, wären die Handelsverluste geringer ausgefallen als das vereinnahmte Theta. Der Zusammenhang zwischen Gamma und Theta lässt sich besonders gut kurz vor Verfall aufzeigen. Die Abb. 2.26 zeigt, wie der Zeitwertverfall einer Option am Geld kurz vor Verfall rapide ansteigt (der Anschaulichkeit halber wird das Theta mit negativem Vorzeichen dargestellt). Hier bleibt es bis zum Schluss spannend. Dagegen geht der Zeitwertverfall in und aus dem Geld gegen Ende einfach deshalb zurück, weil der absolute Restzeitwert bis dahin schon stark abgenommen hat. Zu diesem Zeitpunkt scheint absehbar, dass die Option im Geld (aus dem Geld) ziemlich sicher profitabel (wertlos) verfallen wird. Die Unsicherheitsprämie Theta ist demzufolge niedrig. Sieht man sich im Vergleich zu diesen Kurvenverläufen die Entwicklung des Gamma in Abb. 2.24 an, ist der Zusammenhang offensichtlich. Wie die anderen „Griechen“ auch, ist das Theta nicht nur von einem Faktor, der Restlaufzeit der Option, abhängig. Es wird beispielsweise auch von der Moneyness und der Volatilität beeinflusst. So ist die Unsicherheit über den weiteren Kursverlauf des Underlying bei einer hohen Volatilität größer und damit auch das Theta (Abb. 2.27). Aufgrund dieser vielfältigen Abhängigkeiten und Wechselwirkungen, müssen die „Griechen“ immer wieder neu berechnet werden.
0 –0,01 –0,02 –0,03 –0,04 –0,05 –0,06 –0,07 –0,08 –0,09 –0,1 –0,11 –0,12 –0,13 –0,14 –0,15 –0,16 –0,17 –0,18 –0,19 –0,2
11
21
31
41
51
61
71
81
91 101 111 121 131 141 151 161 171 181 191 201 211 221 231 241
Restlaufzeit ITM
ATM
OTM
Abb. 2.26 Call Theta in Abhängigkeit von Restlaufzeit und Moneyness
86
2
Eigenschaften und Bewertung von Derivaten
0 1
6
11
16
21
26
31
36
41
46
-0,01 -0,02 -0,03 -0,04 -0,05 -0,06 -0,07 -0,08 -0,09 -0,1
Volatilität ITM
ATM
OTM
Abb. 2.27 Call Theta in Abhängigkeit von Volatilität und Moneyness (Restlaufzeit 90 Tage)
I
Tipp Abschließend noch ein Hinweis aus der Praxis: Das Wochenende ohne Wertpapierhandel an den wichtigsten Märkten ist ein Volatilitätssumpf. Daher notieren Optionen am Freitagnachmittag bei Handelsschluss meist auf dem Niveau, auf dem sie ceteris paribus am Montagmorgen eröffnen sollten. Mit anderen Worten, für das Wochenende wird vom Optionskäufer kein Theta bezahlt und vom Optionsverkäufer kein Free Lunch vereinnahmt.
2.4.5.5 Vega I Definition Nach dem Wert des Underlying ist der wichtigste Einflussfaktor für den Optionswert die Volatilität. Das Sensitivitätsmaß hierfür wird als Vega oder Kappa (K) bezeichnet. Vega hat sich als die gebräuchlichere Bezeichnung etabliert. Allerdings ist Vega kein griechischer Buchstabe, sodass Kappa die „richtigere“ Variante wäre. Das Vega drückt aus, um wieviel sich der Optionspreis ändert, wenn die implizite Volatilität um einen Prozentpunkt ansteigt. p ƒ D K tN0 .d1 /
(2.36)
Beispiel
Unser Beispiel-Call kostet bekanntlich 11,61 C bei einer impliziten Volatilität von 20 %. Er hat ein Vega von 44,27. Somit ergibt sich bei einem Anstieg der impliziten Volatilität um ein auf 21 % ein Anstieg des Optionspreises um 0,44 C auf 12,05 C. Bei allen Optionen erhöht sich mit steigender impliziter Volatilität die Chance, dass sie ins Geld laufen. Daher ist das Vega sowohl für gekaufte Calls als auch Puts positiv –
2.4 Optionen
87
0,3
0,25
0,2
0,15
0,1
0,05
0 125
135
145
155
Vola 10
Vola 25
165
175
185
Vola 40
Abb. 2.28 Call Vega in Abhängigkeit von Kurs und Volatilität
und bei Calls und Puts mit identischem Basispreis und gleicher Laufzeit sogar annähernd identisch. Aus Short-Positionen resultiert ein negatives Vega Exposure. Das höchste Vega findet sich bei Optionen am Geld (Abb. 2.28). Damit weisen diese Optionen die stärkste absolute Preisbewegung im Falle einer Volatilitätsänderung auf. Das Vega dieser Optionen ist darüber hinaus ziemlich konstant gegenüber Änderungen der Volatilität (Abb. 2.29).
0,3
0,25
0,2
0,15
0,1
0,05
0 1
6
11
16
21
26
31
36
41
46
Volatilität ITM
ATM
OTM
Abb. 2.29 Call Vega in Abhängigkeit von Volatilität und Moneyness (Restlaufzeit 90 Tage)
88
2
Eigenschaften und Bewertung von Derivaten
0,55 0,5 0,45 0,4 0,35 0,3 0,25 0,2 0,15 0,1 0,05 0 1
11
21
31
41
51
61
71
81
91 101 111 121 131 141 151 161 171 181 191 201 211 221 231 241
Restlaufzeit ITM
ATM
OTM
Abb. 2.30 Call Vega in Abhängigkeit von Restlaufzeit und Moneyness
Die Sensitivität einer Option gegenüber einer Volatilitätsänderung steigt mit längerer Restlaufzeit an (Abb. 2.30). Je länger die Laufzeit der Option, desto stärker beeinflussen Schwankungen der Volatilität die Wahrscheinlichkeit, dass die Option im Geld verfällt. Man kann diese Kurve auch so interpretieren, dass sie zeigt, wie „falsch“ der mittels der Black-Scholes-Formel ermittelte Optionspreis ist, denn annahmegemäß wird die Volatilität dort ja als konstant unterstellt. Wie beim Omega/Lambda, kann auch mit Blick auf die implizite Volatilität der Volatilitätshebel das Risikobild abrunden. Dazu teilt man das Vega durch die Optionsprämie. So erhält man die prozentuale Veränderung der Optionsprämie bei einer Veränderung der Volatilität um ein Prozent. Während Optionen am Geld das höchste Vega aufweisen, erhält man höhere Volatilitätshebel bei aus dem Geld liegenden Optionen. Je nach Einsatzzweck und Prognose mag dies ein mitentscheidendes Kriterium für die Wahl der passendsten Option sein. Beispiel
Welche gewaltigen Auswirkungen eine Änderung der impliziten Volatilität auf den Preis einer Option hat, zeigt ein Beispiel aus dem Crash des Jahres 1987. McMillan (1996) berichtet von einem Kunden, der am 14. Oktober 1987, dem Mittwoch vor dem Crash, einen Call auf den S&P 100 erwarb. Der Index notierte bei 295. Die Option mit einem Basispreis von 320 wies eine implizite Volatilität von 15 % auf und kostete 1,125 US-Dollar. Am Schwarzen Montag, dem 19. Oktober 1987, fiel der S&P 100 auf 230 Punkte. Am nächsten Tag war der Anleger freudig erstaunt, dass der Call, den er für sich schon abgeschrieben hatte, immer noch bei einem US-Dollar notierte. Obwohl die Option fast 30 % aus dem Geld notierte und weniger als zwei Monate Restlaufzeit
2.4 Optionen
89
aufwies, hatte die auf über 50 % explodierende Volatilität die bezüglich der Richtung des Marktes komplett verunglückte Position gerettet.
2.4.5.6 Vanna und Volga Nicht nur der Optionspreis ist von Veränderungen seiner Input-Parameter abhängig. Auch die Optionsrisikokennzahlen selbst stehen ihrerseits wieder in wechselseitigen Abhängigkeiten voneinander. Die prominentesten Beispiele für diese „Optionsgriechen“ „aus der zweiten Reihe“ sind Vanna und Volga: I Definition Vanna bezeichnet die Änderung des Vega aufgrund einer Veränderung im Preis des Underlying (Manchmal findet man aber auch eine Definition, die die Veränderung des Delta aufgrund einer Änderung der Volatilität des Underlying als Vanna bezeichnet.). Je näher die Option ans Geld rückt, desto höher steigt das Vega. Diese Sensitivität drückt sich im Vanna aus. Es entspricht der Steigung in Abb. 2.28. I Definition Volga, das auch unter Vomma firmiert, ist die Änderung im Vega aufgrund einer Veränderung der impliziten Volatilität. Es misst, wie stark sich das Vega verändert, wenn sich die implizite Volatilität um einen Prozentpunkt bewegt und drückt sich in der Steigung in Abb. 2.29 aus. Beide Kennzahlen gehören nicht zu den „ursprünglichen Griechen“. Richtig wahrgenommen wurden sie erst im Zeitraum 2002/2003, als Lipton und McGhee (2002) sowie Wystup (2003) sie einsetzten, um den Volatilitäts-Smile in der Bewertung exotischer Optionen vor allem im Währungsbereich in einfacher Weise zu berücksichtigen. Vanna und Volga sind wie das Gamma zweite Ableitungen von Optionsrisikofaktoren und also solche Hilfsmittel zur Verbesserung der dynamischen Absicherung derartiger Positionen, weil sie die Dynamik des Vega-Risikos im Hedge berücksichtigen (Castagna und Mercurio 2007). Sie sind deshalb von Interesse, weil sie messen, wie stark eine der Schlüsselannahmen der Black-Scholes-Formel, die je bekanntlich von einer konstanten Volatilität ausgeht, verletzt ist. Mit Hilfe der Vanna-Volga-Methode wird ein Preis-/Absicherungsaufschlag bestimmt, die sogenannte Übersicherung (Overhedge). Diese wird zu dem nach BlackScholes ermittelten Optionswert hinzuaddiert wird, um die fehlerhafte Annahme konstanter Volatilität auszubessern. Aufgrund der einfachen Operationalisierbarkeit wird dieser empirische Ansatz auch als „Händlerdaumenregel“ bezeichnet (Wystup 2006). Hintergrundinformation Wir haben gesehen, dass jeder „Grieche“ von mehreren Faktoren beeinflusst wird, von denen auf die wichtigsten hingewiesen wurde. Viele dieser „Griechen“ zweiter oder dritter Ordnung haben noch einmal eigene Bezeichnungen (zum Beispiel firmiert das Theta des Vegas häufig unter Veta, die Veränderung des Gamma aufgrund von Volatilitätsänderungen unter Zomma), auf die hier aber nicht näher eingegangen werden soll.
90
2
Eigenschaften und Bewertung von Derivaten
2.4.5.7 Rho I Definition Auch die Zinsen gehen als Input in die Black-Scholes-Bewertungsformel ein. Demzufolge gibt es auch eine Sensitivität von Optionen gegenüber diesem Faktor: das Rho. Für Calls berechnet sich diese Kennzahl mit
Für Puts:
rho D Bterf t N.d2 /
(2.37)
rho D Bterf t N.d2 /
(2.38)
Der Kauf oder Verkauf einer Option als Termingeschäft führt dazu, dass dem Optionsinvestor ein Zinsvorteil oder -nachteil daraus erwächst, dass er eine geringere oder erhöhte Kapitalbindung hat. Dieser Effekt ändert sich bei schwankenden Zinsen. Allerdings ist das Rho selbst bei Optionen, die weit im Geld notieren, vergleichsweise gering, wobei dieser Zinsbindungseffekt mit ansteigender Laufzeit natürlich größer wird. Dennoch kann auch das daraus erwachsende Risiko nicht unbeträchtlich sein, wie das Beispiel Abschn. 7.6.5.4 zeigt. Beispiel
Unser Beispiel-Call hat ein Rho von 55,98. Damit würde er im Falle eines Zinsanstiegs um ein Prozent lediglich mit 0,56 C tangiert werden, der Put gar nur mit 0,37 C.
2.4.5.8 Übersicht In Tab. 2.4 sind noch einmal die Ausprägungen der wichtigsten originären Risikokennzahlen bei den vier Grundgeschäftsarten Long Call, Short Call, Long Put, Short Put sowie für das Underlying zusammengefasst. Die Betrachtungen zeigen deutlich, dass Optionen und Futures zwar beide derivative Instrumente sind, sie sich aber hinsichtlich ihrer Komplexität deutlich unterscheiden. Bei Futures geht es in erster Linie um die Richtung des Underlying. Spezielle Aufmerksamkeit muss man darüber hinaus vor allem der Hebelwirkung schenken. Bei Optionen hingegen gibt es eine ganze Reihe zusätzlicher Einflussfaktoren, die man bei der Wahl der Tab. 2.4 Übersicht „Griechen“ Long Call Short Call Long Put Short Put Aktie
Delta [0,1] [1,0] [1,0] [0,1] 1
Gamma [0,1] [1,0] [0,1] [1,0] 0
Theta >0 0 0 0 1 werden erzielte Gewinne bei der nächsten Portfolioumschichtung in immer größerem Umfang risikoreich reinvestiert. Die entsprechenden CPPIVarianten werden immer aggressiver. Falls die Marktentwicklung die Risikofreude belohnt und eine kontinuierlich steigende Performance aufweist, bauen diese ihr Investment im Marktportfolio schneller aus und weisen somit einen größeren Gewinn auf. Auf der anderen Seite nähern sich die aggressiveren Strategien bei fallender Marktentwicklung schneller der Untergrenze (Abb. 3.25). Alle dynamischen Absicherungsstrategien, egal ob Delta Hedge oder CPPI, haben nicht nur das Gap Risk, sondern auch die Pfadabhängigkeit gemein: Die Auszahlungsprofile dieser Portfolios sind auch vom Verlauf und nicht nur vom Endstand des Underlying (Marktportfolios) bestimmt.
3.4 Dynamischer Hedge
189 60,0
50,0
M=2 M=4 M=6 M=8 M = 10
40,0
30,0
Gewinn/Verlust
M=1 M=3 M=5 M=7 M=9
20,0
10,0
0,0 -60,0
-50,0
-40,0
-30,0
-20,0
-10,0
0,0
10,0
20,0
30,0
40,0
50,0
60,0
-10,0
-20,0
Marktentwicklung Abb. 3.25 Konvexität der CPPI. (Quelle: Bossert und Burzin 2002)
Beispiel
Das Aktienportfolio in Tab. 3.6 hatte am Ende der Anlagephase eine Gesamtrendite von 4,16 % erzielt. Die Aktienrenditen der Einzelperioden werden nun in Tab. 3.7 willkürlich geändert, mit der Vorgabe, analog zu Tab. 3.6 eine Gesamtrendite von 4,16 % zu erzielen. Bei gegenüber Tab. 3.6 unveränderten Parametern ist das Endvermögen in diesem Fall deutlich höher.
3.4.5 „Das Schwarze Loch der Liquidität“ Bei dem geschilderten Problem der Markteinwirkung dynamischer Sicherungsstrategien handelt es sich keinesfalls um ein längst überwundenes Problem aus den 1980er-Jahren. Heutzutage steuern immer mehr, insbesondere institutionelle Anleger ihre riesigen Positionen nach einem prozyklisch agierenden Ansatz. Da sind zum einen die Anleger, die für sich entschieden haben, dass es Sinn macht, zumindest einen Teil ihres Vermögens dergestalt einem Risikomanagement zu unterwerfen, dass mögliche Verluste asymmetrisch auf ein von vorneherein feststehendes Niveau begrenzt werden. So haben im Nachgang
190
3
Hedging
Tab. 3.7 CPPI-Beispiel 2: Variation des Wertentwicklungspfads. (Quelle: Bossert und Burzin 2002) Zeit-
Markt-
Performance
CPPI-
punkt
portfolio
des Markt-
Portfolio
portfolios
Mio.
F
C(t)
E(t-1)
E(t)
Kasse
Mio.
Mio.
in t Mio.
Mio.
Mio.
(Index)
(%)
Euro
Euro
Euro
Euro
Euro
Euro
t0
100,00
0
100
90,00
10,00
50,00
50,00
50,00
t1
96,50
-3,50
98,25
90,00
8,25
48,25
41,25
57,00
t2
92,45
-4,20
96,52
90,00
6,52
39,52
32,59
63,93
t3
91,06
-1,50
96,03
90,00
6,03
32,10
30,14
65,89
t4
85,60
-6,00
94,22
90,00
4,22
28,33
21,10
73,12
t5
89,88
5,00
95,28
90,00
5,28
22,16
26,38
68,90
t6
95,84
6,64
97,03
90,00
7,03
28,13
35,13
61,90
zur Baisse 2000 bis Mitte 2003 viele Investoren besagte CPPI-Produkte oder Abwandlungen davon in ihre Anlagen eingebaut. Auch heute noch ist die CPPI weltweit verbreitet. Dazu addieren sich eine Reihe anderer Produkte, die mit irgendeiner Risikobegrenzungsvorschrift arbeiten, selbst einfache Stop-Loss-Strategien. Diese wirkten beispielsweise verstärkend im sogenannten Flash Crash am 6. Mai 2010 (Kirilenko et al. 2014). Eine gleichgerichtete Wirkung erzeugen Ansätze, die das Portfoliorisiko auf einem bestimmten Volatilitätsniveau fixieren (Abschn. 7.2.2.4). Neben Absicherungsmandaten institutioneller Gelder sind beispielsweise viele Produkte auf dem amerikanischen Variable AnnuitiesAltersvorsorgemarkt mit diesem Ansatz unterlegt (Abschn. 7.6.4.1.1). Doch nicht alle Anleger agieren in ihrer Absicherung aus freien Stücken. Denn mittlerweile wirken rechtliche Vorschriften massiv in die gleiche Richtung. So haben die Basel II-Vorschriften zu einer massiven Aufrüstung der Banken im Bereich des Marktrisikomanagements geführt. Die in diesem Zuge eingeführten Systeme beruhen im Wesentlichen auf Value at Risk(VaR)-Ansätzen. Zunächst wird ein Risikolimit festgelegt. Im zweiten Schritt wird der Risikogehalt (VaR) des Bankvermögens gemessen. Schließlich wird verglichen, ob dieser Risikogehalt innerhalb der vorgegebenen Grenzen liegt. Bei fallenden Vermögenswerten steht weniger Risikospielraum zur Verfügung. Demzufolge muss Risiko durch Hedging oder direkten Verkauf von Risikoträgern abgebaut werden. Es kommt also ebenfalls zu einem prozyklischen Agieren. Ebenso verhält es sich in der Versicherungswirtschaft und im Bereich der Altersvorsorgeunternehmen wie zum Beispiel Pensionskassen. Auch hier muss sichergestellt werden, dass das Vermögen bestimmten Mindestanforderungen genügt. Dies wurde jahrelang über die Berechnung von Stresstests abgeprüft. Dazu hat die Versicherungsaufsicht eine Reihe von Szenarien definiert. Auch nach dem möglichen Eintritt dieser Szenarien müssen die Unternehmen solvent bleiben. Sollten diese Tests nicht eingehalten werden können, müssen die Risiken in den
3.4 Dynamischer Hedge
191
Anlagen so weit reduziert werden, dass sie den Anforderungen wieder genügen. Auch dieses System wirkt prozyklisch. Bei fallendem Anlagevermögen sinkt die Risikotragfähigkeit. Werden daraufhin die Stresstests nicht mehr eingehalten, muss Risiko verkauft werden – also ebenfalls Verkaufsdruck nach zurückgehendem Markt. Unter dem sogenannten Solvency II-Regime übernehmen abgestufte Eigenkapitalunterlegungen die Rolle der Stresstests. Je risikoreicher eine Investition, mit desto mehr Eigenkapital muss sie unterlegt werden. Die Risikodefinition ist eine andere, die Wirkung entspricht jedoch derjenigen der früheren expliziten Stresstests. Darüber hinaus definiert die europäische Versicherungsaufsicht EIOPA auch immer wieder im Bedarfsfall spezifische Stresstests, um die Stabilität der Branche bei besonderen Kapitalmarktszenarien auf den Prüfstand zu stellen. Ein anderes Marktsegment, in dem es immer wieder zu sich selbst verstärkenden Kursbewegungen aufgrund von Absicherungsaktivitäten kommt, ist der Markt für Hypothekenkredite. In einigen Ländern wie den USA und in Skandinavien haben die Hypothekenschuldner die Möglichkeit, ihre Darlehen vorzeitig zurückzuführen. Dies werden sie natürlich dann tun, wenn die Zinsen fallen. Sie nehmen ein Darlehen zu niedrigeren Zinsen auf und tilgen damit das bestehende Darlehen. Umgekehrt werden sie in einem Umfeld steigender Zinsen ihr bestehendes Darlehen mit den vergleichsweise günstig eingekauften Zinsen bedienen. Dies kann unmittelbaren Handlungsbedarf in den Hypothekenbanken auslösen. Im Fall sinkender Zinsen verringert sich das Zinsrisiko, im Fall steigender Zinsen steigt es an – und zwar stärker als bei einem normalen Darlehen/einer normalen Anleihe, just aufgrund der beschriebenen Optionalität auf Seiten des Hypothekenschuldners. Um dieses Zinsrisiko nicht offen zu lassen, sichern es die Treasurer ab. Die einfachste Möglichkeit ist, der an den Schuldner verkauften Option eine gekaufte Option gegenüber zu stellen, beispielsweise in Form einer Option auf einen Swap, einer Swaption. Viele Häuser bevorzugen es jedoch, diese Option zu replizieren. Da die Zinsbewegung alle Häuser in gleichem Maße trifft, werden diejenigen, die die Option dynamisch absichern, tendenziell gleich agieren und zyklisch-geballt am Markt in einer Richtung auftreten. Dadurch können Market Maker in ihrer Rolle als Gegenpartei mitunter an ihre Grenzen kommen und derartige Absicherungsaktionen voll auf den Markt durchschlagen (Patel 2003a). Es ist leicht ersichtlich, dass ein Kursrückgang am Markt in vielen (ge)wichtigen Marktsegmenten zu Verkaufsdruck führt. Dieser zieht weitere Verkäufe und damit fallende Kurse nach sich, weil bei weiteren Investoren Schwellenwerte überschritten werden, was wiederum Verkaufsdruck generiert. Und, je weiter der Markt fällt, desto weniger Marktteilnehmer sind willens oder in der Lage, als Käufer aufzutreten. Selbst wenn sie die Kurse für unglaublich attraktiv halten, ist ihnen ein Einstieg verwehrt. Da nun die weit überwiegende Mehrheit der Investoren auf der Verkäuferseite steht, während die Käuferseite des Marktes praktisch austrocknet, kommt es zu einem Versiegen der Liquidität. Massive Marktverwerfungen sind die Folge, selbst in Märkten, die in normalen Phasen liquide sind (Danielsson et al. 2002). Persaud (2003) hat hierfür den Begriff der Liquidity Black Holes geprägt. Im Verlauf der Subprime/Weltwirtschaftskrise im Jahr 2008 zeigte
192
3
Hedging
sich dieser Wirkungszusammenhang sehr eindrücklich. Und auch in den Folgejahren gab es immer wieder Episoden, in denen die Marktliquidität gleichsam in einem Schwarzen Loch verschwand. Dieses Problem wird potenziell dadurch verstärkt, dass immer stärker versucht wird, die Risiken in Handelsbüchern algorithmisch absichern zu lassen (Becker 2014). Das bedeutet, dass kein Händler sich um jeden Trade kümmert, sondern viele Absicherungen automatisiert ablaufen. Der Hedge-Vorgang wird dadurch natürlich erheblich schneller. Zudem kann so eine Vielzahl von Einflussfaktoren beachtet und in der Quotierung berücksichtigt werden. Beispielsweise mag ein Market Maker versuchen, für Positionen, die sein Risiko erhöhen würden, unattraktivere und für risikoentlastende Positionen attraktive Preise zu stellen. Entscheidend im Umgang mit „Robo Hedges“ ist, dass man merkt, wann sich Konstellationen am Markt aufbauen, die in dem programmierten Algorithmus nur unzureichend berücksichtigt sind und man besser beraten ist, den Autopiloten abzuschalten.
3.5 Praktische Probleme bei der Absicherung 3.5.1 Basisrisiko Wie in Abschn. 2.3.3.2 dargestellt, ist die Basis eines Future nur zum Fälligkeitszeitpunkt null. Davor unterliegt sie dem freien Spiel der Marktkräfte. Demzufolge kann es hier zu Bewertungsverzerrungen kommen, die durch Arbitrage-Transaktionen (Abschn. 4.1) ausgenutzt werden können und letztlich dafür sorgen, dass der Future sich wieder seinem fairen Wert annähert. Für einen Portfoliomanager, der eine Absicherung vor Fälligkeit des Kontrakts auflösen möchte oder muss, birgt die schwankende Basis das Risiko, dass sie sich zu seinen Ungunsten entwickelt und er einen Verlust generiert. Natürlich kann die Basis auch für ihn laufen. Allerdings ist der erwartete Nutzen einer Basisschwankung deshalb nicht null. Vielmehr dürfte der Ärger, Rechtfertigungszwang etc. bei einem Verlust das Wohlwollen bei einem zufälligen Gewinn deutlich übersteigen.
3.5.2
Veränderung der Cheapest-to-Deliver
Das Absicherungsgewicht eines Renten-Future ist abhängig von seinem Underlying. Dies ist zu jedem Zeitpunkt die jeweils aktuelle Cheapest-to-Deliver-Anleihe (CTD). Ein Problem für den Absichernden entsteht dann, wenn es zu einem Wechsel der CTD kommt. Dies kann entweder dann passieren, wenn es Änderungen im Korb der zulässigen Anleihen kommt, weil eine neue Anleihe emittiert wird, welche die Aufnahmekriterien des Korbes erfüllt und diese gleich zur CTD wird oder die CTD durch reinen Zeitablauf in den Korb hinein- oder herausfällt. Doch auch bei unverändertem Korb sind Wechsel in der CTD möglich. Einerseits können größere Anstiege und Rückgänge des allgemei-
3.5 Praktische Probleme bei der Absicherung
193
nen Zinsniveaus dazu führen, dass sich eine andere Anleihe als CTD herauskristallisiert. Andererseits können Veränderungen in der Zinsstrukturkurve wie Versteilerungen und Abflachungen dazu führen, dass die bisherige CTD durch eine günstigere Anleihe ersetzt wird (Abschn. 2.3.5.2). Das ist für den Portfoliomanager, der den Future zu diesem Zeitpunkt als Hedge verkauft hat, eine knifflige Situation. Die neue CTD hat eine andere Laufzeit und bringt so auch eine abweichende Duration auf die Waage. Wenn er mit den Kennzahlen der aktuellsten CTD seinen Hedge durchrechnet, wird er feststellen, dass er unter- oder übersichert ist. Durch eine längere Duration der CTD wären beispielsweise weniger Short Futures vonnöten, um das Zinsrisiko des abzusichernden Portfolios auszugleichen. Soll er demzufolge seinen Hedge anpassen und einen Teil der Short-Position eindecken? Das hängt von seiner Einschätzung der künftigen Entwicklung des Marktes ab. Wenn der Markt seinen Trend beibehält, wird die jetzige CTD wahrscheinlich ihren Status verteidigen. Kommt es zu einem Richtungswechsel, könnte ihre Vorgängerin wieder ihren alten Platz einnehmen. Darüber hinaus spielt es eine Rolle, welche Hedge-Ungenauigkeiten er sich erlauben kann. Schließlich ist er mit seiner Absicherung ja noch „relativ nah dran“, aber eben nicht perfekt austariert. Und eine Umschichtung hätte auch Transaktionskosten zur Folge, wenn auch zumeist in eher geringerem Ausmaß.
3.5.3 Nichtparallelverschiebung der Zinsstrukturkurve Die Absicherung, die über das relative Zinsänderungsrisiko von abzusichernder und absichernder Position gerechnet wurde, funktioniert nur dann, wenn sich die Zinsstrukturkurve entweder nahezu parallel verschiebt oder die beiden Positionen auf demselben Punkt der Kurve aufsetzen. Anders gesprochen wird es im Regelfall nicht funktionieren, eine zweijährige Position mit dem Bund Future abzusichern. Nur bei einer Parallelverschiebung an diesen beiden Punkten der Kurve wird der Hedge aufgehen. Da jedoch unterschiedliche Faktoren auf das kurze und das lange Ende der Kurve wirken, ist es durchaus wahrscheinlich, dass es zu Zinsveränderungen in unterschiedlicher Höhe kommt. Daher gilt als Faustregel, dass man eine Absicherung im Rentenbereich möglichst so aufsetzt, dass die Schwerpunkte von abzusicherndem Portfolio und Kontraktportfolio möglichst auf dem oder den gleichen Punkten der Zinsstrukturkurve liegen.
3.5.4 Round Lot Wenn man die Berechnung für die Anzahl benötigter Kontrakte durchführt, wird am Ende nur in den seltensten Fällen ein rundes, also ganzzahliges Ergebnis stehen. So hätte der Portfoliomanager aus unserem Beispiel in Abschn. 3.3.2.3 genau 730,39 DAX-Kontrakte verkaufen müssen, um sein Portfolio vollständig abzusichern. An der Börse sind jedoch nur ganze Kontrakte handelbar. Ein Portfoliomanager muss sich also für eine gerundete
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3
Hedging
Kontraktanzahl entscheiden. Rundet er die Anzahl der Kontrakte ab, ist er untersichert. Rundet er auf, hat er übersichert. Ob er sich für das Auf- oder Abrunden entscheidet, hängt letztlich von seiner Marktmeinung und den Anlagerestriktionen ab. Oftmals verwehren ihm Letztere eine Übersicherung, da damit eine (kleine) synthetische Short-Position aufgebaut wird, die in vielen Fällen nicht erwünscht ist. Sollte er diesbezüglich keinen Einschränkungen unterliegen, kann er bei einer sehr negativen Marktmeinung übersichern und so in geringem Maße von fallenden Kursen profitieren. Ist die negative Meinung nicht ganz so ausgeprägt, wird er im Zweifel abrunden und so ein geringes positives GesamtExposure offen lassen. Wie dem auch sei, wird sich allein schon aufgrund dieser Rundung am Ende des Sicherungshorizonts eine gewisse Abweichung vom idealtypischen Ergebnis ergeben. Anleger, die sich für maßgeschneiderte OTC-Kontrakte entscheiden, können das Problem der Round Lots umgehen, sehen sich aber mit anderen Herausforderungen konfrontiert (Abschn. 3.1.8). Bei der Absicherung mit Optionen wird die Entscheidung meist dadurch erleichtert, dass bei Abschluss der Sicherung ein Vermögensgegenstand gekauft und in der Regel (sofern es sich nicht um Optionen mit Futures-Style-Abrechnung handelt) auch sofort bezahlt werden muss. Wird die Sicherungsprämie aus dem Vermögen heraus bezahlt, rundet man die Anzahl an zu kaufenden Puts ab, um den zur Verfügung stehenden Geldbetrag nicht zu überziehen (Abschn. 3.3.2.5.1, siehe „Put-Prämie wird nicht nachgeschossen“). Wird die Optionsprämie jedoch zusätzlich zum bestehenden Wertpapiervermögen aufgebracht, die Absicherung also extern finanziert, hat man wiederum die Qual der Wahl, ob man sich einen Kontrakt mehr oder weniger leistet (Abschn. 3.3.2.5.1, siehe „Put-Prämie wird nachgeschossen“).
3.5.5 Cross Hedge Das Risiko, einen Kontrakt einzusetzen, dessen Underlying nicht eins zu eins dem abzusichernden Vermögensgegenstand entspricht, wurde bereits mehrfach angesprochen. Handelt es sich dabei um mehr als eine kleine Inkongruenz, die über die Berücksichtigung von Tracking Errors oder Betafaktoren eingefangen wird, spricht man von einem Cross Hedge. Dieser steht für die bewusste Entscheidung, das aus einem Marktsegment resultierende Risiko mit einem Kontrakt, der sich auf ein mehr oder weniger verwandtes Marktsegment bezieht, abzusichern. Oft wird dazu auch der Begriff Dirty Hedge verwendet. Dieser macht unmissverständlich klar, dass die Absicherung hier alles andere als „sauber“, im Sinne von „exakt“ erfolgt. Es ist natürlich grundsätzlich wünschenswert, einen Hedge so aufzubauen, dass er den Gefahrenpunkt in einem Portfolio möglichst präzise abdeckt. Oftmals ist dies jedoch nicht möglich, beispielsweise weil es auf das abzusichernde Portfolio keinen Kontrakt gibt. In anderen Fällen existiert zwar ein Derivat, dieses weist jedoch nicht die erforderliche Liquidität auf.
3.5 Praktische Probleme bei der Absicherung
195
In diesem Fall ist es erforderlich, den Risikozusammenhang zwischen dem abzusichernden Portfolio und dem Sicherungskontrakt bzw. seinem Underlying abzuschätzen. Das kann direkt über eine Regressionsanalyse erfolgen, wie in Abschn. 3.3.2.1 illustriert. Bei dieser „dreckigen Absicherung“ gilt es jedoch stets zu bedenken, dass das über die Regressionssteigung ermittelte Beta notorisch instabil ist (Committee of Inquiry 1988; King et al. 1994). Natürlich können neben der einfachen Regressionsanalyse auch komplexere Verfahren zum Einsatz kommen, die beispielsweise über Faktormodelle das Gesamtrisiko in einzelne Faktorrisiken zerlegen. Diese werden dann so ausgesteuert, dass den Faktorrisiken des abzusichernden Portfolios eine möglichst passgenaue Faktorrisikomischung mit umgekehrten Vorzeichen über entsprechende Kontrakte oder Kontraktmischungen gegenübergestellt wird. Solch ein Ansatz hat das Potenzial, das Risiko genauer zu erfassen, ist aber nicht vor den grundsätzlichen Ungenauigkeiten, die Regressionen innewohnen, gefeit. Ein Beispiel für eine rein korrelationsbasierte Absicherung ist der Hedge eines Aktienportfolios durch Volatilitäts-Futures. In Abschn. 3.3.2.4 wurde bereits darauf hingewiesen, dass diese Hedge Ratio in der Praxis im Laufe der Zeit schwankt und auch für starke Aktienmarktausschläge anders ausfällt als für geringe Rücksetzer. Diese Art der Absicherung ist daher mit einer ausgeprägten Unsicherheit behaftet und somit nicht geeignet, wenn es darauf ankommt, eine punktgenaue Absicherung aufzusetzen, die in jedem Fall funktionieren muss, beispielsweise im Falle von Absicherungen, auf die man als Absicherer eine Erfolgsgarantie ausspricht. Besonders brisant wird dieses Problem gerade dann, wenn eine gute Absicherung am dringendsten benötigt wird, nämlich im Crash-Fall. Schuld daran ist ein weithin beobachtbarer verstärkter Gleichlauf zwischen ansteigenden Volatilitäten und Korrelationen im Falle von Kapitalmarktturbulenzen (King und Wadhwani 1990; Solnik et al. 1996; Andersen et al. 1999). Diese können jegliche Berechnungen, die auf „durchschnittlichen“ Märkten beruhen, vollständig über den Haufen werfen. Im Crash-Fall wird das Gesamtrisiko vermutlich deutlich erhöht sein, weil sich mit den steigenden Volatilitäten die Korrelationen in Richtung eins bewegen und sich so die in ruhigen Marktphasen festzustellenden Diversifikationseffekte in Luft auflösen. Das mag sich selbstverständlich anhören, scheint es aber in der Praxis nicht zu sein. So waren beim (bislang) größten Unfall im HedgefondsBereich, dem Zusammenbruch von Long-Term Capital Management, einige „heroische Annahmen“ (Jorion 1999, S. 32) hinsichtlich der Stabilität von Volatilitäten und Korrelationen im Spiel. Höchstwahrscheinlich haben in der turbulenten Marktphase im Herbst 1998 auch noch andere Marktteilnehmer durch schiefgegangene Cross Hedges hohe Verluste eingefahren. Unbestätigten Gerüchten zufolge soll zum Beispiel die Deutsche Bank in ihrer Market Maker-Funktion im Bund Future Verluste bis zu einer Milliarde DM erlitten haben, als sich die Renditen zwischen den zur Absicherung herangezogenen Bund Futures und den abgesicherten (Nicht-Bund) Rentenbeständen deutlich auseinander bewegten (stk 1998).
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3
Hedging
Hintergrundinformation Die Herausforderungen eines Cross Hedge gibt es auch beim Long Hedge (Abschn. 3.2). In diesem Fall äußert sich das Problem darin, dass das Exposure, das man aufgebaut hat, nicht die gleiche Performance erwirtschaftet wie das Exposure im eigentlichen Ziel-Investment und man dadurch Opportunitätsverluste erleidet.
Absicherung des Kreditrisikos In den letzten Jahren hat das Kreditrisiko für Investoren an Bedeutung gewonnen, als Unternehmens- und Wandelanleihen in Europa immer mehr Interesse auf sich ziehen konnten. Diese Produkte unterliegen neben dem Zins- auch einem spürbaren Kreditrisiko. Dieses haben viele Marktteilnehmer, beispielsweise Hedge Fonds im Rahmen der Convertible Arbitrage, in der Vergangenheit über Asset oder Credit Default Swaps abgesichert. I Definition Ein Credit Default Swap (CDS) ist ein Vertrag, in dem der Sicherungsgeber dem Sicherungsnehmer das Kreditrisiko eines Investments abnimmt. Im Gegenzug erhält der Sicherungsgeber eine Versicherungsprämie. Kommt der Schuldner einer Anleihe also mit seiner Zinszahlung in Verzug, beantragt er Insolvenz oder kommt es zu einer Umstrukturierung der Schulden, erhält der Sicherungsnehmer vom Sicherungsgeber eine Entschädigungszahlung oder kann diesem die Anleihe zum Nominalwert verkaufen (Abb. 3.26). Als Alternative zum CDS hat sich ein besonders weitreichender Cross Hedge herausgebildet: der Einbau von Short-Aktienpositionen. Hier wird das Risiko in einer Asset-Klasse (Bonitätsrisiko bei Anleihen) über ein Derivat auf eine andere Asset-Klasse (Aktien) gesichert. Unternehmensanleiheportfolios weisen positive Aktienmarktbetas auf (Weinstein 1985), wobei die Betas mit schlechterer Anleihequalität steigen (Cornell und Green 1991). Neben einer Kombination aus Short Renten- und Short Aktien-Futures (Grieves 1986; Marcus und Ors 1996) bietet sich als Absicherung gegen Bonitätsrisiken der Kauf
Prämie
Abb. 3.26 Credit Default Swap Sicherungsgeber
Sicherungsnehmer Ggf. Kompensation
Asset
3.5 Praktische Probleme bei der Absicherung
197
von Aktien-Puts mit niedrigem Delta an: Meldet ein Unternehmen Konkurs an, wird es seine Anleihen nicht oder nur zu einem Teil bedienen. Der Aktienkurs wird in Richtung oder bis auf null fallen. Geschieht dies, kann der Put die Kursrückgänge der Anleihe auffangen. Hintergrundinformation Die Nachfrage nach Puts, die sich aus dieser Strategie ergibt, kann einer der Einflussfaktoren für die Entwicklung des Volatility Skew sein (Abschn. 7.2.6.1).
Um abzuschätzen, ob ein Put relativ zu einem Credit Default Swap die günstigere Absicherungsvariante darstellt, stellen Kassam und Grebnev (2002) folgende Gleichung auf: P.K; B; t; ¢K;B;t / D B t
CDS C P.K; B; t; ¢ATMF / 1R
(3.36)
mit P K B T ¢ CDS R ¢ ATMF
= Put-Preis = Kurs des Underlying = Basispreis der Option = Laufzeit der Option = Implizite Volatilität = Preis des Credit Default Swap = Recovery Rate („Wieviel bekommt der Anleiheinhaber bei Default vermutlich zurück“) = Implizite Volatilität at-the-money forward. Der Wert des Put wird auf der rechten Seite so adjustiert, dass ein No-Default Wert approximiert wird.
Aus dieser Gleichung lassen sich Kurven generieren, welche die faire implizite Volatilität eines Put im Vergleich zu einem Credit Default Swap für verschiedene Recovery Rates bestimmt. Aus der Gegenüberstellung der Kurven mit tatsächlich am Markt gehandelten impliziten Volatilitäten lassen sich günstige und teure Puts herausfinden (Abb. 3.27 aus dem Jahr 2002). Beim Vergleich von Credit Spreads oder CDS-Prämien mit der impliziten Volatilität von Optionen liegt natürlich die Überlegung nahe, ob nicht auch die direkte Investition in Volatilität ein geeigneter Hedge gegen Kreditrisiken sein könnte. In der Tat etablieren sich Käufe von Varianz-Swaps und Forward-starting Variance Swaps zunehmend als Absicherungen gegen bonitätsinduzierte Rückschläge von Unternehmensanleihen. Diese Instrumente werden in Abschn. 4.4.6.7 ff. beschrieben. Allen et al. (2005) sehen dabei einen leichten Vorteil für den Forward-starting Variance Swap. Insbesondere als General Motors in den 2000ern in schwere Kreditschwierigkeiten geriet, waren Varianz-Kontrakte oftmals Bausteine in „Arbitrage“-Geschäften auf die Kapitalstruktur des amerikanischen Autobauers.
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3 b
Recovery rate 0%
Cost of 3 years CDS offering equivalent protection (bps)
Cost of 3 years CDS offering equivalent protection (bps)
a 1000 900 800 700 600 500 400 300 200 100 0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
Implied volatility of 3-years 50% put
70%
80%
Hedging
Recovery rate 30% 1000 900 REP.MC
800 700 600
EAUG.PA
500 400
ERICb.ST CGEP.PA BAY.L FTE.PA FIA.MI CS.L
300 200
TIT.MI n.DS
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BATS.L IBE.MC 10%
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Implied volatility of 3-years 50% put
Abb. 3.27 CDS-Prämien versus implizite Aktienvolatilität. (Quelle: Kassam und Grebnev 2002)
3.5.6 Roll-over I
Tipp Dieser Abschnitt sollte zusammen mit den Ausführungen im Abschn. 3.1.7.2 betrachtet werden.
I Definition Liegt mindestens ein Verfallstag zwischen dem Sicherungstag und dem Absicherungshorizont, muss der bestehende Kontrakt in einen neuen, länger laufenden Kontrakt gerollt werden. Dadurch entstehen zunächst weitere Transaktionskosten in Form von Kontraktgebühren. Diese fallen bei Futures jedoch in der Praxis wenig ins Gewicht. Hinzu addieren sich noch Provisionen des Händlers. Muss man den Kontrakt jedoch einmal oder mehrmals überrollen, können sich diese Kostenkomponenten mit der Zeit durchaus bemerkbar machen. Darüber hinaus ist es entscheidend, wie sich die Basis des auslaufenden und neuen Kontrakts verhält. Da sich die Liquidität in vielen Futures in den fünf Handelstagen vor Verfall konzentriert, ergeben sich hier mitunter starke Preisverzerrungen, wenn die Mehrheit der Marktteilnehmer einseitig (meist long) positioniert ist. Im ungünstigen Fall könnten sich die Absicherungskosten deutlich erhöhen. Umgekehrt kann sich durch ein geschickt geplantes und umgesetztes Roll-over mitunter sogar ein Zusatzertrag generieren lassen. In allen großen Investment-Häusern werden die Spread-Bewegungen der Kontrakte mit Argusaugen beobachtet, um hier einen Vorteil zu erzielen. Im Laufe der Zeit hat sich herausgestellt, dass es in einigen Kontrakten immer wieder temporär auftretende Muster gab, deren systematische Ausnutzung jedoch durch Veränderungen der Muster nicht ganz unproblematisch war. Das liegt vor allem daran, dass bei diesem Geschäft eine Vielzahl unterschiedlicher Gruppen von Marktteilnehmern aufeinander treffen, die unterschiedliche Motive und Handlungshorizonte mitbringen.
3.5 Praktische Probleme bei der Absicherung
199
Den kürzesten Anlagehorizont weisen in der Regel die Arbitrageure auf. Sie unterscheiden sich auch insofern von den anderen Marktteilnehmern, als dass sie Anbieter von Liquidität sind, während die anderen für die Erfüllung ihrer Zwecke Liquidität in den Kontrakten nachfragen. Aus diesem Grund sind die Arbitrageure auch diejenigen, die am genauesten rechnen. Erst wenn sich die Bereitstellung von Liquidität für sie lohnt, die zu vereinnahmende Risikoprämie ihre Refinanzierungskosten weit genug übersteigt, um die mit der Position verbundenen Restrisiken in Form von Implementierungsproblemen überzukompensieren, werden sie in den Markt eintreten. Das macht sie auch zu sehr geduldigen Spielern, die warten können, bis sich eine für sie erfolgversprechende Konstellation herausbildet. Doch schon innerhalb dieser Gruppe kann es zu spürbaren Unterschieden in der Ausgangsposition kommen, was sich dann kumuliert in tendenziell engeren oder weiteren Kalender-Spreads ausdrücken kann. In erster Linie sind hier das zur Verfügung stehende Kapital zu nennen, das bestimmt, in welcher Größenordnung der Arbitrageur in den Markt einsteigen kann, und die Refinanzierungskosten. Vor der Finanzmarktkrise kreiste diese Frage relativ eng um Interbank Offered Rates wie LIBOR und EURIBOR und um Eurodollar-Sätze. Danach spreizte sich das Spektrum immer weiter auf. Insofern ist es nicht verwunderlich, wenn es nicht den einen fairen Wert gibt, sondern ein mehr oder weniger breites Preisband. Ein weiterer Faktor, der im internationalen Geschäft eine gewichtige Rolle spielen kann, ist die steuerliche Behandlung der Ergebnisse. Beispielsweise können unterschiedliche Steuerimplikationen für In- und Ausländer zu unterschiedlichen Schwellen führen, ab denen sich ein Trade rechnet (Abschn. 2.3.3 und 4.6.2.1.2). Je nachdem, wie hoch diese Unterschiede zwischen den Akteuren ausfallen und wie die Marktteilnehmerschaft sich unter diesen beiden Gruppen aufteilt, wird sich der Spread einengen oder ausweiten. Hinsichtlich seines (kurzen) Anlagehorizonts kommt der Spekulant dem Arbitrageur am nächsten. Das ist für ihn von Vorteil, da er als Liquiditätsnachfrager seiner Tätigkeit in den liquiden Kontrakten mit dem nächsten Verfallstermin nachgehen kann. Sonderformen des Spekulanten sind Marktteilnehmer, die als Market Maker in Optionen oder als Verantwortliche für ein Optionsbuch einer Bank ihre aus den Optionen resultierenden Risiken absichern müssen. Je nach Gamma-Position können aus diesen Sicherungsoperationen erhebliche Bewegungen kurz vor Verfall der Kontrakte resultieren, die auch die Kosten des Roll-over in starkem Maße beeinflussen können (vgl. hierzu die Themen „Pin Risk“ in Abschn. 6.2.3 und „Effekte bei Kontraktverfall“ in Abschn. 7.6.5.2). Den längsten Anlagehorizont bringt der Investor mit. Das ist insofern nachteilig für ihn, weil er für seinen Anlagehorizont keinen natürlichen Gegenpart hat, der ihn mit der nötigen Liquidität versorgen könnte. Von der „Liquiditätsquelle Arbitrageur“ ist er am weitesten entfernt. Daher bleibt ihm nur, entweder illiquidere, länger laufende Kontrakte zu handeln oder zu vergleichsweise ungünstigen Konditionen zu rollen. Der klassische Asset Manager hat in diesem arbitrage-nahen Geschäft einen kompetitiven Nachteil, muss er sich doch in der Regel Themen im Portfolio widmen, die weit größeren Einfluss auf sein Anlageergebnis haben als der Roll-over. Daher wird er vielleicht seine Positionen dann rollen, wenn er einerseits eine hohe Konfidenz hat, dass er
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Hedging
bis zum Verfall die Position nicht ohnehin noch einmal verändern muss, weil sich seine Markteinschätzung geändert hat. Andererseits wird er in diesem Fall die Abwägung treffen zwischen Kosten des Rolls, die oftmals früh in der Roll-Periode eher niedrig liegen, und dem Vorhandensein der erforderlichen Liquidität im Zielkontrakt, die erst kurz vor Verfall seinen Volumenbedürfnissen genügen mag. Oder aber er lagert diese Spezialistentätigkeit an einen separaten Handelstisch aus, der die Überwachung und Durchführung des optimalen Rolls für ihn in die Hand nimmt. Und auch in anderer Hinsicht gilt es für ihn, eine übergeordnete Abwägung zu treffen: Es mag sein, dass in einigen Kontrakten der preislich optimale Roll so erfolgen sollte, dass man sich der Monatskontrakte bedienen müsste. Dem gegenüber steht der operative Aufwand, sich zwölf Mal im Jahr um dieses Thema kümmern zu müssen. Daher mag es unter diesem Gesichtspunkt für ihn vorteilhafter sein, sich nur vier Mal im Jahr dieses Themas anzunehmen und quartalsweise die Derivateposition zu verlängern. Bei diesem Ansatz spart er sich auf alle Fälle acht Mal jährlich die expliziten Transaktionskosten. Eine Ausnahme im Bereich der Fondsmanager sind die Verwalter von Indexprodukten, die ihr Index-Exposure synthetisch abbilden (Abschn. 5.4, siehe „Synthetische Indexierung“). Diese können sich voll auf die geringen Handlungsspielräume konzentrieren, innerhalb derer sie ihre Arbeit besser oder schlechter verrichten können. Zu diesen Spielräumen gehört auch das Überrollen von Derivaten. Soll bei Optionen die Absicherung nach Fälligkeit der Erstsicherung fortgesetzt werden, stellt sich wiederum die Frage nach Laufzeit (Abschn. 3.1.7) und insbesondere Absicherungsniveau, also dem Basispreis der Option (Abschn. 3.1.5). Am sinnvollsten wird diese Aufgabenstellung gelöst, indem der Investor wiederum seine Markteinschätzung, die Risikotoleranz und die aktuellen Kosten gegeneinander abwägt. Da seit der ursprünglichen Implementierung der Absicherung Zeit ins Land gegangen ist, hat sich der Markt auf Basis neuer Informationen weiter bewegt, und die Vermögenssituation des Investors kann eine wesentlich andere geworden sein. Daher können sich die Anlageziele insgesamt ebenfalls verschoben haben. Auch die Absicherungsprämien können sich in mehr oder weniger großem Ausmaß verändert haben. Der Investor befindet sich also in der glücklichen Lage, auf Basis aller Informationen, die ihm zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung stehen, eine neue, marktnahe Entscheidung treffen zu können. Es gibt jedoch organisatorische Konstellationen, in denen ein solches Neu-Entscheiden nicht gewollt oder möglich ist. Dies ist häufig dann der Fall, wenn die Entscheidungsbefugnis auf Seiten des Anlegers bei einem Gremium liegt, das sich nur selten zur Diskussion und Entscheidungsfindung zusammenfindet. Optionsstrategien sind immer mit einer gewissen Komplexität verbunden, deren Verständnis auch ein gewisses Niveau an Finanzmarktfachwissen voraussetzt. Liegt die Entscheidungsbefugnis bei einem Gremium oder einer Einzelperson, die in ihrem Tagesgeschäft nur selten mit dieser Materie konfrontiert ist, entstehen bei jeder neuen Entscheidung mitunter hohe Rüstkosten, wenn die Entscheider sich jedes Mal wieder neu in die ihnen ferne Materie einarbeiten müssen. In dieser Konstellation bleibt als Notlösung, einmalig einen Grundsatzbeschluss zu fassen, wie bei Fälligkeit der Optionsposition weiter
3.5 Praktische Probleme bei der Absicherung
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verfahren werden soll. In diesem Fall stehen mindestens drei Grundformen des Roll-over der Option zur Verfügung: fester Basispreis, fester Prozentsatz, Karabinersicherung. Die einfachste Variante besteht darin, die neue Option einfach mit dem gleichen Basispreis zu versehen wie den ausgelaufenen Kontrakt (Fixed Strike). Dadurch wird ein bestimmtes Marktniveau gesichert. Ist der Markt seit Aufsetzen der Erstsicherung jedoch stark angestiegen, ist der alte Basispreis vielleicht so weit aus dem Geld, dass die Option anfänglich gar keine Absicherungswirkung mehr entfaltet. War die Ursprungssicherung bei einem DAX-Niveau von 5000 Punkten festgemacht, und ist der Index auf 7000 Punkte gestiegen, liegt das Sicherungsnetz nun fast 30 % tiefer. Damit würde das Portfolio zunächst ungebremst sehr weit fallen, bevor es letztlich aufgefangen würde. Die einstmals marktnahe Sicherung ist zu einer reinen Crash Protection „degeneriert“. Das kann durchaus gewollt sein, weil für einen Put weit aus dem Geld natürlich auch nur eine sehr geringe Absicherungsprämie fällig wird. Und ein Call tief im Geld verfügt über einen hohen Puffer an innerem Wert, während die Zeitprämie niedrig ausfallen wird. Allerdings stellt sich die Frage, ob die ursprüngliche Anlageidee, auf Basis derer die Absicherung eingegangen wurde, in einem derart veränderten Umfeld noch valide ist. Das gilt ebenso im umgekehrten Fall, wenn der Markt seit Erstsicherung stark an Wert eingebüßt hat. Alternativ kann man den Basispreis immer wieder auf einem bestimmten Prozentsatz über- oder unterhalb des aktuellen Marktniveaus fixieren (Fixed Percentage). Er könnte beispielsweise immer zehn Prozent aus dem Geld gelegt werden. Dadurch werden in einem steigenden Markt erzielte Kurszuwächse für die nächste Periode mitgesichert. Allerdings werden in einem fallenden Markt die Basispreise auch kontinuierlich nach unten angepasst, sodass im Laufe der Zeit ein immer geringerer Wert des Portfolios geschützt ist. Die Prämie ist im Vergleich zur ersten Variante wesentlich stabiler, da sie nicht über eine unterschiedlich hohe Moneyness schwankt, sondern lediglich von den Optionspreistreibern wie vor allem impliziter Volatilität und Zinsniveau abhängt. Die dritte Vorgehensweise ist eine Mischung aus den ersten beiden: Wenn das Portfolio an Wert gewonnen hat, zieht man den prozentual bestimmten Basispreis nach. Wurde kein neuer Höchststand erreicht, belässt man ihn dort, wo er auch bei der auslaufenden Option gelegen hat. So wird einerseits die Fallhöhe auf ein erträgliches Maß begrenzt. Andererseits wird auch das absolute Vermögen kontrolliert. Da dieses Vorgehen dem Setzen von Zwischensicherungen beim Klettern entspricht, spricht man hier häufig von Karabiner-, Cliquet- oder Ratchet-Sicherungen. Natürlich erweist sich keine dieser Varianten als die grundsätzlich Überlegene. Jede hat in spezifischen Wertentwicklungspfaden ihre Stärken, wird jedoch in anderen Pfaden von einer der Alternativen dominiert (Figlewski et al. 1993). Und wann ist nun der richtige Zeitpunkt zum Rollen von Optionen? Den perfekten Zeitpunkt könnte man allenfalls bestimmen, wenn es volle Transparenz darüber gäbe, welcher Marktteilnehmer in welcher Größenordnung wie positioniert ist oder sich zu positionieren beabsichtigt. Diese Transparenz gibt es natürlich nicht. Aber zumindest kann man sich mit ein wenig Recherche ein ungefähres Bild von der Marktstruktur machen. Der erste Blick gilt dabei dem Open Interest auf den einzelnen Basispreisen in Verbindung mit der Kurs-
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entwicklung des Marktes in der jüngeren Vergangenheit. Ergänzend dazu können Flow Analysen großer Investment-Banken wichtige Hinweise auf die Positionierung des Marktes geben. Sollte diese Analyse keine zwingende Handlungsweise in die eine oder andere Richtung nahelegen, könnten ein paar Daumenregeln helfen, die sich im Laufe der Jahre bei Optionshändlern herausgebildet haben: So tut man meist gut daran, Long-Positionen etwas eher zu rollen, so lange der sich zum Verfall hin stark beschleunigende Zeitwertverfall noch in Grenzen hält. Optionen, die sich in die richtige Richtung entwickelt haben, und im Geld handeln, sollte man ebenfalls früher anpacken, zumindest wenn man sie in einen marktkonformeren Basispreis zu rollen gedenkt, da die alte Option vergleichsweise wenig kostbares Gamma enthält. Wenn man Short-Positionen zu lange hält, darf man sich nicht beschweren, wenn einen zum Ende hin die Unannehmlichkeiten des Pin Risks ereilen (Abschn. 6.2.3 und „Pinning“ unter Abschn. 7.6.5.2).
3.5.7 Liquidität Derivategeschäfte sind wie die Hölle: Man kommt leicht rein, aber es ist fast unmöglich, wieder raus zu kommen (Warren Buffett).
Das Problem mit der Liquidität fängt schon bei der Definition an. Um festzulegen, welche Derivate auf welchem Weg abgewickelt werden müssen, wollte die europäische Aufsicht ESMA (European Securities and Markets Authority) die Unterscheidung entsprechend der Liquidität der Instrumente treffen. In einem fürwahr skurrilen Entwurf hatte sie vorgeschlagen, alle Instrumente die einmal alle paar Tage gehandelt werden, als liquide (sic) einzustufen und sie damit umfangreicheren Transparenzvorschriften zu unterwerfen (Osborn 2014b). Die Anbieterorganisation ISDA (International Swap and Derivatives Association) hielt dagegen, dass Derivate mindestens 15 bis 40 Mal täglich gehandelt werden müssten, um sie als liquide zu bezeichnen. Die Positionen, wann ein Kontrakt als liquide gilt, liegen also recht weiter auseinander. Grundvoraussetzung für das Vorhandensein von Liquidität ist zunächst einmal, dass es einen Markt gibt, auf dem sich Käufer und Verkäufer treffen können. Das hört sich selbstverständlich an, ist es aber selbst in hochentwickelten Märkten nicht. Abgesehen von den Zeiten, in denen die Börsen regulär geschlossen sind, kommt es auch während der Handelszeiten immer wieder zu ungeplanten Handelsunterbrechungen. Allein im Oktober 2011 kam es an der EUREX zu drei Handelsunterbrechungen, die sich zwischen 22 und 100 Minuten hinzogen. Insgesamt war der Handel in diesem Monat über mehr als drei Stunden lahmgelegt. Auch das elektronische Handelssystem der Deutschen Börse, Xetra, hat hin und wieder Aussetzer, wie am 8. Mai 2012 (Mohr 2012) und, besonders schwerwiegend, weil 97 Minuten dauernd, am 31. Oktober 2014.
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Bei elektronischen Börsen steht dies häufig im Zusammenhang mit Änderungen in der Software. Es treten jedoch immer wieder auch physische Probleme wie Bombendrohungen auf den Plan, bei denen die Handelssäle geräumt werden müssen und die zu langwierigen Handelsunterbrechungen führen können. Und natürlich ereignen sich derlei Problemen an allen Börsen dieser Welt: 2013 war die Nasdaq drei Stunden lang außer Gefecht, im Januar 2014 traf es dort den Optionshandel für eine halbe Stunde, und im Sommer 2015 blockierte ein EDV-Problem vier Stunden lang den Handel an der New York Stock Exchange. Nur zwei Wochen später war dann die Eurex wieder an der Reihe: Am 20. Juli 2015 verzögerte sich der Derivatehandel je nach Instrument zwischen 105 und 150 Minuten. Und auch am 22. Februar 2016 stand der Handel für eineinhalb Stunden still. Grund hierfür waren jeweils „technische Probleme“. Es ist vermutlich nicht zu weit hergeholt, wenn man befürchten muss, dass derartige „EDV-Probleme“ in Zukunft auch einmal von außen kommen können. Bislang wurde stets bestritten, dass eine der bisherigen Handelsunterbrechungen auf einen Hacker-Angriff zurückzuführen war. Dieses Problem beschränkt sich nicht nur auf die Börse selbst, sondern auch auf den Verbindungskanal zwischen Börse und Anleger, die Kursinformationssysteme. Es ist schwierig, ein Risiko auszusteuern, wenn man nicht weiß, wo der Markt steht, ob sich derzeit ein Risiko materialisiert, wo die Kurse der Absicherungsinstrumente stehen und ob hinter diesen Kursen auch Liquidität steht. Derartige Vorfälle ereignen sich derzeit Gott sei Dank nicht allzu häufig, aber doch immer wieder, wie beispielsweise die Probleme von Bloomberg mit Preisinformationen von der Eurex am 3. November 2015 demonstrieren. Aber auch bei geöffneten Märkten ist mangelnde Liquidität nicht nur ein Problem für institutionelle Investoren mit sehr großen Portefeuilles. Einige Risiken können schon in kleineren Größenordnungen nur schwer preisgünstig abgesichert werden. Ob ein Asset mit einem liquiden Kontrakt abgesichert werden kann, hängt vor allem von der Liquidität des Underlying ab. Nur bei wenigen Absicherungsgeschäften findet sich ein Gegenüber, der ein realwirtschaftliches Asset gegen seinen Kontrakt stehen hat. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle werden die Absicherungsgeschäfte mit Intermediären abgeschlossen, die sich ihrerseits ebenfalls wieder absichern müssen, da sie nicht willens oder in der Lage sind, das übernommene Risiko auf den Büchern zu behalten. Letzten Endes bleibt einem Glied in dieser Absicherungskette nur die Möglichkeit, seiner Derivateposition eine gegenläufige Position im Underlying entgegenzustellen, falls die Position nicht spekulativ offen auf dem Buch bleiben soll. Weist dieses Underlying nur eine geringe Liquidität auf, erschwert und verteuert dies seine Absicherungsmaßnahme. Besonders unvorteilhaft ist, dass auf Illiquidität im Underlying beruhende HedgingEinschränkungen zu einer asymmetrischen Renditeverteilung führen können, in der die Verlustseite größeres Gewicht bekommt [Jeffery 2003a, S. 26; Smith (2000) zeigt dies am Beispiel eines delta-gehedgeten Optionsportfolios]. Ist ein Investor bereit, ein illiquides Asset zu halten, lässt er sich dafür in Form einer Prämie entschädigen. Deren Höhe ist abhängig davon, wie er die Bonität seines Gegenüber einschätzt: Inwieweit ist dieser zahlungsfähig und -willig? Am wichtigsten ist dabei die Einschätzung zur Kapitalisierung des Risikonehmers, also seiner Fähigkeit, die poten-
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ziell eintretenden Verluste zu absorbieren. Die so abgeschätzten Liquiditätsprämien fallen dann beim Absicherer als Kosten an. Till (2003) fasst hierzu Studien aus dem Bereich der Alternative Investments zusammen. Die Überlegungen hinsichtlich Optionsreplikation/-Hedging von Black und Scholes gehen von dem Vorhandensein eines grundsätzlich liquiden Handels aus. Die Realität an den Finanzmärkten ist jedoch eine andere: Viele Märkte sind nicht oder nur zeitweilig liquide. In den entwickelten Märkten sind börsengehandelte Derivate eher liquide, wobei es auch hier ein starkes Gefälle gibt. Auf der einen Seite stehen hochliquide BenchmarkProdukte, die auch von internationalen Marktteilnehmern herangezogen werden. Beispiele hierfür sind der EuroSTOXX 50-Future auf der Aktien- und der Bund Future auf der Rentenseite. Doch auch hier existieren durchaus Bereiche, in denen die Liquidität zumindest nicht zu jedem Zeitpunkt institutionellen Anforderungen genügt. 2014 machten Futures und Optionen auf den Euro STOXX 50 fast die Hälfte der an der Eurex und Intercontinental Exchange gehandelten Aktienkontrakte aus. Und auch wenn sich in den Euro STOXX 50-Optionen insgesamt eine Menge Liquidität versammelt, bedeutet das nicht, dass deshalb all diese Optionen liquide wären. Denn sie verteilt sich über die vorhandenen Laufzeiten und Basispreise. Bei Optionen am Geld auf den nächsten Verfallstermin können auch große Tickets gehandelt werden. Allerdings werden Optionen immer illiquider je länger deren Restlaufzeit ist und je weiter sie vom Geld entfernt sind. Beispiel
Zum Beispiel hat am Freitag, den 13. Februar 2015, ein einzelner Marktteilnehmer Calls auf den Euro STOXX 50 mit Basis 3525 im Nominalvolumen von rund 3,6 Mrd. C gekauft. Am Montag, den 16. Februar 2015, erwarb ein Asset Manager 3050er Calls für nominal 1,1 Mrd. C. Die letztgenannte Transaktion war vom Markt auch deshalb problemlos zu verkraften, weil die Optionsposition eine Future-Position ersetzte, der Asset Manager dem Markt also auf beiden Marktseiten Liquidität zur Verfügung stellte. Und auch zeitlich gibt es Phasen ausgesprochener Illiquidität. Zwar ist es schwierig, über die unterschiedlichen Börsen mit unterschiedlichen Handelsusancen hinweg allgemeingültige Aussagen zu treffen, aber tendenziell scheint es so zu sein, dass die Liquidität zu Handelsbeginn relativ hoch ist. Zunächst einmal hat sich aufgrund der über Nacht eingelaufenen neuen Informationen bei vielen Marktteilnehmern Handlungsbedarf aufgebaut. Zum anderen ist es üblich, dieses aufgestaute Ordervolumen in einer Eröffnungsauktion zu bündeln. Allerdings geht die Eröffnung oft mit vergleichsweise weiten Spreads und einer hohen Volatilität einher. Im Laufe des Vormittags geht die Liquidität zurück und erreicht um die Mittagszeit ihren Tiefpunkt (Mussavian 2001b). Gleichzeitig ist die Volatilität rückläufig. Am Nachmittag kommt dann wieder Leben in den Markt und zwar in zweierlei Hinsicht. Einerseits durch die dann oftmals anstehenden Veröffentlichungen von volkswirtschaftlichen Daten, die Neupositionierungen von Investoren bewirken können und so zu verstärkten Handelsaktivitäten und vermehrter Volatilität führen. Andererseits nimmt die Liquidität mit der Öffnung der US-amerikanischen Märkte
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deutlich zu. In der Schlussauktion ziehen die Umsätze, meist nochmals an, um dann im Späthandel neue Tiefstpunkte zu markieren. Sollte man in den illiquiden Zeitfenstern Anpassungsbedarf im Derivateportfolio haben, gilt es sorgfältig zwischen der sofortigen Implementierung und dem damit verbundenen Illiquiditätsrisiko einerseits und der Verschiebung der Order unter Inkaufnahme des Risikos, dass einem die Preise davonlaufen, abzuwägen. In aller Regel tut man sich mit dem Zuwarten am Morgen leichter, wenn man davon ausgehen kann, dass die Liquidität im Laufe des Nachmittags in die Märkte zurückkehrt. Am Abend hingegen bedingt ein Verschieben, dass man die Position über Nacht offen lassen muss. Da die Finanzwelt nicht stillsteht, ist es nicht unwahrscheinlich, dass in dieser Zeit neue kursbildende Nachrichten bekannt werden, die die offene Position sowohl positiv als auch negativ bewegen können. Da viele Marktteilnehmer dieses Risiko nicht eingehen wollen, steigen in den Schlussauktionen die Volumina auch wieder an. Je nach Marktusance bleibt das Volumen in diesem äußersten Ende des Späthandels jedoch absolut gering, sodass teilweise bereits kleinere Orders geeignet sind, den Markt zu verzerren (Abschn. 6.3.1). Im Rahmen der Abwägung „Für und Wider Halten der Übernachtposition“ sollte man jedoch auch in Betracht ziehen, auf einen anderen Markt in einer anderen Zeitzone auszuweichen, in dem die Liquidität zu diesem Zeitpunkt noch „im Saft steht“. Idealerweise kann man dort genau den gleichen Kontrakt handeln, weil er an mehreren Börsen notiert ist. Oder man kann auf einen Alternativkontrakt ausweichen, der mit dem Wunschkontrakt hoch korreliert ist. Ob dies Sin macht, kann nicht pauschal beantwortet werden, da es vom Grad der Illiquidität und der Höhe der zu diesem Zeitpunkt herrschenden Korrelation abhängt. Je weiter man sich Nebenmärkten und Marktnischen nähert, desto dünner wird die Liquidität. Gerade in diesen Bereichen ist sie in außergewöhnlichen Marktphasen schnell versiegt (Warburg Dillon Read Research 1998): Aufgrund der Achterbahnfahrt der Aktienkurse wurde die Soffex diese Woche zum Nebenschauplatz degradiert. Händler, die einen Blick auf ihre Bildschirme riskierten, bekamen das Gefühl, allein zu sein. Tief und schwarz gähnte ihnen die Leere entgegen.
Auch außerbörsliche Kontrakte weisen die Tendenz auf, relativ schnell illiquide zu werden (Das 2001c): Händler von Aktienderivaten sagten, niemand sei willig, ein Angebot im Over-the-counterOptionsmarkt zu zeigen (Laita 1999).
Besonders problematisch ist die oligopolistische Struktur in diesem Bereich. Zeitweise hielten die zehn größten Marktteilnehmer deutlich über 90 % aller Derivate im Bankenmarkt (Ferry 2003). Selbst der ehemalige US-Notenbankvorsitzende Alan Greenspan, der Derivaten grundsätzlich positiv gegenüberstand, zeigte sich angesichts dieser Konzentration besorgt (Jeffery 2003a, S. 26): Das gibt mir und anderen zu denken.
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Deutlich schwieriger ist die Situation in sich entwickelnden Märkten. Sofern hier überhaupt ein Angebot an Derivaten besteht, weisen diese meist nur eine eingeschränkte Liquidität auf. Sicherlich verbessert sich diese mit zunehmendem Entwicklungsstadium, allerdings bleibt sie in der Regel deutlich hinter der Absicherungsnachfrage gerade in volatilen Marktphasen zurück. Für den verbesserten Umgang mit einer eingeschränkten Liquidität ist es sinnvoll, zwischen zwei Arten von Liquidität zu unterscheiden (Bangia et al. 1999): a. Endogene Liquidität: Die „hausgemachte“ Liquidität einer Position, indem die Größe der Risikoposition in ein vernünftiges Verhältnis zur Marktliquidität gesetzt wird. Diese ist zunächst durch den Portfoliomanager kontrollierbar. b. Exogene Liquidität: Die Liquidität, die der Markt als Ganzes zur Verfügung stellt. Herausforderungen erwachsen daraus, dass sich die Bedingungen am Markt und die Höhe der Liquidität sprunghaft verändern können, sodass die endogene Liquidität einer Position am Ende doch wieder falsch, also zu groß, bemessen sein kann. Problematisch erscheinen in diesem Zusammenhang prozyklische Marktteilnehmer (Positive Feedback Traders), die auf bestehende Richtungstendenzen aufspringen und sie dadurch verstärken (Committee on the Global Financial System 2000; Abschn. 3.4.5). Das Liquiditätsrisiko darf nicht erst auf Ebene des Hedge-Instruments adressiert werden. Um potenzielle Illiquidität bei der Absicherung zu berücksichtigen, empfiehlt es sich, generell vorsichtig auf die abzusichernde Position zu sehen. Das beginnt damit, dass man schon beim Eingehen der Position darauf achtet, dass diese im Vergleich zur Marktliquidität überschaubar bleibt. Diese Betrachtung sollte um die Betrachtung von Stressszenarien ergänzt werden. Hinsichtlich der Bewertung sollte man große Positionen von vorneherein mindestens auf der Geldseite bewerten. Im Rahmen einer Value at Risk-Betrachtung ist sicherzustellen, dass die verwendete Haltedauer nicht kürzer ist als die realistische Zeitspanne, die zum Abbau der Position benötigt wird (Das 2001c). Auch macht es Sinn, sich bei zentralen Positionen immer wieder zu informieren, wie hoch die voraussichtlichen Absicherungskosten sind. Dabei ist es sachgerecht, in der Berechnung der zu investierenden Optionsprämie eine implizite Volatilität anzusetzenden, wie man sie typischerweise in einem Stressszenario am Markt vorfindet. Verwendet man hingegen eine historisch durchschnittliche implizite Volatilität, läuft man Gefahr, die Absicherungskosten zu unterschätzen. Darüber hinaus macht es Sinn, modifizierte BlackScholes-Optionsbewertungsformeln zu verwenden, die explizit Liquiditätskosten in die Berechnung mit einbeziehen (zum Beispiel Krakovsky 1999). Ein weiteres Hedging-Problem, das kurz unter dem Stichwort „Liquidität“ angesprochen werden soll, ergibt sich aus dem Margining-System. Der Hedger muss seine Liquidität so planen, dass er im Falle, dass der Future steigt anstatt zu fallen, flüssig genug ist, um anfallende Margin-Verbindlichkeiten problemlos bezahlen zu können (Abschn. 6.6). Anderenfalls läuft er Gefahr, dass seine Positionen zwangsliquidiert werden.
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Die Erfordernis, jederzeit liquide sein zu müssen, kann dazu führen, dass im Extremfall Teile des abgesicherten Portfolios verkauft werden müssen, um die benötigte Kasse bereitzustellen. Bereits das einfache Durchspielen von Szenarien kann ein gutes Gefühl dafür bringen, wo die Absicherung diesbezüglich an ihre Grenzen stoßen könnte. Trotz dieser Herausforderungen bieten Derivate insgesamt einen deutlichen Liquiditätsvorteil gegenüber den Underlyings (Abschn. 2.1). Oder, um es von der anderen Seite aus zu betrachten: Schwierigkeiten im Bereich der Liquidität sind in vielen Teilen des Kassamarktes noch deutlich ausgeprägter, was wiederum einem weiteren Absicherungsproblem Vorschub leistet: Selbst wenn der Derivatemarkt ordnungsgemäß funktioniert, kann die Absicherungswirkung gestört sein, wenn sich Kassa- und Derivatemarkt zeitlich entkoppeln (Abschn. 6.3). Dies kann selbstverständlich auch zugunsten der Absicherung laufen. In der Tat gab es in der Vergangenheit des Öfteren Marktphasen, in denen die liquiden Derivate während eines Kurssturzes schon tiefer standen, während der illiquidere Kassamarkt gar nicht so schnell „hinterherfallen“ konnte. Es ist aber zweifelhaft, ob es gelingt, tatsächlich mit größeren Volumina gleichzeitig zu höheren Kursen aus der Kassaposition und zu tieferen Kursen aus dem Derivat auszusteigen. Im Hinblick auf Murphy’s Law sollte man sich diesbezüglich keine unrealistisch großen Hoffnungen machen. Fazit
Das wichtigste Einsatzgebiet von Derivaten ist die Absicherung gegen Kursverluste. Am Ende steht die Antwort auf die Frage, wie viele Kontrakte man zu diesem Zweck kaufen oder verkaufen muss. Dem gehen eine ganze Menge Fragen, etwas Rechenarbeit und eine Desillusionierung voraus. Der wichtigste und schwierigste Schritt beim Aufsetzen einer Absicherungsposition besteht darin, sich in vielerlei Hinsicht für den passenden Hedge zu entscheiden: Auf welchen Zeitpunkt oder über welchen Zeitraum? Auf welchem Niveau? Symmetrisch oder asymmetrisch? Statisch oder dynamisch – und vieles mehr. Jede dieser Entscheidungen setzt ein spezifisches Kapitalmarktweltbild bzw. Prognosen und ein Abwägen zwischen den Vor- und Nachteilen der jeweils zur Verfügung stehenden Alternativen voraus. Der einfachste Teil ist die Berechnung der erforderlichen Kontraktanzahl. Über allem schwebt die große Desillusionierung: Man muss sich stets bewusst sein, dass auch bei einem noch so professionellem Vorgehen ein perfekter Hedge entweder nur in den trivialsten Absicherungssituationen oder durch puren Zufall gelingt. Der Weg zum Hedge ist gepflastert mit Annahmen, jeder Menge Nachteilen der einzelnen Absicherungsvarianten und praktischen Problemen, die man in vielen Fällen abmildern, aber nicht vollständig entschärfen kann. Es ist eher unwahrscheinlich, dass sich, wenn am Ende abgerechnet wird, jede getroffene Annahme am realen Kapitalmarkt eingestellt und kein einziger der in Kauf genommenen Nachteile und praktischen Fallstricke materialisiert hat.
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Derivate zur Optimierung der Performance
Derivate bieten nicht nur die Möglichkeit, Risiken im Portfolio zu reduzieren und zu eliminieren. Sie erschließen dem Portfoliomanager auch neue Möglichkeiten zur Verbesserung der Performance. Entweder gelingt es mit Derivaten, bestehende Performance-Quellen besser auszuschöpfen, oder es ergeben sich Möglichkeiten zur Erzielung von Zusatzerträgen, die überhaupt nur mittels des Einsatzes von Derivaten ausgenutzt werden können. Im Folgenden werden fünf Ansatzpunkte zur Optimierung der Performance über den Einsatz von Derivaten dargestellt: 1. 2. 3. 4. 5.
4.1
Arbitrage Schreiben von Optionen Richtungshandel von Markt und Volatilität Kostensenkung Verbesserung der Nachsteuerrendite
Arbitrage
Generell eröffnet der Einsatz von Derivaten dem Portfoliomanager eine neue potenzielle Ertragsquelle, nämlich I Definition Arbitrage: das Ausnutzen von Preisunterschieden zwischen Assets oder Asset-Kombinationen, die einen identischen Zahlungsstrom generieren. Unabhängig davon, ob ein Manager nun versucht, die preislichen Differenzen zwischen identischen Terminkontrakten, die an verschiedenen Börsen notieren (Abschn. 4.3.3.3, Stichwort „Inter Market Spread“) oder die Beziehung zwischen Underlying und Derivat bzw. Future und Option auszuarbitrieren, sieht er sich immer einer Heerschar von © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017 T. Bossert, Derivate im Portfoliomanagement, https://doi.org/10.1007/978-3-658-17574-0_4
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Derivate zur Optimierung der Performance
Handels- und Arbitrage-Tischen sowie Hedgefonds gegenüber, die sich zum Teil ausschließlich auf diese Ertragsquelle konzentrieren. Dieser natürliche Wettbewerbsnachteil und die Berücksichtigung von Aufwands- und Ertragsgesichtspunkten führen dazu, dass die Performance-Optimierung durch Arbitrage im Portfoliomanagement in der Breite keine nennenswerte Rolle spielt. Nichtsdestotrotz ist Arbitrage im Rahmen eines entsprechenden Investmentprozesses, der durch eine passende Struktur untermauert ist, durchaus möglich. Unbedingt abzugrenzen von der „echten“ Arbitrage ist die statistische Arbitrage. Hier wird über den Begriff der Arbitrage eine Sicherheit suggeriert, die so nicht gegeben ist. Die statistische Arbitrage beruht nicht darauf, dass zwei praktisch gleiche Assets, die gleiche Zahlungsströme generieren, unterschiedlich bewertet werden und so durch eine entsprechende Position ein risikoloser Ertrag generiert werden kann. Vielmehr werden hier zwei verschiedene Assets, deren Renditeentwicklungen in der Vergangenheit stabile statistische Zusammenhänge aufwiesen, gegeneinander gespielt. Problematisch daran ist, dass auch Zusammenhänge, die über lange Zeiträume hinweg stabil bleiben, eines Tages zusammenbrechen können. Dabei genügt es bereits, wenn die Zusammenhänge nur temporär außer Kraft gesetzt werden, um massive Verluste einzufahren. Prominentestes Beispiel dafür ist sicherlich der Hedgefonds Long-Term Capital Management (LTCM), der mit seinen fehlgeschlagenen Strategien 1998 die Weltfinanzmärkte an den Rand des Zusammenbruchs brachte (Dunbar 2000).
4.1.1 Ausnutzung von Abweichungen vom Fair Value In den vorangegangenen Kapiteln wurde dargestellt, wie Optionen und Futures bewertet werden. Zentral sind jeweils Arbitrage-Beziehungen, bei denen man den Derivaten andere Positionen gegenüberstellt, die das gleiche Auszahlungsprofil ergeben. Da gleiche Auszahlungsprofile auch den gleichen Preis haben müssen, stehen die Derivate in engem preislichen Zusammenhang mit diesen Alternativgeschäften. Liegen die Preise der Alternativgeschäfte und des entsprechenden Derivats zu weit auseinander, lohnt es sich, das billigere zu kaufen und das teurere zu verkaufen, um so einen risikolosen Gewinn zu erzielen. Ist das Underlying relativ zum Future zu billig, wird es ge- und der Future verkauft. Man spricht in diesem Zusammenhang von einer Cash and Carry Arbitrage. Im umgekehrten Fall nimmt man eine Reverse Cash and Carry Arbitrage vor, wenn der Future relativ zum Underlying unterbewertet erscheint. Dann wird der Future gekauft und das Underlying leer verkauft. Beispiel
Der DAX steht bei 7000 Punkten. Der Dreimonatssatz am Geldmarkt beträgt ein Prozent. Der faire Wert eines DAX-Future mit Fälligkeit in drei Monaten beträgt also 7017,5 (7000 C 7000 0,01 3 / 12). Der am Markt gehandelte Preis des Future liegt aber bei 7025.
4.1 Arbitrage
217
Alternativ kann man die Möglichkeit zur Arbitrage über die Implied Repo Rate (IRR; impliziter Pensionssatz) ausloten. Die IRR gibt die Rendite p. a. an, die man erzielt, wenn man das Underlying kauft, es über den Future absichert und bei Fälligkeit in den Future liefert. Übersteigt diese Rendite den Zinssatz, zu dem man sich für den Kauf des Underlying verschulden könnte, ergibt sich eine Arbitrage-Möglichkeit. In unserem Fall könnte man durch ein solches Geschäft eine Rendite von 1,43 % erzielen. Somit käme man (vor Transaktionskosten) auf einen annualisierten, praktisch risikolosen Mehrertrag von 0,43 %. Wie man es auch rechnet, der Kontrakt ist zu teuer: Ein klarer Fall für eine Cash and Carry Arbitrage, sofern die Transaktionskosten 7,5 Indexpunkte nicht übersteigen. Der Arbitrageur kauft also das relativ unterbewertete Aktienportfolio der DAX-Komponenten in der richtigen Mischung (oder ein Indexinstrument wie einen Indexfonds oder ein Indexzertifikat) und verkauft den relativ überbewerteten Future. Arbitrage-Möglichkeiten wurden bereits früh für verschiedene Märkte gut dokumentiert, zum Beispiel durch Yadav und Pope (1990) für Arbitrage Möglichkeiten in UK, Brenner et al. (1989) für Japan, Figlewski (1984) für Fehlbewertungen in den USA sowie Bühler und Kempf (1995) für den DAX. Für den Bund Future ergaben sich zeitweise Abweichungen vom fairen Wert in einer Spanne von 55 Basispunkten Über- und mehr als 80 Basispunkten Unterbewertung in einzelnen Kontrakten (Diwald 1994). Auch für den DAX lassen sich immer wieder kurze Gelegenheitsfenster feststellen. Beispielsweise notierte der DAX-Future im ersten Quartal 1991 längere Zeit rund fünf Punkte unter seinem fairen Wert. Doch auch in jüngerer Zeit sind Arbitrage-Gelegenheiten, insbesondere kurz vor Verfall, wenn viele Marktteilnehmer ihre Kontrakte weiterrollen, auch und gerade in sehr liquiden Aktienindex-Future-Märkten sichtbar (DAWM 2015). Es ist heutzutage vermutlich unmöglich zu sagen, welches Volumen an den Derivatemärkten auf Arbitrage-Geschäfte entfällt, da mittlerweile Hochfrequenzhändler die Volumina prägen. Aus den Zeiten vor den High Frequency Traders kursierten Schätzungen im mittleren zweistelligen Prozentbereich. De Santos (1995) beispielsweise schätzte rund 30 % des Open Interest im FT-SE 100 Future als arbitrage-bedingt ein. Möglichkeiten zur Arbitrage ergeben sich vor allem aber auch deshalb, weil es nur theoretisch einen einzigen fairen Wert für ein Derivat gibt (Hull und White 2014): Es gibt und gab sicherlich keinen einzigen risikoneutralen Maßstab für alle Marktteilnehmer.
In der Praxis beteiligt sich eine Vielzahl unterschiedlicher Investorengruppen an den Finanzmärkten. Diese bringen unterschiedliche Rahmenbedingungen mit, beispielsweise hinsichtlich: Schnelligkeit des Marktzugangs Dieser kompetitive Vorteil ist mittlerweile zu einem entscheidenden und daher auch hart umkämpften geworden, in dem schon der millionste Bruchteil einer Sekunde über Erfolg
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Derivate zur Optimierung der Performance
und Misserfolg entscheiden kann (Schulz 2011). Welche Ressourcen spezialisierte Hochfrequenz-Händler aktivieren, um sich derartige Wettbewerbsvorteile zu sichern, beschreibt Lewis (2014) (wie immer) sehr anschaulich und unterhaltsam. Hintergrundinformation Das in Lewis’ Buch vor allem beschriebene Front-Running ist aufgrund einer anderen Marktarchitektur in Deutschland kaum möglich (Deutsche Bundesbank 2016).
Transaktionskosten Je niedriger die Transaktionskosten, desto kleiner kann die Abweichung vom theoretischen Wert sein, ab der es für den Arbitrageur rentabel ist, eine Position aufzusetzen. Allein daran zeigt sich, dass ein Marktteilnehmer, der nur über einen oder gar mehrere, hintereinander agierende Intermediäre Zugang zum Markt hat, ceteris paribus in einer denkbar schlechten Ausgangsposition für erfolgreiche Arbitrage-Geschäfte ist. Unter die Transaktionskosten fallen nicht nur die offensichtlichen Handelsgebühren, sondern beispielsweise auch Kosten und Erträge im Zusammenhang mit einer etwaigen Wertpapierleihe oder Sicherheitenstellung. So macht es einen großen Unterschied, welches Pfand der Leihgeber bekommt und wie hoch sich dieses verzinst – falls es überhaupt verzinst wird. Margin Margin-Kosten in unterschiedlicher Höhe können ebenfalls für ungleiche Handelsbedingungen sorgen. Marktteilnehmer mit direktem Börsenzugang leisten nur die von der Börse festgesetzte Margin. Marktfernere Teilnehmer können jedoch unter zusätzlichen MarginLeistungen, die der eingeschaltete Intermediär fordert, leiden. Selbst bei gleicher Marktnähe können Derivatenutzer dennoch unterschiedliche Kostenstrukturen aufweisen, beispielsweise in Abhängigkeit vom verwendeten Clearing-Modell und dem Umgang mit gestellten Sicherheiten (Benda und Sturm 2014). Steuern An den Märkten sind viele Investorengruppen aktiv, bei denen Gewinne und Verluste auf den Kassa- und Derivatemärkten unterschiedlich besteuert sein können. Beispielsweise treffen institutionelle auf Privatanleger, regulär besteuerte Investoren auf steuerbefreite, Inländer auf Ausländer usw. (Abschn. 2.3.3 und 4.6.1.2). Für jeden Anleger ergibt sich in der Nachsteuerbetrachtung ein anderer Punkt, ab dem sich ein Arbitrage-Geschäft rechnen kann. International agierende und flexible Investoren sind dabei im Vorteil, weil sich in allen möglichen Steuerregimen der Welt immer wieder Gelegenheiten ergeben und natürlich auch wieder schließen. Italien hatte beispielsweise bis einschließlich 1996 ein System, in dem die Kuponzahlungen auf italienische Anleihen an der Quelle mit 12,5 % besteuert wurden. Diese Quellensteuer konnte man sich als ausländischer Anleger erstatten lassen, indem man einen Antrag ausfüllte und an das italienische Finanzministerium schickte. Allerdings
4.1 Arbitrage
219
dauerte es teilweise mehrere Jahre, bis wir die einbehaltene Quellensteuer zurückbekamen. Aus diesem Grund handelte der Markt so, als sei die Quellensteuer nicht erstattbar. Dadurch stiegen die Zinsen auf italienische Staatsanleihen (BTPs) über die Swap-Sätze. Der berühmt-berüchtigte Hedgefonds LTCM hatte diese Konstellation seinerzeit durch eine Steuer-Arbitrage-Position ausgenutzt. Er kaufte BTPs und sicherte diese gleichzeitig über einen Swap ab. Das darin eingebaute Repo-Geschäft vereinbarte LTCM nur mit Banken, die über eine italienische Zulassung verfügten und so steuerlich bevorzugt waren, was letztlich zu einem unter dem Marktsatz liegenden Repo-Satz führte (Muehring 1996). Zum 1. Januar 1997 wurde das Steuersystem insofern geändert, als die 12,5 % ab diesem Tag von der Verwahrstelle abgeführt wurden, was zur Folge hatte, dass viele Investorengruppen keinem Quellensteuerabzug mehr unterlagen. Diese Umstellung hatte spürbare Auswirkungen im Kassa und Repo-Markt, sodass die Struktur für Steuer-Arbitrageure wie LTCM nicht mehr lohnend war. In der Bewertung des BTP-Future ergaben sich ebenfalls Veränderungen, auch weil die Londoner Terminbörse LIFFE die Spezifikationen ihres BTP-Kontrakts anpassen musste (Codogno und Zorzi 1996). In den Vereinigten Staaten gab es in den 1980er-Jahren eine Steuer-Timing-Option (Constantinides 1983): Zu Steuerzwecken wurden Gewinne und Verluste aus Futures so behandelt, als wären sie zum Jahresende realisiert worden, während die Kapitalertragsteuer auf Aktien erst im Zeitpunkt des Verkaufs anfiel. Insofern konnte der Aktionär seine Steuerlast timen, was dem Future-Nutzer nicht möglich war. Diese Option war in der Tat werthaltig und sorgte für einen Abschlag im Future-Preis (Cornell und French 1983a, 1983b). Der Klassiker für steuerinduzierte Unschärfen in der Bewertung von Derivaten auf Aktien ist der steuerliche Ansatz von Dividendenzahlungen. Hier kommt es weltweit immer wieder zu Ungleichbehandlungen, sei es in den USA, wo steuerbefreite, ausländische Anleger einer Quellensteuer unterworfen wurden, in Frankreich wo lokale Investoren das avoir fiscal als Zuschlag auf die Dividende erhalten oder auch in Deutschland, wo ausländischen Anlegern und steuerbefreiten Körperschaften und Körperschaften des öffentlichen Rechts die Körperschaftsteuergutschrift verwehrt wurde (Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Wertpapierbörsen 1992, S. 102 ff). Daher war es angebracht, bei der Bewertung des DAX-Future zumindest einen Teil dieser dividendeninduzierten Sonderzahlung einzurechnen, obwohl es sich ja um einen Performance-Index handelt, der in seiner Entwicklung die reinvestierte Dividende (allerdings nur die Bardividende) enthält. Und selbst innerhalb einer Gruppe von Marktteilnehmern innerhalb eines Landes gibt es weitere Unterschiede im Steuerstatus, wenn es sich um Dividenden dreht. In Großbritannien spielt es beispielsweise eine Rolle, wie sich das Handelsbuch eines Market Makers aus Long- und Short-Positionen zusammensetzt und wie profitabel er ist, ob die Dividende von britischen Unternehmen für ihn 85 %, 115 % oder irgendetwas dazwischen beträgt (De Santos 1995). Aus diesem Grund treten ausgeprägtere Abweichungen vom fairen Wert eines Future auch immer wieder im Umfeld von Dividendenterminen auf (Shalen 1998).
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Derivate zur Optimierung der Performance
Auch Transaktionssteuern sorgen für Ungleichgewichte unter den Marktteilnehmern. Bekannt ist die Stempelsteuer in Großbritannien. Die 0,5 % auf Aktienkäufe heben die Arbitrage-Schwelle beträchtlich an. Market Maker sind jedoch ausgenommen. Mitunter ergeben sich also Möglichkeiten zur Erzielung eines risikolosen Gewinns allein aus der Steuer-Arbitrage. Natürlich ist letztlich auch dieser Mehrertrag nicht gänzlich risikolos. Schließlich kann es zu unerwarteten Änderung der Steuergesetzgebung oder der Anwendungsvorschriften kommen. Dieses Risiko scheint aufgrund der zumeist kürzerfristig ausgelegten Positionen jedoch vergleichsweise überschaubar. Ausstattung mit und Anrechnung von Risikokapital Ende 2012 ergab sich eine Arbitrage-Möglichkeit in vielen europäischen Aktienindizes (Cameron 2013). Hintergrund war eine vergleichsweise hohe Long-Position von Euro STOXX 50-Futures in den Büchern von Strukturierern exotischer Derivate, die diese zur Dezember-Fälligkeit rollen wollten. Durch diese Transaktion rutschte der im Future implizierte Repo-Geldmarktsatz in negatives Terrain. Diese Konstellation pflanzte sich auch in nationalen Aktienindizes wie DAX, CAC 40, IBEX etc. fort, als die Händler auf diese Märkte auswichen, um sich ihr regionales Euroland-Exposure approximativ durch Körbe aus Länder-Futures zu beschaffen. Wie oben beschrieben, ist dies der Zeitpunkt, an dem die Arbitageure mit einer Cash-and-Carry-Position in Aktion treten, die Preise ins Gleichgewicht bringen und Kassa- und Terminmarkt wieder miteinander verzahnen. Allein, sie taten es nicht. Grund dafür war der im Zuge der Finanzkrise in den USA 2010 verabschiedete Dodd-Frank Act. Zentraler Bestandteil war die sogenannte Volcker Rule, die die Banken zwang, ihren Eigenhandel massiv zu kürzen oder gar aufzugeben. Das führte dazu, dass die Positions-Limits der Arbitrage-Tische der Banken gestutzt worden waren. Zwar kauften die Arbitrageure in den sogenannten Delta-Eins-Abteilungen Aktien, verliehen sie und sicherten sich über den Verkauf von Futures ab, allerdings nicht in der gewohnten Größenordnung, sodass die Future-Käufer in der Überzahl blieben. Die Limits waren den Arbitrageuren zusammengestrichen worden, weil die Risiken ihrer Positionen zu viel regulatorisches Eigenkapital beanspruchten. Das unterstreicht auch noch einmal, dass auch diese Arbitrage-Geschäfte nicht risikolos sind. Denn wenn sie es wären, müssten sie nicht mit Kapital unterlegt werden. Aus genau diesem Grund findet man immer häufiger Märkte, auf denen sich Preisverzerrungen auftun. So haben sich in 2014 im Markt für Verbriefungen gewerblicher Immobilien die Preise der Anleihen und dem diese abbildenden Index um 0,70 % auseinander dividiert. Hintergrund ist, dass die zwei maßgeblichen Arbitrageure in diesem Markt, spezialisierte Hedgefonds und Eigenhandelstische in Banken, regulatorisch in ihrem Geschäft eingeengt wurden. Ausgangspunkt der Veränderung war die im Rahmen der Basel IIIRegulierung eingeführte Leverage Ratio, die Geschäfte bestraft, welche das Eigenkapital stark belasten. Zuvor waren allein die 26 Eigenhandelstische der sechs größten USamerikanischen Banken mit einem geschätzten Exposure von bis zu 1500 Mrd. US-Dollar engagiert (Devasabai 2014). Die diesen Zahlen unterliegenden Geschäfte waren teilweise mit dem Faktor 50 gehebelt und mussten in der Folge stark zurückgefahren werden.
4.1 Arbitrage
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Parallel dazu verteuerten die Banken die Finanzierung von gehebelten Positionen im Bestand von Hedgefonds und forderten deutlich höhere Sicherheitsleistungen. All diese Entwicklungen haben dazu geführt, dass die Kosten für das Eingehen einer ArbitragePosition anstiegen und die Positionsgrößen gedeckelt wurden. Insofern musste die Preisdifferenz, ab der sich Arbitrage lohnt, deutlich größer sein als in der Vergangenheit, sodass sich dadurch die oben beschriebenen Diskrepanzen auftaten. So lange diese Rahmenbedingungen existieren, werden Preisverzerrungen größer und länger anhaltend. Umgekehrt sinkt das systemische Marktrisiko, denn wiewohl stark gehebelte Arbitrage-Positionen in „normalen“ Marktphasen für höhere Liquidität, kleinere Geld-Brief-Spannen und einen engeren Zusammenhang zwischen Underlying und Derivat sorgen, besteht das Risiko, dass sie in turbulenten Marktphasen zurückgefahren werden (müssen), die Liquidität also genau dann verschwindet, wenn sie am dringendsten benötigt wird und die Preiseffizienz in kritischen Phasen zusammenbricht. Die Folgen dieser regulatorischen Änderung waren nicht nur in Nebenmärkten zu spüren. Auch im Bereich der hochkapitalisierten amerikanischen Aktien des S&P 500 zeigten die erschwerten Arbitrage-Möglichkeiten ihre Wirkung. So haben sich die geschätzten Transaktionskosten im S&P 500 Future drastisch erhöht. Bis zum Inkrafttreten der Volcker Rule im Juli 2012 lagen die gesamten Handelskosten im Bereich von fünf bis zehn Basispunkten. In der Folge kam es zu einer drastischen Niveauverschiebung, als sie auf ein Niveau von 33 bis 53 Basispunkte stiegen (Scharl 2014). Wie lange eine derartige Konstellation bestehen bleibt, hängt davon ab, wie groß die Belastungen zum Beispiel auf Seiten der Konstrukteure exotischer Derivate sind, ob diese ihre Positionen zurückfahren oder die höheren Kosten auf die Endkunden überwälzen können und ob sich andere Marktteilnehmer finden, die die Lücke der Delta-Eins-Tische auffüllen können. Da diese jedoch den arbitrage-spezifischen Risiken und Kosten in anderem Maße ausgesetzt sind, baut sich dieses Defizit nicht unmittelbar, sondern im Zeitablauf ab. Außerdem pendelt sich der Gleichgewichtspreis auf einem anderen Niveau als vor der Marktfriktion ein. Der gesamte Anpassungsvorgang hängt davon ab, welche Gruppe von Marktteilnehmern wie Investmentfonds, Pensionskassen, Lebensversicherungen, Hedgefonds etc. die niedrigsten Transaktionskosten sowie die beste steuerliche Position hat und regulatorisch nicht am Markteintritt gehindert wird. Der Aspekt des regulatorischen Einflusses auf die Derivatenutzung ist in Abschn. 6.9 adressiert. Der teilweise Rückzug dieser bedeutenden Arbitrageure eröffnet also anderen Kapitalmarktteilnehmern mehr Gelegenheiten, sodass Arbitrage auch für klassische Vermögensverwalter wieder interessanter werden könnte. Doch selbst wenn alle Marktteilnehmer die gleiche Ausstattung mit Risikokapital aufweisen würden, käme es dennoch zu unterschiedlichen Preisen, weil regulatorische Vorschriften dafür sorgen können, dass ein und dieselbe Risikoposition mit Eigenkapital in unterschiedlicher Höhe unterlegt werden muss. Dabei kann beispielsweise eine Rolle spielen, welche Positionen ein Marktteilnehmer noch neben der betreffenden Position hat, ob zum Beispiel ein Netting möglich ist, ob es sich um eine systemrelevante Bank handelt, ob sie ein internes Risikomodell betreibt, wie und wo der Teilnehmer die Transaktion
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Derivate zur Optimierung der Performance
abwickelt etc. (Kenyon und Green 2014a, 2014b). Die eigene Bonität ist darüber hinaus relevant für die Finanzierungskosten und die Bewertungsabschläge (Haircuts), die ein Marktteilnehmer hinnehmen muss, beispielsweise wenn er seine Position delta-hedged und Leihegeschäfte ins Spiel kommen. Um diesen in der Praxis sehr relevanten Effekt in der Bewertung von Optionen zu berücksichtigen, schlägt Sherif (2015) eine Erweiterung der Black-Scholes-Formel vor. Beispiel
Auch über andere Wirkungsketten können regulatorische Aktionen auf die gehandelten Renditen einwirken: Zu Beginn des Jahres 2016 lag die Differenz zwischen der im Bund-Future-Kurs impliziten Rendite von 0,0 % und der Rendite der Cheapest-toDeliver-Anleihe (CTD) von 0,40 % auf einem nie zuvor gesehenen Niveau. Gegenüber der synthetisch gerechneten Bund-Rendite auf eine genau zehn Jahre laufende Bundesanleihe betrug der Abstand im Laufe des Februar sogar mehr als 0,6 % (Abb. 4.1). Das sind gewaltige Dimensionen! Die „üblichen Verdächtigen“ (nichtflache Zinsstrukturkurve mit unterschiedlichen Laufzeiten und Kupons sowie negative Repo-Sätze) reichten zur Begründung dieses Canyons nicht aus. Neben der möglichen Spekulation des Marktes auf weitere zinsdrückende Maßnahmen der Europäischen Zentralbank waren vermutlich schwerwiegende Änderungen im Nachfrageverhalten der Marktteilnehmer die Ursache. Aufgrund von verschärften Vorgaben aus dem Bankenaufsichtsrecht und dem Zwang, die Positionen mit höherem Eigenkapital zu unterlegen, ist der Kauf der Anleihe im Vergleich zum Future unattraktiver geworden. Selbstverständlich werden sich durch derartige Faktoren Underlying und Derivat nicht entkoppeln. Das Beispiel zeigt aber, wie weit die beiden in der Praxis auseinandertreiben können, ohne dass notwendigerweise Arbitrage regulierend auf den Plan treten müsste, da eine Arbitrage trotz der optisch hohen Renditedifferenz nicht profitabel durchzuführen ist. Untersuchen wir diese Konstellation genauer:
Abb. 4.1 Abstand zwischen Rendite von CTD und Bund Future. (Quelle: Lodde 2016)
4.1 Arbitrage
223
Eine Arbitrage ist nur dann möglich, wenn die Fehlbewertung des Future groß genug ist, dass sie von den Transaktionskosten nicht aufgefressen wird. Die Fehlbewertung drückt sich in der Net Basis (Abschn. 2.3.3.2) aus. Um diese zu ermitteln, berechnen wir den impliziten Repo-Satz des Bund Future und vergleichen ihn mit dem tatsächlich gehandelten Repo-Satz. Der implizite Repo-Satz errechnet sich mit Repoimpl D
.F KF/ C SZL .CTD C SZA / C KCF .CTD C SZA / .tKL =tpa / KCF .tCFL =tpa /
(4.1)
und folgenden Werten per Mitte Februar 2016: F KF SZL CTD SZA KCF tKL tpa tCFL
= Preis Future = 164,46 = Konversionsfaktor = 0,627975 = Stückzinsen am Liefertag = 0,0333 = Preis Cheapest-to-Deliver (0,5 % Bund 02/2025) = 103,338 = Stückzinsen am Abrechnungstag = 0,0028 = Cashflow aus dem Kupon, falls zugeflossen = 0 = Tage zwischen Kauf und Lieferung = 22 = Tage pro Jahr gemäß Konvention = 360 = Tage vom Kuponzufluss bis Liefertag = n.a.
Eingesetzt ergibt sich ein impliziter Repo-Satz von 0,486 %, während gleichzeitig am Markt ein Satz von 0,249 % notiert wird. Wenn man mit der Differenz aus dem impliziten und dem tatsächlichen Repo-Satz den Kapitaleinsatz (Preis der CTD zuzüglich Stückzinsen) über die Dauer von 22 Tagen verzinst, ergibt sich eine Net Basis von 0,01495. Das entspricht etwas mehr als der einfachen Geld-Brief-Spanne im Future und zeigt auch ohne die Prüfung weiterer Aspekte wie Kontraktgebühren etc., dass sich bei dieser auf den ersten Blick attraktiven Konstellation dennoch kein eindeutig lukratives Arbitrage-Fenster öffnet. Von anderen Faktoren sind alle Marktteilnehmer gleichermaßen betroffen. Dies betrifft insbesondere die vorhandene Marktinfrastruktur. Für eine wirklich risikolose Arbitrage ist es unabdingbar, dass Instrumente und Mechanismen existieren, die es erlauben, die ShortSeite des Marktes zu spielen. Dies ist bei weitem nicht in jedem Kapitalmarkt der Fall. Berühmtes Beispiel hierfür ist die „Uptick Rule“ in den USA, die den Aktienverkauf nur in einem Uptick, also einem Kursanstieg, erlaubt. Und selbst in hoch entwickelten Märkten sorgen die höheren Kosten und Handelsfriktionen im Zusammenhang mit dem Leerverkauf von Aktien dafür, dass viele Aktienindex-Futures eine Tendenz zur Unterbewertung aufweisen (Abschn. 5.10). Außerdem darf das Underlying nicht so komplex sein, dass es nicht mehr vollständig abbildbar ist. So stößt die Index-Arbitrage bei länderübergreifenden Indizes, die mehrere tausend Aktien enthalten, schnell an ihre Grenzen. Umgekehrt begünstigen einfach konstruierte Indizes wie der japanische Nikkei 225 Arbitrage. Die Aktien des Nikkei 225
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gehen großteils mit einem gleichgewichteten Nominalwert in die Berechnung des Index ein. Dies führt zu Rückkoppelungseffekten auf dem Kassamarkt dergestalt, dass bei einigen geringer kapitalisierten Werten Transaktionen mit einem Arbitrage-Hintergrund fast den gesamten Umsatz ausmachen (Eoyang und Saito 1999). Und selbst wenn diese Rahmenbedingungen formal vorhanden sind, so müssen diese auch funktionieren. Dazu ist es einerseits erforderlich, dass eine einwandfreie und schnelle Abwicklung jederzeit gewährleistet ist. Darüber hinaus müssen die Märkte so liquide sein, dass ein friktionsloser Auf- und Abbau der Long- und Short-Positionen auch in größerem Umfang möglich ist. Selbst in normalerweise sehr liquiden Märkten kann zum Beispiel von dem Einsatz von Circuit Breaker-Regeln eine Gefahr ausgehen. Diese Regeln sind gedacht, um im Falle von starken Kursrückschlägen für Handelsunterbrechungen zu sorgen, während derer der Markt Gelegenheit hat, sich zu beruhigen. Für denjenigen, der darauf angewiesen ist, seine Positionen jederzeit verändern zu können, stellen sie jedoch eine weitere Unwägbarkeit dar. Beispiel
Auch ohne Circuit Breaker kann es zur Entkoppelung von Kassa- und Derivatemarkt kommen. Beispielsweise kam in der Russlandkrise im August 1998 der Handel an der Schweizer Terminbörse Soffex fast komplett zum Erliegen. Beim Anschlag auf das World Trade Center am Nachmittag des 11. September 2001 stellten die am Handel mit europäischen Rententiteln beteiligten Banken ihren Handel weitgehend ein. Der Bund Future wurde weiter gehandelt. Gut für Anleger, die ihre Bund-Duration noch anpassen wollten, aber schwierig für die Arbitrageure, wobei man in diesem Fall klar konstatieren muss, dass das Problem nicht im vermeintlich „gefährlicheren“ Derivatemarkt lag, sondern im Wegbrechen des Kassamarkts. Weitere Effekte in Extremmärkten finden sich in Abschn. 6.3. Eine interessante Fallstudie über die Wirkung von Störungen in der Infrastruktur ereignete sich am 21. September 1999 im Fernen Osten. An diesem Morgen erschütterte ein Erbeben Taiwan. Während der Kassa-Aktienmarkt geschlossen blieb, war auf der Terminbörse SIMEX Handel in Taiwan-Futures möglich. Der Future verlor an diesem Tag knapp vier Prozent. An den folgenden drei Tagen waren beide Märkte geschlossen. Bei der Wiedereröffnung am folgenden Montag wurde der Kursverfall im Kassamarkt künstlich gebremst. Die Börse erließ eine Regel, die den maximalen Verlust einer Aktie auf 3,5 % begrenzte. Dadurch verlor der Kassamarkt an diesem Tag nur knapp drei Prozent. An der Terminbörse lag die Begrenzungsschwelle bei zehn Prozent, sodass am Ende des Tages die Kursverluste im Future mit knapp neun Prozent deutlich höher waren. Insgesamt wuchs die kumulierte Performance-Differenz an diesen beiden Tagen auf knapp zehn Prozent an. Durch die unterschiedlichen Verlustbegrenzungsregeln war eine Arbitrage, die die Märkte wieder zueinander hätte führen können, nicht möglich. Zwar hätte man den Future kaufen können, um dessen Kurs zu erhöhen. Der Verlustbegrenzer auf der Aktienseite verhinderte jedoch weitere kursreduzierende Verkäufe, die die Märkte wieder hätten synchronisieren können.
4.1 Arbitrage
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Das Ausmaß von Arbitrage-Aktivitäten wird außerdem von der Restlaufzeit der Future-Kontrakte beeinflusst (MacKinlay und Ramaswamy 1988). Je weiter der Verfalltag in der Zukunft liegt, desto stärker können sich unvermeidbare Unsicherheitsfaktoren auswirken. Dazu gehört beispielsweise, dass sich das Underlying ändert. Im Rentenbereich kann die Cheapest-to-Deliver-Anleihe wechseln (Abschn. 3.5.2). Im Aktienbereich kann es zu einer überraschenden Änderung der Indexzusammensetzung kommen. Im Fall dass der Aktienindexkorb nicht eins zu eins abgebildet, sondern nur teilweise repliziert wird, kann es zu Verwerfungen bei Volatilitäten und Korrelationen kommen, sodass der Tracking Error ansteigt. Allerdings handelt es sich bei einer Teilreplikation des Underyling auch nicht mehr um eine risikofreie Arbitrage. Ein weiterer Gefahrenherd ist die Unsicherheit über die Höhe der erwarteten Dividende, die als eine Preiskomponente in die Basis eingeht. Eine unerwartete Dividendenkürzung oder eine Sonderausschüttung ändern die Bewertungsrelationen schlagartig, insbesondere weil die steuerliche Anrechnung der Dividenden wiederum nicht bei allen Marktteilnehmern die gleiche ist. Schließlich ergibt sich mit steigender Restlaufzeit des Future eine erhöhte Unsicherheit über Zeitpunkt und Höhe der täglichen Mark-to-Market Cashflows. All diese Unsicherheitsfaktoren können dafür sorgen, dass der Schwellenwert, ab dem sich eine ArbitragePosition sicher lohnt, mit längerer Future-Laufzeit immer weiter vom theoretisch fairen Wert entfernt. Die Präsenz dieser Faktoren sorgt dafür, dass es in der Realität nicht einen einzige fairen Preis gibt, sondern vielmehr ein Preisband, in dem sich eine Vielzahl von fairen Preisen unterschiedlicher Marktteilnehmer wiederfinden und die aus Sicht eines einzelnen Marktteilnehmers mit seinen spezifischen Voraussetzungen Arbitrage- oder zumindest arbitrage-ähnliche Gelegenheiten eröffnen können (Loistl und Kobinger 1993). Schließlich können Verzerrungen in Angebot und Nachfrage dafür sorgen, dass die gehandelten Preise außerhalb jeder Preisspanne fallen. Diwald (1994) dokumentiert eine solche Konstellation, in der ein massives Ungleichgewicht bei Bund-Optionen und dessen anschließendes Überrollen innerhalb weniger Tage eine Unterbewertung des Bund Future von einem halben Prozent in eine ebenso große Überbewertung drehte. Auch ist es in der Realität nicht so, dass die Arbitrage-Positionen unbedingt bis zu Fälligkeit gehalten werden, um den gesicherten Gewinn einzufahren. Die Möglichkeit, die eingegangene Position vorzeitig glattzustellen ist eine wertvolle Option, derer sich die Marktteilnehmer in der Praxis häufig bedienen (Brennan und Schwartz 1988, 1990; Merrick 1987; Bühler und Kempf 1995). Sofianos (1993) beziffert den Anteil derjenigen, die ihre Positionen vor Verfall glattstellen, auf annähernd 70 %, wobei die durchschnittliche Haltedauer nur etwa 24 Stunden beträgt. Interessant auch, dass schon Mitte bis Ende der 1980er die (deutliche) Mehrzahl dieser Transaktionen innerhalb des fairen Preisbands aufgesetzt wurden, also eher in Richtung eines Basis Trades tendierten (Sofianos 1993; Stoll und Whaley 1986). Bisweilen ist das Halten bis zum Kontraktverfall sogar nur eine Notlösung, weil es dem Arbitrageur nicht gelungen ist, seine Position während der Kontraktlaufzeit des Fu-
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ture gewinnbringend zu schließen, beispielsweise weil ein unterbewerteter Kontrakt seine Unterbewertung im Verlauf nie abgebaut hat. Ist dies bei einer größeren Anzahl von Positionen der Fall, kann es am Verfallstag zu ausgeprägten Ungleichgewichten zwischen Long- und Short-Arbitrage-Positionen kommen, die zu den berühmt-berüchtigten Verfallstageffekten führen können (Abschn. 7.6.5.2). Im Optionsbereich sind die Arbitrage-Möglichkeiten deutlich besser und dann auch wieder nicht. Einerseits ergeben sich in den Abweichungen zwischen impliziter und erwarteter realisierter Volatilität deutlichere Differenzen, bei denen man versuchen kann, diese über einen Delta Hedge auszunutzen (Abschn. 3.4.1). Allerdings enthält der Delta Hedge, wie bereits beschrieben, eine Vielzahl von Problemen, die in der Summe dazu führen, dass man hier nicht im eigentlichen Sinne von Arbitrage als Möglichkeit, einen risikolosen Gewinn zu erzielen, sprechen kann.
4.1.2
Futures gegen kombinierte Optionsportfolios
Etwas erfolgversprechender mag die Möglichkeit erscheinen, Aktien, Futures und Optionen gegeneinander zu handeln. Hier sind drei Marktteile involviert, sodass sich die Möglichkeit einer potenziell gewinnbringenden Verschiebung zwischen den Marktsegmenten erhöht. Beispielsweise erhält man eine neutralisierte Position, wenn man eine Aktieposition mit einem Long Put, einem Short Call und einem Short im risikolosen Asset, also einem Kredit, kombiniert. Die Long Aktien Position kann dann auch noch verliehen werden, um damit eine Leihprämie zu verdienen (Hohmann 1999). Alternativ sollte man prüfen, inwieweit es nicht günstiger ist, die Aktienposition über einen Long Future darzustellen, um so auf eine sogenannte Conversion-Position zu kommen. Da Futures problemlos short gehandelt werden können, lässt sich auch schnell und liquide die Gegenposition einnehmen, ein Reversal über Long Call, Short Put und Short Future. Es ist leicht ersichtlich, dass die Grundlage derartiger Überlegungen die Put-Call-Parität ist. Diese ist bereits in Abschn. 2.4.3 ausführlich beschrieben und soll hier nicht noch einmal behandelt werden.
4.1.3 Abweichender risikoloser Zins Einer der möglichen Ansatzpunkte einer Arbitrage ist der risikolose Zinssatz, der in den Bewertungsformeln aller Derivate an der einen oder anderen Stelle auftaucht. Insbesondere nach der Entwicklung im Krisenjahr 2008 stellt sich natürlich die Frage, welcher Zinssatz eigentlich noch risikolos ist. Üblicherweise wurde in der Derivatebewertung LIBOR oder EURIBOR angesetzt. Diese Berechnung fußte auf der Annahme, dass man das Counterparty Risk eher vernachlässigen könne. Diese Einstellung wurde durch die Verfügbarkeit von Sicherheitsleistungen und Margin-Zahlungen unterfüttert. Im Zuge der Verwerfungen der Finanzmarktkrise 2008 kam es zu einem praktisch vollständigen Er-
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liegen des regulären Geldhandels und massiven Verzerrungen in den EURIBOR/LIBORRaten. Spätestens hier setzten Überlegungen zur Validität der bislang praktizierten Derivatebewertung ein. Nachdem man feststellen musste, dass Bankeinlagen nicht wirklich risikolos sind, liegt es nahe, auf Anlagen erstklassiger Bonität, wie Staatsanleihen auszuweichen. Staatsanleihe ist jedoch nicht gleich Staatsanleihe. Zum einen kommen in dieser Betrachtung nur Staatsanleihen von Ländern in Frage, die die Hoheit über die eigene Währung haben, um gegebenenfalls die Notenpresse anzuwerfen und so jegliche Schuld bedienen zu können. Dies ist beispielsweise in einem Gebilde wie dem Euroraum für die staatlichen Schuldner nicht problemlos möglich. Darüber hinaus muss berücksichtigt werden, inwieweit die Schuldner nicht nur in der Lage, sondern auch willens sind, ihre Schulden zu bedienen. Insbesondere Argentinien hat ja mit seiner Art der Schuldnerbehandlung ein negatives Ausrufezeichen gesetzt. Weiterhin ist eine Anlage auch dann nicht risikolos, wenn ihr ein Liquiditätsrisiko innewohnt. So ist einer der wesentlichen Gründe für die niedrigen Zinssätze auf Bundesanleihen deren hohe Liquidität (Beber et al. 2009). Aber nicht einmal die Dollar-Zinsen einer US-Staatsanleihe, immerhin der liquideste Rentenmarkt der Welt, sind frei von Kreditrisiko und damit per Definition nicht risikolos. So lag der Spread auf fünfjährige Credit Default Swaps im Februar 2009 bei 100 Basispunkten. Ist es also sinnvoll, den Zinssatz einer Staatsanleihe abzüglich des CDS-Spreads als risikolosen Zins anzusetzen? Auch das ist keine unproblematische Lösung. Beispielsweise ist es nicht möglich, in großem Stil liquide Mittel zu diesem Zinssatz anzulegen oder aufzunehmen, wie es die Bewertungsansätze für Derivate postulieren. Bei kurz laufenden Derivaten ist das Problem nicht so gravierend, da die Unterschiede in der Bewertung eher klein sind. Dies ändert sich jedoch, je länger die Laufzeit der Instrumente wird (Wood 2009). Letztlich wären für jeden Anleger zumindest auf der Finanzierungsseite durchaus unterschiedliche Ansätze vorstellbar. Hier können die eigenen Refinanzierungskosten der Marktteilnehmer durchaus stark voneinander und von den Zinssätzen im Staatsanleihebereich abweichen, wodurch sich Arbitrage-Möglichkeiten ergeben könnten.
4.1.4 Inter Market Arbitrage 4.1.4.1 (Praktisch) identische Produkte Die Chance auf einen Arbitrage-Gewinn entsteht dann, wenn der gleiche Kontrakt an unterschiedlichen Börsen gehandelt wird und die Preise zu irgendeinem Zeitpunkt so weit voneinander abweichen, dass sie die Transaktionskosten übersteigen, die beim Kauf des billigeren und Verkauf des teureren Kontrakts anfallen. Bei diesem Geschäft werden identische Produkte ge- und verkauft. Besonders populär war in der Vergangenheit stets die Inter Market Arbitrage im Bund Future, der sowohl an der Deutschen Terminbörse DTB in Frankfurt als auch an der LIFFE in London gehandelt wurde und dem T-Bond Future
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mit der Doppelnotiz an der CBOT und der LIFFE. Die Inter Market Arbitrage auf in Osaka und Singapur gehandelte Kontrakte auf den japanischen Aktienindex Nikkei 225 waren auch die einzigen Geschäfte (neben der Durchführung von Kundenorders), die BaringsHändler Nick Leeson selbständig tätigen durfte. Hätte er sich damit zufrieden gegeben, wäre Barings vermutlich heute noch selbständig. Aber durch mangelhafte interne Kontrollen gelang Leeson ja bekanntlich ein folgenschweres Job Enrichment. Durch den Handel praktisch identischer Produkte entfällt das Marktrisiko. Gefahr droht lediglich aus dem operativen Bereich und der Regulatorik sowie der Besteuerung. Beispiel
Ein Fall jüngeren Datums in Asien illustriert dieses Restrisiko: Eine beliebte ArbitrageStrategie auf chinesische Aktien bestand im Handel von in Hong Kong notierten Exchange Traded Funds (ETFs) auf der einen und Futures auf den China Securities Index CSI 300 mit Notiz in Shanghai auf der anderen Seite. Im Sommer 2015 kam es zu heftigen Kursrückgängen am chinesischen Aktienmarkt. Die chinesischen Wertpapierbehörden wollten dem Einhalt gebieten und verboten einer Reihe von Marktteilnehmern kurzerhand Short-Positionen in besagten Futures. Zusätzlich wurden in Shanghai die Margins auf Futures deutlich erhöht und die maximal zulässigen Positionsgrößen jedes Marktteilnehmers eingeschränkt. Diese Maßnahmen hatten zur Folge, dass der Arbitrage-Mechanismus zwischen den beiden Börsen für diese Produkte fast vollständig zusammenbrach. Das Handelsvolumen in CSI 300 Kontrakten brach zwischen Sommer und Herbst 2015 um sagenhafte 99 % ein (Wang 2015).
4.1.4.2 Umverpackte Derivate Ergänzend kann sich ein Portfoliomanager, der Arbitrage betreiben möchte, auch im Bereich der umverpackten Derivate umschauen. Ansatzpunkte finden sich insbesondere bei Optionen, die in andere Rechtsmäntel gekleidet werden, also bei Optionsscheinen und Zertifikaten. Umverpackte Optionen können gerade in Deutschland auf eine reiche Historie zurückblicken. In den 1980er- und 1990er-Jahren waren eine ganze Reihe von „klassischen“ Optionsscheinen am Markt verfügbar. Diese Optionsscheine resultierten aus Optionsanleihen, die zeitweilig von vielen Unternehmen als attraktive Finanzierungsvehikel benutzt wurde: Die Anleihen waren mit einer vergleichsweise geringen Verzinsung ausgestattet, kompensierten dieses Manko jedoch durch die Beigabe eines Optionsscheins, mittels dessen der Investor von einem steigenden Aktienkurs profitieren konnte. Gegen Ende der 1990er-Jahre wurden jedoch immer mehr dieser Scheine endfällig, ohne dass sie durch Neuemissionen ersetzt wurden. Regulatorische Änderungen im Jahre 1991 hatten die Attraktivität der Emission von Optionsanleihen deutlich geschmälert. Hintergrundinformation Bei der Bewertung von Warrants auf eigene Aktien ist zu beachten, dass, je nach den Optionsscheinbedingungen, bei Ausübung neue Aktien entstehen können. Dies kann den Aktienkurs und damit den Kurs des Optionsscheins beeinflussen. Außerdem spielt es für die Aktienbewertung eine
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Rolle, wie genau der Emissionserlös verwendet wird. Aus diesen Gründen können Optionsscheine auf eigene Aktien nicht einfach mit der Black-Scholes-Formel bewertet werden.
Um die offensichtlich vorhandene Nachfrage zu bedienen, kamen gedeckte Optionsscheine (Covered Warrants) auf den Markt. Diese Scheine waren nicht mit firmeneigenen Aktien unterlegt. Vielmehr würde eine Bank dafür einstehen, dass etwaige Lieferverpflichtungen bedient werden können, indem sie sich mit optionalen Gegenpositionen oder direkt mit dem Underlying eindeckt. Oder die Bank agiert im Auftrag von Kapitalsammelstellen wie Investmentfonds und Versicherungen, die gehaltene Bestände in größerem Stile und maßgeschneidert veroptionieren möchten. Das Unternehmen, dessen Aktien das Underlying eines solchen Scheins bildet, spielt in diesem Prozess keine Rolle mehr, wenn man einmal davon absieht, dass es vom Emittenten in einer Geste guten Willens über die Emission informiert wird. Unter Umständen kommt der Emittent dem Unternehmen auch so weit entgegen, dass er Calls und Puts in ähnlicher Anzahl emittiert, da kein Unternehmen, dessen Aktie das Underlying eines solchen Scheins bildet, Interesse an einem größeren Ungleichgewicht hat, das sich unter Umständen in einer Beeinflussung des Aktienkurses niederschlägt. Für den Emittenten kann dies ebenfalls von Vorteil sein. Mitunter ist es für ihn ein bequemer Weg, nicht nur über ein vielfältigeres Angebot den Ertrag zu steigern, sondern auch durch die gegenläufigen Positionen seine Risiken direkt ein wenig zu kompensieren. Allerdings gelingt dies nur in dem Maße, wie die Scheine dann auch vom Endkunden nachgefragt werden. Hier überwiegen eindeutig die auf steigende Kurse ausgerichteten Calls. Optionsscheine sind jedoch keine Erfindung der Neuzeit: In der Zeit Karls VI. wurde 1729 die Rechtsgrundlage geschaffen und schon am 1. September 1730 wurde der erste Optionsschein fällig (Schmitt 2002). Allerdings haben in jüngster Zeit Zertifikate die Optionsscheine aus dem Rampenlicht verdrängt. Beide bedienen eine offenbar in Deutschland ganz besonders ausgeprägte Nachfrage. Anders ist die irrsinnige Vielfalt der am Markt verfügbaren Titel nicht zu erklären. Das gesamte Angebot beläuft sich seit Jahren auf mehrere Zehntausend Titel. Auf eine einzelne Aktie existieren teilweise mehrere hundert Papiere. Es ist schwer zu glauben, dass zu einer Aktie so differenzierte Meinungen über Kursrichtung, Ausmaß und Zeitpunkt der Kursbewegung oder den Wertentwicklungspfad existieren, dass es immer neuer Instrumente bedarf. Zählt man hier noch die anderen Kategorien des Zertifikatemarkts hinzu, kommt man auf mehr als 500.000 verfügbare Papiere per Ende 2010. Dennoch entstehen immer neue Papiere. Es wäre untertrieben, hier den Vergleich mit den aus dem Boden schießenden Pilzen zu bemühen. Um einen Optionsschein aufzulegen genügt, wenn es sein muss, eine Stunde (Johannsen 1999). Das schafft kein (Speise)Pilz. Nur so ist es möglich, dass im Januar und Februar 2011 im Schnitt täglich (!) rund 6000 neue Zertifikate auf den Markt kamen (Mohr 2011). Man sollte sich dabei jedoch nicht von den publizierten Emissionsvolumina verwirren lassen. Meistens sind nur rund ein Drittel der Emission tatsächlich an Endkunden verkauft worden. Um den Markt zu verstehen, muss man einen Blick auf dessen Strukturen werfen. Umverpackte Derivate sind die Domäne der Privatkunden. Bei Optionsscheinen rekrutiert sich die Nutzerschaft zu rund 90 % aus dieser Kundengruppe. Sowohl aus dem akade-
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misch-empirischen Bereich als auch von Praktikern gibt es eine Vielzahl von Indikationen, dass dieser Umstand der Profitabilität der Emittenten und des Vertriebs zumindest nicht schadet. In der Tat handelt es sich um margenstarke Produkte. In der Regel werden sie mit impliziten Volatilitäten gehandelt, die deutlich oberhalb von vergleichbaren börsengehandelten Optionen liegen. Ypsilanti et al. (1999) zum Beispiel konstatieren im liquiden Markt für Euro STOXX 50-Optionen einen durchschnittlichen Aufschlag von 4,5 % Volatilitätspunkten. Wobei die implizite Volatilität in den umverpackten Derivaten vor allem unmittelbar nach Emission besonders hoch ist. Mit diesem dicken Polster im Rücken können Emittenten die Risiken, die der Absicherung einer solchen Emission innewohnen, gelassen sehen, zumal die dynamische Absicherung der Positionen in den Händen eines geschickten Händlers eher Potenzial für weitere Gewinne bietet. Aber auch im fortgeschrittenen Produktlebenszyklus sind Preisaufschläge von unglaublichen 30 bis 60 % gegenüber vergleichbaren börsengehandelten Derivaten keine Seltenheit (o.V. 1998; Oliver 2003). Dies steht in auffälligem Gegensatz zu Optionsscheinen aus Anleihen, die eher mit für den Käufer attraktiv niedrigen Volatilitäten platziert wurden. Lee Oliver (2003), ein Optionsscheinhändler, wunderte sich bereits Ende der 1980er über die riesigen Gewinne, die die deutsche Tochtergesellschaft seines damaligen Arbeitgebers machte, obwohl sie praktisch kein Risiko mehr in ihren Bücher hatte, nachdem sie die verkauften Währungsoptionsscheine mit einer OTC-Option abgesichert hatte. Fünfzehn Jahre später sieht er sich in seiner Einschätzung bestätigt, dass Covered Warrants wohlwollend als minderwertige Produkte durchgehen könnten und (S. 50, eigene Übersetzung): Wenn ich offener wäre, würde ich sie als eine heillose, vollständige Abzocke bezeichnen – ein Produkt bezüglich dessen man Privatkunden aufklären sollte, dass sie es vermeiden sollten.
Bei derart klaren Hinweisen könnte also zumindest ein bisschen was dran sein. Johanning et al. (2013) finden in einer umfangreichen Untersuchung (im Auftrag des Deutschen Derivate Verbands) Aufschläge auf den fairen Wert von bis zu 3,5 % bei Aktienanleihen und 4,1 % bei Optionsscheinen. Hinzu kommen Geld-Brief-Spannen und, neben Transaktionsgebühren, etwaige Vertriebsprovisionen. Die durchschnittliche erwartete Emittentenmarge schätzen sie auf 0,99 % am Primär- und lediglich 0,36 % am Sekundärmarkt. Die Spanne erstreckt sich von 0,14 % bei strukturierten Anleihen bis hin zu 1,96 % bei Optionsscheinen. Die Autoren gleichen ihre Ergebnisse mit denjenigen aus zehn anderen Studien ab. Diese Vergleichsstudien ermitteln Margen die (teilweise deutlich) höher liegen, wobei einschränkend gesagt werden muss, dass einige dieser Untersuchungen auf einer sehr überschaubaren Stichprobe basieren. Insgesamt ist und bleibt bei umverpackten Derivaten ausgesprochene Skepsis das Gebot der Stunde. Wenn man Bedarf an einem derivativen Instrument hat, sollte man dieses so direkt wie möglich kaufen. Falls man das benötigte Derivat in der gewünschten Ausstattung nicht direkt an einer Börse erwerben kann, sollte man auf jeden Fall genau nachrechnen, ob der Zusatznutzen des Maßschneiderns die damit zwangsläufig verbundenen Kosten rechtfertigt.
4.1 Arbitrage
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Interessant dabei ist auch die Beobachtung, dass, obwohl gerade die Deutschen als sehr risikoavers und konservativ gelten, wenn es um Geldanlagen geht, die umverpackten Instrumente gerade hierzulande äußerst beliebt sind. So fand das Geschäft mit Optionsscheinen im europäischen Kontext seit jeher zu mehr als der Hälfte in Deutschland statt. Entweder sind die Deutschen nur im Schnitt risikoavers und diese Durchschnittsaussage verdeckt die Existenz einer nicht unbedeutenden Klientel für spekulative Instrumente. Wobei es durchaus möglich ist, dass diese Klientel zahlenmäßig gar nicht so groß ist, da Auswertungen zeigen, dass Optionsscheinportfolios im Durchschnitt 18 bis 24 Mal pro Jahr umgeschichtet werden (o.V. 1999). Oder aber das Verständnis für diese Produkte ist hierzulande nicht sehr ausgeprägt. Leider ist die Möglichkeit, diese notorische Überbewertung auszuarbitrieren, praktisch nicht gegeben. Als Investor kann man die Instrumente nur kaufen und nicht leer verkaufen. Sonst könnten sich die Preise ja auch nicht auf diesem Niveau halten, da sie von kundigen Investoren längst auf den Pfad der Tugend zurückgeführt worden wären. Aber gelegentlich öffnen sich doch kleinere Arbitrage-Fenster. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn es Gründe, die in der Marktinfrastruktur liegen, ermöglichen, Zeitverzögerungen in der Optionspreisstellung durch den Emittenten auszunutzen, wie dies im vierten Quartal 2001 bei der Citigroup der Fall war (Ferry 2002). Hin und wieder versuchen Emittenten auch, Marktanteile über den Preis zu gewinnen. Dann werden die impliziten Volatilitäten eher aggressiv niedrig gepreist werden, sodass sich hier eine Arbitrage-Möglichkeit mittels einer Long-Position auftun könnte.
4.1.5 Regulatorische Arbitrage Wir haben gesehen, dass eine klassische Arbitrage für einen Portfoliomanager relativ schwierig ist, da er sich strukturell in einem Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Marktteilnehmern befindet. Erfolgversprechender ist die regulatorische Arbitrage. Auch hier liegt der Gedanke zugrunde, dass gleichartige Instrumente eine unterschiedliche Bewertung erfahren. Nur geht es in diesem Fall nicht um eine direkte monetäre Bewertungsabweichung in Termini Preis, sondern um die unterschiedliche regulatorische Behandlung von gleichen oder gleichartigen Instrumenten. Sollte sich also die Konstellation ergeben, dass ein identisches Chance-Risiko-Profil über mehrere Wege erzeugt werden kann, wird sich ein Portfoliomanager stets für jenen entscheiden, der mit weniger expliziten oder impliziten Kosten verbunden ist. Dabei können die impliziten Kosten unterschiedliche Formen annehmen. Beispielsweise kann ein Durchführungsweg vorteilhaft sein, weil er eine geringere Sicherheitenleistung oder Eigenkapitalunterlegung erfordert oder weniger administrativen Aufwand nach sich zieht. Nach Meinung von Emanuel Dermann, einem sehr erfahrenen Derivateveteran in Theorie (Mitentwickler des Black-Derman-Toy-Modells und Professor an der Columbia University) und Praxis (Leiter Risikomanagement bei Goldman Sachs) ist die regulatorische
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Arbitrage sogar das Hauptmotiv für den Einsatz von Derivaten überhaupt (o.V. 2010, S. 40): Denn aus meiner Erfahrung der praktischen Arbeit bei Goldman Sachs weiß ich nur zu genau, dass auch bei den meisten klassischen Derivaten in erster Linie das Ziel einer RegulierungsArbitrage im Vordergrund steht und nicht der Mehrwert, den man mit einem bestimmten neuen Instrument erzielen konnte.
So sind auch die Möglichkeiten der regulatorischen Arbitrage unzählig. Je nach aktueller Regulierung durch die jeweils für die betreffende Investorengruppe zuständige Aufsichtsbehörde ergeben sich unterschiedliche Einsatzmöglichkeiten: Beispielsweise ist es möglich, das Portfoliorisiko nach offizieller Messart unter einen bestimmten Höchstwert zu drücken, obwohl das Risiko de facto nicht reduziert, sondern nur ummodelliert wird. Ein Beispiel hierfür findet sich in Abschn. 6.1.5.2. Oder man kann sich über den Einsatz von Derivaten Exposure in ausländischen Aktienmärkten aufbauen, auch wenn dieses über den Kauf am Kassamarkt nicht toleriert wird (Jorion und Roisenberg 1993; Appelt 1994). Der Unterschied, der hier zum Tragen kommt, ist, dass bei einem Long Future ein Großteil des Geldes im heimischen Geldmarkt bleibt, während nur ein Bruchteil als Margin in die ausländische Währung abfließt. Durch die Hebelwirkung des Future entspricht das Exposure im ausländischen Asset-Markt einem Vielfachen der hinterlegten Margin. Oder man nutzt die Möglichkeit, die Kapitalbelastung durch Kreditrisiko um 80 % zu reduzieren, wenn man einen Kredit nicht konventionell ins Bankbuch nimmt, sondern als Credit Default oder Total Return Swap aufs Handelsbuch (Webb 1999). Wenn eine Stiftung in Private Equity investiert, setzt sie damit ihre Steuerprivilegien aufs Spiel, da es sich dabei um gewerbliche Einnahmen handelt. Werden genau die gleichen Erträge in ein Zertifikat verpackt, fließen ihr der Form nach Zinserträge aus einer Schuldverschreibung zu, obwohl der Inhalt exakt derselbe bleibt (Bettzieche 2011). Ein aufschlussreiches Beispiel, wie jede neue Regulierungsmaßnahme die Kreativität der Derivatebranche stimuliert, ist die sogenannte Liquidity Coverage Ratio (LCR). Das Basler Komitee für Bankenaufsicht hat eine Regelung erlassen, wonach Banken seit Januar 2015 genug liquide Mittel höchster Qualität vorhalten müssen, um mit ihnen notfalls sämtliche ihrer abschätzbaren Liquiditätsabflüsse in den kommenden 30 Tagen zu bedienen. Dabei werden die einzelnen Vermögenswerte und Forderungen den Banken mit unterschiedlich hohen Abschlägen angerechnet. Aktien beispielsweise weisen eine hohe Volatilität auf und können während Stressphasen nicht immer problemlos ohne Abschlag liquidiert werden. Daher werden sie nur zur Hälfte als liquide angerechnet. Derivate hingegen werden vollständig als Abfluss berücksichtigt. Für Investmentbanken, die ein großes, abgesichertes Aktienportfolio fahren, ergibt sich daraus ein unangenehmes Ungleichgewicht. Um diese Liquiditätslücke zu füllen, versuchen Investmentbanken, einen Markt zu schaffen, der es ihnen erlaubt, Liquiditätsoptionen zu kaufen, die auch unter der Bezeichnung Monetisation Risk Transfer
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Options (MRT) firmieren. Diese geben dem Käufer, in diesem Fall also der Investmentbank, das Recht, einen Aktienkorb mit einem kleinen Abschlag von zehn bis 15 Basispunkten an den Optionsverkäufer zu verkaufen oder zu swappen (Woodall 2016a). Im Rahmen der LCR-Steuerung betrachten die Banken die so veräußerbaren Aktien als höchst liquide und setzen sie ohne Abschlag mit 100 % an. Das ist freilich nicht unumstritten, da das Counterparty-Risiko nicht berücksichtigt wird. Hintergrundinformation Rein technisch betrachtet sind diese MRTs sehr interessant, weil sie beeindruckend einfach aufgebaut sind. Die Grundform ist an einen amerikanischen Put angelehnt, allerdings mit der markanten Besonderheit, dass es keinen festen Basispreis gibt. Der Basispreis richtet sich stattdessen nach dem Schlusskurs an einem bestimmten Tag nach Ausübung. Damit ist diese Option immer am Geld. Daher muss das Gegenüber auch keine Absicherungsoperationen unternehmen, und Margin fällt ebenfalls keine an. Die Prämie kann entweder vorab, im Nachhinein oder als Spread ausgestaltet werden. Technische Besonderheiten und operative Risiken ergeben sich jedoch dadurch, dass der Stillhalter davon ausgeht, dass er die gegebenenfalls angedienten Aktien sofort am Ende des Handelstages vollständig liquidieren kann. Je nach Größe und Marktgängigkeit der Positionen mag dies mitunter schwierig sein, zumal die Kontrakte so ausgestaltet werden können, dass der zugrundeliegende Aktienkorb sich innerhalb gewisser Bandbreite verändern kann. Das ist auch mit einer der Gründe dafür, dass die Dokumentation dieser OTC-Transaktion recht komplex ausfallen kann.
Zum Hintergrund derartiger Regulierungsungleichgewichte vgl. Abschn. 6.9. Wer nun meint, dies belege, dass dies ein Problem des aktuellen regulatorischen Umfelds und sowieso früher alles besser gewesen sei, liegt falsch. Auch hier haben wir es nicht mit einer Erscheinung der Neuzeit zu tun. Beispiel
So ist bekannt, dass schon im 19. Jahrhundert Derivate genutzt wurden, um das 1869 in den USA in Kraft getretene Gesetz auszuhebeln, nach dem das Erheben eines Zinses von mehr als sieben Prozent unter Strafe gestellt wurde (Schmitt 2002). Clevere Finanziers konstruierten sich über die Kombination einer Aktienposition mit einem Short Call und einem Long Put eine marktrisikolose Position. Gleichzeitig wurden die Optionsprämien jedoch so zu den eigenen Gunsten festgelegt, dass der resultierende risikolose Zinssatz weit jenseits der strafbaren sieben Prozent-Marke liegen konnte. So wohnt jeder neuen Regulierungsaktion auch eine Chance inne – oft mittels des Einsatzes von Derivaten.
4.1.6 Steuer-Arbitrage Die Möglichkeiten zur Steuer-Arbitrage ergeben sich aus dem Phänomen, dass Konstruktionen, die zu einem identischen wirtschaftlichen Ergebnis führen, oftmals unterschiedlich besteuert werden. Die Grundlagen und Strategien zur Ausnutzung von Unterschieden in
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der steuerlichen Behandlung gleicher oder gleichartiger Ergebnisse sind im Abschn. 4.6 dargestellt. Einen guten Einblick in die Thematik der Steuer-Arbitrage gibt auch Borgmann (2002). Steuerliche Ungleichbehandlungen von Instrumenten und Anlegergruppen ziehen mitunter auch Abweichungen oder zumindest Unschärfen in der richtigen Bewertung von derivativen Instrumenten nach sich und eröffnen aus der Nachsteuerperspektive Arbitrage-Möglichkeiten. Dieser Aspekt wird in Abschn. 4.1.1 erläutert.
4.1.7 Instrumentelle „Arbitrage“ Es kann auch sein, dass eine Arbitrage-Position aus purer Not eingegangen wird, weil sich ein bestimmtes Auszahlungsprofil anderweitig nicht darstellen lässt. Ein typisches Beispiel sind Märkte, die nicht so entwickelt oder liquide sind, dass sie über einen entwickelten Future-Markt verfügen, andererseits aber Optionen listen. In einem solchen Fall macht man sich die Put-Call-Parität zunutze und erzeugt durch eine Kombination asymmetrischer Optionsprofile das gewünschte symmetrische Future-Profil (Abschn. 2.4.3). Da es hier nicht um die Erzielung eines Gewinns aus der Differenz von Position Gegenposition geht, handelt es sich eher um eine Substitution, als um eine echte Arbitrage.
4.1.8 Kapitalstruktur-„Arbitrage“ Der Kauf von Aktien-Puts zur asset-klassenübergreifenden Absicherung von Bonitätsrisiken wurde an anderer Stelle bereits unter dem Gesichtspunkt des Hedging betrachtet (Abschn. 3.5.5, siehe „Absicherung des Kreditrisikos“). In der Praxis wird diese Technik aber ebenfalls verwendet, um Zusatzerträge zu erzielen. In der Regel spricht man dabei von Kapitalstruktur-Arbitrage. Und damit hat man ein schönes Beispiel für eine Strategie, auf der zwar Arbitrage drauf steht, aber keine Arbitrage drin ist, und mit dem dieses Kapitel seinen Abschluss finden soll. Der Grundgedanke basiert darauf, dass bei einem Unternehmen, das sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet, sowohl der Aktienkurs als auch der Kurs der von ihm emittierten Anleihen über eine Ausweitung des Bonitätsaufschlags (Credit Spreads) fallen sollte. In diesem Fall könnte man das eine Instrument mit dem anderen absichern oder sich identifizierte Unterschiede in der Bepreisung der beiden Alternativen zunutze machen. Eben das versucht die Kapitalstruktur-„Arbitrage“. Beispiel
Man könnte also beispielsweise einen CDS auf die Schulden eines Unternehmens zu 400 Basispunkten verkaufen, was über die Laufzeit des Kontrakts eine barwertige Einnahme von acht Euro je 100 C nominal generieren würde. Bei sich ausweitendem Spread würde diese Position jedoch Verluste einfahren. Um sich dagegen abzusichern,
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kauft man sich eine Position (Aktien) Puts weit aus dem Geld. Nun gilt es einige Annahmen zu treffen im Sinne von „Was passiert, wenn die Firma ihre Schulden nicht mehr bedienen kann?“. Im Beispiel ist ein erwarteter Restwert von 40 % unterstellt. Das Kursziel der Aktie läge bei 0,25 C. Um die Anzahl der benötigten Puts festzustellen, setzt man den erwarteten Verlust (statt der geschuldeten Rückzahlung von 100 C nominal erhält man nur 40 C zurück) ins Verhältnis zum Gewinn aus einem einzelnen Put. Fällt die Aktie auf 0,25 C, beträgt der innere Wert eines Puts mit fünf Euro Basispreis 4,75 C (5 C 0,25 C D 4,75 C). Es sind also 60 C / 4,75 C D 12,63 Puts erforderlich, um den erwarteten Anleiheverlust von 60 C auszugleichen. Kaufmännisch gerundet erwirbt man 13 Kontrakte. Bei einem Preis von 0,5 C je Put belaufen sich die Gesamtkosten auf 6,5 C. Die Einnahme-Ausgabe-Rechnung weist einen Überschuss von 8 C 6,5 C D 1,5 C aus, der verdient wird, wenn entweder kein Default eintritt oder sich ein Default genau entlang der getroffenen Annahmen ereignet. Beispiel-„Arbitrage“ auf die Kapitalstruktur: Verkauf CDS CDS-Preis (Basispunkte) Erwarteter Restwert Barwert kumulierte CDS-Prämie (Euro)
400 40 % 8
Kauf Put (weit aus dem Geld) Basispreis (Euro)
5
Put-Prämie (Euro)
0,5
Erwarteter Aktienkurs bei Default (Euro)
0,25
Erforderliche Anzahl Puts
12,63
gerundet
13
Put-Kosten
6,5
Nettoeinnahme ("Carry" in Euro)
1,5
Break-even Restwert
24,0 %
Es wird auf den ersten Blick klar, dass dies kein sicherer Arbitrage-Gewinn ist. Liegt beispielsweise der Restwert unterhalb der Erwartungen, so wird nur bis zu einem Wert von 24 % ein Gewinn erzielt. Darunter dreht die Position ins Minus. Umgekehrt erhöht ein höherer Restwert den Gewinn. Ebenso unsicher ist der erwartete Aktienkurs im Falle eines Default. Liegt dieser über den prognostizierten 0,5 C, schmälert dies den Gewinn, liegt er darunter, steigt der Gewinn. Bleibt der Preis oberhalb des Basispreises von fünf Euro, verfällt der Put sogar wertlos. Darin zeigt sich das Hauptrisiko: Ein Aktienpreis der sich so stabil hält, dass die Put-Sicherung nicht greift, während es auf der
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4
Derivate zur Optimierung der Performance
Rentenseite gleichzeitig zu einem Default kommt. Auf der anderen Seite besteht die Chance, dass der Aktienpreis sehr stark einbricht und der Default auf die Anleihe vermieden wird. Unkalkulierbare Faktoren, die in beide Richtungen wirken können, sind dabei irgendwelche Kapitalmaßnahmen, die verzerrende Effekte auf die Bepreisung von Eigen- und Fremdkapital haben. An der Strategie selbst ist also nichts auszusetzen, außer ihrer Bezeichnung. Sicherlich sind die beiden Komponenten bis zu einem gewissen Grad wirtschaftlich solide miteinander verbunden, allerdings nicht dergestalt, dass man sie wechselseitig miteinander substituieren könnte. Man sollte sich der getroffenen Annahmen und unterstellten Wirkungszusammenhänge bewusst sein, dann steht einer verantwortungsvollen Implementierung nichts im Wege. Einsortieren sollte man die Strategie um der Transparenz willen aber besser unter Relative Value-, Korrelations- oder Spread-Handel, auch wenn sich Kapitalstruktur-Arbitrage (ohne Anführungszeichen) in der Praxis eingebürgert hat.
4.2 Schreiben von Optionen Der Optionskäufer ist ein Spieler, der Stillhalter ein Kapitalist (André Kostolany).
4.2.1
Verkauf von Kaufoptionen
Deutlich verbreiterter als die Arbitrage ist das Schreiben von Call-Optionen. In der Regel beschränken sich Anleger auf das Covered Call Writing, das heißt, es werden nur Aktienpositionen veroptioniert, die auch im Bestand sind. Das hat Risiko- und psychologische Gründe. Der entscheidende Unterschied ist, dass es beim gedeckten Schreiben von Optionen in steigenden Märkten lediglich zu Opportunitätsverlusten kommt, wenn die Aktien am Verfalltag zu einem unter dem dann gültigen Marktpreis liegenden Kurs abgerufen werden (Abb. 4.2). Es fallen also keine wirklichen Verluste an. Man hat sich durch das Schreiben der Kaufoptionen nur um höhere Gewinne gebracht. Sind die Aktien dagegen nicht im Bestand (sogenanntes Naked Call Writing), muss der Portfoliomanager die Aktien zunächst erwerben, um sie dann sofort mit Verlust an den Optionskäufer abzugeben, oder er muss die geschriebenen Optionen mit Verlust zurückkaufen. In beiden Fällen kommt es zu einem echten Verlust, der auch buchhalterisch transparent gemacht wird. Da das Underlying mitunter extrem stark steigen kann, sind die potenziellen Verluste unbegrenzt (Abb. 2.10). Ein Zwischending zwischen „Covered“ und „Naked“ ist der Buy-write. Dieser wird separat in Abschn. 4.3.1.3 besprochen.
4.2 Schreiben von Optionen
237
200
150
Gewinn & Verlust (Euro)
100
50
0
-50
-100
-150
-200 0
50
100
150
200
250
300
Aktienkurs (Euro) Aktie
Short Call
Covered Short Call
Abb. 4.2 Covered Short Call (Basispreis 150 C); Auszahlungsprofil bei Fälligkeit
4.2.1.1 Motivationen für Covered Short Call Das Covered Call Writing wird im Wesentlichen von drei unterschiedlichen Motivationen getrieben: 1. Ein Anleger, der seine Anlage im Grunde für eine gute hält, jedoch gewisse Vorkehrungen gegen wider Erwarten fallende Kurse treffen möchte, mag sich entschließen, das Kursanstiegspotenzial seiner Anlage zu limitieren und im Gegenzug die Optionsprämie zu vereinnahmen, die als Puffer gegen fallende Kurse dient. Per saldo setzt der Anleger jedoch darauf, dass die Option nicht ausgeübt wird. Tatsächlich reduziert diese Strategie das Risiko des Portfolios. Ein Teil der Renditeverteilung des Underlying wird abgeschnitten. Dadurch reduziert sich die Unsicherheit im zukünftigen Auszahlungsprofil. Allerdings wird ausgerechnet das „Risiko nach oben“, also die Chance auf einen höheren Ertrag, gedeckelt. Im Gegenzug bekommt der Anleger sofort einen sicheren Ertrag in Form der vereinnahmten Optionsprämie. Als Absicherungsstrategie ist dieser Ansatz jedoch zum Glück und zu Recht nicht sehr verbreitet. Aus Abb. 4.2 ist leicht ersichtlich, dass die relativ geringe Optionsprämie, die hier vereinnahmt wird, etwaige Kursverluste im veroptionierten Portfolio nur sehr begrenzt kompensieren kann. Daher ist der Short Call nicht wirklich als wirksame Absicherungsstrategie qualifiziert.
238
4
Derivate zur Optimierung der Performance
2. Ein Anleger, der plant, sich von einer Position zu trennen, kann diese einfach verkaufen oder alternativ einen Call auf den Bestand verkaufen. Die Vor- und Nachteile dieser Strategie sind ausführlich in Abschn. 5.16.1 dargestellt. Anzumerken sei an dieser Stelle nur, dass bei dieser Motivation der Anleger darauf setzt, dass die Option ausgeübt wird und er so sich seines Basiswerts entledigen kann. Daher ist die passendste Markterwartung für den Einsatz einer gedeckten verkauften Kaufoption auch nicht die einer fallenden Aktie, sondern einer tendenziellen Seitwärtsentwicklung – und einer gleichzeitig fallenden impliziten Volatilität, möglichst von einem hohen Niveau aus, damit der Schreiber in die Lage versetzt wird, sie eventuell doch noch vor Verfall gewinnbringend zurückzukaufen. 3. Der mit Abstand häufigste Grund, warum Kaufoptionen verkauft werden, ist die Absicht, durch die Vereinnahmung der Optionsprämien die (ordentlichen) Erträge des Portfolios zu steigern. Diesen Wunsch kann das Covered Call Writing jedoch nicht zwangsläufig erfüllen. Denn es ist nach wie vor höchst umstritten, ob das Schreiben von Calls wirklich zu einer Steigerung des Ertrags führt. Zunächst einmal handelt es sich lediglich um eine Veränderung der Renditeverteilung. Die (in der Realität mehr oder weniger) symmetrische Gaußsche Glockenkurve wir an ihrem rechten Ausläufer beschnitten. Das Ertragspotenzial oberhalb des Basispreises wird verkauft. Im Gegenzug vereinnahmt der Anleger die Optionsprämie. Diese sorgt dafür, dass die Verteilung auf der linken Seite der Verteilung ein Stück nach rechts geschoben wird. Zum Beispiel wird ein Aktienverlust von 20 % durch eine fünfprozentige Optionsprämie auf 15 % reduziert. Insgesamt rückt die Verteilungsmasse mehr in die Mitte der Verteilung. Sehr hohe Gewinne werden abgeschnitten, Verluste reduziert, sodass sich öfter ein moderat positives Ergebnis einstellt. Es handelt sich also um eine Umverteilung von Gewinnen und Verlusten, sodass Gewinne und Verluste im Vergleich zum nicht veroptionierten Portfolio in anderen Szenarien erzielt werden. Eine weitere Facette dieser Motivation ist der Tausch von außerordentliche Erträgen (Kursgewinnen) gegen ordentliche Erträge (Vereinnahmung der Optionsprämie). Insbesondere in Zeiten der von den Zentralbanken geschaffenen Niedrigrenditephase spielen eingenommene Optionsprämien eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, die Löcher, die die drastisch gesunkenen Kupons gerissen haben, zu schließen. Während in einem normalen Zinsumfeld die meisten Anleger ein ausgewogenes Profil zwischen Einkommen und Kursgewinnen haben, weil die Kupons hoch genug sind, um die aus dem Vermögen zu bestreitenden Ausgaben abzudecken, wächst in zinsseitigen Dürrephasen die Gruppe der Investoren, die ihre Portfolios einkommensfokussiert aufstellen.
4.2.1.2 Short Call im Absolute Return Die Vorstellung, einen gewissen sicheren Zusatzertrag „lediglich“ mit dem Risiko bezahlen zu müssen, noch höhere Gewinne auf eine Position nicht realisieren zu können, macht das Call Writing für viele Anleger, deren Fokus auf der absoluten Ertragsentwicklung („neudeutsch“: Absolute Return Investoren) liegt, zu einer sehr attraktiven Strategie.
4.2 Schreiben von Optionen
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4.2.1.2.1 Discount-Zertifikate So erklärt sich auch die große Beliebtheit von Discount-Zertifikaten. Dabei handelt es sich um strukturierte Wertpapiere, die in Deutschland erstmals im Jahr 1995 verkauft wurden. In diesen Papieren wird eine Long-Position im Underlying – häufig in Form von CallOptionen mit einem Basispreis von null – mit einem Short Call kombiniert. Die vereinnahmte Call-Prämie wird vom Emittenten des Zertifikats zu mehr oder weniger großen Teilen in Form eines Abschlags auf den aktuellen Marktpreis des Underlying an den Käufer weitergereicht. In der Tat zeigt eine Studie der Deutschen Bank (2016) ein realisiertes Auszahlungsprofil, das für eine Menge Anleger von Interesse sein dürfte. Auf der Basis von 114.595 Discount-Zertifikaten, die ab dem 4. November 1999 aufgelegt und bis zum Jahresende 2015 fällig geworden waren, ergibt sich eine Ergebnisverteilung, bei der im Vergleich zum Underlying spektakuläre Gewinne drastisch beschnitten sind, massive Verluste jedoch ebenfalls deutlich seltener auftreten. Stattdessen sind die Ergebnisse stark um die Nulllinie massiert (Abb. 4.3). Gerade im Privatkundenbereich, in dem es in aller Regel nicht um das Anlageziel „Schlagen einer Index-Benchmark“ geht, ist der Griff zum Discount-Zertifikat durchaus keine Seltenheit. Immerhin betrug das ausstehende Volumen an Discount-Zertifikaten in
Abb. 4.3 Performance-Verteilung von Discount-Zertifikaten und deren Basiswerten. (Quelle: Deutsche Bank 2016)
240
4
Derivate zur Optimierung der Performance
Deutschland zeitweilig mehr als 14 Mrd. C (Deutsche Bank 2016). Überhaupt spielt die Wahrnehmung offenbar gerade in diesem Bereich eine große Rolle. Nachweislich handelt es sich bei Discount-Zertifikaten und Aktienanleihen um zwei Verpackungen für das gleiche Auszahlungsprofil, nämlich den gedeckten Verkauf einer Kaufoption (Covered Short Call) respektive Short Put. Dennoch existieren augenfällige Unterschiede in der Nachfrage nach diesen Verpackungen. Bis zur Einführung der Abgeltungssteuer im Jahre 2009 wurden Discount-Zertifikate bevorzugt, da sie für den Privatanleger steuerlich interessanter waren. Danach stieg jedoch der Absatz von Aktienanleihen augenfällig an – und dies, obwohl diese bei identischer Ausgestaltung gegenüber Discount-Zertifikaten einen geringeren Ertrag abwerfen (Klotz 2010). Darin mag paradoxerweise allerdings auch eine Erklärungsmöglichkeit für dieses Phänomen liegen. Finanzprodukte werden ja bekanntlich nicht ge-, sondern verkauft. Da die höhere Marge dieser Produkte zumindest zu einem Teil beim vertreibenden Institut verbleibt, bestehen hier Anreize für erhöhte Vertriebsanstrengungen. Das einzige andere Argument für einen erhöhten Absatz im teureren Produkt wäre die Wahrnehmung einer erhöhten Sicherheit der Aktienanleihe, da diese mit Sicherheit suggerierenden Vokabeln wie „Anleihe“ und „Kupon“ bestückt ist. Offenbar durchschauen die Käufer die wahre Struktur nicht beziehungsweise werden nicht über diese von ihrem Berater aufgeklärt, so sie denn einen solchen zu Rate ziehen. 4.2.1.2.2 Andere Umsetzungsformen Die Art der Umsetzung einer Short-Call-Strategie kann durchaus auch für institutionelle Anleger ein Punkt sein, über den sich eine kurze Reflektion lohnt. Ist von größeren anzulegenden Vermögen die Rede, lohnt es sich in der Regel für den Investor eher, seine Bestände selbst zu veroptionieren als auf die mit einer Konstruktionsgebühr belasteten Zertifikate zurückzugreifen – vorausgesetzt, er verfügt über das Mindest-Know-how, um die Chancen und Risiken dieser Strategie einschätzen zu können. Dies sollte er jedoch in jedem Fall haben, da er die Strategie sonst am besten überhaupt nicht umsetzen sollte, ganz gleich in welcher Verpackung. Auch die Einwände „Keine Zeit“ oder „Keine Lust, sich damit zu beschäftigen“ stechen nicht wirklich, da er auch für verpackte Instrumente gewisse Anstrengungen unternehmen muss, um ein gutes und passendes Produkt ausfindig zu machen. Unter diesem Gesichtspunkt ist der Weg direkt an eine Terminbörse wahrscheinlich der kürzeste. Ein Teil der Anleger, die hinreichend über Derivate Bescheid wissen, mag aber nach sorgfältiger Abwägung aller Vor- und Nachteile dennoch zu dem Schluss gekommen sein, dass für Orders mit einem relativ geringen Volumen die Umsetzung der Covered-Call-Strategie über die vorgefertigten Discount-Zertifikate für sie den effizientesten Umsetzungsweg im Vergleich zum eigenständigen Veroptionieren von Aktienbeständen darstellt. Der institutionelle Investor hat aber die Möglichkeit, sogar noch einen Schritt weiter zu gehen, um seine Erträge über das Schreiben von Calls zu verbessern. Dazu könnte er mehrere Investmentbanken anfragen, ob diese bereit wären, seine Bestände als Underlying für extra zu emittierende, gedeckte Optionsscheine (Covered Warrants, Abschn. 4.1.4.2) zu
4.2 Schreiben von Optionen
241
nutzen. Dazu wird der zu veroptionierende Bestand in einem Extradepot hinterlegt. Der Stillhalter verkauft anschließend Optionen auf diesen Bestand an die Emissionsbank, die wiederum die Optionen vor allem im Privatkundensegment anbietet. Sofern die strukturierende Investmentbank bereit ist, etwas von der hier vereinnahmten Marge an den Investor weiterzuleiten, könnte er seine an einer Terminbörse erzielbare Prämie noch um einen Zusatzertrag anreichern. Während der Laufzeit der Optionen kann der Stillhalter seine Short-Position aktiv bearbeiten. Bei günstigen Gelegenheiten, die sich oft im Rahmen von größeren Marktbewegungen ergeben, kann er Optionen zurückkaufen, um diese dann zu einem späteren Zeitpunkt wieder an den Markt zu bringen. Oder er veräußert die durch den Optionsrückkauf frei gewordenen hinterlegten Aktien.
4.2.1.3 Short Call im Relative Return Der Verkauf von Kaufoptionen kann auch für einen Portfoliomanager, der im Auf- wie im Abwärtsmarkt kompromisslos gegen eine Index-Benchmark gemessen wird, neue Handlungsspielräume eröffnen. Dazu folgende Überlegung: Eine Aktie kann drei verschiedene Richtungen einschlagen: a. Sie kann steigen. b. Sie kann fallen. c. Sie kann sich seitwärts entwickeln. In zwei von drei Fällen (b und c) schneidet der Optionsnutzer besser ab als der Anleger, der nur eine Aktienposition hält. In beiden Fällen sorgt die Optionsprämie für einen Mehrertrag. Das verleiht der Schreibstrategie zumindest eine Grundattraktivität. Sofern er Bestände systematisch veroptionieren möchte, kommt es im Endeffekt darauf an, welche der Phasen wie häufig eintritt, wie hoch die vereinnahmte Prämie ist (also auf die Höhe der impliziten Volatilität) und wo genau man die definitorische Grenze zwischen einem Seitwärts- und einem steigenden Markt zieht. Ob und inwieweit sein Portfolio durch abgerufene Titel in Mitleidenschaft gezogen wird, hängt davon ab, a. wie nah am Geld oder wie tief im Geld der Manager den Basispreis gelegt hat. Je tiefer der Basispreis, desto wahrscheinlicher ist es, dass dieser erreicht wird bzw. überschritten wird. So ist die Moneyness auch ein Gradmesser für die Überzeugung in die eigene Prognose, dass das Aufwärtspotenzial des veroptionierten Titels begrenzt ist. Bin ich mir meiner Sache sehr sicher, wird die Option nahe am Geld geschrieben. Je höher das Überraschungspotenzial nach oben eingeschätzt wird, desto weiter aus dem Geld wird der Basispreis fixiert. Je dringender ich die Aktie loswerden will, desto tiefer der Strike Price. b. wie hoch die realisierte Volatilität des Index/der Einzeltitel ausfällt. Je höher die Schwankungsbreite, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass der Basispreis erreicht bzw. überschritten wird und die Option weit ins Geld läuft.
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Derivate zur Optimierung der Performance
c. wie hoch die Korrelation zwischen den Einzeltiteln ausfällt. Im Falle von veroptionierten Einzeltiteln sorgt eine hohe Korrelation in einem Seitwärtsmarkt oder bei fallenden Kursen dafür, dass alle Optionen eher aus dem Geld bleiben. In einem steigenden Markt bei hoher Korrelation sind jedoch eher mehr Aktien abrufgefährdet. Für eine Indexoption bedeutet eine höhere Korrelation einen Impuls hin zu einer höheren Indexvolatilität. d. wie groß die Covered Call-Position relativ zum Portfolio gewählt wurde. Selbstverständlich hat eine größere Position einen größeren Einfluss (Schneider et al. 2003). e. welche aktive Gewichtung gegenüber der Benchmark der Portfoliomanager mit den Calls bearbeitet, ob er also eine über-, neutral oder untergewichtete Position veroptioniert. In jedem Fall muss er sich bewusst sein, dass er mit dem Schreiben von Calls das Abweichungsrisiko gegenüber der Index-Benchmark erhöht. Ein Verkauf von Calls reduziert das Aktien-Exposure in Höhe des Delta-Beitrags der Optionen und mit ihm die Volatilität des Portfolios. Beispiel
Wird ein reines Aktienportfolio mit einem 20-prozentigen Short Call am Geld (Delta ca. 0,5) angereichert, resultiert daraus ein wirtschaftliches Aktien-Exposure von 90 % (100 % 20 % 0,5). Das Portfolio beinhaltet also eine synthetische Geldmarktposition in Höhe von zehn Prozent. In einem steigenden Markt wirkt diese wie ein Klotz am Bein der relativen Performance des Portfolios gegenüber der Benchmark. In einem fallenden Markt bremst sie den Rückgang. Das Problem verschärft sich natürlich, wenn die Option ins Geld läuft und schließlich abgerufen wird. Zunächst steigt die synthetische Geldmarktquote im Portfolio immer weiter an und bremst die Performance. Und schließlich muss die Position gegebenenfalls eingedeckt werden, was auch noch Transaktionskosten nach sich zieht. Am unproblematischsten ist die relative Risikosituation, wenn nur eine Übergewichtung veroptioniert wurde. Bei Abruf verfügt der Portfoliomanager dann über eine neutrale Position ohne Einfluss auf seine relative Performance. Von da aus kann er überlegen, wie er mit diesem Posten weiter verfahren möchte. Andernfalls bewirkt eine ins Geld laufende Kaufoption eine mehr oder weniger starke Untergewichtung gegenüber dem Vergleichsindex. Dieser Effekt kann von dem Portfoliomanager ganz bewusst genutzt werden, um eine bedingte Untergewichtung herbeizuführen. Fast unschlagbar ist das Schreiben gedeckter Optionen in Mandaten, für die der Anlageauftrag nicht klar spezifiziert ist und irgendwo in der Sphäre „Möglichst stark am Aktienmarkt partizipieren oder diesen gar schlagen – ansonsten aber in jeder Marktphase ein möglichst hohes absolutes Ergebnis“ schwebt. Wenn der Anleger sich nämlich die passende Sichtweise zu eigen macht, gewinnt er in jeder Marktphase. Im fallenden Markt begrenzt er seine Verluste im Vergleich zu einem reinen Aktien-Investment – auch wenn
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die Gesamtposition im Minus liegt. Im (stark) steigenden Markt bleibt seine Performance hinter derjenigen der Aktienanlage zurück. Dennoch wird mancher auf einen positiven absoluten Ertrag verweisen. Und im Seitwärtsmarkt liegt er sowohl vor der reinen Aktienanlage als auch vor der Kasseverzinsung. Freilich ist das ein sehr Marketing-betonter Ansatz, da er jeweils den Referenzrahmen wählt, in dem die Strategie gut aussieht. Nichtsdestotrotz laufen einem immer wieder Anleger und Sales-Leute über den Weg, die mit dieser Beweisführung ihr Talent beim Schreiben von Kaufoptionen herauszustellen versuchen.
4.2.1.4 Chancen von systematischem Call Writing Doch nicht jeder ist von der Vorteilhaftigkeit des Short Call überzeugt. Die Abneigung gegen Short Calls kann ganz handfeste pekuniäre Gründe haben. Zunächst einmal ist, wie gesagt, das Verlustpotenzial einer ungedeckten Position unbegrenzt. Daher ist das Schreiben ungedeckter Positionen in der Praxis auch deutlich weniger populär. Auch wenn gedeckte Positionen davon verschont sind, können auch die hier anfallenden Opportunitätsverluste mitunter ein beträchtliches Ausmaß annehmen. Schneidet man beispielsweise bei einem langfristigen Aktien-Investment die Tage mit den höchsten Kurssteigerungen heraus, fällt die langfristige Rendite schnell recht deutlich. Mit einer Investition in europäische Aktien zu Beginn des Jahres 1999 hätte man sein Geld bis Mitte 2016 ziemlich genau verdoppelt. Hätte man jedoch nur die zehn besten Tage verpasst, stünde sogar ein kleiner Verlust zu Buche. Gerade das Profil, dass man durch eine einzige stark ins Geld gelaufene Option die Prämieneinnahme mehrerer Jahre verlieren kann, hat dem Schreiben von Optionen den Ruf eines Loser’s Game eingebracht, eines Spiels, in dem derjenige gewinnt, dem es am besten gelingt, Fehler zu vermeiden. Bei Licht besehen ist das aber nicht unbedingt ein Argument gegen das Schreiben von Optionen, weil der Markt im Umfeld eines solch herausragend positiven Tages auch gefallen sein könnte, sodass die geschriebene Option am Fälligkeitstag nicht oder nicht weit ins Geld gelaufen sein könnte. Wir haben bereits gesehen, dass es vollkommen normal ist, dass ein Optionsverkäufer in einem Sechstel der Fälle stärker underperformt, was, bei fair gepreisten Optionen, durch kleine Gewinne in fünf Sechsteln der Fälle ausgeglichen wird. Dies hängt damit zusammen, dass in die Optionsbewertung genau eine Standardabweichung einfließt (Abschn. 2.4.3). Die zentrale Frage ist also, ob die vereinnahmten Optionsprämien diese verpassten Kursgewinne ausgleichen können. Die Eigenheiten der Finanzmärkte liefern zumindest einen Ansatzpunkt, um mit dem Schreiben von Optionen einen Zusatzertrag zu erzielen. Dieser basiert auf der Tatsache, dass in aller Regel die in den Optionen gehandelte implizite Volatilität die vom Basiswert tatsächlich realisierte Volatilität übersteigt. Wenn man also Optionen verkauft, in denen eine preisbildende Komponente, nämlich die Volatilität, regelmäßig überbewertet ist, ergibt sich eine erhöhte Chance, mit dieser Strategie einen Mehrwert zu erzielen. Details zu diesem Phänomen finden sich in Abschn. 4.4.2 unter „Spread implizite/historische Volatilität“.
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Derivate zur Optimierung der Performance
Ob das systematische Schreiben von Calls in der Lage ist, einen Mehrwert zu schaffen, ist bis heute umstritten (zum Beispiel Bookstaber und Clarke 1984). Es gibt eine unglaubliche Fülle an Studien, die zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Für das Pro-Camp, die zu dem Schluss kommen, dass das Schreiben von Optionen vorteilhaft ist, stehen exemplarisch Malkiel und Quandt (1969), Malkiel (1972), Yates und Kopprasch (1980), Trennepohl und Dukes (1981), Amanti et al. (2004), Saksena et al. (2009). Dagegen sprechen unter anderem die Studien von Merton et al. (1978), die Call Writing-Strategien unterhalb der Kapitalmarktlinie verorten, Albrecht et al. (1995), die einen recht deutlichen Renditeverlust attestieren und viele weitere. Typisch für das Kontra-Lager sind Ineichen und Khaira (1999a): Grund für das schlechtere Ergebnis der Schreibstrategie sind die relativen häufigen Ausreißer, also Perioden, in denen die Aktien sich sehr gut entwickeln. In diesen Phasen werden Opportunitätsverluste aufgebaut, die von den vereinnahmten Optionsprämien nicht wieder hereingeholt werden. Das systematische Schreiben funktioniert auch dann nicht, wenn man die Strategie variiert. Beispielsweise wurde der Basispreis in Abhängigkeit vom Volatilitätsniveau variiert oder nur dann Optionen geschrieben, wenn die Prämie ein Prozent des Aktienpreises übersteigt. Letzteres hat immerhin die Ergebnisse etwas verbessert, jedoch nicht in hinreichendem Maße, um die Strategie attraktiv zu machen. Interessanterweise wurde auch untersucht, ob es vielleicht sogar sinnvoll sein kann, nur bei niedrigen Volatilitäten Optionen zu schreiben. Die Überlegung dahinter ist, dass eine niedrige implizite Volatilität die Erwartung des Marktes widerspiegelt, dass man in naher Zukunft mit eher niedriger realisierter Volatilität rechnen kann und damit einer niedrigen Wahrscheinlichkeit, ausgeübt zu werden. Im Gegensatz zu Yates und Kopprasch (1980) kommen sie jedoch zu dem Schluss, dass dieser Ansatz keine Verbesserungen bringt. Wie diese Beispiele (und viele weitere, hier nicht angeführte) zeigen, ergibt sich kein eindeutiges Bild für oder wider das mechanistische Schreiben von Optionen. Dies mag auch dem Umstand geschuldet sein, dass im Rahmen der Studien unterschiedliche Märkte und vor allem verschiedene Perioden untersucht wurden. Gerade im Optionsbereich haben sich die Charakteristika des Marktes in den vergangenen Jahren immer wieder entscheidend verändert. Angefangen bei den Bewertungsimplikationen von neuen Modellen und stärkerer EDV über die Entstehung neuer Marktstrukturen und Marktereignisse, wie dem Aktienmarkt-Crash 1987, der zum Auftauchen des Skew führten, bis hin zu den Auswirkungen von Änderungen im Emissionsverhalten der Banken (Abschn. 7.6.4.1). So kommen auch die oben angeführten frühen Studien, die vor Entwicklung der Black-Scholes-Formel datieren, eher zu dem Schluss, dass sich das Schreiben von Optionen damals noch lohnte. Dies mag damit zu tun haben, dass zu diesen Zeiten Optionen in der Tat weit weniger fair gepreist wurden als nach der allgemeinen Verwendung der Black-ScholesFormel. Mitte 2002 hat die Chicago Board Options Exchange den S&P 500 BuyWrite Index (BXM) eingeführt und damit eine Art Flaggschiff für die Strategie des Call-Schreibens ins Leben gerufen. Der Index errechnet sich als das Ergebnis eines monatlichen Verkaufs von Calls auf den S&P 500-Index, wobei die Optionen knapp aus dem Geld notieren. Da
4.2 Schreiben von Optionen
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16
14
12
10
8
6
4
2
0
Jun. 88
Jun. 93
Jun. 98 S&P 500 TR
Jun. 03
Jun. 08
Jun. 13
CBOE S&P 500 BuyWrite Index
Abb. 4.4 CBOE BuyWrite Index versus S&P 500 Total Return. (Datenquelle: CBOE; eigene Grafik)
der Index bis Juni 1988 zurückgerechnet ist, ergibt sich eine mehr als zwanzigjährige Historie an Datenmaterial. Der Index schreibt seine Optionen auf der Geld-Seite. Insofern sind sogar die Transaktionskosten teilweise berücksichtigt, was ihm eine gewisse erhöhte Glaubwürdigkeit verleiht. Mittlerweile haben verschiedene Studien die Wertentwicklung des Index untersucht. Sie kommen einhellig zu dem Schluss, dass sich das Schreiben von Optionen in diesem Modus gelohnt hätte – zumindest auf risikoadjustierter Basis (Whaley 2002; Feldman und Roy 2004; Hill et al. 2006; Davi et al. 2006). Kapadia und Szado (2007) stellen eine ähnliche Untersuchung auf den Russell 2000 Index an und attestieren dem Call-Schreiben ebenfalls Durchschnittsrenditen, die im Bereich des Index selbst liegen. Ob der Index bei einer reinen Renditebetrachtung den Aktienmarkt schlägt, hängt vom Stichtag bzw. dem Untersuchungszeitraum ab. In Abb. 4.4 ist schön zu erkennen, dass der Optionsindex vor allem in Phasen fallender Aktienkurse eine bessere Wertentwicklung aufweist und in (stark) steigenden Märkten ins Hintertreffen gerät; ein Umstand, der nicht weiter verwundert. Hintergrundinformation Mittlerweile hat eine Reihe von Produkten auf den BXM aufgesetzt, die alle einen investierbaren Track Record liefern. So wurden allein in den USA über 20 geschlossene Fonds und eine ganze Reihe von offenen Investmentfonds auf den BXM lanciert (Hill et al. 2006). Außerdem hat die CBOE selbst im Herbst 2006 einen Future auf den BXM gelistet.
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4
Derivate zur Optimierung der Performance
Der BXM wurde später durch den CBOE DJIA Buy Write Index (BXD) ergänzt. Er folgt dem gleichen Prinzip wie der Pionier, verwendet als Basisportfolio jedoch den Dow Jones Industrial Average.
Auch Ansätze, die populäre Hedgefonds-Strategien replizieren, bauen Short Calls oft als einen Bestandteil in ihre Strategien ein (Busack und Tille 2009; Fung und Hsieh 2002, 2004; Jaeger 2005, 2008). Das so erzeugte Chance-Risiko-Profil scheint also zumindest so attraktiv zu sein, dass es sich auch im Bereich der hochpreisigen Hedgefonds einsetzen und vertreiben lässt. Performance-Analyse von Covered Call Writing Figelman (2008) zerlegt die Rendite einer Covered-Call-Strategie in drei Bestandteile: den risikolosen Zins, den Mehrertrag des Aktienmarkts gegenüber dem risikolosen Zins und die Differenz zwischen impliziter und realisierter Volatilität. Im Betrachtungszeitraum von März 1994 bis September 2005 tragen die einzelnen Komponenten folgende Anteile zum Gesamtergebnis bei: Risikoloser Zins 42,6 % Aktienrisikoprämie 28,8 % Vola-Spread 28,5 % Je näher die Option dem Verfall kommt, desto mehr Bedeutung gewinnt die letzte Komponente, der Spread zwischen impliziter und realisierter Volatilität. Diese Erkenntnis bestätigt die am Markt vorherrschende Tendenz, möglichst kurze Optionen zu schreiben. Israelov und Nielsen (2015) spalten den Wertverlauf von Covered-Call-Strategien in drei Bestandteile auf, die man grob als Delta, Vega und Gamma etikettieren könnte. Delta und Gamma sind die Komponenten, die aus der Richtungsbewegung des Underlying herrühren, während Vega das Volatilitätsrisiko abschätzt. In dieser Untersuchung bestätigt sich, dass die Bewegung des Underlying wesentlich wichtiger für den Verlauf der Strategie ist als die Volatilität. Der Beitrag der Preisbewegung des Underlying zum Risiko beträgt durchschnittlich 93–95 % (je nach Moneyness der geschriebenen Optionen) und zum Ertrag 68–74 %.
4.2.1.5 Flexibles Call Writing Flexible Portfoliomanager setzen Covered Calls in der Regel zumindest selektiv ein. Allerdings ist auch ein aktiver Ansatz beim Schreiben von Optionen kein Erfolgsgarant. Aktive Optionsschreiber tun sich erfahrungsgemäß ebenfalls schwer damit, die CrashPhasen nach oben zu vermeiden. In den Vereinigten Staaten hat der Verkauf von Kaufoptionen eine lange Historie. Schon im Jahr 1989, in dem der S&P 500 über 30 % gewann, mussten Firmen, die sich auf das Schreiben von Calls spezialisiert hatten, die schmerzliche Erfahrung machen, dass ein einziges Jahr die mühsam über mehrere Jahre erarbeiteten Gewinne auslöschen kann. Besonders bitter war, dass nur zwei Jahre später ein weiteres Jahr
4.2 Schreiben von Optionen
247
gleichen Kalibers die Schmerzen weiter vergrößerte (Bensman 1994). Und „schmerzlich“ ist in diesem Fall wörtlich zu nehmen, da die psychische Belastung des Portfoliomanagers in einer Phase, während der er massiv falsch liegt, immens sein kann. Daraus erwächst auch ein zusätzliches Risiko für fatale Fehlentscheidungen. Generell besteht die Schwierigkeit bei der Entscheidung, welche spezifische Option auf welche Position geschrieben werden soll, darin, dass der Manager zu einer Aussage über den vorstellbaren Kursverlauf des Underlying gezwungen ist und diese Meinung mit einer Einschätzung zur erzielbaren Optionsprämie, sprich der Höhe der impliziten Volatilität, kombinieren muss. Selbst wenn ein Portfoliomanager diese Einschätzungen nicht explizit trifft (obwohl er es sollte), drücken sich seine Überzeugungen hinsichtlich dieser Parameter in der eingegangenen und den verworfenen Positionen implizit aus. Da er um die Meinungsbildung also ohnehin nicht herumkommt, ist es allemal besser, diese im Rahmen eines bewussten Prozesses ablaufen zu lassen. 4.2.1.5.1 Basispreis Bezüglich der Kursrichtung setzt er natürlich bevorzugt auf solche Werte, bei denen er tendenziell von einer Seitwärtsbewegung ausgeht. Wie aggressiv er dabei vorgeht, wie tief er also den Basispreis setzt, ist eine Abwägung zwischen verschiedenen Überlegungen: 1. Wie überzeugt ist er von seiner Richtungsprognose? Ist er gar überzeugt, dass der geschriebene Titel ein wenig fällt, kann er den Basispreis auf einem niedrigeren Niveau ansetzen. Je unsicherer die Richtungsmeinung, desto mehr Spielraum sollte nach oben bleiben und sich in einem höheren Basispreis widerspiegeln. 2. Welche Prämie will er erzielen? Je tiefer der Basispreis, desto höher die Prämieneinnahme. 3. Welche Ausübungswahrscheinlichkeit toleriert er? Je weniger es sein Portfolio beschädigt, wenn die Option doch wider Erwarten ausgeübt wird, desto niedriger kann der den Basispreis wählen. Das kann so weit gehen, dass ein Anleger Calls tief im Geld schreibt, um so bei sehr hoher Ausübungswahrscheinlichkeit eine möglichst geringe Unsicherheit hinsichtlich der zu erwartenden Erträge herzustellen. 4. In welcher Höhe toleriert er Opportunitätskosten? Neben der Frage der Ausübungswahrscheinlichkeit stellt sich die Frage nach der Leidensfähigkeit im Falle einer Fehleinschätzung. Welche Opportunitätskosten, im Falle des absoluten Ertrags, respektive Underperformance, falls das Mandat gegen einen Index gemanagt wird, wird toleriert? Dies erfordert eine Einschätzung, wie hoch der Basiswert steigen kann. Dieses Risiko ist natürlich auch eine Funktion der Positionsgröße und kann somit auch über diese ausgesteuert werden. 4.2.1.5.2 Laufzeit Eng verbunden mit der Wahl des Basispreises ist die Wahl der Laufzeit. Diese hängt primär davon ab, welche Kursentwicklungen der Manager in welcher Zeitspanne für möglich hält. Im Rahmen seiner Überlegungen muss er die in der Regel höhere implizite Volatilität
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Derivate zur Optimierung der Performance
und die höhere Prämieneinnahme länger laufender Optionen dem schnelleren Abbau des Zeitwerts einer Option kurz vor Verfall gegenüberstellen. Bei kürzeren Optionen ergibt sich aufgrund des Zeitwertverfalls eher die Möglichkeit, die Option schon nach kurzer Zeit mit einem höheren Gewinn zurückzukaufen, als dies bei einer Option mit längerer Laufzeit der Fall ist. Dafür ist bei länger laufenden Optionen die absolute Prämie höher. Das spielt insbesondere im Hinblick auf die Transaktionskosten eine Rolle. Bei kurz laufenden Optionen kann die Optionsprämie so niedrig sein, dass sie mehr oder weniger komplett von den Transaktionskosten aufgefressen wird. Dennoch verzeichnen die oben aufgelisteten Studien eine gewisse Tendenz, eher kurzlaufende, am Geld notierende Optionen zu schreiben, um die risikoadjustierte Performance eines Aktienportfolios zu verbessern. Allen et al. (2006), testen sogar wöchentliche Optionen, während die Mehrzahl der Studien meist bei Monatsoptionen beginnt. 4.2.1.5.3 Zusammenhang Kurs und Volatilität Die Komplexität „richtigen“ Parametrisierung der Strategie wird noch dadurch angereichert, dass zwischen Kursbewegung und Veränderung der impliziten Volatilität ein mehr oder weniger deutlich ausgeprägter Zusammenhang bestehen kann. Häufig ist zu beobachten, dass bei steigenden/fallenden Kursen die Volatilität tendenziell fällt/steigt (Abschn. 7.2.4; zu Erklärungsansätzen vgl. Abschn. 5.3.3). Abb. 4.5 stellt die Tagesbewegung im DAX derjenigen der impliziten Volatilität gegenüber. Der negative Zusammenhang, bei dem sich 77 % der Beobachtungen im linken-oberen und rechten-unteren Quadranten befinden, ist deutlich erkennbar. In der Regel wird der Portfoliomanager ja versucht sein, Aktien, die in der jüngeren Vergangenheit gut gelaufen sind und denen er kurzfristig weniger Aufwärtspotenzial
30,00%
32%
14%
Änderung implizite Vola
25,00% 20,00% 15,00% 10,00% 5,00%
-10,00%
-8,00%
-6,00%
-4,00%
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0,00% 0,00%
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-5,00% -10,00% -15,00%
9%
-20,00%
45%
Änderung DAX Abb. 4.5 Tendenziell gegensätzliche Entwicklung von Aktienmarkt und impliziter Volatilität
4.2 Schreiben von Optionen
249
zutraut, zu schreiben. Allerdings werden diese oft nach einer Phase eines andauernden Kursanstiegs eher eine niedrige Volatilität aufweisen und somit auch eine kleine Optionsprämie erzielen. Sollte der starke Kursanstieg jedoch auf einen eher eruptiven Kurssprung zurückzuführen sein, kann dies auch eine hohe implizite Volatilität nach sich ziehen und den Verkauf der Option lohnenswert machen. Umgekehrt bietet eine Phase, in der der negative Zusammenhang zwischen Kurs und Volatilität sehr ausgeprägt ist, ein gewisses Sicherheitsnetz für eine eingegangene Short Call-Position. Bei einem ungewollt positiven Kursverlauf des Underlying sollte die implizite Volatilität der Option fallen, sodass sich ein möglicherweise erforderlicher Rückkauf der Position eher verkraften lässt. Verlassen sollte man sich auf diesen negativen Zusammenhang jedoch nicht. Immer wieder kommt es zu Ausreißern dergestalt, dass die implizite Volatilität nicht gegen-, sondern mitläufig reagiert, sie also mit einem steigenden (fallenden) Aktienmarkt mitsteigt (-fällt). Aufgrund struktureller Unwuchten bei Angebot und Nachfrage können sich derartige Verzerrungen in Teilen des Marktes auch über mehrere Jahre hinziehen (Abschn. 7.6.4.1.1). 4.2.1.5.4 Enge oder breite Option Darüber hinaus muss sich der Investor, wie auch schon bei der Absicherung, die Frage beantworten, ob er lieber eine breit gefasste Option, beispielsweise mit einem Index als Basiswert, oder eine Kombination von enger gefassten Optionen, beispielsweise auf die einzelnen, im Index enthaltenen Aktien, einsetzt. Die Argumente der Absicherung gelten hier spiegelbildlich: In Summe erzielen die verkauften Einzeltiteloptionen eine höhere Prämieneinnahme. Die absolute Prämie auf einen vergleichbaren Index-Call ist geringer, da die nicht perfekte Korrelation zwischen den Indexkomponenten für eine reduzierte Indexvolatilität sorgt. Der tendenziell höhere Abstand zwischen impliziter und realisierter Volatilität bei Indexoptionen kann den Korrelationseffekt nicht aufwiegen. Allerdings wird auch hier erst bei Fälligkeit (oder vorzeitigem Rückkauf) abgerechnet. Denn letztlich entscheidend ist, welche Optionen am Ende ins Geld laufen. Maßgeblich dafür ist die Dispersion, die Streuung der Wertentwicklung der Einzelaktien (Abschn. 3.1.1, siehe „Vertiefung: Einzelner Kontrakt oder Kontraktportfolio?“). Kommt es zu einer hohen Dispersion, würden viele Aktien nach oben ausreißen und relativ zur Indexoption das Ertragspotenzial reduzieren (Allen et al. 2006b). Der Anleger muss sich also eine dezidierte Meinung bilden, wie es seiner Meinung nach um die zu erwartende Dispersion bestellt sein wird. 4.2.1.5.5 Anlagealternativen Und selbst wenn der Portfoliomanager einen Titel identifiziert hat, der seiner Meinung nach einen bestimmten Kurs nicht übersteigen wird und bei dessen Veroptionierung er eine hohe implizite Volatilität verkaufen kann, muss er dennoch überlegen, ob die in dieser Position gebundenen Mittel nicht anderswo besser angelegt sind. Gibt es vielleicht eine andere Aktie, der er ein Kursentwicklungspotenzial zubilligt, das den erwarteten
250
4
Derivate zur Optimierung der Performance
Gesamtertrag aus der Covered Call Position (Kursanstieg des Underlying bis maximal zum Basispreis der Option zuzüglich erhaltener Optionsprämie) übersteigt? Dann wäre er besser beraten, keinen Call zu schreiben, den zu veroptionierenden Wert zu verkaufen und im Gegenzug die aussichtsreichere Position aufzubauen. Oder aber er klappt seinen Derivatekoffer noch weiter auf und sucht in der Abteilung für Spezialitäten nach Strategievarianten, die es ihm erlauben, seine Einschätzung des Titels noch differenzierter umzusetzen. Dort könnte er beispielsweise bei irgendeiner kombinierten Position in Form eines Spread Trades fündig werden. Besteht das Kernergebnis seiner Analyse beispielsweise darin, dass die Aktie zwar nur noch begrenztes Kurspotenzial hat, er aber vor allem aber einen massiven Einbruch der derzeit noch sehr üppigen impliziten Volatilität erwartet, kann er diese Erkenntnis durch den simplen Verkauf der Aktie nicht zu Geld machen. In seinem Werkzeugkoffer findet sich aber auch der Ratio Call Spread, der für derartige Konstellationen maßgeschneidert ist (Abb. 4.6). I Definition Der Ratio Call Spread besteht in seiner Grundform aus einem gekauften Call und mehreren Calls, die auf einem höheren Basispreis geschrieben werden (Abb. 4.6). Mit diesem Wissen ausgerüstet, könnte der Portfoliomanager beispielsweise die Aktie im Bestand lassen (er könnte sich auch, wie abgebildet, durch einen Long Call ersetzen, aber der wäre bei der aktuell hohen impliziten Volatilität eher teuer) und im Bereich seines Kursziels für die Aktie mehrere Calls schreiben. Beispielsweise wird beim abgebildeten 2:1 Ratio Call Spread ein Call gekauft und zwei Calls mit höherem Basispreis verkauft.
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Aktienkurs (Euro) Aktie
Abb. 4.6 Auszahlungsprofil 2:1 Ratio Call Spread
Ratio Call Spread
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300
4.2 Schreiben von Optionen
251
Dabei könnte er die Basispreise der Short Calls auch so staffeln, dass über eine geschriebene Optionsserie die Aktien abgerufen würden. Noch weiter aus dem Geld könnten eine oder mehrere weitere Serien geschrieben werden, die idealerweise wertlos verfallen oder aber während der Optionslaufzeit im Rahmen des erwarteten starken Rückgangs der impliziten Volatilität mit Gewinn zurückgekauft werden. Man sieht an dieser Diskussion einer doch recht simplen Derivatestrategie wie dem Schreiben von Kaufoptionen, dass einer der Hauptvorteile, wenn nicht gar der größte Vorteil von Derivaten darin besteht, dem Portfoliomanager eine riesige Auswahl an Handlungsoptionen zu eröffnen. Begrenzt wird diese Art von differenzierter Umsetzung einer Prognose nur durch Anlagerestriktionen, mangelndes Fachwissen und Fantasie sowie die Demut, die man hinsichtlich der Präzision der eigenen Prognosen an den Tag legen sollte.
4.2.1.6 Short Call auf Renten Zum Abschluss dieses Teils noch eine Anmerkung: Obwohl hier die ganze Zeit vom Schreiben von Aktienoptionen die Rede war, lassen sich die gewonnenen Erkenntnisse natürlich auch auf andere Märkte übertragen (Goldfarb und Langowski 2000). Zwar sind bei bonitätsstarken Anleihen mit überschaubarem Zinsänderungsrisiko die Volatilitäten und damit die zu erzielenden Prämien deutlich niedriger als bei Aktien. Da Rentenanlagen in den Depots deutscher Anleger jedoch ein deutliches Übergewicht haben, ist gerade auch das Veroptionieren von Rentenbeständen eine Strategie, die sich aufdrängt, um die Rendite eines Rentenportfolios zu erhöhen. In diesem Fall macht es die Masse und nicht die einzelne vereinnahmte, hohe Prämie. In der Tat ist diese Strategie auch weit verbreitet. Was sich auf Seiten der Aktieninvestoren in der Form von Discount-Zertifikaten/Aktienanleihen sehr großer Beliebtheit erfreut, findet in Callable Bonds seine Entsprechung auf der Rentenseite. Die Besonderheiten, die man beim Einsatz von Optionen auf Renten-Futures beachten sollte, sind in Abschn. 2.4.7.1 dargestellt. I
4.2.2
Tipp Mitunter kann es Sinn machen, das Call Writing organisatorisch vom Rest des Portfolios zu trennen und es als separates Overlay Management zu betreiben. Hinweise dazu finden sich in Abschn. 4.3.1.
Verkauf von Verkaufsoptionen
Aus der Put-Call-Parität in Abschn. 2.4.3 ergibt sich, dass man mit dem Verkauf einer Verkaufsoption (Short Put) das gleiche Auszahlungsprofil generiert wie bei der eben besprochenen Veroptionierung einer Aktienposition (Covered Short Call). Der Short Put hat zwar den Nachteil, dass der Anleger keinen Anspruch auf Dividenden hat, womit er eine wichtige Quelle für Performance, vor allem aber auch ordentlichen Ertrag aufgibt. Dafür vereinnahmt er jedoch in aller Regel eine zum Teil deutlich höhere Optionsprämie, da insbesondere aus dem Geld liegende Puts auf höhere implizite Volatilitäten gepreist werden. Dieser sogenannte Skew-Effekt ist in Abschn. 7.2.6 ausführlich beschrieben
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4
Derivate zur Optimierung der Performance
Aber gerade bei stark fallenden Kursen ist auch hier wieder interessant, wie das Ergebnis wahrgenommen wird. Obwohl die Verluste einander entsprechen, zieht der Short Put deutlich mehr negative Presse auf sich. Das mag daran liegen, dass im Falle einer großen Verlustposition beim Covered Short Call die Aktienposition als Schuldiger ausgemacht wird. Schließlich verbucht diese die Verluste, während auf der anderen Seite die geschriebene Option wertlos verfällt, damit einen Gewinn einfährt, der die Aktienverluste sogar noch ein wenig zu mindern vermag. Beim Short Put stehen jedoch auf der Derivateposition selbst Verluste zu Buche, die oftmals einem Vielfachen der eingenommenen Prämie entsprechen. Egal, ob man diese Verluste realisiert oder die Option gegen sich ausüben lässt und damit Aktien „zu einem völlig überteuerten Kurs“ beziehen muss, in jedem Fall „ist das Derivat schuld.“ Darüber hinaus hat diese Strategie die unangenehme Eigenschaft, dass sie positiv mit dem Aktienmarkt korreliert ist. Besonders unangenehm ist dabei die asymmetrische und sich hebelnde Position. Also gerade dann, wenn man die Verluste am wenigsten brauchen kann, nämlich in einem fallenden Aktienmarkt, verschärft der Short Put die Lage noch zusätzlich. Diese Betrachtung zeigt bereits, dass es sich beim Short Put risikotechnisch um eine durchaus anspruchsvolle Strategie handelt. So dramatisierte ein Marktteilnehmer einst, dass hierbei ein „unbegrenztes Potenzial für Desaster“ existiere (o.V. 1987). Das ist freilich deutlich überzogen, denn der Short Put hat beispielsweise gegenüber dem Naked Short Call den Vorteil, dass der Verlust limitiert ist. Schlimmer als zu einem kompletten Wertverlust des Underlying kann es nicht kommen. Da die Fallhöhe dennoch ziemlich furchterregend sein kann, leuchtet es ein, dass dieses Argument in vielen Fällen kein großer Trost ist und die wahrgenommene Attraktivität in den Augen der Anleger nicht sehr stark zu steigern vermag. Daher ist das Schreiben von Verkaufsoptionen per saldo auch nicht so populär wie der Verkauf von gedeckten Kaufoptionen. Dabei hat auch diese Strategie durchaus auch das Potenzial für eine ordentliche Rendite. Eine ganze Reihe von Studien kommt zu dem Schluss, dass Puts überteuert sind, sich ein Verkauf mithin lohnen würde (Bondarenko 2003; Jackwerth 2000; Coval und Shumway 2001; Bollen und Whaley 2004; Ait-Sahalia et al. 2001; Bakshi und Kapadia 2003). Zumindest in Zeitreihen bis Anfang des Jahrtausends, also vor den großen Aktienmarktrückschlägen im Rahmen der Dotcom-Blase und der Subprime-/Wirtschaftskrise ab 2007, ist dies der Fall. So zeigt Bondarenko (2003), dass, je nach Moneyness, ein durchschnittlicher monatlicher Aktienmarktrückgang von 1,5 bis 2,7 % erforderlich wäre, um den Ertragsvorteil eines systematischen Put-Verkaufs aufzuzehren. Er rechnet weiterhin aus, dass es im Zeitraum von August 1987 bis Dezember 2000 allein bei Optionen auf den S&P 500 zu Vermögenstransfers von Put-Käufern hin zu Put-Verkäufern in Höhen von deutlich mehr als 18 Mrd. US-Dollars kam. Auch das inhärente Crash-Risiko kann durch die historisch hohen Optionsprämien größtenteils eingefangen werden. Um die Performance beim Verkauf von Puts in negatives Territorium zu bringen, bedarf es mehr als 1,3 Crashs vom Kaliber des Oktober 1987 jährlich (Bondarenko 2003) oder, etwas gemäßigter, eines 20-prozentigen Crashs einmal alle vier Jahre (Jackwerth 2000). Der bis 1988 zurückgerechnete Put-Write-Index der CBOE simuliert eine Strategie, die systema-
4.2 Schreiben von Optionen
253
20 18 16 14 12 10 8 6 4 2 0
Jun. 88
Jun. 93
Jun. 98 S&P 500 TR
Jun. 03
Jun. 08
Jun. 13
CBOE S&P 500 PutWrite Index
Abb. 4.7 CBOE PutWrite Index versus S&P 500. (Datenquelle: CBOE; eigene Grafik)
tisch einmonatige Puts am Geld verkauft (Abb. 4.7). Die Entwicklung im langfristigen Vergleich zum S&P 500 bestätigt diese Ergebnisse. Obwohl der Zeitwertverfall bei kurz laufenden Optionen am höchsten ist, liefert der Verkauf von lang laufenden Optionen (wie er oft in der Verpackung strukturierter Produkte stattfindet) übrigens ähnliche Ergebnisse (Carter et al. 2014). Die möglichen Ursachen für diese erstaunlichen Ergebnisse sind vielfältig. Es ist vorstellbar, dass der Untersuchungszeitraum schlicht und einfach nicht repräsentativ, weil zu kurz war. Das würde bedeuten, dass massive Aktienmarktrückschläge tatsächlich häufiger auftreten und/oder heftiger ausfallen, als es in der Betrachtungsperiode der Fall war. Demzufolge würde sich die Short Put-Strategie eigentlich nicht auszahlen und hat dies nur ausnahmsweise in diesem speziellen Zeitfenster getan. Diese Argumentation ist als PesoProblem bekannt geworden (Bekaert et al. 1995; Abschn. 4.4.2, siehe „Spread implizite/historische Volatilität“, insbesondere Abb. 4.16). Aus der Vergangenheit sind solche Phasen durchaus geläufig. So zeigt Sheikh (1995), dass vor dem Crash 1987 der Verkauf von Puts über viele Jahre hinweg profitabel war, man also leicht zu dem Schluss hätte kommen können, dass die Strategie per se profitabel wäre. Dann kam jedoch der Oktober 1987, und der jahrelang mühsam erarbeitete Zusatzertrag war in kürzester Zeit überkompensiert. Anders herum betrachtet, hatte eine im September 1987, also kurz vor dem Crash aufgesetzte Strategie den zu Beginn erlittenen Verlust zum Zeitpunkt des Abschlusses der Studie im Februar 1995 noch immer nicht vollständig aufgeholt. Perold und Sharpe (1988) mutmaßen, dass die Attraktivität von Strategien, die Optionen systematisch
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4
Derivate zur Optimierung der Performance
kaufen bzw. verkaufen, im Zeitablauf schwankt. Wann immer eine der beiden zu populär werde, steige sie im Preis und werde dadurch unattraktiver. Es ist offensichtlich, dass Crashs, ihre Häufigkeit und ihr Ausmaß eine besondere Rolle spielen, wenn es darum geht, die Sinnhaftigkeit von Short Put-Strategien einzuschätzen, zumal sie nicht nur einen erheblichen Einfluss auf die Auszahlung aus dem Put haben, sondern die Prämie der Option maßgeblich beeinflussen. Daher muss man in der Betrachtung unterscheiden zwischen dem Verkauf von Absicherungen gegen Rückschläge generell und von Absicherungen gegen ausgesprochen große Rückschläge. Auch im Deutschen hat sich für Letztere der Terminus Tail Risk Hedge durchgesetzt. In Optionssprache würde man vom Verkauf von (weit) aus dem Geld liegenden Puts sprechen. Das Tail Risk Hedging wurde nach den Rückschlägen der Dot-Com-Krise und im Gefolge des Lehman Crashs wieder stark thematisiert und vertrieben. Seit dieser Zeit wogt die Diskussion darüber, ob die systematische Absicherung gegen Crashs oder der Verkauf derselben sinnvoller ist, mit neuer Intensität hin und her. Einer der Opponenten von Short Put-Strategien ist Nassim Taleb, der ja bekanntlich auf die überwältigende Performance-Wirkung von Schwarzen Schwänen setzt. Taleb empfiehlt also den systematischen Kauf von Absicherungen gegen Katastrophenrisiken. Ein Punkt, der dafür spricht: Heftige Marktausschläge, vor allem nach unten, kommen deutlich öfter vor, als es eigentlich statistisch sein dürfte. Das Procedere dies zu bestimmen, ist recht einfach. Man misst die durchschnittliche Schwankung eines Asset-Preises und leitet daraus die unterschiedlich hohen Standardabweichungen (Sigmas) und die Häufigkeit, mit der sie auftreten sollten, ab. So kommt eine Ein-Sigma-Bewegung mit einer Wahrscheinlichkeit von 1:3, also etwa sieben Mal in einem Handelsmonat vor. Ein Sieben-Sigma-Ereignis wäre demnach nur etwa alle 1,5 Mrd. Jahre zu erwarten. Jedoch zeigt die Erfahrung, dass in der Realität heftige Marktbewegungen deutlich häufiger auftreten, als es derartige Schätzungen erwarten lassen. So war der Aktien-Crash im Oktober 1987 ein Größer-20Sigma-Ereignis. Die Wahrscheinlichkeit, dass der „Schwarze Montag“ (19. Oktober 1987) eintreten würde, lag bei 3,98 1099 . Diesen Wert derart in Relation zu setzen, dass man sich noch entfernt etwas darunter vorstellen kann, fällt schwer. Wenn man nur einmal den zehnthöchsten Kursanstieg an einem Tag im Dow Jones (9,19 %) nimmt, dann sprechen wir über ein 8,6 Standardabweichungsereignis. Die Erde wird voraussichtlich 4,5 Mrd. Jahre existieren. Man könnte sich also fragen, wie oft die Erde eine solche Bewegung erleben wird. Die Schätzung erwartet einen derartigen Kursanstieg nur ein einziges Mal in 223.014 Erdenleben! Tatsächlich fand diese Bewegung insgesamt zehnmal in 107 Jahren statt. Und die anderen neun Kursanstiege waren sogar noch größer! Um die Diskrepanz zwischen Ex-ante-Schätzung und Ex post-Realisierung ein wenig greifbarer machen, kann man sich den innerhalb eines Menschenlebens überschaubaren Zeitraum von 60 Jahren anschauen. Ein vier Sigma-Ereignis sollte innerhalb dieser Spanne nur einmal vorkommen. Tatsächlich kam es aber in Herbst/Winter des Lehman-Jahres 2008 in weniger als drei Monaten zu nicht weniger als elf Eintagesrückschlägen im S&P 500, von denen viele ein deutlich größeres Ausmaß aufwiesen als „lediglich“ vier Standardabweichungen (Bourgois und Tom 2013)! Natürlich kommt es auf das verwendete Modell an, mit dem
4.2 Schreiben von Optionen
255
man solche statistischen Aussagen trifft. Aber die gängigen Modelle schießen sich alle auf eine ähnliche Bandbreite ein. Jackwerth und Rubinstein (1995) berechnen auf Basis des S&P 500 Future, der im 87er-Crash 29 % einbüßte, sogar eine Bewegung in der Größenordnung von unglaublichen 27 Standardabweichungen und einer Wahrscheinlichkeit von 10160 . Unterstützung kommt auch aus einer Forschungsrichtung, die herauszufinden versucht, ob am Markt eine eigenständige Prämie für Tail Risk bezahlt wird. Xiong et al. (2014) stellen fest, dass Aktienfonds, die ein höheres Tail Risk aufweisen höhere erwartete Renditen aufweisen, was auf die Existenz einer Tail Risk-Prämie hinweist. Ang et al. (2005) schätzen die Prämie im Aktienbereich auf rund sechs Prozent pro Jahr. Sie schließen darüber hinaus aus, dass es sich um eine verkappte Prämie für Beta, Co-Skewness oder Liquiditätsrisiko handelt. Auch zu den prominenten Risikofaktoren Size, Book-to-Market und Momentum gibt es keinen Zusammenhang. Es gibt jedoch eine Reihe namhafter Autoren, die Taleb & Co. widersprechen, beispielsweise Litterman (2011) und Illmanen (2012). Sie empfehlen, Katastrophenabsicherungen nicht zu kaufen, sondern zu verkaufen. Aus deren Sicht sind die „zu häufigen“ Marktausschläge in den Optionspreisen bereits mehr als ausreichend berücksichtigt. Hintergrundinformation Die Frage, ob es eine Prämie für Tail-Risk-Absicherungen gibt, woher diese rührt und ob sie sich angemessen in den Optionspreisen widerspiegelt, steht in engem thematischen Zusammenhang mit dem Phänomen des Volatility Smile oder Skew, also der Konstellation, dass Put-Optionen, die weit aus dem Geld notieren, in der Regel eine höhere implizite Volatilität, also eine höhere Prämie, aufweisen als solche am Geld. Die Hintergründe werden im gleichnamigen Abschn. 7.2.6 analysiert. Insofern lohnt sich an dieser Stelle ein kleiner Abstecher zu diesem Abschnitt.
Wie vielschichtig dieses Thema in der Praxis allerdings ist, zeigt sich auch wieder in Littermans interessanter Beobachtung, dass Langfristinvestoren, die kurzfristige Rückschläge an den Finanzmärkten aussitzen können, natürliche Verkäufer sein müssten. Investmentbanken hingegen sieht er als natürliche Käufer, müssten sie doch ein Interesse daran haben, auch auf kurze Sicht ihre Ergebnisse im Rahmen der Quartalsberichterstattung zu stabilisieren. In der Praxis beobachtet er jedoch oft das genaue Gegenteil: Investmentbanken verkaufen die Katastrophenabsicherung an institutionelle Investoren. Dies dürfte daher rühren, dass ihnen bewusst ist, dass es sich dabei um ein recht teures Gut handelt. Die Tail Hedges sind nicht nur insofern teuer, als der systematische Kauf sich seiner Beobachtung nach als nicht profitabel herausstellt. Insbesondere machen sich die Investmentbanken die Erkenntnis zunutze, dass die (verkaufte) implizite Volatilität im Mittel über der tatsächlich realisierten Volatilität liegt (Abschn. 4.4.2, siehe „Spread implizite/historische Volatilität“). In besonderem Maße gilt dies für die implizite Volatilität in weit aus dem Geld liegenden Puts (Abschn. 7.2.6). Aus diesem Grund sichern die Investmentbanken die verkaufte implizite Volatilität dieser Optionen durch dynamische Absicherungsstrategien ab und verdienen so die Differenz zwischen impliziter und realisierter Volatilität (Abschn. 2.4.5.1 und 3.4).
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70,00
Abb. 4.8 CBOE Eurekahedge Tail Risk Hedge Fund Index. (Quelle: CBOE)
Die Chicagoer Terminbörse CBOE berechnet Indizes, in denen sie die Entwicklung von Hedgefonds, die eine bestimmte Volatilitätsstrategie verfolgen, gleichgewichtet, die sogenannten CBOE Eurekahedge Volatility Hedge Fund Indizes. Ganz bitter sieht es für die Hedgefonds aus, die systematisch Tail Risk long gehen, also beispielsweise weit aus dem Geld liegende Puts erwerben. Diese Strategie hat sich in der realen, öffentlichen Anwendung seit Ende 2007 bislang offenbar nicht bewährt (Abb. 4.8). Zwar profitiert die Strategie erwartungsgemäß in den Krisenjahren 2008 und 2011. Im Rest des Betrachtungszeitraums bröckelt die Performance jedoch mit den wertlos verfallenden Puts tendenziell ab. Mag sein, dass die Periode zu kurz ist oder die falschen Hedgefonds Eingang in den Index gefunden haben. Es scheint jedoch schwer vorstellbar, wie ein Kapitalmarkt sich verhalten müsste, um den Durchschnitt dieser Hedgefonds auf einen ähnlichen Wertverlaufspfad zu führen wie die zuvor betrachteten. Das würde vermutlich auf eine Art permanente Dauerkrise der sehr schweren Sorte hinauslaufen. In einem solchen Szenario würden aber wahrscheinlich auch die sich stark verteuernden PutPreise die Einstandskosten für die Tail-Absicherung (prohibitiv?) in die Höhe treiben. So ist das Schreiben von Puts unter professionellen Kapitalanlegern durchaus verbreitet. Wen nimmt es da noch wunder, dass auch die Lichtgestalt des werthaltigen Investierens, Warren Buffett, diese Chance auf eine ertragreiche Investition für sein Unternehmen Berkshire Hathaway entdeckt hat. Aus einer Pflichtmitteilung an die amerikanische Wertpapieraufsicht im Jahr 2006 geht hervor, dass der damals 75-Jährige in großem Stil Verkaufsoptionen auf vier Aktienindizes geschrieben hat. Die Puts haben eine extrem lange
4.2 Schreiben von Optionen
257
Laufzeit von 15 bis 20 Jahren und beinhalten ein maximales Risiko von rund 14 Mrd. USDollar. Dazu müssten aber alle vier Indizes auf null fallen. Auch im Bereich der Hedgefonds erfreut sich der Verkauf von Verkaufsoptionen immer wieder großer Beliebtheit. Die Strategie hat den Charme, dass sie bei tendenziell steigenden Märkten für einen vergleichsweise stetigen Zusatzertrag sorgt, der bei undifferenzierter Betrachtung auf ein von systematischen Faktoren unabhängiges Alpha schließen lassen könnte, das sich aufgrund der niedrigen Volatilität auch in einer attraktiven Sharpe Ratio (Abschn. 6.1.5.1) manifestiert. Viele Hedgefonds Manager nutzen bekanntlich derartig ausgeprägte Strategien, bei denen sie systematisch (nicht nur am Aktienmarkt) Event-Risiko und Liquiditätsrisiko short gehen (Agarwal und Naik 2000b; Mitchell und Pulvino 2001; Patel 2003; Lukomnik 2003; Agarwal und Naik 2004; Agarwal et al. 2010; Kelly und Jiang 2012). Das heißt, sie kaufen sich (hoffentlich bewusst) das Risiko ein, dass die Position in den seltenen Fällen einer extremen Marktverwerfung gegen sie läuft, dann jedoch massiv. In der Optionsnomenklatur spricht man von einer Short Gamma-Position. Diese leidet nicht nur in einer adversen Marktbewegung. Sie baut ihre Verwundbarkeit in den fallenden Markt hinein sogar noch aus. Oft sind derartige Positionen an die Übernahme von Liquiditätsrisiko gebunden. Das bedeutet, dass der Manager sich bewusst der Gefahr aussetzt, dass es im Falle eines Kursrückgangs aufgrund von Liquiditätsklemmen zu starken Preisabschlägen kommt und er im Extremfall die Position überhaupt nicht mehr liquidieren kann. Im Gegenzug erhält er einen kleinen, aber stetigen Zusatzertrag, welcher der Put-Prämie entspricht. Für Zyniker entspricht das dem Einsammeln von Pfennigen vor einer Dampfwalze. Das prominenteste Beispiel dieser Short Event Risk-Strategie war sicherlich (wieder einmal) der 1998 gescheiterte Hedgefonds Long-Term Capital Management (LTCM). Dieser hatte eine Vielzahl derartiger Positionen in stark gehebeltem Umfang aufgesetzt, die ihm zwar in den ersten zweieinhalb Jahren seines Bestehens zu einer gewaltigen Sharpe Ratio von 4,35 verhalfen, im Zuge der Russlandkrise jedoch massiv unter Druck kamen und das Weltfinanzsystem an den Rande des Zusammenbruchs führten [Till (2001). Eine ausführliche und sehr anschauliche Beschreibung der damaligen Ereignisse liefert Dunbar (2000)]. Ein weiteres prominentes Opfer war die kollabierte Barings Bank. Obwohl man in diesem Zusammenhang in erster Linie an gigantische Verluste auf nicht autorisierte Future-Positionen durch Barings Futures Singapore und namentlich Nick Leeson denkt, waren Short Put-Positionen Teil dieser Finanzkatastrophe. Leeson hatte Short Straddles aufgesetzt, also sowohl Calls als auch Puts auf den Nikkei 225 Future geschrieben (Abschn. 4.4.6.3). Als Folge des schweren Erdbebens in Kobe am 17. Januar 1995 fiel der japanische Aktienmarkt stark. Leesons Short Put-Position häufte massive Verluste an. Vermutlich um den Markt wieder in Richtung der Basispreise seiner Puts zu manipulieren, begann Leeson, immer größere Bestände in Long Nikkei Futures aufzubauen – letztlich jedoch erfolglos, denn der Markt fiel immer weiter. Zum Zeitpunkt des Zusammenbruchs von Barings lag der Wiederbeschaffungswert der Optionen bei sieben Milliarden US-Dollar (Das 2002). Der Ansatz, über das Schreiben von Puts Zusatzerträge zu generieren, ist jedoch nicht allein auf die Manager von Hedgefonds oder die handelstechnisch oft verwandten Ei-
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4
Derivate zur Optimierung der Performance
genhändler von Banken beschränkt. Allerdings haben in diesem Bereich die Verluste eine Neigung, etwas ausgeprägter auszufallen, weil diese Marktteilnehmer ihre Short Puts nicht mit Cash unterlegen und so eine gehebelte Strategie fahren. Infolgedessen ziehen sie auch mehr mediale Aufmerksamkeit auf sich. Aber auch andere professionelle Anleger bedienen sich dieser Strategie. Und auch in diesem Bereich gibt es spektakuläre Fälle, die zeigen, dass nicht jeder, der in der Lage ist, eine Verkaufsorder für Puts aufzugeben, auch in der Lage ist, das daraus erwachsende Risiko unter Kontrolle zu halten. So kam es im Umfeld der Pleite von Lehman Brothers bei der Fondsgesellschaft Ampega-Gerling zu hohen Verlusten in fünf Investmentfonds. Dabei hatte der Fondsmanager optionale Absicherungen in Form von Long Puts über den Verkauf von Puts mit einem niedrigeren Basispreis teilfinanziert. Diese Strategie war lange aufgegangen. Zwischen dem 6. und 10. Oktober 2010 fielen die Aktienkurse jedoch zu schnell, als dass der Fondsmanager sie noch hätte kontrollieren können. Anlagegrenzen wurden verletzt, und es liefen Verluste in Höhe von 17 Mio. C auf. Die Gesellschaft glich diesen Schaden aus, und der verantwortliche Fondsmanager verlor seinen Job (Rezmer 2008). Das ist mit Sicherheit kein Einzelfall, aber einer der wenigen, die es bis ans Licht der Öffentlichkeit geschafft haben. Viele institutionelle Anleger haben sich zum Ende der Dotcom-Blase in dieser Strategie engagiert. Die Kurse waren seit geraumer Zeit am Steigen begriffen. Es schien eine gute Anlageidee, mit der Wette auf eine Fortsetzung dieses Trends einen Zusatzertrag zu vereinnahmen. So zeichneten auch viele institutionelle Investoren eine Anleiheform, die unter der Bezeichnung Reverse Convertible vertrieben wurde. Diese Instrumente sind insofern reverse, als bei einem normalen Convertible Bond (Wandelanleihe) der Anleger das Recht hat, die Anleihe in Aktien umzuwandeln, sofern sich dies für ihn lohnt. Beim Reverse Convertible, der auch oftmals einfach nur unter der Sammelbezeichnung Equity Linked Note daherkommt, verhält es sich umgekehrt. Dort ist der Anleger Stillhalter in Geld. Das bedeutet, dass er eine Prämie (hier verkleidet als teilweise deutlich erhöhter Kupon) dafür erhält, dass er sein Geld bereithält, um auf Anforderung des Emittenten diesem seine Aktien abzunehmen und zwar dann, wenn es für diesen vorteilhaft ist. Daran ist ja auch nichts Verwerfliches, vorausgesetzt die Prämie ist fair – und die Anleger verstehen, was sie da tun. Diese institutionellen Engagements waren insofern erstaunlich, als es sich eigentlich um ein klassisches Produkt für Privatanleger handelte. Praktisch jeder institutionelle Investor bringt an und für sich genug Volumen auf die Waage, um diese Strategie in Eigenregie durchzuführen, ohne einen Mittelsmann einschalten zu müssen, der natürlich nicht umsonst agiert. Die vorgefertigte Lösung kostet gegenüber dem Eigenbau ca. sechs bis 13 Volapunkte mehr (Abschn. 3.1.8). Aber bei Kupons zum Teil jenseits der 30 % sind viele dann doch schwach geworden. Man kann sich schwer vorstellen, dass diese institutionellen Investoren nicht über das nötige Fachwissen verfügt haben könnten, um besagtes Auszahlungsprofil in Eigenregie zu erstellen. Denn wenn dies so gewesen wäre, hätte es sich natürlich auch verboten, dieses Auszahlungsprofil in Form einer Umverpackung zu erwerben. Dass dieses Wis-
4.2 Schreiben von Optionen
259
sen in jedem Fall gegeben war, darf angesichts vielfältiger, zum Teil öffentlich geführter Diskussionen und bekannt gewordener Rechtsstreitigkeiten mit Fug und Recht bezweifelt werden. Dabei sollte eigentlich schon lange bekannt sein, dass der Verkauf von Puts erhebliche Hebelrisiken birgt. Spätestens im Nachgang des Aktienmarkt-Crashs im Oktober 1987 kam es zu breiten Diskussionen der schon damals bei Privatanlagern populären Short Put-Strategie und ihrer zum Teil desaströsen finanziellen Folgen (o.V. 1987). Das Argument, der Anleger könnte nicht verstanden haben, was er da erworben hatte, sollte aus genau diesem Grund ebenfalls verworfen werden. Zum einen ist die Struktur bei einem Mindestmaß an Finanzmarktkenntnissen leicht zu durchschauen. Und sollte man es in der Tat nicht verstanden haben, wäre dies ein Grund, es erst recht nicht zu kaufen – schon gar nicht, wenn das Produkt mit exorbitanten Zinsen lockt. Hohe Chancen sind unweigerlich ein deutlicher Hinweis auf damit einhergehende hohe Risiken. Wenn einem diese Risiken nicht klar sind: umso schlimmer. Vielleicht war die Umverpackung aber insofern begünstigt, als ein strukturiertes Produkt in der Beurteilung durch nachgelagerte Stellen eine vorteilhaftere Behandlung genossen haben könnte als das zugrundeliegende Geschäft. Hintergrundinformation In Korea hat der Regulierer in diesem Bereich bereits dämpfend eingegriffen. Dort wird fast schon traditionell von Privatanlegern Volatilität in Form von strukturierten Puts in ganz großem Stil verkauft. Diese sogenannten Autocallables werden in Abschn. 7.6.4.1.1 und 7.6.5.4 eingehend besprochen. Nachdem dieser Markt 2015 teilweise monatliche Neuemissionen von annähernd neun Milliarden US-Dollar gesehen hatte, hat der Regulierer die Nutzung bestimmter Underlyings eingeschränkt. Es ist jedoch leicht vorstellbar, dass diese Form, Zusatzerträge im jahrelangen Niedrigzinsumfeld zu generieren, sich andere Märkte sucht und dort weiterwirkt. Weitere Aspekte dazu finden sich im Abschn. 6.9.
Wie bereits erwähnt, bei Privatanlegern erfreute sich der 1991 von Trinkaus & Burkhardt ins Leben gerufene Reverse Convertible einer gewissen Beliebtheit. Ursächlich hierfür sind die bereits bei der Schwesterstrategie Short Call beschriebenen Gründe, wie das ansprechende Chance-Risiko-Profil in verschiedenen Marktszenarien. Zugpferd war jedoch der ausgewiesene hohe Kupon. Daher wurden natürlich vornehmlich Papiere mit einer hohen Volatilität im Underlying angeboten. Darüber hinaus führt bei Optionen eine größere Moneyness und eine kurze Laufzeit zu einer höheren annualisierten Optionsprämie und damit im Falle der Reverse Convertibles zu einem höheren Kupon (Abschn. 2.4.1 und 2.4.5.4). Als weitere Maßnahme wurden im weiteren Verlauf des Lebenszyklus dieser Produktkategorie Two Asset Reverse Convertibles aus der Taufe gehoben (Niemann und Zwirner 1999). Diese räumen dem Emittenten insofern ein erweitertes Andienungsrecht ein, als dieser die Wahl hat, ob er die Anleihe in Cash oder in einer von zwei möglichen Aktien zurückzahlt. Dieses erweiterte Recht ist natürlich wertvoller, führt also zu einer erhöhten Prämie für den Stillhalter und somit zu einem höheren Kupon für den Käufer des Reverse Convertible. Natürlich war der Weg in diese Entwicklungsrichtung, nachdem er erst einmal eingeschlagen war, an diesem Punkt nicht zu Ende. Vom Two Asset Reverse
260
4
Derivate zur Optimierung der Performance
Convertible zum Three Asset Reverse Convertible ist es schließlich nur ein ganz kleiner Schritt. Allerdings findet diese Entwicklung recht bald ein natürliches Ende: Mit zunehmender Titelanzahl werden einzelwertspezifische Risiken, Branchenrisiken etc. mehr und mehr herausdiversifiziert, sodass das allgemeine Marktrisiko immer stärker dominiert. So steigt die Optionsprämie/der Kupon bei zunehmender Anzahl an Basiswerten recht bald nur noch unterproportional und nähert sich asymptotisch einem Maximalwert an. Neben privaten Put-Verkäufern und institutionellen Investoren tummeln sich noch weitere Akteure in diesem Bereich des Marktes. Da sind zum einen Strukturierer aus dem Investment Banking beziehungsweise dem Bankeneigenhandel. Hier werden derartige Produkte, in entsprechender Verpackung, genutzt, um Risikoungleichgewichte in den eigenen Büchern auszubalancieren (Abschn. 7.6.4). Darüber konnten in der Vergangenheit durch den Einkauf der relativ billigen Optionen durch Umverpackung in der Refinanzierung zum Teil zweistellige Basispunktwerte unter LIBOR eingekauft werden (Smitlek 1998). Teilweise wurden die aktienabhängigen Anleihen auch so strukturiert, dass sie als sogenannte Bull-Bear-Anleihen aufgelegt wurden, das heißt, der Emittent begibt zwei komplementäre Tranchen, bei denen eine von steigenden, die andere von fallenden Kursen profitiert (Das 2001a). Wenn es ihnen gelingt, von beiden Tranchen in etwa gleiche Volumina abzusetzen, hat der Emittent nicht einmal ein Marktrisiko im Underlying und kann praktisch risikolos seine einkalkulierte Marge vereinnahmen. Unternehmen, die Aktienrückkäufe tätigen, nutzen Short Puts, um den Aktienrückkauf zu verbilligen. Wenn sie sich schon verpflichten, Aktien zurückzukaufen, dann können sie bei diesem Vorgang auch noch eine Prämie verdienen. In großem Stil wird dies insbesondere von Firmen praktiziert, die ihre Angestellten mit Aktienoptionen als Teil ihrer Vergütungspolitik ausstatten, wie beispielsweise Microsoft und Adobe Systems (Cass 2000; Abschn. 7.6.4.2). Hintergrundinformation Obwohl Endanleger in der Summe tendenziell eher long in Optionen sind, zeigen diese Beispiele, dass die Interpretation von Umsätzen und offenen Positionen in Optionen, wie beispielsweise die Put-Call-Ratio, nicht unbedingt geeignet ist, als Stimmungsbarometer herzuhalten, da die Positionen eben oft auch von der Short- und nicht ausschließlich von der Long-Seite ausgelöst werden (Abschn. 7.10). Dies gilt für den Short Put, jedoch noch in viel größerem Maße für den ungleich populäreren Short Call.
4.3
Handel der Richtung des Marktes
Natürlich eröffnen sich auch im einfachen Handeln der Marktrichtung Verbesserungsmöglichkeiten durch den Einsatz von Derivaten: Zunächst einmal sind Derivate fast immer verfügbar. Aufgrund der ausgedehnten Handelszeiten und der vielfach vorhandenen Mehrfachnotierung an Börsen in unterschiedlichen Zeitzonen kann der Portfoliomanager in Echtzeit rund um die Uhr agieren.
4.3 Handel der Richtung des Marktes
261
Beispiel
Beispielsweise hatte die Chicago Mercantile Exchange (CME) am 9. November 2016, dem Tag von Donald Trumps überraschendem Sieg bei der amerikanischen Präsidentschaftswahl, bereits 21 Mio. Kontrakte gehandelt, bevor der US-Kassamarkt überhaupt geöffnet hatte. Darüber hinaus sind Derivate in Phasen, in denen auch der Kassamarkt zur Verfügung steht, doch in aller Regel die liquidere Wahl, sodass auch große Positionen in die gewünschte Richtung bewegt werden können (Abschn. 2.1). Neben dem Aspekt „Verfügbarkeit“ erweitern Derivate den Markt selbst um Finanzmarktgrößen, die ohne Derivate nicht handelbar wären, wie zum Beispiel Volatilität, Korrelation, Dividenden bis hin zu volkswirtschaftlichen Kennzahlen. Aber auch innerhalb eines „traditionellen“ Markts erweisen sich Derivate für den modernen Portfoliomanager als überaus nützlich. Sie erschließen bzw. vereinfachen den Zugang zur „anderen Spielhälfte“ des Markts, indem sie es erlauben, leichter auch von fallenden Kursen zu profitieren. Hintergrundinformation Die Positionierung auf einen fallenden Markt entspricht einer Absicherung ohne abzusicherndes Portfolio. Sie wird daher nicht separat in einem Unterabschnitt besprochen. Stattdessen sei auf die Ausführungen in Kap. 3 sowie Ergänzungen in Abschn. 5.12.1 verwiesen.
Darüber hinaus eröffnen diese Instrumente in einfacher und betriebswirtschaftlich effizienter Form auch wesentlich differenziertere Umsetzungen der Marktmeinung als dies mit Kassainstrumenten darstellbar wäre. Wenn zum Beispiel jemand eine Aktie kauft, drückt er damit die Erwartung aus, dass diese steigt (im Falle eines auf absoluten Ertrag ausgerichteten Anlegers) bzw. stärker steigt als ein Vergleichsmaßstab (im Falle eines Index-Benchmark-orientierten Anlegers, der die Aktie übergewichtet). Zumeist ist für den Aktionär die Sache damit erledigt, weil er weder zeitliche noch preisliche Zielzonen zu seiner Investition hinterlegt hat. Im Gegensatz zum Aktionär beginnt für den Optionär an dieser Stelle die Arbeit erst richtig. Wie schon bei den Überlegungen zur Absicherung deutlich wurde, muss sich der Derivatenutzer dezidierte Gedanken machen, bis wann und wie sein Underlying wohin geht. Erst nach Durchlauf dieser Prognosen ist er in der Lage, den passendsten Kontrakt auszuwählen. Anders als der Aktionär ist der Optionär also gezwungen, sich schon beim Einstieg in eine Position Gedanken über den Ausstieg gemacht zu haben. So beschreiben Beilner und Schoess (1993, S. 340) den Optionär auch sehr treffend, wenn sie ihm attestieren, „in einem hohen Maß analytisch und äußerst diszipliniert“ sein zu müssen. Erhöhte Sorgfalt ist auch deshalb vonnöten, weil beispielsweise der Käufer einer Option nicht nur die Transaktionskosten für Kauf und Verkauf wieder hereinholen muss, um die Gewinnzone zu erreichen. Der Break-even liegt hier ungleich höher, weil in der verauslagten Optionsprämie ein teilweise recht hoher Anteil an Zeitwert steckt, der allein durch Zeitablauf die Gewinnschwelle immer ein wenig weiter hinausschiebt.
262
4
Derivate zur Optimierung der Performance
Die Vielfalt, die Optionen bieten, um eine passgenau Strategie aufzusetzen, ist schon bei Plain Vanilla Optionen ersichtlich. Der Kauf einer Kaufoption eröffnet die Möglichkeit, von steigenden Märkten zu profitieren und dabei gleichzeitig das Verlustpotenzial bei fallenden Märkten zu begrenzen. Dabei geht es eben nicht nur darum, vorherzusagen, ob der Markt steigt oder fällt. Ist ein Manager in der Lage, eine ziemlich treffgenaue Prognose abzugeben, bis wann der Markt in welcher Geschwindigkeit welches Niveau erreicht, kann er selbst bei einem einfachen Long Call sehr differenziert agieren, indem er sich für den adäquaten Hebel entscheidet. So kann er durch die Wahl einer hochreagiblen und stark gehebelten Option einen überdurchschnittlichen Gewinn erzielen – und verliert doch nur die eingesetzte Optionsprämie, falls er ziemlich weit daneben liegen sollte. Wobei der Experte die Position sogar so wählen kann, dass sie ihm den einen oder anderen Prognoseirrtum verzeiht. Wenn er sich beispielsweise für einen langlaufenden Call entscheidet, wird er nicht in dem Maße von einem Aufschwung profitieren können, wie es ihm eine kurzlaufende Kaufoption erlaubt hätte, da das Gamma deutlich tiefer liegt. Falls er aber den falschen Kaufzeitpunkt erwischt haben sollte und die Aktie kurz nach Kauf der Option abtaucht, sorgen drei Effekte dafür, dass die Strafe für das falsche Timing eher milde ausfällt. Einerseits wirkt das besagte niedrigere Gamma in diesem Fall nur schwach gegen ihn. Andererseits weist eine langlaufende Option eine vergleichsweise hohe Sensitivität gegenüber Volatilitätsveränderungen, Vega, aus. Wenn die Volatilität also bei fallenden Kursen tendenziell steigt und sich diese Bewegung auch am langen Ende der Volatilitätsstrukturkurve niederschlägt, puffert der Anstieg dieser Optionspreiskomponente den Preis der Kaufoption ab. Und drittens zeichnet sich eine lange Option durch ein geringes Theta aus. Der Zeitwertverfall ist also eher überschaubar, sodass er sich fast in der Position eines Aktionärs befindet und die falsche Kursentwicklung ein Stück weit aussitzen kann. Neben der Möglichkeit, auch von fallenden Kursen zu profitieren, versetzen Derivate den Fondsmanager sogar in die Lage, in Seitwärtsmärkten Geld zu verdienen (Abschn. 4.4.6.3, 4.4.6.4, 6.4.2.2.4, 6.4.2.4.1 und 6.4.2.6). Der Einstieg in die Wahl der richtigen Derivateposition lässt sich gedanklich leicht strukturieren, wenn man einmal die komplexeren Fragestellungen wie Laufzeit, Moneyness und Reagibilität im Hinblick auf die Risikofaktoren („Griechen“) außen vor lässt und sich zunächst nur mit der Richtung von Markt und Volatilität beschäftigt. Abb. 4.9 ist ein einfache Bedienungsanleitung, um für gegebene Prognosen zur Richtung von Markt und Volatilität die grundsätzlich geeigneten Derivatepositionen zu finden. Wobei es sich tatsächlich nur um einen ersten Einstieg handelt. Dass auch hier schon weitere Überlegungen vonnöten sind, zeigt sich beispielsweise an den Ratio Spreads und Ratio Backspreads. Diese passen in der Praxis nicht eindeutig in eine der hier verwendeten Schubladen, sondern müssen weiter analysiert werden. Insbesondere hängt das Ergebnis in starkem Maße davon ab, wie die Relation der Bewegungen von Markt und Volatilität erwartet wird (Trifft ein schneller und steiler oder ein langsamer und flacher Kursanstieg auf eine stark oder kaum fallende implizite Volatilität?). Daraus resultiert dann beispielsweise, in welchem Verhältnis die Optionen gegeneinander ge- bzw. verkauft werden, denn nicht in jedem Fall ist das Standardverhältnis von einer ge- und zwei verkauften Kaufop-
4.3 Handel der Richtung des Marktes Volaanstieg Long Call
Kauf Kaufoption
Call Ratio Backspread Verkauf Kaufoption und Kauf mehrerer
263 Keine Prognose
Volarückgang
Long Future
Short Put
Kauf Future
Bull Call Spread Kauf Kaufoption und Verkauf Kaufoption mit
Kaufoptionen mit Kursanstieg
höherem Basispreis
höherem Basispreis
Verkauf Verkaufsoption
Ratio Call Spread Kauf Kaufoption und Verkauf mehrerer Kaufoptionen mit höherem Basispreis
Bull Put Spread Kauf Verkaufsoption und Verkauf Verkaufsoption mit höherem Basispreis Long Straddle Kauf Kaufoption und Kauf Verkaufsoption mit
Keine Prognose
gleichem Basispreis Long Strangle Kauf Kaufoption und Kauf
Keine Meinung, keine Position
Verkaufsoption mit unterschiedlichen Basispreisen Long Put
Kauf Verkaufsoption
Put Ratio Backspread Verkauf Verkaufsoption und Kauf mehrere
Short Future
Verkauf Future
Bear Call Spread Kauf Kaufoption und Verkauf Kaufoption mit
Kursrückgang Verkaufsoptionen mit niedrigerem Basispreis
niedrigerem Basispreis Bear Put Spread Kauf Verkaufsoption und Verkauf Verkaufsoption mit niedrigerem Basispreis
Abb. 4.9 Strategietableau Optionen
Short Straddle Verkauf Kaufoption und Verkauf Verkaufsoption mit gleichem Basispreis Short Strangle Verkauf Kaufoption und Verkauf Verkaufsoption mit unterschiedlichen Basispreisen Short Call
Verkauf Kaufoption
Ratio Put Spread Kauf Verkaufsoption und Verkauf mehrerer Verkaufsoptionen mit niedrigerem Basispreis
264
4
Derivate zur Optimierung der Performance
tionen ideal. Je nach Verhältnis und Moneyness wird die Strategie so gestaltet, dass sie im Auszahlungsprofil durch einen Prämienüberschuss höher zu liegen kommt [die verkauften Optionen spielen deutlich mehr Prämie ein als für die gekaufte(n) ausgegeben wird] oder umgekehrt. Auch spielt der Skew eine Rolle für die Strategiewahl und Ausgestaltung (Abschn. 7.2.6). So können die Basispreise in kombinierten Strategien eher enger beieinander oder weiter auseinander sinnvoll sein. Auch drängen sich durch diese weitergehenden Überlegungen möglicherweise Strategieerweiterungen auf. Es könnte beispielsweise Sinn machen, weitere Optionen an den Rändern des Auszahlungsprofils einzubauen, wie dies beispielsweise beim Butterfly der Fall ist (Abschn. 4.4.6.5). Selbstverständlich ist es ebenfalls möglich, einzelne Komponenten ihrerseits wieder zu synthetisieren. Wer beispielsweise Calls als zu teuer empfindet, kann bei einem Long Straddle oder Strangle den Call weglassen und das Underyling (oder wiederum eine Synthetisierung des Underlying) kaufen. Dann werden für das andere Standbein der Strategie mindestens zwei Puts benötigt, einer um das Verlustrisiko der Aktie zu neutralisieren und den zweiten, der dann von einem fallenden Kurs profitiert. Da auch diese Umsetzungsalternative zwei Optionen long ist, profitiert sie ebenfalls von einer ansteigenden impliziten Volatilität. Um sich am Ende für eine spezifische Option oder Optionskombination zu entscheiden, kann es sich lohnen, eine systematische Übersicht über die Chancen und Risiken jeder möglichen Strategie zu erstellen. Szenarioanalysen (Abb. 4.10) können in dieser Hinsicht sehr hilfreich sein. Sie werden für jede in Frage kommende Strategie erstellt und zeigen nicht nur die Ertragspotenziale, sondern ebenso schonungslos Ecken und Kanten, unerwartet positive Entwicklungen wie auch Problemszenarien auf. Außerdem zwingen sie zu einem konsistenten Vorgehen, das immer wieder die unterstellten Szenarien und deren Eintrittswahrscheinlichkeiten auf den Prüfstand stellt. Schließlich helfen sie, im Nachhinein den Erfolg oder Misserfolg des Trades zu analysieren und etwaige Fehlerquellen und Stärken herauszuarbeiten. Im Falle umfangreicherer Derivatepositionen im Portfolio macht es Sinn, die Szenarien so auszuweiten, dass auch die Entwicklung des Gesamtportfolios und der Beitrag der Derivate ersichtlich werden.
Aktienkurs
156,00 €
155er Call
8,67 €
Szenario Aktienkurs
Optionspreis
Optionsrendite p.a.
Eintrittswahrscheinlichkeit
Gewichtete Rendite
200,00 €
45,00 €
6792 %
25 %
1698 %
164,00 €
9,00 €
10 %
50 %
5%
140,00 €
0,00 €
-100 %
20 %
-20 %
100,00 €
0,00 €
-100 %
5%
-5 %
Erwartete Rendite p.a.: 1678 %
Abb. 4.10 Szenarioanalyse Long Call
4.3 Handel der Richtung des Marktes
265
Abb. 4.11 Wertveränderung Long Call im Verlauf
Abnehmende Restlaufzeit (Monate)* 1
3
6
12
Verände-
10 %
45 %
35 %
18 %
-25 %
rung
5%
19 %
9%
-7 %
-60 %
+/-0 %
-4 %
-14 %
-30 %
-87 %
Under-
-5 %
-25 %
-35 %
-50 %
-98 %
lying
-10 %
-44 %
-52 %
-66 %
-100 %
*Ursprungslaufzeit 53 Wochen
Im Streben nach einer äußerst differenzierten Umsetzung der eigenen Prognose kann man also noch weit über die hier dargestellten, vergleichsweise einfachen Positionen hinausgehen. Die Individualität geht so weit, dass exotische Optionen teilweise schon die Umsetzung von derart spezifischen Marktszenarien erlauben, dass sie selten auf einen Portfoliomanager treffen, der in der Lage oder willens ist, eine solch dezidierte Prognose zu erstellen bzw. die ihm anvertrauten Gelder auf eine solche Prognose zu setzen. Das fachliche Know-how, die vertiefte Analyse, das Engagement und die Entscheidungsfreude des Optionärs sind jedoch nicht mit dem Aufbau der Position aus dem Spiel. Im Gegenteil. Natürlich kann man Optionen als Buy- bzw. Sell-and-Hold-Instrumente einsetzen. In festgelegten Absicherungsaufträgen ist dies auch oft der Fall. Bei aktivem Portfoliomanagement auf die Richtung eines Underlying jedoch muss die Position permanent analysiert und auf den Prüfstand gestellt werden. So kommt es bei einem langlaufenden Long Call allein durch Bewegung des Underlying und Zeitverfall zu erheblichen Wertveränderungen, die durchaus geeignet sind, kritisch zu prüfen, ob die ursprüngliche Anlageidee noch intakt ist und ob es nicht ein geeigneteres Instrument gibt, um sie umzusetzen (Abb. 4.11). Selbst wenn das Underlying wie gewünscht steigt, wird der Gewinn doch mehr oder weniger stark (je nach Zeitablauf) durch den Abbau des Zeitwerts gedrückt. Im Extremfall steigt das Underlying um zehn Prozent, der Optionskäufer verbucht jedoch einen Verlust von einem Viertel seiner gezahlten Optionsprämie. Zwar hat die Option zehn Prozent inneren Wert gewonnen. Der Zeitwertverlust nach einem Jahr Laufzeit (und demzufolge mit einer Restlaufzeit von einer Woche) übersteigt diesen jedoch bei weitem. Besonders deutlich wird dies in dem Fall, in dem sich das Underlying nicht bewegt. Hier ist nach einem Monat ein Verlust an Zeitwert von rund vier Prozent entstanden. Bei einer Restlaufzeit von einer Woche liegt der Verlust bei 87 %. Der Grund dafür ist die geringe Wahrscheinlichkeit, dass die Aktie in der verbleibenden Woche noch deutlich ins Plus steigt. Der Zeitwertverlust erhöht dann auch die Verluste im Falle einer falschen Prognose. Bei einem Kursrückgang im Underlying von nur fünf Prozent und einem Zeitablauf von lediglich einem Monat schlägt die Position mit 25 % zu Buche. Nach weiteren fünf Monaten hat sich dieser Verlust verdoppelt.
266
4
Derivate zur Optimierung der Performance
Nach zehn Prozent Kursverlust und mit einer Restlaufzeit von nur noch einer Woche notiert die Option im Cent-Bereich, sodass praktisch die ganze Optionsprämie verloren ist. Obwohl die Aktie in diesem Beispiel eine jährliche Volatilität von 30 % aufweist, ist die Chance, dass ihr in der verbleibenden Woche noch ein signifikanter Kurssprung gelingt, extrem niedrig. Der professionelle Optionär ist also gehalten, permanent durchrechnen, ob sich seine Position im jeweils aktuellen Marktumfeld nicht noch verbessern lässt. Die Frage, die er sich stellen muss, lautet: „Würde ich genau diese Position jetzt als Opening eingehen, wenn ich sie nicht schon hätte?“ I
Tipp Die Pflege von Derivatepositionen ist Thema des Abschn. 6.2.2.
4.3.1 Overlay Eine der herausragenden Eigenschaften von Derivaten bei der Umsetzung von Marktrichtungswetten ist, dass der Anleger nicht in die Struktur des bestehenden Portfolios eingreifen muss, sondern die Derivateposition „oben draufsatteln“ kann. So kann das oft in mühevoller Kleinarbeit aufgebaute Portfolio beibehalten werden, und der hoffentlich darin enthaltene Selektionsmehrertrag bleibt erhalten. Das Overlay erleichtert die operative Steuerung eines Portfolios ungemein und schafft dem Anleger klare Geschwindigkeitsvorteile, wenn es darum geht, eine Richtungsentscheidung schnell in die Tat umzusetzen. Dazu ist es lediglich erforderlich, vor Orderaufgabe dafür zu sorgen, dass die Initial Margin verfügbar ist (Abschn. 2.3.6). Im weiteren Verlauf muss er dann nur noch ein Auge darauf haben, dass genügend Kasse zur Verfügung steht, um gegebenenfalls das Margin-Konto wieder aufzufüllen. Die Umsetzung von Marktrichtungswetten mittels Overlay hat den Vorteil, dass Erfolg und Misserfolg des Overlay einfach und transparent in der Gewinn- und Verlustrechnung der Future-Transaktionen abgelesen werden können. Oft wird das Mandat zum Management des Overlay auch getrennt vom Managementauftrag für das Kassaportfolio einem anderen Portfoliomanager übertragen. Die Verantwortung für die Selektion und die Beta-Steuerung werden separiert. So können sich der Manager des Kassaportfolios und des Overlay auf ihre jeweiligen Kernkompetenzen konzentrieren. Einen separaten Overlay Manager kann man nicht nur für den Richtungshandel installieren. Auch für das Covered Call Writing lässt sich ein Spezialist installieren, der den transparenten Management-Auftrag bekommt, die im Portfolio gehaltenen Bestände zur Erzielung eines Zusatzertrags zu veroptionieren, ohne dass ein Bestand abgerufen werden darf. Sollte also eine geschriebene Option ins Geld laufen, ist der Overlay Manager gezwungen, sie früher oder später mit Verlust zurückzukaufen, sodass sich sein Ergebnisbeitrag einfach über die Gewinn- und Verlustrechnung der Optionsgeschäfte separieren lässt. Dass es auch dabei noch Spezialthemen gibt, über die man schon einmal nachgedacht haben sollte, zeigt Abschn. 6.1.5.1.
4.3 Handel der Richtung des Marktes
267
4.3.1.1 Hebel Ein sehr interessanter Aspekt im Management des Markt-Exposures zur PerformanceOptimierung ist der einfache Einbau von kontrollierten Hebeln. Dadurch kann der kundige Portfoliomanager sein Know-how überproportional wirksam umsetzen. Dies ist ein typisches Beispiel dafür, wie Derivate den Handlungsspielraum im Portfoliomanagement erweitert haben. Denn vor dem Aufkommen von Derivaten war das Hebeln nur umständlich oder nur in begrenztem Ausmaß möglich. Diese Einsatzmöglichkeit und das Wissen um seine professionelle Handhabung gewinnt gerade in einem Umfeld zurückgehender Renditen zunehmend an Wert, weil es den Portfoliomanager in die Lage versetzt, auch aus relativ kleinen Bewegungen ausreichend hohe Erträge zu erwirtschaften. Das grundlegende Charakteristikum für den Hebel eines Derivats ist der begrenzte Kapitaleinsatz in Relation zum dadurch eingegangenen Exposure. Beispielsweise erfordert der Kauf eines DAX-Future zunächst nur einen Einsatz in Höhe der Eingangssicherheitsleistung (Initial Margin). Diese wird von den Terminbörsen festgelegt. Obwohl sie Schwankungen unterliegt, sind diese Beträge vergleichsweise überschaubar. Beispiel
Im Sommer 2010 lag der Wert beispielsweise bei rund 11.500 C je Kontrakt. Bei einem Kontraktwert von 25 C 6100 DAX-Punkten, also 152.500 C, entsprach dies gerade einmal 7,5 % oder, anders gesprochen, einem 13-fachen Hebel. Gewinnt der Index ein Prozent von 6100 auf 6161 Punkte, resultiert daraus ein Gewinn im Future von 61 Punkten 25 C, also 1525 C oder 13 %. Man kann auch argumentieren, dass der Hebel beim Einsatz von Futures sogar unendlich groß werden kann. Wenn man die Initial Margin durch Hinterlegung von Wertpapieren erfüllen kann, ist keinerlei echter Kapitaleinsatz erforderlich. Selbstverständlich wirkt dieser Hebel auch in die andere Richtung! Das ist dann unproblematisch, wenn genügend Kasse vorgehalten wird, mit der etwaige laufende Verluste sofort ausgeglichen werden können. Hält ein Investor beispielsweise den Rest seiner Anlage von 152.500 C in Kasse, investiert also lediglich die Initial Margin in einen Future-Kontrakt, hat er die äquivalente Position zu einem Engagement in Höhe von 152.500 C direkt am Aktienmarkt. Er hat in diesem Fall keinen Hebel aufgebaut. Man spricht hier auch von einem (Fully) Funded Future, einem vollständig ausfinanzierten Future. Fiele der Aktienmarkt auf 0, wäre sowohl seine Direktanlage am Aktienmarkt als auch sein synthetisches Aktienportfolio wertlos. Das synthetische Portfolio hätte exakt 152.500 C verloren (6100 Indexpunkte 25 C). Problematisch wird es erst, wenn das Exposure über die Kasseposition hinausgeht. Würde der Anleger also zwei Kontrakte kaufen, könnte er im Extremfall 305.000 C verlieren (6100 Indexpunkte 25 C zwei Kontrakte). Durch diese Positionierung hat er den Steigungswinkel verdoppelt, allerdings auch auf der negativen Seite den Fallwinkel. Er müsste in dieser Konstellation ein Limit von 50 % Verlust am Aktienmarkt einziehen, um nicht in eine Überschuldungssituation zu geraten. Es versteht sich von
268
4
Derivate zur Optimierung der Performance
200% 150%
Gewinn/Verlust
100% 50% 0% -50% -100% -150% -200% 5900
6000
6100
DAX-Stand Underlying
Hebel 2
Hebel 5
Hebel 10
Abb. 4.12 Hebelprofil bei Futures
selbst, dass bei steigendem Hebel das Risikomanagement das Portfolio in immer engere Manndeckung nehmen muss. Je höher der Hebel, desto enger muss das Limit gezogen werden. Abb. 4.12 verdeutlicht, warum. Nicht umsonst sagt der (politisch nicht immer korrekte) Derivatevolksmund: Es gibt viele Wege in den Ruin: Fachleute: Das ist der sicherste. Wahlweise auch: EDV: Das ist der sicherste. Frauen: Das ist der schönste. Derivate: Das ist der schnellste.
Optionen bieten dem Investor ebenfalls die Möglichkeit, seine Marktmeinung akzentuiert umzusetzen. Jedoch fehlt das Überschuldungsrisiko, da bei Long-Positionen maximal die Optionsprämie verloren gehen kann und diese im Vorhinein entrichtet werden muss, zumindest bei Standardoptionen. Das Risiko, das eingesetzte Kapital größtenteils oder gar vollständig zu verlieren, besteht jedoch auch hier. Im Gegenzug erhält er die Möglichkeit, mit einem Hebel seiner Wahl an steigenden Kursen im Underlying teilzunehmen.
4.3 Handel der Richtung des Marktes
269
Beispiel
Um noch einmal das Beispiel aus der Beschreibung von Optionen im Abschn. 2.4 aufzugreifen: Bei einem Anstieg der Aktie von 150 C auf 200 C erzielt der Aktionär einen Gewinn von 33,33 %. Entscheidet sich der Anleger stattdessen für eine Long Call Position mit einem Basispreis von 150 C, dann erwirbt er damit das Recht, diese Aktie zu 150 C vom Verkäufer der Option zu erwerben. Dafür bezahlt er diesem den Optionspreis von fünf Euro. Steht die Aktie am Fälligkeitstag der Option bei 150 C oder mehr, wird der Optionskäufer seine Option ausüben und sich die Aktie zum Preis von 150 C vom Stillhalter liefern lassen. Notiert die Aktie beispielsweise bei 200 C, bezieht er die Aktie aus der Option zu 150 C und verkauft sie sofort am Markt für 200 C. Damit erzielt er einen (Brutto-)Gewinn von 50 C. Abzüglich der aufgewendeten Optionsprämie von fünf Euro verbleiben ihm 45 C Gewinn. Er hat sein Kapital mit einem neunfachen Gewinn verzehnfacht. Der Hebel auf den prozentualen Gewinn der Aktie liegt also bei 900 % / 33,33 % D 27. Allerdings sind Optionen zeitabhängige Instrumente. Es kommt also auch darauf an, wann die Kursbewegung eintritt. Das obige Beispiel bezog sich auf den Fälligkeitstag der Option. Vor Verfall reagiert die Option jedoch in absoluten Beträgen nicht 1:1 wie das Underlying, sondern lediglich mit ihrem Delta, aber prozentual mit dem vom Delta abhängigen Omega oder Lambda (Abschn. 2.4.5.2). Dieser Hebel beträgt in unserem Beispiel bei einem Aktienpreis von 150 C, einem Optionspreis von 5 C und einem Delta von 0,5 (Call am Geld): 0,5 150 C / 5 C D 15. Steigt die Aktie von 150 C auf 151 C, liegt der prozentuale Gewinn bei 0,6666 %. Die Option gewinnt 0,5 1 C D 0,50 C. Das entspricht einem Anstieg von zehn Prozent auf den Einkaufspreis der Option. Daraus ergibt sich ein Hebel von 10 % / 0,6666 % D 15. Einschränkend muss man jedoch beachten, dass es sich nur um einen lokalen Hebel handelt. Als Risikogröße geht lediglich das Delta in die Berechnung ein. Das heißt, dass dieser Hebel nur für relativ kleine Preisveränderungen gilt. Bei größeren Bewegungen wird das Gamma wirksam und verändert das Delta (Abschn. 2.4.5.1 und 2.4.5.3). Und auch der Faktor „Zeit“ spielt eine Rolle und verändert den Hebel, handelt es sich doch bei Optionen um „Wasting Assets“. Durch fortschreitenden Verfall des Zeitwerts werden Optionen ceteris paribus immer weniger Wert, je mehr Zeit ins Land geht. Daher ist gegebenenfalls schon eine deutlichere Bewegung im Underlying erforderlich, um diesen Zeitwertverfall zu kompensieren und die Position schließlich noch ins Plus zu bringen.
270
4
Derivate zur Optimierung der Performance
Der Zeitwertverfall ist auch der Grund, warum der realisierte Hebel auf Endfälligkeit der Beispieloption bei 27 liegt und nicht bei 30, wie man es erwartet hätte, wenn man vereinfacht ein „Lambda/Omega auf Endfälligkeit“ errechnet hätte. Das Omega ist definiert als Omega = Delta Aktienkurs / Optionspreis (Abschn. 2.4.5.2). Man könnte jetzt das Delta des Call, in der Annahme, dass er am Verfallstag im Geld endet, mit eins ansetzen und käme auf einen Hebel von 1 150 / 5 D 30. Und tatsächlich hat in gewisser Weise die Option auch einen Hebel von 30 realisiert, nämlich bezogen auf den inneren Wert. Der innere Wert lag zu Beginn bei null, da der Kurs des Underlying genau auf dem Basispreis von 150 C lag. Bei Verfall betrug der innere Wert 50 C (200 C 150 C). Ins Verhältnis zum Optionspreis gesetzt, errechnet sich ein prozentualer Gewinn („an innerem Wert“) von 50 C / 5 C D 1000 %. In Relation zur Performance der Aktie, ergibt sich ein Hebel von 1000 % / 33,33 % D 30. Jedoch drückt der Verlust des Zeitwerts in Höhe von 5 C – von dem der nur lokal und kurzfristig gültige Hebel abstrahiert –, den realisierten Hebel auf 27. So ist das Eingehen einer Optionsposition auch ungleich komplexer als der einfache Kauf einer Aktie. Zwar muss in beiden Fällen die prognostizierte Richtung des Aktienkurses stimmen, wenn man von genau dieser Prognose profitieren will. Aber welche Option man genau einsetzt, macht einen gewaltigen Unterschied im Auszahlungsprofil. Beispiel
Nehmen wir an, wir hätten die Wahl, unsere kurzfristig positive Meinung auf eine Aktie über den Kauf derselben oder das Investment in mehrere Optionen umzusetzen. Dann ergibt sich folgende Konstellation: Aktie
Call 1 40,00 €
50,00 €
Kosten
52,00 €
17,00 €
12,00 €
Delta
1
0,8
0,66
Hebel
1
2,45
2,86
Break-even
52,00 €
57,00 €
62,00 €
Verlustwahrscheinlichkeit
nahe null
20 %
34 %
Basispreis
Call 2
Call 1 hat einen tieferen Basispreis und trotz des höheren Optionspreises den niedrigeren Break-even. Call 2 ist aggressiver. Zwar liegt die Gewinnschwelle höher, aber im Gegenzug auch der Hebel.
4.3 Handel der Richtung des Marktes
271
350% 300% 250%
Gewinn/Verlust
200% 150% 100% 50% 0% -50% -100% 0
5
10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95 100
Akenkurs Ake
Call 1
Call 2
Abb. 4.13 Hebelprofil bei Kaufoptionen
Abb. 4.13 illustriert das prozentuale Auszahlungsprofil der Optionen und macht deutlich, wie durch den Kauf verschiedener Kaufoptionen der Mehr- oder Minderertrag gegenüber einer Aktienposition gesteuert werden kann. Je niedriger der Ausübungspreis gewählt wird, desto flacher verläuft, bei gleicher Laufzeit der Option, der Anstiegswinkel (= Hebel) im Fall steigender Kurse im Underlying. Dafür setzt der Anstieg des Optionswerts schon bei tieferen Basispreisen ein. Setzt man den Basispreis immer tiefer an, kommt man immer weiter in den Bereich der sogenannten Low Exercise Price Options (LEPOs). Aufgrund des tiefen Basispreises sind diese Optionen tief im Geld und vollziehen die Kursbewegung im Underlying mit einem Delta von eins nach. Um von der Umsetzung einer direktionalen Anlageidee in bestmöglicher Weise zu profitieren, geht es also nicht nur darum, einen Titel zu finden, für den man sich in der Lage sieht, dessen Kursrichtung korrekt vorherzusagen. Man ist zusätzlich noch gezwungen, eine ziemlich präzise Vorstellung davon zu entwickeln, wie weit sich der Titel in die prognostizierte Richtung entwickelt und in welchem Zeitfenster dies der Fall sein dürfte. In der Praxis könnte man dabei beispielsweise wie folgt vorgehen:
272
4
Derivate zur Optimierung der Performance
In einem ersten Schritt werden aus einer Reihe von Aktien auf Basis der Prognose für deren Kurschancen die attraktivsten Werte herausgefiltert. Dabei kann man gleich in diesem Schritt berücksichtigen, inwieweit das Kursziel so attraktiv ist, dass es deutlich über den normalen Bewegungsradius der Aktie, wie er sich in der impliziten Volatilität einer Option widerspiegelt, hinausgeht. Adjustiertes Potenzial D
Prognose q Kurs 1 C Vola Prognosehorizont 12
(4.2)
Beispiel
Für drei Beispielaktien ergäben sich Potenzialfaktoren wie folgt:
Prognosehorizont: 3 Monate Aktie
Kurs
Prognose
Veränderung
Volatilität
Potenzial
A
156 €
164 €
5,13 %
20 %
0,96
B
200 €
206 €
3,00 %
10 %
0,98
C
194 €
200 €
3,09 %
5%
1,01
Adjustiert um die übliche Schwankungsbreite erschiene also Aktie C am attraktivsten. In einem zweiten Schritt wäre dann die am besten passende Option zu bestimmen. Dazu könnte man alle verfügbaren Optionen auf das Ende des Prognosehorizonts hin untersuchen. Wie hoch wäre der Optionswert bei Erreichen des Kursziels? Dem gilt es gegenüberzustellen, welche Kosten mit dem Erwerb der jeweiligen Option verbunden wären. Je nach individueller Risikoneigung mag es beim Abwägen der beiden Komponenten zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, die sich nicht pauschal auf einen Maximalwert in der Relation von erwartetem Ertrag zu Optionspreis reduzieren lassen. Ein besseres Gefühl für Chancen und Risiken einer jeden Option bietet aber allemal eine Betrachtung mehrerer vorstellbarer Kursziele, verbunden mit einer Einschätzung von deren jeweiliger Eintrittswahrscheinlichkeit wie in Abb. 4.10. Ein Vergleich mehrerer alternativer Kontrakte nach diesem Muster würde eine gute Einschätzung von Chancen und Risiken ermöglichen. Allerdings gilt es zu berücksichtigen, dass aufgrund des Hebels eine hohe Sensitivität gegenüber den geschätzten Prognosewerten besteht. Kleinere Änderungen in den Kurszielen und den damit verbundenen Wahrscheinlichkeiten können dazu führen, dass die Attraktivitätsreihenfolge kräftig durcheinander gewirbelt wird.
4.3.1.2 Verkauf von Optionen Auch über den Verkauf von Optionen lässt sich eine Einschätzung bezüglich der Richtung eines Marktes umsetzen. Um von einem steigenden Markt zu profitieren, bedarf es einer
4.3 Handel der Richtung des Marktes
273
delta-positiven Gesamtposition im Portfolio. Diese lässt sich auch durch den Verkauf von Verkaufsoptionen (Short Put) darstellen. Puts weisen ein negatives Delta auf. Ihr Preis fällt in einem steigenden Markt. Bei einer Short-Position dreht sich das Vorzeichen um, sodass eine Short Put-Position delta-positiv ist. Sie profitiert in einem steigenden Markt dadurch, dass der verkaufte Put aus dem Geld läuft, dadurch immer billiger wird und dann unterhalb des Verkaufspreises zurückgekauft werden kann oder eben wertlos verfällt. Da das Delta bei dieser Bewegung aus dem Geld jedoch immer kleiner wird, profitiert der Short Put mit zunehmend steigenden Kursen im Underlying nur unterproportional. Umso bedeutender ist in diesem Fall die Entwicklung der impliziten Volatilität. Bei steigenden Kursen im Underlying und gleichzeitig sinkender Volatilität (was sehr häufig Hand in Hand geht; Abschn. 4.2.1.5.3) verfällt der Wert des geschriebenen Puts mitunter sehr schnell, sodass die Position das Potenzial hat, schon nach kurzer Zeit deutlich im Plus zu liegen. Dennoch muss man sich stets im Klaren darüber sein, dass Optionspositionen nie eine reine Wette auf die Richtung des Underlying sind, sondern stets zusätzlich maßgeblich von Veränderungen der impliziten Volatilität beeinflusst werden. Denn im umgekehrten Fall (Underlying fällt, in den meisten Fällen einhergehend mit einer steigenden impliziten Volatilität) steigt der Wert des Put rasant, was die G&V der Position schnell tief in die roten Zahlen drücken kann. Doch auch bei längerer Haltedauer und eher stagnierenden Kursen kann sich das Schreiben von Puts als attraktiv erweisen. Was in der oben beschriebenen Long-Position in einer Option als Nachteil angeführt wurde, die Wasting Asset-Eigenschaft, kommt der Short-Position natürlich entgegen. Dafür ist umgekehrt aber auch das Risiko bei einer Fehleinschätzung des Marktes deutlich größer und nicht auf die Prämie beschränkt. Diese wird im Fall einer Short-Position ja als Ertrag eingenommen. Das Risiko ergibt sich aus der Bewegung im Underlying, da der Optionsstillhalter eine Verpflichtung eingegangen ist. Im Falle einer Short Put-Position muss er das Underlying auf Wunsch des Optionskäufers abnehmen. Im Extremfall fällt dieses Underyling auf null. Daher ist das maximale Risiko der Basispreis abzüglich der vereinnahmten Optionsprämie. Bei der spiegelbildlichen Position, dem (ungedeckten) Verkauf einer Kaufoption (Short Call), ist das Risiko gar unbegrenzt, da der Kurs des Underyling beliebig weit nach oben steigen kann (Abschn. 2.4).
4.3.1.3 Buy-write Durch den Einsatz von Derivaten ist ein Portfoliomanager in der Lage, seinen Blick auf die Entwicklung des Underlying genauer umzusetzen, indem er unterschiedliche Risikoprofile darstellt und diese Risikoprofile gemäß den analysierten Informationen anpasst. Die erhöhte Flexibilität von Finanzoptionen verschafft ihm mehr Handlungsoptionen. Ein weiteres, simples Beispiel dafür ist eine Buy-write-Position. Ein Buy-write ersetzt den einfachen Kauf eines Asset, zum Beispiel einer Aktie, durch ein Paket aus dem Kauf der Aktie bei gleichzeitigem Verkauf einer Kaufoption, die meist aus dem Geld liegt. Es ist eine weitere Anwendungsmöglichkeit eines Short Call. Der Unterschied zum Covered Call Writing (Abschn. 4.2.1) besteht darin, dass es nicht darum
274
4
Derivate zur Optimierung der Performance
geht, einen Zusatzertrag auf einen vorhandenen Aktienbestand zu generieren. Die Aktie ist zunächst noch gar nicht im Portefeuille. Sie muss erst einmal angeschafft werden. Es geht auch über das Setzen einer derivativen Verkaufsorder hinaus. Beim Sell Stop mittels Short Call ist die Idee, den Ausstieg aus einer Position zu managen (Abschn. 5.16.1). Beim Buy-write handelt es sich um ein umfassendes Investitionsvehikel, mit dem der Manager sowohl den Einstieg in ein Investment als auch gleichzeitig den potenziellen Ausstieg kontrolliert. Das wäre auch dergestalt umzusetzen, dass man in eine Aktie investiert und sie gleichzeitig mit einer limitierten Verkaufsorder versieht. Das Buy-write stellt hierzu eine derivate Alternative zur Verfügung, mit der auf dieses Verkaufslimit zusätzlich eine Prämie vereinnahmt werden kann. Die Einberechnung dieses Zusatzertrags in die Gesamtposition führt dann mitunter dazu, dass der Manager den Verkaufspreis nicht dort platziert, wo er ihn ohne die Prämieneinnahme gesetzt hätte. Dass es gerade das Paket ist, was diesen Ansatz differenziert, zeigt sich auch darin, dass es kein Äquivalent auf Basis eines Put gibt. Zwar existiert die asymmetrische Kauforder, mit der der Einstieg in ein Asset gemanagt werden kann in Form eines Short Put. Aber niemand fährt eine Sell-write-Strategie, in der man eine Aktie short gehen würde, um den Ausstieg zu kontrollieren, und einen Put schreibt, um einen bedingten Einstieg zu managen.
4.3.2 Basis Trades In Abschn. 2.3.3.2 wurden der Begriff der Basis und die Determinanten der Basis beschrieben. Eine weitere Möglichkeit, die Performance eines Portfolios zu verbessern, ist die aktive Spekulation auf die Entwicklung dieser Basis. Dabei kann der Portfoliomanager einerseits auf eine sich temporär ausweitende oder sehr schnell einengende Basis setzen, beispielsweise durch eine prognostizierte Veränderung der kurzfristigen Zinsen oder durch einen Wechsel der CTD. Ebenso kann es zu Situationen kommen, in denen die Basis durch Marktverzerrungen aus dem Band fällt, das die faire Bewertung markiert, zum Beispiel weil durch einseitige Positionierung der Marktteilnehmer in der CTD, im Future oder Repo-Markt ein künstliche Verknappungssituation (Short Squeeze) entsteht oder anderweitige Marktunvollkommenheiten für ungewöhnliche Abweichungen sorgen. In einem solchen Fall ergibt sich unter Umständen die Möglichkeit, diese temporäre Fehlbewertung auszuarbitrieren. Die Position im Basishandel ist die gleiche wie bei der Arbitrage, nur dass der Portfoliomanager nicht beabsichtigt, die Position bis zur Fälligkeit zu halten, sondern vorzeitig aufzulösen, sobald sich die Basis ausreichend weit in die von ihm gewünschte Richtung entwickelt hat. Rechnet er mit einer Ausweitung der Basis, wird er diese long gehen, indem er die Anleihe kauft und den Future dagegen verkauft. Die Hedge Ratio errechnet sich aus (4.3) Hedge Ratio D NominalCTD PreisfaktorCTD =NominalFuture
4.3 Handel der Richtung des Marktes
275
Beispiel
Bei den folgenden Marktdaten stellt man einer Zehn-Millionen-Euro-Position in der CTD 100 Bund Future-Kontrakte entgegen: Basis Trade:Ausgangsposition Bund Future
108,77
CTD
109,12
Rendite
4,70 %
Preisfaktor Basis
0,999674 0,3855
Kauf CTD
10.000.000,00
Kurswert
10.912.000,00
Stückzins
3.333,33
Ausmachender Betrag Anzahl verkaufte Kontrakte
10.915.333,33 100
Bei einer sich ausweitenden Basis ergibt sich ein Gewinn von etwas über 16.000 C. Basis Trade: Ergebnis CTD
109,5
Future
109,12
Basis
0,4156
Kaufpreis CTD Finanzierungskosten Verlust Future Verkaufspreis CTD
-10.915.333,33 -28.567,20 -35.000,00 10.950.000,00
Stückzinsen
45.000,00
Ergebnis
16.099,47
Um bei der Implementierung nicht Gefahr zu laufen, dass eine Seite des Geschäfts nicht, nicht vollständig oder mit Zeitverzögerung und damit unter Umständen zu einem anderen Preis ausgeführt wird, haben die Terminbörsen mit der Basis Trading Facility die Infrastruktur geschaffen, um die Basis als eigenständiges Geschäft zu handeln.
276
4
Derivate zur Optimierung der Performance
4.3.3 Spreads Wie so oft im Bereich der Finanzen werden oft verschiedene Sachverhalten unter dem gleichen Schlagwort subsumiert, so auch bei den Spreads. Wenn man erst einmal versucht, das Thema sprachlich aufzulösen, kann man konstatieren, dass sich hinter „Spreads“ jegliche Art von Position verbergen kann, die mindestens zwei Assets, die einen mehr oder minder ausgeprägten Gleichlauf aufweisen, gegeneinander handelt. Wenn man auf dieser Basis versucht, Spread-Strategien zu systematisieren, kommt man auf drei große Klassen: Intra Contract Spread Inter Contract Spread Inter Market Spread
4.3.3.1 Intra Contract Spread I Definition Der Intra Contract Spread zeichnet sich dadurch aus, dass unterschiedliche Kontrakte auf das gleiche Underlying eingesetzt werden. Optionen haben aufgrund der unterschiedlichen Basispreise eine tiefere Gliederungsmöglichkeit. Bedient man sich Optionen mit unterschiedlichen Basispreisen, spricht man von einem vertikalen Spread oder Price Spread. Ist dieser eher auf einen steigenden Markt ausgerichtet, spricht man von einem Bull Spread, bei einer Ausrichtung auf einen fallenden Markt von einem Bear Spread. Dabei kann jede dieser Positionen jeweils über Calls oder Puts implementiert werden (Abb. 4.9). Beispielsweise setzt sich ein Bull Call Spread zusammen aus einem Long Call mit einem niedrigeren und einem Short Call mit einem höheren Basispreis (Abb. 4.14). Differieren die Optionen hinsichtlich ihre Laufzeiten, wird dies als horizontaler oder Time Spread bezeichnet. Diese werden zum Beispiel aufgesetzt, wenn man vom schnelleren Zeitwertverfall der kürzerlaufenden Option profitieren möchte, und gleichzeitig andere Risiken, zum Beispiel aus der Bewegung des Underlying, weitgehend absichert. Weichen beide genannten Kriterien voneinander ab, handelt es sich um diagonale Spreads. Dabei unterstellt man, dass in den beiden Teilen des Spreads jeweils die gleiche Anzahl an Optionen eingesetzt wird. Ist dies nicht der Fall, spricht man von einem Ratio Spread (Abschn. 4.2.1.5.5). Hier wiederum kann man eine grobe Unterscheidung zwischen Debit und Credit-Strategien treffen, also solchen, bei denen man beim Eingehen der Position per saldo investieren muss, weil die Ausgaben für gekaufte Optionen die Einnahmen aus verkauften Optionen übersteigen (Debit-Strategie) und solchen, bei denen die eingenommene Optionsprämie höher ausfällt als die Ausgabe (Credit-Strategie). Nähere Erläuterungen zu Option Spreads finden sich in Abschn. 6.2.2. Beim Future reduziert sich der Spread auf den Einsatz gleicher Instrumente mit unterschiedlichen Laufzeiten. In diesem Fall spricht man auch von Time Spreads oder Calender Spreads (Abschn. 7.11).
277
G&V
4.3 Handel der Richtung des Marktes
Preis Underlying Long Call
Short Call
Call Spread
Abb. 4.14 Bull Call Spread
Dabei wird zumeist der nächstfällige Kontrakt (Front Month) gegen den darauf folgenden Future (Back Month) gespielt. Motivation für eine derartige Position ist eine Differenz der Future-Kurse zu ihrem fairen Wert oder, anders ausgedrückt, eine erwartete Bewegung in den theoretischen und gehandelten Nettofinanzierungskosten (Abschn. 2.3.3). Ein gekaufter Spread setzt sich zusammen aus einer Long-Position im Front Month und einer Short-Position im Back Month. Beispiel
Am 18. November 2010 notierte der Future auf den Bund wie folgt: Future Calender Spread: Ausgangsposition Geld
Brief
Dez 10
127,85
127,86
Mrz 11
127,73
127,75
Um den Spread zu kaufen, wäre also der Dezember-Future zu 127,86 zu kaufen und der März-Future zu 127,73 zu verkaufen. Um eine Short-Position aufzusetzen, wäre entsprechend der März-Future zu 127,75 zu kaufen und der Dezember-Future zu 127,85 zu verkaufen. Der Spread notiert also mit 10 zu 13.
278
4
Derivate zur Optimierung der Performance
Am 1. Dezember 2010 notierten die Kontrakte bei: Future Calender Spread: Entwicklung Geld
Brief
Dez 10
127,27
127,28
Mrz 11
127,02
127,04
Der Spread hat sich also auf 23 zu 26 ausgeweitet. Die Ausweitung um 13 Basispunkte reduziert sich durch die Geld-Brief-Spanne um drei Ticks auf zehn Basispunkte. Da ein Tick zehn Euro entspricht, resultiert aus einer Einheit Calender Spread long ein Gewinn von 100 C. Aufgeteilt auf die einzelnen Kontrakte ergibt sich folgende Aufgliederung: Future Calender Spread: Ergebnis Kauf
Dez 10
127,86
Verkauf
Dez 10
127,27
Ergebnis
-0,59
Kauf
Mrz 11
127,04
Verkauf
Mrz 11
127,73
Ergebnis
0,69
Gesamt
0,10
Per saldo sind die Zinsen gestiegen und die Kurse gefallen. Der März-Kontrakt war beim Eingehen der Position short und ist um 71 Ticks gefallen. Abzüglich der GeldBrief-Spanne von zwei Ticks konnte die verkaufte Position mit 69 Ticks Gewinn eingedeckt werden. Der Dezember-Kontrakt ist ebenfalls gefallen, jedoch nur um 58 Ticks. Hinzu kommt die Geld-Brief-Spanne von einem Tick. Der Verlust auf die ursprüngliche Long-Position beläuft sich mithin auf 59 Ticks. Insgesamt überkompensiert der Gewinn aus dem Back Month den Verlust aus dem Front Month. Der Trade hätte auch in einem Szenario fallender Zinsen und steigender Kurse funktionieren können, da die Position neutral gegenüber der generellen Zinsrichtung und ausschließlich auf den Spread aufgesetzt war. Mit derart marktneutralen Strategien lassen sich also unabhängig von der Entwicklung der Marktrichtung positive Erträge erzielen. Der wichtigste preistreibende Faktor für den Calender Spread sind neben der (erwarteten) Zinsentwicklung – insbesondere hinsichtlich einer Veränderung in der Form der Zinsstrukturkurve und dem Wechsel der CTD – die Roll-over-Aktivitäten von bestehen-
4.3 Handel der Richtung des Marktes
279
den Positionen, sei es direktionalen Long- oder Short-Positionen in der Duration oder Kurvenpositionierungen, die auf eine steiler oder flacher werdende Zinsstrukturkurve setzen (Steepener oder Flattener). Um diese zu erleichtern und somit generell den Handel von Calender Spreads zu vereinfachen, stellen die Terminbörsen Fazilitäten zur Verfügung, die es erlauben, den Calender Spread direkt in einem Geschäft zu handeln und nicht mühselig über den Kauf und Verkauf von Front und Back Month. Diese sogenannten Spread Trading Facilities sorgen darüber hinaus für engere Geld-Brief-Spannen. Außerdem besteht ein Risiko beim Time Spread darin, dass die beiden Teile des Spreads nicht gleichzeitig ausgeführt werden. Auch dieses Risiko wird durch die Nutzung der Spread Trading Facilities vermieden. Letztendlich sind natürlich Angebot und Nachfrage zentrale Treiber des Spreads. Befindet sich der Markt in einer Phase von Konsens-Positionen („,Alle‘ glauben, dass der Aktienmarkt fällt und sind abgesichert.“) kann dies den Markt stark beeinflussen. Dabei macht es einen Unterschied, welche Gruppen von Marktteilnehmern mit welchen Anlagemotiven im Markt aktiv sind (Abschn. 3.5.6). Dies kann nämlich Auswirkungen auf den Roll haben. Befinden sich relativ viele Arbitrageure und Broker im Markt, sind diese meist extrem preissensitiv. Sie werden ihre Positionen dann rollen, wenn sich eine preislich interessante Situation ergibt. Dem gegenüber empfinden manche Endanleger, die sich beispielsweise über Derivate absichern, den Roll-over mehr als notwendiges Übel denn als Ertragsmöglichkeit. Sie sind oft nicht derart preissensitiv und rollen ihre Positionen eher früher, um den operative Vorgang des Rollens nicht bis zur letzten Minute aufzuschieben. Arbitrageure und Broker kalkulieren diese Rollaktivitäten ein und positionieren sich entsprechend. Je nachdem, wann diese Rollaktivitäten anlaufen, kommt die Liquidität im Spread in manchen Quartalen früher, in anderen wiederum später in den Markt. Beispiel
Sehr gut beobachtbar war dieses Phänomen jahrelang in Japan. Dort bestanden noch viel mehr als heute massive Kapitalverflechtungen der Unternehmen untereinander. Um das Kursrisiko ihrer Beteiligungen zu kontrollieren, hatten viele Firmen AktienindexFutures zur Absicherung eingesetzt. Diese wurden meist früh gerollt, also zu einem Zeitpunkt eher geringer Liquidität im Back Month, ohne der Höhe des Spreads sonderliche Bedeutung beizumessen. Erst nachdem diese Investoren ihre Shorts auf Niveaus eher unterhalb des fairen Wertes gerollt hatten, kamen die preissensitiven Marktteilnehmer in den Markt. Mit der Zeit verzögerten die wenig preissensitiven Marktteilnehmer ihre Rollaktivitäten jedoch auch immer weiter, sodass die Liquidität sich immer näher am Verfall einstellte. Besonders facettenreich ist der Handel von Calender Spreads im Rentenbereich. Durch das Konstruktionsmerkmal des lieferbaren Anleihekorbs und die Möglichkeit, dass sich die Cheapest-To-Deliver-Anleihe in einen Bond mit einem ganz anderen Repo-Satz ändert, können über den Handel von Calender Spreads eine ganze Reihe von Markterwar-
280
4
Derivate zur Optimierung der Performance
Tab. 4.1 Wie reagiert der Calender Spread beim Anstieg unterschiedlicher Faktoren? Faktor Preis der Front Month CTD Preis der Back Month CTD Geldmarktzins Wert der Front Month CTD im Repo-Markt Wert der Back Month CTD im Repo-Markt Wert der Lieferoption im Front Month Wert der Lieferoption im Back Month Kurvenversteilerung; CTD im Back Month hat längere Laufzeit Open Interest im Front Month
Wirkung auf Calender Spread C C C C C
tungen umgesetzt werden (Abschn. 3.5.2). Eine gute Übersicht darüber liefern Bohn und Meyer-Bullerdiek (1996; Tab. 4.1). Vorsicht ist geboten, wenn man überlegt, einen Calender Spread mit sehr langen Kontrakten auf dem einen Teil der Position und sehr kurzen Kontrakten als Gegengewicht aufzusetzen. In bestimmten Konstellationen kann dies dazu führen, dass sich die Wertentwicklungen der beiden Positionen sehr stark entkoppeln. Fallen dann bei einem ausgeprägten Trend auf einem Teil massive Verluste an, die nicht durch die Gegenposition ausgeglichen werden können, kann dies schnell zu einer finanziellen Katastrophe führen, nämlich dann, wenn nicht genügend liquide Mittel vorhanden sind, um die laufenden Verluste abzudecken. Dabei ist es häufig so, dass derartige Positionen durchaus profitabel sind, wenn man sie bis zum Ende durchhalten kann. Voraussetzung ist, dass man über Taschen verfügt, die tief genug sind, um zwischenzeitliche Durststrecken zu überstehen. Beispiel
Ein klassischer Fall, dem in Deutschland sehr viel Aufmerksamkeit zuteilwurde, war die Krise bei Metallgesellschaft im Jahr 1993. Hier war eine langfristig profitable Strategie im Petroleummarkt an (eigentlich vorhersehbaren) zwischenzeitlich auftretenden Verlusten, die die Gesellschaft nicht bedienen konnte, gescheitert. Eine Analyse des damaligen, von einer Tochtergesellschaft der Metallgesellschaft verantworteten Programms findet sich bei Bollen und Whaley (1998).
4.3.3.2 Inter Contract Spread Die Bezeichnung „Inter Contract Spread“ ist ein Euphemismus. Rein sprachlich suggeriert er eine Position, die nur ein geringes Risiko aufweist, weil ja „nur“ ein Spread gehandelt wird. In vielen Fällen mag das durchaus der Fall sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn zwei Instrumente dauerhaft sehr eng miteinander korreliert sind. Doch hier liegt auch eine immense Gefahr.
4.3 Handel der Richtung des Marktes
281
I Definition Denn letztlich ist ein Inter Market Spread eine Zusammenführung zweier separater Wetten, die durch einen mehr oder minder ausgeprägten und stabilen Zusammenhang miteinander verknüpft sind. Aus dem Hedgefonds-Bereich herrührend werden derartige Positionen oft auch als Long-Short-Strategien (Abschn. 5.12.1) oder statistische Arbitrage (Abschn. 4.1) bezeichnet. Da die definitorischen Grenzen jedoch fließend sind, kann man sich auch unversehens im Problemfeld eines ausgewachsenen Dirty Hedge oder Cross Hedge (Abschn. 3.5.5) wiederfinden. Basis der Überlegung ist, dass beide Teilpositionen von den gleichen Risikofaktoren bestimmt werden, sodass man „lediglich“ eine Meinung darüber entwickeln muss, welche der beiden „verwandten“ Positionen sich besser und welche schlechter entwickelt als die andere. Im Rentenbereich versteht man darunter beispielsweise Positionen auf eine Änderung der Zinsstrukturkurve, wie man sie auf die deutsche Kurve mit Bund-, Bobloder Schatz-Future spielen könnte (Abschn. 5.7). Oft wird eine derartige Position auch als Handel des Rendite-Spreads bezeichnet. Bei einer normalen (ansteigenden) Renditestrukturkurve hat die längere Anleihe/der längere Future eine höhere Rendite als die/der kürzere. Die Differenz der beiden Renditen ist der Rendite-Spread. Hegt man die Erwartung, dass sich die Renditedifferenz verringert, bedeutet das, dass man davon ausgeht, dass sich der längere Future besser entwickelt als der kürzere. Also kauft man den längeren Future, beispielsweise den Bund Future, und verkauft den kürzeren, also den Bobloder Schatz-Future. In Erwartung eines steigenden Rendite-Spreads setzt man die umgekehrten Positionen auf. Damit ist klar, dass ein solcher Spread Trade nichts anderes ist als die Kombination zweier Hedges. Man kauft den Kontrakt mit der höheren Rendite (Long Hedge) und verkauft denjenigen mit der niedrigeren Rendite (Short Hedge). Zu beachten ist dabei lediglich, dass die Long- und Short-Position jeweils die gleiche Kurssensitivität bezüglich Renditeveränderungen aufweisen – natürlich mit umgekehrtem Vorzeichen, damit sich die Gesamtposition neutral gegenüber einer Parallelverschiebung der Zinsstrukturkurve verhält. So sind Gewinn und Verlust am Ende nicht von einer Gesamtverschiebung des Renditeniveaus abhängig, sondern, wie beabsichtigt, nur von der relativen Zinsentwicklung an den beiden Stellen der Renditestrukturkurve, auf denen die Future-Positionen sich abstützen. Beispiel
Gehen wir von folgender Ausgangslage aus: Bund Future Nominal: Dirty Price CTD: Modified Duration CTD: Preisfaktor:
100.000 C 109,56 6,77 0,999563
282
4
Derivate zur Optimierung der Performance
Bobl Future Nominal: Dirty Price CTD: Modified Duration CTD: Preisfaktor:
100.000 C 107,52 3,22 1,062248
Ein Portfoliomanager rechnet mit einer flacher werdenden Zinsstrukturkurve. Er geht also davon aus, dass die Zinsen am langen Ende der Kurve (Bund) stärker fallen oder weniger stark steigen als die Zinsen im mittleren Bereich der Kurve (Bobl). Dazu setzt er einen Rendite-Spread dergestalt auf, dass er die relativ attraktiveren Bunds kauft und dagegen Bobls verkauft. Zunächst errechnen sich die jeweiligen Dollar Durations (die in diesem Fall eigentlich Euro Durations sind) 6,77 109,56 / 100 D 7,4172 für die CTD Bund und 3,22 197,52 / 100 D 3,4621 für die CTD Bobl. Und schließlich 7,4172 / 0,999563 D 7,4204 für den Bund Future und 3,4621 / 1,062248 D 3,2593 für den Bobl Future. Da die Nominalwerte beider Kontrakte gleich sind, ergibt sich eine Spread Ratio von 7,4204 / 3,2593 D 2,2767 Er verkauft also für jeden gekauften Bund Future 2,2767 Bobls. Wenn er die Position in einer Größenordnung von nominal zehn Millionen Euro aufzusetzen gedenkt, geht er 100 Bunds long und 228 Bobls short. Wenn nach zwei Tagen der Bund 30 und der Bobl zehn Ticks gewonnen haben, weist die Gewinn- und Verlustrechnung den erwarteten Gewinn aus: Bund: C100 30 10 D C 30:000 Bobl: 228 10 10 D 22:800 C 7200 Im Verlauf gilt es ein Augenmerk auf die mögliche Veränderung der Duration der Futures zu haben. Sofern sich diese entscheidend verändern, zum Beispiel durch den Wechsel der CTD, gilt es, das Kontraktverhältnis anzupassen.
4.3 Handel der Richtung des Marktes
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Im Aktienmarkt könnte man Marktsegmente gegeneinander spielen, indem man beispielsweise DAX- und MDAX-Future gegeneinander stellt. So lassen sich bewusst deutsche Unternehmen mit hoher Kapitalisierung gegen solche mit mittlerer Kapitalisierung stellen. Da man hier auf die Veränderung eines reinen Preis- oder Nominal-Spreads abstellt, werden die Kontrakte im Verhältnis eins zu eins gegeneinander gestellt, entweder bezogen auf die Kontraktanzahl (also einen DAX-Future gegen einen MDAX-Future) oder in Kontraktwerten (also zehn Millionen Euro DAX-Future gegen zehn Millionen Euro MDAX-Future). Dabei muss man sich jedoch bewusst sein, dass man unter Umständen keinen reinen Spread Trade auf dem Buch hat, sondern zusätzlich eine Long- oder ShortPosition auf den Aktienmarkt, da die Spread Ratio nicht risikoadjustiert ist. Wenn also der MDAX ein stabil höheres Beta gegenüber einem gemeinsamen Risikofaktor, zum Beispiel der Entwicklung des Weltaktienmarkts, aufweist als der DAX, wäre ein reiner PreisSpread MDAX long und DAX short auch eine Long-Position im Weltaktienmarkt. Interessante Anwendungsmöglichkeiten ergeben sich auch immer dann, wenn zwei Kontrakte zur Verfügung stehen, bei denen der eine Kontrakt eine vergleichsweise große Teilmenge des anderen darstellt. Beispielsweise kann man über den STOXX 50 Future, in dem die sehr großen europäischen Unternehmen vertreten sind, genau diese Schwergewichte aus einem breiter angelegten Index wie dem STOXX 600 oder dem MSCI Europa heraushedgen und so das Exposure im Midcap-Bereich konzentrieren. Ebenso kann man mit dem amerikanischen S&P 500 und dem S&P 100 oder dem Russell 2000 und dem S&P 500 verfahren. Im Rentenmarkt kann man den Inter Contract Spread noch etwas weiter treiben, indem man ihn nicht auf die gleiche, sondern auf verwandte Kurven aufsetzt, zum Beispiel eine Position auf die relative Entwicklung zweier europäischer Rentenmärkte. Italienische und deutsche Staatsanleihen fallen beide unter die Rubrik „Euroland Staatsanleihen“, haben dadurch einen gewissen gemeinsamen, wertbestimmenden Faktor. Allerdings bestehen sowohl hinsichtlich der Kreditqualität als auch der Liquidität deutliche Unterschiede zwischen den Emissionen der beiden Länder. Dieser Unterschied manifestiert sich in entsprechenden Differenzen in der Rendite. Dieser Spread ist variabel und kann zu Chancen und Risiken für den Portfoliomanager führen. Sieht der Portfoliomanager beispielsweise die Chance auf eine Einengung des Spreads (Die Renditen der italienischen Staatsanleihen gehen im Vergleich zu denen der deutschen Staatsanleihen stärker zurück.), kann er sich dies gewinnbringend zunutze machen, indem er Futures auf italienische Anleihen kauft und durationsneutral Futures auf deutsche Anleihen verkauft. Hintergrundinformation Dieser Spread ist wieder ein schönes Beispiel dafür, wie gleiche Positionen unterschiedliche Hintergründe haben können und ein Blick in die Bestandsliste des Depots keine Rückschlüsse auf die dahinterstehende Motivation erlaubt. Ein Long-Position in italienischen Staatsanleihen und eine Short-Position in Bund Futures kann (wenn man überhaupt erst einmal, wie auch immer, zu dem Schluss gekommen ist, dass diese Positionen zusammengehören) eine Kombination sein, die darauf aus ist, mittels eines Spread Trades die Performance zu verbessern. Sie kann aber ebenso gut ein Cross oder Dirty Hedge sein, bei dem das Zinsrisiko der italienischen Long-Position, bei-
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4
Derivate zur Optimierung der Performance
spielsweise aufgrund von Liquiditätsüberlegungen, durch den Bund Future abgesichert werden soll (Abschn. 3.5.5).
Geht die Idee auf, wird er auf die italienischen Futures relativ mehr gewinnen/weniger verlieren als auf die deutschen Pendants. Schon an diesen Beispielen lässt sich einfach erkennen, dass Erfolg und Misserfolg dieser Ideen nur davon abhängen, ob die Einschätzung der Spread-Entwicklung korrekt war oder nicht. War sie es nicht, kann es zu doppelten Verlusten kommen. Im oben genannten Beispiel könnten die Zinsen in Italien massiv steigen und in Deutschland entsprechend stark fallen. Wie hoch das Risiko ist, hängt neben der Positionsgröße davon ab, wie stark sich die beiden Futures voneinander entkoppeln. Dem sind sicherlich natürliche Grenzen gesetzt, sofern der verbindende Faktor nicht durch eine epochale Änderung der Wirkungszusammenhänge vollständig außer Kraft gesetzt wird. Jedoch kann auch eine temporäre Entkoppelung von eigentlich verbundenen Märkten/Futures gerade in kritischen Marktsituationen mitunter schon sehr weit reichen. Beispiel
Auch hier sei wieder LTCM als warnendes Beispiel angeführt. Im August 1998 musste der Hedgefonds einen Verlust von 44 % hinnehmen (Burton 1998). Nach eigenen Angaben stammten 82 % davon aus Spread-Geschäften auf Staatsanleihen der damaligen G7-Staaten, wobei sie von LTCM beschönigend in der Kategorie „Arbitrage“ geführt wurden. Eine Position bestand darin, auf die Einengung der Staatsanleihe-Spreads von Staaten, die dem Euro beitreten wollten, gegen deutsche Staatsanleihen zu setzen; prominent vertreten war hier der Spread Italien – Deutschland. I Definition Eine Erweiterung des Inter Contract Spread ist der Cross Currency Spread. Hier werden Positionen in unterschiedlicher Währung gegeneinander gestellt. Beispiel
Dabei könnte es sich zum Beispiel um zehnjährige Bundesanleihen gegen zehnjährige britische Staatsanleihen handeln. Beide haben den gemeinsamen Risikofaktor der zehnjährigen Zinsen, der für einen mehr oder weniger stark ausgeprägten Gleichlauf sorgen könnte, unterliegen aber auch maßgeblichen spezifischen Einflussfaktoren, die für asynchrone Bewegungen sorgen können. Wiederum wird ein solcher Trade als durationsneutrale Kombination aus einem Long und einem Short Hedge aufgesetzt. Lediglich zum Gegenüberstellen des gleichen Volumens muss man den Wechselkurs ins Kalkül ziehen. Interessanterweise ist der Wechselkurs dann als Risikofaktor gar nicht so bedeutend, wie es auf den ersten Blick scheint. Das liegt daran, dass nicht das komplette eingesetzte Volumen dem Wechselkursrisiko unterliegt. Vielmehr beschränkt es sich beim Einsatz von Futures auf die Margin und beträgt somit nur einen Bruchteil der Positionsgröße. Dennoch liegt in der Währung ein Problemfeld, da massive Währungsbewegungen auch über
4.3 Handel der Richtung des Marktes
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die relativ kleine Margin eine entsprechende G&V-Wirkung entfalten können, welche den Zinsanteil schmälern, aber auch erhöhen oder gar überkompensieren kann. Dies ist insbesondere deshalb nicht unwahrscheinlich, weil Zins und Währung fundamental tendenziell positiv korreliert sind. Steigende Zinsen wirken eher positiv auf die Währung. Da der Portfoliomanager die Margin immer long ist, würde sich bei einer ShortPosition im britischen Bond Future ein tendenziell positiver Effekt auf beiden Seiten ergeben. Die Zinsen könnten steigen, wodurch der Short Future verliert und einen Gewinn einfährt. Gleichzeitig wirken die steigenden Zinsen tendenziell positiv auf die Währung, sodass auch die Margin eine Aufwertung erfahren würde. Dabei genügt es bei einem Spread Trade ja auch, wenn sich die Short-Position, hier die britische Zehnjahresrendite, nur weniger gut entwickelt als die Long-Position. Ergo könnte sich auch aus in Relation zur Bund-Rendite weniger stark fallenden Pfund-Rendite ein doppelt positiver Effekt ergeben über einen kleinen Verlust im britischen Future, einen größeren Gewinn im Bund Future und eine eher positive Wirkung dieser Bewegung in der Zinsdifferenz auf das britische Pfund. Im Fall einer Long-Position im britischen Bond Future würde sich die Wirkung jedoch umkehren und die Zinsdifferenz eher negativ auf das Pfund wirken, sodass der Währungs-/Margin-Effekt eher gegenläufig wäre. Natürlich könnte man das Währungsrisiko in der Margin aktiv absichern. Allerdings ist das sehr aufwändig, sodass eine derartige Handlungsmöglichkeit nur bei sehr großen Positionen betriebswirtschaftlich sinnvoll sein könnte. Einfacher wäre es, das Variation Margin-Konto konsequent durch zeitnahen Umtausch in Euro zu räumen. Dennoch ist es sinnvoll, der Währungsentwicklung Beachtung zu schenken, da sich bei deutlichen Bewegungen die relativen Volumina auf der Long- und Short-Seite spürbar verschieben können. Ob man die Spread Ratio dann anpasst, hängt vom Ausmaß der Bewegung, den Transaktionskosten und vor allem davon ab, ob man beabsichtigt, den Trade noch eine Weile aufrechtzuerhalten, oder ob man ihn ohnehin demnächst schließt oder auslaufen lässt. Unter Umständen ist eine solche Bewegung gerade der Auslöser dafür, die Position kritisch zu prüfen und eventuell vorzeitig zu schließen. Relative Value Trade Vom Inter Contract Spread zum Relative Value Trade ist es nur ein kleiner Schritt. Bei letzterem wird einfach darauf spekuliert, dass sich ein Asset besser entwickelt als ein anderes, ohne dass hier unbedingt die gleichen Risikofaktoren wirken müssen. Wenn man einem ganz bestimmten portugiesischen Pfandbrief mehr Wert zubilligt als der Aktie eines französischen Automobilzulieferers, kauft man eben den Pfandbrief und verkauft die Autoaktie leer.
4.3.3.3 Inter Market Spread Im Gegensatz zu seinem Vorgänger, dem Inter Contract Spread, ist der Inter Market Spread eine risikoarme Strategie. Hier handelt es sich um den klassischen Fall einer echten Arbitrage. Aus diesem Grund wird er auch in Abschn. 4.1.4.1 ausführlich erklärt.
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Derivate zur Optimierung der Performance
4.4 Handel der Richtung der Volatilität Spätestens im Zusammenhang mit der oben besprochenen Covered Call Writing-Strategie (Abschn. 4.2.1) ist klar, dass Optionen eine weitere potenzielle Performance-Quelle in Form der impliziten Volatilität bereitstellen. Beim Covered Call Writing ist das Management der impliziten Volatilität nur zweitrangig, da der entscheidende Erfolgsfaktor die Kursbewegung des Underlying ist. Der Portfoliomanager kann die Volatilität aber auch in Reinform handeln.
4.4.1 Volatilitätsallokation Eine strategische Allokation in der Asset-Klasse Volatilität scheint zunächst einmal eine Menge Charme zu entwickeln, hat die Volatilität doch ein Merkmal, das sie von allen anderen Asset-Klassen unterscheidet: Sie kann fallen, aber nicht bis auf null. Um es aber gleich vorneweg zu sagen: Ein langfristiges Engagement ausschließlich in Volatilität erscheint trotzdem nicht sehr erfolgversprechend. Vergleicht man es beispielsweise mit einer langfristigen Buy and Hold-Strategie in Aktien, fehlt der Volatilität sowohl der regelmäßige Ertrag als auch die Aussicht auf Wachstum, sei es durch interne Wertschöpfung oder dadurch, dass Volatilität langfristig in irgendeiner Weise knapp werden könnte. Demzufolge weist die Anlage in Volatilität im langfristigen Mittel auch eine leicht negative monatliche Wertentwicklung auf. Auch ist die Standardabweichung mehr als doppelt so hoch wie im Aktienmarkt (Riskin et al. 2005). Dabei ist die Renditeverteilung in hohem Maße kurtotisch, was bedeutet, dass sich Volatilität zumeist nur sehr wenig bewegt, aber immer für ein paar extreme Ausschläge gut ist. Und genau in diesen Ausschlägen liegt dann doch ein mögliches Argument für ein Investment in Volatilität. Stark positive Bewegungen treten überwiegend dann auf, wenn das Underlying einen starken Kurseinbruch erleidet. Investoren, denen es verwehrt ist, den Markt zu shorten, also auf fallende Kurse zu spekulieren, können alternativ mit einer Long-Position auf eine steigende Volatilität setzen, um doch noch von dieser Bewegung zu profitieren. In jedem Fall gibt es unter Portfoliogesichtspunkten gute Argumente für eine Allokation in den Risikofaktor Volatilität. So stellen Dugan et al. (2001) in ihrer Untersuchung auch fest, dass kein Zusammenhang zwischen Rentenvolatilität und Durations-, Kurvenund Spread-Risiken festgestellt werden kann. Daher lassen sich mit einer Volatilitätsallokation interessante Diversifikationseffekte im Portfolio erzielen. Dabei sollte man sich jedoch die Mühe machen, genau abzugleichen, inwieweit Aktienportfolio und Volatilitätsindex harmonieren. So gibt es beispielsweise unterschiedliche Bewegungszusammenhänge zwischen dem amerikanischen Volatilitätsindex VIX und Large Caps einerseits und Small Caps andererseits. Wenn der VIX eine positive Bewegung macht, outperformen hochkapitalisierte niedrig kapitalisierte Aktien und umgekehrt (Copeland und Copeland 1999). Wenn man davon ausgeht, dass es einen negativen Zu-
4.4 Handel der Richtung der Volatilität
287
sammenhang zwischen Aktienmarkt- und Volatilitätsbewegung gibt, deutet dies darauf hin, dass Small Caps ein höheres Beta aufweisen als Large Caps und bestätigen den Ratschlag, die Zusammenstellung von Aktien- und Volatilitätspositionen mit einer sorgfältig geschätzten Risikoadjustierung vorzunehmen.
4.4.2
Handel der realisierten Volatilität
Wie die realisierte Volatilität gehandelt wird, wurde bereits in Abschn. 3.4.1 unter dem Stichwort des dynamischen Hedging gezeigt. Das Prinzip entspricht der Frage, inwiefern ein dynamischer Hedge einem statischen vorgezogen werden sollte. Es handelt sich also um eine Optionsreplikation und letztlich um einen Spread Trade auf die Differenz zwischen der realisierten und der impliziten Volatilität, die als Referenzgröße, quasi als Basispreis, fungiert. Der Portfoliomanager könnte sein Portfolio statisch über den Kauf von Optionen absichern. Er hält jedoch die in der Option bewertete implizite Volatilität für zu hoch gegenüber der von ihm erwarteten realisierten Volatilität am Markt. Er kauft also die künftige realisierte Volatilität, indem er sein Portfolio dynamisch absichert, in der Erwartung, dass der Markt sich weniger volatil verhält, als es die impliziten Volatilitäten erwarten lassen. Im Gegenzug ist er damit im statischen Hedge und somit in der impliziten Volatilität short. Geht seine Überlegung auf, werden seine im Rahmen des dynamischen Hedging anfallenden Hedge-Kosten niedriger ausfallen als die Optionsprämie. Es handelt sich also in diesem Falle um einen Handel der realisierten Volatilität relativ zur impliziten Volatilität (Fitzgerald 1996). Der Gewinn resultiert aus dem Gamma-Handel, der im dynamischen Options-Hedging erforderlich ist, um eine Position deltaneutral zu halten und kann approximiert werden mit E¢realisiert
K2 2 2 ¢implizit / .¢realisiert 2
(4.4)
mit K = Kurs des Asset = Gamma. Demzufolge sind die beiden entscheidenden Faktoren für den Erfolg dieses Ansatzes die Höhe des Gamma () sowie die Frage, ob die realisierte Volatilität mindestens im gewünschten Maße von der zum Zeitpunkt des Aufsetzens der Strategie eingeloggten impliziten Volatilität abweicht. Spread implizite/historische Volatilität Basis für den Einsatz einer derartigen Strategie ist in aller Regel der Aufschlag, den die implizite gegenüber der historischen Volatilität aufweist. Im Schnitt notiert die implizite Volatilität mit einer Prämie gegenüber der historischen Volatilität (Poon und Granger
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Derivate zur Optimierung der Performance
2003; Bakshi und Kapadia 2003; Bondarenko 2006; Carr und Wu 2009). Dieser liegt für entwickelte Aktienmärkte im Durchschnitt meist in einer Spanne von 1,5 bis 3,5 % (Fleming 1994; Stux und Fanelli 1999; Merrill Lynch 2000b; Schneeweis und Spurgin 2001; Claessen und Mittnik 2002; Whaley 2002; Bollen und Whaley 2004; Kuenzi 2005; Figelman 2008). Als mögliche Ursache für dieses Phänomen kommt ein tendenzielles Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage in Betracht. Am Markt finden sich nach wie vor mehr natürliche Optionskäufer als -verkäufer. Die Nachfrager nach Absicherung (Puts) respektive asymmetrischem Long Exposure mit Hebel (Calls) sind in der Überzahl (Garleanu et al. 2005; Clark 2010). Oder anders herum gesprochen: Es gibt in der Regel zu wenig Stillhalter am Markt, weshalb sich diese auch eine Prämie ausbedingen können (Whaley 2002; Feldman und Roy 2004; Bollen und Whaley 2004). Diese Aussagen beziehen sich in erster Linie auf Indexoptionen. Anders sieht es bei Optionen auf einzelne Aktien aus. Einerseits ist das Schreiben von Optionen auf Einzelaktien weit verbreitet. Andererseits werden Absicherungen eher über Indexoptionen vorgenommen. Aus diesem Grund ist in diesem Marktsegment eher ein Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage gegeben, weshalb auch der Unterschied zwischen impliziter und realisierter Volatilität in der Regel deutlich niedriger ausfällt (Bollen und Whaley 2004). Diese Aussagen beziehen sich auf das langfristige Mittel. Der Aufschlag der impliziten auf die realisierte Volatilität ist im Verlauf jedoch starken Schwankungen ausgesetzt und wird bisweilen auch negativ. Wichtigste Triebfeder hierfür ist eine Verschiebung des Verhältnisses von Optionskäufern zu Optionsverkäufern. Treten Investoren am Markt überwiegend als Optionskäufer auf, steigt die implizite Volatilität an. Positionieren sich die Investoren vermehrt als Schreiber, sinkt die implizite Volatilität relativ zur historischen Volatilität. Eine weitere mögliche Erklärung bietet uns die Behavioural Finance an. Das mittlerweile gut dokumentierte Overconfidence Bias, die den Menschen innewohnende Neigung zur systematischen Selbstüberschätzung, erklärt beispielsweise, dass Menschen, die sehr überzeugt von ihrer Meinung sind, Informationen, die dieser Meinung entgegen stehen, nur wenig Gewicht beimessen, falls sie denn überhaupt zur Kenntnis genommen werden (Confirmation Bias; Rabin 1998). Optionskäufer, so wird argumentiert, müssen eine gewisse Überzeugung für ihre Markteinschätzung mitbringen, investieren sie doch in ein Wasting Asset (Feldman und Roy 2004). Tritt ihre Markteinschätzung nicht rechtzeitig ein oder läuft der Markt nicht weit genug in die prognostizierte Richtung, verfällt ihre Investition wertlos (Abb. 4.11). Andererseits sind Optionskäufer tendenziell doch mit einer gewissen Skepsis beschlagen. Zwar investieren sie mit der Option in ein Instrument, das ihnen eine ziemlich genaue Prognose abverlangt und dies unter Umständen mit einem gehebelten Gewinn belohnt. Allerdings verliert der Optionskäufer im Falle einer Fehlprognose auch nur maximal die Optionsprämie. Wenn er hochgradig von seiner Einschätzung überzeugt wäre, würde er in symmetrische Derivate wie Futures oder Swaps investieren, die ihm einen Hebel ohne Sicherungsnetz bieten.
4.4 Handel der Richtung der Volatilität
289
Der Aufschlag der impliziten gegenüber der realisierten Volatilität findet sich nicht nur auf dem Aktienmarkt. Er ist ebenso im Devisenbereich nachzuweisen (Baz et al. 2000). Bei der langen Rentenvolatilität ist der Befund weniger eindeutig. Mueller et al. (2012) konstatieren eine deutliche Risikoprämie bei US-Treasuries, Rennison und Pedersen (2012) bei US-Swaptions. Die EZB (2004) ist zurückhaltender. In ihrer Untersuchung ist die realisierte phasenweise größer als die implizite Volatilität. Grund für das differenziertere Bild im Rentenbereich könnte ein strukturelles Ungleichgewicht im Angebotsund Nachfrageorderstrom sein. Um in einem Niedrigzinsumfeld Zusatzerträge zu generieren, haben Versicherungen in Europa in der Vergangenheit in starkem Maße Volatilität verkauft, beispielsweise als kündbare und Step-up-Anleihen (Dugan et al. 2001). Allerdings kann es auch hier zu fundamentalen Strukturänderungen kommen, in deren Verlauf die angesprochenen Zusammenhänge außer Kraft gesetzt werden. Beispielsweise treten Pensionsfonds und auch Versicherer als Nachfrager von Volatilität auf. Sie sichern so die von ihnen geschriebene Option bei der Abgabe von Versorgungsversprechen ab. Insbesondere dänische Pensionsfonds und Versicherer haben so in der Vergangenheit für markante Anstiege der impliziten Volatilität gesorgt. Dazu kann sich Nachfrage nach Volatilität aus dem Bereich der Hypothekenbanken addieren, die bei der Herauslegung bestimmter Kredite ebenfalls Optionsrisiken eingehen, die sie dann absichern wollen. Eine weitere Erklärung für dieses Phänomen könnte sein, dass in dem Beobachtungszeitraum zu wenig heftige Marktbewegungen aufgetreten sind, die den bis dato glücklicherweise erzielten Gewinn wieder zunichte gemacht hätten. Dieses sogenannte PesoProblem hat seine Ursache in einer unzureichenden Datenbasis. Ein Crash ist möglich und nicht unwahrscheinlich, aber in dem vorliegenden, eingeschränkten Datenmaterial eben nicht enthalten. Demnach würden Optionen fair gepreist sein, weil sie die Wahrscheinlichkeit einer heftigen Marktbewegung trotzdem berücksichtigen (mittlerer Balken „Erklärung 1“ in Abb. 4.15). Die Risikoaversion der Marktteilnehmer würde also dem gemäß der Normalverteilung zu häufigen Auftreten extrem negativer Marktschocks Rechnung tragen und dafür sorgen, dass die Volatilitätsschätzungen entsprechend nach oben adjustiert werden. Der Erwartungswert für eine Short-Volatilitätsstrategie wäre demzufolge null. Es wäre jedoch auch denkbar, dass Optionen eine Volatilitätsrisikoprämie enthalten. In der Praxis ist die Volatilität nicht konstant. Und wenn sie sich bewegt, tut sie dies oft in Sprüngen, die nicht vollständig hedgebar sind. Für die Übernahme dieses Risikos könnte am Markt eine Prämie verlangt werden, vor allem von denen, die die implizite Volatilität in Form von Optionen überhaupt herstellen, nämlich den Optionshändlern (rechter Balken „Erklärung 2“ in Abb. 4.15). Viele Anleger bezahlen also eine Prämie dafür, sich das Asset „Volatilität“ ins Portfolio zu packen. Sie tun dies deshalb, weil sie im Gegenzug ein Asset erhalten, das tendenziell negativ mit der Bewegung des Basiswerts korreliert ist (Abb. 4.5 und Abschn. 7.2.4). Dabei weist die Volatilität das besonders wünschenswerte Charakteristikum auf, dass sie auf fallende Kurse in etwa dreimal so heftig reagiert wie auf steigende Kurse (Kloy und Clausius 2006). Wenn diese Begründung zutrifft, hat eine Short-Volatilitätsstrategie einen
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4
Derivate zur Optimierung der Performance
Erwarteter Crash
Risikoprämie
Implizite Volatilität
Erwartete Volatilität ohne Crash
Erwartete Volatilität
Beobachtet
Erklärung 1
Erklärung 2
Abb. 4.15 Erklärungen für Spread implizite versus historische Volatilität. (Vgl. Mixon und Mason 2000a; eigene Grafik)
positiven Erwartungswert, bei der die Einnahmen aus der Short-Position in der Volatilität die Verluste bei den gelegentlichen starken Volatilitätsanstiegen übersteigen. Die Allokation auf den Risikofaktor Volatilität sollte sich dann über die Vereinnahmung dieser „CrashPrämie“ langfristig auszahlen (Bakshi et al. 2000). Es existiert bereits ein umfangreicher Fundus an Literatur, die der Existenz einer Volatilitätsrisikoprämie (VRP) nachspürt (Eraker et al. 2003; Moise 2004; Santa-Clara und Yan 2004; Bondarenko 2006). Eine Erklärung stößt aus der Richtung der Optionsbewertung vor. Sie basiert darauf, dass die Modelle zur Optionsbewertung eben nur Modelle sind, welche die komplexe Realität nicht perfekt abbilden können. Dieses Modellspezifikationsdefizit wird durch eine Art Modellrisikoprämie kompensiert (Figlewski und Green 1999). Diese Erklärung überlappt sich in gewisser Weise mit dem „Peso“-Problem insofern, als ein Modell genau in dieser Hinsicht fehlspezifiziert sein könnte. Buraschi und Jackwerth (2000) kommen zu dem Schluss, dass noch weitere Risikofaktoren, darunter möglicherweise die Volatilität der Volatilität, benötigt werden, um Optionen realitätsgerecht zu bewerten. Hintergrundinformation Auch wenn es jetzt sehr verschachtelt wird, ist in diesem Zusammenhang doch interessant, dass es auch Hinweise gibt, dass die Volatilität der Volatilität ebenfalls eine Risikoprämie enthält (Ravagli 2015), die auf einer Überbewertung der impliziten Volatilität der Volatilität gegenüber der realisierten Volatilität der Volatilität beruht.
4.4 Handel der Richtung der Volatilität
291
Pan (1999) stellt fest, dass die Modelle, die explizit eine Volatilitätsrisikoprämie zulassen, zu den besten Ergebnissen führen, wenn es darum geht, den Prozess zu erklären, der Aktienkurse hervorbringt. Lewis (2000) formuliert es noch schärfer: Nur wenn man die Volatilitätsrisikoprämie einbezieht, bleibt die Optionspreistheorie unter Berücksichtigung der Marktrealitäten konsistent. Lediglich in sehr extremen Spezialfällen kann man auf diese Prämie verzichten. Coval und Shumway (2001) behandeln Optionen im Rahmen des CAPM. Auch hier vereint erst die Aufnahme einer Volatilitätsrisikoprämie Theorie und Realität. Andere Studien nähern sich der Thematik eher vom realen Kapitalmarkt, indem sie beispielsweise testen, inwieweit sich Volatilitätspositionen tatsächlich vollständig deltahedgen lassen. Kamal und Derman (1999) zeigen beispielsweise, dass allein eine nicht durchgehende Absicherung dafür sorgt, dass das Absicherungsergebnis mitunter erheblich schwankt. Je höher das Vega der Position und je höher die Unsicherheit in der Volatilitätsschätzung, desto breiter streut das Absicherungsergebnis. Auch andere Studien in diesem Bereich fallen zugunsten der VRP aus (Fleming 1999; Kapadia 1999; sowie die Erklärungen im Abschn. 7.2.1). Ebenfalls empirisch schließen Mixon und Mason (2000a) in ihrer Analyse von Volatilitätsstrukturkurven auf die Existenz der VRP. Ob die VRP, so sie denn existiert, jedoch hoch genug ist, um ein Investment in Volatilität zu rechtfertigen, ist umstritten (Riskin et al. 2005; Abb. 4.16). Hintergrundinformation Die Betrachtung von Volatilität als eigenständigem Risikofaktor hat beispielsweise auch Eingang in die führenden Risikomanagementsysteme gefunden. Hier können die Auswirkungen (im Positiven wie im Negativen) des Volatilitätsrisikos auf ein Portfolio explizit betrachtet werden (Malz und Mina 2002).
Wenn ein Vermögensverwalter sich nun entschieden hat, in die kommende realisierte Volatilität zu investieren, und wenn er sich nach sorgfältiger Analyse auch eine Meinung darüber gebildet hat, ob sie steigen oder fallen wird, muss er nun eine weitere Entscheidung treffen: Mit welchem Instrument implementiere ich diese Strategie? Dafür stehen ihm mehrere Kategorien zur Verfügung: Kauf oder Verkauf von Optionen oder Optionsportfolios in Verbindung mit einem Delta Hedge Einsatz von Volatilitäts-Swaps Einsatz von Varianz-Swaps Buy and Hold oder Sell and Hold eines Forward-starting Varianz-Swaps Buy and Hold oder Sell and Hold eines Forward-starting Varianz-Futures Die einzelnen Instrumente und ihre Besonderheiten werden in Abschn. 4.4.6 besprochen.
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4
Derivate zur Optimierung der Performance
4.4.3 Handel der impliziten Volatilität Die Volatilität weist eine Reihe von Charakteristika auf, die andeuten, dass ihr Verlauf bis zu einem gewissen Grad prognostizierbar sein könnte. Da ist zum einen das Phänomen der Klumpenbildung (Volatility Clustering). Schon in den 1960er-Jahren gab es Hinweise darauf, dass häufig auf große Preisausschläge weitere große Preisausschläge folgen und geringe Ausschläge ebenfalls geringe Ausschläge nach sich ziehen (Mandelbrot 1963; Fama 1965). Mathematisch spricht man von serieller Korrelation, was bedeutet, dass die aktuelle Ausprägung eines Faktors deutlich beeinflusst ist von der Ausprägung in einer der Vorperioden. Nun wäre es naheliegend zu vermuten, dass neue Informationen, die auf den Markt treffen, einen initialen Schock auslösen, der noch eine Weile nachwirkt. Doch so einfach ist es nicht. Im Gegenteil. Das Eintreffen makroökonomischer Neuigkeiten scheint eher geeignet, die serielle Korrelation zu dämpfen [Connolly und Stivers (2003) für den Aktienmarkt, Jones et al. (1998) für Renten sowie Ederington und Lee (1993) für Renten und Währungen]. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass Nachrichten durchaus auch geeignet sein können, das aktuelle Weltbild zu bestätigen und so Unsicherheit zu reduzieren oder auf einem niedrigen Niveau zu halten („Buy the rumour, sell the fact.“). Dem widersprechen teilweise Connolly und Stivers (2003), die ein Zunehmen der seriellen Korrelation feststellen, wenn die Neuigkeit einer Phase mit hohem Aktienumsatz folgt. Dieser hohe Aktienumsatz könnte Ausdruck dessen sein, dass sich im Vorfeld der Nachrichtenveröffentlichung ein eher diffuses Weltbild mit einem hohen Maß an Unsicherheit bietet, was die Marktteilnehmer durch vielfältige Portfolioanpassungen ausdrücken. Einen weiteren Baustein zum Verständnis der Volatilitätsklumpen liefert die Fraktaltheorie. Danach gibt es zunächst keinen einheitlichen Anlagehorizont unter den Marktteilnehmern. Einige sind kurzfristig orientiert und agieren handelsorientiert. Andere sind durchschnittliche Anleger, die über einen mittelfristigen Horizont hinweg auskömmliche Anlageergebnisse erzielen wollen. Schließlich gibt es Anleger, die langfristige Sparziele verfolgen oder langfristige Verbindlichkeiten erfüllen müssen. Interessant ist nun die Theorie, dass Stressphasen dazu führen können, dass Volatilität kaskadieren kann. Dies bedeutet, dass ein Abweichen vom natürlichen Anlagehorizont stets nur in eine Richtung erfolgt: vom teleskopischen zum mikroskopischen (Lynch und Zumbach 2003). Aus dieser Verhaltensänderung, in der Langfristinvestoren beginnen, sich wie Händler zu verhalten, entsteht eine Volatilitätskaskade oder eben ein Volatilitätsklumpen. In den 1980er-Jahren wurden zunächst die Modelle der ARCH-Familie (Autoregressive Conditional Heteroscedasticity) entwickelt, um diese dynamische Klumpenbildung der Volatilität abzubilden und vorherzusagen (Engle 1982). Doch auch auf fraktaler Mathematik basierende Ansätze versuchen mittlerweile, dieses Phänomens Herr zu werden (Clark 2011). Weiterhin weist das Verlaufsmuster der impliziten Volatilität eine nachweisbare Tendenz auf, sich von außergewöhnlich hohen und niedrigen Werten aus früher oder später
4.4 Handel der Richtung der Volatilität
293
in Richtung des Mittelwerts zurückzubewegen (Mean Reversion; Dash und Moran 2005). Natürlich gibt es unterschiedliche Vorstellungen darüber, wo genau dieser Mittelwert zu verorten ist. Allerdings zeigt sich in der Praxis, dass die impliziten Volatilitäten lang laufender Optionen deutlich stabiler notieren als diejenigen von kurz laufenden Optionen. Insofern lässt sich der unbekannte Mittelwert zwar nicht exakt festnageln, aber doch zumindest auf eine Bandbreite eingrenzen. Wenn man sich eine Meinung darüber gebildet hat, wohin sich die Volatilität entwickelt, ist es erforderlich, eine Position aufzusetzen, will man von der erwarteten Bewegung profitieren. Um rein die Volatilität zu handeln, muss die Position marktneutral sein, darf also nicht von Kursveränderungen des Underlying bestimmt werden. Wie bei einer Spekulation auf die Richtung der realisierten Volatilität gibt es auch bei der impliziten Volatilität eine Reihe von Alternativen, wie man diese umsetzen kann: Einsatz von Volatilität-Futures Kauf oder Verkauf eines Varianz-Futures. Die Position muss jedoch spätestens zu dem Zeitpunkt geschlossen werden, wenn laut Kontraktspezifikationen die für die Auszahlungshöhe relevante Berechnungsperiode der realisierten Volatilität beginnt. Eingehen eines Forward-starting Varianz-Swap und schließen der Position spätestens am Forward-Datum. Auch diese Instrumente werden in Abschn. 4.4.6 einzeln beschrieben.
4.4.4
Relative Value Volatility Trades
Wie an so vielen anderen Stellen des Marktes können natürlich auch im Volatilitätsbereich Relative Value-Ideen in Form von Spread Trades umgesetzt werden. So könnte man die Steilheit bzw. genereller die Form der Volatilitätsstrukturkurve handeln, indem man Longund Short-Positionen an unterschiedlichen Stellen des Laufzeitspektrums aufsetzt. Wenn man die impliziten Volatilitäten weltweit analysiert, stößt man früher oder später auf volatilitätsprägende Ereignisse, die länder- oder regionenspezifische Ursachen haben. Trotz zunehmender Globalisierung gibt es doch Ereignisse, die entweder nur lokale Auswirkungen haben oder deren Abstrahlwirkung mit zunehmender geografischer Distanz zumindest abnimmt. (Natur)Katastrophen (Fukushima) und politische Ereignisse (Brexit), sind typische Auslöser für lokal erhöhte Volatilitäten. Wenn man davon ausgeht, dass sich die von ihnen ausgelöste Unsicherheit über kurz oder lang zurückbildet (wie es ja auch der generellen mean-reverting Natur der impliziten Volatilität entspricht), sollte man die erhöhten Volatilitäten verkaufen und sich über eine Long-Position auf einem anderen Markt mit einem niedrigeren Volatilitätsniveau dagegen absichern, dass die Krise unter Umständen doch auf die Weltwirtschaft durchschlägt.
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Derivate zur Optimierung der Performance
4.4.5 Erfolgspotenzial von Volatilitätsstrategien Ein erneuter Blick auf die CBOE Eurekahedge Volatility Hedge Fund Indizes (Abschn. 4.2.2) kann einen Eindruck davon vermitteln, wie Volatilitätsstrategien in der Praxis abschneiden können. Der Short Volatility Index bildet Hedgefonds ab, die tendenziell eine Netto-Short-Positionierung in impliziter Volatilität einnehmen. Das Gegenstück bildet der entsprechend Long Volatility Index. Darüber hinaus folgt ein Index der Performance von Hedgefonds, die opportunistisch oder mit Relative Value-Ansätzen operieren. Ein weiterer Index bildet Fonds ab, die Tail Risk long gehen. Die drei Indizes, deren Historie Ende 2004 beginnt, haben sich, wie in Abb. 4.16 dargestellt, geschlagen: Am besten und stabilsten haben sich die Hedgefonds entwickelt, die Volatilitäten gegeneinander stellen, indem sie als billig analysierte Volas kaufen und teure verkaufen (Abb. 4.17). Die Hedgefonds, die implizite Volatilität systematisch verkaufen, entwickeln sich erwartungsgemäß. Da implizite Vola per saldo eher für zu teuer befunden wird, erwirtschaften diese Fonds ebenfalls ansehnliche, positive Erträge. Allerdings ist klar ersichtlich (insbesondere in den Jahren 2008 und 2011), dass in Phasen von Finanzmarktstress die impliziten Volas deutlich ansteigen und diese Fonds teilweise massiv einzahlen. Auch die Hedgefonds, die auf Long-Positionen in impliziter Vola setzen, weisen zunächst eine erfreuliche Entwicklung auf, die jedoch 2012 einen merklichen Knick nach unten bekommt. 300
250
200
Long Vola Hedge Funds Short Vola Hedge Funds Relave Value Vola Hedge Funds
150
100
Abb. 4.16 CBOE Eurekahedge Volatility Hedge Fund Indizes. (Vgl. CBOE)
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4.4 Handel der Richtung der Volatilität
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4.4.6 Umsetzungsvehikel 4.4.6.1 Optionen Die einfachste Möglichkeit ist der Kauf oder Verkauf von impliziter Volatilität in Form von Optionen. Um Volatilität als einzigen Preisfaktor zu isolieren, müssen jedoch die anderen Risiken abgesichert werden. Dies betrifft zu allererst das Risiko aus Wertveränderungen im Underlying, das Delta. Die aufwändige Prozedur zur dynamischen Aussteuerung des Delta über den Kauf und Verlauf von Aktien oder Futures firmiert als Delta Hedge. Sie setzt ein nicht unbedeutendes Maß an Derivate-Know-how voraus und ist in Abschn. 3.4.1 beschrieben. Idealerweise wird die Agilität des Delta eingeschränkt, indem man auch das Gamma in den Hedge einbezieht (Abschn. 3.4.3). Der letztendliche Gewinn und Verlust ist abhängig davon, wie sich die Veränderung der impliziten Volatilität auf den Preis einer Option auswirkt. Dabei ist die Empfindlichkeit der Option gegenüber Volatilitätsveränderungen, das sogenannte Vega, der eine Input-Parameter (Abschn. 2.4.5.5) Daher spricht man bei dieser Strategie auch vom Vega-Handel. Der zweite Faktor ist die Veränderung der impliziten Volatilität der Option. G&V aus Änderungen der impliziten Vola D Vega .¢implizit,t ¢implizit;0 /
(4.5)
4.4.6.2 Spreads Will man sich den Aufwand eines dynamischen Risikomanagements bei Optionen sparen, kann man Spreads einsetzen. Dabei wird das Optionsrisiko durch Abschluss einer ähnlichen Gegenposition weitgehend reduziert. Beispielsweise könnte man den Verkauf eines Puts in Phasen hoher Volatilität durch den Verkauf eines zweiten Puts etwas weiter aus dem Geld absichern. Steht der S&P 500 zum Beispiel bei 1600 bei gleichzeitig hoher impliziter Volatilität, könnte man über den Verkauf eines Puts mit Basispreis 1000 nachdenken, den man gleichzeitig durch den Kauf eines 900er-Puts teilsichert. Es versteht sich von selbst, dass dies als Teilsicherung keine reine Volatilitätsposition mehr ist, schließlich verliert diese Struktur Geld aus der Marktbewegung, wenn der Index sich bei Verfall im Bereich 900 bis 1000 einfindet und ist überdies nicht deltaneutral. Hintergrundinformation Gleicht man diese Überlegungen mit denen aus Abschn. 4.3.3.1 zum Intra Contract Spread ab, stößt man wiederum auf eine Derivate Position, hier den Put Spread, die man bei gleichem Aufbau mit unterschiedlichen Anlagezielen entwickeln kann.
Alternativ zu diesem Price Spread könnte man auch einen Time Spread aufsetzen. Kurz laufende Optionen bauen ihre Zeitprämie (Theta) vergleichsweise zügig ab, sodass man in der Regel den Verkauf kurzer Optionen bevorzugt (Abschn. 2.4.5.4). Um das Marktrisiko im Gegensatz zum reinen Call oder Put Writing nicht offen zu lassen, könnte man den systematischen, rollierenden Verkauf kurzer Optionen durch den gleichzeitigen Kauf einer langen Option teilsichern. Auch bei diesem Spread verbleiben jedoch Restrisiken, da man sich auf unterschiedlichen Punkten der Volatilitätsstrukturkurve positioniert. Dadurch
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Derivate zur Optimierung der Performance
läuft man das gleiche Risiko wie eine Bank, die die goldene Bankregel verletzt, indem sie langfristige Anlagen über revolvierende, kurzfristige Geschäfte refinanziert. Wenn die Zinskurve invertiert (die kurzfristigen Zinsen also über die langfristigen hinaus steigen), verliert sie Geld. Ebenso würde ein Anstieg der kurzfristigen Volatilität, der in den allermeisten Fällen mit einem Kursrückgang im Underlying einhergeht, Probleme aufwerfen. Die kurzfristigen Optionen reagieren stärker negativ auf diese Bewegung als die langen Optionen ausgleichen könnten. Sie müssen daher entweder teurer zurückgekauft werden oder liegen bei Verfall im Geld und fahren so einen Verlust ein. Dass diese Strategie in der Tat nicht einfach in der Realität umzusetzen ist, zeigen Beispiele von Volatilitätsfonds, die über Jahre hinweg die erwartete Volatilitätsprämie nicht abgreifen konnten (Becker 2015).
4.4.6.3 Straddle Ein weiterer Weg führt über den Straddle. Setzt man auf steigende Volatilität, kauft man einen Straddle, indem man At-the-money Calls und Puts in identischer Anzahl und mit gleicher Laufzeit erwirbt. Das resultierende Auszahlungsprofil zeigt, dass diese Position dann profitabel ist, wenn sich das Underlying sehr stark bewegt (Abb. 4.17). Steigt es deutlich, läuft der Call ins Geld. Fällt es stark, läuft der Put ins Geld. Da man sowohl auf der Long- als auch auf der Short-Seite des Marktes Volatilität kauft, profitiert der Long Straddle auch von ansteigenden impliziten Volatilitäten. Dem unbegrenzten Gewinnpotenzial steht ein auf die gezahlten Optionsprämien beschränkter Verlust gegenüber. „Auf Griechisch“ formuliert, stellt man hier Gamma gegen Theta. 200
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Gewinn & Verlust (Euro)
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-100
-150
-200 0
50
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150
200
Aktienkurs (Euro) Aktie
Long Straddle
Abb. 4.17 Auszahlungsprofil Long Straddle bei Fälligkeit
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300
Gewinn & Verlust
4.4 Handel der Richtung der Volatilität
297
Erforderlicher Kursgewinn im Underlying, um Breakeven zu erreichen
Erforderlicher Kursverlust im Underlying, um Breakeven zu erreichen
-10
-9
-8
-7
-6
-5
-4
-3
-2
-1
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
Theta
Kurs Underlying Tag 0
Tag 1
Abb. 4.18 Long Straddle vor Verfall
Die Optionen verlieren jeden Tag an Zeitwert. Nur wenn sich das Underlying stark genug bewegt, kompensiert diese Bewegung über das Gamma den Verlust aus dem Theta (Abb. 4.18). Dabei spielt es keine Rolle, wie lange die Restlaufzeit der Option ist. Zwar weisen Optionen am Geld den höchsten Zeitwertverfall (Theta) auf, allerdings steigt im exakt gleichen Ausmaß das Gamma an, sodass sich die erhöhten Sensitivitäten neutralisieren, das grundsätzliche Chance-Risiko-Verhältnis jedoch gleich bleibt. Es kann hilfreich sein, sich tabellarisch klarzumachen (in einer ähnlichen Form wie in Abb. 4.11), wie stark sich das Underlying bewegen muss, um im Zusammenspiel mit einer hoffentlich ansteigenden Volatilität das Theta über verschiedene Prognosehorizonte über zu kompensieren. Man sollte schon einen Großteil der Kurs-Vola-Bewegungen für realistisch halten, um einen Long Straddle aufzusetzen. Kommt man hingegen zu dem Schluss, dass derartige Bewegungen ziemlich unwahrscheinlich sein dürften, sollte man eher über eine Short-Position nachdenken. Zu beachten ist aber, dass der Straddle nur an einem Punkt beim Aufsetzen der Position marktneutral ist. Zwar neutralisieren sich die Deltas aus Call und Put. Da gekaufte Optionen stets ein positives Gamma aufweisen, das Gamma am Geld am höchsten ist und hier sogar zwei Long-Positionen kombiniert werden, ist das Gamma jedoch stark positiv. Sobald sich der Markt bewegt, liegt daher das Delta der Position nicht mehr bei null. Dies bedeutet, dass sich der Wert der kombinierten Position nicht mehr nur in Abhängigkeit von der Volatilität verändert, sondern auch, wenn sich das Underlying verteuert oder verbilligt. Gleichzeitig geht die Sensitivität gegenüber der Volatilität zurück. Damit wird aus einem
298
4
Derivate zur Optimierung der Performance
reinen Volatilitätshandel eine Kombination aus Volatilitäts- und Richtungshandel. Durch eine entsprechende Anpassung der beiden Positionen kann die Deltaneutralität natürlich wiederhergestellt werden. Allerdings ist ein solches Positionsmanagement sehr aufwändig und in der Regel im normalen Managementprozess eines Portfolios, das sich nicht nur schwerpunktmäßig auf diese Strategie konzentriert, nur schwer wirtschaftlich darstellbar. Da sich das Gammarisiko mit abnehmender Restlaufzeit exponentiell verschärft, wird eine Short-Position kurz vor Verfall bevorzugt in einen Short Strangle (Abschn. 4.4.6.4) gedreht. Eine andere Gefahr liegt in der verführerischen Eigenschaft des Long Straddle, dass innerhalb kürzester Zeit eine der Optionen ins Geld laufen kann. Das kann den Portfoliomanager schnell dazu verleiten, eine Komponente der Position aufzulösen. Ganz egal, ob man die im Plus oder im Minus liegende Option auflöst, es kommt in jedem Fall zu einer Strategieänderung. Aus einer Position, die aufgebaut wurde, um eine Meinung zur Entwicklung der Volatilität umzusetzen, wird eine dezidierte Wette auf die Marktrichtung. In diesem Augenblick steht man nur noch auf einem Bein und es besteht die Gefahr, dass einem genau dieses weggezogen wird, indem der Markt in die nicht mehr durch eine Option abgedeckte Richtung läuft. Man sollte sich dessen stets bewusst sein und diese Entscheidung bewusst abgewogen haben. Ansonsten endet man schnell in dem, was Tompkins (1994) als Cowboy-Dilemma beschreibt. Er vergleicht das teilweise Auflösen des einen Beins, auf dem der Straddle steht, mit einem Cowboy der einen Stacheldrahtzaun überwinden will, indem er mit seinem Pferd auf der einen Seite an den Zaun heranreitet, um auf ein auf der anderen Seite stehendes Pferd überzuwechseln. Er wird ein Bein auf seinem bisherigen Pferd behalten und versuchen, das andere Bein auf dem anderen Pferd zu platzieren. Man kann sich vorstellen, was passiert, wenn sich eines der Tiere zur Unzeit bewegt . . . Trotz dieser Risiken erscheint dieser Ansatz durchaus vielversprechend. Schneeweis und Spurgin (2001) testen den systematischen Verkauf von Straddles und Strangles auf den amerikanischen Aktienmarkt im Zeitraum 1987 bis 1999. Diese systematische ShortVolatilität-Allokation hätte zu einem deutlich höheren Ertrag gegenüber dem Aktienmarkt geführt und auch das Risiko spürbar gemildert. Um den Stacheldraht zu umgehen, bietet es sich aber auch hier an, die sich ergebende Direktionalität der Strategie abzusichern, indem man bei einem Verkauf der impliziten Volatilität durch den Verkauf von Straddles diese um einen Delta-Hedge ergänzt. Damit wird die relativ teure implizite Volatilität ver- und die relativ billige realisierte Volatilität gekauft. Ein Gewinn ergibt sich dann, wenn die Volatilitätsrisikoprämie D Zeitwert der Option Delta-Hedging-Kosten
(4.6)
ex-post positiv ist. In der Tat gibt es Hinweise darauf, dass derartige Strategien funktionieren könnten. So stellen Baz et al. (2000) fest, dass sie im Devisenbereich funktioniert hätten. Noch überzeugender sind die Gewinne von Eigenhandelstischen großer Banken und bestimmter
4.4 Handel der Richtung der Volatilität
299
Hedgefonds, die diese Strategie in großem Stil fahren und damit beträchtliche Gewinne erzielen. Allerdings scheinen die bisherigen Erfahrungen auch stark vom betrachteten Markt und dem gewählten Analysezeitraum abhängig zu sein. Beispielsweise beobachtet Herrmann (2015b) im Zeitraum 2006 bis 2015 ansteigende implizite Volatilitäten bei Euro-Swaptions und testet, ob man von dieser Entwicklung über Long Vola-Strategien in Form von Long Straddles hätte profitieren können. Man hätte. Aber lediglich, wenn man sich für lang laufende Swaptions entschieden hätte. Nur bei diesen wäre das Vega hoch genug gewesen, um den Zeitwertverlust im Theta über zu kompensieren [Optionen mit langer Laufzeit haben eine höhere Sensitivität gegenüber Veränderungen in der Volatilität als kurze Optionen und einen überschaubaren Zeitwertverlust (Theta)]. Wie gefährlich schlecht gehandhabte bzw. kontrollierte Short Straddles sein können, zeigt eine der größeren Finanzkatastrophen, der letzten Jahre, der Nick Leeson/BaringsFall (Abschn. 4.2.2).
4.4.6.4 Strangle Die leicht entschärfte Variante des Straddle ist der Strangle. Der einzige Unterschied zum Straddle liegt darin, dass nicht Optionen am Geld, sondern aus dem Geld eingesetzt werden. Möchte man auf stagnierende oder fallende Volatilität setzen, verkauft man Calls und Puts in gleicher Menge mit gleicher Laufzeit, aber eben mit Basispreisen, die aus dem Geld liegen (Abb. 4.19). Da Optionen aus dem Geld verkauft werden, sind der Zeitwertverfall und die Veränderung der Sensitivität auf Kursänderungen (Gamma) niedriger, die Position mithin leichter zu handhaben. 30 25 20 15 10 5 0 –5 –10 –15 –20 –25 140
145
150
155
160
165
170
175 Call
180
185
190
Put
Abb. 4.19 Auszahlungsprofil Short Strangle bei Fälligkeit
195
200
Gesamt
205
210
215
220
225
230
300
4
Derivate zur Optimierung der Performance
Ist es für den Portfoliomanager erforderlich, das Delta über den Kauf und Verkauf von Underlying oder Futures neutral zu halten, wird er dennoch eine Menge zu tun bekommen. Beispiel
Im Beispiel aus Abb. 4.19 steht das Underlying bei einem Kurs von 184,5. Der Portfoliomanager könnte nun Calls mit Basis 200 (Delta 0,458) und Puts mit Basis 170 (Delta 0,313) verkaufen. Das Gesamtdelta der Position wäre 0,458 (0,313) D 0,145. Das könnte durch den Kauf von Aktien oder Single Stock Futures neutralisiert werden. Oder der Portfoliomanager verkauft 146 Puts für je 100 verkaufte Calls. Dann wäre das Delta annähernd neutral: 0,458 1,46 (0,313) D 0,001. Wenn die Aktie jetzt von 184,5 auf 200 steigt, verändert sich die letztgenannte Position wie folgt: 0,579 1,46 (0,222) D 0,255. Das ungewollte Aktien-Exposure ist also wieder da und muss in einer erneuten Sicherungstransaktion neutralisiert werden.
4.4.6.5 Butterfly Positionen, die Volatilität short gehen, sind recht beliebt, können sie doch von zwei Effekten profitieren: einerseits von einer zurückgehenden Volatilität, andererseits vom reinen Zeitablauf. Allerdings sind sie auch nicht ganz ungefährlich. Die unangenehme Eigenschaft von verkauften Optionen ist ihr hohes, teils unbegrenztes Verlustpotenzial. Beim Short Put kann das Underlying schlimmstenfalls auf null fallen, was zu einer ziemlich 200
150
Gewinn & Verlust (Euro)
100
50
0
-50
-100
-150
-200 0
50
100
150
200
Aktienkurs (Euro) Aktie
Short Butterfly
Abb. 4.20 Auszahlungsprofil Short Butterfly bei Fälligkeit
250
300
4.4 Handel der Richtung der Volatilität
301
hohen Fallstrecke ab dem Basispreis führen kann. Beim Short Call sind die möglichen Verluste gar unlimitiert, da sich der Preis des Underlying beliebig vervielfachen kann. Will man bei einer Short Volatility-Position das unbegrenzte Risiko begrenzen, kann man zusätzlich Optionen mit hohen und tiefen Basispreisen kaufen, um so die Positionen ab einem bestimmten Punkt zu neutralisieren. Setzt man derartige Strukturen auf, spricht man von Butterflies, wenn es sich bei der ursprünglichen Position um einen Straddle handelt (Abb. 4.20). Man kombiniert also den Verkauf eines Straddle mit dem Kauf eines Strangle. Hintergrundinformation Ab und an stößt man auch auf die eiserne Variante des Schmetterlings, den Iron Butterfly. Dieser bezeichnet meist einen Butterfly, der so konstruiert ist, dass man beim Eingehen der Position eine Nettoprämieneinnahme erzielt.
4.4.6.6 Condor Geht man in derselben Weise von einem ursprünglich verkauften Strangle aus, den man an den Enden neutralisieren will, spricht man von einem Condor. Zu dem bestehenden verkauften Strangle kommt ein gekaufter Strangle, mit weiter auseinanderliegenden Basispreisen hinzu. Auch in diesem Fall verkauft man insgesamt teurere Optionen als man im Gegenzug kauft – außer bei sehr außergewöhnlichen Volatilitätsstrukturkurven. Netto erzielt man also Einnahmen aus Optionsprämien und fährt damit definitionsgemäß eine Credit-Strategie, im umgekehrten Fall eine Debit-Strategie. Die Prämien sind jedoch niedriger als beim nackten Short Straddle und Short Strangle, weil man einen Teil der eingenommenen Prämien in einen absichernden Strangle investiert, der das Katastrophenrisiko absichert. Die kombinierten Strategien kaufen und verkaufen Optionen gleichzeitig. Aus diesem Grund ist der Zeitwertverfall deutlich weniger ausgeprägt. Erst etwa einen Monat vor Verfall setzt sich ein merkbar beschleunigter Verfall der näher am Geld liegenden Optionen durch. Wie genau sich dies auf die Position auswirkt, hängt davon ab, wo das Underlying sich zu diesem Zeitpunkt bewegt. Das kann durchaus weit weg vom ursprünglichen „AmGeld-Punkt“ sein, auf den beispielsweise der Short Straddle aufgesetzt wurde. Der Volatilitätshandel ist ein Beispiel dafür, dass es Quatsch ist, komplexe Derivatestrukturen pauschal als „gefährliche Konstrukte“ zu brandmarken. Wie in vielen anderen Fällen auch, ist hier die wesentlich komplexere Derivateposition (Butterfly und Condor) im Vergleich zur einfacheren Struktur (Straddle und Strangle) unproblematischer. Einerseits muss man sich keine Sorgen über unbegrenzte Verluste machen. Andererseits ist auch das Gamma niedriger und die Netto-Deltaposition weniger ausgeprägt. Wenn man als Investor also nicht zwingend eine vollständige Deltaneutralität über die Laufzeit der Position erhalten will oder muss, kann man Butterflies und Condors eventuell sogar einfach bis zum Verfall durchhalten. Muss man das Delta genauer kontrollieren, verursachen die kombinierten Strategien auf jeden Fall weniger Umsatz. Hintergrundinformation In einer Langfriststudie der Terminbörse CBOE über fast 30 Jahre schneidet der Condor sowohl absolut als auch risikoadjustiert besser ab als der Butterfly (Black und Szado 2016).
302
4
Derivate zur Optimierung der Performance
Eine gewisse Poesie kann man den Optionshändlern nicht absprechen. In den Auszahlungsprofilen des Schmetterlings (Butterfly) und Condors erinnern die Zonen hoher und niedriger Moneyness an Flügel. Daher firmieren beide Strategien unter geflügelten Bezeichnungen und werden unter dem Oberbegriff „Wingspreads (Flügel-Spreads)“ zusammengefasst.
4.4.6.7 Volatilitätsderivate Einen wesentlich direkteren, weniger aufwändigen und damit auch kostengünstigeren Weg zum Handel der impliziten Volatilität eröffnen Volatilitätsderivate. 4.4.6.7.1 Volatilitätsindizes Heutzutage muss sich bei den großen Aktienindizes niemand mehr die Mühe machen, deren implizite Volatilität zu berechnen. Für mehrere dieser Indizes werden Volatilitätsindizes veröffentlicht. Diese dienen einerseits als Informationsgröße. Sie spiegeln die am Markt gehandelte durchschnittliche Volatilitätserwartung der Investoren wider und werden deshalb oft auch als „Barometer der Angst“ betrachtet – obwohl sie diese Rolle nur mit Abstrichen erfüllen können (Abschn. 4.4.6.7.2). Andererseits dienen sie als Basiswert für eine Reihe von derivativen Instrumenten, mit denen sich die Entwicklung der impliziten Volatilität handeln lässt. Der älteste Index dieser Art und Urvater der Volatilitätsindizes ist der Volatility Index (VIX) der Chicago Board Options Exchange (CBOE). Der Index misst seit 1993 die implizite 30 Tage Volatilität am Geld, wie sie in den Preisen der Optionen auf den S&P 500 zum Ausdruck kommt. Für den VIX wurde eine historische Zeitreihe bis in die späten 80er-Jahre zurückgerechnet. Hintergrundinformation Bis zum 21. September 2003 waren die Optionen auf den S&P 100 die Grundlage, und der Index bezog sich auf eine fiktive Option mit 45 Tagen Laufzeit. Danach erfolgten die Umstellungen auf den S&P 500 und die Berechnungssystematik, wie sie im Folgenden für den VDAX-New vorgestellt wird.
Mittlerweile hat sich eine (Klein)Familie um den VIX gebildet: Der Drei-MonatsVolatilitätsindex VXV greift die implizite 93-Tage Volatilität ab, der Short-Term Volatilitätsindex VXST die hochreagible implizite Neun-Tage-Volatilität. In Deutschland hat sich der VDAX zu einer festen Größe entwickelt. Seit dem 5. Dezember 1994 spiegelt er die implizite Volatilität der am Geld notierenden Optionen auf den Deutschen Aktienindex DAX wider (Deutsche Börse 1994). Als Investor erfährt man so auf einen Blick, mit welcher durchschnittlichen Schwankung des DAX die Marktteilnehmer in den kommenden 45 Tagen rechnen. Die Schwankungsbreite ergibt sich als p (4.7) VDAX .45 Tage=365 Tage/ DAX-Stand: Beispiel
Steht der DAX bei 5000 Punkten und der VDAX weist eine implizite Volatilität von 20 % aus, heißt dies nichts anderes, als dass die Optionspreise die Erwartung der Markt-
4.4 Handel der Richtung der Volatilität
303
Abb. 4.21 Verlauf des VDAX-New. (Quelle: Thomson Reuters Datastream)
teilnehmer widerspiegeln, dass der Index in den nächsten 45 Tagen eine Schwankung von rund C/ 350 Punkten aufweist. Die Kursausschläge des Index sollten sich also in einer Zone zwischen 4650 und 5350 bewegen. Gegen diesen Marktkonsens muss der einzelne Anleger dann seine eigene Einschätzung zur Schwankung stellen. Aufgrund der Schwierigkeit, Kontrakte auf den VDAX und VIX zu hedgen, stellten die Terminbörsen in Chicago und Europa ihre Produkte auf einen neuen Berechnungsansatz um. Die neuen Eurex-Volatilitätsindizes (VSTOXX/VDAX-Neu (Abb. 4.21)/VSMI) errechnen alle einen Volatilitätspreis abhängig von der impliziten Varianz vollständiger Optionsserien (zuvor wurde nur die Volatilität am Geld herangezogen) einer bestimmten Laufzeit. Hintergrundinformation Bei der Konstruktion hat man die Lektionen aus den Problemen der Vorgängerindizes gelernt: Der Index stellt nicht direkt auf die Volatilität ab, sondern geht dem Umweg über die Varianz, aus der dann die Wurzel gezogen wird. Dazu werden alle Optionen einer bestimmten Laufzeit herangezogen und deren Varianzen umgekehrt proportional zu ihren Basispreisen gewichtet. Man nutzt also nicht mehr nur die implizite Volatilität an einem einzigen Punkt der Volatilitätskurve, genau am Geld, sondern greift eine breitere Datenbasis zurück. Außerdem kommt man ohne ein Optionspreismodell aus, mit dem die implizite Volatilität aus dem Optionspreis berechnet wird, da nur die Preise der verwendeten Optionen in die Berechnung einfließen. So vermeidet man die mit dem jeweils eingesetzten Modell verbundenen, mehr oder weniger realistischen Annahmen (Abschn. 2.4.3). Dieses
304
4
Derivate zur Optimierung der Performance
Vorgehen ermöglicht es, ein Optionsportfolio zu konstruieren, bei dem nicht nur das Delta neutral, sondern auch das Varianz-Vega konstant ist. Man hat also nichts anderes gemacht, als auf den Bewertungsmechanismus eines Varianz-Swap (Abschn. 4.4.6.7.5) aufzusetzen. Dies vereinfacht das Hedging deutlich und führt so zu geringeren Risiken und Konstruktionskosten bei den Händlern und folglich zu geringeren Handelskosten für den Anwender von Instrumenten auf diese Indizes. Es gibt eine ganze Batterie von Sub-Indizes mit Laufzeiten von 30 bis 360 Tagen. Durch eine rollierende Berechnung interpolierter Optionslaufzeiten sind die ausgewiesenen Indexwerte unbeeinflusst von einem spezifischen Verfallsdatum. Die Hauptindizes wie der VSTOXX beziehen sich auf kurz laufende, 30-Tages-Optionen, decken also das Marktsegment mit der höchsten Liquidität ab.
Der Nutzen von Volatilitätsindizes als Indikator für die Nervosität des Marktes und die damit einhergehende Popularität haben dazu geführt, dass derartige Indizes einerseits auf eine recht lange Historie zurückblicken können und andererseits viele Aktienmärkte der Welt abdecken. Für den Schweizer Markt fungierte die Bank Leu als Vorreiter, die, wie beim VDAX, ebenfalls eine 45-Tage-Schätzung in Form des VLEU veröffentlichte. Dazu wurden die impliziten Volatilitäten der an der EUREX gehandelten Optionen auf Schweizer Aktien zu einem Index aggregiert (Schäfer 1995). Und auch die französische Terminbörse MONEP (Marché des Options Négociables de Paris) stellte bereits 1997 mit dem VX1 und dem VX6 Volatilitätsinformationen für Einmonats- und Sechsmonatsoptionen zur Verfügung (Moraux et al. 1999). In Japan schaut man sich den VXJ an. Für den Nasdaq 100 existieren gar zwei prominente Volatilitätsindizes (Mixon und Mason 2001). Der VXN der CBOE existiert seit 1995. Der QQV der American Stock Exchange kam im September 2000 neu hinzu. Die Indizes unterscheiden sich in ihrer Berechnungsmethode, ihrer historischen Verfügbarkeit und der Liquidität der zugrundeliegenden Optionen. Der VXN ist das Pendant zum VIX, bezieht sich also auf Indexoptionen. Der QQV repräsentiert die implizite Volatilität von Optionen auf Nasdaq 100 Exchange Traded Funds, deren Volumen stetig über das der Indexoptionen hinauswuchs (Patel und Koh 2002a). Volatilitätsindizes sind nicht mit den Optionsindizes zu verwechseln. Optionsindizes liefern keine Informationen zur Volatilität. Vergleichbar zu anderen Kapitalmarktindizes sollen sie vielmehr die Entwicklung des Preisniveaus an den Optionsmärkten widerspiegeln. Beispiele hierfür sind „The Value Line Options and Convertibles“ von Value Line, der „Options Index“ von Cox und Rubinstein sowie der „Options Index“ und der „CBOE Call Option Index“ (Gastineau 1988; Cox und Rubinstein 1985). Auch bei der standardisierten Erfassung der Zinsvolatilität war die CBOE Vorreiter, allerdings erst viele Jahre nach dem VIX. Der CBOE Interest Rate Swap Volatility Index („CBOE SRVXSM Index“) referenziert auf Einjahres-Swaptions auf Zehn-Jahres USDollar Zinsswaps und errechnet sich ebenfalls als ein gewichteter Durchschnittswert aus Optionsnotierungen über ein breites Moneyness-Spektrum (Abb. 4.22). Während der VIX in Prozent notiert, misst der Swap Vola Index die Volatilität der Forward Swap Rate in Basispunkten. Im Laufe der Jahre hat sich die Landschaft der Zinsvolatilitätsindizes immer mehr bevölkert. So rechnet die CBOE mittlerweile auch einen Index auf die Volatilität ame-
4.4 Handel der Richtung der Volatilität
305
Abb. 4.22 Verlauf VIX und CBOE Interest Rate Swap Vola Index. (Quelle: Thomson Reuters Datastream)
Abb. 4.23 CBOE/CBOT 10-year US-Treasury Note Volatility Index und MOVE Index. (Quelle: Thomson Reuters Datastream)
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Derivate zur Optimierung der Performance
rikanischer Staatsanleihen, den CBOE/CBOT 10-year US-Treasury Note Volatility Index (TYVIX). Eine Alternative dazu ist der Merrill Lynch Move-Index, der ebenfalls im Treasury-Markt die Optionsvolatilitäten abgreift (Abb. 4.23). Man sieht, dass die Indizes ein sehr ähnliches Verlaufsmuster aufweisen mit der höheren Schwankung in der T-Note Volatilität. Die Rentenmarktvolatilität war in der Vergangenheit gekennzeichnet durch eine hohe Amplitude. Nicht selten kam es zu starken Veränderungen der impliziten Volatilität innerhalb enger Zeitfenster, die in der Spitze in eine Größenordnung vorstießen, die beinahe an diejenige von Aktienindizes heranreicht. 4.4.6.7.2 Volatilitäts-Futures I Definition Ein Future auf die implizite Volatilität ist ein Vehikel, das es erlaubt, mit einer Transaktion Vega-Risiko einzugehen oder abzusichern. Da Volatilitäts-Futures auf Änderungen der impliziten Volatilität, nicht jedoch auf Kursänderungen des Underlying reagieren, verändern diese Instrumente das Delta-Risiko nicht. Als Underlying fungieren dabei die Volatilitätsindizes. An diesem Beispiel lässt sich sehr schön zeigen, dass Derivaten eine gewisse Komplexität gelegentlich nicht ganz zu Unrecht attestiert wird, befinden wir uns hier doch schon auf einem Komplexitätsniveau der Stufe fünf (Abb. 4.24): Mehrere Aktien werden zu einem Index zusammengefasst. Aus den Optionen auf diesen Index wird ein Index der impliziten Volatilität gerechnet, der wiederum als Underlying für einen Future dient. Die exakte Wirkungsweise von Volatilitäts-Futures ist abhängig von der Art, wie das Underlying errechnet wird. Dieser Faktor entscheidet auch maßgeblich über das geschäft-
Angebot & Nachfrage Technische Faktoren
↓ Aktie
Implizite Vola
↓
Korrelation
Index
↓ Index Option
↓
Berechnungsvorschrift
Volatilitätsindex
↓
Kontraktspezifikation
Future auf Volatilitätsindex
Abb. 4.24 Aufbau eines Volatilitäts-Future
Realisierte Vola
4.4 Handel der Richtung der Volatilität
307
liche Wohl und Wehe eines neu an den Markt gebrachten Instruments. So war den ersten börsengehandelten Instrumenten kein besonders großer kommerzieller Erfolg beschieden. Der 1996 lancierte Volx war eine recht eigenwillige Mischung aus der historischen und impliziten Volatilität des FTSE 100, des DAX und des schwedischen OMX, mit der sich die Marktteilnehmer nicht so recht anfreunden konnten. 1998 folgte die damalige Deutsche Terminbörse DTB mit dem VOLAX, einem Kontrakt auf die implizite Dreimonatsvolatilität des DAX. Leider wurde auch dieser Kontrakt am Markt nicht angenommen und bald wieder eingestellt. Grund hierfür war vor allem, dass die Market Maker in diesem Kontrakt die von ihnen eingegangenen Risiken nur mittels eines dynamischen Hedges absichern konnten. Dieser gestaltete sich jedoch äußerst aufwändig und war darüber hinaus mit einigen operativen Risiken befrachtet. Das erste Produkt, das flog, war der VIX-Future, der im Frühjahr 2004 an der CBOE das Licht der Welt erblickte. Der Mark-to-Market Wert des VIX-Future wird bestimmt von der erwarteten impliziten 30-Tage-Volatilität am Tag des Future-Verfalls. Diese Futures erlauben also eine Spekulation darauf, ob die implizite Volatilität steigen oder fallen wird. Die neue Berechnungsweise des VIX, die oben im Abschn. 4.4.6.7.1 angesprochen wurde, zeigt das enge Zusammenspiel zwischen Volatilitäts-Indizes und den darauf basierenden Derivaten. Die neue Formel ist nicht in erster Linie dem Umstand geschuldet, dass der alte Index schlecht oder nicht repräsentativ gewesen wäre. Sie ist vielmehr ein Kompromiss zwischen den Interessen der Market Maker und Investoren. Einerseits hat man den über die Varianz laufenden Bewertungsmechanismus von Varianz-Swaps (Abschn. 4.4.6.7.5) genutzt, der in diesem Fall zu einem Gamma von null und einem relativ zur Preisbewegung des Underlying und über die Zeit konstanten Vega führt (Kuenzi 2005). Damit kann ein Market Maker den Index über ein breit über die Moneyness gestreutes Optionsportfolio einfacher replizieren. Andererseits bietet man dadurch, dass man die Wurzel aus der Varianz zieht, dem Endanwender ein Produkt an, dass in einer ihm vertrauten Größe notiert, auch wenn, streng genommen, nicht die implizite Volatilität, sondern die Wurzel der impliziten Varianz gehandelt wird. Das ist wiederum mit leichten Abstrichen bei der Handhabbarkeit für den Market Maker verbunden, weil er sein eigentlich statisches Hedge-Portfolio gelegentlich nachjustieren muss. Allerdings ist der Aufwand deutlich geringer als bei den volatilitätsbasierten Produkten, die deutlich pflegeintensiver waren bzw. sind. Auch auf europäische Aktienindizes existieren passende Volatilitäts-Futures. An der Eurex werden Kontrakte auf den VDAX-New, den VSTOXX, und den Schweizer VSMI notiert. Darüber hinaus existieren eine Reihe von Umverpackungen dieser Futures in Form von Exchange-Traded Notes (ETNs), die Volatilitäts-Exposure in Formen darreichen, die insbesondere das Kleinkundensegment ansprechen und zu dem gehebelte Varianten ebenso gehören wie invertierte, die von fallender Volatilität profitieren. Die fünfstufige Kaskade (Abb. 4.24) skizziert, welche Vielzahl von Komponenten in die letztendliche Preisbildung eines Volatilitätsindexderivats eingehen. Insofern scheint eine einfache Interpretation der Kursentwicklung eines VIX-Future als Angstbarometer viel zu kurz gegriffen. Denn neben der tatsächlichen Markterwartung über die Volatili-
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Derivate zur Optimierung der Performance
Veränderung des VIX zurückzuführen auf ... Put Nachfrage 6%
Veränderung Underlying 1%
Volabewegung 41%
Call Nachfrage 38%
Roll-over 14%
Abb. 4.25 Quellen von VIX-Veränderungen. (Datenquelle: Credit Suisse 2013)
tätsentwicklung wirken viele technische Faktoren auf Angebot und Nachfrage, aber auch über die Art der Berechnung des Indexwerts und die Kontraktspezifikation auf den Preis. Einer Untersuchung zufolge setzt sich die Veränderung im Kurs des VIX, wie in Abb. 4.25 gezeigt, zusammen (Credit Suisse 2013). Größter Einflussfaktor ist die Bewegung der Volatilität. Diese rührt in der Regel daher, dass sich die gesamte Volatilitätsstruktur über alle Basispreise hinweg ändert, beispielsweise bei einem generellen Volatilitätsanstieg über das gesamte Moneyness-Spektrum. Demgegenüber ist die Veränderung des Underlying im Schnitt zu vernachlässigen. Sie wirkt nur in geringem Maße, wenn der Moneyness-Punkt die Volatilitätskurve hoch oder runter rutscht und der neue Basispreis mit einer anderen impliziten Volatilität gepreist wird (Abb. 4.26). Insofern hängt dieser Faktor davon ab, wie ausgeprägt der Skew ist. Bei sehr großen Unterschieden der impliziten Volatilität entlang der Moneyness gewinnt er an Bedeutung. Der Roll-Effekt beinhaltet nicht nur die Wirkung, die aus etwaigen Anpassungen der Optionsstrategien der Marktteilnehmer herrühren, wenn sie beispielsweise Kontrakte entlang der Basispreise hoch- oder runterrollen. Hier kommt auch ein technischer Faktor in Form einer Neugewichtung der einzelnen Optionslaufzeiten ins Spiel. Auch die Nachfrage nach Calls und Puts hat neben dem offensichtlichen Effekt der Volatilitätsverschiebung einen Nebeneffekt, der auf die Berechnung des VIX wirkt, näm-
4.4 Handel der Richtung der Volatilität
309
90% 80%
Implizite Volatilität
70% 60% 50% 40%
Volatilitätsbewegung
30% 20% 10% 0% 50
60
70
80
90
100 110 Basispreis
120
130
140
150
Abb. 4.26 Effekte von Volatilitäts- und Underlying-Bewegung
lich immer dann, wenn durch Nachfrage neue Optionsserien weit im oder aus dem Geld aufgelegt werden. Durch diese Erweiterung der Ränder kommt es zu einer Ausweitung des Berechnungsspektrums für den Indexwert. Je nach Ausprägung des Skew ziehen diese neuen Optionen den VIX ein Stück weit nach oben oder unten. Gerade dieses Beispiel zeigt, wie technische Besonderheiten, die Interpretation des VIX als Maß für die Unsicherheit im Markt behindern. Dieses Problem, dass eine Vielzahl an Informationen über die ganze Volatilitätsoberfläche entlang der Basispreise auf der einen und der Laufzeit auf der anderen Seite auf eine einzige Zahl verdichtet werden, tritt in anderer Form immer dann auf, wenn der Markt auf eine „Entscheidungsschlacht“ zuläuft, also auf ein Ereignis von binärer Ausprägung: Verlässt Griechenland die Eurozone oder nicht? Brexit oder Bremain? Geht bei der Umstellung der Computer auf das neue Jahrtausend (Y2K) etwas schief oder nicht? Gibt die amerikanische Zentralbank nächste Woche eine Zinserhöhung bekannt oder nicht? Ein Blick auf den VIX verleitet in diesen Situationen vielleicht zu dem Schluss, dass der Markt im Durchschnitt lediglich leicht angespannt ist. Schaut man jedoch tiefer in die Struktur der Volatilität, so erkennt man, dass sich die Marktteilnehmer in zwei Lager aufspalten, von denen das eine von einem starken Volatilitätsanstieg ausgeht, während die Gegenfraktion erwartet, dass die im Vorfeld leicht angestiegenen Volatilitäten sich schnell wieder deutlich zurückbilden. In diesem Fall ist die Ausprägung des VIX nichts weiter als ein Mittelwert im mathematischen Sinn und mithin bedeutungslos. Für den naiven Beobachter kann er sogar insofern gefährlich werden, als er das sich aufbau-
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4
Derivate zur Optimierung der Performance
Schwarzer Schwan 5%
Handel Vola der Vola 20%
VolaRichtungshandel long 31%
Interkontrakt VolaArbitrage 20%
VolaRichtungshandel short 4% Relative Vola (VolaStruktur) 20%
Abb. 4.27 VIX Optionshandelskategorien. (Quelle: Credit Suisse 2013)
ende Potenzial für eine hohe Volatilität der Volatilität verbirgt, wenn nämlich genügend Marktteilnehmer das Lager wechseln und von der Pro- in die Kontrafraktion wechseln oder umgekehrt. Die Schwierigkeit der eindeutigen Interpretation resultiert auch daraus, dass am Derivatemarkt viele verschiedene Marktteilnehmer mit unterschiedlichsten Motiven und sich oftmals mehrfach überlagernden Derivateteilpositionen zusammenkommen. Credit Suisse (2013) kategorisiert die Handelsströme einer VIX-Option in sechs Kategorien und schätzt, dass lediglich ein Drittel der Marktteilnehmer darauf aus sei, aus einer richtigen Vorhersage der Richtung der Volatilität Profit zu schlagen (Abb. 4.27). Weitere 20 % spekulieren darauf, ob die Volatilität selbst mehr oder weniger volatil wird. Die größte Teilnehmergruppe stellen die Optionshändler dar, die auf die relative Werthaltigkeit von Volatilitäten setzen, sei es innerhalb der VIX-Optionsserien, sei es zwischen verschiedenen Volatilitätsinstrumenten, beispielsweise zwischen der VIX-Volatilitätsoberfläche und derjenigen des VSTOXX. Eine Minderheit bilden die Käufer von Tail Protection, also von Absicherung gegen außergewöhnlich heftige Marktrückschläge. Oftmals überlagern sich diese Positionen oder schwappen gar aus anderen Regionen oder Asset-Klassen in den Markt. So ist es keine Seltenheit, dass beispielsweise ein Hedgefonds einen VIX-Future als Komponente eines verketteten Trades über drei oder mehr Asset-Klassen/Risikofaktoren hinweg einsetzt. Aufgrund seiner Markteinschätzung geht
4.4 Handel der Richtung der Volatilität
311
er vielleicht eine Position in Instrument A ein. Dieses sichert er über Derivat B als Proxy in seinem Hauptrisiko ab. Und am Ende kommt dann vielleicht der VIX-Future oder eine Option hierauf zum Einsatz, um in einem approximativen Cross Hedge das neue, aus Derivat B herrührende (vermutlich Volatilitäts-)Risiko zu reduzieren. Es ist also letztlich nicht verwunderlich, wenn selbst Derivateanalysten, die den lieben langen Tag nichts anderes machen, als die Optionsmärkte zu untersuchen, konzidieren: „Es gibt Aspekte des VIX Future, die wir noch immer nicht verstehen“, wie es ein Optionsanalyst einmal in einem Gespräch ausdrückte. 4.4.6.7.3 Varianz-Futures Fast zeitgleich mit dem VIX Future hat die CBOE im Mai 2004 auch Varianz-Futures in ihre Produktpalette aufgenommen. Warum nur? Da der Varianz-Future komplett in der Einheit „Varianz“ gerechnet wird, ist er für den Optionshändler am einfachsten abzusichern. Die Einzelheiten dazu finden sich in Abschn. 4.4.6.7.5 beim am Markt dominierenden Varianz-Swap. Für den Investor ist das Denken und Rechnen in und der Handel von Varianz zunächst einmal weniger attraktiv, weil ungewohnt. Allerdings hält sich der intellektuelle Aufwand der Arbeit mit Varianz in Grenzen. Wer es bisher gewohnt war, in Volatilität zu denken und eine Volatilität von 20 % als fair ansah, der muss sein Koordinatensystem nur auf einen neuen fairen Wert von 400 (202 ) kalibrieren. Im Gegensatz zu der rein mathematischen Umrechnung mag es jedoch etwas länger dauern, um ein „Gefühl“ für das Verhalten dieses „neuen“ Schwankungsmaßes zu bekommen. Das liegt vor allem daran, dass bei der Berechnung der realisierten Varianz der Durchschnitt auf die quadrierten Renditen gerechnet wird. Dadurch fallen große Ausschläge sehr stark ins Gewicht. Etwas gewöhnungsbedürftiger ist das Vertrautwerden mit dem Auszahlungsprofil einer Volatilitätsposition in Varianz-Futures. Die Gewinn- und Verlustrechnung ist nicht linear, sondern konvex. Man kann also nicht einfach eine konstante Beziehung zwischen Entwicklung der Volatilität und der G&V einer Position herstellen im Sinne von „Steigt die Vola um einen Prozentpunkt, gewinne ich 2000 US-Dollar. Steigt sie um zwei Prozentpunkte, gewinne ich 4000 US-Dollar usw.“. Bei einer Long-Position fällt der Gewinn im Falle steigender Volatilität höher, der Verlust bei fallender Volatilität niedriger aus als bei einer Long-Position in Volatilität. Entsprechend ist die G&V bei einer Short-Position ungünstiger. Zunächst einmal kann man die Sensitivität eines Varianz-Future gegenüber Veränderungen in der Volatilität wie folgt approximieren: Das Exposure eines Varianz-Kontrakts beträgt 50 US-Dollar je sogenanntem Varianzpunkt. Ein Varianzpunkt entspricht 10.000 Varianz. Die Gewinn-/Verlustfunktion eines Varianz-Futures sieht so aus: 50 US-Dollar .100 100 Vola2 Preis/:
312
4
Derivate zur Optimierung der Performance
Die erste Ableitung für die Sensitivität ergibt sich als 50 US-Dollar 10:000 2 Vola: Volatilität kann man aber auch in Form des Varianz-Future-Preises ausdrücken: p p .Varianz-Future-Preis=10:000/ oder .Varianz-Future-Preis/=100: Eingesetzt in die erste Ableitung ergibt sich 50 US-Dollar 100 2
p .Varianz-Future-Preis/:
Schon in dieser Formel lässt sich erkennen, dass die Sensitivität nicht konstant ist, sondern von der Höhe des Future-Preises abhängt. Für einen Varianz-Future mit einem aktuellen Kurs von 400 (entspricht einer Volatilität von 20 %), liegt der Kontraktwert bei 50 US-Dollar 400 = 20.000 p US-Dollar und die Sensitivität pro Volatilitätspunkt bei 1 % 50 US-Dollar 100 2 400 = 2000 USDollar. Steigt nun die Volatilität von 20 auf 21 %, beträgt der Gewinn aber nicht 2000, sondern 2050 US-Dollar. US-$ je Indexpunkt
50
Volatilität
20,00
Varianz Preis Future
21,00
400,00
441,00
20.000,00
22.050,00
G+V
2.050,00
Fällt die Volatilität von 20 auf 19 %, beträgt der Verlust nur 1950 und nicht 2000 USDollar. US-$ je Indexpunkt
50
Volatilität
20,00
19,00
Varianz
400,00
361,00
20.000,00
18.050,00
Preis Future G+V
- 1.950,00
In diesem Unterschied von jeweils 50 US-Dollar zugunsten der Long- und zuungunsten der Short-Position drückt sich die Konvexität des Auszahlungsprofils des Varianz-Future aus.
4.4 Handel der Richtung der Volatilität
313
Für diese überschaubaren geistigen Klimmzüge bietet dieses Instrument dem Investor einen interessanten Vorteil: Er kann den Kontrakt nämlich sowohl zur Spekulation auf die implizite als auch auf die realisierte Volatilität einsetzen. Der Preis eines Varianz-Future an der CBOE bei Fälligkeit bemisst sich nach der realisierten Volatilität des S&P 500 in den drei Monaten vor Verfall. Will ein Anleger also eine Position auf die realisierte Volatilität beziehen, hält er seine Long- oder Short-Position im Varianz-Future einfach bis zur Fälligkeit durch. Genaugenommen repräsentiert die Position seine Meinung darüber, wie hoch die Volatilität des Underlying in der Periode bis zum Verfall sein wird gegenüber der Einschätzung des Marktes. Diese ist zum Zeitpunkt der Positionseröffnung als implizite Volatilität im Markt bekannt und stellt den Preis des Kontrakts dar. Daraus ergibt sich die zweite Verwendungsmöglichkeit des Varianz-Future, die Spekulation auf die Entwicklung der impliziten Volatilität. So lange die Abrechnungsperiode, über die die realisierte Volatilität ermittelt wird, noch nicht begonnen hat, also bis zu drei Monate vor Verfall, spiegelt sich im Preis des Varianz-Future die Erwartung des Marktes wider, wie hoch diese realisierte Volatilität denn wohl sein wird, mit anderen Worten also die implizite Volatilität. Demzufolge kann man zum Beispiel in Erwartung einer steigenden impliziten (!) Volatilität einen Varianz-Future vor Beginn der Abrechnungsperiode kaufen und ihn rechtzeitig vor Beginn Abrechnungsperiode auch wieder verkaufen. Die Preisdifferenz zwischen Kauf und Verkaufspreis reflektiert die Änderung der impliziten Volatilität und ähnelt in dieser Hinsicht dem Volatilitäts-Future. Komplex wird es in der Periode vor Verfall, in der die Einbeziehung der realisierten Volatilität bereits begonnen hat. Während dieser Zeit setzt sich der Preis des Varianz-Future nämlich aus zwei Komponenten zusammen. Da ist zum einen die realisierte Varianz über den Zeitraum seit Beginn der Zählperiode. Für den in der Zukunft liegenden Zeitraum bis zur Fälligkeit des Kontrakts kann es natürlich noch keine realisierte Varianz geben. Daher geht für diesen Zeitraum die erwartete, sprich implizite Varianz in den Marktwert ein, wobei die vergangene, realisierte Varianz und die erwartete, implizite Varianz zeitanteilig berücksichtigt werden. Diese Besonderheit verkompliziert die Handhabung des Instruments in zweierlei Hinsicht. Einerseits drückt sich im Preis des Varianz-Future die Basisvolatilität, gegen die der Nutzer anspekuliert, nur indirekt aus. Wenn der Future bei 625 notiert, entspricht dies einer annualisierten Volatilität von 25 %. Gesetzt den Fall, der Kontrakt hätte bereits die Hälfte der Zählperiode hinter sich und die realisierte Volatilität in diesem Zeitraum hätte 20 % betragen. Dann sähe die Preisbildung wie folgt aus: 625 D 50 % 202 C 50 % erwartete Varianz Die implizite Volatilität für den Zeitraum bis zur Fälligkeit ist in dieser Gleichung versteckt und lässt sich mit 35,07 % berechnen, während ein naiver Blick auf den Preis des Kontrakts 25 % suggerieren würde.
314
4
Derivate zur Optimierung der Performance
Und auch für denjenigen, der ein bestimmtes Exposure zur impliziten Volatilität aufbauen möchte, ist eine Zusatzberechnung erforderlich. Der Anteil der realisierten Volatilität nimmt im Verlauf der Zählperiode immer weiter zu. Der Anteil der impliziten Volatilität nimmt immer weiter ab. Das bedeutet, dass das Exposure in impliziter Volatilität sich stetig verringert. Würde ein Kontraktnutzer vor Beginn der Zählperiode beispielsweise 100 Kontrakte erwerben, müsste er beim Erwerb zur Halbzeit der Zählperiode die doppelte Anzahl an Kontrakten einsetzen – mit deren Erwerb er aber gleichzeitig noch eine Position in realisierter Volatilität „erbt“. In diesem Fall dürfte es hinsichtlich der Handhabung einfacher sein, auf Instrumente auszuweichen, die ausschließlich auf der impliziten Volatilität basieren. Um die Handhabbarkeit ihrer Varianz-Futures zu verbessern, stellt die CBOE seit Dezember 2012 neuartige Kontrakte zur Verfügung. Diese werden wie OTC-Varianz-Swaps in Volatilität quotiert und in Vega-Nominalen bemessen, nach Abschluss der Transaktion aber zur Abrechnung in Varianz umgerechnet. 4.4.6.7.4 Volatilitätsoptionen Wo Futures sind, können Optionen nicht weit sein. In der Tat sind Optionen interessante Instrumente zum asymmetrischen Management des Volatilitätsrisikos. Die Bewertung solcher Optionen ist relativ unkompliziert (Grünbichler und Longstaff 1996; Rolfes und Henn 1999). Allein, es gibt kaum einen Markt dafür. Hätten die Volatilitäts-Futures sich gegen die Swap-Konkurrenz durchgesetzt, hätte sich ein interessanter Markt entwickeln können. Die Derivatebörsen lassen aber nicht locker und nehmen immer wieder neue Anläufe, um dieses Geschäft in Schwung zu bringen. So hat die CBOE ihrem etablierten VIX-Index auf die implizite 30-Tage Volatilität des S&P 500 einen hochvolatilen kleinen Bruder zur Seite gestellt. Der VXST auf die implizite Neun-Tage-Volatilität schwankt natürlich sehr viel stärker als der VIX. Da eine hohe Volatilität für bestimmte Marktteilnehmer sehr interessant ist, weil sie das Potenzial auf hohe Gewinne in sich birgt, könnten auch die erst 2014 darauf gezogenen Wochenoptionen irgendwann ihre Klientel finden. Aber zunächst spielt sich das Geschäft mit dem Volatilitätsrisiko in einem anderen Bereich ab, bei den Swaps. 4.4.6.7.5 Volatilitäts-Swaps und Varianz-Swaps Operativ einfach gestaltet sich der Handel der realisierten Volatilität über den Einsatz von Varianz-Swaps. Hier wird mit einer einzelnen Transaktion ein Spread Trade auf die Differenz zwischen realisierter und impliziter Volatilität abgeschlossen (Abschn. 4.4.2, siehe „Spread implizite/historische Volatilität“). Hintergrundinformation Wenn es darum geht zu untersuchen, ob es möglich ist, im Schnitt mit der Prämie auf die implizite Volatilität Geld zu verdienen, ist oft eine systematische Short-Position in Varianz-Swaps das Mittel der Wahl. Auf diesen Ansatz setzen mehrere Studien und kommen dabei zu einem positiven Ergebnis (Brière et al. 2010; Warren 2012).
4.4 Handel der Richtung der Volatilität
315
Außerbörsliche Volatilitäts- und Varianz-Swaps sind die dominierenden Volatilitätsderivate. Sie tauchten 1997 erstmals auf dem OTC-Markt auf und konnten sich nachfolgend als die wichtigsten Volatilitäts-Derivate etablieren. Dies gilt in besonderem Maße für Varianz-Swaps, deren richtungsweise Konstruktion später auch zur Blaupause für die bereits charakterisierten Varianz-Futures wurde. Gegenüber Volatilitäts-Futures haben die Swaps den Vorteil der erhöhten Flexibilität. So ist das Underlying nicht auf die Dreimonatsvolatilität am Geld beschränkt, sondern wird individuell ausgehandelt, sodass die gesamte Volatilitätskurve in jeder Laufzeit abgedeckt werden kann. Auch das Underlying ist uneingeschränkt. Allerdings ist die Liquidität außerhalb der großen Indizes sehr beschränkt. Ansonsten sind Varianz-Swaps denkbar einfach aufgebaut. Nur drei Variablen spielen eine Rolle: der Nominalbetrag, die StrikeVarianz, die zu Beginn des Geschäfts bestimmt wird und die realisierte Varianz über die Laufzeit des Swap. Bei einer Long-Position setzt der Anleger darauf, dass die realisierte Varianz die Strike-Varianz übersteigt: Auszahlung D Nominalbetrag .Realisierte Varianz Strike-Varianz/
(4.8)
Bei einer Short-Position setzt er auf eine geringere Varianz: Auszahlung D Nominalbetrag .Strike-Varianz Realisierte Varianz/
(4.9)
Die Marktkonvention leitet den Normalbetrag aus dem Vega ab (Bossu 2006): Varianz-Nominalbetrag D Vega-Nominalbetrag=.2 Strike-Volatilität/
(4.10)
Hintergrundinformation Mehrere Investment-Banken haben versucht, ein weiteres Derivat einzuführen, das auf die niedrigere realisierte Volatilität baut. Es handelt sich dabei um Optionen, deren Laufzeit (!) von der realisierten Volatilität abhängt. Je niedriger die Volatilität, desto länger die Laufzeit. Entgegen etwaiger Beteuerungen der Emittenten ist der Bedarf an derartigen Optionen gering. Sie seien an dieser Stelle nur der Vollständigkeit halber aufgeführt, damit der Leser Begriffe wie Timer Options oder Mileage Options einordnen kann (Sawyer 2007; Chan et al. 2007).
Es ist bereits mehrmals angeklungen, dass Varianzprodukte deshalb so beliebt sind, weil sie über einen statischen Options-Hedge abgesichert werden können. In dem Optionsportfolio müssen die verfügbaren Optionsserien invers proportional zu ihrem quadrierten Basispreis gewichtet werden (Bossu et al. 2005). Dann ergibt sich ein Gesamtvega und -gamma, das über eine ziemlich ausgedehnte Kursbandbreite des Basiswerts konstant bleibt, was besagtes Hedging erheblich erleichtert. Das Vega verändert sich dann vor allem über den Zeitablauf. Da der Schwerpunkt des Gewichts in diesem Portfolio auf Optionen am Geld liegt, bewegt sich der Swap-Satz nahe an der quadrierten impliziten Volatilität der Am-Geld-Optionen. Übrig bleibt die Sensitivität gegenüber Preisveränderungen des Underlying. Dieses Risiko kann durch dynamisches Delta-Hedging über Futures gesichert werden (Dupire 1993; Neuberger 1994; Demeterfi et al. 1999; Koo et al. 2000).
316
4
Derivate zur Optimierung der Performance
Das Optionsportfolio ist mit einer Prämie belegt, die dem Theta der Optionen entspricht. Dieses Theta lässt sich in eine Break-even-Volatilität umrechnen. Ist dann die realisierte Volatilität höher als diese Break-even-Volatilität, verdient das Optionsportfolio Geld, anderenfalls fallen Verluste an. Hintergrundinformation Die dennoch vergleichsweise simple Absicherungsstrategie funktioniert bei Volatilitäts-Swaps jedoch nicht. Hierfür ist ein Modell für die Volatilitätsentwicklung erforderlich, was die Absicherung deutlich risikoreicher und damit teurer macht. Brockhaus und Long (2000) zeigen dieses Modellrisiko auf und veranschaulichen, wie unterschiedlich der Preis eines Volatilitäts-Swap je nach verwendetem Modell ausfallen kann. Aus diesem Grund wird am Markt der Varianz-Swap präferiert. Wer sich dennoch im Volatilitätsraum bewegen will und wem andererseits das eigenhändige Aussteuern der Risiken von Volatilitäts-Swaps zu mühsam ist, kann sich an die großen InvestmentHäuser wenden, von denen zumindest manche in der Lage und willens sind, Optionen auf VolaSwaps anzubieten.
Bei sehr starken Ausschlägen im Preis des Underlying bewegt sich dieser allerdings irgendwann außerhalb des vom Optionsportfolio abgedeckten Spektrums. In diesen Grenzbereichen brechen viele quasi-konstante „Griechen“ zusammen, sodass einige optionsspezifische Risiken wieder manuell neutralisiert werden müssen. Das Problem ist bei VarianzSwaps auf Einzelaktien besonders ausgeprägt. Da in diesem Segment Optionen weit im und aus dem Geld mitunter extrem illiquide sind, haben viele Händler ihre Hedge-Portfolios auf Optionsserien mit Basispreisen zwischen 70 % und 130 % des aktuellen Aktienkurses beschränkt. In Zeiten der Finanzmarktkrise post Lehman waren Kursbewegungen außerhalb dieser Spanne nicht selten. So waren einige Händler schon recht bald gezwungen, Puts nachzukaufen, um ihre Portfolios wieder ins Lot zu bringen. Da diese Puts in einem fallenden Markt und bei steigender impliziter Volatilität sehr teuer wurden, kam es in einigen Häusern zu hohen Verlusten (Pengelly 2009). Auch verliert die Absicherung gegen Laufzeitende der Optionen an Präzision. Die verwendeten Optionsserien sind mit gleichmäßigen Abständen zwischen den Basispreisen ausgestattet. Je näher der Verfall rückt, desto mehr „schrumpft“ die Bewegungsspanne des Underlying. Relativ, betrachtet über die Standardabweichung der Renditen, wird dadurch der Abstand zwischen den Basispreisen immer größer. Die Bewertung von Varianz-Futures hat eine Besonderheit. Der Grund dafür liegt im ehernen Gesetz der Finanzmärkte begründet, wonach es nichts umsonst gibt. Und so ist auch die oben beschriebene Konvexität preisrelevant, schließlich begünstigt sie einseitig den Käufer des Kontrakts zu Ungunsten des Verkäufers. Dieser systematische Nachteil aus Sicht des Verkäufers wird ausgeglichen, indem der Kaufpreis adäquat verteuert wird. Um zum fairen Kaufpreis zu gelangen, wird das Replikationsportfolio herangezogen. Dadurch dass hier Optionen über das komplette Basispreisspektrum einbezogen werden, gehen deren unterschiedlich hohen impliziten Volatilitäten in Form der Skew in die Berechnung ein. Der faire Basispreis eines Varianz-Swap in Volapunkten lässt sich über eine Daumenregel wie folgt annähern, wenn man einen linearen und nicht zu steilen Skew-Verlauf
4.4 Handel der Richtung der Volatilität
317
unterstellt (Demeterfi et al. 1999). q Strike ¢ATMF .1 C 3 T Skew2 /
(4.11)
mit ¢ ATMF T
= Volatilität at-the-money-forward = Laufzeit in Jahren
Wenn beispielsweise die Terminvolatilität bei 20 % liegt, die Laufzeit fünf Jahre beträgt und der 90–100 Skew 2 Vegas ausmacht, liegt der faire Basispreis eines Varianz-Swap bei 25,3 %. Das an sich relativ moderate Volatilitätsgefälle über die Basispreise führt über die lange Laufzeit von fünf Jahren doch zu einer recht hohen Anpassung des Basispreises gegenüber dem Terminpreis. Dies bestätigt die Faustregel, dass bei nicht steilem Skew der faire Basispreis etwa bei der impliziten Volatilität eines zehn Prozent aus dem Geld liegenden Put notiert. 4.4.6.7.6 Forward Variance Swaps I Definition Das Auszahlungsprofil eines Forward Variance Swap hängt von der Entwicklung des Varianz-Swap-Satzes ab, da das Instrument die Differenz abbildet zwischen einem vorher vereinbarten Swap-Satz, zu dem in der Zukunft ein Varianz-Swap abgeschlossen werden kann, und dem tatsächlichen Swap-Satz bei Verfall des Kontrakts. Konstruiert wird ein Forward Variance Swap als Umverpackung zweier gewöhnlicher Varianz-Swaps. Dabei macht man sich zunutze, dass man Varianz, im Gegensatz zur Volatilität, einfach aufaddieren kann. Zum Beispiel erhält man über den Kauf eines zweijährigen bei gleichzeitigem Verkauf eines einjährigen Varianz-Swaps netto eine Wette auf die implizite Einjahres-Forward-Volatilität in einem Jahr. Anders ausgedrückt, hat man, ähnlich wie im Zinsmanagement, eine Position auf die Veränderung der Volatilitätsstrukturkurve aufgesetzt. Beispiel
Handelt die implizite Zweijahresvolatilität bei 20 % und die implizite Einjahres-Volatilität bei 19 %, kauft man sich als Basisvolatilität näherungsweise 2 20 % 1 19 % D 21 %.
4.4.6.8 Entscheidungskriterien Will ein Investor im Bereich der Volatilität Positionen eingehen, stehen ihm also eine ganze Batterie unterschiedlicher Umsetzungsvehikel zur Verfügung. Wie findet er nun das für ihn passende?
318
4
Derivate zur Optimierung der Performance
Zunächst einmal gilt es sich klar darüber zu werden, ob er auf die realisierte oder die implizite Volatilität setzen möchte. Im Verlauf dieses Themas haben wir bereits gesehen, dass implizite und realisierte Volatilität zusammenhängen, aber nicht deckungsgleich sind. Ein Investor muss sich entweder eine Meinung darüber bilden, wie volatil der Markt tatsächlich sein wird (realisierte Volatilität) oder darüber, was die Gemeinschaft der Marktteilnehmer hinsichtlich der kommenden Volatilität erwartet und wie teuer diese in der Produktion sein wird (implizite Volatilität). Die realisierte Volatilität setzt sich zusammen aus dem Wert jedes einzelnen Handelstages und ergibt so Stück für Stück am Ende einen Sammelwert. Der Preis eines Varianz-Future drückt bei Verfall genau diesen zusammengetragenen Wert aus. Metaphorisch ist das Ergebnis ein Film über die Entwicklung der Risikolage im Markt. Die implizite Volatilität hingegen ist ein Schnappschuss und fängt die aktuelle Schwankungserwartung des Marktes ein. Für den Ertrag aus einem Implizite-Volatilitätsprodukt ist relevant, ob die implizite Volatilität zum Zeitpunkt des Verkaufs höher stand als zum Kaufzeitpunkt. Wie sich die Volatilität oder die Erwartung über die Volatilität eine Woche vor Verkauf dargestellt hat, ist für die Abrechnung vollkommen irrelevant. In der Portfoliomanagementpraxis ist diese Unterscheidung besonders dann zu beachten, wenn Volatilitätskontrakte zur Absicherung eingesetzt werden. Brenzlig kann es beispielsweise werden, wenn sich der Aktienmarkt über elf Wochen innerhalb enger Bandbreiten bewegt, in der letzten Woche dann aber crasht und die Volatilität anspringt. Jemand der Varianz-Futures zu Absicherung eingesetzt hatte, bekommt nur eine bescheidene Auszahlung, da die zeitgewichtete Varianz niedrig ausfällt. Möglicherweise wird er aus seinem Hedge sogar Geld verlieren, obwohl die Volatilität genau zu dem Zeitpunkt, als er sie benötigte, angezogen hat. In diesem Fall wäre der Einsatz eines Kontrakts auf die implizite Volatilität die deutlich bessere Wahl gewesen. Ungeachtet der Vorgeschichte mit niedriger Volatilität in der jüngeren Vergangenheit hätte er am Ende der Laufzeit auf die gegenwärtig hohe implizite Volatilität ausgezahlt. Nach dieser grundlegenden Entscheidung, in welcher Volatilität man sich engagieren will, gibt es eine Vielzahl weiterer Abwägungen zu treffen. Diese unterscheiden sich jedoch nicht wesentlich zu jenen, die man auch für andere Derivate treffen muss und die insbesondere in Abschn. 3.1 ausführlich dargestellt sind. Hauptknackpunkt ist die Wahl des Underlying, was sich aber in diesem Fall nicht nur auf den zugrundeliegenden Markt oder Einzeltitel beschränkt, sondern auch auf den Punkt auf der Volatilitätsstrukturkurve bzw. der Zeitraum, über den sich die Berechnung der Volatilität erstreckt sowie die Art, wie genau diese Berechnung erfolgt. Aus der Beschreibung der einzelnen Instrumente in den vorigen Kapiteln ist ersichtlich, dass bereits die standardisierten Kontrakte eine beträchtliche Vielfalt an den Tag legen. Und im OTC-Bereich gibt es ja fast nichts, was man nicht darstellen könnte. An dieser Stelle kann nur der Rat folgen, den man gar nicht oft genug wiederholen kann: Der Anleger sollte sich eine dezidierte Meinung zu seinem Prognosegegenstand bilden und sich erst dann ein Produkt anschaffen oder maßschneidern lassen, dass genau diese Vorgaben erfüllt. Er kommt zwar auch bei diesem Vorgehen nicht darum herum,
4.4 Handel der Richtung der Volatilität
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das Produkt zu verstehen. Allerdings fällt dies allemal leichter als wenn er von einem Vertriebsmitarbeiter auf ein bereits bestehendes Produkt angesprochen wird. In diesem Fall muss er es zunächst verstehen, um sich dann auszumalen, was es für Eigenschaften hat und wie es sich in unterschiedlichsten Szenarien verhält, um abschließend in sich zu gehen, um zu überlegen, ob denn eines der Szenarien, die zu einem positiven Ertrag aus dem Produkt führen, seine eigene Markterwartung ist.
4.4.7 Korrelationshandel Auch die in Indexoptionen implizite Korrelation kann gehandelt werden (Abschn. 7.2.9) Geht die Korrelation zwischen den Mitgliedern eines Index zurück, führt dies zu einem Rückgang der Indexvolatilität relativ zur Durchschnittsvolatilität der Einzelaktien. Anders ausgedrückt: Die Dispersion, der Aufschlag der durchschnittlichen Aktienvolatilität gegenüber der Indexvolatilität (Abschn. 3.1.1, siehe „Vertiefung: Einzelner Kontrakt oder Kontraktportfolio?“), wird größer. Demzufolge sähe ein profitables Geschäft so aus, dass man die Indexvolatilität verkaufen und die Volatilität der Einzelaktien kaufen müsste. Ein solches Geschäft kann sowohl statisch als auch dynamisch aufgesetzt werden: Statisch Long Aktienvolatilität durch den Kauf von Am-Geld-Straddles auf sämtliche oder eine repräsentative Auswahl von Einzelaktien Short Indexvolatilität durch den Verkauf von Am-Geld-Straddles auf den Index oder Verkauf von Swaps auf die Indexvarianz Dynamisch Die Long-Position in Aktienvolatilität kann auch durch den Kauf von Optionen, Calls oder Puts dargestellt werden. Da diese Position aber nicht deltaneutral ist, mithin also nicht nur Volatilitäts-, sondern auch Markt-Exposure enthält, muss das AktiendeltaExposure dynamisch gehedged werden (Abschn. 2.4.5.1 und 3.4.1). In gleicher Weise kann die Short-Position in Indexvolatilität dargestellt werden. Natürlich kann auch die eine Seite des Geschäfts statisch, die andere dynamisch aufgesetzt werden. War die Einschätzung zur Entwicklung der Dispersion korrekt, wird die kombinierte Position einen Gewinn abwerfen. Rein hypothetisch könnten sich beispielsweise die Hälfte aller Aktien eines Index positiv, die andere Hälfte negativ entwickeln. Die Bewegung des Index wird dadurch recht gedämpft ausfallen, da sich die Kurseffekte der Einzeltitel weitgehend neutralisieren. Der Short Straddle auf den Index hat also gute Chancen, wertlos oder mit nur einem kleinen Verlust zu verfallen. Auf der Einzeltitelebene können die
320
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Derivate zur Optimierung der Performance
Ausschläge nach oben und unten jedoch recht kräftig ausfallen, sodass einige der gekauften Einzeloptionen (weit) ins Geld laufen können und damit die kleine Minusposition im Indexteil überkompensieren. Um die Komplexität des Geschäfts zu reduzieren, empfiehlt es sich, nicht in allen Einzeltiteloptionen eine Position einzugehen, sondern eine bewusste Auswahl zu treffen. Ohnehin ist es in der Praxis oft nicht möglich, sämtliche Titel in der erforderlichen Größenordnung zu handeln, weil die geringer kapitalisierten Werte nicht die nötige Liquidität aufweisen. Am einfachsten zieht man dazu die Titel mit dem höchsten Gewicht im Index heran. Dadurch erreicht man bereits mit wenigen Aktien einen niedrigen Tracking Error zum Index (Gl. 3.28). Außerdem ist die Liquidität in diesen Titeln am höchsten, was zu deutlich niedrigeren Transaktionskosten führt. Für diese Art der Konstruktion hat sich auch die Chicagoer Terminbörse CBOE entschieden, als sie 2009 ihren Index auf die implizite Korrelation des S&P 500 ins Leben rief. Die 500 Komponenten des S&P 500 werden durch die 50 größten Titel approximiert. Am Verlauf ist gut erkennbar, dass bei stärkeren Rückgängen des Aktienmarkts die Volatilität ansteigt, zu der die zunehmende Korrelation ihren Teil beiträgt (Abb. 4.28). Etwas aufwändiger ist die Zusammenstellung eines Indexportfolios mittels einer quantitativen Tracking Error-Reduzierung unter Einsatz eines Optimierers. Je nach Ansatz kann dabei zum Beispiel eine reine Zeitreihen- oder eine komplexere Faktoroptimierung stattfinden. Erstere verwendet lediglich die realisierten Kursverläufe der Indexkonstituen2300
80
60
S&P 500 Indexstand
2100
50 2000 40 1900 30
1800 20
1700
10
0 24. Nov. 14 9-Dec-14 23-Dec-14 8. Jan. 15 23. Jan. 15 6. Feb. 15 23. Feb. 15 9-Mar-15 23-Mar-15 7. Apr. 15 21. Apr. 15 5-May-15 19-May-15 3. Jun. 15 17. Jun. 15 1. Jul. 15 16. Jul. 15 30. Jul. 15 13. Aug. 15 27. Aug. 15 11. Sep. 15 25. Sep. 15 9-Oct-15 23-Oct-15 6. Nov. 15 20. Nov. 15 7-Dec-15 21-Dec-15 6. Jan. 16 21. Jan. 16 4. Feb. 16 19. Feb. 16 04-Mar-16 18-Mar-16 4. Apr. 16 18. Apr. 16 02-May-16 16-May-16 31-May-16 14. Jun. 16 28. Jun. 16 13. Jul. 16 27. Jul. 16 10. Aug. 16 24. Aug. 16 8. Sep. 16 22. Sep. 16 06-Oct-16
1600
S&P500 (links)
VIX (rechts)
Implizite Korrelaon (rechts)
Abb. 4.28 S&P 500, VIX und implizite Korrelation. (Quelle: CBOE; eigene Darstellung)
Niveau VIX und implizite Korrelaon
70
2200
4.5 Kostensenkung
321
ten und stellt das Portfolio so zusammen, dass die gewichteten Kursverläufe der Einzelwerte in der Vergangenheit möglichst genau den Indexverlauf nachzeichneten. Letztere untersucht, welche Risikofaktoren auf die einzelnen Aktien wirken und sorgt für eine Mischung der Risikofaktoren, die möglichst genau das Risikoprofil des Index widerspiegelt. In jedem Fall sollte man bei der Zusammenstellung des indexreplizierenden Portfolios auch die implizite Volatilität der zur Auswahl stehenden Titel berücksichtigen. In obigem Beispiel sollte diese auf die Einzelaktien möglichst niedrig mit Aussicht auf einen Anstieg sein. Diese Bedingung kann dazu führen, dass doch Optionen auf den einen oder anderen kleineren Wert mit vielversprechenden Volatilitätswerten aufgenommen werden und ein Schwergewicht reduziert wird oder gegebenenfalls vollständig weichen muss. Der Nachteil einer nur teilweisen Abbildung des Index besteht darin, dass sie den Tracking Error von praktisch null spürbar erhöht. Dadurch kommt einzelwertspezifisches Risiko und mithin Richtungs-Exposure (Delta) ins Spiel. Dieses Delta muss dann wiederum dynamisch neutralisiert werden. Die wahrscheinlich erfolgversprechendste Methode, sein Wissen um die Korrelationszusammenhänge und Hedge-Möglichkeiten gewinnbringend einzusetzen, besteht darin, strukturierte Produkte zu entwickeln, in denen die Korrelation eine wesentliche Preiskomponente bildet. Bis die Konkurrenten ebenfalls das Wissen erworben haben, wie die Produkte zu bewerten und zu hedgen sind, hat man sich einen temporären Wettbewerbsvorteil geschaffen, der es erlaubt, hohe Margen abzuschöpfen und gegebenenfalls sogar die Risiken auf dem eigenen Buch zu reduzieren. Selbst wenn Konkurrenten gleichgezogen haben, sind Korrelationsprodukte dennoch ein potenziell ertragsstarker Zweig. So lange sie für Kunden einen subjektiven Mehrwert bieten, der Kundennutzen höher ist als der Preis, werden sie diese Produkte abnehmen. Die komplexe Struktur und Bepreisung verhindert, dass sie zu der Erkenntnis gelangen, dass sie diesen Kundennutzen auch für einen mitunter deutlich niedrigeren Preis hätten erhalten können. Aber dieses Geschäftsmodell befindet sich ohnehin außerhalb des Betätigungsraums eines Portfoliomanagers. Hintergrundinformation Auch im Rentenbereich wird die Korrelation gehandelt. Dort wird der Spread zwischen einem CDS Index und den CDS-Kontrakten seiner Konstituenten – der in der Branche als Skew bezeichnet wird, jedoch nichts mit dem Options-Skew (Abschn. 7.2.6) zu tun hat – mit einem Hebel von bis zu 50 versehen und verpackt (Woodall 2016b). Um das daraus resultierende, hohe Schwankungsrisiko abzufedern, versuchen Emittenten, diese als Schuldscheindarlehen zu emittieren, da diese nicht zu Marktkursen bewertet werden müssen. Allerdings ist nicht klar, ob dieses Produkt überhaupt in dieser Weise verpackt werden darf.
4.5
Kostensenkung
Die wahrscheinlich einfachste Art, die Performance zu steigern, besteht darin, Kosten zu sparen. Insbesondere die Terminbörsen stellen immer wieder heraus, dass die Umsetzung von Transaktionen mittels Derivaten geeignet ist, die mit der Umstrukturierung von Port-
322
4
Derivate zur Optimierung der Performance
folios erzeugten Kosten oftmals auf einen Bruchteil der Kosten im Kassamarkt zu drücken. In der Tat ist die Reduktion der Transaktionskosten vermutlich eines der größten Verdienste, die die Derivate dem Finanzmarkt erwiesen haben. Silber (1985) spricht hier gar von einem Demokratisierungsprozess: Futures Märkte bringen die niedrigen Transaktionskosten der [Interbanken] Händler zum Rest der Finanzgemeinde. [. . . ] Diese „Demokratisierung effizienter Transaktionsdienste“ liegt einem Großteil des Erfolgs von Finanz-Futures zugrunde.
Allerdings ist die Finanzwelt hinsichtlich der aktuellen Möglichkeit, durch den Einsatz von Derivaten Transaktionskosten zu sparen, längst nicht so eindeutig schwarz und weiß. Zum einen gibt es deutliche Unterschiede in den Kosten von Derivaten und Wertpapieren zwischen den einzelnen Asset-Klassen und Ländern. Aufgrund der höheren Unterhaltskosten für Derivate spielt außerdem die Haltedauer der Position eine entscheidende Rolle. Darüber hinaus unterliegen sämtliche Kostenstrukturen einem permanenten Wandel. Ganz abgesehen von neuen Handelsplätzen und -fazilitäten spielt das konkrete zu handelnde Portfolio eine entscheidende Rolle. Das gilt jedoch nicht nur für den Kassamarkt. So existieren beispielsweise auch Block-Handels-Fazilitäten für Futures (der Handel mit einem Broker auf der Basis von sogenannten Risikopreisen), bei denen die Geld-Brief-Spanne für größere Future-Transaktionen niedriger ausfällt als die Markteinwirkung beim direkten Handel an der Börse. Dabei müssen jedoch größere Mindestvolumina im Bereich von wenigen Hundert Kontrakten im OAT- und BTP-Future bis hin zu wenigen Tausend im Bund Future bewegt werden. Die wohl umfangreichste Analyse der Kosten von Derivaten und Wertpapieren weltweit haben Harris und Smith (1999) durchgeführt. Die Ergebnisse stimmen in der Größenordnung der Relation zwischen Kassa- und Future-Kosten mit anderen Studien überein, zum Beispiel mit First Quadrant (1996). Hintergrundinformation Derivate werden häufig genutzt, um dezidiert die Wertentwicklung eines Index so präzise wie möglich abzubilden. Da hier, auch was die Kosten angeht, mit besonders spitzem Bleistift gerechnet wird, lohnt sich auch ein Blick in Abschn. 5.4 (siehe „Synthetische Indexierung“).
Gliedert man die Kosten für einen Round-Trip (Eingehen einer Position und die spätere Auflösung) im lokalen Aktienmarkt in die einzelnen Komponenten auf, gibt dies eine erste Vorstellung darüber, warum Derivate für kurzfristig ausgelegte Positionen einen Kostenvorteil aufweisen können (Tab. 4.2). Dabei handelt es sich um die Hauptkostenblöcke. Finanzierungskosten o. Ä. werden nicht berücksichtigt. Zum einen fehlt die Kostenkomponente Steuern. Während bei Kassageschäften in einigen Ländern Transaktionssteuern anfallen, existieren derartige Belastungen für Futures nicht. Prominentestes Beispiel ist England. Aktienkäufe werden mit einer Stempelsteuer in Höhe von 0,50 % belegt. Auch hat Frankreich im Jahr 2012 eine Finanztransaktionssteuer auf eine Reihe von Aktien eingeführt. Der Steuersatz betrug 0,2 % und wurde 2017
4.5 Kostensenkung
323
Tab. 4.2 Transaktionskostenkomponenten Kassamarkt Provision Steuer Geld-Brief Spanne Markteinwirkung
Futures Provision Geld-Brief Spanne Markteinwirkung
auf 0,3 % erhöht. Japan begünstigt ebenfalls über die Transaktionssteuer den Terminmarkt. In solchen Fällen bietet es sich an, die Transaktion über Derivate, beispielsweise über Single Stock Futures, umzusetzen. Hausinterne Beispielrechnungen quantifizieren die Einsparungen mit 60 bzw. 28 Basispunkten je Geschäft. Das ist nicht nur prozentual eine Menge Holz. Auch die absoluten Beträge, die den Anlegern hier verlorengehen, sind immens. Kein Wunder also, dass der Weg über die Derivate auch entsprechend häufig beschritten wird. Schon in den ersten Wochen und Monaten nach der Einführung der Steuern kam es zu nachweisbaren Ausweichbewegungen (chs 2012; Newton 2012; zum Thema Steuern bei Derivaten vgl. auch Abschn. 4.6, insbesondere Abschn. 4.6.2.1.2). Auch die Gebühren sprechen eine deutliche Sprache. Während man beispielsweise für Transaktionen in deutschen Aktien als gute Faustregel maximal 0,2 % ansetzen kann, schlägt ein DAX- oder Euro STOXX 50-Future mit einem niedrigen einstelligen Eurobetrag zu Buche, was, je nach Indexstand, einem Bruchteil eines Basispunkts entspricht. Außerdem fallen die Belastungsfaktoren Geld-Brief Spanne und Markteinwirkung deutlich zugunsten der Future aus. Prominentes Beispiel, das auch in anderen Studien in der Größenordnung bestätigt wird, ist die Geld-Brief Spanne. Hier kommen zum Beispiel auch Miller und Roberts (2000) auf Relationen zwischen 2:1 (Niederlande) und 25:1 (Japan). Goldman Sachs (1999) sehen ein durchschnittliches Verhältnis von 7:1. BlackRock (2016) schätzen eine Relation von 2:1 zwischen S&P 500-Futures und ETFs. Abb. 4.29 zeigt die Relation der Round-Trip Kosten zwischen Aktien und Futures für die wichtigsten Aktienmärkte. Insbesondere in England ist der Einfluss der Stempelsteuer klar ersichtlich. Daher sind hier Futures im Verhältnis zu Aktien am günstigsten. Dass die Derivatebörsen den Kostenvorteil ihrer Produkte nicht gerade mit Understatement herausstellen, zeigte jedoch die LIFFE (1995, S. 34) in einer ihrer Produktbroschüren. Während Harris und Smith den Kostenvorteil der Futures auf 9,2:1 beziffern, kam die Londoner Terminbörse auf sagenhafte 18:1. Aufgrund hoher Geld-Brief Spannen sind Futures in Kanada am teuersten und bieten lediglich einen Kostenvorteil von 2,3:1. Für eine kurzfristige „Rein-raus-Position“ im Aktienmarkt bieten Futures einen klaren Kostenvorteil. Zieht man jedoch längere Anlageperioden heran, ändert sich das Bild. Abb. 4.30 zeigt die Transaktionskosten, die in einem durchschnittlichen international ausgerichteten Aktienportfolio in einem Jahr anfallen. Dies ist vor allem auf zwei Faktoren zurückzuführen. Einerseits haben Futures nur eine begrenzte Lebensdauer und müssen regelmäßig übergerollt werden. Damit fallen die Transaktionskosten für einen Round-Trip mehrmals jährlich an. Beispielsweise stellt sich
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4
Derivate zur Optimierung der Performance
10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 Deutschland
U.S.A.
Frankreich
Kanada
Japan
Schweiz
UK
Abb. 4.29 Verhältnis Round-Trip Kosten Kassa versus Future. (Quelle: Harris und Smith 1999; eigene Berechnungen)
3,5
3,0
2,5
2,0
1,5
1,0
0,5
0,0
Abb. 4.30 Relation der Kosten p. a. Kassa versus Future (Aktien). (Quelle: Harris und Smith 1999; eigene Berechnungen)
4.5 Kostensenkung
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der französische Future-Markt ziemlich schlecht, da hier monatliche Roll-overs eingerechnet werden (Abschn. 3.5.6). Andererseits müssen die regelmäßigen Roll-overs nicht unbedingt Kosten generieren. Durch geschicktes Ausnutzen des Calender Spreads zwischen dem Kontrakt mit der nächsten und übernächsten Fälligkeit lassen sich mitunter auch positive Performance-Beiträge erzielen. So zeigen Hu et al. (2001), dass im Jahr 2000 in einigen asiatischen Kontrakten für Anleger, die Long-Positionen rollen mussten, sogar Prämien zu erzielen waren. Ebenso gab es Märkte, die für Short Rolls vorteilhaft waren. So gelingt es Portfoliomanagern, die sich auf Indexportfolios spezialisiert haben, deren Exposure über Long Futures-Positionen dargestellt wird, durch geschicktes Agieren aus dem Roll zumindest einen Teil der Verwaltungsvergütung zu verdienen. Dies geschieht in der Regel in den letzten beiden Wochen vor Verfall des gehaltenen Kontrakts, wenn sich die Liquidität in diesen Kontrakten einstellt. Auch kommt es in diesen Phasen, in denen zum Teil bis zu 80 % des Volumens aus Roll-over-Transaktionen herrührt, immer wieder zu markanten Bewegungen, die zum Teil von Spekulationen auf vermeintlich oder tatsächlich im Markt vorhandene Squeezes ausgelöst werden. I Definition Ein Squeeze beschreibt eine Konstellation, in der es auf der Angebotsoder Nachfrageseite einen beträchtlichen Überhang gibt. Sind die Teilnehmer auf der Überhangseite gezwungen, ihre Positionen einzudecken, zum Beispiel weil sie gegen sie laufen, kommt es zu einem Squeeze, einem „Gequetsche“. Außerdem lassen sich im Bestand befindliche Aktien verleihen. Die damit eingenommenen Leiheerträge bessern die Kostenseite des Kassamarktes spürbar auf. Wenn auch einige Future-Märkte bei der einjährigen Betrachtung schlechter abschneiden als der Kassamarkt, bleiben dennoch in vielen Ländern die Kostenvorteile der Derivate erhalten, wenn auch in geringerem Umfang. Aufgrund all dieser Berechnungen wird klar, dass man den relativen Vorteil von Futures gegenüber dem Kassamarkt sehr differenziert betrachten muss. Diese Forderung verstärkt sich, wenn man neben dem Aktien- auch den Rentenmarkt beobachtet (Abb. 4.31). Hier kommen Harris und Smith zu dem Schluss, dass auf einen einjährigen Horizont die Anleihen gegenüber den Futures über alle Länder hinweg im Vorteil sind. Leider gliedern sie ihre Berechnungen nicht in derselben Tiefe auf, wie sie dies im Aktienmarkt tun, sodass nicht ersichtlich ist, auf welche Einzelposten diese Umkehr der Verhältnisse zurückzuführen ist. Sicherlich bestehen Einschränkungen hinsichtlich der Verallgemeinerung der dargestellten Ergebnisse. Auch in diesem Fall lohnt es sich, über das Kleingedruckte im Bilde zu sein und die getroffenen Annahmen zu kennen. Beispielsweise ist die Studie aus Sicht eines US-amerikanischen Investors aufgesetzt, sodass die Ergebnisse nicht direkt auf einen deutschen Anleger übertragen werden können. Dies wird besonders deutlich, wenn man auf die steuerinduzierten Kostenbestandteile abstellt. In diesem Zusammenhang kommt selbstverständlich auch der Rechtsform des Anlegers eine hohe Bedeutung zu. Darüber hinaus spielen genaues Profil und Größe des Portfolios eine entscheidende Rolle, die das
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4
Derivate zur Optimierung der Performance
0,7
0,6
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
0,0
Abb. 4.31 Relation der Kosten p. a. Kassa versus Future (Renten). (Quelle: Harris und Smith 1999; eigene Berechnungen)
Ergebnis stark beeinflusst. Da die Kosten nicht linear zu der Größe des bewegten Volumens ansteigen, verschieben sich die Kostenrelationen für Portfolios unterschiedlicher Größe (vgl. auch die Ausführungen zur Marktstruktur und Themen wie Dark Pools in Abschn. 7.2.2.4 und die Beschreibung der Auswirkung regulatorischer Änderungen wie der Volcker Rule auf die Möglichkeit zur Arbitrage in Abschn. 4.1.1). Zusammenfassend kann man dennoch festhalten, dass Derivate das Potenzial haben, dem Portfoliomanager beträchtliche Kostenvorteile zu verschaffen. Dies gilt jedoch nicht für alle Märkte und ist darüber hinaus abhängig von der Art und Größe der Position, die eingegangen wird. Insbesondere bei Positionen, die über einen längeren Zeitraum hinweg gehalten werden sollen und bei eher größeren Ordertickets ist der Portfoliomanager aufgefordert, die Art der Umsetzung in jedem Einzelfall auf Transaktionskosteneffizienz hin zu überprüfen. Insofern eröffnen Derivate dem Portfoliomanager in der Tat einen größeren Handlungsspielraum im Rahmen der Verbesserung der Performance. Erweist es sich als preisgünstiger, eine Idee über den Kassamarkt umzusetzen, kann er dies wie gewohnt ohne Vor- oder Nachteile tun. Stellen Derivate jedoch das günstigere Umsetzungsvehikel dar, kann er sich eben diesen Kostenvorteil zunutze machen. Hintergrundinformation Dieses Kapitel war in seinen Beispielen sehr stark auf Futures fokussiert. Unter Transaktionskostengesichtspunkten können Optionen den Futures auch schlichtweg nicht das Wasser reichen.
4.5 Kostensenkung
327
Allerdings gibt es durchaus auch Wege, um mittels des Einsatzes von Optionen Transaktionen zu vorteilhafteren Konditionen zu erzielen. Ein Beispiel hierfür findet sich in Abschn. 7.7. Vor allem dadurch, dass das OTC-Produkt „Swap“ zunehmend reguliert wird, sind die Transaktionskosten im Rentenbereich bei Futures niedriger als bei Swaps (Awad und McPartland 2015).
4.5.1
Nach-Kosten Alpha
Das simple Einsparen von Transaktionskosten zieht noch einen weiteren, komplexeren Vorteil nach sich. Die Absenkung der Break-even-Schwelle erlaubt es dem Portfoliomanager, mehr gewinnbringende Ideen auch tatsächlich umzusetzen. Möchte ein Aktienportfoliomanager eine Position implementieren, von der er sich einen Zusatzertrag von 0,50 % verspricht, von der er dann aber feststellt, dass er dafür mehr als ein Prozent an Transaktionskosten ausgeben muss, verabschiedet er sich sicherlich schnell wieder von dieser Idee. Sollten jedoch nur 0,1 % an Transaktionskosten via Futures anfallen, bliebe auch nach Kosten noch ein positiver Ertrag für das Portfolio hängen. Dies spielt für die gesamte Leistung des Portfoliomanagers eine sehr wichtige Rolle. Die Güte eines Portfoliomanagers lässt sich anhand der Information Ratio beziffern. Sie misst das Verhältnis aus aktiver Rendite (Rendite, die nicht aus der Benchmark-Rendite stammt) und Tracking Error (Standardabweichung der Renditedifferenz zwischen Portfolio und Benchmark): IR D ˛=TE: (4.12) Aus dieser Gleichung wird klar, dass im Vergleich zweier gleich guter Portfoliomanager derjenige besser abschneiden wird, der in der Lage ist, sein Alpha durch Transaktionskosten am wenigsten schmälern zu lassen. Man kann die Information Ratio auch mittels einer anderen Gleichung approximieren, die Richard Grinold und Ron Kahn (1995) als die „Fundamental Law of Active Management“ entwickelt haben. Dabei ergibt sich die Information Ratio aus der Befähigung des Portfoliomanagers, korrekte Prognosen zu treffen (IC = Information Coefficient = Zusammenhang zwischen Prognose und tatsächlichem Eintreffen der Prognose) und der Anzahl der aktiven Positionen, die eingegangen werden (BR = Breadth): IR D IC
p BR:
(4.13)
Bei niedrigeren Transaktionskosten können mehr profitable Positionen BR eingegangen und so bei gleicher Prognosegüte die Information Ratio gesteigert werden. Beim Markt-Timing ergibt sich ein weiterer Nachteil, wenn dieses über Aktien statt über Index-Futures umgesetzt wird. Grinold und Kahn (1995, Chap. 15, Technical Appendix) führen aus, dass selbst bei niedriger Risikoaversion das Residualrisiko einer Aktienstrategie einen Großteil des erwarteten Zusatznutzens zunichtemachen kann. Bei der Umsetzung von Markt-Timing über Index-Futures wird die Risikoquelle Residualrisiko vermieden. Damit bleibt der Nutzen des Markt-Timings vollumfänglich erhalten.
328
4.5.2
4
Derivate zur Optimierung der Performance
Exchange for Physical
Manche Investoren empfinden es als Nachteil, dass Aktienindex-Futures in Cash beliefert werden. Der eine oder andere scheut den Aufwand, die Future-Position in die Aktienposition umwandeln zu müssen, im Falle dass er doch mit den Einzelaktien im Portfolio weiterarbeiten möchte. Hier werden jedoch etablierte Prozesse wie das Exchange for Physical (EFP) angeboten, mit denen Future-Positionen bequem in entsprechende Einzeltitel überführt werden können (Savage et al. 1998). Nachbörslich wird einfach der Future in einen Aktienkorb getauscht. Die Markteinwirkung wird zwar reduziert. Allerdings sind die Kosten höher als bei einem Roll-over des bestehenden Kontrakts. Darüber hinaus erzielt man keine zeitliche Streckung der Aktienkäufe, wie man sie realisieren könnte, wenn man das Kassaportfolio sorgfältig im Zeitverlauf bestücken würde. Diese Variante hat jedoch den Nachteil, dass man, wenn man die Future-Position Zug um Zug schließt, zwar das Markt-Exposure konstant halten kann, die bereits angeschafften Einzelaktien jedoch eine deutliche Übergewichtung und damit einzelwertspezifisches Abweichungsrisiko darstellen.
4.6 Optimierung der Nachsteuer-Performance Dieser Abschnitt analysiert derivatebasierte Strukturen, die zu bestimmten steuerlichen Ergebnissen – gewollten wie ungewollten – führen könnten. Das letztendliche Ergebnis hängt von den spezifischen steuerlichen Rahmenbedingungen des einzelnen Anlegers in der jeweiligen Steuerumgebung ab. Die Ausführungen erheben nicht den Anspruch, Rat hinsichtlich der steuerlichen Themen zu geben, die hier vorgestellt werden. Die einzelnen Beispiele dienen lediglich der Illustration. Bei der hohen Geschwindigkeit, mit der weltweit neue Steuervorschriften erlassen oder alte geändert werden, ist es nicht unwahrscheinlich, dass sich die Vorschriften innerhalb einer Auflage dieses Buches mehrmals ändern. Der einzelne Anleger sollte in jedem Fall unabhängige Beratung durch einen Steuerexperten einholen, bevor er eine der hier vorgestellten Positionen eingeht. Für einen gut ausgebildeten Portfoliomanager macht es wenig Unterschied, ob er ein bestimmtes Risikoprofil direkt über das Underlying oder indirekt über eine Derivatekonstruktion herstellt. Ein identisches Risikoprofil wird letztlich zu einem identischen wirtschaftlichen Ergebnis führen. So wird er sich für die Variante entscheiden, die aus operativen Gründen heraus Vorteile für die Performance des Portfolios bietet oder, bei gleicher Performance-Wirkung, ihm eine effizientere Umsetzung seiner Anlageideen ermöglicht. In genauer Kenntnis der steuerlichen Rahmenbedingungen seines Mandats kann er jedoch auch die steuerlichen Aspekte seiner Entscheidung berücksichtigen. Oftmals unterliegen eine Wertpapiertransaktion und ihr synthetisches Pendant unterschiedlichen steuerlichen Behandlungen. Bei gleichen wirtschaftlichen Kosten wird der Portfoliomanager den Weg wählen, der die Nachsteuer-Performance maximiert. Dies kann sogar dazu führen, dass die vor Steuern suboptimale Struktur sich nach Steuern als die überlegene
4.6 Optimierung der Nachsteuer-Performance
329
erweist (einen sehr guten Einblick in die Steuerproblematik aus Sicht eines Portfoliomanagers gibt Borgmann 2002). Aus diesem Grund muss vor der Erstinvestition für den Portfoliomanager klar sein, ob sein Auftrag sich auf eine möglichst hohe (risikoadjustierte) Vor- oder NachsteuerPerformance bezieht. In der gehobenen, individuellen Vermögensverwaltung spielt das Nachsteuerergebnis eine wichtige Rolle. Aus den hohen Steuersätzen in dieser Anlegergruppe erwächst ein starker Anreiz, unnötige steuerliche Belastungen zu vermeiden. Derivate können in den dafür entwickelten Konstruktionen eine Rolle spielen. Joseph Stiglitz (2012, S. 112; i. V. m. Kocieniewski 2011) berichtet in seinem gesellschafts- und wirtschaftsstrukturkritischen Buch „Der Preis der Ungleichheit“ mit Verweis auf die Berichterstattung in der New York Times über den Erbschaftsfall „Estée Lauder“, in dem die Steuerspezialisten der Erben eine Struktur entwickelt haben, wie man „ein Omelett machen kann, ohne die Eier zu zerschlagen“, also die geerbten Aktien zu verkaufen, ohne dass dadurch steuerbare Erträge angefallen wären. Im breiten Privatkundengeschäft werden steuerliche Aspekte insofern in die Produktgestaltung integriert, als man bei speziellen Produkten, die oft strukturierte Elemente beinhalten, darauf achtet, keine steuerlich nachteiligen Elemente einzubauen. Im „normalen“ Management, beispielsweise eines Aktienfonds, steht jedoch stets die VorsteuerPerformance im Mittelpunkt. Ähnlich verhält es sich im institutionellen Asset Management. Jedoch finden sich hier gelegentlich vom Kunden formulierte Anlagerestriktionen, die steuerlich nachteilige Transaktionen einschränken oder ausschließen. Allerdings gibt es auch hier nur in absoluten Ausnahmefällen Anlageaufträge, die auf die Optimierung der Nachsteuer-Performance abzielen. An dieser Stelle existiert noch ein erhebliches Wachstumsfeld für eine ganze Branche. In dem Maße, wie dieses erschlossen werden wird, wird auch der Einsatz von Derivaten zur Aussteuerung der Nachsteuer-Performance an Bedeutung gewinnen.
4.6.1 Quellen für Steuer-Arbitrage-Strategien Die Möglichkeiten zur Steuer-Arbitrage speisen sich im Wesentlichen aus zwei Quellen. Sie richten sich zum einen danach, wie die wirtschaftlichen Ergebnisse von Transaktionen steuerlich bewertet werden. Zum anderen resultieren sie aus der unterschiedlichen steuerlichen Behandlung verschiedener Investorengruppen.
4.6.1.1 Unterschiedliche Besteuerung wirtschaftlicher Ergebnisse Inwieweit sich Ansätze zur Steueroptimierung im Hinblick auf die erzielten Resultate aus einer Transaktion ergeben, hängt davon ab, welchen Ansatz die Steuerbehörden zur Ermittlung der Steuerschuld zugrunde legen. Es lassen sich im Wesentlichen drei Betrachtungsweisen unterscheiden: der Instrument-, der Steuervermeidungs- und der Substanzansatz.
330
4
Derivate zur Optimierung der Performance
4.6.1.1.1 Betrachtung der ökonomischen Substanz Bei dieser Betrachtung wird die Transaktion auf ihr wesentliches ökonomisches Rational zurückgeführt. Die Rechtsform der verwendeten Instrumente spielt keine Rolle. Der Ansatz ist stark von der angelsächsischen Philosophie des „Substance over Form“ geprägt. Danach ist entscheidend, „was drin ist“, nicht „was drauf steht“. Hintergrundinformation Ein Consultant hat diese Philosophie einmal wunderschön wie folgt beschrieben (Webb 1999, S. 39, übersetzt):
Die Haltung dort war: Wenn es wie eine Ente aussieht, wie eine Ente geht und „Quack“ macht – dann ist es möglicherweise tatsächlich eine Ente!
Oberflächlich betrachtet eröffnet er einen weiten Interpretationsspielraum und schafft damit auch rechtliche Grauzonen. Tatsächlich ist bei stringenter Anwendung jedoch ein hohes Maß an Kalkulierbarkeit gegeben. Voraussetzung dafür ist, dass für Emittenten und Anleger klar ersichtlich ist, nach welchen Grundsätzen die Einschätzung des Produkts erfolgt. Je einfacher und plausibler die Regeln, desto genauer kann die steuerliche Behandlung vorhergesagt werden. In Deutschland gibt es gewisse Ansätze, diesen Weg zu verfolgen. Grundsätzlich ist der Wert in der Handelsbilanz maßgeblich für die Steuerbilanz (Maßgeblichkeitsgrundsatz in § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG). Auch wenn der Ansatz derivativer Finanzinstrumente in der Steuerbilanz noch nicht durch höchstrichterliche Entscheidungen geklärt ist, so hat sich doch der Bundesfinanzhof wiederholt dahingehend geäußert, dass bei der Auslegung des Bilanzrechts eine wirtschaftliche Betrachtungsweise an den Tag gelegt werden soll (Bertsch und Kärcher 1996, S. 686, sowie das Literaturverzeichnis dieser Quelle). In der Praxis werden jedoch regelmäßig steuerliche Entscheidungen für einzelne Rechtshüllen erlassen, bei denen die ökonomische Substanz nicht an erster Stelle steht (Abschn. 4.6.1.1.2). Insgesamt ergibt sich bei diesem Steueransatz eine Reihe von Möglichkeiten zur Steueroptimierung. Diese beziehen sich zum einen auf die Einkommensart. Es stellen sich Fragen wie: Ist ein wirtschaftliches Ergebnis positiver oder negativer Art dem Bereich „Zinsen und Dividenden“ oder „Kursgewinne“ zuzuordnen? Handelt es sich um in- oder ausländische Erträge? Wie sind die Ergebnisse hinsichtlich Quellensteuer zu behandeln? Darüber hinaus können sich Spielräume zum Steuer-Timing ergeben; wann löst beispielsweise eine Transaktion steuerliche Effekte aus? 4.6.1.1.2 Betrachtung der Instrumente Bei diesem Ansatz werden spezifische Vorschriften für einzelne Instrumente erlassen. Der Vorteil dieser Variante liegt in einem vergleichsweise hohen Maß an Rechtssicherheit für den Anleger. Erwirbt er ein Instrument, für das bereits spezifische Erlasse existieren, kann er sich der steuerlichen Behandlung ziemlich sicher sein. Dieser Vorteil verkehrt sich bei neuen Produkten jedoch ins Gegenteil. Zwar holt der Emittent eines neuen Produkts vor dessen Vertrieb eines oder mehrere steuerliche Gutachten bei Experten ein. Oft erfolgt die
4.6 Optimierung der Nachsteuer-Performance
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abschließende Reglementierung vonseiten der Steuerbehörden jedoch erst geraume Zeit, nachdem der Anleger das Papier erworben hat. Und es ist alles andere als eine ausgemachte Sache, dass die Steuerbehörden den Schlussfolgerungen der Steuerexperten des Emittenten folgen. Insgesamt ist der Besteuerungsansatz in Deutschland durch die Betrachtung der Instrumente geprägt. Dies ist insofern problematisch, als die Steuerbehörden mit kasuistischen Einzelfallregelungen dem innovativ-dynamischen Markt permanent hinterherlaufen. So hat jede steuermotivierte Innovation gute Chancen, zumindest für einen kurzen Zeitraum einen Markt zu finden. Wenn die Finanzbehörden dieses Fenster schließen, haben sich bereits zwei weitere geöffnet. Mit diesem Ansatz liefern sie ungewollt den Dünger für die Pflanze, die sie nicht in ihrem Garten sehen möchten. Die Inkonsistenzen, die bei Anwendung dieses Ansatzes entstehen können, zeigen sich beispielsweise bei der Behandlung von Garantieprodukten. Wurde eine indexgebundene Struktur, die mit einer Kapitalgarantie ausgestattet ist, in der Rechtsform „Investmentfonds“ als Garantiefonds dargestellt, so blieben vor Einführung der Abgeltungssteuer Gewinne für Privatanleger nach Ablauf der Spekulationsfrist steuerfrei. Im Gegensatz dazu konnte die gleiche Konstruktion in der Form eines Zertifikats zu erheblichen steuerlichen Problemen führen (Abschn. 4.4.6.1). Die Rechtsform Optionsanleihe oder Umtauschanleihe hätte wiederum zu anderen steuerlichen Ansätzen geführt. Die steuerliche Behandlung in Abhängigkeit von der Rechtsform ist aber nicht nur in Deutschland häufig anzutreffen. Auch in den Vereinigten Staaten fördert ein derartiger Ansatz Steuerplanungen unter Einsatz von Derivaten. In den USA kommen im Falle von Kapitalerträgen zwei unterschiedliche Steuersätze zum Ansatz. Werden die Erträge innerhalb eines Jahres realisiert, unterliegen diese dem individuellen Steuersatz des Anlegers mit einem zeitweilig gültigen Grenzsteuersatz von 39,6 %. Bei Anlageperioden, die über ein Jahr hinausgehen, kommt ein Vorzugssatz von 20 % zum Tragen. Bei diesen Rahmenbedingungen konzentrieren sich die Bestrebungen der Anleger selbstverständlich darauf, Verluste kurzfristig, Gewinne jedoch langfristig zu realisieren. Hierzu drängen sich Derivate geradezu auf. Dies umso mehr, als sich für Optionen und Futures eine geteilte Besteuerung ergibt. Deren Erträge werden zu 60 % als Langfristerträge und zu 40 % als Kurzfristerträge angesetzt. Es gehört nicht sonderlich viel Phantasie dazu, sich vorzustellen, welch immense Möglichkeiten zur steueroptimalen Gestaltung von Anlagestrategien und Produkten sich in dieser Konstellation ergeben und dass sie eine ganze Industrie ernähren. Auch in England kamen immer wieder unterschiedliche steuerliche Behandlungen zum Tragen, beispielsweise abhängig davon, ob ein Geschäft als Anlage (Capital) oder Handelsgeschäft (Trade) eingestuft wurde (LIFFE 1994). Die Unterscheidung zwischen diesen beiden Möglichkeiten wurde jedoch nicht so klar getroffen wie in Amerika. Ganz in der Tradition der englischen Case Law, fällt die Entscheidung in jedem Einzelfall auf Basis der Gesamtumstände, was eine verlässliche steuerliche Planung erschwert.
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Gesetzestext „Ob ein Steuerzahler handelt, ist eine Frage der Fakten und des Ausmaßes, was in Bezug auf alle Fakten und Umstände des jeweiligen Falls bestimmt wird.“ Inland Revenue Statement of Practice SP14/91, veröffentlicht am 21. November 1991; übersetzt. Derartige Inkonsistenzen haben jedoch auch dazu geführt, dass das Berufsbild des Derivatespezialisten in den vergangenen Jahren vom Wertpapierfachmann und Risikomanager stellenweise zum Verpackungskünstler degeneriert ist. Auch besteht bei einer derartigen Steuerphilosophie die Gefahr, dass es zu suboptimalen Kapitalallokationen kommt, wenn die steuerliche Komponente die wirtschaftliche dominiert. 4.6.1.1.3 Betrachtung der entgangenen Steuern Letztlich handelt sich um eine Art Ergänzung zu den oben genannten Ansätzen, die durch verschärfte Steuervermeidungsvorschriften eine besondere Richtung erhalten. So spielt in der deutschen Steuersystematik der Begriff der Gewinnerzielungsabsicht eine zentrale Rolle, dass also eine Tätigkeit/Investition darauf ausgerichtet sein muss, insgesamt ein positives wirtschaftliches Ergebnis zu erzielen. Einen weiteren Niederschlag findet dieser Ansatz auch bei der steuerlichen Reglementierung der Instrumente. Für den Anleger besteht dabei die Gefahr, dass er Instrumente erwirbt, deren steuerliche Behandlung nur vermeintlich geklärt ist. Beispiel
Ein „gutes“ Beispiel in diesem Zusammenhang war die steuerliche Erfassung von Kursgewinnen aus Zertifikaten mit Kapitalgarantie (Eder 2000): Im German Top 12 Zertifikat hatte Merrill Lynch einen Basket von zwölf deutschen Aktien verbrieft. Natürlich sollte das Produkt in möglichst vielen Ländern verkauft werden. Um dies zu ermöglichen, war es erforderlich, das Zertifikat mit einer Rückzahlungsgarantie zum Ende der Laufzeit in Höhe von zehn Prozent des eingesetzten Kapitals auszustatten. Wohl war sich das Emissionshaus des § 20 Abs. 1 Nr. 7 des deutschen Einkommensteuergesetzes von 1994 bewusst, der besagte: Gesetzestext Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören: Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art, wenn die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung zugesagt oder gewährt worden ist, auch wenn die Höhe des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt. Selbstverständlich holte Merrill Lynch vor Emission ein steuerliches Gutachten ein, das zu dem Schluss kam, dass Kursgewinne nach Ablauf von zwölf Monaten steuerfrei vereinnahmt werden können. Auch der Arbeitskreis Finanzinnovation des Zentralen Kreditausschusses der Banken entschied, dass eine Kapitalgarantie in Höhe von
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zehn Prozent und mithin ein Verlustpotenzial von 90 % nicht unter den § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG fällt und das Zertifikat auch nicht der Zinsabschlagsteuer (ZASt) unterliegt. In den folgenden Monaten kamen weitere Zertifikate auf den Markt, die oft mit Garantien von 90 oder 95 % versehen waren. Es war unzweifelhaft, dass eine Verpflichtung zur vollständigen Rückzahlung des Kapitals die Steuerpflicht nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG auslöst. Durch ein Verlustrisiko von lediglich fünf Prozent bei einer 95-prozentigen Kapitalgarantie wollten die Emittenten und Anleger eine Steuerpflicht vermeiden. Daran störten sich offensichtlich die Finanzbehörden und gingen in diesem Fall nach dem Steuervermeidungsansatz vor. Das Bundesfinanzministerium teilte in seinem Schreiben vom 16. März 1999 mit, dass Kursgewinne auch dann zu versteuern seien, wenn sich eine Kapitalgarantie nur auf einen Teil des Kapitals erstreckt. Darunter fielen nicht nur die 90- und 95-Prozent-Zertifikate, sondern auch die zehnprozentige „Kapitalgarantie“ des German Top 12 Zertifikats von Merrill Lynch. Auch in der amerikanischen Steuerstruktur gibt es immer wieder explizite Vorschriften, die darauf ausgelegt sind, Steuerumgehungen massiv zu erschweren. Beispiele sind die Wash-Sale, die Tax Straddle sowie die Constructive Sale Rule. Die Wash-Sale Rule bestimmt, dass ein verkauftes Papier nicht innerhalb von 31 Tagen zurückgekauft werden darf, wenn der Anleger die Verluste als kurzfristige Verluste ansetzen will. Die Einschränkung erstreckt sich auch auf den Kauf von Calls und Wandelanleihen anstelle der verkauften Aktie. Die Constructive Sale und die Tax Straddle Rule sollen sicherstellen, dass die Position nur dann als noch bestehend angesehen wird, wenn tatsächlich noch wirtschaftliches Exposure vorhanden ist.
4.6.1.2 Unterschiedliche Besteuerung von Anlegergruppen Die unterschiedlichen steuerlichen Vorschriften für verschiedene Anlegergruppen innerhalb desselben Steuerdomizils sind eine weitere Quelle für Strategien zur Steueroptimierung. Oft werden Privatanleger und institutionelle Investoren unterschiedlich besteuert. Auch innerhalb der institutionellen Investoren ergeben sich erhebliche Unterschiede, beispielsweise zwischen Banken und Nichtbanken, zwischen kommerziellen Unternehmen und Einrichtungen ohne Gewinnerzielungsabsicht sowie zwischen Steuerin- und -ausländern. Möglichkeiten zur steuerlichen Gestaltung ergeben sich beispielsweise daraus, dass es Steuerregime geben kann, in denen die gleichen Erträge je nach Anlegergruppe unterschiedlich in Kapital- und Zinserträge eingruppiert werden. Allgemeiner gesprochen resultieren aus der unterschiedlichen Besteuerung von Kapitalanlegern Möglichkeiten, durch Gewinnverlagerungen oder -umdeklarierung Gewinne zwischen hoch und niedrig besteuerten Anlegern zu „teilen“ (Abschn. 4.4.6.2). Besonders häufig sind derlei Ungleichbehandlungen einerseits zwischen steuerbaren und steuerbefreiten inländischen Investoren, aber auch zwischen Steuerin- und -ausländern festzustellen. Gerade im Zusammenhang mit der Ausschüttung von Dividenden kommt es aufgrund mannigfaltiger Regelungen über Quellensteuern, Steuergutschriften und -anrechnungen
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Derivate zur Optimierung der Performance
sehr häufig zu teils eklatanten Unterschieden im Wert einer Dividende für einzelne Anleger. Ein global agierender Investor wird immer wieder auf Konstellationen stoßen, in denen ein über eine Landesgrenze hinweg ausgeführtes Aktienderivat das passende Werkzeug für eine profitable Steuer-Arbitrage liefert. Oft ist aber noch nicht einmal das erforderlich. Viele steuerinduzierten Effekte verursachen Unschärfen in der Bewertung auch von Standardderivaten. Dann gibt es nicht einen einzigen fairen Preis für das Instrument, sondern eher einen Korridor. Wenn sich dann ein Anleger, der eher am oberen Ende des Korridors handelt, mit einem Anleger am unteren Ende einigt, können unter Umständen beide von der Abweichung ihrer individuellen fairen Bewertungen vom durchschnittlichen Fair Value profitieren (Abschn. 4.1.1). Aber auch Quellensteuern auf Zinserträge werden in manchen Ländern unterschiedlich zwischen In- und Ausländern gehandhabt. Die daraus resultierenden Verzerrungen haben immer wieder Transaktionen zur Steuer-Arbitrage Vorschub geleistet (Abschn. 4.1.1 zum Beispiel der Fall „BTP/LTCM“).
4.6.2
Strategien
Die Strategien zur Verbesserung der Nachsteuer-Performance lassen sich grob in drei Kategorien untergliedern. Da ist zunächst der Aufbau von synthetischen Long Exposure, das gegenüber dem direkten Investment in das Underlying zu Vorteilen hinsichtlich der steuerlichen Behandlung von Erträgen führen kann. Beim Aufbau synthetischer ShortPositionen können sich Möglichkeiten zur Steuerung des Zeitpunkts des Ertragszuflusses und mithin zum Steuer-Timing ergeben. Schließlich erlauben Derivate die Strukturierung von Cashflows mit unterschiedlichsten steuerlichen Implikationen.
4.6.2.1 Synthetische Long-Positionen Sowohl im Zins- als auch im Aktienbereich erlauben Derivate den Aufbau von Exposure, das darüber hinaus steuerbegünstigt sein kann. Es gibt auch den gegenteiligen Fall, in dem Derivate steuerlich benachteiligt sind. Diese Nachteile werden, wenn sie groß genug sind, dann jedoch (ebenso wie andere steuerliche Effekte) im Preis des Derivats reflektiert, was im Endeffekt möglicherweise ausreicht, um steuerbedingte Arbitrage-Möglichkeiten zu eröffnen (Abschn. 4.1.1) – vorausgesetzt, man ist sich der Nachteile bewusst . . . Beispiel
Wie komplex die steuerlichen Aspekte eines Derivats sein können, zeigt das Beispiel des Swap Future der CME. Bei diesem Kontrakt wird ein Future auf einen Swap abgeschlossen. Ergo wird das Produkt zunächst als Future besteuert. Im Falle der Lieferung erhält der Future-Käufer dann einen Swap, der für US-Anleger steuerlich anders behandelt wird. Das war den Käufern dieses Instruments zunächst auch klar. Was sie jedoch nicht bedacht hatten, war, dass der Swap, den sie geliefert bekommen, unter Umständen als Kredit behandelt und besteuert wird. Ob das der Fall ist, hängt davon
4.6 Optimierung der Nachsteuer-Performance
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ab, ob der Swap-Satz bei Verfall marktfern ist. Leider weiß niemand, wo genau die Grenze zwischen marktkonform und marktfern liegt. Bis zur endgültigen Klärung des Sachverhalts waren die Käufer des Swaps gezwungen, diesen entweder stetig weiter zu rollen, um den Verfall zu vermeiden oder die Position durch ein Gegengeschäft zu neutralisieren (Osborn 2013). Bei den synthetischen Long-Positionen lassen sich beispielhaft zwei Strategien aufführen, der Aufbau von synthetischen Zero Kupon Investments und synthetischen Engagements auf der Basis von Forwards und verwandten Instrumenten. 4.6.2.1.1 Synthetische Zerobonds Der Aufbau von synthetischen Zero Kupon Investments kann zum einen zur Folge haben, dass der synthetisch erzeugte Zinsertrag in Form von Kursgewinnen anfällt. Damit ergibt sich in Jurisdiktionen, die Zinsen und Kursgewinne unterschiedlich hoch besteuern, unter Umständen eine andere Besteuerungsgrundlage, die niedrigere Steuersätze nach sich ziehen kann, welche im Extremfall bei null liegen. In anderen steuerlichen Konstellationen ist zumindest eine Steuerstundung bis zur Fälligkeit der Zahlungen möglich. Während in vielen Steuergebieten die Renditen von Zerobonds bereits als Zinserträge erfasst werden, indem beispielsweise die Differenz des Kurses zu pari anteilig über die Restlaufzeit als fiktiver Kupon in Anrechnung gebracht wird, besteht oftmals die Möglichkeit den Zerobond mit der Hilfe von Derivaten synthetisch darzustellen und damit eine andere steuerliche Behandlung zu erreichen. Um einen Zerobond zu konstruieren, stellt man eine marktkonforme einer marktgegenläufigen Position gegenüber, zum Beispiel durch den Erwerb eines Wertpapiers und den gleichzeitigen synthetischen Verkauf der Position. Das Marktrisiko der beiden Positionen neutralisiert sich gegenseitig. Damit bleibt dem Anleger wirtschaftlich der risikolose Zinssatz. Dies ist beispielsweise über den Verkauf von Futures möglich. Eine Darstellung des Aufbaus und des resultierenden Auszahlungsprofils ist in Abschn. 2.3.3.1 dargestellt. Beispiel
Auf diese Art haben in Deutschland vertriebene Investmentfonds mit dem Anlageziel „Optimierung der Nachsteuerrendite“ jahrelang die niedrigen Zinsen am japanischen Kapitalmarkt genutzt. Dazu wurden japanische Anleihen gekauft, die man teilweise extra zu diesem Zweck in Form von MTN-Programmen (Medium-Term-Note; Daueremissionsprogramm) hat emittieren lassen. Dann wurden Zinsen und Kapital in DMark geswapt. Damit war das Preisrisiko der Position ausgeschaltet und der Fonds rentierte mit dem risikolosen DM-Zins. Für die Fondsanleger waren dann nur die niedrigen Kupons der japanischen Anleihen zu versteuern, während die garantierten Kursgewinne auf den Swap steuerfrei blieben. Eine Alternative zur Future-Absicherung stellt die Synthetisierung der Short-Position über den Einsatz von Optionen dar. Dabei wird durch Ausnutzung der Put-Call-Parität
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Derivate zur Optimierung der Performance
die Short-Future-Position über den Kauf eines Put bei gleichzeitigem Verkauf eines Call nachgebildet (Abschn. 2.4.3). Auch damit wird das Underlying auf Termin verkauft (eine interessante Abhandlung über die Konstruktion von synthetischen Zerobonds unter Herleitung der Put-Call-Parität findet sich in Braun 1993). Beispiel
Kann ein Anleger auf ein Asset, das derzeit bei 100 notiert, einen Put mit Basispreis 119,72 und einer Laufzeit von drei Jahren zum Preis von 13,75 erwerben und einen Call mit gleicher Basis und gleicher Laufzeit zu 13,75 schreiben, so erzielt er in jedem Fall, außer bei Ausfall eines Kontrahenten, einen Ertrag von sechs Prozent p. a. (Das 2000a). Notiert das Asset bei Fälligkeit über dem Basispreis, so wird es dem Investor zum Preis von 119,72 abgerufen. Notiert es darunter, übt er seinen Put aus und dient seinem Kontrahenten die Position zu 119,72 an. Alternativ kann sowohl die Short- als auch die Long-Position über kombinierte Optionspositionen synthetisiert werden. Beispiel
Mit Hilfe der folgenden vier Optionen kann eine Box konstruiert werden, die einen garantierten Zinssatz in Höhe des risikolosen Zinssatzes erzeugt (das Thema „Box“ wird ausführlich in Abschn. 5.2.2 behandelt). Der Anleger baut die Long-Position durch den gleichzeitigen Kauf des Call mit Basispreis 100 und Verkauf des Put mit dem gleichen Basispreis auf. Dem stellt er zeitgleich eine synthetische Short-Position durch den Kauf des 130er-Put und den simultanen Verkauf des 130er-Call entgegen. Kurs: 100
5 Jahre
30 % Volatilität
Basispreis
Prämie
Long
Long Call
100
13,64
Exposure
Short Put
100
0,02
Short
Short Call
130
0,16
Exposure
Long Put
130
10,62
Teilsumme
Gesamt
-13,62
-10,46
-24,08
Bei Verfall kann der Preis entweder über 130, zwischen 100 und 130 oder unter 100 liegen. Liegt der Preis über 130, so übt der Anleger seinen Long Call zu 100 aus. Gleichzeitig muss er die so erhaltene Position in den gegen ihn ausgeübten 130Call einliefern. Die beiden anderen Optionen laufen wertlos aus. Damit verdient er die Differenz zwischen den zwei Basispreisen in Höhe von 30. Spiegelbildlich dazu wird ihm bei einem Preis unter 100 die Aktie zu 100 angedient. Die Aktie liefert er dann in den Long Put zum Basispreis von 130 ein. Damit erzielt er ebenfalls eine Einnahme von 30. Bei einem Kurs zwischen den beiden Basispreisen übt der Anleger seine beiden Long-Optionspositionen aus und nimmt wiederum 30 ein. Liegt der Abrechnungskurs
4.6 Optimierung der Nachsteuer-Performance
337
des Underlying bei Verfall beispielsweise bei 110, erhält der Anleger das Underlying aus dem Long Call zu 100 und dient es dem Kontrahenten aus dem Long Put zu 130 an. Dem sicheren Gewinn von 30 C steht die Nettoprämienausgabe von 24,08 C gegenüber, sodass in jeder Konstellation ein Gesamtgewinn von 5,92 C verbleibt. Die englischen Steuerbehörden haben unter anderem dieser Struktur aber einen Riegel vorgeschoben. Im 1997 Finance Act und der 1998 nachgeschobenen Ergänzung (im 1997 Finance Act waren nur verkaufte Positionen geregelt, während ausgeübte Positionen nicht eingeschränkt worden waren) wurde bestimmt, dass Strukturen, die darauf abzielen, einen garantierten Gewinn zu erzeugen, mit dem höheren Steuersatz für Kapitalerträge und nicht mehr mit dem niedrigeren Satz für Kursgewinne zu versteuern sind (Payne 1998). Die genaue steuerliche Behandlung hängt bei diesen Strukturen (wie immer) vom Status des einzelnen Anlegers ab. Es könnte beispielsweise sein, dass der Ertrag nicht als Zins-, sondern als Kursgewinn charakterisiert wird und davon steuerlich profitiert, zum Beispiel durch den Wegfall von Quellensteuerabzug. Außerdem ist es möglich, dass der Zeitpunkt, zu dem die Erträge realisiert werden, optimiert werden kann. Durch entsprechende Strukturierung der steuerlichen Auswirkungen können die steuerlichen Effekte auch zwischen Käufer und Verkäufer verschoben werden. Der Eigentümer des Asset erhält in vielen Fällen einen laufenden Ertrag in Form von Zinsen oder Dividenden. Derjenige, der das Asset synthetisch erwirbt, trägt gegenüber einem direkten Kauf des Kassa-Asset das gleiche wirtschaftliche Risiko, allerdings entgehen ihm die Zinsen und Dividenden des Kassa-Investment. Natürlich schlägt sich diese Ertragskomponente im Preis des synthetischen Terminverkaufs nieder, indem sie den Terminverkaufspreis absenkt. Bei einer teilweisen oder vollständigen Steuerfreiheit des Asset-Ertrags ist der genaue Ertrag des Forward-Verkäufers und des Forward-Käufers abhängig davon, in welcher Höhe der Ertrag des Assets in den Forward-Preis einfließt. So kann der wirtschaftliche Nutzen des laufenden Ertrags ganz oder teilweise auf den Terminkäufer übertragen werden. 4.6.2.1.2 Synthetisches Exposure mit Terminkontrakten Synthetisches Markt-Exposure wird dergestalt dargestellt, dass ein Cash-Investment mit einem Terminkauf kombiniert wird. Der Terminkauf sorgt für das sofortige Preis-Exposure zum Underlying, verschiebt jedoch den tatsächlichen Kauf in die Zukunft. Aus dieser Struktur können sich eine Reihe von steuerlichen Effekten ergeben, zum Beispiel: Für Futures existieren keine Transaktionssteuern, wie sie in einigen Ländern auf Transaktionen im Underlying erhoben werden. Ein typischer Vertreter dieser Kategorie ist die englische Stempelsteuer, die bei Kassakäufen im Aktienmarkt mit 0,5 % zu Buche schlägt. Auch die 2012 in Frankreich eingeführte Finanztransaktionssteuer von 0,2 % (später 0,3 %) auf eine Reihe von Aktien begünstigt den Weg über die Derivate,
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Derivate zur Optimierung der Performance
beispielsweise über Single Stock Futures. Und auch in Japan spielt dieses Argument immer wieder eine Rolle. Außerdem werden Investoren, die über die Kasse gehen, in vielen Ländern mit Quellensteuern auf Dividenden und Zinsen belastet. Bei Engagements in Derivaten entfällt diese Belastung, die sich beispielsweise bei einem global agierenden Aktieninvestor auf durchschnittlich 40 Basispunkte beläuft (Miller und Roberts 2000). Mitunter werden solche Belastungen einfach dadurch vermieden, dass die Transaktion mit einem Vertragspartner abgeschlossen wird, der seinen Sitz in einem anderen Land hat. Wie gesehen, kann der Ertrag und damit verbundene steuerliche Wirkungen aus dem Underlying an einen Anleger übertragen werden, der diesen, aufgrund einer anderen Steuerposition, einen höheren Wert beimisst. Auch hier ist der Übertragende daran interessiert, einen Teil dieses Vorteils des Counterparts in Form eines für ihn günstigen Terminpreises selbst zu vereinnahmen. Bei einer OTC-Transaktion tritt dieser steuerinduzierte Einfluss auf die Bewertung derivativer Finanzinstrumente sicherlich am deutlichsten zutage, da er expliziter Teil der Preisverhandlungen sein wird. Beispiel
Wie weit Steuereffekte reichen, zeigt sehr anschaulich eine Diskussion aus dem Jahr 2016: Im Markt für OTC Swaps wurden Margin-Zahlungen bis dato als Sicherheitsleistungen verstanden. Die am Markt operierenden Banken hätten dies gerne geändert und Margin-Zahlungen als tägliche Abrechnungen der offenen Positionen klassifiziert – nach dem Muster, wie es auch bei börsengehandelten Kontrakten gehandhabt wird. Durch diese Umgruppierung hätte sich für die Banken eine Entlastung des vorzuhaltenden Eigenkapitals ergeben. Leidtragende wären jedoch die US-Endanwender gewesen. Für die waren bislang Bewegungen in den gestellten Sicherheiten steuerlich ein Non-Event. Eine tägliche Abrechnung hätte jedoch zu einem steuerlich relevanten Gewinn oder Verlust geführt (Clancy 2016). Doch auch im Pricing von börsengehandelten Kontrakten schlägt sich die Steuerkomponente nieder, wenn auch nicht individualisiert für den einzelnen Käufer und Verkäufer, sondern als durchschnittlicher Einfluss aller Käufer und Verkäufer am Markt. Beispielsweise gibt es eine Tendenz, dass der DAX-Future eher etwas günstiger notiert, wenn die Dividendensaison startet. Und die französische Steuergutschrift avoir fiscal bevorzugt inländische Aktienbesitzer, was zu einer Verbilligung des Future führt, was wiederum von ausländischen Investoren für den Erwerb einer aus deren Sicht vorteilhaften Long-Position im Future genutzt werden kann (Abschn. 5.4, siehe „Synthetische Indexierung“). Wie sich die Bewertung von Optionen unter der Bedingung der Arbitragefreiheit verändert, wenn der Einfluss von Steuern in die Berechnung mit einbezogen wird, stellt Ross (1987) dar. Auch für US-amerikanische Investoren spielen steuerliche Einflüsse eine Rolle bei der Bestimmung des fairen Werts von Futures. Während der Einfluss der unterschiedlichen
4.6 Optimierung der Nachsteuer-Performance
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Behandlung von Gewinnen aus Futures und Aktien nicht quantifiziert werden kann, da die Gewinne erst im Nachhinein bestimmt werden können, kann die Bewertung der Kontrakte um den steuerlichen Effekt von Dividenden, Zinserträgen und Finanzierungskosten verfeinert werden (Merrill Lynch 1999). Wie sich die Änderung von Steuergutschriften auf die Bewertung von Futures auswirkt, war auch 1997 in England beobachtbar. Im Rahmen des Juli 1997 Budgets wurde die Steuergutschrift auf Dividenden für Pensionsfonds abgeschafft. Vor dieser Maßnahme orientierte sich der Fair Value von FTSE-Futures an einer Brutto-Rechnung. Nach dem Einschnitt bewertete der Markt die Futures auf einer Netto-Basis (De Lima et al. 1997). Damit war auch ersichtlich, welche Bedeutung britischen Pensionsfonds in diesem Markt zukommt. Da andere Investorengruppen die Steuergutschrift weiter für sich reklamieren konnten, der Markt jedoch zur Netto-Bewertung überging, war offenkundig, dass der Markt mit dem Wechsel der Pensionsfonds vom Brutto- zum Netto-Investor von Netto-Investoren dominiert wurde. Ein vergleichbarer Effekt war am italienischen Rentenmarkt zu beobachten. Bis Anfang 1997 wurden Investoren in italienischen Staatsanleihen mit einer Quellensteuer in Höhe von 12,5 % belastet. Dieser Betrag wurde auf Antrag rückvergütet. Allerdings handelte es sich um ein recht zeitraubendes Verfahren, in dem Anleger oft mehrere Jahre auf die Rückerstattung warten mussten. Aus diesem Grund handelte der Markt netto, gerade so, als ob die 12,5 % nicht rückvergütet würden. Seit 1997 erhalten ausländische Investoren, deren Heimatland ein Doppelbesteuerungsabkommen mit Italien abgeschlossen hat, die Erträge brutto ausbezahlt. Dies hatte auch am Derivatemarkt, insbesondere für Asset Swaps, spürbare Auswirkungen. Der zu trauriger Berühmtheit gekommene Hedgefonds Long-Term Capital Management hatte im Vorfeld der Abschaffung der 12,5 % Quellensteuer eine Steuer-ArbitragePosition aufgebaut, die mit hohem Gewinn geschlossen wurde. Bei dieser Struktur machte sich der Hedgefonds die unterschiedliche Stellung von ausländischen Investoren und von in Italien lizensierten Banken zunutze. Der Großteil dieses Vorteils wurde von den Banken in Form sehr vorteilhafter Repo-Sätzen, die fast dem kompletten Gegenwert der Quellensteuer entsprachen, an ihre Counterparts weitergegeben. Ohne diesen Vorteil hätte sich die Struktur nicht gerechnet. Mitunter ist es gar angebracht, synthetische Positionen über Futures, Forwards oder Swaps nochmals zu synthetisieren, um schädliche Steuereffekte zu vermeiden. Hintergrundinformation Bei den hier angesprochenen Swaps handelt es sich um Plain-Vanilla-Produkte wie Zins- oder AssetSwaps, jedoch nicht um Steuer-Swaps, wie das Kapitel „Steueroptimierung“ vielleicht suggerieren könnte. Bei Steuer-Swaps handelt es sich um Derivate, mit deren Hilfe sich das Risiko von Änderungen von Steuervorschriften und Steuersätzen absichern lässt. Der Markt für diese Produkte ist klein und spielt im Asset Management keine Rolle. Wer sich näher mit dem Thema beschäftigen möchte, sei auf Jeffares (1996) verwiesen.
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Derivate zur Optimierung der Performance
Beispiel
Sehr gut erinnerlich ist eine Konstellation, die um die Jahrtausendwende herum für Verwirrung gesorgt hatte. Hintergrund der damaligen Rechtslage war die Historie des Gesetzgebungsverfahrens zum Steuersenkungsgesetz. Der erste Gesetzesentwurf Ende 1998 sah noch eine Steuerpflicht für sämtliche Veräußerungsgewinne vor, die innerhalb von zwölf Monaten von Investmentfonds erzielt werden. Während des Gesetzgebungsverfahrens gelang es der Investmentbranche, die Steuerpflicht für Veräußerungsgewinne aus Wertpapiergeschäften zu verhindern. Die Steuerpflicht aus kurzfristigen Termingeschäften konnte in der Kürze der damals zur Verfügung stehenden Zeit und wegen der Komplexität der Materie dagegen nicht mehr verhindert werden. Im Ergebnis drohten die Erträge aus den wichtigsten Futures mit Ablauf des jeweiligen Fondsgeschäftsjahres für Investment-Anleger steuerpflichtig zu werden, während Gewinne aus Kassageschäften erst dann steuerpflichtig wurden, wenn sie dem Anleger in Form einer Ausschüttung oder bei Rückgabe der Anteilscheine tatsächlich zuflossen. Das hätte die Möglichkeiten zur professionellen Steuerung der Mandate stark eingeschränkt. Man hätte sich auf Kassageschäfte beschränken können, dabei das Ergebnis aber durch hohe Transaktionskosten belastet. Future-Erträge mit einer Laufzeit über zwölf Monaten wären steuerunschädlich gewesen. Diese langlaufenden Kontrakte verfügten jedoch nicht über die erforderliche Liquidität. Man hätte außerbörslich Futures mit Lieferung abschließen können, da nur Barabwicklung steuerschädlich war. Dafür hätte man aber die bereits mehrfach erwähnten Nachteile von OTC-Derivaten auf sich nehmen müssen. Schließlich wäre eine Ausweichmaßnahme gewesen, den Future durch Long Call-/Short Put-Kombinationen mit identischem Basispreis zu synthetisieren. Dabei hätte man nur darauf achten müssen, dass die erworbenen Optionsrechte vor Fälligkeit veräußert werden, wenn sie einen Gewinn aufweisen. Bei einer wertlos verfallenen Option ergab sich sogar ein steuerlich relevanter Verlust aus einem Termingeschäft. Insgesamt war jede der möglichen Strategien umständlich. In solchen Phasen wird einem dann wieder bewusst, wie sehr Futures das Portfoliomanagerleben vereinfachen. Auch ein Short Put erlaubt bis zu einem gewissen Grad den Aufbau von Long Exposure durch das positive Delta, das er erzeugt. Ein Short Put mit ganz besonderen steuerlichen Hintergedanken ist das Dividenden Stripping unter Einsatz von Optionen. Bis zum Beginn der 90er-Jahre wurde die Basisvariante ohne den Einsatz von Derivaten praktiziert. Ein Ausländer, der keinen Anspruch auf die Körperschaftsteuergutschrift einer Dividende hatte, verkaufte kurz vor dem Dividendentermin an einen Makler. Dieser erhielt für seine „Mühen“ die Dividende samt Steuergutschrift und verkaufte die bei ihm geparkten Aktien verbilligt an den Ausländer zurück. Die Steuergutschrift wurde geteilt. Da diese Art der offensichtlichen Steuerhinterziehung für die Finanzbehörden leicht nachzuvollziehen war, ist diese spezielle Anlegergruppe offensichtlich auf die Terminmärkte ausgewichen. Ein Fall, der 1992 an der damaligen Deutschen Terminbörse dokumentiert wurde, soll dies skizzieren (Müller 1997):
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Beispiel
Bayer notierte kurz vor der Dividende mit 300 DM. Die Dividende war auf 10,93 DM taxiert. Ein Anleger, der offensichtlich die Steuergutschrift von 4,69 DM nicht in seine Bewertungen einbeziehen konnte, verkaufte seine Aktien und vereinbarte gleichzeitig einen Put zu 33 DM, der ihn verpflichtete, die Aktien nach der Ausschüttung für 320 DM zurückzukaufen. Auf diese Art erzielte er einen Gewinn von 2,07 DM (300 C 33 320 C 289,07 [Aktienkurs nach Dividendenabschlag]). Für den Käufer des Put hat sich das Geschäft ebenfalls gelohnt. Aufgrund des unter dem Markt liegenden PutPreises verdient er 2,62 DM je Aktie. Er kauft die Aktien für 300 DM und liefert sie zu 320 DM in den Put ein, den er für 33 DM erworben hat. Außerdem vereinnahmt er 15,62 DM Bruttodividende inklusive Steuergutschrift (320 300 33 C 15,62).
4.6.2.2 Synthetische Short-Positionen Ebenso wie auf der Kaufseite können Derivate auch verkaufsseitig im Rahmen der Optimierung der Nachsteuer-Performance eingesetzt werden. Die Motivation hinter einer synthetischen Short-Position besteht darin, wirtschaftliches Risiko abzubauen, ohne tatsächlich ein Asset verkaufen zu müssen. Daraus kann sich eine Reihe von Vorteilen ergeben. Zunächst einmal bleibt der Anleger rechtlich Eigentümer, auch wenn er aus diesem Eigentum kein wirtschaftliches Risiko mehr trägt. Aus dem Eigentum erwachsen dem Anleger meistens Möglichkeiten zur Einflussnahme in Form von Stimmrechten (Abschn. 5.2.3 und 7.6.3.3). Daneben fließen ihm weiter die laufenden Erträge in Form von Zinsen und Dividenden zu. Daraus können sich, je nach individueller Steuersituation, Vorteile in der Nachsteuerrendite ergeben. Beispiel
Ein typischer Fall war die Anrechenbarkeit von deutschem Körperschaftsteuerguthaben aus Aktiendividenden für bestimmte Anlegerkreise. Sofern diese Gutschrift nicht voll in das Pricing des Absicherungsinstruments einging, verblieb dem Investor die Differenz, die sich aus der tatsächlichen laufenden Einnahme aus dem Asset inklusive Steuergutschrift und der in die Berechnung des Fair Value des Derivats einbezogenen Cost of Carry ohne oder mit nur einem Teil des Steuervorteils ergab. Außerdem kann mit Hilfe einer synthetischen Short-Position ein Gewinn oder Verlust auf das Underlying zeitlich in die Zukunft verschoben werden. Dieser Ansatz eignet sich dann, wenn Gewinne und Verluste erst zum Zeitpunkt ihrer Realisation steuerlich relevant werden. Da der Anleger bei einer synthetisch abgesicherten Position das Asset nicht verkaufen, und damit weder Gewinne noch Verluste realisieren muss, und ihm trotzdem kein wirtschaftliches Risiko aus dem Asset mehr erwächst, kann er den tatsächlichen Verkauf des Underlying bis zu einem passenden Zeitpunkt hinauszögern. So erreicht er zunächst einen Steuerstundungseffekt. Monetär erzielt er dadurch einen Ertrag in Höhe des Barwerts der Zinsen, die ihm auf das Geld zufließen, welches eigentlich an das
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Derivate zur Optimierung der Performance
Finanzamt abgeflossen wäre, was er aber durch die Steuerstundung gewinnbringend anlegen kann. Außerdem ist es ihm möglich, die Realisation auf einen steuerlich günstigen Zeitpunkt zu legen. Dies kann beispielsweise eine Periode mit geringerer Steuerbelastung sein. Für Privatanleger ist eine solche Periode das Rentenalter. Auch das ab 2001 wirkende Steuersenkungsgesetz hat dazu geführt, dass Unternehmen in großem Umfang ihre Beteiligungen wirtschaftlich auflösten, den eigentlichen Verkauf, und damit die Steuerpflicht, aber durch Derivatekonstruktionen bis zum steuerlich bestmöglichen Zeitpunkt in die Zukunft verlagerten. Dabei ist nur ein Teil der Strukturen bekannt, die zur Durchführung aufgesetzt wurden. So hat zum Beispiel E.on ihren 45 % Anteil an Viag Intercom für 7,3 Mrd. C über eine Optionsstruktur an BT verkauft. Diese Konstruktionen wurden vorab mit den zuständigen Finanzverwaltungen abgestimmt, um zu vermeiden, dass sie im Nachhinein als steuerschädlich eingestuft werden. Der steuerlich optimale Zeitpunkt kann aber nicht nur von der Steuergesetzgebung bestimmt werden. Der Realisationsgewinn bei Auflösung der Position kann auch in eine Periode gelegt werden, in der der Gewinn gegen einen jetzt schon geplanten Verlust gegengerechnet werden kann. Steht beispielsweise in einem Unternehmen im nächsten Jahr eine größere Investition an, kann das Unternehmen einen Buchgewinn auf eine Wertpapierposition einfrieren und im nächsten Jahr steuerlich wirksam werden lassen. Dann kann der Gewinn mit der Investition verrechnet werden und bleibt dadurch ganz oder teilweise von der Steuer befreit. Hintergrundinformation Um diesem Loss Harvesting (Ernten von Verlusten) entgegenzuwirken, wurde in den Vereinigten Staaten die sogenannte Wash-Sale Rule in Kraft gesetzt.
Um einen synthetischen Verkauf aufzusetzen, gibt es eine ganze Reihe von Alternativen. Die einfachste besteht sicherlich darin, dem Asset eine gegenläufige Position gegenüberzustellen. Hierzu drängt sich die Umsetzung über einen Leerverkauf auf. Ein Leerverkauf wird in der Regel von der Erwartung fallender Kurse motiviert. Der Anleger verkauft ein Wertpapier in der Hoffnung, es später billiger zurückkaufen zu können. Zum Zeitpunkt des Verkaufs hat er das Wertpapier aber nicht im Bestand. Damit er jedoch eine Position zum Verkaufen hat, leiht er sich das Papier und verkauft es dann im Markt. Er ist also short in diesem Papier. Nach Ablauf der Leihperiode ist er verpflichtet, das Papier dem Verleiher zurückzugeben. Hintergrundinformation Der Satz „He who sells what isn’t his’n buys it back or goes to prison“ ist jedem angelsächsischen Leerverkäufer ins Stammbuch geschrieben. Während in den Vereinigten Staaten Privatanleger über ein Margin Account von ihrem Broker Aktien leihen und sich somit als Leerverkäufer engagieren können, ist dieses Geschäft in Deutschland bislang institutionellen Anlegern vorbehalten. Der Leitsatz hierzulande ist übrigens, im Gegensatz zum angelsächsischen, erstaunlicherweise positiv konnotiert, wenn behauptet wird: „Der Fixer ist bei Gott beliebt, weil er nichts hat und dennoch gibt.“ („Fixer“ ist eine althergebrachte Bezeichnung für einen Baisse-Spekulanten/Leerverkäufer
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und war zumindest im Sprachgebrauch von André Kostolany, dem dieser Spruch zumeist zugeschrieben wird, noch gebräuchlich).
Der steuermotivierte Investor leiht sich die zu verkaufende Position nicht deshalb, weil er nichts zu verkaufen hat, sondern weil er nicht verkaufen will. Er behält seine ursprüngliche Position und vermeidet das Auslösen der steuerpflichtigen Gewinnrealisation. Das Preisrisiko ist jedoch durch die gleichzeitige Long- und Short-Position aufgehoben. Bei Ablauf der Short-Position muss der Anleger seinen Gewinn aus der ursprünglichen Position noch immer nicht realisieren. Anstatt seine Papiere in die Leihe einzuliefern, kann er die Leihe erneuern oder durch Kauf der Wertpapiere am Markt schließen. Damit kann der Gewinn im Prinzip immer weiter in die Zukunft verschoben werden, bis sich der Anleger vielleicht doch einmal entscheidet, seine Papiere in die Leihe einzuliefern oder direkt zu veräußern. Dabei gilt es allerdings zu beachten, dass die Erneuerung der Leihe und der Short-Position oder auch der Kauf der Papiere im Markt zur Schließung der Leihe ebenfalls steuerliche Konsequenzen nach sich ziehen können. Schließlich sollte auch bedacht werden, dass dem Anleger aus dem Leerverkauf der Wertpapiere Einnahmen zufließen, die bei Wiederanlage Zinsen generieren können und damit ebenfalls steuerliche Effekte bewirken. Außerdem kann die Leihgebühr die Steuerrechnung leicht verändern. Selbstverständlich kann die Short-Position wiederum alternativ zur Leihe in Form eines symmetrischen Hedge wie in Abschn. 3.1.3 beschrieben mittels eines verkauften Future oder einer Forward- oder Swap-Position erzeugt werden. Und ebenso ist auch in diesem Fall eine Synthetisierung dieser Short-Position durch einen Short Call C Long Put mit gleichem Basispreis möglich (Abschn. 5.4, siehe „Synthetische Indexierung“ und Abschn. 7.2.6 unter dem Stichwort „Risk Reversal“). All diese Alternativen erzeugen zwar ein identisches wirtschaftliches Auszahlungsprofil, können jedoch hinsichtlich ihrer steuerlichen Auswirkungen zu derart unterschiedlichen Ergebnissen führen, dass ein Anleger die steuerlichen Konsequenzen für jede Variante individuell prüfen muss. Dies gilt nicht nur hinsichtlich der Fragestellung, wie er einen bestimmten wirtschaftlichen Erfolg steueroptimal erreichen kann. Es geht genauso darum, wie er verhindert, dass eine wirtschaftlich sinnvolle Anlage nicht ungewollt steuerschädlich aufgesetzt wird. Eine interessante Variante ist der Aufbau einer Collar-Position. Dazu wird das Asset durch einen Long Put abgesichert. Dieser kann durchaus aus dem Geld liegen. So kann ein Anleger zum Beispiel bestimmen, dass er mindestens 90 % des aktuellen Werts bei Fälligkeit der Option erhalten möchte. Gleichzeitig mit dem Long Put verkauft der Anleger eine Kaufoption mit einem höheren Preis. Diese Position finanziert den gekauften Put ganz oder teilweise und sorgt für einen gedeckelten Wertverlauf oberhalb des Basispreises des verkauften Call. Beispiel
Hat ein Anleger beispielsweise ein Asset zu 100 erworben, dessen aktueller Preis 200 beträgt, könnte er einen Put mit Basis 180 kaufen. Damit wäre ihm zunächst einmal ein Gewinn von 80 sicher. Für den Put muss er jedoch 11,43 aufwenden. Verkauft er im Gegenzug jedoch einen Call mit Basispreis 245,71, so erhält er eine Optionsprämie
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Derivate zur Optimierung der Performance
von 11,43, die den gekauften Put finanziert. Dieser sogenannte Zero-Cost Collar sichert die Position nach unten ab auf Kosten des Ertragspotenzials, das nach oben bei 245,71 gekappt ist. Der letztendliche Verkaufspreis kann also zwischen 180 und 245,71 liegen, der Gewinn somit zwischen 80 und 145,71. Innerhalb dieser Bandbreite behält diese Kombination jedoch ihr Exposure gegenüber Kursänderungen des Underlying. Notiert das Wertpapier am Verfallstag der Optionen zwischen den beiden Basispreisen, so kann der Anleger den Verkauf noch einmal hinauszögern und eine neue Position aufsetzen. Bei entsprechender Konstruktion ist der Collar eine der wenigen Konstruktionen, mit deren Hilfe eine Position unter amerikanischem Steuerrecht steuerunschädlich, das heißt ohne Verletzung der Constructive Sale Rule, quasi synthetisch verkauft werden kann. Eine weitere interessante Alternative, die individuell vom Anleger geprüft werden kann, ist der Einsatz von Low Exercise Price Options (LEPOs). Dabei handelt es sich um Optionen, die einen sehr niedrigen Basispreis aufweisen. Dieser liegt an der Eurex bei einem Euro. Damit ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Call im Geld ausläuft praktisch 100 %. Verkauft ein Investor einen LEPO-Call auf seine Aktien, so kann er davon ausgehen, dass er diese auch abgerufen bekommt. Dieses Instrument wird in der Praxis nicht nur zur synthetischen Disposition von kleineren Positionen im Portfoliomanagement eingesetzt. Es spielt auch im Management von größeren Beteiligungen eine Rolle. Beispiel
In einer prominenten Aktion hat beispielsweise die australische Lend Lease Corporation (LLC) diesen Weg beschritten, um sich von Teilen ihrer neunprozentigen Beteiligung an der Westpac Banking Corporation zu trennen (Nusbaum 1996). Dazu ließ LLC 1996 von County NatWest Securities Australia eine LEPO in Form eines Optionsscheins emittieren. Der Schein war so ausgestaltet, dass LLC während der rund siebenjährigen Laufzeit die Dividende bis zur Höhe von 0,70 A-Dollar pro Sechsmonatsperiode für sich reklamieren konnte. Der Basispreis lag bei 0,01 A-Dollar. Für LLC ergab sich eine Reihe von Vorteilen. So konnte ein direkter Verkauf von sechs bis neun Prozent des Westpac Kapitals am Markt mit dem daraus zwangsläufig resultierenden Preisabschlag vermieden werden. Dennoch flossen LLC direkt die liquiden Mittel aus dem Verkauf der Warrant zu. Aufgrund des niedrigen Basispreises betrugen diese stolze 68 % des Wertes, der bei direktem Verkauf der Aktien ohne Preisabschlag hätte erzielt werden können. Darüber hinaus wurde die Realisierung der Kursgewinne bis zum Abruf der Optionen bei Fälligkeit hinausgeschoben. Schließlich hat LLC sich den steuerfreien (!) Dividendenstrom bis zu einer bestimmten Höhe gesichert, ohne das wirtschaftliche Risiko aus der Kursveränderung der Westpac-Aktien tragen zu müssen. Der Warrant wurde zu großen Teilen bei ausländischen institutionellen Investoren platziert. Auch sie zogen einen steuerlichen Vorteil aus dieser Struktur. Ausländer konnten den Steuervorteil der Dividenden nicht in vollem Maße nutzen. Durch die Einrechnung eines Teils des Steuervorteils, den LLC aus dem Papier zog, in den Preis
4.6 Optimierung der Nachsteuer-Performance
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Verkauf des Asset
Short Future
Collar
LEPO
Anfängliche Einnahmen
100 %
0%
0%
Optionsprämie
Maximaler Preis
100 %
100 %
Strike des Call
100 %
Minimaler Preis
100 %
100 %
Strike des Put
100 %
Erneuerbar bei Fälligkeit
n.a.
Ja
Ja
Ja
Eigentumserhalt
Nein
Ja
Ja
Ja
Erhalt Zinsen/Dividenden (inkl. Steuervorteile)
Nein
Ja
Ja
Ja
Gewinnrealisation
Sofort
Verlagert
Verlagert
Verlagert
Abb. 4.32 Vergleich synthetischer Verkaufsstrukturen
des Optionsscheins konnten diese Anleger sich jedoch steuerlich vorteilhaft in Westpac engagieren. In einigen Ländern sind die Vorschriften allerdings extra so ausgerichtet, dass ein solches Geschäft als steuerschädlich eingestuft wird, z. B. durch die Wash-Sale Rule in den USA. Abb. 4.32 stellt einige Aspekte des direkten Asset-Verkaufs und der eben vorgestellten Derivatealternativen einander gegenüber. Je nach Steuerstatus der Kontraktpartner und Land können daraus unterschiedliche, steuerlich günstige Konstruktionen entworfen werden.
4.6.2.3 Restrukturierung von Cashflows Es wurde bereits mehrfach angesprochen, dass Derivate nicht nur eingesetzt werden können, um Kassapositionen zu replizieren, sondern auch um andere Derivate nachzubilden. Daher soll in diesem Abschnitt angedeutet werden, welche steuerlichen Konsequenzen sich durch die Synthetisierung von Derivaten ergeben können. Da die Möglichkeiten schier unendlich sind, wollen wir uns auf die Synthetisierung von Swaps über zwei Varianten konzentrieren. 4.6.2.3.1 Synthetisierung von Swaps über Futures oder FRAs Das wirtschaftliche Ergebnis eines Swap kann durch die Hintereinanderschaltung einer Serie von Futures dupliziert werden. Das Nachsteuerergebnis kann jedoch unterschiedlich ausfallen, da die Cashflows der beiden Strukturen voneinander abweichen. Die einzelnen Futures handeln auf einem serienspezifischen Forward-Zinssatz (Abb. 4.33). Da der Swap jedoch nichts anderes als ein Future- oder Forward-Portfolio ist, handelt er zu einem Zinssatz, der dem gewichteten Durchschnitts-Forward entspricht.
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Derivate zur Optimierung der Performance
Das Beispiel in Abb. 4.33 zeigt die Unterschiede, die sich durch eine Synthetisierung eines Swap ergeben können. Die sich daraus ergebenden Differenzen in den Cashflows, und damit mögliche Steuerkonsequenzen, sind in Abb. 4.34 dargestellt. Die Beträge berechnen sich auf einen Nominalbetrag von zehn Millionen Euro. Die Cashflows können noch individueller strukturiert werden, wenn in die Konstruktion Zinssätze Eingang finden, die sich nicht am aktuellen Niveau des Marktes orientieren. Dadurch kommt es beim Swap zu Ausgleichszahlungen in Höhe des kumulierten Barwerts der Differenz zwischen den im Swap benutzten Zinssätze und den Marktkonditionen. Da diese Ausgleichszahlung zu Beginn oder am Ende des Geschäfts erfolgen kann oder über die Laufzeit des Geschäfts verteilt wird, können Zahlungsströme vorgezogen, als Einmalzahlung in die Zukunft verschoben oder über die Laufzeit des Swaps verteilt werden. 4.6.2.3.2 Synthetisierung von Swaps über Optionen Auch hier gilt, dass ein Swap über Kombinationen von Calls und Puts synthetisiert werden kann. Wenn ein Anleger bei einem Zins-Swap einen Festzinssatz bezahlt, hat er einen Cap ver- und einen Floor gekauft. Wiederum resultieren jedoch aus dem Swap und den Optionen unterschiedliche Cashflows, die folglich zu verschiedenen steuerlichen Ergebnissen führen können. 4.6.2.3.3 Zinsen versus Kursgewinne Erste Überlegung: Wie gesehen, bieten Derivate die Möglichkeit, ordentliche Erträge wie Zinsen und Dividenden in außerordentliche Erträge, sprich Kursgewinne, umzuwandeln. Zweite Überlegung: Derivate sind in der Lage, identische Auszahlungsprofile auf unterschiedliche Weise darzustellen. Im Optionsbereich ist der entscheidende Mechanismus die Put-Call-Parität (Abschn. 2.4.3). Kombiniert man beide Überlegungen, findet man unter der entsprechenden Steuergesetzgebung ein Entscheidungskriterium, wenn einem für ein bestimmtes Auszahlungsprofil mehrere Konstruktionsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, die vor Steuern ein identisches Ergebnis liefern, sich in ihrem Nachsteuerergebnis jedoch unterscheiden. Das ist dann der Fall, wenn ordentliche und außerordentliche Erträge steuerlich unterschiedlich behandelt werden, wie dies beispielsweise auch hierzulande vor Einführung der Abgeltungssteuer der Fall war. Beispiel
Anbieter von Garantieprodukten hatten die Wahl, die Aktien über einen Long Put abzusichern oder eine Anleihe mit einem Long Call zu kombinieren. Da damals die Zinsen höher lagen als die Dividendenrendite, wurden die Anleger dadurch steuerlich besser gestellt, dass die Kuponzahlungen vermieden wurden, wenn man die Aktie plus PutVariante strukturierte. Natürlich kann man, wenn dies die einschlägigen Vorschriften zulassen, die beiden Varianten weiter optimieren. Doch auch in einer synthetisierten Welt ist der Umbau des
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347
4,9%
4,8%
4,7%
Zinssatz
4,6%
4,5%
4,4%
4,3%
4,2%
4,1% 0,25
0,5
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1
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2
2,25
2,5
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3
Laufzeit (Jahre) Swap Satz
FRA Satz
Abb. 4.33 Swap-Satz versus Forward-Satz
4.000
2.000
0
Euro
-2.000
-4.000
-6.000
-8.000 0,25
0,5
0,75
1
1,25
1,5
1,75
Laufzeit (Jahre)
Abb. 4.34 Zinsdifferenzen Swap versus FRA
2
2,25
2,5
2,75
3
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Aktienanteils (Umwandlung von Dividenden in Kursgewinne) leichter als derjenige des Rententeils und spricht damit eher für den Bond Call- als den Protective Put-Ansatz. Beispiel
Ebenso stehen Anbieter umverpackter „Aktie mit Cap“-Strukturen vor Wahlmöglichkeiten. Entweder wird ein Zerobond mit einer Short Put-Position kombiniert. Man erhält die typische Struktur eines Reverse Convertible, bei der dem Anleger die eingenommene Put-Prämie in Form eines hohen Kupons zufließt. Alternativ dazu kann man ein typisches Discount-Zertifikat erschaffen, indem man eine Aktie mit einem Short Call versieht und gegebenenfalls noch eine kleinere Rentenposition ergänzt. Hier profitiert der Investor von der vereinnahmten Optionsprämie durch einen reduzierten Aktieneinstandspreis. Das grundsätzliche Risikoprofil (nach oben begrenzt, nach unten im Risiko, abgemildert durch die Prämien) ist, aufgrund der Put-Call-Parität, bei beiden Produkten identisch – zumindest vor Steuern. Bei besagter Besteuerung stellt sich der zweite Aufbau vorteilhafter dar, da ihm die hochbesteuerte sichere Zinseinnahme fehlt.
4.6.3 Geldwäsche Hintergrundinformation Natürlich gehört Geldwäsche nicht zu den in jedem Sinn des Wortes regulären Einsatzmöglichkeiten von Derivaten, wenn es darum geht, Vermögen zu verwalten. Insofern möge dieses Kapitel nur als kurzer Einschub unter der Rubrik „interessant und wissenswert“ fungieren und der Vollständigkeit halber zeigen, dass auch dieser abwegige Aspekt in der Realität vorkommt.
Bei der Geldwäsche geht es darum, dass „dreckiges“ Geld aus illegalen Quellen „reingewaschen“ wird. Werden zu diesem Zweck Derivate eingesetzt, funktioniert das Grundprinzip meist so, dass ein Derivategeschäft derartig ausgestaltet wird, dass von vorneherein klar ist, welche Partei dabei gewinnt und welche verliert (Hafner 2002; Ittensohn 2003). Das hört sich schwieriger an, als es tatsächlich ist. Zur Illustration sei hier ein Fall angeführt, der es einst prominent in die Presse geschafft hatte, freilich ohne damit andeuten zu wollen, dass dieser in irgendeiner Weise etwas mit Geldwäsche zu tun gehabt haben könnte! Beispiel
Ein von Morgan Stanley emittiertes Zertifikat namens Global Protect war so ausgestaltet, dass der in Aussicht gestellte Kupon an derart merkwürdige Bedingungen gekoppelt war, dass die Wahrscheinlichkeit, dass er tatsächlich ausgezahlt würde, praktisch nicht gegeben war: Sobald eine von 20 Aktien innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren mindestens zwei Prozent Verlust aufweist, würde der Kuponanspruch annulliert (Mikosch 2011). Die ersten Investoren hatten jedoch nicht zum Zeitpunkt der Emission in das Papier investiert, sondern abgewartet, bis der Kurs des Papiers erwartungsgemäß
4.6 Optimierung der Nachsteuer-Performance
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auf 82 % gefallen war. Damit hatten sie sich wirtschaftlich eine Nullkuponanleihe mit einer Rendite von vier Prozent eingekauft, die diese jedoch nicht schon bei Emission aufwies. Eventuell war mit diesem ungewöhnlichen Geschäft auch noch ein anderweitiger Vorteil verbunden, sei er buchhalterischer oder möglicherweise auch steuerlicher Natur (Abschn. 4.6.2.1.1). Wie gesagt, es soll hier nicht angedeutet werden, dass dieses Geschäft in irgendeiner Weise etwas mit Geldwäsche zu tun gehabt haben könnte. Aber es zeigt recht anschaulich, wie einfach Geschäfte strukturiert werden können, die mit höchster Wahrscheinlichkeit einen Verlust erwirtschaften. Wenn nun also klar ist, wer bei einer manipulierten Transaktion einzahlt und wer gewinnt, wird das „dreckige“ Geld in die Verliererposition investiert. Mit dem dann eintretenden Verlust geht dieses „dreckige“ Geld unter. Wenn dann noch durch die Art der Orderplatzierung über anonymisierende Sammelkonten die Identität des Verlierers verschwindet, ist die Rückverfolgung der Transaktion an dieser Stelle nicht mehr möglich. Auf der anderen Seite vereinnahmt ein „kriminell unauffälliger“ Gegenüber den Gewinn. Der Gewinn ist aus einem vermeintlich normalen Geschäftsvorgang erwachsen und damit „sauber“. Der Gegenüber kann eine Privatperson oder eine Firma sein. Sie wird jedoch in irgendeiner verborgenen Form mit der kriminellen Organisation verbunden sein und das reingewaschene Geld entweder in deren Sinne investieren oder auf unauffälligen Wegen an diese zurück transferieren. Die Financial Action Task Force on Money Laundering, eine von den G7 1989 ins Leben gerufen Organisation zur Bekämpfung der Geldwäsche, weiß seit langem um diese Möglichkeit, mit der man „dreckiges“ Geld in den legalen Geldkreislauf schleusen kann. In ihrem Jahresbericht 1998–1999 detaillieren sie den oben beschriebenen Mechanismus in einer Fallstudie, in der ein Broker für die „korrekte“ Zuordnung von Gewinnen und Verlusten sorgt (Financial Action Task Force on Money Laundering 1999). Dazu geht er zunächst zwei gegensätzliche Positionen ein, von denen er anschließend die verlustbringende dem Schwarzgeld zuordnet und den Gewinn bei der „legalen“ Gegenpartei verbucht. Dabei wird herausgestellt, dass der Broker mit diesem Vorgehen am Ende sogar über eine vollkommen unproblematische Dokumentation verfügt, aus der sich keinerlei Verfehlung nachverfolgen lässt und dass sich der ganze Vorgang nicht etwa in einem dunklen Hinterzimmer oder zumindest im weniger regulierten Bereich des OTC-Marktes abspielt, sondern unter den Augen „des Marktes“ auf einer regulierten Derivatebörse. Wie weit die Geldwäsche mittels Derivaten verbreitet ist, lässt sich jedoch allenfalls spekulativ vermuten. Hafner (2002) sieht dies in einer Größenordnung von 100 Mrd. C weltweit. Der vielleicht aufsehenerregendste Fall in der bisherigen Geschichte der Geldwäsche war der Zusammenbruch der Bank of Credit and Commerce International (BCCI) im Jahre 1991 (Cagan und Hardin 2003). Die über zwei Jahrzehnte hinweg aufgebauten, kriminellen Strukturen waren in alle Arten von Machenschaften verstrickt und so komplex, dass sie bis heute nicht vollständig entschlüsselt sind. Allerdings ist klar, dass BCCI neben dem
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Waffenschmuggel in großem Stil Geldwäsche betrieben hat und in diesem Zusammenhang auch Derivate eine Rolle gespielt haben. Warum taucht das Thema „Geldwäsche“ im Kapitel über Steuergestaltung auf? Das liegt daran, dass derartige Konstruktionen immer wieder im Zusammenhang mit legalen und vor allem illegalen Steuervermeidungsstrategien auftauchen. Denn ebenso wie beim gezielten Verschieben von „dreckigem“ Geld in einen „sauberen“ Geldkreislauf kann das Prinzip, wonach schon vor Eingehen eines Geschäfts klar ist, wer gewinnt und wer verliert, gezielt dazu genutzt werden, um Gewinne an Orten entstehen zu lassen, wo sie nicht oder niedrig besteuert werden und Verluste in Hochsteuerregionen abzusetzen. Beispiel
Sogenannte „Backuped Deals“ können beispielsweise wie folgt aufgebaut sein: Jemand eröffnet eine Bankverbindung in einer Steueroase. Dort hinterlegt er einen relativ geringen Geldbetrag als Margin für etwaige Verluste in einer Derivateposition. Diese Derivateposition könnte vorzugsweise ein ganz individuell ausgestalteter Optionsschein sein. Die Kontraktspezifikationen werden so konstruiert, dass dieser Jemand mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Geld verdienen wird – und zwar richtig viel Geld, da er ja mit einem gehebelten Derivat operiert. Dass es nicht schwer ist, eine solche Konstruktion auf die Beine zu stellen, belegt das obige Zertifikatebeispiel. Nun fragt man sich, wer so blöd wäre, die Gegenseite einer solchen Transaktion einzunehmen. Ganz einfach: derselbe Jemand. Über eine „saubere“ Bankverbindung, gern auch in einem Land, das derartige Transaktionen hoch besteuert, wird er zu seinem eigenen Counterpart und kontrahiert mit sich selbst. Um auf Nummer Sicher zu gehen, trifft sich der steuerinduziert schizophrene Käufer = Verkäufer auch nicht auf einer Börse, sondern wickelt das Geschäft außerbörslich ab. So stellt der Jemand sicher, dass ihm nicht noch ein versprengter Marktteilnehmer in die Quere kommt. Die auf der legalen bzw. hoch besteuerten Seite anfallenden Verluste wird er steuerlich geltend machen. Für den Jemand eine echtes Win-Win-Geschäft: steuerfreie Gewinne und steuersenkende Verluste. Neben der Geldwäsche und beim Steuerbetrug werden derartige Konstruktionen auch eingesetzt, um Scheingeschäfte abzuwickeln oder im Rahmen von Korruption gezahlte bzw. empfangene Schmiergelder zu vertuschen. Selbstverständlich hinterlassen derartige Transaktionen Spuren. Allerdings ist eine Menge Fachwissen und sehr viel Aufwand erforderlich, um geschickt entworfene Konstruktionen zu enttarnen und vor allem über Ländergrenzen hinweg zurück zu verfolgen (Steuerrechtler Thomas Koblenzer in Reimann et al. (2014, S. 89.)): Es lässt sich ohne eine eingehende Untersuchung nicht erkennen, wenn Geld mithilfe von Optionen international verschoben wird.
Prominent diskutiert wurden derartige Operationen im Zusammenhang mit dem Steuerverfahren gegen den damaligen FC-Bayern-München-Präsidenten Uli Hoeneß im
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Jahr 2014. Nach dem „Turboprozess“ wurde vielfach medial aufgearbeitet, welche Tatsachen während der sehr kurzen Prozessdauer von nur vier Tagen möglicherweise nicht ans Licht kamen. So wurde auch thematisiert, dass Hoeneß Gewinne aus Devisentermingeschäften auf einem Schweizer Depot nicht in Deutschland versteuert hatte, gleichzeitig jedoch auch ein Depot bei der Reuschel-Bank in München unterhielt, das ordnungsgemäß deklariert war (Reimann et al. 2014; Jahn 2014). Fazit
Derivate erschließen dem Portfoliomanager neue Möglichkeiten, die Performance zu verbessern. Einerseits versetzen sie ihn in die Lage, bestehende Performance-Quellen besser auszuschöpfen. Dies gelingt dadurch, dass die Umsetzung einer Anlageidee mit Derivaten in vielen Fällen mit weniger Kosten verbunden ist. Dadurch werden gute Trades noch ein klein wenig ertragreicher. Und im Grenzbereich können Ideen, die im Kassamarkt einen haarscharf negativen Erwartungswert haben, beim Einsatz von Derivaten möglicherweise profitabel werden. Außerdem lässt sich eine Prognose präziser umsetzen, sei es dadurch, dass durch Hebelung auch kleinere Bewegungen lohnend oder durch den Einsatz von asymmetrischen Instrumenten passgenauer implementiert werden können. Außerdem können Derivate eingesetzt werden, um das Nachsteuerergebnis zu verbessern. Andererseits eröffnen Optionen und Futures Möglichkeiten zur Erzielung von Zusatzerträgen auf Feldern, die ohne Derivate nicht zugänglich sind. Während die Ertragschancen in der klassischen Arbitrage für Asset Manager eher begrenzt sind, halten manche Marktteilnehmer die regulatorische Arbitrage für einen der bedeutendsten Einsatzzwecke von Derivaten, wobei auch dieser eher im Bereich der Investment-Banken denn im Asset Management angesiedelt ist. Vielfach genutzt wird hingegen die Möglichkeit, durch den Verkauf von Optionen Prämieneinnahmen zu generieren. Und der Handel auf die Richtung und Form der Volatilität ist ureigenstes Derivate-Terrain.
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5
Feinsteuerung des Risikoprofils
5.1
Erwerbsvorbereitung
Bereits beim Aufbau eines Portefeuilles können Derivate gute Dienste leisten. So werden in professionell gemanagten Vermögen in Erwartung eines terminierten Mittelzuflusses immer wieder Futures oder Calls gekauft, um ein aktuelles, als attraktiv empfundenes Marktniveau für den künftigen Mittelzufluss festzuschreiben. Dabei macht man sich die Hebelwirkung der derivativen Instrumente zunutze, die für ein vergleichsweise hohes Exposure nur eine kleine Kapitalbasis in Form der Margin erfordert. Nach Eingang der erwarteten Gelder werden die Calls oder Futures dann verkauft und eine entsprechende Kasseposition im Underlying aufgebaut. Verrechnet man die Erträge aus der geschlossenen synthetischen Position mit den Einstandskursen der Kasseposition, ergibt sich ein tatsächlicher Einstandspreis auf dem Marktniveau zum Zeitpunkt der Eröffnung des Derivategeschäfts. Wenn man Geld investiert, über das man noch gar nicht verfügt, führt dies jedoch zu einer Kreditaufnahme und einer Hebelung des Portfolios, was nicht in jedem Mandat zulässig ist. Allerdings kann ein Portfoliomanager den schnellen und liquiden Marktzugang der Derivate nutzen, wenn er zu einem bestimmten Zeitpunkt in den Markt einsteigen will, sich über die genaue Ausgestaltung seines Aktienportfolios aber noch nicht im Klaren ist. Durch den Kauf von Futures kann er sofort an der generellen Marktentwicklung teilnehmen und sich in Ruhe seine Einzelpositionen überlegen. Anschließend wird das Zielportfolio Zug um Zug gegen die Auflösung der Future-Position aufgebaut. So kann er sich verstärkt auf das Timing des Einzeltitelerwerbs konzentrieren, ohne Gefahr zu laufen, die allgemeine Marktentwicklung zu verpassen. Eine besondere Möglichkeit des Aktienerwerbs über Derivate ergab sich in der Vergangenheit immer mal wieder bei Optionsscheinen. Waren diese als amerikanische Optionen ausgestaltet, machte es gelegentlich Sinn, den Optionsschein kurz vor dem Zeitpunkt der Dividende zu erwerben, ihn sofort auszuüben, die Aktie zu beziehen und die kurz darauf ausgezahlte Dividende zu vereinnahmen. Sofern der Optionsschein den Dividendenab© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017 T. Bossert, Derivate im Portfoliomanagement, https://doi.org/10.1007/978-3-658-17574-0_5
361
362
5
Feinsteuerung des Risikoprofils
schlag bereits eingepreist hatte und die Kosten diese Differenz nicht vollständig auffraßen, konnte hier ein kleiner Zusatzertrag erzielt werden. Bei einigen Emittenten war diesem Geschäft jedoch insofern ein Riegel vorgeschoben, dass die Ausübung der Option im Umfeld der Hauptversammlung eingeschränkt war. Dies war deshalb erforderlich, weil die Emittenten sich selbst oft über die zugrundeliegende Aktie absicherten. Alternativ dazu kann der Verkauf von Verkaufsoptionen (Short Put) im Rahmen der Erwerbsvorbereitung eingesetzt werden (Abschn. 5.16.3). Typischerweise werden dazu Puts mit einem Basispreis einige Prozentpunkte unterhalb des aktuellen Marktpreises verkauft. Notiert die Aktie am Verfalltag der Option unter dem Basispreis, werden dem Portfoliomanager die Aktien zu einem niedrigeren Einstandspreis, der sich wirtschaftlich als Basispreis minus Optionsprämie errechnet, angedient. Steigt der Markt, verbleibt ihm die vereinnahmte Optionsprämie als Zusatzertrag. Der Manager muss sich jedoch auch der eingegangenen Risiken bewusst sein. An einem steigenden Markt nimmt er nur in Höhe der erhaltenen Optionsprämie teil. Andererseits hätte er in einem stark fallenden Markt ohne Short Put unter Umständen die Möglichkeit, die Aktie zu einem Preis noch weit unterhalb seines Basispreises inklusive der Optionsprämie zu kaufen. Es kann Sinn machen, derartige Überlegungen beispielsweise im Zusammenhang mit Indexrekonstitutionen anzustellen. So könnte sich der Manager eines am MDAX orientierten Portfolios fragen, welche Aktien künftig aus dem Index herausfallen, weil sie entweder in den DAX auf- oder in den SDAX absteigen. Wenn er beispielsweise den potenziellen Absteigern kein großes Kurspotenzial mehr zubilligt, könnte er sich mittels eines eng gesetzten Short Calls dieser Aktien entledigen, die künftig nicht mehr zu seinem Investment-Universum gehören werden. Umgekehrt kann er potenziellen Neuankömmlingen über den Verkauf von Puts bereits frühzeitig den Weg in sein Portfolio bahnen und diesen mit vereinnahmten Prämien pflastern. Die Detailabwägungen, die man vor Aufsetzen einer solchen Strategie treffen sollte, entsprechen denjenigen, die auf Stops allgemein angewandt werden sollten. Diese finden sich in Abschn. 5.16.
5.2 Liquiditätssteuerung Auch in der Liquiditätssteuerung können Derivate dem Portfoliomanager das Leben einerseits erleichtern, andererseits seine Handlungsmöglichkeiten erweitern. So kann er Optionen und Futures sowohl verwenden, um überschüssige Liquidität schnell, unkompliziert und kostengünstig loszuwerden, sprich anzulegen, als auch, um sich neue Liquidität zu beschaffen oder bestehende Liquiditätspositionen umzubauen.
5.2.1
Investition von Liquidität
Was gemeinhin für Freude sorgt, ist für einen Portfoliomanager oftmals ein veritables Ärgernis: Er hat zu viel Geld auf dem Konto. Sei es durch die Mittelzuführung eines
5.2 Liquiditätssteuerung
363
Kunden, Dividenden, Kuponzahlungen, Fälligkeiten von Wertpapieren oder Steuerrückerstattungen, immer wieder sorgen extern ausgelöste Mittelzuflüsse für einen Anstieg des Saldos. Wird die Leistung des Portfoliomanagers an der Entwicklung einer Index-Benchmark gemessen, hat er es hinsichtlich der Disposition von Cash mit einem mächtigen Gegenspieler zu tun. Die Index-Benchmark ist stets voll investiert und sorgt durch ausgefeilte Reinvestitionsregeln unter Abstraktion von Kosten für eine vollumfängliche Teilnahme an den Kursentwicklungen des Marktes. In diesem Wettlauf ist jeder nicht investierte Euro ein Klotz am Bein des Portfoliomanagers, weshalb man im Englischen auch von Cash Drag spricht. Hält ein Manager in seinem Aktienportfolio durchschnittlich ein Prozent dieser „lästigen Kasse“, verliert er bei einer durchschnittlichen Jahres-Performance des Aktienmarkts von zehn Prozent 0,1 % Performance gegenüber der Benchmark in jedem einzelnen Jahr. Fährt er diese Position ganz bewusst, weil er beispielsweise damit rechnet, dass der Aktienmarkt fällt, ist er selbst schuld, handelt es sich doch um eine aktive Position. Aber darum geht es hier nicht. Wir sprechen hier von dem ungewünschten Kleingeld in der Hosentasche, das beim Gehen stört. Das Problem löst sich recht einfach, wenn der Manager gerade ein attraktives Anlageobjekt ausgemacht hat, in das er investieren möchte. Dann wird er die ihm zugeflossenen Mittel für diesen Zweck einsetzen. Schwieriger wird es, wenn er keinen aktuellen Favoriten identifiziert hat und er sich mit seiner sorgsam austarierten Portfoliozusammensetzung sehr wohl fühlt. In diesem Fall könnte er die Portfoliostruktur mittels der neuen Gelder proportional aufstocken. Das ist nicht nur operativ äußerst mühsam, weil zunächst errechnet werden muss, wie viel Geld in welchen Titel fließt, bevor dann viele kleinteilige Orders generiert, verbucht und überwacht werden müssen. Je nach Höhe der zu disponierenden Mittel und der Anzahl der Positionen im bestehenden Portfolio sind die Losgrößen zu klein, um sie mit vertretbaren Transaktionskosten am Markt unterzubringen. Eine wesentlich elegantere Methode ist die Investition dieses Kassebodensatzes via Futures. Dazu geht der Portfoliomanager Index-Futures long. Er kauft gerade so viele Kontrakte, dass deren Exposure der Höhe der momentan vorhandenen Kasse entspricht. Damit hat er auch diese Cash-Position „zum Arbeiten geschickt“, sodass es kein ungewolltes Untergewicht im Markt mehr gibt und er auch mit diesem Teil des Gesamtvermögens partizipiert. Natürlich nimmt er nicht nur an der Entwicklung nach oben, sondern auch nach unten teil. Das ist aber auch so gewollt. Wichtig ist in erster Linie, dass diese Position sich marktneutral verhält und so keine zufälligen und ungesteuerten relativen Ergebnisbeiträge liefert. Natürlich ist dadurch die Kasseposition nicht wirklich wegdisponiert in dem Sinne, dass sie vollständig dem Kassekonto entnommen worden wäre. Der Großteil des Geldes, abzüglich der anfänglichen Sicherheitsleistung (Initial Margin; sofern nicht durch gesperrte Wertpapiere erbracht), verbleibt auf dem Konto. Aber gemäß des fundamentalen Zusammenhangs, dass Kasse plus Future zusammen das Underlying ergibt, nimmt die kombinierte Position vollumfänglich am Auf und Ab des Marktes teil (Abschn. 2.3.3).
364
5
Feinsteuerung des Risikoprofils
Der Einsatz von Futures zur Liquiditätssteuerung hat den großen Vorteil, dass im Falle von Mittelabflüssen das sorgfältig aufgebaute Portfolio aus Einzeltiteln nicht angefasst und angepasst werden muss. Es genügt, Future-Kontrakte in entsprechender Anzahl zu schließen. Dadurch wird entsprechendes Markt-Exposure abgebaut. Die dem Future zugrundeliegende Kasseposition wird nun nicht mehr benötigt und kann zur Bedienung des Mittelabflusses verwendet werden. Ebenso kann verfahren werden, wenn sich herausstellt, dass der Bodensatz doch länger Bestand hat und sich im Laufe der Zeit vielleicht gar noch ausweitet. Dann kann der Manager, mit der Gewissheit im Rücken, dass er an den Märkten nichts verpasst, sich in Ruhe und ohne Druck überlegen, in welche Einzeltitel er die Gelder investieren will. Hat er attraktive Zielobjekte ausgemacht, kann er diese kaufen und im Gegenzug Schritt für Schritt die Future-Position auflösen. Allerdings wird ein Portfoliomanager es auch unter Einsatz von Long Futures nicht schaffen, sich des Cash Drag vollständig zu entledigen. Letztlich wird auch hier immer ein Teil des Geldes uninvestiert bleiben, da Futures nur in ganzen Kontrakten und nicht in Bruchteilen eines Kontraktes gehandelt werden können. So bleibt, je nach Kontrakt, oft ein Betrag in fünfstelliger oder niedriger sechsstelliger Größenordnung an der Seitenlinie. Bei sehr großen Portfolios kann das eine vernachlässigbare Größenordnung sein, bei kleinen Portfolios durchaus eine spürbare Rolle spielen. Der Manager dieser kleineren Portfolios mag dann überlegen, ob er auf die teilweise verfügbaren Mini-Futures zurückgreift. Seit Herbst 2015 gibt es zum Beispiel einen DAX-Mini-Kontrakt an der Eurex. Während der Original-DAX-Future einen Kontraktmultiplikator von 25 C je Indexpunkt hat, ist der DAX-Mini mit einem Multiplikator von fünf Euro ausgestattet. Oder er weicht auf kleinteiligere Instrumente wie börsengehandelte Indexfonds oder -zertifikate aus. Zwar sind diese Instrumente in der Anschaffung teurer. Allerdings entfällt das quartalsweise Überrollen, und der Manager findet eine größere Auswahl an Instrumenten vor, sodass er nicht nur passiv in einen Index investieren kann, sondern sogar in die Lage versetzt wird, zum Beispiel über aktive Investmentfonds wiederum aktive Anlageideen in die Tat umzusetzen.
5.2.2
Aufbau synthetischer Geldmarktpositionen
Ein Portfoliomanager, der beabsichtigt, das Risiko seines Portfolios zu reduzieren, kann dies auf zwei Wegen bewerkstelligen: Er kann risikobehaftete Positionen verkaufen und den Verkaufserlös in der (fast) risikolosen Kasse parken. Alternativ kann er über den Einsatz von Derivaten ganz einfach aus einer bestehenden Long-Position in einem risikobehafteten Asset, zum Beispiel einer Aktienposition, eine synthetische Kasseposition erzeugen. Dazu wird einfach ein passendes Derivat geshortet. „Passend“ bedeutet in diesem Fall ein Derivat, das möglichst ein Delta von exakt 1,0 und einen Tracking Erro von null gegenüber dem Underlying aufweist. Die Risiken des Underlying werden also perfekt short gehedged (Abschn. 3.1 ff.). Dem fundamentalen Zusammenhang zwischen Under-
5.2 Liquiditätssteuerung
365
lying und Future entsprechend, ergibt sich die synthetische Geldmarktposition als Long Underlying C Short Future D Geldmarkt:
(5.1)
Weiterhin kann der Short Future auch, durch eine Short Call/Long Put-Kombination mit identischem Basispreis ersetzt werden. Oder er baut sich gleich eine sogenannte Box, eine Kombination aus einem synthetischen Long zu einem niedrigeren Basispreis und einem synthetischen Short zu einem höheren Basispreis (Natenberg 1994, S. 228 ff.; Abschn. 4.6.2.1.1). Beispiel
Der synthetische Long wäre beispielsweise ein Long Call mit einem Basispreis von 90 kombiniert mit einem Short Put mit demselben Basispreis. Für den Aufbau einer 10erBox geht man dann bei einem um zehn Punkte höheren Basispreis short im Call und long im Put. Im Ergebnis erhält man eine Auszahlung von zehn Punkten plus/minus Nettooptionsprämie unabhängig vom Preis des Underlying bei Verfall (Abb. 5.1). Eine derartige Position weist, im Unterschied zu einer direkten Investition zum Beispiel in ein Festgeld, die Besonderheit auf, dass keine Zinsen anfallen, sondern Kursgewinne. Je nach Status des Investors mag eine derartige Konstellation unter steuerlichen Gesichts-
20
15
Gewinn & Verlust
10
5
0
-5
Preis Underlying Long 90 Call
Short 90 Put
Abb. 5.1 Auszahlungsprofil Box 90/100
Short 100 Call
Long 100 Put
Box
110
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108
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106
105
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5
Feinsteuerung des Risikoprofils
punkten vorteilhaft sein (Abschn. 4.6.2.1.1). Darüber hinaus mögen Counterparty-Überlegungen eine Rolle spielen, wenn ein Portfoliomanager sich für die komplexe Konstruktion einer Box entscheidet. Handelt er die Optionen an einer Derivatebörse, hat er es mit einem bonitätsstarken Gegenüber zu tun. Die Marktentwicklung in der Folge der Lehman-Pleite 2008, bei der der Geldmarkt aufgrund eines tiefgreifenden Misstrauens in Bezug auf die Bonität der Marktteilnehmer zum Erliegen kam, hat eindrücklich demonstriert, wie wichtig dieser Aspekt sein kann.
5.2.3
Cash Extraction
Derivate sind nicht nur hilfreich, wenn es darum geht, überschüssige Liquidität zu investieren. Mit ihrer Hilfe kann umgekehrt auch Cash generiert werden, beispielsweise um etwaige Mittelabflüsse bedienen zu können oder um kurzfristig Kapital für attraktive Investitionen aufzutreiben. Um dies zu bewerkstelligen, gibt es drei grundsätzliche Vorgehensweisen: das Einsparen von Kapital, der Hedge von Abflüssen und die Generierung von Zusatzeinnahmen. Eine Möglichkeit, um Kapital einzusparen, ist die Substitution von Aktien durch Kaufoptionen mit niedrigem Basispreis. Derartige Calls liegen tief im Geld und weisen ein Delta von (knapp) eins auf. Sie bewegen sich also nahezu im Gleichlauf mit der zugrunde liegenden Aktie. Da die Option jedoch einen niedrigeren Kurs hat als die Aktie selbst, erwirbt der Investor ein lokal sehr ähnliches Chance-Risiko-Profil mit einem geringeren Kapitaleinsatz. Die extreme Ausprägung von Optionen mit niedrigem Basispreis sind die sogenannten LEPOs (Low Exercise Price Options). Bei diesen liegt der Basispreis auf einem symbolischen Wert, zum Beispiel bei einem Euro. Beim Einsatz dieser Spezialoptionen steht jedoch nicht die Cash Extraction im Vordergrund. Die Optionen weisen einen so hohen inneren Wert auf, dass letztlich kein Kapital eingespart wird. Beweggründe für LEPOs würde man vielmehr in steuerlichen Gefilden suchen. Beispiel
So könnte man eine BASF-Aktie mit Kurs 63 C beispielsweise durch einen Call mit Basispreis 52 C ersetzen, den man für rund zwölf Euro bekommt. Bei einem Delta von 0,89 nimmt man den Großteil der erwarteten positiven Performance mit, hat aber über 50 C zusätzlich zur Verfügung. Damit geht natürlich eine Hebelwirkung einher, der man sich bewusst sein sollte (Abschn. 4.3.1.1). Auch einen größeren Mittelabfluss kann man mit Hilfe von Derivaten äußerst professionell bewerkstelligen. Ein sich nur im Aktienmarkt bewegender Portfoliomanager würde einen sehr großen Mittelabfluss vermutlich dergestalt bewältigen, dass er die Kasse vor dem Abfluss marktschonend aufbaut und dafür immer so viele Aktien verkauft, wie er im Markt absetzen kann, ohne diesen in größerem Ausmaß zu bewegen. Um 500 Mio. C in-
5.2 Liquiditätssteuerung
367
nerhalb einer Woche flüssig zu machen, könnte er Verkaufsorders über jeweils 100 Mio. C geschickt über jeden der fünf Handelstage verteilen. Unangenehm wird die Sache allerdings dann, wenn der Markt in dieser Woche stark steigt, denn der Manager schiebt im Wochenschnitt 250 Mio. C an Cash vor sich her. Dieses Geld partizipiert nicht am Marktaufschwung. Der Manager kann sich glücklich schätzen, wenn er einen derivateaffinen Kollegen hat. Dieser würde ihm vorschlagen, dass er in dem Maße, wie die Aktien verkauft werden, Aktienindex-Futures dagegen kaufen soll. Aus der Kombination von Kasse und Long Future erhalten die beiden genau das Exposure im Aktienmarkt, dass sie am Aktienmarktanstieg teilhaben lässt. Zum Zeitpunkt des Mittelabflusses steht dann zusätzlich zur geschaffenen Kasse der Kursgewinn auf die Long Futures zur Verfügung. Diesen wird der Portfoliomanager rechtzeitig auf einen Schlag realisieren, indem er die erhöhte Liquidität des Terminmarkts nutzt und die Position komplett glattstellt. Man kann Derivate aber auch einsetzen, um über zusätzliche Einnahmen die Liquidität zu erhöhen. Die naheliegendste Lösung ist der Verkauf von Optionen. Die Optionsprämie fließt kurzfristig auf das Kassekonto. Das könnte man natürlich auch erreichen, indem man ein Asset, beispielsweise eine Aktienposition, direkt veräußert. Das Hilfreiche für den Portfoliomanager, der Cash benötigt, ist, dass ihm beim Optionsverkauf sofort Liquidität zufließt, obwohl er nicht unmittelbar ein Asset verliert. Verkauft er einen Call, tätigt er zunächst nur einen bedingten Verkauf eines Teils des Ertragspotenzials. Beim direkten Verkauf der Aktie gibt es keine Bedingungen: Sie scheidet unmittelbar aus dem Portfolio aus. Verkauft er die Aktie hingegen mit einem Limit, tätigt er zwar ebenfalls einen bedingten Verkauf, da die Aktie nur dann verkauft wird, wenn die Bedingung erfüllt ist, dass sie das Verkaufslimit erreicht. Dafür fließt dem Portfoliomanager jedoch im Zeitpunkt der Limitsetzung kein Geld zu, sondern erst, falls das Limit erreicht wird. Der Einsatz von verkauften Optionen als Stopp Orders nebst Vergleich mit Limitorders wird in Abschn. 5.16 ausführlich behandelt. Das bedeutet freilich nicht, dass dem Portfoliomanager beim Short Call Liquidität ohne Gegenleistung zufließt. Der Unterschied besteht darin, dass mit einer Option zunächst lediglich eine Verpflichtung und kein Asset verkauft wird. Und, je nach Kursentwicklung und Setzung des Basispreises, kann es sein, dass er aus dieser Verpflichtung nicht einmal in Anspruch genommen wird. Dies sollte der Portfoliomanager jedoch nicht fest einkalkulieren, sondern die verkaufte Optionsposition nur als bedingten Überbrückungskredit betrachten und sich rechtzeitig über die Rückzahlung Gedanken machen. Sowohl im Fall von verkauften Calls als auch Puts ist der Portfoliomanager Stillhalter, einmal in Wertpapieren, einmal in Geld. Wenn die Optionen zur Fälligkeit ins Geld laufen, muss der Portfoliomanager liefern. Im ersten Fall ist er gezwungen, entweder die Optionen zurückzukaufen, wahrscheinlich teuer noch dazu, falls der Zeitwertverfall die Kursbewegung des Underlying nicht überkompensiert hat. Oder er muss sich nun doch mit einer neuen Portfoliostruktur auseinandersetzen, weil ihm eine Aktienposition abgerufen wird. Ursprünglich hatte er ja eigentlich vermeiden wollen, ein Teil seines Portfolios zu verkaufen, um Cash zu generieren und war auf die Short Call-Position ausgewichen. Allerdings muss der Abruf der Aktien nicht zwangsläufig ein Ärgernis sein. Hat der Port-
368
5
Feinsteuerung des Risikoprofils
foliomanager den Basispreis der Option im Sinne eines Verkaufslimits so gesetzt, dass er die Position ohnehin bei Erreichen dieses Niveaus verkauft hätte, hat er mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Er hat erstens temporär benötigtes Cash generiert, zweitens die Position auf seinem Preisziel veräußert und drittens sogar noch einen Zusatzertrag in Höhe der vereinnahmten Optionsprämie generiert. Falls ihm sein Short Put ins Geld läuft, verschärft sich sein Liquiditätsproblem noch, da ihm Aktien angedient werden, für deren Bezahlung er ebenfalls Cash benötigt und zwar mehr, als er zuvor an Optionsprämie eingenommen hatte. Er hat also während der Laufzeit der Option Gelegenheit, sich Gedanken zu machen, wie er seine Kasseposition erhöht. Eventuell kann er mit zwischenzeitlichen Kupon- und Dividendenzahlungen oder Fälligkeiten rechnen. Oder er nutzt die Zeit, um durch aktive Umstrukturierungen ein Kassepolster aufzubauen. Je nachdem, wie stark und schnell die Optionen im Verlauf ins Geld laufen, muss der Portfoliomanager sich gegebenenfalls schnell etwas einfallen lassen und sich entsprechend positionieren. Der Verkauf von Optionen zur Generierung von Cash ist beileibe nicht nur eine Domäne von Portfoliomanagern. Immer wieder gab es in der Vergangenheit Hinweise, dass beispielsweise Banken sich dieser Technik bedienten, um zu bestimmten Stichtagen ihre Kasseposition zu verbessern, zum Beispiel in Japan kurz vor dem Fiskaljahresende (o.V. 1998a). Einschränkend muss hier jedoch gesagt werden, dass beim Eingehen von Short Puts Sicherheitsleistungen in Form der Margin zu erbringen sind. Diese wirken liquiditätsbindend und konterkarieren die Absicht, über den Verkauf von Puts Cash zu generieren (Abschn. 2.4.6). Auch Staaten haben schon mit der Hilfe von Derivaten ihre Kasse- und Vermögenssituation stichtagsbezogen aktiv verbessert. So war bereits lange vor der sogenannten PIIGS-Krise 2010 bekannt, dass einige der südlichen Euroländer in großem Stile Swaps eingesetzt hatten, um ihr Budgetdefizit im Jahre 1997, dem Stichzeitpunkt für die Einhaltung der Maastrichtkriterien, zu drücken. Bei diesen Geschäften erhielten die Länder zu Beginn einen hohen Cash-Zufluss. Im Gegenzug waren in den kommenden Jahren entsprechende Ausgleichszahlungen fällig. Da diese Geschäfte nicht als Kredite ausgewiesen waren, weil sie beispielsweise als Sicherungsgeschäfte im Devisenbereich deklariert wurden, wirkten sie nicht belastend auf das Budgetdefizit. Italien war das erste Land, dessen Swap-Geschäfte öffentlich wurden. Aber auch Griechenland und Spanien standen schon damals im Verdacht kreativer Derivatetransaktionen (Thind 2002). Eine weitere Möglichkeit, um an Liquidität zu gelangen, ist der synthetische Verkauf auf Termin in Form der oben beschriebenen Box. Während oben beschrieben wurde, wie man mit Hilfe einer Box am Geldmarkt investiert, lässt sich die Box auch shorten, sodass man in dieser Form einen synthetischen Kredit aufnimmt. Eine andere, ganz einfache Möglichkeit mittels derivativer Instrumente über einen Kredit Cash zu generieren, besteht darin, eine bestehende Long-Position, zum Beispiel in einer Aktie, vollständig abzusichern, und dann diese synthetische Geldmarktposition als Sicherheit für einen Kredit einzusetzen. Diese Strategie kommt oft zum Einsatz, wenn Unternehmer ihr Klumpenrisiko in Form von Anteilen an der eigenen Firma diversifizieren
5.2 Liquiditätssteuerung
369
möchten (Abschn. 7.6.3.3). Durch einen perfekten Hedge wird das komplette Marktrisiko ausgeschaltet, ohne jedoch die Aktien zu verkaufen. Daher kann über diese Transaktion das wirtschaftliche Risiko von den Stimmrechten entkoppelt werden. Dem mögen jedoch rechtliche Einschränkungen entgegenstehen, die ein solches Vorgehen entweder verbieten oder zumindest meldepflichtig machen. Das abgesicherte Paket ist als Sicherheit für einen Kredit verwendbar. Diese liquiden Mittel können dann beispielsweise in ein breit diversifiziertes Aktienportfolio investiert werden. Dadurch ist der Investor weiter in der Lage, von einem Anstieg des gesamten Aktienmarkts zu profitieren, ohne das einzelwertspezifische Risiko in einem einzigen Titel zu konzentrieren. Oder er entscheidet sich für ein Investment in eine ganz andere Asset-Klasse, um das Risikoprofil seiner Gesamtanlagen radikal zu entschärfen. In der Hochzeit des Neuen Marktes um die Jahrtausendwende war die Beleihung einer abgesicherten Aktienposition eine Möglichkeit für Unternehmer, die ihr Unternehmen an die Börse gebracht hatten und dann über einen millionenschweren Aktienbestand verfügten, ihr Risiko so zu diversifizieren, dass ihr finanzielles Schicksal nicht mehr ausschließlich am Aktienkurs ihrer Firma hing. Eine etwas entschärfte Struktur ohne eigene Aktien im Bestand ist der Kauf eines Zero-Cost Collar. Der Investor verkauft einen Call und kauft einen Put, deren Basispreise so gelegt werden, dass keine Nettoinvestition erforderlich ist (Abschn. 4.6.2.2). Diese Struktur verwendet er als Sicherheit, um bei einem Kreditinstitut einen Kredit und damit Cash zu erhalten.
5.2.4
Erschließung von Liquidität
Die Umsätze in Derivaten übersteigen die Umsätze im Kassamarkt (Abschn. 2.1). Dies allein zeigt bereits, dass der Einsatz von Derivaten in sehr vielen Fällen, in denen es um Portfoliomanagement unter besonderer Berücksichtigung der Liquidität geht (beispielsweise bei sehr großen Positionen), vermutlich eine Wahl ist, die die Arbeit deutlich erleichtern kann. Dies gilt für sehr liquide Kassamärkte (durch S&P 500 Futures wird täglich mehr Aktien-Exposure bewegt als durch die im Index enthaltenen Aktien), aber noch viel mehr in Märkten mit einer dünneren Volumensdecke. Gerade wenn Kassamärkte illiquide sind, kann es sich lohnen zu überprüfen, ob es verwandte Derivatemärkte gibt, auf denen man das gleiche oder zumindest ein ähnliches Chance-Risiko-Profil in liquiderer Form erschließen kann. I
Wichtig Zunächst gilt der Grundsatz, dass man ein illiquides Asset durch eine wie auch immer geartete Umverpackung (und sei es eine derivative) nicht liquider machen kann; mit einer Ausnahme: Wenn das Derivat so spezifiziert ist, dass es die niedrige Liquidität mehrerer Komponenten oder Teilmärkte bündelt, kann der so zusammengezogene Liquiditäts-Pool ausreichend tief sein, um als Grundlage für ein liquideres Derivat zu dienen.
370
5
Feinsteuerung des Risikoprofils
Darüber hinaus können Derivate Zugang zu Liquidität verschaffen, wenn es gelingt, über sie einen Parallelmarkt aufzubauen. Ein typisches Beispiel hierfür ist der Markt für synthetisches Unternehmensanleiherisiko. Der Markt für europäische Unternehmensanleihen war schon immer dadurch geprägt, dass in Stressphasen die Liquidität teilweise dramatisch zurückging. Durch den Ankauf von Unternehmensanleihen durch die Europäische Zentralbank EZB ab dem Sommer 2016 (bzw. allein durch dessen Ankündigung), veränderte sich das Liquiditätsprofil weiter. Während die Aufnahmebereitschaft der EZB dafür sorgte, dass sich ein nicht-gewinnorientierter Käufer im Markt bewegte, der so einseitig für Liquidität sorgte, blieben genau aus diesem Grund viele Verkäufer dem Markt fern. Wer gute Anleihen besaß, tat sich sehr schwer damit, diese abzustoßen, da er nicht sicher sein konnte, adäquaten Ersatz besorgen zu können. So blieben viele Bestände, die sich in festen Händen befanden, dem Markt fern und sorgten für eine weiter eingeschränkte Liquidität. Als Alternative bietet sich in solchen Phasen möglicherweise der Markt für synthetisches Kreditrisiko in Form von Derivaten auf die iTraxx Main- und iTraxx Crossover-Indizes an. Die dort gehandelten Absicherungsprämien auf Unternehmensanleiheindizes eröffnen durch Bündelung und Konzentration in einem Index Zugang zu Investitionen in Unternehmensanleiherisiko. Es handelt sich aber um einen Parallelmarkt, der nicht direkt durch einen Arbitrage-Mechanismus mit dem Markt für Kassaanleihen verbunden ist. Daher muss jedem Investor klar sein, dass es Perioden geben kann (und auch schon gegeben hat), in denen sich die beiden Märkte entkoppeln. Wenn sich unterschiedliche Angebot-Nachfrage-Konstellationen auf den beiden Märkten bilden, können diese einander zeitweise auch mal diametral entgegenlaufen. Dann hat der Portfoliomanager zwar Liquidität erschlossen, aber nicht im Ziel-, sondern nur auf einem benachbarten Markt. Er befindet sich zwar am richtigen Bahnsteig, aber nur der Zug am Nachbargleis verlässt den Bahnhof. Er selbst kann nur hinterherwinken. Noch problematischer wird es, sofern man derartige synthetische Parallelmärkte nutzt, um ein Kassaportfolio abzusichern. Dann muss man sich bewusst sein, dass man einen klassischen Cross Hedge (Abschn. 3.5.5) mit all seinen Risiken betreibt.
5.3
Asset Allocation
Asset Allocation mit Derivaten ist denkbar einfach. I
Wichtig Man baut in der als weniger attraktiv eingestuften Asset-Klasse das Exposure ab zugunsten einer vielversprechenderen Asset-Klasse, deren Exposure man auf- oder ausbaut. Das ist aber nichts anderes als eine Kombination eines Short Hedge (Abschn. 3.1) mit einem Long Hedge (Abschn. 3.2).
Das Risiko im abzubauenden Asset wird reduziert, das Risiko im aufzubauenden Asset erhöht. Allein, es gilt sicherzustellen, dass die beiden Positionen im beabsichtigten Verhältnis zueinander bewegt werden. Das bedeutet im Aktienbereich meist, dass mittels der
5.3 Asset Allocation
371
Verrechnungseinheit „Kurswert“ gearbeitet wird. Das abzubauende Volumen würde also dem aufzubauenden entsprechen. Im Rentenbereich kann neben dem Euro-bezogenen Kurswert auch das Zinsänderungsrisiko herangezogen werden. Die Umschichtung würde so vorgenommen werden, dass sich das Zinsänderungsrisiko des Gesamtportfolios nicht verändert. Hintergrundinformation Amos (1997) beschreibt in einer Fallstudie den Umbau eines 4,5 Mrd. Pfund Sterling schweren Pensionsfonds mit der Hilfe von Futures.
Die verschiedenen Möglichkeiten, Märkte gegeneinander zu spielen, finden sich ausführlich im Abschn. 4.3.3.2 „Relative Value Trades“, da Asset Allocation-Positionen auch nichts anderes sind als Wetten auf die Wertentwicklung von zwei Märkten relativ zueinander. Man investiert in denjenigen, dem man eine größere Werthaltigkeit zubilligt auf Kosten des anderen.
5.3.1 Rebalancing Über die einfache Reallokation von Exposure hinaus können Derivate auch in speziellen Teilbereichen der Asset Allocation wertvolle Dienste leisten. Sieht ein Portfoliomanager beispielsweise die Vermögensaufteilung 70 % Aktien und 30 % Renten als optimal an, so wird sich diese Allokation durch die unterschiedliche relative Wertentwicklung der beiden Positionen im Zeitverlauf ändern. Wenn sich zum Beispiel Aktien besser entwickeln als Renten, steigt das Aktiengewicht zulasten des Rentenanteils über die 70 % hinaus. Bevor der Fondsmanager die abweichende Vermögenszusammensetzung wieder auf seine optimale Aufteilung zurückführt, muss er sich überlegen, welche Performance-Wirkung er sich davon verspricht und diesem Wert die Kosten der Umschichtung gegenüberstellen. Da er mit Derivaten die angestrebte Position auch synthetisch darstellen kann, dabei jedoch weniger Transaktionskosten generiert, erlaubt es ihm der Einsatz von Derivaten, sein Portfolio mit weniger Toleranz enger an der Zielallokation zu führen als bei der reinen Umsetzung über die Kasse (Abb. 5.2). Gerade die Möglichkeit, über Futures schnell und kostengünstig diversifizierte Positionen in anderen Ländern aufzubauen, ist ein Grund dafür, dass viele institutionelle Investoren derivative Instrumente einsetzen. Schon früh bediente sich die Mehrheit der Marktteilnehmer der Derivate zur Herstellung von synthetischem Exposure (60 % der befragten Anleger laut LIFFE 1996). Dabei spielt sicherlich auch eine Rolle, dass über den Kauf in Indexinstrumenten mit einer einzigen Transaktion Exposure in einem ganzen Markt auf- und abgebaut werden kann. Bedingte Asset Allocation Die Eigenschaft von Optionen, dass sich deren Exposure vor Verfall über das Delta verändert (Abschn. 2.4.5.1), kann gezielt für eine automatische Änderung der Asset Allocation
372
5
Feinsteuerung des Risikoprofils
Soll-Struktur
Kasse-Strategie
Future-Strategie
0%
10%
20%
30%
Aktien
40%
Toleranz
50%
60%
70%
80%
90%
100%
Renten
Abb. 5.2 Schwankungsbreiten bei Kontrolle der Asset Allocation
genutzt werden. Möchte ein Anleger sein Markt-Exposure zyklisch ausbauen, kann er sich beispielsweise eines Long Call bedienen. Kauft er den Call am Geld, weist dieser ein Delta im Bereich von 0,5 auf. Er verfügt damit also zur Hälfte über eine Long-Position im Aktienmarkt. Verzeichnet der Markt Kurszuwächse, läuft die Option mehr und mehr ins Geld, das Delta steigt und damit das Aktienmarkt-Exposure. Im Extremfall verfügt er bei stark steigenden Kursen über ein reines Aktien-Investment. Umgekehrt reduziert sich das Delta bei fallenden Kursen, sodass sich das Aktien-Exposure automatisch zurückbildet, im Extremfall bis auf null. Ist der Manager bereits im Aktienmarkt investiert, kann er den gleichen Effekt durch den Kauf einer Verkaufsoption erzielen. Bei fallendem Markt wird das Delta des Puts immer negativer und sichert immer größere Teile des Portfolios ab, während es nach oben mehr und mehr Teile des Aktienportfolios freigibt. Stephen A. Ross war einer der ganz Großen der Finanzbranche. Als Akademiker hat er Meilensteine der Finanzmarkttheorie und -praxis wie die Arbitrage Pricing Theory und das Binomialmodell (mit)entwickelt und ist auch in der Literaturliste dieses Buchs mehrfach vertreten. Darüber hinaus wirkte er viele Jahe als professioneller Investor und Berater. Mit all seiner jahrzehntelangen Erfahrung im Rücken war er ein starker Befürworter der Strategie, in der eben beschriebenen Art und Weise Konvexität ins Portfolio einzubauen. Um das Risiko eines Portfolios zu verändern, sah er drei Möglichkeiten: 1. Änderung der Allokation, durch Erhöhung oder Senkung der Quote risikoreicher Assets. 2. Austausch von angestellten Managern oder Kauf von stark beworbenen „MarketingProdukten“, wovon er allerdings dringend abrät [„Sie bekommen weniger raus, als Sie reingesteckt haben“ (Ross 2016)]. 3. Die von ihm bevorzugte Variante: „Bringen Sie Konvexität ins Portfolio!“ (ebenda)
5.3 Asset Allocation
373
Möchte sich der Anleger eher antizyklisch verhalten, kann er eine Kasseposition mit einem Short Put kombinieren. Dieser baut bei fallenden Kursen Exposure auf. Oder er veroptioniert ein bestehendes Aktienportfolio über einen Covered Short Call. Der Short Call baut das Exposure der Aktienposition bei steigenden Kursen sukzessive ab und gibt es bei fallenden Kursen Stück für Stück frei. Auch in anderer Form können Optionen auf der Asset Allocation-Ebene für regelmäßige Rebalancierungen eingesetzt werden. Beispielsweise könnten sich in einem Kalenderjahr Aktien sehr positiv und Renten sehr negativ entwickelt haben. Dann würde im Portfolio wie auch in der Benchmark das Gewicht der Aktien relativ zu den Renten deutlich ansteigen. Wird jetzt die Mischung der Benchmark beispielsweise am Jahresanfang wieder auf das Ursprungsverhältnis zurückgesetzt, muss dies im Portfolio nachvollzogen werden, will der Portfoliomanager nicht mit einer deutlichen Aktienübergewichtung ins neue Jahr starten. In diesem Fall kann er zumindest einen Teil der erforderlichen Umschichtung über Short Calls auf Aktien und Short Puts auf Renten vorbereiten. Bleiben die relativen Verhältnisse zwischen den Asset-Klassen wie sie sind oder weiten sich gar noch aus, hat er für die ohnehin erforderliche Reallokation einen Zusatzertrag eingefahren. Dafür können die verkauften Optionen jedoch schon im alten Jahr ins Geld laufen und so die relative Performance gegenüber der optionslosen Benchmark belasten. Ob und in welcher Größenordnung ein Portfoliomanager sich das leisten kann und will, muss er in konkreten Einzelfall entscheiden. Bilden sich die Verhältnisse zurück, werden die Optionen eher nicht ausgeübt werden. Der am Stichtag verbleibende Umschichtungsbedarf ist dann entsprechend kleiner oder gar nicht mehr existent. Zusätzlich wurde die Performance durch die vereinnahmte Optionsprämie verbessert. Hintergrundinformation Eine derartige Position kann der Manager natürlich auch dann aufsetzen, wenn er erwartet, dass Renten Aktien schlagen, unabhängig von einer Benchmark-Anpassung. Dann wären wir jedoch bei den zu Anfang des Kapitels beschriebenen „normalen“ Exposure-Anpassungen über Derivate und haben insofern wieder ein Beispiel für „Eine Derivateposition – Mehrere mögliche dahinterstehende Anlageideen“. Um die Überlegungen zur bedingten Asset Allocation noch in einen breiteren Rahmen einzubetten, lohnt sich ein Blick auf den grundsätzlichen Umgang mit konvexen und konkaven Strategien in Abschn. 5.17 (siehe „Kontrolle konvexer und konkaver Strategien“).
Es ist leicht ersichtlich, dass auch dieses Vorgehen ein gewisses Fingerspitzengefühl und eine kontinuierliche Überwachung erfordert. Schließlich kann es zum Beispiel sein, dass sich beide Assets plötzlich mit einer hohen Korrelation bewegen. So könnten sowohl Aktien als auch Renten steigen, die Renten jedoch in deutlich stärkerem Ausmaß, sodass sich die Gewichtung in Richtung der Renten verschiebt. Im Extremfall kommt es zu einer Rentenüber- und Aktienuntergewichtung. Dennoch würde der Short Call auf Aktien tief im Geld enden und die Aktienquote würde über die abgerufenen Aktien weiter reduziert werden. Im Endeffekt träte so das Gegenteil dessen ein, was ursprünglich angedacht war.
374
5
5.3.2
Feinsteuerung des Risikoprofils
Internationale Asset Allocation
Die Besonderheit bei der internationalen Asset Allocation ist selbstverständlich die Währung. Wenn man also die Hedge Ratio einer internationalen Asset Allocation berechnet, muss man als kleine Eigenheit berücksichtigen, dass man die beiden Teile der Position einheitlich auf eine Währung normiert. Beispiel
Nehmen wir an, ein Portfoliomanager rechnete damit, dass die Zinsen in Amerika stärker steigen als in Deutschland. Um diese Prognose umzusetzen, könnte er seine USAnleihen verkaufen und deutsche Staatsanleihen dagegen kaufen. Alternativ dazu kann er Derivate nutzen, um synthetisch sein Risiko in amerikanischen Staatsanleihen abund in deutschen Staatsanleihen aufzubauen. Recht einfach lassen sich die erforderlichen Positionen berechnen, wenn man das Zinsrisiko in Geldbeträgen ausdrückt und diese dann über den Devisenkurs in eine einheitliche Währung überführt. Gesetzt den Fall, der amerikanische Treasury Future hätte einen BPV von 70,70 US-Dollar. Der BPV ist der Wert eines Basis Punkts (Basis Point Value; Abschn. 3.3.2.1). Bei einem Zinsanstieg von einem Basispunkt (bp) fällt der Wert eines Kontrakts um 70,70 US-Dollar. Für unser Beispiel hätte der Bund Future einen BPV von 82,86 C. Der aktuelle Wechselkurs stehe bei 1,4 US-Dollar je Euro oder 1 / 1,4 D 0,7143 C je US-Dollar. Dann wäre die Hedge Ratio, ausgedrückt in Bund Futures je Treasury Future: .BPVTreasury Euro je Dollar/=.BPVBund / D .70;70 0;7143/=82;86 D 0;6095 Jedem Treasury Future müssen also 0,6095 Bunds gegenüber gestellt werden. In dieser Relation haben die beiden Positionskomponenten das gleiche Zinsrisiko in einer Währung. Freilich besteht die Zinssensitivität gegenüber unterschiedlichen Zinskurven, aber das war ja so gewollt – und ist ein Beispiel für den eben angesprochenen Relative Value Trade. Geht der Portfoliomanager also 100 Treasury Futures Short, muss er diesen 61 Bund Futures Long gegenüberstellen. Bewegen sich die beiden Zinskurven jeweils um einen Basispunkt, ergeben sich aus beiden Hedge-Komponenten die gleichen Wertveränderungen, abgesehen von einer kleinen Rundungsdifferenz. 70;70 US-Dollar 0;7143 =US-Dollar 100 D 5050 82;86 61 D 5054 Nun müssen sich nur noch die Bunds besser entwickeln als die Treasuries, das heißt, die Bundrenditen müssen entweder stärker fallen oder weniger stark steigen als die Treasury-Renditen. Einige mögliche Entwicklungen und die daraus resultierenden Ergebnisse dieser Allokationsentscheidung werden in Abb. 5.3 beispielhaft betrachtet.
5.3 Asset Allocation
375
BPV
Zinsänderung (bp)
Kontrakte
G&V
Bundzinsen
Bund
82,8600 €
-10
61
fallen schneller
Treasury
50,5010 €
-5
-100
- 25.251 €
Bundzinsen
Bund
82,8600 €
5
61
- 25.272 €
steigen langsamer
Treasury
50,5010 €
10
-100
Zinsen
Bund
82,8600 €
10
61
steigen gleich
Treasury
50,5010 €
10
-100
50.501 €
US-Zinsen
Bund
82,8600 €
-5
61
25.272 €
fallen schneller
Treasury
50,5010 €
-10
-100
Ergebnis
50.545 €
50.501 €
25.294 €
25.229 €
- 50.545 €
- 50.501 €
-44 €
- 25.229 €
Abb. 5.3 Beispiel internationale Rentenallokation/Spread Trade
In den ersten beiden Szenarien geht die Anlageidee auf. Die Allokation erzielt ein positives Ergebnis. Im dritten bewegen sich die beiden Märkte parallel zueinander. Damit kann die Position auch keinen positiven Beitrag liefern (Die Abweichung zu einem Nullergebnis ist der Rundung der Kontraktzahl geschuldet). Im letzten Szenario entwickeln sich die Märkte entgegen der Erwartung. Demzufolge war die Allokation nicht gut und produziert einen Verlust. An diesem Beispiel zeigt sich, dass Futures bei richtiger Betrachtung durchaus geeignet sind, Transparenz hinsichtlich der Ergebnisse von Anlageentscheidungen herzustellen. Im Gesamtergebnis aus beiden Allokationskomponenten spiegelt sich die Richtigkeit der Allokationsentscheidung wider. Hätte der Portfoliomanager die Allokation in der Kasse umgesetzt, also US-Staatsanleihen in deutsche getauscht, wäre nicht unmittelbar ersichtlich gewesen, ob die Idee aufgegangen ist oder nicht. Für sich genommen hätten die Bundesanleihen im ersten und vierten Fall Kursgewinne erzielt, im zweiten und dritten Fall jedoch Verluste zu Buche stehen gehabt. Da die Opportunitätsgewinne/-verluste der Treasury-Position nicht ausgewiesen sind, weil sie aufgelöst worden war, bleibt das Ergebnis unvollständig und müsste zumindest um eine Schattenrechnung ergänzt werden.
5.3.2.1 Trennung von Markt und Währungs-Exposure Ein ganz entscheidender Vorteil von Futures im Rahmen der internationalen Asset Allocation ist die natürliche Trennung des Marktrisikos vom Währungsrisiko. Erwirbt ein Portfoliomanager amerikanische Aktien, so kauft er damit gleichzeitig ein Dollarrisiko ein, da sein investiertes Kapital im US-Dollar gebunden ist. Geht seine Anlageidee bezüglich eines steigenden amerikanischen Aktienmarktes auf, kann es dennoch sein, dass die Position ihm einen negativen Ergebnisbeitrag einbringt, wenn die Verluste in der Währung die Gewinne am Aktienmarkt übersteigen. Durch Abschluss eines Devisentermingeschäfts kann er das Währungsrisiko reduzieren. Allerdings ist ein vollständiger
376
5
Feinsteuerung des Risikoprofils
Hedge schon allein aufgrund der Unsicherheit über die Höhe des auf Termin abzusichernden Betrags illusorisch. Dazu gesellt sich der oftmals ungewisse Tag der Auflösung des Währungs-Hedges, weil der Portfoliomanager meist nicht weit im Voraus weiß, wann er die zugehörige Aktienposition veräußern wird – geschweige denn zu welchem Kurs. Im Rentenbereich mag dies noch angehen. Sofern der Anleger die Anleihe bis zur Fälligkeit hält, steht für ihn fest, wann er Zahlungen aus Kupon und Kapitalrückzahlung erhält. Diese kann er dann einfach absichern. Verkauft der die Anleihe jedoch vor Fälligkeit, wird der Hedge allenfalls zufällig perfekt sein. Die einfachste Methode, ein Risiko abzusichern, besteht darin, es gar nicht erst einzugehen. Daher besteht eine wesentlich elegantere Methode, ungewolltes Währungsrisiko zu eliminieren, darin, es über den Kauf von Index-Futures auf den amerikanischen Aktienmarkt gar nicht erst an Bord zu nehmen. Belässt der Fondsmanager die für den Aktienkauf vorgesehenen Gelder im Euro-Geldmarkt, so erzielt er damit eine Dollar-gehedgte Position im US-Aktienmarkt, die allenfalls über die in US-Dollar notierende Margin-Zahlungen und -erträge von Währungsbewegungen tangiert wird. In der Praxis sind gegebenenfalls auch Zinsdifferenzen in die Überlegungen mit einzubeziehen. Ist er für die Währung oder die US-Geldmarktzinsen ebenfalls positiv eingestellt, so genügt eine Überführung der Euro-Geldmarktposition in den US-Geldmarkt, um eine dem direkten Kauf von Aktien äquivalente Position aufzubauen. US-Dollar-Aktien US-Dollar-Cash + Index Future Euro-Cash + Devisentermingeschäft + Index Future Euro-Cash + Index Future
= Aktien-Exposure in US-Dollar = Aktien-Exposure in US-Dollar = Aktien-Exposure in US-Dollar = Aktien-Exposure in Euro
Auch in unserem Beispiel aus Abschn. 5.3.2 (Verkauf US-Treasury Notes/Kauf Bunds) hat der Portfoliomanager den Vorteil, dass seine Position (fast) nur von der Zinsentwicklung in den beiden Ländern beeinflusst wird. Der Preis dafür ist allerdings, dass die Position hin und wieder angepasst werden muss und zwar nicht nur deshalb, weil die Zinssensitivität sich ändern kann, sondern auch, weil der mitunter recht volatile Wechselkurs in die Berechnung der Hedge Ratio einfließt und diese dadurch ebenfalls Schwankungen unterworfen ist. I
Tipp Insgesamt kann man die Überlegungen bei internationalen Engagements grob wie folgt in einer Daumenregel ausdrücken: Will man das Währungsrisiko, kauft man das Underlying. Will man es nicht, kauft man das Derivat.
Diese Regel gilt mit Abstrichen auch für Optionen. Da beim Kauf von Long Exposure mittels Long Calls lediglich die Optionsprämie in Fremdwährung eingesetzt werden muss, ist auch hier das Währungsrisiko deutlich geringer als bei der direkten Investition in das Underlying. Eine Ausnahme bildet natürlich der Einsatz von Low Exercise Price Options (LEPOs), deren Basispreis so niedrig angesetzt ist, dass die Option einen inneren Wert aufweist, der (fast) vollständig dem Kurswert des Underlying entspricht.
5.3 Asset Allocation
377
Auch bei der Absicherung von Aktien, die in Fremdwährung notiert werden, eröffnet der Einsatz von Optionen zusätzlichen Gestaltungsspielraum für den Portfoliomanager. Kauft man beispielsweise einen Put auf eine US-amerikanische Aktie, so ist diese ab dem Basispreis gegen Aktienkursverluste abgesichert. Was bleibt, ist das Risiko, dass das aus der Aktienabsicherung erzielte Gesamtergebnis in Dollar ausgezahlt wird. Fällt dieser relativ zum Euro, sind weitere Verluste in der Portfoliowährung Euro die Folge. Um sich dagegen abzusichern, kann eine separate Dollar-Option abgeschlossen werden. Eleganter ist der Erwerb einer Composite Option. Bei diesem Instrument ist das Underlying in der einen Währung notiert, der Basispreis jedoch in einer anderen. Die Volatilität der Fremdwährungsaktie setzt sich aus den beiden Komponenten Kurs- und Währungsvolatilität zusammen (Solnik 1998): 2 2 2 D ¢Aktie,lokal C ¢Währung C 2.Aktie,lokal; Währung/ ¢Aktie,lokal ¢Währung ¢gesamt
(5.2)
Daraus ergibt sich bei nicht perfekter Korrelation zwischen Bewegung der Aktien und des Wechselkurses (wovon auszugehen ist) Diversifikationspotenzial, das sich letztlich in einer niedrigeren impliziten Volatilität der Composite Option und damit in einer geringeren Optionsprämie widerspiegelt.
5.3.2.2 Reduzierung von Abrechnungsfriktionen Eine weitere Besonderheit bei der internationalen Asset Allocation ist, dass Futures in der Regel schnell abgewickelt werden. Es kann mehrere Tage, im Extremfall gar Wochen dauern, bis beispielsweise ein asiatisches Mischportfolio aus Aktien und Renten in ein amerikanisches überführt ist. Der Verkauf über mehrere Zeitzonen hinweg, die sich anschließende Abrechnung und das Bereitstellen des monetären Gegenwerts bis er dann in den USA investiert werden kann, ist aufwändig. Das Agieren mit Futures auf Indexebene ist demgegenüber schneller aufgesetzt, transparenter und schneller abgewickelt, sodass Anlageideen, bei denen es auf eine schnelle Implementierung ankommt, teilweise nur über diesen Weg umgesetzt werden können.
5.3.3 Erschließung neuer Asset-Klassen Im Zuge der Optionsbewertung tauchte ein neuer Parameter an den Finanzmärkten auf: die implizite Volatilität. Bald wurde Volatilität separat erwerbbar (Abschn. 4.4, insbesondere Abschn. 4.4.1 und 4.4.3). Der Einsatz von Derivaten führt also dazu, dass sich das Spektrum zur Diversifikation eines Portfolios über weitere Risikoprämien erweitert. Das Hauptargument für eine Investition in Volatilität ist ihre Wirkung als absichernder Diversifikator im Portfoliokontext. Diese Wirkung beruht auf der ausgeprägt negativen Korrelation zwischen der Kursentwicklung des Underlying und seiner Volatilität (Turner et al. 1989; Haugen et al. 1991; Glosten et al. 1993; Abschn. 4.2.1.5.3, 7.2.4 und 7.2.2.4). Zwei Theorien versuchen, diesen Zusammenhang zu begründen. Einerseits erhöht ein
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5
Feinsteuerung des Risikoprofils
Kursrückgang den finanziellen Hebel eines Unternehmens und dadurch auch das Risiko der Aktien (Black 1976b; Christie 1982; Schwert 1989). Andererseits wäre es denkbar, dass ein plötzlicher Volatilitätsanstieg der Aktie dafür sorgt, dass die von Investoren geforderte Eigenkapitalrendite angehoben wird, was im Rahmen einer Volatilitätsrückkopplung gleichzeitig dazu führen könnte, dass der Aktienkurs entsprechend fällt (French et al. 1987; Bekaert und Wu 2000; Wu 2001; Kim et al. (2000); Hafner und Wallmeier 2007). Ein weiteres Argument für die Investition in die neue Asset-Klasse Volatilität ist die mögliche Präsenz einer Volatilitätsrisikoprämie (Abschn. 4.4.2, siehe „Spread implizite/historische Volatilität“). Neben der Volatilität sind auch Risikoprämien wie Korrelation (Abschn. 4.4.7) oder Sprung-/Tail Risk – als Teilrisiken des Volatilitätsrisikos – investierbar. Um Letztere zu handeln, werden Optionen weit aus dem Geld ge- oder verkauft (Cui et al. 2013; Abschn. 7.2.6). Auch die isolierte Investition in Dividenden wäre ohne Derivate niemals möglich geworden. Derivate erweitern also das Anlagespektrum und ermöglichen eine bessere Diversifikation und damit eine strategische Risikoreduktion.
5.4
Indexierung
Indexorientiertes Management spielt heutzutage eine derart wichtige Rolle, dass man schnell auf den Gedanken kommen könnte, dass es das schon immer gegeben hat. Doch obwohl die Idee der Nachbildung der Performance eines Index nicht schon immer präsent war, blickt sie auf eine lange Historie zurück. Bereits 1971 hat ein amerikanischer Pensionsfonds ein Portfolio aufgebaut, mit dem er den gleichgewichteten Index der New York Stock Exchange nachbauen wollte. Das eingesetzte Volumen belief sich auf sieben Millionen US-Dollar (Ineichen 2000). Erst fünf Jahre später folgte der erste Aktienindexfonds, aufgelegt von der amerikanischen Vanguard Gruppe. Die Nachbildung eines Index wurde zunächst über den Kauf von Einzeltiteln bewerkstelligt, sei es durch eine 1:1-Abbildung der Indexstruktur, durch teilweise Replikation oder eine modellunterlegte Optimierung (eine kompakte Übersicht über unterschiedliche Indexierungsverfahren findet sich beispielsweise in Kommalpha 2010; vgl. auch Chen und Kwon 2012). Anfang der 1980er-Jahre eröffnete sich die Möglichkeit für eine weitere Nachbildungsvariante, die synthetische Nachbildung des Index mittels Futures. Während börsennotierte Warenterminkontrakte bereits Mitte des 19. Jahrhunderts das Licht der Welt erblickten, dauerte es bis 1982, bis das Kansas City Board of Trade mit dem Value Line Composite Index Future den ersten Aktienindex-Future auf den Markt brachte. Die Chicago Mercantile Exchange setzte gleich darauf mit einem Kontrakt auf den S&P 500 nach. In Europa dauert es zwei weitere Jahre, bis im Mai 1984 an der Londoner LIFFE der Handel mit Futures auf den FTSE 100 aufgenommen wird. Und in Deutschland wurde erst im Jahr 1990 an der Deutschen Terminbörse DTB der DAX-Future angeboten.
5.4 Indexierung
379
Synthetische Indexierung Wenn es doch schon mehrere Möglichkeiten gab, einen Index abzubilden, warum sollte man sich bei diesem Thema dann auch noch mit Derivaten herumschlagen? Nun, die synthetische Indexierung ist sicherlich nicht der Stein der Weisen, der per se den anderen Indexierungsmethoden überlegen wäre. Aber es gibt ein paar Aspekte, die die Indexierung über Derivate im Allgemeinen zumindest zu einer überlegenswerten und in bestimmten Aufgabenstellungen auch zur besten Alternative machen. Es gibt verschiedene Ansätze für eine derivative Indexierung. Wir wollen uns zunächst auf den Einsatz von Long Futures konzentrieren und daher auch andere Möglichkeiten, wie zum Beispiel die Abbildung über Swaps, außen vor lassen. Das erste Argument, das man anführen kann, sind, wie schon an anderen Stellen gewürdigt, die niedrigen Kosten (Abschn. 4.5). In enger Verbindung dazu steht die hohe Liquidität, die einerseits dafür sorgt, dass es überhaupt möglich ist, Exposure in großem Stil zu verschieben. Darüber hinaus wirkt sie ebenfalls über die Senkung der Transaktionskosten, da die Transaktionen in einem hochliquiden Markt mit geringerer Preiseinwirkung absorbiert werden. Aus diesen Gründen sind Derivate meist die Produkte der Wahl, wenn es darum geht, überschüssige Cash-Bestände in den Markt zu stellen, um nicht von einem Anstieg des Marktes mit einem Zuviel an performance-bremsender Liquidität überrascht zu werden (Abschn. 5.2.1). Allerdings ist dieses Argument nicht allgemeingültig, da die Auswahl an Index-Futures eingeschränkt ist, insbesondere wenn man ein großes Portfolio bewegen muss und auf hochliquide Kontrakte angewiesen ist. Darüber hinaus sind Index-Futures insofern operativ recht angenehm, als die Indexierung schnell vonstattengehen kann. Sie erfordert nicht viel Zeitaufwand, um ein recht gutes Abbildungsergebnis zu erhalten. Das liegt daran, dass in der Preisbildung des IndexFutures der Index schon vollumfänglich angelegt ist, da Future = Index + Basis (Abschn. 2.3.3 und 2.3.4.1). Außerdem geht die Abwicklung internationaler Transaktionen schnell vonstatten: Man bestimmt das gewünschte Exposure, teilt diesen Betrag durch den Gegenwert eines einzigen Future und erhält die erforderliche Kontraktanzahl. Eingabe ins System. Automatisierte Anlagegrenzkontrolle. Fertig. Ermöglicht wird dies durch das hohe Maß an Transparenz, das diesen schnörkellosen Produkten zu eigen ist. Man weiß jederzeit was drin und wie viel es wert ist. Um es gleich vorweg zu nehmen. Bei einem Vergleich von Methoden zur Indexabbildung gibt es kein eindeutiges Ergebnis im Sinne von „Synthetische Indexierung ist besser oder schlechter als Indexierung über den Kassamarkt“. Zunächst einmal hängt dies von einer ganzen Reihe von Faktoren ab, wie zum Beispiel der Größe des Portfolios, dem regionalen und sektoralen Investitionsschwerpunkt oder dem abzubildenden Index. Waring und Attwood (1999) haben eine solch internationale Untersuchung angestellt und kommen zu national sehr unterschiedlichen Ergebnissen aus Sicht eines USInvestors. Während sich für diesen zum damaligen Zeitpunkt ein deutlicher Vorteil ergab, wenn er den deutschen Aktienmarkt via Futures investierte, war das synthetische Investment in den japanischen Aktienmarkt deutlich teurer als das Kassa-Investment. Allerdings
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Feinsteuerung des Risikoprofils
berücksichtigen sie beispielsweise nicht die Möglichkeit zum In-House-Handel, wie er großen institutionellen Investoren zur Verfügung steht. Da bei dieser Transaktionsart interne Orderströme miteinander abgeglichen und verrechnet werden, entfallen eine Menge Transaktionskosten zugunsten der Kassaindexierung. Darüber hinaus ist gerade die Kostenkomponente „Markteinwirkung“ sehr schwierig abzuschätzen. Gerade diese darf man bei größeren Volumina aber nicht unter den Tisch fallen lassen. Auch ändern sich die Vergleichswerte ständig. Beispielsweise unterliegen die Handelsformen im Kassamarkt und die weltweit transaktionsrelevanten Steuern ebenso einem permanenten Wandel wie regulatorische Rahmenbedingungen (Abschn. 4.1.1). Selbst wenn man also für sein individuelles Portfolio die optimale Indexierungsmethode ermittelt hat, gilt es diese fortlaufend zu überprüfen, da ein etwaiger Vorteil der einen oder anderen Indexierungsart immer nur ein temporärer ist. Tatsächlich geschieht dies bei den Anbietern von Indexfonds fortlaufend, sodass immer wieder Produkte von physischer auf synthetische Abbildung umgestellt werden und umgekehrt. Aus diesem Grund werden auch die folgenden Ausführungen beachtenswerte Aspekte beleuchten, ohne diese jedoch in jedem Fall hinsichtlich ihrer Vorteilhaftigkeit bewerten zu wollen. Zunächst einmal kann eine synthetische Indexierung interessant sein, wenn es darum geht, ein komplexes Underlying durch ein einziges Instrument wie einen Index-Kontrakt abzubilden. Dabei geht es weniger um den Zeitpunkt des Portfolioaufbaus. Der Handel eines Aktienkorbs ist heutzutage für einen institutionellen Investor mit nicht viel mehr Aufwand verbunden wie der Kauf eines Future. Aber man spart sich viel Arbeit und Abweichungsrisiko, wenn der Kontrakt Anpassungen im Underlying automatisch abbildet. Beispiel
Ein typisches Beispiel sind Änderungen in der Zusammensetzung eines Index, sei es durch Austausch von Indexmitgliedern oder einfach durch Neugewichtungen wie sie beispielsweise bei Änderungen in der freien Marktkapitalisierung auftreten können. Diese Änderungen können beträchtliche Ausmaße annehmen. So kam es beispielsweise im S&P 500 im Jahr 2000 zu nicht weniger als 58 Auswechslungen von Indexmitgliedern (Garnick et al. 2001). Bildet man den Index kleinteilig über einen präzisen Kauf der einzelnen Komponenten ab, ist hier stetes, zeitnahes und kostenträchtiges Handeln erforderlich, wenn man sich kein Abweichungsrisiko leisten möchte. Die dramatische Reduzierung der Komplexität, die daraus resultiert, auch umfangreiche Indizes mit einer einzigen Order abbilden zu können, kommt insbesondere dann zum Tragen, wenn es um breit diversifizierte Indizes geht. Aus diesem Grund sind alle börsengehandelten Fonds (ETFs), die einen Index tracken, entweder vollständig oder zumindest teilweise synthetisch konstruiert – zumindest so lange, bis die nächste Änderung der Rahmenbedingungen, zum Beispiel steuerlich, den Anlagerahmen wieder entscheidend verändert (s. u.).
5.4 Indexierung
381
Andererseits ergeben sich beim Synthetisieren mittels Derivaten operativ ganz eigene Herausforderungen. Die gehebelte Natur des Future bringt es mit sich, dass aus kleinen Fehlern manchmal ein großer Schaden entstehen kann. Beispiel
Beispielsweise können sich im Umgang mit den weniger vertrauten Futures eher mal Fehler einschleichen, sei es, weil der Kontraktmultiplikator falsch in die Berechnung der Kontraktanzahl einbezogen wurde oder weil sich bei längerfristiger synthetischer Indexierung beim obligatorischen Rollen oder der Margin-Bearbeitung ein Fehler einschleicht oder man nicht bedacht hat, dass in der Abwicklung auch ein Broker und (sicherlich in deutlich geringerem Maße) die Derivatebörsen ein Counterparty-Risiko darstellen. Das Handwerkszeug für die derivative Indexierung ist mittlerweile fein abgestuft. Man kann den Long Future nicht nur auf einen Index eingehen, sondern sich auch im Branchenbereich ebenso wie auf Ebene einzelner Aktien bewegen. Und seit wenigen Jahren kann man in Form eines Future auf den MSCI World Index den Großteil der gesamten Asset-Klasse Aktien abbilden. Die Motivation für eine synthetische Indexierung basiert nicht auf der Erwartung, mit diesem Ansatz einen Mehrertrag aus einer Unterbewertung des Derivats zu generieren. Hill und Naviwala (1998) zeigen, dass dies in der frühen Phase des Handels im S&P 500Future Anfang der 1980er-Jahre noch möglich gewesen wäre, die Gelegenheiten sich jedoch im weiteren Verlauf reduzierten. Vielmehr ist das synthetische Vorgehen in der Lage, niedrige Tracking Errors zu produzieren, obwohl es eine Reihe von Faktoren gibt, die einen von null abweichenden Tracking Error induzieren können (Hill und Naviwala 1998; Miller und Roberts 2000; Johnson et al. 2013). Dazu gehört natürlich die Entwicklung der Basis, die insbesondere jenseits des Tracking Errors beim Schließen der Long-Position eine erfolgsentscheidende Komponente darstellt. Für Abweichungspotenzial sorgt auch die Behandlung der Dividenden. Dafür spielt zunächst einmal eine Rolle, welche Dividenden im Index reinvestiert werden, also welche steuerlichen Abschläge hier gegebenenfalls vorgenommen werden. Demgegenüber steht die steuerliche Behandlung der Dividenden im tatsächlich investierten Portfolio. Je nachdem, wie diese aussieht, ist die steuerliche Behandlung der jeweils anfallenden Erträge ein Faktor, der in Wahl der Indexierungsmethode eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen sollte. Je nach herrschendem nationalen Steuerregime im Investitionsland und den Wechselwirkungen mit den Vorschriften im Land des Investors können sich für die synthetische Indexierung bedeutende Vor- oder Nachteile ergeben. Diese kann man jedoch wiederum nicht pauschalieren, da der steuerliche Abschlag auf Dividenden für In- und Ausländer oftmals ebenso unterschiedlich ist wie die Möglichkeit der Rückerstattung und die Anrechnungsmöglichkeit für gezahlte Steuern, die gelegentlich sogar einen Steuerbonus für bestimmte Anlegergruppen beinhalten kann. Wenn ein einheimischer Anleger auf seine Dividende eine Steuergutschrift erhält, kann dies dazu führen, dass die tatsächlich erhalte-
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Feinsteuerung des Risikoprofils
ne Dividende am Ende sogar höher ausfällt als die ausgewiesene. In diesem Fall bietet es sich an, eine Steuer-Arbitrage-Position aufzusetzen, indem man die steuerlich subventionierten Aktien long und den Future dagegen short geht. Dadurch kommt es zu Druck auf die Future-Preise, was wiederum ein ausländischer Investor nutzen kann, um mit billigen Futures eine für ihn vorteilhafte synthetische Long-Position einzurichten. Dieser steuerliche Effekt ist dann natürlich auch ein wichtiger Einflussfaktor für die Entwicklung der Basis. Allerdings wird diese Rechnung insofern wieder relativiert, als zum Beispiel ein französischer Investor sich seine Steuergutschrift auch derart sichern kann, dass er sich die Aktien von einem ausländischen Investor, der diese Gutschrift nicht erhält, über den Dividendentermin leihen kann. Der ausländische Investor profitiert insofern davon, dass der französische Investor bereit ist, ihm einen Teil seines Vorteils in Form eines höheren Satzes für die Wertpapierleihe zukommen zu lassen. Damit gewinnt das Halten von Aktien für den ausländischen Investor wiederum an relativer Attraktivität (Warin und Attwood 1999). Neben der Frage, welche Dividenden in den Index reinvestiert werden, spielt für das dividendeninduzierte Abweichungsrisiko zum Index die zeitliche Komponente eine Rolle, also wann die Dividenden berücksichtigt werden. So ist es im Kassamarkt schwierig, einen Index zu tracken, der die Dividenden der in ihm enthaltenen Aktien nicht dann berücksichtigt, wenn sie ausgezahlt werden, sondern gleichmäßig über das Jahr verteilt, während die Dividenden im Portfolio eben mit der Auszahlung wirksam werden. Und egal, wie die Dividenden rechnerisch in den Index einfließen, den operativen Aufwand der Wiederanlage der Dividenden hat der über den Kassamarkt Indexierende auf jeden Fall. Generell mag ein Kontrakt auf den Index im Bereich der Dividenden also einen gewissen Vorteil entwickeln. Teilweise hat der Investor das Ergebnis seiner synthetischen Indexierung selbst in der Hand. Durch geschicktes Rollen der Kontrakte, also dadurch, die offene Long-Position möglichst teuer zu verkaufen und den Future in der nächsten Fälligkeit möglichst billig zu kaufen, kann er die Bilanz seines Derivateeinsatzes spürbar verbessern. Dabei gilt es, alle Faktoren, die den Calender Spread beeinflussen, im Auge zu behalten und die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen (Abschn. 4.3.3.1 und 7.11). Hierzu zählen vor allem die Einschätzung zur Entwicklung der Zinsstrukturkurve und Dividendenüberraschungen insbesondere von Unternehmen, die eine hohe Gewichtung im Index haben. Allerdings gibt es Hinweise darauf, dass Long-Investoren in Index-Futures in den vergangenen Jahren zunehmend mit steigenden Roll-Kosten von bis zu einem Prozent zu kämpfen hatten (DAWM 2015). Das Management der Cash-Bestände spielt ebenfalls eine wichtige Rolle für ein erfolgreiches Management einer synthetischen Indexierung, schließlich stehen auch dann, wenn die Initial Margin durch Cash und nicht durch die Hinterlegung von gesperrten Anleihen als Sicherheit erfüllt wird, mehr als 90 % der Position in Form von Kasse zur Anlage bereit. Einerseits besteht die Möglichkeit, die Kasse nicht vollkommen risikolos anzulegen und so über die Vereinnahmung von Kredit- oder Zinsrisikoprämien einen Zusatzertrag zu erwirtschaften.
5.4 Indexierung
383
Andererseits kann es für den risikoaversen Investor schon eine gewaltige Herausforderung darstellen, den in der Future-Bewertung angesetzten Zinssatz überhaupt in der Realität zu erreichen. Legt ein Anleger die Cash-Position lediglich im kurzfristigen Staatsanleihebereich oder aber im Bankenbereich, allerdings mit einer zu kurzen Laufzeit (zum Beispiel Overnight statt für drei Monate) an, bezahlt er dies mit einem jährlichen Performance-Nachteil von bis zu einem halben Prozent (DAWM 2015). Darüber hinaus muss stets so viel Liquidität vorgehalten werden, dass die täglichen Schwankungen der Variation Margin bedient werden können. Ein kleiner Puffer von zwei bis drei Prozent in jederzeit verfügbarer Kasse, ergänzt um einen Bestand von fünf bis zehn Prozent in sehr kurzfristig verfügbaren Geldmarktanlagen sind hierfür gängige Größenordnungen (Hill und Naviwala 1998; vgl. auch ausführlich in Abschn. 6.6.2). Ein besonderes Liquiditätsproblem ergibt sich für synthetisch getrackte Portfolios auch dann, wenn ein Preisindex abgebildet werden soll und die Indexdividenden dem Anleger auch aus dem Indexportfolio zufließen sollen. Dann muss der Portfoliomanager auch diese Abflüsse berücksichtigen und „Dividendenersatzkasse“ vorhalten. Die erfolgreiche Anpassung der kurzfristigen Cash-Bestände hängt sehr stark vom Können des einzelnen Portfoliomanagers ab, der situationsbezogen mit viel Fingerspitzengefühl die optimale Mischung an die Umstände anpassen muss. Dieses Problem potenziert sich, sobald man gezwungen ist, auch mit Cash-Beständen in Fremdwährung umzugehen. Dazu gesellt sich die Frage, ob das daraus resultierende Fremdwährungsrisiko gewollt ist oder ob es als ungewollte Risikoposition zu hedgen ist, was wiederum einen beträchtlichen operativen Aufwand mit sich bringt. Entscheidend für den Umgang mit dem Fremdwährungsrisiko ist die Benchmark, die dem Portfolio zugeordnet ist. Ist die Benchmark in lokaler Währung, muss der synthetische Investor seine Long-Position im Aktienmarkt mit einer Long-Position in der Währung ergänzen. Die Margin fällt dann als Risikoposition weg. Misst sich das Portfolio hingegen gegen eine währungsgesicherte Benchmark, stellt die Margin ein Abweichungsrisiko dar. Dieser Punkt spricht aus operativer Sicht übrigens klar für die Verwendung möglichst „großkalibriger“ Kontrakte, wenn es um die Abbildung von überregionalen Indizes geht. Beispielsweise kann man den MSCI World mit einer einzigen Transaktion in Euro nominiert erwerben. Demgegenüber würde man bei der Zusammenstellung von nationalen bzw. regionalen Index-Futures zusätzlich recht kleinteilig die lokale Währung des Kontrakts mitführen müssen. Wie stellt sich ein über Futures synthetisiertes Portfolio im Vergleich zu anderen Indexierungsmöglichkeiten dar? Pai (2014) gibt einen groben Überblick über die hypothetischen Haltekosten über ein Jahr für Investments von je 100 Mio. US-Dollar in den MSCI World, EAFE und Europe (siehe Abb. 5.4). Es zeigt sich, dass das Rennen zwischen dem OTC-Instrument „Swap“ und dem börsengehandelten Future sehr knapp ausfällt. Die Umsetzungsalternative über einen ETF schneidet in dieser Untersuchung etwas schlechter ab. Wobei klar darauf hingewiesen werden muss, dass es sich nur um einen groben Richtwert handelt, da sich die Kosten je nach Anlegergruppe und Sitz des Anlegers deutlich unterscheiden können und sich im Zeitverlauf ändern. So kommt das ETF-Team der Deutsche Asset and Wealth Management
384
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Feinsteuerung des Risikoprofils
MSCI World (US-$)
MSCI EAFE (US-$)
MSCI Europe (Euro)
Swap
0,09 %
0,20 %
-0,03 %
Future
0,13 %
0,24 %
0,02 %
ETF
0,30 %
0,27 %
0,34 %
Abb. 5.4 Haltekosten über ein Jahr. (Quelle: Pai 2014)
in einer Studie (DAWM 2015) zu dem Ergebnis, dass ETFs eine spürbaren PerformanceVorsprung gegenüber Futures haben. Dabei muss man jedoch beachten, dass es sich bei den Analysten um Anbieter von ETFs handelt. Daher werden in der Studie auch eher Future-feindliche Annahmen, wie beispielsweise die Anlage des Cash lediglich zu Bundbzw. T-Bill-Sätzen, getroffen. Hintergrundinformation Das Thema „Kosteneffizienz“ wird in Abschn. 4.5 vertieft behandelt.
Generell ist auch die fortlaufende Notierung während der Handelszeit ein Pluspunkt für die synthetische Replikation, hat man doch sein Portfolio immer sekundengenau im Blick. Eine Besonderheit, die in vielen Kontrakten für einen erhöhten Tracking Error sorgen kann, ist jedoch das Problem des asynchronen Pricing. Dieses entsteht immer dann, wenn Underlying und Derivat zu unterschiedlichen Zeitpunkten bewertet werden. Als problematisch erweist sich hier regelmäßig die zeitlich abweichende Fixierung von Schlusskursen. Dieses Phänomen ist für den S&P 500 Future gut dokumentiert. Die Viertelstunde zwischen dem Handelsende im Kassamarkt und der Feststellung der Abrechnungskurse des Future ist geeignet, das Abbildungsrisiko mindestens zu verdoppeln (Davi et al. 2002). Zwar handelt es sich hier nicht um ein echtes pekuniäres Risiko, so lange in besagter Viertelstunde nicht gehandelt wird. Aber es lässt die Abbildungsfähigkeit einer synthetischen Indexierung in einem schlechteren Licht erscheinen als tatsächlich gerechtfertigt wäre. Auch während des Handelstages können Schwankungen der Basis Abweichungspotenzial eröffnen. Für die offiziellen Statistiken ist dies unproblematisch, da die offizielle Bewertung eines Portfolios nur einmal täglich, in der Regel zu Handelsschluss, durchgeführt wird. Es gibt jedoch Marktteilnehmer, die sehr marktnah agieren müssen, sei es beim Führen von Handelsbüchern oder bei der Aussteuerung von Indexfonds. Diese IntradayAbweichungen sind aber nicht darauf zurückzuführen, dass Futures mangelhafte Instrumente wären, um den Kassemarkt abzubilden. Im Gegenteil. In diesem Fall entsteht die Abweichung deshalb, weil Futures so gut sind. Bedeutende Marktinformationen schlagen sich zuerst kurswirksam im liquiden Future-Markt nieder. Der Kassamarkt muss hier erst nachziehen. Besonders deutlich sichtbar war dies während des Aktienmarkt-Crashs am 19. Oktober 1987. Damals fiel der von argen Liquiditätsproblemen geplagte, amerikanische Aktienmarkt in Gestalt des S&P 500 Index um 20 %, während der liquidere Future
5.4 Indexierung
385
mit seinem Abschlag von 29 % vermutlich ein zutreffenderes Bild der tatsächlichen Situation zeichnete. Damit bleibt das Problem der kleineren Intraday-Abweichung natürlich dennoch bestehen, auch wenn es von der positiven Eigenschaft des Future herrührt, „ahead of the curve“ zu sein – oder, wenn man es negativ formulieren möchte, weil der Kassamarkt zu langsam ist. Einen bedeutenden Nachteil hat die Nachbildung eines Index über Derivate dann aber doch: Keine Aktien, kein Stimmrecht. Investoren, die aktiv ihre Interessen bei den Abstimmungen auf den Hauptversammlungen vertreten, fehlt bei einem Future-Investment die Munition. Sie kommen um den Kauf der Aktien nicht herum. Da immer mehr Investoren auch nachhaltige Aspekte in ihrer Kapitalanlage berücksichtigen, gewinnt dieses Kriterium auch immer stärker an Bedeutung. Es kann doch einen gehörigen Unterschied machen, ob man vom Management eines Unternehmens fordert, Umwelt-, soziale und gesellschaftliche Aspekte in der Unternehmenspolitik zu berücksichtigen, wenn man Aktionär ist oder eben nicht. Umgekehrt kann in bestimmten Konstellationen dieser Umstand der synthetischen Indexierung auch zum Vorteil gereichen. Durch die fortschreitende Konzentration im Asset Management gibt es ein paar Firmen, die mittlerweile große Anteile an vielen Unternehmen halten. Der dadurch mögliche Einfluss auf die Unternehmenspolitik wird zunehmend kritisch betrachtet. Wenn diese Asset Manager ihre Kassabestände durch synthetische ersetzen, entziehen sie sich die Stimmrechte. Damit fiele eine gewichtige Einflussquelle weg. Übrigens muss eine derivative Abbildung eines Index nicht zwangsläufig über eine Long Future-Position erfolgen. Auch hier steht der Risk Reversal als Alternative bereit. Sie kann vorteilhaft sein, wenn die Transaktionskosten für Optionen begünstigt sind, zum Beispiel weil mit dem Kauf von Aktien Transaktionssteuern verbunden sein können, während Optionen ausgenommen sind. Der Risk Reversal bietet zusätzlich die Flexibilität, die Basispreise auch auseinanderzuziehen (Abschn. 7.2.6), um zu einem Spread zu kommen. Typischerweise wird dann für den Call ein Basispreis gewählt, der über demjenigen des Put liegt. Dadurch ergibt sich eine Zone, in der das Auszahlungsprofil nicht im 45 Grad Winkel ansteigt, sondern flach verläuft, die Position also bei Fälligkeit in der Spanne zwischen den Basispreisen nicht von den Bewegungen des Underlying tangiert wird. Dann ist aber in dieser Spanne von Tracking keine Rede mehr (Abb. 7.16). In diesem Fall profitiert die Position auch vom Skew-Effekt, weil die implizite Volatilität auf den verkauften Put mit dem niedrigeren Basispreis normalerweise teurer sein wird als diejenige auf den gekauften Call. Je nach Wahl der Basispreise kann die Konstruktion auch so strukturiert werden, dass beim Eingehen der Position ein Nettoprämienzu- oder -abfluss erzeugt wird. So kann über ein geschicktes Ausnutzen der jeweils aktuellen Volatilitätsstrukturkurve ein Zusatzertrag generiert werden. Wer Wert auf eine möglichst präzise Nachbildung der Bewegung des Underlying legt, wird sich auch bei identischen Basispreisen der beinhalteten Optionen vermutlich nicht für ein Risk Reversal entscheiden. Durch die Mark-to-Market-Bewertung der beiden Op-
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Feinsteuerung des Risikoprofils
tionen kann es zu Bewertungsunterschieden kommen, insbesondere dann, wenn die Basispreise sehr weit abseits des Gelds gesetzt wurden beziehungsweise sich dorthin entwickelt haben. Die zunehmende Illiquidität von Optionen, die tief im und aus dem Geld notieren, kann sich dann unangenehm niederschlagen. Der Portfoliomanager, der sich eines Risk Reversals bedient, sollte sich auch des zusätzlichen Risikos bewusst sein, dass er eingeht, falls er amerikanische Optionen einsetzt. Je weiter der Put ins Geld läuft, desto eher läuft er Gefahr, vorzeitig ausgeübt zu werden, sodass der Portfoliomanager gezwungen sein könnte, die Position umgehend auszubessern. Sofern es bei der Abbildung des Index nicht auf absolute Genauigkeit ankommt, ist auch der Kauf einer Kaufoption eine denkbare Alternative. Natürlich bewirkt ein gewöhnlicher Long Call nicht die gewünschte Art von Indexierung, da er ein asymmetrisches Auszahlungsprofil erzeugt. Allerdings weist eine tief im Geld liegende Option ein Delta von eins auf. Damit bewegt sich der Optionspreis eins zu eins mit dem Preis des Underlying. Erwirbt man also einen Call mit einem künstlich niedrigen Basispreis von einem Euro oder gegebenenfalls auch im Centbereich, erhält man innerhalb realistischer Kursspannen des Underlying eine lineare Auszahlungsfunktion. Diese speziellen Calls werden oft auch LEPOs bezeichnet. LEPO steht für Low Exercise Price Option. Selbstverständlich reagiert diese Option auch auf Veränderungen in anderen optionspreisbestimmenden Faktoren. Beispielsweise schlagen sich Änderungen in den Dividendenerwartungen im Kurs nieder. Andere Optionspreisparameter spielen nur in bestimmten Extremfällen eine Rolle. Die bei gewöhnlichen Optionen sehr bedeutende Preiskomponente „implizite Volatilität“ etwa wird nur dann relevant, wenn das Underlying sehr weit in Richtung des Basispreises fallen sollte. Diese möglichen Abweichungsrisiken muss man bewusst in Kauf nehmen und abwägen gegen mögliche Vorteile, die sich zum Beispiel im steuerlichen Bereich ergeben können. Im Bereich der Bonus-Zertifikate nimmt man diese Einschränkungen gerne in Kauf. Hier ist die Extremausprägung der LEPO oft das Mittel der Wahl, der sogenannte Zero-Strike Call. Diese Kaufoption mit einem Basispreis von null bildet im Bonus-Zertifikat den Partizipationsteil ab, entspricht sein lineares Auszahlungsprofil doch demjenigen des Underlying (allerdings ohne Dividenden, was jedoch die Option verbilligt) bzw. eines Future-Kontrakts. Allerdings kommt es bei diesem strukturierten Produkt auch nicht in erster Linie auf die exakte Abbildung des Kursverlaufs des Underlying an, da ein BonusZertifikat typischerweise als Anlage eingesetzt wird, die auf die Auszahlung bei Fälligkeit abstellt. Der eben beim Risk Reversal angeführte mögliche Steuervorteil kann ebenfalls ein Argument für den Einsatz von LEPOs sein. Ein anderer Steuervorteil kann, wie beim Future, dann auftreten, wenn Dividenden steuerlich relativ unvorteilhaft behandelt werden, während dieser Faktor in der Bewertung von Derivaten nicht zum Tragen kommt.
5.5 Steuerung des Marktrisikos
5.5
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Steuerung des Marktrisikos
I Definition Die Steuerung des Marktrisikos ist simpel. Es handelt sich dabei nur um einen Teil-Hedge, long (Abschn. 3.2) oder short (Abschn. 3.1). Das Marktrisiko, zum Beispiel in Form der gängigen Risikomaße Beta im Aktien- und (modifizierte oder Dollar) Duration im Rentenbereich, wird mittels Derivaten einfach vom Ist- auf einen angestrebten Zielwert gebracht. So ist also der im Abschn. 3.3 berechnete Short Hedge nichts weiter als ein Spezialfall der Marktrisikosteuerung, bei dem dieses Risiko vollständig abgesichert wird. Bei der allgemeinen Marktrisikosteuerung wird das Portfolio so ausgesteuert, dass eben nicht der Standardwert Null angestrebt wird, sondern irgendein anderer negativer oder positiver Wert.
5.5.1
Steuerung des Beta
Das Aktienmarktrisiko wird über das Beta geschätzt. Dieses wird beim Hedge auf null reduziert. Damit weist das Portfolio kein Marktpreisrisiko mehr auf. Bei der Aussteuerung des Risikoprofils wird das Beta vom aktuellen Ist-Wert auf einen vom Portfoliomanager im aktuellen Marktumfeld als passend angesehenen Zielwert gebracht. Dieser kann zwischen 0 und 1 liegen. Damit wäre das Aktienmarktrisiko teilgesichert. Er kann aber auch über 1 liegen. Dann wäre das Aktienmarktrisiko gehebelt. Liegt der Zielwert im negativen Bereich, ist das Portfolio übersichert. Es verhält sich dann umgekehrt zum Aktienmarkt. So kann der Portfoliomanager auch in einem fallenden Aktienmarkt ein positives Ergebnis erzielen. Die allgemeine Formel zur Ermittlung der für die Feinsteuerung des Aktienmarktrisikos erforderlichen Kontrakte lautet: Anzahl Futures D .Zielbeta Istbeta/ Portfoliowert=Kontraktwert
(5.3)
In der Hedge-Formel (Gl. 3.22 aus Abschn. 3.3.2.2) war lediglich die erste Klammer aus Gl. 5.3 vereinfacht. Das Ziel beim einfachen Hedge besteht darin, das Marktrisiko auf null zu eliminieren, also ein Zielbeta von null zu erreichen, sodass sich in der Klammer (0 Ist-Beta) oder einfach Beta ergibt. Beispiel
Ein Beispiel: Ein Portfoliomanager verwaltet ein Portfolio deutscher Aktien im Volumen von 50 Mio. C und mit einem Beta von 1,45. Er will das Risiko im Portfolio auf 1,00 reduzieren. Er bedient sich dafür des DAX-Future (Kontrakteinheit 25 C). Index-
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Feinsteuerung des Risikoprofils
stand 6728. Die Anzahl der zu verkaufenden Future errechnet sich wie folgt: NF D .“Soll “Ist /
NAVt 50:000:000 D .1 1;45/ D 133;77 k It;T 25 6728
Um sein Ziel zu erreichen, wird er also 133 oder 134 Kontrakte verkaufen. An diesem Beispiel ist leicht ersichtlich, dass es sich bei der Aussteuerung des Beta lediglich um einen Teil-Hedge handelt: Hätte sich der Manager entschieden, das gesamte Aktienmarktrisiko zu eliminieren, hätte er das Beta nicht nur um 0,45, sondern um die gesamten 1,45 reduziert. Dazu wäre es erforderlich gewesen, 133,77 / 0,45 1,45 D 431 Kontrakte short zu gehen. Soll das Beta über den Einsatz von Optionen verändert werden, so ist zu beachten, dass diese unmittelbar nur in Höhe ihres aktuellen Deltas wirksam werden. So nimmt ein Long Put am Geld mit einem Delta von 0,5 nur die Hälfte der nominalen Betaänderung aus dem Portfolio. Das Beta einer Option wird bestimmt vom Hebel der Option, dem sogenannten Omega oder Lambda (Abschn. 2.4.5.2), und dem Beta des Underlying: “Option D œOption “Underlying
(5.4)
œOption D PreisUnderlying =PreisOption Option
(5.5)
mit Darüber hinaus ist zu beachten, dass das Delta eines Future stets konstant bei 1 bleibt, während das Delta einer Option einer permanenten Veränderung unterliegt. Dabei haben gekaufte Optionen die schöne Eigenschaft, das Marktrisiko immer weiter in die gewünschte Richtung zu bewegen, sodass die angestrebte Positionierung immer ausgeprägter wird. Geht man beispielsweise von fallenden Kursen aus, kann man sich darauf über den Kauf von Verkaufsoptionen (Long Put) einstellen. Fällt der Markt tatsächlich, baut sich das negative Delta des Put immer weiter aus, sodass automatisch immer mehr Risiko aus dem Portfolio genommen wird. Steigen die Kurse jedoch wider Erwarten, geht das negative Delta immer weiter zurück, sodass das Aktienmarkt-Exposure in dem steigenden Aktienmarkt anwächst. Ebenso verhält es sich beim Long Call: Geht der Markt wie erwartet nach oben, steigt das Delta der Option und damit das Markt-Exposure des Portfolios an. Fällt der Markt jedoch, bildet sich das Delta zurück. Das Markt-Exposure des Portfolios sinkt. Die Option steuert das Beta also gewissermaßen autonom. Natürlich gibt es diesen nützlichen Gamma-Effekt nicht umsonst. Er wird vielmehr in Form der Optionsprämie abgegolten. Gerade im Aktienbereich erweist sich der Einsatz von Indexderivaten als sehr effizient. Die Alternative, die Veränderung des Portfoliobeta durch den Kauf und Verkauf von Aktien mit hohem bzw. niedrigem Beta ist mit einigen Unwägbarkeiten verbunden. Zunächst einmal handelt es sich beim Beta um eine Schätzgröße, die zumeist auf Basis von Vergangenheitsdaten direkt mittels Regression oder über Risikofaktoren indirekt geschätzt
5.5 Steuerung des Marktrisikos
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wurde. Es ist sehr wahrscheinlich, dass das in Zukunft realisierte Beta von diesen Schätzwerten abweicht und das Anlageziel so verfehlt wird. Hintergrundinformation Mit der Instabilität von Beta-Schätzwerten befasst sich Bender (2007) ausführlich. Die besondere Problematik bei niedrig kapitalisierten Werten analysiert Beiker (1993, S. 81 und S. 85 ff.; vgl. auch Abschn. 3.3.2.2).
Angenommen, ein Portfoliomanager möchte das Marktrisiko in seinem Portfolio durch den Tausch von Aktien mit hohem Beta in solche mit niedrigem Beta reduzieren. Die Idee geht nur dann auf, wenn sich die Aktien in Zukunft genau so verhalten, wie es ihrer aus der Vergangenheit vermuteten Natur entspricht. Wenn durch spezifische Marktschocks oder Veränderungen im Unternehmensprofil diese in der Vergangenheit gültigen Zusammenhänge fundamental verändert oder auch nur temporär außer Kraft gesetzt werden, kann aus der vermeintlichen Risikoreduzierung plötzlich eine Risikoerhöhung resultieren. So können beispielsweise Cashflow-starke und vermeintlich planbare „Witwen und Waisen Papiere“ wie Versorgungswerte durch eine Änderung der Regulierung oder einen Unglücksfall in einem Atomkraftwerk zu Hochrisikopapieren werden. Dann wäre das Portfolio nicht, wie geplant, Beta short, sondern Beta long. Tritt dann der erwartete Abschwung am Aktienmarkt tatsächlich ein, kann sich der Manager freuen, dies richtig vorhergesehen zu haben. Die Freude dürfte allerdings nur verhalten ausfallen. Da er die richtige Idee falsch umgesetzt hat, kann es sein, dass er am Ende unter Umständen sogar überdurchschnittlich viel verliert. Neben diesen Schätzrisiken resultiert aus einer Übergewichtung von Aktien mit hohem oder niedrigem Beta zur Aussteuerung des Portfoliobeta unweigerlich ein Anstieg des Residualrisikos. Da der Portfoliomanager sich, um der Erreichung eines bestimmten Zielbeta willen, weiter von der Benchmark entfernt, steigt das Ausmaß einzelwertspezifischer Wetten im Portfolio an. Dadurch sinkt der risikoadjustierte Mehrwert, der aus der Aussteuerung des Portfoliobeta resultiert (Grinold und Kahn 1995, S. 347, 352 sowie der dortige technische Appendix). Bei der Umsetzung über Indexderivate entfallen die aktive Aktienauswahl und das damit verbundene Residualrisiko, sodass das Mehrwertpotenzial vollumfänglich erhalten bleibt.
5.5.2
Steuerung der Duration
Hinsichtlich der Aussteuerung des Marktrisikos hat es der Manager eines Rentenportfolios in der Regel leichter. Während das Marktrisiko im Aktienbereich, das Beta, eine Schätzgröße und demzufolge mit Schätzungenauigkeiten belastet ist, kann das Zinsänderungsrisiko in Form der (modifizierten) Duration oder artverwandter Kennzahlen wie dem Basis Point Value im Standardportfolio ziemlich präzise berechnet werden. Zwar gibt die modifizierte Duration das Zinsänderungsrisiko nur für sehr kleine Zinsänderungen genau wieder, aber auch für größere Zinsbewegungen kann das Risiko hinreichend
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5
Feinsteuerung des Risikoprofils
genau bestimmt werden, sei es, dass man die Duration um die Konvexität ergänzt oder dass man das Risiko nach einer simulierten Zinsbewegung einfach neu berechnet. Sobald jedoch optionale Komponenten, wie zum Beispiel vorzeitige Tilgungsvereinbarungen, ins Spiel kommen, sind Ausübungswahrscheinlichkeiten und -zeitpunkte abzuschätzen, was entsprechende Schätzungenauigkeiten nach sich zieht. Mit der besseren Berechenbarkeit des Marktrisikos fällt zwar im Vergleich zum Aktienportfoliomanagement ein Vorteil von Derivaten gegenüber Kassageschäften weg. Dennoch bleiben Futures aufgrund der einfachen Handhabbarkeit, ihrer Marktliquidität und der niedrigen Transaktionskosten (Abschn. 4.5) das Instrument der Wahl, wenn es um die kurzfristige Anpassung der Portfolioduration geht. Natürlich ist die Steuerung der Duration, wie die Betasteuerung im Aktienportfolio, nichts anderes als ein teilweise Long oder Short Hedge. Der Portfoliomanager entscheidet sich, um wieviel er die Duration erhöhen oder absenken will und errechnet sich dann, wie viele Kontrakte er kaufen oder verkaufen muss, um diese Veränderung zu erzielen: NF D
MDZiel MDIst NAVt MDCTD k Ft;T
(5.6)
mit MDZiel = Soll-Modified Duration des Portfolios MDIst = Ist-Modified Duration des Portfolios MDCTD = Modified Duration der Cheapest-to-Deliver-Anleihe und damit Modified Duration des Future. Beispiel
Gesetzt den Fall, eine Portfoliomanagerin möchte in Erwartung eines Zinsrückgangs die Duration in ihrem Portfolio mit deutschen Renten schnell erhöhen. Sie würde sich vermutlich entscheiden, Futures zu kaufen. Sie kann sich dazu des Schatz, Bobl-, Bundoder Buxl-Future bedienen. Da sie den stärksten Zinsrückgang am ultralangen Ende erwartet, entscheidet sie sich für den Buxl-Future, wohl wissend, dass sie dadurch die Erwartung generell fallender Zinsen mit einer Kurvenpositionierung auf das ultralange Ende kombiniert. Die Kennzahlen ihres Portfolios und die Rahmendaten des Marktes sehen wie folgt aus: Portfoliowert: 50 Mio. C Aktuelle modifizierte Duration im Portfolio: 4 Angestrebte modifizierte Duration: 5 Modifizierte Duration des Buxl-Future: 14,5 Aktuelle Notierung Buxl-Future: 102,00 Kontraktmultiplikator: 1000 C
5.6 Aussteuerung extremer Marktbewegungen
391
Die Anzahl der zu erwerbenden Kontrakte beläuft sich also auf: NF D
5 4 50:000:000 D 33;8 34 14;5 1000 102;00
Wenn die Zinsen in der Folge tatsächlich sinken und der Buxl-Future um 500 Ticks auf 107,00 ansteigt, vereinnahmt die Portfoliomanagerin einen Gewinn von 500 10 C 34 Kontrakte D 170.000 C. Dieser addiert sich zu dem Gewinn, den sie ohnehin auf ihrem Basisportfolio macht und zeigt transparent, dass die richtige Einschätzung der Zinsbewegung dem Portfolio einen Zusatzertrag von 0,34 % geliefert hat. Auch im Rentenbereich kann das Zinsrisiko über den Einsatz von Optionen ausgesteuert werden. Dafür wird das tatsächlich auf das Zinsrisiko wirksame Delta angesetzt. Die grundsätzlichen Wirkungszusammenhänge entsprechen denjenigen im Aktienbereich (Abschn. 5.5.1), weshalb an dieser Stelle auf eine ausführliche Darstellung verzichtet wird.
5.6
Aussteuerung extremer Marktbewegungen
Die Tatsache, dass die Kursbewegungen an den Finanzmärkte nicht einer Normalverteilung folgen, ist lange bekannt, wenn auch oft ignoriert (Abschn. 7.2.6.1.3). Zum Leidwesen der Anleger wird die Wahrscheinlichkeit immer extremer Renditen nicht kontinuierlich kleiner. Stattdessen treten die vermeintlich unmöglichen Extremrenditen deutlich häufiger auf als sie eigentlich dürften. Hintergrundinformation Peter Bernstein (1996, S. 116) erzählt zum Thema „Auftreten sehr unwahrscheinlicher Ereignisse“ eine passende Anekdote, in der ein russischer Statistikprofessor im zweiten Weltkrieg eines Nachts, während eines deutschen Luftangriffs auf Moskau, im Luftschutzkeller auftaucht. Diesen hatte er bisher stets gemieden mit der Begründung: „Es gibt sieben Millionen Menschen in Moskau. Warum sollten Sie mich treffen?“ Auf die Frage, warum er seine Meinung geändert habe, sagte er: „Seht, in Moskau gibt es sieben Millionen Menschen und einen Elefanten. Letzte Nacht haben sie den Elefanten erwischt.“
Wieder ins Bewusstsein rückte dieser Umstand in der Aufarbeitung der 2008 beginnenden Finanzkrise. An vorderster Stelle ist dabei Nassim Talebs (2008) plakative Aufarbeitung der stellenweise leichtfertigen Vernachlässigung dieses sogenannten fetten Endes der Renditeverteilung zu nennen. Mit dem Titel seines Bestsellers „Der Schwarze Schwan“ machte er dieses Phänomen auch in zuvor unbeleckten Kreisen zum geflügelten Wort. Natürlich sind extreme Kursbewegungen ein gefundenes Fressen für eine Long-Position in Optionen, allein schon deshalb, weil sie von der in diesen Phasen anspringenden Volatilität profitieren. Wenn dann auch noch die Option zur Richtung der Marktbewegung
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5
Feinsteuerung des Risikoprofils
passt (also Long Put zu einem ausgewachsenen Crash oder ein Long Call zu einem abrupten und ausgeprägten Kursanstieg) sind durch die Hebelwirkung der Optionen massive Kurssteigerungen möglich. Den größten Effekt erzielt man dabei mit Optionen, die vor der Kursbewegung weit aus dem Geld liegen. „Weit aus dem Geld“ heißt ja zunächst einmal, dass die Option nur eine geringe Wahrscheinlichkeit aufweist, bei Fälligkeit im Geld zu enden. Demzufolge ist auch die zu bezahlende Optionsprämie niedrig. Gerät eine derartige Option an oder gar ins Geld, steigt das Delta auf diesem Weg stark an, sodass die Option sprunghaft an Wert gewinnt (Abschn. 2.4.1 „Moneyness“, Abschn. 2.4.5.1 „Delta“, Abschn. 2.4.5.3 „Gamma“ und Abschn. 2.4.5.2 „Omega/Lambda“). Aufgrund dieser Eigenschaften und der in der Finanzkrise frisch geschlagenen, finanziellen Wunden kam in den vergangenen Jahren der Kauf von weit aus dem Geld liegenden Verkaufsoptionen als sogenannte Crash Protection oder Tail Protection wieder in Mode. Die Überlegung ist, die „normalen“ Marktschwankungen, also solche in erwartetem Ausmaß, im Portfolio zu tolerieren. Nur gegen katastrophale, existenzgefährdende Verluste gilt es vorzusorgen. Man sollte davon ausgehen, dass man einen derartigen Crash nicht ausreichend früh vorhersehen kann. Möglicherweise mag man die ersten Anzeichen sogar richtig deuten. Aber mitunter ist es dann schon zu spät, eine Versicherung zu vernünftigen Konditionen abzuschließen, da die Optionen die erhöhte Wahrscheinlichkeit einer starken Marktbewegung sofort in Form steigender impliziter Volatilitäten und damit höherer Prämien einpreisen werden. Es bleibt also nur, sich kontinuierlich mit Absicherungen einzudecken, um auf einen akzeptablen durchschnittlichen Einkaufspreis zu kommen. Allerdings wurde bereits an anderer Stelle darauf hingewiesen, dass aufgrund der hohen Nachfrage nach Absicherungen der kontinuierliche Erwerb von Puts durchaus eine kostspielige Angelegenheit werden kann (Abschn. 4.2.2 und 4.4.3). Nachdem das Risiko von massiven Kursrückschlägen in den vergangenen Jahren wieder vermehrt ins Bewusstsein der Anleger gedrungen ist, gilt dies in besonderem Maße für die Preise von weit aus dem Geld liegenden Absicherungen, was sich in einem tendenziell stark ausgeprägten Skew manifestiert (Abschn. 7.2.6). Eine andere Alternative besteht darin, gerade in Phasen niedriger Optionsprämien kräftig einzukaufen und sich insbesondere auch mit lang laufenden Puts einzudecken. Bei einem derartigen Vorgehen besteht allerdings die Gefahr, dass der Crash unmittelbar nach dem Kauf eintritt. Dann weist die Option noch eine ziemlich lange Restlaufzeit auf, was ihre Reagibilität deutlich reduziert, sodass sie möglicherweise nicht die Absicherungswirkung entfaltet, die man sich irrtümlich von ihr erhofft hatte. Zwar war die Erwartung eines starken Rückschlags richtig. Jedoch lag man beim Timing daneben und bezahlt den Preis für diese Fehleinschätzung in Form einer weniger wirksamen Schutzwirkung. Sollte man diese Crash Protection im OTC-Markt erwerben, kommt der Auswahl des Kontrahenten natürlich überragende Bedeutung zu, muss er doch auch im Falle dramatischer Rückschläge an den Märkten immer noch in der Lage und willens sein, den von ihm ausgereichten Versicherungsvertrag zu honorieren – und das auch noch zu fairen Preisen (Abschn. 3.1.8).
5.7 Allokation auf der Zinsstrukturkurve
5.7
393
Allokation auf der Zinsstrukturkurve
Rentenportfolios sind nicht zwangsläufig gegenüber einem allgemein steigenden Zinsniveau exponiert. Da auf den langen und den kurzen Bereich der Zinsstrukturkurve unterschiedliche Faktoren wirken, kann es sein, dass nur ein Bereich der Zinsstrukturkurve von steigenden Zinsen betroffen ist. Beispielsweise könnten Entwicklungen im Bereich der Real- oder Finanzwirtschaft dazu führen, dass die Wahrscheinlichkeit künftig steigender Inflationsraten spürbar ansteigt. Damit einher geht die Gefahr langfristig steigender Zinsen. Bleiben gleichzeitig die Inflations- und Zinserwartungen im kurzen Bereich verankert, besteht die Gefahr eines Bear Steepening, also einer Versteilerung der Zinsstrukturkurve, ausgehend vom langen Ende. Die positive Komponente: Bei den kurzlaufenden Anleihen im Portfolio besteht keine unmittelbare Gefahr von Kursverlusten. Damit würde es genügen, die langlaufenden Anleihen aus der Gefahrenzone zu schaffen. Dazu könnte man diese verkaufen. Der elegantere und effizientere Weg ist aber sicherlich, das Zinsänderungsrisiko in diesem Bereich der Kurve durch eine Short-Position in einem langlaufenden Zins-Future zu eliminieren. Dazu ermittelt man die Bestände der gefährdeten Anleihen, rechnet deren Zinsänderungsrisiko, zum Beispiel in Form der modifizierten Duration, aus und neutralisiert dieses durch den Verkauf einer entsprechenden Anzahl von Renten-Futures. Dieses Beispiel zeigt, dass eine Positionierung auf bestimmten Punkten der Zinsstrukturkurve letztlich nichts weiter als ein Long oder Short Hedge ist. Die Kunst besteht (neben der richtigen Prognose) in erster Linie darin, die richtige Anzahl an Kontrakten einzusetzen, um das Zinsänderungsrisiko im jeweiligen Kurvenabschnitt auf das gewünschte Niveau zu stellen. Bei einer reinen Positionierung auf die Veränderung der Form der Zinsstrukturkurve wird man eine Position aufsetzen, welche das Zinsänderungsrisiko des Gesamtportfolios nicht verändert. Dazu muss in dem Kurvenbereich, für den man die relativ höheren Zinsen erwartet, das Risiko ab- und in dem weniger gefährdeten Bereich aufgebaut werden. Die Kurvenposition erfolgt also durationsneutral. Das zusätzliche Zinsänderungsrisiko auf der Long-Teilposition wird von der Short-Teilposition exakt aufgewogen (Abschn. 5.5.2). Beispiel
Nehmen wir an, dass nach einem starken Kursanstieg am langen Ende das Exposure in diesem Bereich um zehn Millionen Euro zugunsten des mittleren Bereichs abgebaut werden soll, ohne das Zinsänderungsrisiko des Portfolios zu verändern. Die Modified Duration im Bund beträgt 6,89 und beim Bobl 3,36. Um das zu bewerkstelligen werden 10 Mio. C / 100.000 C D 100 Bunds verkauft. Im Gegenzug wird die reduzierte Duration wieder aufgebaut durch 100 6,89 / 3,36 D 205 Bobl-Kontrakte im Kauf. Darüber hinaus gibt es einige Details, auf die zu achten sich lohnt: Bei einer Allokation auf der Zinsstrukturkurve muss sich der Portfoliomanager eine Meinung zur Entwicklung der Kurvensteilheit bilden. Dabei gilt es, sich klar zu machen,
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5
Feinsteuerung des Risikoprofils
auf welchen Renditen die Prognose aufgesetzt wird, den Kassarenditen der CTD-Anleihen oder deren Terminrenditen am Fälligkeitstag des Future. Je nach Steilheit der Zinsstrukturkurve in bestimmten Kurvenabschnitten kann die Renditedifferenz zwischen kurz- und länger laufenden Anleihen und den dazu gehörigen Futures unterschiedlich ausfallen, weil die Nettofinanzierungskosten verschieden hoch sind (Burkhardt und Panos 1997). Die Unterscheidung in Kassa- und Terminrenditen ist natürlich dann von besonderer Bedeutung, wenn die Positionierung auf der Zinsstrukturkurve mittels einer Kombination aus Anleihen und Futures erfolgt. Dann kann noch ein weiterer Aspekt relevant werden, nämlich die Möglichkeit, dass die CTD bei einem oder beiden eingesetzten Kontrakten aktuell nicht die Anleihe ist, welche die höchste Liquidität aufweist. In einem solchen Fall besteht eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass sich die Rendite-Spreads zwischen den einzelnen Komponenten der Gesamtposition verändern – selbst dann, wenn man die bereits adressierte Möglichkeit, dass die CTD eines der Kontrakte wechselt, berücksichtigt hat (Abschn. 3.5.2).
5.8
Management der Konvexität
I Definition Konvexität beschreibt das Maß an Krümmung einer Wertentwicklungskurve, also beispielsweise, wie sich der Wert eines festverzinslichen Wertpapiers entwickelt, wenn die Zinsen steigen oder fallen. Sie wird ausführlich in Abschn. 3.3.2.1 beschrieben. Den gleichen Gedanken finden wir in der Optionsrisikogröße des Gamma. Trägt man grafisch ab, wie sich der Wert einer Option in Abhängigkeit von der Entwicklung des Underlying entwickelt, gibt das Gamma wiederum den Grad der Kurvenkrümmung an (Abschn. 2.4.5.3). Sowohl im Fall der Rente als auch der Option ist diese Nichtlinearität „gut“ im Sinne von wünschenswert. Eine stark konvexe Anleihe wird bei steigenden Zinsen angenehm wenig verlieren und von fallenden Zinsen überproportional profitieren. Ein Call (Put) mit hohem Gamma erweist sich insofern als „leichtfüßig“, als er bei steigenden (fallenden) Kursen schnell an Wert gewinnt, dieses hohe Maß an Partizipation bei gegenläufiger Bewegung aber auch schnell wieder verliert. Er zieht quasi automatisch Exposure aus dem Markt und wird so von weiter fallenden Kursen immer weniger tangiert. Aus diesem Grund ist Krümmung auch wertvoll und will bezahlt werden. So ist es bei den Optionen auch stets der Käufer, der Gamma besitzt, weil er es käuflich erworben hat. Ein Portfoliomanager kann sein Portfolio sowohl für steigende als auch fallende Märkte besser aufstellen, wenn es ihm gelingt, die Krümmung seines Portfolios zu verstärken. Das ist zunächst nicht schwierig, muss er doch nur Konvexität/Gamma zukaufen. Die Kunst liegt darin, möglichst viel Krümmung für jeden bezahlten Euro zu erhalten. Dazu genügt jedoch nicht einfach eine Tabelle, in der Konvexität/Gamma gegen den Preis abgetragen wird, da sowohl der Preis einer Anleihe und erst recht der einer Option noch von einer Vielzahl anderer Faktoren beeinflusst wird. So muss das zugekaufte Asset mit den
5.9 Ersatz einer Aktienposition
395
vorteilhaften Krümmungseigenschaften nicht nur günstig sein, sondern vor allem auch gut ins restliche Portfolio passen. Szenarioanalysen können hier ein probates Mittel sein, um die Sinnhaftigkeit von konvexitätsfördernden Assets einzuschätzen. Für den Rentenmanager bietet die Auseinandersetzung mit dem Markt für Rentenoptionen eine neue Möglichkeit, sich eine Quelle für Krümmung zu erschließen. Er ist nicht länger auf das Aufspüren von günstiger Konvexität auf dem Anleihemarkt beschränkt, sondern kann zusätzlich untersuchen, ob es Optionen gibt, mit deren Hilfe er das von ihm angestrebte Krümmungsprofil günstiger aufbauen kann. Besonders interessant ist die systematische Suche nach Konvexität beim Management von Wandelanleihemandaten, hat man es hier doch mit zwei Märkten gleichzeitig zu tun. Einerseits handelt es sich um Rentenpapiere, sodass die Rentenkonvexität eine Rolle spielt. Diese wird jedoch dominiert vom Aktien-Gamma aus der den Wandelanleihen innewohnenden Aktienoptionen. So gehört es zum Handwerkszeug des Wandelanleihemanagers, zwischen seinem originären Wandelanleihemarkt und dem Optionsmarkt (seien es börsennotierte oder außerbörsliche Kontrakte) zu wandeln und sich das Beste aus beiden Welten zusammenzustellen. Die Aktienoptionen eröffnen ihm die Möglichkeit, das Aktien-Gamma auszusteuern, ohne auf den teilweise recht illiquiden Markt für Wandelanleihen beschränkt zu sein. Findet er auf dem Rentenmarkt nicht das gewünschte Profil, generiert er sich einfach eine synthetische Wandelanleihe, indem er eine Unternehmensoder Staatsanleihe mit einem Long Call kombiniert.
5.9
Ersatz einer Aktienposition
Es gibt eine ganze Reihe von Gründen, warum ein Portfoliomanager auch auf der Einzeltitelebene Derivate einsetzt, um eine bestimmte Meinung zu einem Titel umzusetzen. Oft werden steuerliche oder regulatorische Argumente eine Rolle spielen (Abschn. 4.6 und 4.1.5). Insbesondere ermöglichen synthetische Aktienpositionen aber maßgeschneiderte Auszahlungsprofile, die ohne den Einsatz von Derivaten so nicht darstellbar wären. Typische Strukturen finden sich im optionalen Bereich und hier vor allem beim Long Call. Aufgrund seines risikobegrenzten Auszahlungsprofils wird er gerne herangezogen, wenn es darum geht, eine Position in einem Titel einzugehen oder aufrechtzuerhalten, der man überdurchschnittliche Ertragschancen zubilligt, die aber auch massiv verlieren kann, wenn sich die Einschätzung nicht bewahrheiten sollte. So wird der Long Call auf Einzelaktien gerne eingesetzt, wenn es darum geht, sich vor wichtigen Unternehmenszahlen, denen man eher eine positive Überraschung zutraut, zu positionieren. Da die Kaufoption billiger ist als die Aktie, kann man durch den Tausch von Aktien in Long Call zusätzlich noch liquide Mittel generieren. Darüber hinaus kann mit Hilfe von Optionen die eigene Einschätzung zu einem Titel sehr differenziert umgesetzt werden, beispielsweise durch das zusätzliche Schreiben von Calls aus dem Geld als Ausdruck eines „Sollte die Aktie bis dorthin steigen, würde ich sie gerne geben“ (Abschn. 5.16.1). Oder man setzt eine Short Put aus dem Geld ein, wenn
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5
Feinsteuerung des Risikoprofils
man davon ausgeht, dass der Basispreis selbst bei negativer Kursentwicklung nicht unterschritten wird (Erwirtschaftung eines Zusatzertrags; Abschn. 4.2.2) oder genau dass er unterschritten wird und man den Titel auf diesem Niveau gerne, durch die eingenommene Optionsprämie zusätzlich verbilligt, erwerben möchte (Abschn. 5.16.3). Soll die Position nicht asymmetrisch mit begrenztem Rückschlagpotenzial umgesetzt werden, sondern das Auszahlungsprofil dem einer Aktie entsprechen, ergänzt man den Long Call durch einen Short Put mit identischem Basispreis. Die hohe Flexibilität von Optionspositionen erwächst auch daraus, dass man sie während der Haltedauer immer wieder umbauen und an neue Gegebenheiten oder Einschätzungen anpassen kann (Abschn. 6.2.2).
5.10
Alternative zu einem Leerverkauf
Im Zuge von Finanzkrisen ist es mittlerweile fast schon guter Brauch, dass die Aufsichtsbehörden den Leerverkauf von Problemtiteln (meist Finanzwerte) verbieten, so geschehen 2008 in den USA und 2008 sowie 2011 in Europa. Beim Leerverkauf werden Aktien verkauft, die man nicht im Bestand (Naked Short) oder vorübergehend geliehen hat (Covered Short). Wenn dieser Weg durch ein Verbot verbaut ist, kann man zum Aufbau einer Short-Position auf den Derivatemarkt ausweichen, sofern dort nicht ebenfalls ein Verbot in Kraft ist (Abschn. 7.6.5.1 sowie Blau und Wade 2013). Tatsächlich findet in der Praxis eine solche Ausweichbewegung nicht statt. Mehrere Studien kommen zu dem Schluss, dass Market Maker, die sich nicht über das mit einem Leerverkaufsverbot belegte Underlying absichern können, die Geld-Brief-Spannen dermaßen ausweiten, dass sie prohibitiv werden und den Optionshandel einschränken (Battalio und Schultz 2011; Grundy et al. 2012; Félix et al. 2016). Das Leerverkaufsverbot wirkt also indirekt auch bis in den Derivatemarkt hinein. Das geht so weit, dass derartige Einschränkungen sogar zu Verletzungen der Put-Call-Parität (Abschn. 2.4.3) geführt haben. Félix et al. (2016) zeigen, dass daraufhin ein Teil des Geschäfts auf Indexoptionen ausweicht – obwohl diese das Risikoprofil der betroffenen Aktien nur sehr krude abbilden.
5.11 Stimmrechtsextraktion Wie bereits mehrfach dargestellt, bringen zum Zwecke der Absicherung eingesetzte Derivate das Risiko eines Vermögenswerts nichts zum Verschwinden. Sie stellen dem Risiko nur eine Position gegenüber, die mögliche Verluste des Absicherungsgegenstands ausgleichen können. Der Absicherungsgegenstand geht also nicht unter. Daher können Derivate auch eingesetzt werden, um das Kursrisiko in einer bestimmten Aktie vollständig zu neutralisieren, sodass das Tandem aus Aktie und Absicherungsderivat immun gegen Kursveränderungen bleibt.
5.12 Kombinierte Positionen
397
Allerdings sind mit einer Aktie ja noch weitere Rechte, zusätzlich zur Teilnahme an Kursveränderungen, verbunden. Da wäre zum einen der Dividendenanspruch – natürlich nur insoweit, als dieser nicht wie bei dividendenlosen Vorzugsaktien ausgeschlossen ist. Allerdings geht dieser Anspruch in der Gesamtbetrachtung einer derivativen Absicherung unter, wenn die Höhe der Dividende korrekt in die Preisberechnung des Derivats eingeflossen ist. Darüber hinaus ist ein Blick auf die einschlägigen Vorschriften zur Dividendenberechtigung in den einzelnen Märkten unerlässlich. So schränken seit 2016 die neuen Vorschriften zur Unterbindung von Mehrfachanrechnung von Steuergutschriften im Rahmen von sogenannten „Cum-Ex-Geschäften“ die Absicherungsmöglichkeiten von Aktien in den drei Monaten um den Dividendentermin herum in Deutschland stark ein. Darüber hinaus steht dem Aktionär das mit einer handelsüblichen Stammaktie verbundene Stimmrecht zu. Zur Absicherung eingesetzte Derivate ermöglichen es, das wirtschaftliche Risiko aus dem Aktienbesitz vom Stimmrecht zu trennen. Das Kursrisiko wird vermieden, das Stimmrecht erhalten. Allerdings ist diese Anwendungsmöglichkeit natürlich kein Geheimwissen. Insofern gilt es vor Anwendung dieses Verfahrens sicherzustellen, das keine rechtlichen Einschränkungen bestehen, die es illegal machen würden. Insbesondere im angelsächsischen Markt kann dies in unterschiedlichen Konstellationen der Fall sein. Generell ist beispielsweise Vorsicht geboten bei Aktienpaketen, die ein Firmeneigentümer am Markt platziert hat, mit der Maßgabe, sich innerhalb einer bestimmten Frist nicht von ihnen zu trennen (Abschn. 5.2.3).
5.12 Kombinierte Positionen 5.12.1
Long-Short-Portfolios
Ein Long-Short-Portfolio besteht, wie der Name schon sagt, aus einer Long- und einer Short-Position. Insbesondere für die Short-Position drängt sich der Einsatz von Derivaten natürlich auf, wenngleich man diese auch mittels Leerverkäufen umsetzen kann. Aber natürlich spricht auch nichts dagegen, die Long-Position ebenfalls derivativ aufzusetzen. Damit lässt sich dieses Thema kurz und bündig auf den großen Themenblock „Hedging“ zurückverweisen. Insbesondere kommt eine Teilabsicherung der Risiken im Portfolio dem Long-Short-Ansatz recht nahe: Man nimmt bestimmte Risiken auf der Long-Seite und stellt dem unterschiedliche oder zumindest nicht genau die gleichen Risiken auf der ShortSeite gegenüber (Abschn. 3.1.1). Die Besonderheit bei Long-Short-Portfolios liegt aber weniger in ihrer Anlagetechnik als in dem dahinterliegenden Investment-Gedanken. Man erwirbt nicht einfach ein Portfolio und sichert bestimmte Teilrisiken ab. Damit würde man lediglich von der relativen Wertentwicklung zwischen abzusichernder und absichernder Position profitieren wollen. Man spricht in diesem Fall von einer Relative Value-Position (Abschn. 4.3.3.2 unter „Relative Value Trade“), einem Spread Trade (Abschn. 4.3.3), manchmal auch von statistischer „Arbitrage“ (Abschn. 4.1) oder einem Cross oder Dirty Hedge (Abschn. 3.5.5). Das Long-Short-Portfolio ist explizit so zusammengestellt, dass
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Feinsteuerung des Risikoprofils
man sowohl von der Long- als auch der Short-Position einen absolut positiven Ertrag erwartet. Die Long-Positionen sollen also steigen. Die Short-Positionen aber nicht nur weniger steigen als die Longs, sondern explizit im Wert fallen. Es gibt durchaus valide Gründe, warum die Erweiterung des Anlagespektrums um Short-Positionen Sinn machen kann. Einerseits liegt es in der Struktur der Finanzmärkte, dass sich eine Neigung in Richtung einer Überbewertung von Vermögenstiteln eher etablieren kann als eine Untergewichtung. Dafür sorgt das Übergewicht der von Analysten ausgesprochenen Kaufempfehlungen gegenüber den Verkaufsempfehlungen. Sofern diesen auch nur annähernd Folge geleistet wird, werden wesentlich mehr Positionen ge- als verkauft, was die Kurse tendenziell nach oben bewegt. Auch die am Markt vertriebenen Anlageprodukte sind eher so aufgelegt, dass sie von steigenden als von fallenden Positionen profitieren. Viele von ihnen lassen explizit nur Long-Positionen zu und sorgen für einen entsprechenden Nachfrageüberhang. So kann man davon ausgehen, dass die Preise der an den Kapitalmärkten gehandelten Instrumente eher eine Tendenz zur Überbewertung aufweisen dürften. Andererseits sorgt die Erweiterung des Anlagespektrums um die Short-Seite des Marktes für mehr Gewinnchancen. Wenn Können in einem breiteren Universum angewandt wird, verschiebt dies den portfoliotheoretisch effizienten Rand, zumal wenn sich der Könner dazu nicht aus dem vertrauten Anlagespektrum, in dem er sein Können erworben und bewiesen hat, herausbewegen muss. Beispielsweise hat ein Long-only Manager nur begrenzte Möglichkeiten, um seine Index-Benchmark durch die Untergewichtung einer „schlechten“ Aktie zu schlagen. Er kann sie im Extremfall überhaupt nicht ins Portfolio aufnehmen. Die maximale aktive Positionierung gegenüber dem Index entspricht dann dem Gewicht dieser Aktie im Index. Hat sie einen Anteil von fünf Prozent am Index und der Manager vermeidet sie in seinem Portfolio komplett, beläuft sich seine Untergewichtung auf eben diese fünf Prozent. Könnte er diesen Wert hingegen short gehen, kann er die Differenz zum Indexgewicht deutlich ausweiten. Geht er sie in Höhe von zehn Prozent short, ergibt sich ein kumuliertes Untergewicht von 15 % gegenüber dem Index. Mehr noch, er kann mit dieser Position nicht nur einen relativen Performance-Vorteil erzielen, sondern für den Kunden sogar ein absolut positives Ergebnis aus dieser Aktie erwirtschaften. Ebenso kann er mit Titeln verfahren, die im Index gar nicht enthalten sind. Der Longonly Manager kann nicht davon profitieren, wenn er einen schlechten Titel identifiziert, weil er ihn weder relativ untergewichten noch absolut short gehen und so von fallenden Kursen profitieren kann. Der Long-Short Manager hingegen hat die Möglichkeit, auch diese Analyse umzusetzen. Er kann also das gleiche Know-how in einer höheren Anzahl von Wetten umsetzen. Daher wird er letztlich eine bessere risikoadjustierte Rendite erzielen. Dies ergibt sich unmittelbar aus der Fundamental Law of Active Management (Abschn. 4.5.1). Das Long-Short Management birgt natürlich neben weiteren Chancen auch die damit einhergehenden zusätzlichen Risiken. Zum einen kann es eben doch ein Herausbewegen des Experten aus seinem angestammten Kompetenzfeld sein. Ein Portfoliomanager
5.12 Kombinierte Positionen
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bewegt sich beim Wechsel von einem Long-only hin zu einem Long-Short-Portfolio weiterhin im Aktienmarkt. Wenn er bislang viel Geschick darin bewiesen hat, Gewinneraktien zu entdecken, heißt das nicht zwangsläufig, dass er im gleichen Maße begabt darin ist, Verlierer zu identifizieren. Wie die Praxis immer wieder zeigt, scheinen „auf der dunklen Seite der Macht“ oft andere Qualitäten gefragt zu sein. Das mag mit einem weiteren Problempunkt zusammenhängen, dem Risikomanagement. Greift man auf der Long-Seite daneben, verliert die Position an Wert. Das ist unschön für die Gewinn- und Verlustrechnung. Aus der Bilanzsicht stellt sich die Position weniger problematisch dar, da sie durch ihren Verlust kleiner wird und damit an Bedeutung verliert. Umgekehrt gewinnen Verlustpositionen auf einem Short an Gewicht, weil sie immer größer werden. Wer hier fehlgeht, gerät in einen Sog. Und natürlich ist das Ausmaß des Maximalverlusts hier auch, im wahrsten Sinne des Wortes, unendlich viel größer. Bei einer Long-Position kann der Wert der Investition schlimmstenfalls auf null fallen. Bei einer Short-Position kann der Kurs sich vervielfachen. Das Verlustpotenzial ist unbegrenzt. Die entscheidende Komponente für Erfolg oder Misserfolg ist das Können. Es hat im Long-Short-Portfolio eine viel größere Bedeutung. Ein Könner wird in die Lage versetzt, sein Leistungsspektrum zu erweitern und so den Ertrag zu steigern, weil er beide Seiten des Marktes spielen kann. Aber auch der Nicht-Könner hebelt sein „Talent“. Nur wird bei Erfolglosigkeit auf der Long-Seite auch bei den Shorts nichts für ihn zu holen sein, sodass die Performance von beiden Seiten unter Druck gerät. Die Long-Short-Idee ist natürlich in der Lage, immensen Charme zu versprühen. Wer wollte nicht sowohl mit steigenden als auch mit fallenden Kursen Geld verdienen? So wurde sie auch zu Beginn der 1990er-Jahre in der Fondsindustrie populär. In der verwässerten Form versuchte man sie unter der griffigen Überschrift „130/30“ zu vermarkten. Dahinter verbirgt sich eine Mischung aus einem klassischen Beta-Mandat – also einem Long-only-Teilportfolio, das sich mehr oder weniger eng an einem Marktindex anlehnt und versucht, die dazu gehörende Risikoprämie abzugreifen – und einer Absolute ReturnKomponente. In dieser geht man mit 30 % des Portfolios zusätzlich long in vielversprechenden Titeln, sodass man auf ein Long Exposure von 130 % kommt. Dem stellt man ein „Verliererteilportfolio“ gegenüber. Man wählt also für 30 % des Fondsvolumens Titel aus, von denen man eine schlechtere oder gar eine negative Performance erwartet. Im Idealfall profitiert man also von der Marktrisikoprämie sowie einem positiven und einem negativen Mehrertrag in Höhe von jeweils 30 % des Portfolios. Der deutsche Investmentfonds ist eine Anlageform, die in starkem Maße reguliert ist, aber auch ein hohes Maß an Transparenz aufweist, insbesondere verglichen mit Lebensversicherungen etc. Daher lässt sich aufgrund der sicherlich (noch begrenzten) Erfahrung mit den 130/30-Produkten zwischenbilanzieren, dass deren Erfolg belegt: Die oben angeführten Schwierigkeiten, aus Long-Short-Produkten einen überlegenen Anlageerfolg zu erzielen, werden durch die Praxis bestätigt. Positives Alpha wächst eben nicht auf Bäumen und kann von jedem zu jeder Zeit in beliebiger Menge einfach geerntet werden.
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Feinsteuerung des Risikoprofils
Diversifikation konzentrierter Positionen
Wir hatten bereits gesehen, dass es Situationen geben kann, in denen man mit sehr konzentrierten Einzelpositionen umgehen muss. Ein Beispiel dafür war das eines Unternehmers, der einen Großteil seines Vermögens in Aktien seiner eigenen Firma gebunden hat (Abschn. 5.2.3). Im normalen Portfoliomanagementgeschäftsbetrieb ergibt sich eine derartige Herausforderung gelegentlich, wenn ein bereits bestehendes Mandat neu übernommen wird oder größere Einzelpositionen als Sacheinlage nachträglich in den Managementauftrag eingebracht werden. Auch in diesen Fällen kann es sein, dass die große Position nicht verkauft werden kann oder darf, sei es aus Gründen, die im Markt liegen, wie zum Beispiel fehlender Liquidität, aufgrund von steuerlichen Erwägungen oder sonstigen Gründen wie der Vermeidung des Ausweises von realisierten Verlusten. Um das in derartigen Positionen gebundene Kapital und Risiko effizienter einzusetzen, wird in einem ersten Schritt das Risiko der Position durch einen Future oder eine Option abgesichert. Da es sich um eine sehr spezielle Position handelt, wird es oft erforderlich sein, maßgeschneiderte OTC-Derivate wie Swaps und OTC-Optionen einzusetzen. Im zweiten Schritt kann dann Long Exposure nach Wunsch aufgebaut werden. Auch dafür bieten sich insbesondere Futures an, da diese nur einen geringen Kapitaleinschuss für die Initial Margin erfordern. Die Diversifikation konzentrierter Positionen erfolgt also durch eine Kombination eines Short Hedges mit einem Long Hedge auf verschiedene Underlyings. Nach Wegfall der Gründe, die dem Kauf im Wege standen, kann das Klumpen-Underlying zeitgleich mit der Absicherung aufgelöst werden. Wenn aus dem Verkauf Cash generiert wurde, kann auch die derivative Long-Position gegen die kapitalintensivere Anlage im Kassamarkt getauscht werden.
5.13 Hebeln einer Einzelaktienposition Es kann Konstellationen geben, in denen das maximale Investment in eine einzelne Aktie begrenzt ist, es aber dennoch Sinn machen würde, diesen Titel höher zu gewichten und sei es, um die erzwungene Untergewichtung gegenüber einer Messlatte wie einem Kapitalmarktindex, in dem dieser Titel höher gewichtet ist, zu reduzieren. Um hier Abhilfe zu schaffen, könnte man beispielsweise auf einen Future auf einen Index, in dem besagter Titel sehr hoch gewichtet ist, zurückgreifen. In einem engen Index wie dem DAX gibt es im Laufe der Zeit immer wieder Perioden, in denen einzelne Aktien aufgrund ihre überproportional hohen Marktkapitalisierung deutlich mehr als zehn Prozent Anteil am Index auf sich vereinen. Hat beispielsweise der höchstkapitalisierte Titel ein Gewicht von 20 % am Index, kann man mit einer zehnprozentigen Long-Position im DAX-Future das Gewicht dieses Titels im Portfolio indirekt um zwei Prozent erhöhen.
5.14 Isolierung des Alpha
401
Als sich Futures Anfang/Mitte der 1990er-Jahre langsam als Instrumente zur Steuerung von Investmentfonds etablierten, war dies in Aktienmandaten mit einer DAX-Benchmark eine oft geprüfte Strategie. Siemens war der prominenteste Problemfall. Mit deutlich über zehn Prozent im Index gewichtet, war für Investmentfonds eine gleichhohe oder Übergewichtung unmöglich, da das Maximalgewicht im Fonds gesetzlich auf zehn Prozent begrenzt war. Futures konnten jedoch als eigenständige Position angesehen werden. Die im Index enthaltenen Einzelaktienanteile wurden also nicht durchgerechnet, aufgelöst und der Aktienposition zugeschlagen, sodass man durch die Hintertür die Siemensquote im Fonds hätte über zehn Prozent hinaus erhöhen können. Freilich nimmt man dabei in Kauf, dass man zwangsweise auch in 29 weitere Unternehmen investiert. Ob es einem das wert ist, gilt es in der jeweiligen Situation abzuwägen, ebenso wie die Lösungsmöglichkeit, das ungewollte Exposure durch gezielte Short-Positionen in einzelnen Single Stock Futures zu eliminieren. Unter Umständen genügt es auch schon, durch den Einsatz von noch kompakteren Futures das Problem zu verkleinern oder ganz aus der Welt zu schaffen. Soll beispielsweise die Daimler-Aktie über den Einsatz eines Future indirekt gehebelt werden, könnte man auch einen Branchen-Future auf die Automobilbranche long gehen. Dieser würde einerseits das Daimler-Gewicht erhöhen. Darüber hinaus kann es sein, dass die erwartete gute Performance von Daimler auf die ganze Branche abstrahlt, sodass auch die anderen Werte in dem Branchen-Future davon profitieren.
5.14 Isolierung des Alpha Ein Portfoliomanager, der in der Lage ist, eine Überrendite zu erzielen, die nicht auf der Übernahme von Marktrisikoprämien beruht, kann über die Nutzung von Derivaten dieses Alpha isolieren. Es wird dann nicht mehr von Betaschwankungen verwässert und überlagert. Das Vorgehen ist recht simpel und wurde bereits mehrfach in anderem Zusammenhang angesprochen. Das Ergebnis einer Anlage setzt sich zusammen aus der risikolosen Verzinsung, einer Marktrisikoprämie und einem Alpha. ri D ’i C “i rm C rf mit ri ’i “i rm rf
= erwartete Rendite des Investments = risikoadjustierte Überrendite = Beta des Investments i = Rendite Marktportfolio = risikoloser Zins
(5.7)
402
5
Feinsteuerung des Risikoprofils
Nehmen wir als Beispiel einen Portfoliomanager, der sich auf das Aufspüren attraktiver Einzelaktien spezialisiert hat, ein sogenannter Stock Picker also. Seinen Nutzen generiert er daraus, dass er Aktien meidet, die sich schlechter entwickeln als der Aktienmarkt und solche übergewichtet, die sich überdurchschnittlich positiv entwickeln. Sein Alpha resultiert also aus Einzeltitelwetten. Allerdings ist doch immer ein erhebliches Ausmaß an Aktienmarktrisiko dabei. Denn, so gut seine Wetten auch sein mögen, wenn der Aktienmarkt als Ganzes kollabiert, wird sich seine Aktienauswahl dem nicht vollständig entziehen können, da jede Aktie auch einen Risikoanteil aufweist, der aus dem allgemeinen Aktienmarktrisiko herrührt: dem “-Faktor des Capital Asset Pricing Model (CAPM; Sharpe 1964; Lintner 1965; Mossin 1966). Das störende Element in dieser Zusammensetzung ist eben dieses Marktrisiko. Will man es ausschalten, könnte man einfach alle risikotragenden Anlagen verkaufen. Damit würde man erreichen, dass das Marktrisiko verschwindet (“i D 0). Allerdings würde mit der Liquidation des Portfolios auch das Alpha verkauft werden (’i D 0). Am Ende bliebe der Portfoliomanager lediglich auf dem risikolosen Zins sitzen (ri D rf ). Um in den Genuss seines puren Alphas zu kommen, müsste er dieses isolieren und das ungewollte „Anhängsel“ Marktrisiko, also “, loswerden. Er erreicht dies durch den Verkauf des Marktrisikos mittels Verkauf von Index Futures oder durch den Kauf von Index Puts. Dadurch sichert er sein Marktrisiko komplett ab (“i D 0; Abschn. 3.1.1, 3.3.2 und 5.5). Das Alpha bleibt erhalten, sodass sich dieses zur risikolosen Verzinsung als echter Mehrertrag hinzuaddiert (ri D ’i C rf ). Wenn der Manager in der Lage ist, dieses Alpha einigermaßen zuverlässig im positiven Terrain zu halten, steht einer Karriere als erfolgreicher Absolute Return Manager nichts mehr im Wege. Das gilt natürlich nur dann, wenn er für seine Leistung eine Verwaltungsgebühr ansetzt, die das Alpha nicht vollständig auffrisst, sondern auch noch einen ausreichend hohen Anteil für den Kapitalgeber übrig lässt. Das Beispiel demonstriert sehr schön den besonderen Charme der Alphaisolierung. Die Gesamtposition eines reinen Alpha ist marktneutral. Es wird verdient, egal ob der Markt insgesamt steigt oder fällt. Als solches kann es aber auch bequem durch den Kauf von Beta in alle möglichen anderen Asset-Klassen transportiert werden. Das sogenannte Portable Alpha sorgt dafür, dass ein Manager, der in der Lage ist, nachhaltig positives Alpha zu generieren, in jeder Asset-Klasse erfolgreich sein kann. So könnte ein erfolgreicher Stock Picker sein Aktienbeta neutralisieren und durch eine Long-Position in einem Renten-Future auf den Rentenmarkt transferieren. Er wäre fortan ein überdurchschnittlicher Rentenmanager, ohne auch nur eine einzige Anleihe angefasst zu haben. Noch einfacher gestaltet sich der Transport des Alpha, wenn dieses aus dem Management eines Geldmarktportfolios herrührt. Dann kann ein Manager, der mit seinem Portfolio beispielsweise den Aktienmarkt schlagen will, seinem Geldmarktalpha einfach über den Kauf von Aktienindex-Futures das erforderliche Beta hinzufügen. Wenn er seine Leistung aufrechterhalten kann, wird er den Aktienindex um den Betrag seines Geldmarktalphas (abzüglich Kosten) übertreffen. Besteht sein Auftrag darin, den Rentenmarkt zu übertreffen, kauft er statt der Aktien-Futures eben Renten-Futures.
5.15 Faktorrisiken
403
5.15 Faktorrisiken Natürlich kann man sämtliche Risiken, auf die Derivate existieren, über diese aussteuern. Das gilt auch für die sogenannten Faktorrisiken. Dabei handelt es sich um derivatives Portfoliomanagement auf einer Prozessebene zwischen der Asset-Klassen-Allokation und der Einzeltitelebene. Diese Stufe im Investment-Prozess umfasst beispielsweise die klassische Branchenrotation. Je nach relativer Attraktivität werden Übergewichtungen in aussichtsreichen und Untergewichtungen in weniger attraktiven Branchen in Form von Long- oder Short-Positionen in Branchenkontrakten umgesetzt. Bei der Aussteuerung von Branchenrisiken wird das kumulierte Faktor-Exposure auf den Faktor „Zugehörigkeit zu einer bestimmten Branche“ verändert. Mit dem gleichen Ansatz kann man auch andere Risikoattribute in einem Portfolio erhöhen und reduzieren. Dabei handelt es sich zumeist um sogenannte Stilfaktoren. Diese bezeichnen bestimmte Risikoattribute im Aktienbereich, die eine auffällige Prägung im Chance-Risiko-Profil einer Aktie hinterlassen. Das können fundamentale Faktoren sein, wie die Sensitivität gegenüber der Veränderung einer bestimmten Währung oder ein niedriges Kurs-Buchwert- oder Kurs-Gewinn-Verhältnis, beides Kennzeichen für sogenannte Value-Aktien. Aber auch technische Faktoren werden als Gliederungskriterium herangezogen, beispielsweise das Momentum, also eine Messung, ob ein Wert derzeit „einen Lauf hat“ oder nicht. Die Grundüberlegung hinter all diesen Faktoren ist, dass man die mit ihnen verbundenen Risikoprämien systematisch abschöpfen kann, sofern sie stabil genug scheinen. Daher rührt auch die Bezeichnung „Alternatives Beta“ oder „Alternative Risikoprämie“ in Abgrenzung zum klassischen Beta, das lediglich von der Existenz einer einzigen, mit dem Markt assoziierten Risikoprämie gemäß dem Capital Asset Pricing Model ausgeht. Die Marktrisikoprämie des CAPM kann als vergleichsweise gesichert angesehen werden, wenngleich es höchstwahrscheinlich, entgegen der Modellannahme nicht die einzige Risikoquelle ist. Auch die Theorie zur Bewertung von Aktien über mehrere Risikofaktoren ist in Form der Arbitrage Pricing Theory (APT; Ross 1976a) recht gut abgesichert. Die konkreten alternativen Betas entspringen empirischen Analysen auf historischen Daten, in denen Muster erkannt werden. Wenn diese ausreichend stabil erscheinen, kann man versuchen, sie systematisch auszunutzen. Harvey et al. (2016) setzen sich jedoch kritisch mit der Risikofaktorschwemme auseinander. Sie untersuchen nicht weniger als 313 Artikel, in denen das Risiko von Aktien über unterschiedliche Faktoren bestimmt wird. Wenn man strenge Kriterien anwendet, bleiben am Ende aber nur eine Handvoll Faktoren übrig, die sich letztlich als relevant herausgestellt haben. Die Umsetzung erfolgt dergestalt, dass man entlang dieser Kriterien Aktienkörbe zusammengestellt und Indizes aus diesen errechnet, auf die dann wiederum handelbare Derivate aufgesetzt werden. Oftmals werden auch noch unterschiedliche Gewichtungsschemata eingesetzt (kapital- oder gleichgewichtet), um zu weiteren Differenzierungen zu kommen. Beispiele für derartige Risikofaktor-Indizes sind die im Dezember 2015 an der Eurex eingeführten Kontrakte auf den MSCI USA in den Ausprägungen gleichgewichtet, Momentum, Qualität und value-gewichtet. Mit diesen Werkzeugen kann man beispiels-
404
5
Feinsteuerung des Risikoprofils
weise versuchen, den sogenannten Size/Größen-Effekt auszunutzen, der besagt, dass sich niedrigkapitalisierte Aktien langfristig risikoadjustiert besser entwickeln als hochkapitalisierte. Da in einem gleichgewichteten Index kleine Aktien das gleiche Gewicht haben wie große, ergibt sich im Vergleich zu einem kapitalgewichteten Index eine relative Übergewichtung von kleinen und eine Untergewichtung von großen Werten. Wenn der SizeEffekt also tatsächlich eintritt, profitiert man davon mit einer Long-Position in einem gleichgewichteten und einer Short-Position in einem kapitalgewichteten Index. Oder man nimmt einfach gleich zwei gänzlich verschiedene Indizes und handelt beispielsweise einen MDAX long gegen einen DAX short. In beiden Fällen handelt es sich um einen klassischen Inter Contract Spread Trade, in dem sich der gekaufte Kontrakt relativ besser entwickeln sollte als der verkaufte, also stärker steigen oder weniger stark fallen (Abschn. 4.3.3.2).
5.16 Setzen von Stops Bei Optionen handelt es sich um bedingte Geschäftsmöglichkeiten (Nur wenn der Kurs des Underlying über oder unter einer bestimmten Schwelle notiert, macht es wirtschaftlich Sinn, die Option auszuüben). Daher liegt eine Anwendungsmöglichkeit nahe, die ebenfalls auf einem Bedingtheitsprinzip basiert. Setzt ein Portfoliomanager einen Stop, legt er eine bedingte Kauf- oder Verkaufsorder in den Markt. Wenn er einen Titel ab einem bestimmten Preisniveau erwerben will, legt er eine limitierte Kauforder in den Markt, die dann ausgeführt wird, wenn der Preis unter das Limit fällt (Buy Stop). Möchte er einen Titel oberhalb eines bestimmten Preises abstoßen, entscheidet er sich für eine limitierte Verkaufsorder (Sell Stop). Steigt der Titel über das Verkaufslimit, wird die Order ausgeführt. Es ist leicht ersichtlich, dass der Basispreis einer Option die Rolle des Limits übernehmen kann und eine Limit-Order wie eine verkaufte, kostenfreie Option wirkt (Handa und Schwartz 1996). Da Optionen bei hoher Volatilität teurer werden, spricht sowohl aus theoretischer als auch empirischer Sicht einiges dafür, in einem volatilen Umfeld auf diese Strategie zurückzugreifen, um die Transaktionskosten zu reduzieren (Foucault 1999; Ranaldo 2004).
5.16.1
Sell Stop
In der derivativen Welt ist die Alternative zu einer traditionellen Verkaufsorder eine geschriebene, gedeckte Kaufoption. Hier tritt also das Covered Call Writing im Gewand einer neuen Motivation auf (Abschn. 4.2.1). Der Charme von geschriebenen Optionen steckt in der Zusatzprämie, die man erhält. Setzt ein Anleger eine Limit-Verkaufsorder auf einen Preis von 100 C auf, wird er die Aktie um diesen Bereich herum loswerden, sofern sie sein Limit erreicht. Schreibt er einen Call auf die Aktie mit einem Basispreis von 100 C, erhält er zusätzlich die Optionsprämie,
5.16 Setzen von Stops
405
beispielsweise fünf Euro. Im Vergleich zwischen einer Position ohne und mit Verkaufslimit, schneidet sich der Anleger bei einer Verkaufsorder die Gewinne oberhalb von 100 C ab, weil er die Position an dieser Marke verkauft. Durch den Verkauf einer Kaufoption erhöht er diese Schwelle um die Höhe der vereinnahmten Optionsprämie, also um fünf Euro auf 105 C. Sollte die Aktie wider Erwarten fallen, nimmt der Anleger sowohl bei der Strategie ohne Verkaufslimit als auch bei der platzierten Verkaufsorder, deren Limit aber hier nicht erreicht wurde, die gesamte Abwärtsbewegung mit. Bei der verkauften Kaufoption verliert die Aktienposition in gleichem Ausmaß. Jedoch wird der Gesamtverlust durch die erhaltene Optionsprämie abgemildert. Während er also in einem stark steigenden Markt ein relativ schlechteres Ergebnis erzielen wird als die unlimitierte, aber ein besseres als die traditionell limitierte Position, ist er in einem fallenden Markt gegenüber beiden im Vorteil. Diese Aussage muss man allerdings mit einer wichtigen Einschränkung versehen, gilt sie doch zunächst nur, wenn man die Option auf Endfälligkeit betrachtet. Zu diesem Zeitpunkt verfällt die Option bei gefallenen Kursen wertlos. Die volle Prämie steht als Einnahme zu Buche. Vor Fälligkeit besteht die Gesamtposition aber eben aus dem Aktienwert und dem Marktwert der Option. Auf diesen Marktwert wirkt aber nicht nur der Kursverlauf des Underlying, sondern auch andere Faktoren, in diesem Fall in besonderem Maße die implizite Volatilität. Während der Kursverfall im Underlying auch den Wert der Option ceteris paribus sinken lässt, kann die Volatilität das Gegenteil bewirken. In der Tat ist es in der Mehrzahl der Fälle so, dass bei einem Kursverfall im Underlying die implizite Volatilität steigt und so auch preistreibend auf die Option wirkt (Abschn. 4.2.1.5.3). Je nachdem, wie stark die implizite Volatilität ansteigt, kann dieser Effekt mitunter größer sein als der preisreduzierende Effekt aus dem Underlying, sodass selbst bei fallendem Aktienkurs der Kurs des Calls steigen kann. Dies ist insbesondere dann zu erwarten, wenn sich der Aktienkurs nicht in kleinen, gesitteten Schritten stetig nach unten orientiert, sondern crasht. In einer solchen Situation ist es sehr wahrscheinlich, dass sich zu dem originären Kursverfall und dem damit meist einhergehenden Anstieg der impliziten Volatilität ein Austrocknen der Liquidität am Optionsmarkt einstellt, der dazu führt, dass die Geld-Brief-Spannen weit auseinander getrieben werden, weil die Marktteilnehmer nur noch Abwehrpreise stellen. Prominentestes Beispiel hierfür ist der Aktienmarkt-Crash im Oktober 1987. Hier erfuhren Calls trotz der massiven Aktienabwertung zum Teil einen Kursanstieg aufgrund einer regelrechten Explosion der impliziten Volatilität. Per saldo bleibt der Verkäufer zwar auch in einem fallenden Markt flexibel und kann sich, ebenso wie die Halter der unlimitierten und limitierten Position, der Aktie auch zu einem niedrigeren Kurs entledigen. Unter Umständen wird ihn die Option, die ihm, je nach Entwicklung, sowohl einen Zusatzertrag als auch einen Verlust bescheren kann, in seinen Überlegungen aber auch einschränken, immer unterstellt, er will die Gesamtposition aus Aktie und Option glattstellen, was er kann, aber nicht muss. Er könnte es auch riskieren, die Aktie zu verkaufen, den Short Call aber stehen zu lassen. Der wäre dann aber eben nicht mehr gedeckt (covered), sondern ungedeckt (naked). Das macht in der Ergebniswahrnehmung einen gewaltigen Unterschied.
406
5
Feinsteuerung des Risikoprofils
Wenn der Aktienkurs entgegen der Erwartungen nach Verkauf der Aktie massiv an- und der Short Call ins Geld steigt, sind sowohl die gedeckte als auch die ungedeckte Position im Minus. Allerdings muss der Portfoliomanager bei der ungedeckten Position für Deckung sorgen, indem er die Aktien zur Einlieferung in die Option besorgt. Alternativ kann er natürlich auch die im Nachhinein zu billig verkaufte Option teuer zurückkaufen. Der Verlust ist der gleiche und kann beträchtliche Ausmaße annehmen. Bei einer gedeckten Position wäre es auch besser gewesen, die Option nie geschrieben zu haben. Allerdings schlägt sich die ungünstige Marktentwicklung nur in Form eines entgangenen Gewinns nieder, da der Portfoliomanager die Aktie zu einem hohen Preis direkt hätte verkaufen können, sie aber gezwungenermaßen zu einem darunterliegenden Kurs in die Option hat einliefern müssen. Dieser Opportunitätsverlust ist weit weniger schmerzhaft als der reale Verlust aus der ungedeckten Position. Der ungünstigste Fall für den Schreiber einer Kaufoption im Vergleich zu einer traditionellen Limit-Order ist der eines Kursanstiegs im Underlying über das Limit/die Basis hinaus, gefolgt von einem (starken) Kursrückgang. Bei einer traditionellen Limit-Order ist der Fall klar: Das Limit wird erreicht, die Order wird ausgeführt und die Aktie verkauft. Beim Short Call verhält sich dies anders. Hier steigt sowohl die Aktie als auch, in der Regel, der Preis der verkauften Option. Damit ist der Optionsnutzer zunächst in einer Situation, dass er die Aktie noch im Bestand hat, obwohl sie oberhalb seines Zielverkaufspreises liegt. Gleichzeitig hat sich aller Wahrscheinlichkeit nach sein Call, in dem er short ist, verteuert und wäre voraussichtlich nur mit Verlust zurückzukaufen – es sei denn, die implizite Volatilität und/oder der Zeitwertverfall hätten den Effekt des Aktienkursanstiegs (über)kompensiert. Dreht die Aktien nun deutlich ins Minus, bleibt die Aktienposition im Bestand und der Verlust wird durch die eingenommene Optionsprämie abgepuffert. Damit stellt sich der Anleger besser als ein Investor, der die Aktien einfach gehalten hat. Im Vergleich zum Limit-Anleger hat er jedoch das Nachsehen. Dieser hat zu einem hohen Kurs die Aktien abgestoßen und den folgenden Kursrückgang nicht mitgemacht. Der Optionär kommt nur dann besser weg, wenn die Aktie nur leicht unter das Verlaufslimit gefallen ist und die Optionsprämie diese Differenz übertrifft. An diesem Beispiel wird deutlich, dass der Einsatz eines Short Call im Vergleich zu einer traditionellen Limit-Order kein Free Lunch in Höhe der Optionsprämie ist. Die einfache Limit-Order ist nur an eine Bedingung geknüpft: Der Kurs des Underlying muss das Limit erreichen und die Order auslösen, wobei für den Portfoliomanager nur die Unsicherheit verbleibt, zu welchem Kurs sie dann letztlich ausgeführt wird. Im Gegensatz dazu handelt es sich beim Short Call insofern um eine einschränkte Limit-Order, als nicht nur ein bestimmtes Kursniveau in Form des Basispreises erreicht werden muss, sondern dass dies auch noch zu einem bestimmten Zeitpunkt der Fall sein muss, nämlich bei Fälligkeit des Kontrakts. Die Optionsprämie ist letztlich eine Kompensation für diese Einschränkung. In geringem Maße kann der Verkäufer der Kaufoption diesem Risiko einer Kursumkehr Rechnung tragen, indem er den Basispreis auf einem niedrigeren Niveau ansetzt. So wäre es ihm unbenommen, einen Call mit Basispreis 95 C statt 100 C zu verkaufen. Er würde
5.16 Setzen von Stops
407
dafür nur eine geringere Optionsprämie vereinnahmen, meinetwegen 4,50 C. Damit wäre er in der Gesamtbetrachtung mit einem Gesamterlös von 99,50 C recht nahe an seinem Zielerlös, hätte jedoch die Wahrscheinlichkeit einer Ausübung erhöht. Damit verbessert er seine Chancen im Vergleich zum Nutzer einer traditionellen Stop Order. Dreht der Kurs nämlich zwischen dem Limit von 100 C und dem niedrigeren Basispreis von 95 C und verharrt in dieser Spanne, ist der Optionsnutzer seine Aktie los, während der Limit-Nutzer noch auf seinem Bestand sitzt. Selbstverständlich kann dieses einfache Setzen von Stops noch verfeinert werden. Dabei sind der Fantasie nur wenige Grenzen gesetzt. Beispielsweise kann die zu verkaufende Position auf mehrere Optionsserien aufgeteilt werden. So mag man beispielsweise gestaffelte Basispreise oder/und Optionen mit unterschiedlicher Laufzeit einsetzen, um die betreffende Position nach und nach auf unterschiedlichen Marktniveaus und zeitlich gestreckt zu verkaufen. Im Falle eines wider Erwarten stark steigenden Marktes kann man die Opportunitätsverluste (wenn man die absolute Performance betrachtet) beziehungsweise die relativen Verluste gegenüber einer Benchmark (bei einer eintretenden Untergewichtung) durch den Kauf eines Calls mit höherem Basispreis absichern. Dieser sogenannte Call Spread reduziert natürlich die Gesamtprämieneinnahme um den für den gekauften Call eingesetzten Betrag. Alternativ könnte man die eingenommene Prämie einsetzen, um sich eine Absicherung gegen möglicherweise fallende Kurse in Form eines Long Put zu kaufen. Je nach gewählten Basispreisen wird aber weniger oder auch gar nichts mehr von der eingenommenen Prämie übrig bleiben. Was sich beim Einsatz von Covered Short Calls immer ein wenig schwierig gestalten kann, ist die Erfolgsbeurteilung. Ein Beispiel: Ein Portfoliomanager hat eine Aktie zu 48 C gekauft und ersetzt eine limitierte Verkaufsorder durch einen Short Call bei 50 C. Für die Option erhält er zwei Euro Prämie. Nach einer Weile ist die Aktie bis auf 49,50 C gestiegen. Die Kaufoption kostet jetzt vier Euro. Wie sieht die Zwischenbilanz aus? „Kann man noch nicht sagen, weil erst bei Verfall abgerechnet wird.“ „Das Ziel ist fast erreicht. 49,50 C C 2 C macht einen aktuellen Wert der Gesamtposition im Verkauf von 51,50 C. Wenn alles so bleibt, kann ich die Aktie ja notfalls auch direkt am Markt für 49,50 C verkaufen.“ „Sicher sind jetzt erst mal nur die 2 C Prämie. Die habe ich auf jeden Fall.“ „Du hast die Option für 2 C verkauft. Sie kostet jetzt aber im Kauf 4 C. Also stehen derzeit 2 C Verlust auf der Uhr.“ „Aber ich will den Call doch gar nicht zurückkaufen!“ „Klarer Fall: Das Gesamtpaket hat jetzt einen Wert von 49,50 C C 2 C 4 C D 47,50 C. Du liegst demzufolge 0,50 C hinten.“ In der Praxis habe ich jeden dieser Standpunkte schon gehört. Das zeigt, dass die Intention hinter einer Derivateposition eine Rolle dabei spielt, wie man die Position betrachtet – auch wenn die letzte Zwischenbilanz das Bild am umfassendsten beschreibt.
408
5.16.2
5
Feinsteuerung des Risikoprofils
Stop Loss
Im „vorderivativen Zeitalter“ bestand die Krone des Risikomanagements darin, Verluste zu begrenzen, indem man Wertpapiere an einer vordefinierten Marke verkaufte. Dieser Stop Loss-Ansatz ist auch heute noch vielfach gebräuchlich, und nach wie vor ist das Platzieren von bedingten Verkaufsorders nicht das dümmste Vorgehen, um die Risiken in einem Portfolio zu begrenzen. Durch das Aufkommen von Optionen stehen dem Portfoliomanager derivate Alternativen für das bedingte Absichern von Portfolios zur Verfügung (Abschn. 3.3.2.5), sodass er sich aussuchen kann, welcher Ansatz ihm für seine jeweils konkrete Aufgabenstellung der bessere zu sein scheint. Betrachtet man die Auszahlungsprofile auf Endfälligkeit, wird klar, wie sich zunächst ein Vorteil des Stop Loss gegenüber einer Optionsabsicherung ergibt. Abb. 5.5 zeigt, dass in dieser statischen Betrachtung das Auszahlungsprofil des Stop Loss das Beste aus den beiden Welten „Aktie ohne Absicherung“ und „Long Call bzw. optionsgesicherte Aktie (Protective Put)“ miteinander verbindet. Die Aktie partizipiert, solange das Verkaufslimit nicht erreicht ist. Danach ist die Position aus dem Markt genommen und macht weder Gewinne noch Verluste. In der statischen Betrachtung sieht die Stop Loss-Strategie also besser aus als ein ungesichertes Aktien-Investment, da es nach oben zu 100 % dabei ist, aber die Verluste abschneidet. Gegenüber der Optionsstrategie ist der Stop Loss im Vorteil, da er nach oben ungeschmälert teilnimmt und keine Optionsprämie aufwenden muss. Allerdings ignoriert diese Darstellung die Bewegung vor Fälligkeit und damit die Möglichkeit, dass der Stop vor Ende des Anlagehorizonts erreicht wird und sich der Kurs der Aktie im Anschluss wieder erholt. Dann ist die Strategie nicht mehr investiert und erleidet unter Umständen hohe Opportunitätsverluste. Die Sicherung auf der Basis von Optionen hingegen dämpft den zwischenzeitlichen Verfall. Wenn der Aktienmarkt im Anschluss wieder nach oben strebt, lässt sie ihn gewähren. Schlimmstenfalls verfällt die Option wertlos und geht so lediglich als mehr oder weniger kleiner wertmindernder Posten in die positive Gesamtbilanz ein.
5.16.3 Buy Stop Natürlich können Optionen auch auf der Gegenseite eingesetzt werden, also anstelle eines Kauflimits (Stop to Buy). Hält man einen Vermögensgegenstand für einen guten Kauf, allerdings auf einem niedrigeren Niveau, kann man eine Verkaufsoption mit Basispreis auf dem angestrebten Niveau verkaufen. Hier sorgt die erhaltene Optionsprämie für einen verbilligten Einstiegspreis auf dem Niveau Basispreis minus Prämie. Fällt das Underlying tatsächlich, wird der Käufer der Option von seinem Andienungsrecht Gebrauch machen und dem Gegenüber das Underlying zum Basispreis verkaufen. Natürlich bleibt es dem Verkäufer der Option unbenommen, seine Meinung zu ändern und
5.16 Setzen von Stops
409
den verkauften Put (mit Verlust) zurückzukaufen. Bezieht er das Underlying jedoch, hat er es im Vergleich zu einem traditionellen Kauflimit billiger erworben. Geht das Underlying in die Gegenrichtung, hat man es zwar versäumt, das Underlying zu kaufen und partizipiert so nicht am Kursaufschwung. Allerdings bleibt die Optionsprämie als Plus. Auch hier stellt sich der Optionsanwender besser als der limitierende Anleger, der den Aufschwung ebenfalls verpasst, weil das Underlying sein Kauflimit nicht erreicht hat, aber noch nicht mal eine Prämie als Trostpreis erhält. Der negative Fall stellt sich auch hier spiegelbildlich ein, wenn das Underlying zunächst unter den Basispreis/das Kauflimit fällt und dann ansteigt. Dann würde der Anleger mit dem Kauflimit profitieren, weil dieses ihm das begehrte Underlying zu einem guten Preis beschert hat, während sich der Optionsverkäufer lediglich mit der vereinnahmten Optionsprämie begnügen muss. Bei beiden optionalen Stop-Strategien Sell Stop und Buy Stop handelt es sich um antizyklische Ansätze. Dennoch fällt es Anlegern in der Praxis leichter, Short Calls als Stops einzusetzen als Short Puts. Der Unterschied liegt darin, dass bei einem Short Call im Falle eines Überschießens nach oben lediglich Opportunitätsverluste entstehen. Man hätte also mehr verdienen können und schaut entgangenen Gewinnen hinterher. Der InvestmentVolksmund spricht davon, dass an Gewinnmitnahmen noch niemand gestorben sei.
50 40
Basiswert
Call
Basiswert mit Stop
30
Gewinn & Verlust
20 10 0 -10 -20 -30 -40 -50 50
60
70
80
90
100
110
Preis Basiswert Abb. 5.5 Auszahlungsprofil Stop Loss auf Endfälligkeit
120
130
140
150
410
5
Feinsteuerung des Risikoprofils
Anders sieht es bei Short Puts aus. Hier kann der Anleger, der mit traditionellen Kauflimits arbeitet, sich vor Erreichen des Zielpreises noch eines Besseren besinnen und seine Order flugs aus dem Markt nehmen. Der Verkäufer der Verkaufsoption ist ab dem Abschluss des Geschäfts an die eingegangene Verpflichtung aus der Option und ihren Marktpreis gebunden. Er muss also entweder die Option zurückkaufen und Verluste realisieren. Oder er bezieht das Underlying in einem fallenden Markt zu einem Preis der zum Kaufzeitpunkt über dem Marktpreis liegt. In diesem Fall kommt es zu echten Verlusten, im Gegensatz zu den Opportunitätsverlusten beim Short Call, und dies in einer Marktphase, die ohnehin von Anlagestress und schrumpfenden Risikobudgets geprägt ist. Darum ist die Antizyklik im Abwärtsfall viel schwieriger durchzuhalten und wirkt ein Stück weit abschreckend – was in gewisser Weise in doppelter Hinsicht gut ist. Einerseits wird dadurch der eine oder andere Unbedarfte möglicherweise vor einem kostspieligen Fehler bewahrt, ist der Short Put doch nicht ganz ungefährlich (Abschn. 4.2.2). Andererseits verteuert das im Vergleich zur relativ hohen Nachfrage geringe Angebot die Optionen und erhöhen für die Put-Schreiber die Kompensation für das eingegangene Risiko (Abschn. 7.2.6). Besonders nützlich können Short Puts zur Erwerbsvorbereitung sein, wenn ein Portfolio regelmäßige Mittelzuführungen zur Anlage erhält, beispielsweise im Falle eines Ansparplans. Die Fälligkeiten der Optionen können dann auf die Zeitpunkte der Mittelzuflüsse harmonisiert werden. Der Investor erhält so eine Prämie auf eine Entscheidung, die ohnehin automatisch getroffen worden wäre. Bei dieser Einsatzmöglichkeit wird einem die ursprüngliche Natur des Short Put als bedingter Kauf auf Termin wieder ins Gedächtnis gerufen. Jedoch steht bei diesem Vorgehen nicht fest, dass er im Zeitpunkt der Mittelzuführung auch tatsächlich Aktien erwirbt, da der Kauf eben an eine Bedingung geknüpft ist. Notiert der Markt auf einem Niveau oberhalb des Basispreises, wird die Option vom Käufer nicht ausgeübt werden. Allerdings kann der Anleger in diesem Fall die Aktien einfach direkt erwerben, wie er es auch ohne den Put-Einsatz getan hätte. Er bekommt die Aktien also zum gleichen Einstandspreis, streicht aber zusätzlich die Optionsprämie ein. Anders stellt sich die Situation in einem fallenden Markt dar. Hier bezieht der Anleger die Aktien unter Umständen zu einem Preis, der (deutlich) oberhalb des dann vorherrschenden Marktpreises liegen kann. Dann wird die Verbilligung des durchschnittlichen Einstiegspreises, die im Rahmen eines Cost Averaging-Programms angestrebt wird, mehr oder weniger beschnitten. Ein Stück weit kann man diesem Risiko entgegensteuern, wenn man den Basispreis absenkt, um so die Ausübungswahrscheinlichkeit zu reduzieren. Natürlich sinkt im Gegenzug auch die vereinnahmte Optionsprämie. Die niedrigere Optionsprämie wiederum kann durch den Einsatz länger laufender Optionen kompensiert werden. Dies birgt jedoch das Risiko, dass bei einem länger andauernden Kursabschwung die Marktpreise weit unter den Basispreis gefallen sein können. Außerdem werden Mittelzufluss und Mittelinvestition entkoppelt. Man sieht, dass auch in diesem Fall das individuelle Chance-Risiko-Profil des jeweiligen Anlegers für die Entscheidung für oder wider diese Strategie sowie deren Ausgestaltung maßgeblich ist.
5.16 Setzen von Stops
5.16.4
411
Implizite Stops
In Abschn. 5.16.1 wurde diskutiert, wie man ein Verkaufslimit durch eine verkaufte Kaufoption substituieren kann. Doch auch dann, wenn man weiterhin mit einem traditionellen Verkaufslimit arbeiten möchte, kann einem die Einbeziehung von Optionen ebenfalls von Nutzen sein und zwar bei der Frage, wo man diesen Stop setzen sollte. In der Regel wird ein Stop entweder über ein Risikobudget oder aber an wertorientierten Marken festgemacht. Anhänger der technischen Analyse arbeiten mit aus der Markttechnik abgeleiteten Marken. Diese werden beispielsweise dort verortet, wo sich Wendemarken im historischen Kursverlauf befinden oder Trends gebrochen werden. Dieses Vorgehen ist rein marktorientiert, insofern als es ausschließlich die Markthistorie betrachtet. Zieht man alternativ das Risikobudget heran, definiert man sich einen maximalen Betrag, den man zu verlieren bereit ist. Teilt man diesen Betrag durch die Anzahl an Aktien, kommt man zu dem tolerierten Verlust pro Aktie. Diesen Wert zieht man vom Einstiegspreis ab und kommt so zum Stop Limit. So wird in der Praxis häufig für jede Aktie pauschal ein Verlustlimit von beispielsweise zehn Prozent oder 20 % definiert (Machan 1985). Dieses Vorgehen entspringt rein einem Risikomanagementgedanken. Selbstverständlich kann man den marktorientierten Ansatz mit dem Risikomanagementansatz verknüpfen, indem man technische Stop-Marken sucht, die sich in der Nähe des definierten Risikobudgets befinden. Eine Alternative für dieses kombinierte, marktnahe Risikomanagement findet sich in der Prämie von Optionen. Dahinter steckt folgende Überlegung: Wenn eine Aktie aktuell 100 C kostet, kann ein jeder sie zu diesem Preis erwerben. Alternativ dazu könnte man einen Call kaufen, der zu diesem Zeitpunkt beispielsweise bei einem Preis von fünf Euro notiert. „Der Markt“ ist offenbar bereit, für das Kurspotenzial dieser Aktie fünf Euro aufs Spiel zu setzen. Diese Optionsprämie beinhaltet die durchschnittliche Erwartung des Markts hinsichtlich Chancen, Risiken, Schwankungen, die Restlaufzeit und alle anderen relevanten Faktoren. Demzufolge kann man einen Stop auch so setzen, dass man sich zunächst über den Anlagehorizont klar wird. Dann ermittelt man den Preis einer At-themoney-Option, deren Laufzeit dem gewählten Anlagehorizont entspricht. Diesen Preis zieht man vom aktuellen Aktienkurs ab und erhält so eine Stop Loss-Marke, die im Einklang mit der Schwankungserwartung des Markts hinsichtlich dieser Aktie steht. Diese Variante hat den Charme, dass sich Änderungen im Markt unmittelbar auf die Optionsprämie auswirken. Steigt beispielsweise die vom Markt erwartete Volatilität in Form der impliziten Volatilität, steigt der Optionspreis und die Stopp-Marke wird nach unten gezogen. Natürlich muss man sich bei dieser Strategie die Frage stellen, ob nicht gerade in einer solchen Phase eher ein enger Stopp erwünscht ist. Dies ist jedoch eine Frage der individuellen Markteinschätzung, die hier einerseits von einer nur temporären Ausweitung der Schwankungszone, aber auch von der Begleiterscheinung eines tieferen Kurseinbruchs ausgehen kann. Im ersten Fall wäre eine breite Schwankungszone hilfreich, um nicht vorzeitig ausgestoppt zu werden. Im zweiten Fall würde man sich einen
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Feinsteuerung des Risikoprofils
engen Stopp wünschen, um gleich zu Beginn eines Abwärtsmarktes auszusteigen. Diese Wahlmöglichkeit bleibt dem Anwender dieses Verfahrens erhalten. Insofern liefert das Verfahren einen Vorschlag für einen „passiven“, im Sinne eines systemseitig generierten Stop, um den herum man seine aktive Einschätzung positionieren kann. Ebenso verhält es sich mit den anderen Determinanten des Optionspreises, insbesondere der Restlaufzeit. Hier muss sich der Portfoliomanager aktiv fragen, ob er, wenn die Option sich ihrem Verfall und damit die Aktienposition sich dem Ende ihres Anlagehorizonts nähert, tatsächlich einen immer engeren Stop einziehen möchte, nur weil der Optionspreis bedingt durch den, gerade zum Ende hin, stark fallenden Zeitwert, nachgibt. Schließlich gilt es zu beachten, dass diese Art, einen Stop zu setzen, immer eine bestimmte Wahrscheinlichkeit für das Erreichen des Stops impliziert. Aus der Optionspreistheorie abgeleitet, liegt diese bei ungefähr einem Sechstel. Dabei handelt es sich um die Verteilungsmasse einer Standardnormalverteilung jenseits von einer Standardabweichung auf der Verlustseite. Je nach Risikoneigung und Markteinschätzung kann dies dem Portfoliomanager zu hoch oder auch zu niedrig sein. In einem solchen Fall muss er den Optionsprämien-Stop entsprechend nach oben oder unten skalieren, indem er eine höhere Anzahl oder einen Bruchteil an Standardabweichungen ansetzt (Schalow 1996).
5.17 Absicherung des Betriebsergebnisses eines Vermögensverwalters Zumeist ist in diesem Buch von der Risikosteuerung bei investierten Vermögenswerten die Rede. Jemand hat beispielsweise sein Geld in Aktien investiert und ist nun bemüht, das daraus erwachsende Risiko einer Vermögensminderung zu kontrollieren. Risiken können jedoch auch demjenigen erwachsen, der nicht sein eigenes Vermögen investiert, sondern dessen Geschäft es ist, anderer Leute Geld zu verwalten. In der Regel lebt dieser Vermögensverwalter davon, dass der Eigentümer der Vermögenswerte ihm für seine Dienste einen gewissen Prozent- oder Promillesatz des Vermögens als Verwaltungsvergütung bezahlt. Die Einnahmen des Verwalters sind also direkt abhängig von der Höhe des verwalteten Vermögens. Das Geschäftsmodell eines Vermögensverwalters, der sich rein oder überwiegend aus einer vermögensbasierten Verwaltungsvergütung finanziert, ist also eine über einen relativ hohen Fixkostenblock gehebelte Wette auf die Finanzmärkte. Daher trifft ein Großteil der Argumente in diesem Kapitel auch auf Firmen zu, die im Bereich der Vermögensverwahrung (Custody) tätig sind, da auch hier ein direkter Zusammenhang zwischen verwahrtem Volumen und Einnahmen besteht. Diese Einnahmequelle ist durch vielfältige Risiken bedroht: Grundsätzlich reduziert ein Kursrückgang in den verwalteten Asset-Klassen die Basis für die volumensabhängige Verwaltungsvergütung, sofern diese nicht durch entsprechende Wertsteigerungen in anderen Vermögensklassen ausgeglichen werden. Besonders anfällig für diese Risiken sind Vermögensverwalter, die auf eine oder wenige
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Asset-Klassen spezialisiert und somit in ihrem Auftragsportfolio schlecht diversifiziert sind. Verliert diese Asset-Klasse massiv an Wert, brechen die Einnahmen weg. So wird eine auf Aktien spezialisierte Investment-Boutique bei einem deutlich zweistelligen Kursrückgang am Aktienmarkt mitunter massiv Kosten einsparen müssen, um im Betriebsergebnis nicht in die Verlustzone zu geraten. Regulatorische Änderungen können für breite Anlegergruppen die Investitionsmöglichkeiten in bestimmte Asset-Klassen drastisch reduzieren oder unmöglich machen. Dies kann einerseits zum Abverkauf dieser stigmatisierten Assets führen und damit zu dem eben adressierten Kursrückgang. Zusätzlich besteht die Gefahr, dass Anleger ihre Mandate in diesen Asset-Klassen kündigen und ihrem Manager dem Verwaltungsauftrag entziehen. Das Tückische an regulatorischen Änderungen ist, dass sie oftmals hinsichtlich ihrer Logik schwer zu antizipieren sind und nicht selten in ihrer konkreten nationalen Ausgestaltung mit nur geringem zeitlichen Vorlauf in Kraft treten. Eine gewisse Vorsorge kann der Vermögensverwalter dadurch betreiben, dass er seine Kundenbasis international verbreitert, sodass die Chance besteht, dass die schädlichen regulatorischen Änderungen nur in einzelnen oder wenigen Jurisdiktionen in Kraft treten. Gegen adverse international konzertierte Änderungen, beispielsweise im Bereich der Rechnungslegung, bleibt diese Vorkehrung jedoch weitgehend wirkungslos. Die Risiko-Rendite-Parameter der Asset-Klasse können sich verschlechtern, insbesondere auch die Korrelationseigenschaften. Dadurch wird sich das Portfoliogewicht dieser Asset-Klasse im Rahmen einer Portfoliooptimierung reduzieren, sodass das Asset weniger nachgefragt oder gar aktiv abgebaut wird. Diese Verschlechterung der Attraktivität von Asset-Klassen kommt oft schleichend daher, beispielsweise weil sich deren relative Attraktivität Stück für Stück verschiebt. Dieser Prozess bietet immerhin die Chance, dass man sich mit der nötigen Aufmerksamkeit und Weitsicht darauf einstellen kann. Allerdings können auch abrupte Brüche im Markt dafür sorgen, dass die Attraktivitätsverschlechterung schlagartig eintritt. Ein prominentes Beispiel waren Asset-Backed Securities, die bis zur Sub-Prime-Krise 2007 jahrelang eine stetige Wertentwicklung oberhalb der risikolosen Verzinsung aufwiesen, dann jedoch schlagartig einbrachen. Schließlich kann eine Asset-Klasse schlicht aus der Mode kommen. Immer wieder sind es Rand-Asset-Klassen, die temporär in breiten Anlegerkreisen auf Interesse stoßen, sei es, weil sie in der Tat als neu erschlossene Investitionsmöglichkeiten Ineffizienzen aufweisen, denen die Hoffnung innewohnt, dass man sie gewinnträchtig heben kann und/oder dass sie hilfreiche Korrelationsprofile aufweisen. Sei es, dass sie einer sich selbst verstärkenden Marketing-Welle entspringen, die entweder anlagespezifische Zukunftsängste bedient („Inflation“, „Deflation“, „Wegbrechen stetiger Erträge“) oder einfach die gute Wertentwicklung der jüngeren Vergangenheit werbewirksam in die Zukunft fortschreibt. Doch ebenso schnell wie es aufgekommen ist, kann das Interesse an Anlageformen wie Wohnimmobilien, CTAs, Wandelanleihen, Emerging Market Anlagen allgemein oder afrikanische Anlage im Besonderen, Infrastruktur, Rohstoffe, und darunter natürlich besonders Gold, um nur einige zu nennen, auch wieder abebben. Ty-
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pischerweise geht ein derartiges Aus-der-Mode-Kommen mit einer unbefriedigenden Wertentwicklung einher, da sich gut entwickelnde Anlage nicht wirklich aus der Mode kommen, auch wenn die Story dahinter nicht mehr taufrisch ist. Verluste in einzelnen Asset-Klassen können auch indirekt zum Problem für einen Asset-Manager werden, indem sie Kunden dazu verleiten oder zwingen, in anderen Assets Gewinne zu realisieren, um die Verluste auszugleichen. So kann auch ein guter Manager in einer ertragreichen Asset-Klasse zumindest temporär zum Opfer des eigenen Erfolgs werden. Ist ein Vermögensverwalter gegenüber Rückschlägen in „seiner“ Asset-Klasse stark exponiert, kann er sich mit Optionen dagegen absichern. Hintergrundinformation In gewisser Weise handelt es sich dabei um einen Spezialfall im Gedankengebäude der Real Options (Abschn. 7.12), bei der das Geschäftsmodell als ein zu bewertendes Projekt angesehen werden kann.
In diesem Fall wird der Charakter einer Option als Versicherung mehr als deutlich. Der Vermögensverwalter wendet eine Versicherungsprämie auf, um einen Put zu kaufen. Dieser gewinnt dann an Wert, wenn das Underlying verliert. Beispielsweise würde ein auf europäische Aktien spezialisierter Manager STOXX-Puts erwerben. Bei fallenden Aktienkursen kommt es auf der einen Seite zu einer Verminderung der ihm anvertrauten Gelder und somit zu einer verringerten Verwaltungsvergütung. Auf der anderen Seite würde der Put an Wert gewinnen und so die Mindereinnahmen potenziell ausgleichen. Allerdings muss das Management zunächst abwägen, ob sich der einzusetzende Zeitwert des Puts im Verhältnis zum eingeschätzten Risiko lohnt. Zunächst ist es die Absicherungsprämie, die, je nach aktueller Höhe, eine mehr oder weniger abschreckende Wirkung entfaltet. Oft ist nicht einmal die absolute Höhe der Versicherungsprämie das Hauptproblem, sondern der Umstand, dass der Asset Manager in einem positiven Markt schlechter abschneidet als seine Mitbewerber. Aus dieser Betrachtung wird ersichtlich, dass am Ende die Art der Incentivierung des verantwortlichen Top Managements eine entscheidende Rolle bei der Entscheidungsfindung spielen mag. Je mehr Wert auf ein langfristig stetiges Ergebnis gelegt wird, desto eher spricht dies für seine Absicherung. Besteht ein starker finanzieller Anreiz für jährliche Spitzenergebnisse, während Durchhänger in einzelnen Jahren nicht so stark ins Gewicht fallen, wird man wahrscheinlich eher auf die Absicherung verzichten. Das gilt ebenso in einem Zielsystem, in dem die langfristige, durchschnittliche Entwicklung stimmen muss, in dem also einzelne schlechtere Jahre nicht so sehr ins Gewicht fallen, so lange sie durch sehr gute Jahre ausgeglichen werden. Durch die Gestaltung der Anreizsysteme sind die Anteilsinhaber also in der Lage, ihre individuelle Chance-Risiko-Präferenz für ihr Investment auszudrücken. Zu den direkten Auswirkungen, die verminderte Einnahmen im Falle eines Crashs oder, noch schlimmer, bei einer ausgedehnten Baisse auf das ausweisbare Betriebsergebnis und somit auf die Ausschüttung an die Eigentümer und deren Zufriedenheit mit dem Management haben, kommen weitere, indirekte Effekte, die man ebenfalls in die Abwägung mit
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einbeziehen sollte. Beispielsweise können sich für einen Vermögensverwalter Folgeeffekte ergeben, die den direkten Einnahmeverlust noch erhöhen. Scherer (2011) sieht einen gewichtigen Vorteil der Absicherung darin, dass sie in einem fallenden Markt wertvolle Liquidität für Investitionen bewahrt und das Kreditprofil stärkt, sodass das Management auch unter schwierigen äußeren Umständen seine Handlungsfähigkeit erhält. Wenn die Einnahmen nämlich so weit einbrechen, dass Investitionen in Infrastruktur unterbleiben, können die langfristigen Folgen gravierend sein. Wenn sich der Einnahmeschock auf die Entlohnung der Portfoliomanager auswirkt, die dem Anleger durch ihre Outperformance einen Mehrwert bieten, besteht die Gefahr, dass diese früher oder später dem Unternehmen den Rücken kehren. Dadurch geht nicht nur der Anteil der Verwaltungsvergütung verloren, der auf den erwirtschafteten Mehrwert entfällt. Darüber hinaus entfällt vermutlich die Mehreinnahme aus einer performance-abhängigen Verwaltungsvergütung (Abschn. 7.5). Diese findet sich mittlerweile in vielen Mandaten und übersteigt die anteiligen Einnahmen aus dem Outperformance-Volumenzuwachs um ein Vielfaches. Unter Umständen zieht der Abgang von Leistungsträgern auch Mittelrückflüsse nach sich, weil Anleger ihre Verwaltungsaufträge beenden, beabsichtigte Dotationen zurückstellen oder Consultants die betreffenden Fonds zunächst unter Beobachtung stellen. Wenn das Kompensationsniveau von Sales-Leuten unter den Marktstandard fällt, kann es sein, dass sich diese anderweitig umschauen und unter Umständen Kunden zum neuen Arbeitsgeber abziehen. Scherer (2011) bringt darüber hinaus die Möglichkeit ins Spiel, dass geglättete Jahresgewinne langfristig einen steuerlichen Vorteil haben können. Dabei ist keine binäre Entscheidung im Sinne von absichern oder nicht absichern erforderlich. Vielmehr stehen alle Möglichkeiten offen, den Hedge hinsichtlich Umfang, Niveau, Laufzeit, wie in Kap. 3 beschrieben, auf die jeweilige Risikoeinschätzung maßzuschneidern. Eine Möglichkeit, die Prämie überschaubar zu halten, besteht darin, nur Puts anzuschaffen, die weit aus dem Geld notieren. Die derivative Absicherung beschränkt sich nur auf katastrophale, existenzgefährdende Rückschläge. Normale Schwankungen werden hingenommen oder über ein „Trimmen“ der Geschäftsprozesse ausgesteuert. Da das Einleiten von Maßnahmen zur Kostensenkung oft auch Einschnitte beim Personal zur Konsequenz hat, dürften Arbeitnehmervertreter in Aufsichtsgremien besonderes Interesse daran haben, auch systematische Absicherungen näher am Geld genauer in Augenschein zu nehmen. Die Hedge Ratio ergibt sich nach Festlegung auf einen Kontrakt über die Höhe der abzusichernden Mindereinnahmen. Deren Berechnung kann unter Umständen dadurch verkompliziert werden, dass die Höhe der Verwaltungsvergütung vom tatsächlich Kursverlauf der Finanzmärkte abhängig ist, da die Verwaltungsvergütung oftmals über die Zeit hinweg abgegrenzt werden muss, insbesondere wenn es sich um Produkte mit einer Vielzahl von Zu- und Abflüssen handelt. Es macht also einen Unterschied, ob ein Aktien-Crash
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gleich zu Beginn eines Kalenderjahres erfolgt und in der Folge die Verwaltungsvergütung dann über eine lange Zeit hinweg niedrig bleibt oder ob sie über weite Strecken hinweg hoch bleibt, weil der Markt erst zum Ende hin nachgibt. Aufgrund dieser Pfadabhängigkeit sind ziemlich präzise Vorstellungen darüber erforderlich, wie genau der Kursverlauf sein wird, um am Ende die wirklich optimale Strategie zu erwischen. Szenarioanalysen sind ein adäquates Mittel, um diesbezüglich ein Gefühl für Chancen, Risiken und Wahrscheinlichkeiten zu entwickeln. Darüber hinaus lohnt es sich, mögliche Absicherungsmaßnahmen im Zusammenspiel mit anderen potenziellen Vorkehrungen zur Verringerung des Einnahmerisikos zu betrachten, beispielsweise der Einführung oder Ausweitung von anderen Gebührenstrukturen, wie zum Beispiel fixen absoluten Beträgen. Außerdem gilt es in jedem Einzelfall zu berücksichtigen, wie diversifiziert der Einnahmenstrom eines Vermögensverwalters über einzelne Asset-Klassen und Kundensegmente hinweg ist. Je breiter diversifiziert er aufgestellt ist, desto stärker ist sein Einnahmenrisiko bereits reduziert. Maßgeblich sind dabei jedoch nicht die Assets under Management in den einzelnen Asset-Klassen, sondern die Sensitivität des Betriebsergebnisses. Typischerweise nehmen dabei Aktien eine weitaus bedeutendere Rolle ein als es ihrem Anteil am verwalteten Vermögen entspricht. Einerseits zeichnen sie sich durch eine hohe Volatilität aus, beispielsweise im Vergleich zu Rentenanlagen. Hinzu kommt, dass Aktienprodukte regelmäßig mit höheren Verwaltungsvergütungssätzen belegt sind, woraus eine überproportionale Bedeutung für das Betriebsergebnis resultiert. So hat denn auch ein einseitig aufgestellter Asset Manager, der lediglich auf europäische Aktienmandate fokussiert ist und diese exklusiv an Privatkunden vertreibt, ein deutlich höheres Risiko als ein breit aufgestellter Universalanbieter, der viele Asset-Klassen abdeckt und seine Produkte sowohl im Privatkundenbereich als auch über alle institutionellen Kundengruppen hinweg absetzt und dies überdies auf globaler Ebene. Die Idee, das eigene Geschäftsmodell gegen Marktrückschläge derivativ abzusichern, ist im Übrigen natürlich nicht auf die Finanzindustrie beschränkt. Gerade in Industriezweigen, in denen Öl als Input-Faktor eine überragende Rolle spielt (Luftfahrt, Chemie), gehören entsprechende Hedges zum Tagesgeschäft der Finanzabteilungen. Rohstoffproduzierende Länder, deren Staatshaushalt in starkem Maße vom Preis eines bestimmten Rohstoffs abhängt, greifen ebenfalls zu optionalen Absicherungen. Beispielsweise sichert sich Mexiko seit 2009 über Öl-Puts gegen starke Rückgänge im Ölpreis ab und erzielte daraus im Jahr 2009 mehr als fünf Milliarden US-Dollar an Ausgleichszahlungen (Ehringfeld und Palm 2014). Andere Ölexporteure denken immer wieder über eine derartige Maßnahme nach. Die rohstoffproduzierenden Länder, die sich gegen Preisrückgänge absichern, tun auch den Asset-Managern indirekt einen Gefallen. Oftmals legen diese Länder ihre Überschüsse aus dem Rohstoffverkauf unter Einschaltung eines Staatsfonds am Kapitalmarkt an. Viele dieser Anlagen nehmen die Staatsfonds nicht selbst vor, sondern haben sie an internationale Asset Manager ausgelagert. Wenn nun beispielsweise der Ölpreis fällt, kann es sein, dass diese investierten Gelder wieder vom Kapitalmarkt abgezogen werden, um
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zum Beispiel den Staatshaushalt zu stützen. Ein Asset-Manager, der viele Mandate von erdölexportierenden Ländern verwaltet, kann sich ein Stück weit gegen diesen möglichen Mittelabzug schützen, indem er Puts auf den Ölpreis kauft. Ein Ölförderland, das sich bereits selbst gegen Ölpreisrückgänge absichert, hat seine Verwundbarkeit dadurch reduziert, steht damit weniger unter Druck, investierte Gelder zu liquidieren und erspart seinen Asset-Managern eigene Absicherungsmaßnahmen. Kontrolle konvexer und konkaver Strategien Um ein Vermögen zu verwalten, wird oft nach einer Analysephase eine strategische Grundstruktur für das Vermögen ermittelt. Angenommen, diese Struktur soll 50 % Aktien und 50 % Renten sein. Anschließend beginnt die eigentliche Arbeit. Durch Kursveränderungen verschieben sich die Gewichte der beiden Asset-Klassen. Wenn beispielsweise die Aktien die Hälfte ihres Werts verlieren, während die Renten 20 % zulegen, sieht die neue Struktur ganz anders aus: 29,4 % Aktien und 70,6 % Renten. Nun hat der Manager dieses Vermögens drei Möglichkeiten, mit dieser Strukturverschiebung umzugehen: 1. Laufen lassen 2. Struktur anpassen a) antizyklisch b) zyklisch Möglichkeit 1 erklärt sich von selbst. Ob man die Struktur in der einen oder anderen Art anpasst, hängt von der Markteinschätzung ab. Diese kann diskretionär sein, in dem Sinne, dass man jeweils neu entscheidet. Oder man geht das Thema strategisch-philosophisch an. Wenn man davon ausgeht, dass sich größere Marktbewegungen tendenziell wieder umkehren (Mean Reversion), wird man antizyklisch agieren. Das heißt, dass die Asset-Klasse, die relativ an Gewicht gewonnen hat, wieder zurückgestutzt wird. Umgekehrt wird die Asset-Klasse, die an Gewicht verloren hat, wieder aufgestockt. Auch die zweiteinfachste Strategie nach dem Buy and Hold (= Laufen lassen), die Rebalancierung des Portfolios zur Wiederherstellung der Ursprungsgewichtung (Constant Mix), beschreitet diesen Weg (Abschn. 5.3.1, siehe „Bedingte Asset Allocation“). In unserem Beispiel würde man 20,6 % Renten verkaufen und den Gegenwert in Aktien stecken, um diese wieder auf 50 % hochzufahren. Man erzeugt dadurch ein konkaves Auszahlungsprofil. Geht man jedoch von der gegenteiligen Entwicklung aus, dass sich also eine schwache Asset-Klasse weiter abschwächt und eine starke Asset-Klasse ihre Stärke fortsetzt, wird man nicht gegen diese Bewegung arbeiten, sondern mit ihr. Die schwache Asset-Klasse wird aktiv reduziert, die starke aktiv ausgebaut. Das Ergebnis ist ein konvexes Auszahlungsprofil (Abb. 5.6). Was hat das mit Derivaten zu tun? Ein antizyklisches Vorgehen profitiert, wenn die relativen Bewegungen der einbezogenen Asset-Klassen nicht zu ausgeprägt sind. Dann wird man zum Beispiel nach einem Aktienkursrückgang Aktien wieder aufbauen, die sich
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Gewinn/ Verlust
Buy-and-Hold
Konkave Strategie (Constant Mix)
Konvexe Strategie
(Relative) Aktien-Entwicklung
Abb. 5.6 Konvexe und konkave Auszahlungsprofile
daraufhin in einer Gegenbewegung verteuern. Setzt sich die Verlustphase jedoch über längere Zeit fort, wirkt sich dies negativ auf die Performance aus, da man in einem fallenden Markt das Aktiengewicht immer wieder erhöht, um mit einer höheren Aktienquote in die nächste Verlustphase zu gehen. Das Profil einer antizyklischen Strategie entspricht also demjenigen eines Short Straddle (Abschn. 4.4.6.3) oder Short Strangle (Abschn. 4.4.6.4). In beiden werden Calls und Puts verkauft. Man erzielt dann einen Gewinn, wenn die Kursbewegungen nicht zu ausgeprägt sind. Verluste fallen dann an, wenn die Kursbewegung in die eine oder in die andere Richtung sehr weit läuft und eine der geschriebenen Optionen ins Geld läuft. Der zyklische Ansatz erzeugt das gegenteilige Profil. Er profitiert von ausgeprägten Bewegungen: Die gut laufende Asset-Klasse wird weiter aufgebaut, sodass sie mit einem höheren Gewicht an dem sich fortsetzenden Aufschwung teilnimmt. Diese Strategien sind also tendenziell Gamma long (Abschn. 2.4.5.3 und 5.8). Das entsprechende Auszahlungsprofil ist der Long Straddle bzw. Long Strangle. Straddles und Strangles sind also derivative Substitute für einen zyklischen und antizyklischen Investment-Ansatz. Einerseits kann man den jeweils verfolgten Ansatz verstärken oder gar ersetzen. Andererseits lassen diese Ansätze sich auch durch gegenläufige Optionsstrategien hedgen, sei es zum Zwecke einer echten Absicherung oder im Rahmen einer Relative Value Position, die beispielsweise die realisierte Volatilität der Allokationsstrategie gegen die implizite Volatilität der Optionen spielt. Es versteht sich von selbst, dass mit Optionspositionen, die diesen Auszahlungsprofilen entgegenlaufen, auch ganze Geschäftsmodelle abgesichert werden können, die dann prosperieren, wenn die Märkte hohe Schwankungen aufweisen. Unter diese oft im Bereich der sogenannten alternativen Betas (Till 2003; Busack und Tille 2009; Fung und Hsieh 2002, 2004; Jaeger 2005, 2008; Abschn. 5.15 „Faktorrisiken“) angesiedelten Strategien fallen
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beispielsweise Momentum-Strategien, die auch im Hedgefonds Bereich weit verbreitet sind. Diese Strategien, die darauf setzen, dass ein Asset, das sich in jüngster Vergangenheit positiv entwickelt hat, diese Entwicklung fortsetzen wird, erzeugen ein konvexes Auszahlungsprofil, bei dem immer dann Gewinne anfallen, wenn sich Märkte weit in die positive oder negative Richtung bewegen. Dazwischen, wenn die Märkte seitwärts laufen oder immer wieder unvermittelt ihre Richtung wechseln, zahlt dieser Ansatz eher ein. Diese Art der Risikokontrolle eignet sich also für Vermögensverwalter wie Hedgefonds, die das Risiko, dass ihre Strategie in Schaukelmärkten Verluste einfährt und sie Assets under Management und Verwaltungsvergütung verlieren, absichern wollen. Sie kann aber auch von Anlegern in derartige Hedgefonds genutzt werden, um ihr Risiko auszusteuern. Meist erhält der Anleger ja keine zeitnahen Informationen über die genauen Transaktionen in dem von ihm erworbenen Hedgefonds. Wenn er jedoch weiß, dass „sein“ Hedgefonds einem Momentum-Ansatz folgt, kann er diesen in einem groben Hedge absichern, wenn er dies für geboten hält. Sofern der Hedgefonds Manager seinem Stil treu bleibt, sollten dadurch in Phasen trendloser Märkte Verluste aus dem Momentum-Investment zumindest zum Teil abgefangen werden können, ohne dass der Anleger gezwungen wäre, seine Fondsbeteiligung zu veräußern. Gerade besonders erfolgreiche Hedgefonds nehmen nicht von jedem Investor zu jeder Zeit Mittel an. Ein Ausstieg aus einem solchen Fonds ist stets mit dem Risiko verbunden, nicht wieder reinzukommen. Auch alternative Geschäftsmodelle, die auf eher stabile Verhältnisse an den Finanzmärkten in Termini Korrelation bauen, können derivativ abgesichert werden. Diese finden sich ebenfalls oft im Hedgefonds Bereich, insbesondere in den vermeintlichen „Arbitrage“-Strategien wie Wandelanleihe-, Kapitalstruktur- oder statistischer „Arbitrage“. Für die Absicherung dieser Geschäftsmodelle sind jedoch nicht „gewöhnliche“ Puts, sondern Kontrakte auf Volatilität oder Korrelation bzw. Dispersion das Mittel der Wahl (Abschn. 4.4.6.7 und 4.4.7). Sollten die Märkte doch unwirtlicher werden und höhere Ausschläge produzieren oder historisch stabile Korrelationsbeziehungen zusammenbrechen lassen, wird der Minderertrag im Kerngeschäft durch Auszahlungen aus den Absicherungskontrakten kompensiert. Fazit
In der Feinsteuerung der Risiken im Portfolio demonstrieren Optionen und Futures die ganze Bandbreite ihrer Flexibilität – oder umgekehrt, wie sehr ein etwaiges Einsatzverbot von Derivaten ein Portfolio einschränken und in Mitleidenschaft ziehen kann. Es gibt praktisch kein Gebiet, auf dem Derivate nicht in der Lage wären, die Arbeit des Portfoliomanagers zu erleichtern oder ihm zusätzliche Handlungsspielräume zu eröffnen. Angefangen bei unterschiedlichen Möglichkeiten in Assets ein- oder aus ihnen auszusteigen oder ihre Zusammensetzung zu verändern über das Management der Liquidität bis hin zur feinen Isolation von Teilrisiken und deren kontrolliertem Auf- und Abbau.
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Selbst für das Risikomanagement im Rahmen des Geschäftsmodells eines Asset Managers halten Derivate im wahrsten Sinne des Wortes (Handlungs-)Optionen bereit. Dabei sind die meisten Fälle nicht komplex. Oft sind es einfache Absicherungen (long wie short) die hier in unterschiedlichen Kombinationen und unter einem anderen Namen zum Einsatz kommen.
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Besondere Herausforderungen beim Derivateeinsatz
Der Einsatz von Derivaten bringt viele Vorteile mit sich. Einer der wichtigsten, wenn nicht gar der wichtigste, ist, dass Derivate das Handlungsspektrum eines Portfoliomanagers spürbar erweitern können. Wie jedes Geschäft an den Finanzmärkten haben aber auch Derivate zwei Seiten. Den erweiterten Handlungsoptionen stehen mehr Möglichkeiten, Fehler zu machen, gegenüber. Wie meist kommt es auch in diesem Fall darauf an, was man daraus macht. Eine am Finanzmarkt populäre Wertung von Derivaten ist der Vergleich mit dem Feuer: Unter Kontrolle hilfreiche Diener, außer Kontrolle tödliche Meister.
Manch einer mag auch schon einmal die Geschichte gehört haben von den beiden Wanderern, die durch den Dschungel stapfen. Plötzlich taucht ein Tiger auf. Während der eine wie erstarrt stehen bleibt, holt der andere Turnschuhe aus seinem Rucksack und zieht sie an. „Du glaubst doch nicht, dass du mit diesen Dingern schneller bist als der Tiger“, mokiert sich der Erste. „Nein. Aber damit bin ich schneller als du“, erwidert der Zweite. Derivate sind die Turnschuhe im Dschungel der Finanzmärkte. Wer es versteht, sich ihrer zu bedienen, hat einen Wettbewerbsvorteil. Dabei ist jedoch Vorsicht angebracht. Zwar ist es richtig, dass nahezu jeder Mensch laufen kann. Aber das heißt noch lange nicht, dass auch jeder richtig und möglichst auch noch schnell laufen kann, wie jeder weiß, der sich aufgrund von Fehlern bei der Auswahl des Materials, im Laufstil und/oder Trainingsaufbau schon einmal Probleme in Knie, Hüfte, Schienbein, Herz-Kreislauf etc. eingebrockt hat. Das beginnt bereits bei solch vermeintlich trivialen Dingen wie der richtigen Schnürung der Laufschule. Wie sich beim Laufen hinter den wirkmächtigen Warnungen vor unbedachtem Loslaufen ohne vorherige Konsultation eines Arztes ganz unscheinbare und daher vernachlässigte Schnürfallen verbergen können, gibt es auch bei den Derivaten hinter den prominenten Hinweisen auf die Gefahren von Hebeln etc. eine ganze Menge von Schnürsenkeln, die es ordentlich zu handhaben gilt, wenn man nicht ins Stolpern geraten will. Diese besonderen Herausforderungen ziehen sich durch den gesamten Nut© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017 T. Bossert, Derivate im Portfoliomanagement, https://doi.org/10.1007/978-3-658-17574-0_6
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zungsprozess und entspringen unterschiedlichsten Themenfeldern wie der Regulierung und Bilanzierung ebenso wie dem täglichen Positions-Handling, insbesondere jedoch bei Verfall und in Extremmärkte, bis hin zu den speziellen Anforderungen, die derivativ ergänzte Portfolios an die Analyse von Risiko und Rendite stellen.
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Risikomanagement
Die Risiken auf dem Kapitalmarkt im Allgemeinen und beim Einsatz von Derivaten im Besonderen sind mannigfaltig, manch einer würde gar behaupten, sie seien unüberschaubar. Nicht umsonst spricht Rahl (2000) in seinem Risikoüberblick von einer Risikogalaxie. Allerdings wirken zwar eine Menge Risiken auf Derivatebestände ein, die wenigsten davon resultieren jedoch aus den Derivaten selbst. Die Deutsche Bank etwa analysiert ihr Derivategeschäft entlang von rund 140 Risiken. Doch nur ein Viertel davon stammt unmittelbar aus dem Derivatemarkt (gb 2016). Auch ist es nicht so, dass es sich beim Umgang mit Derivaten um eine ominöse Geheimwissenschaft handelt, deren Risiken vollkommen im Dunkeln liegen. Schaut man sich entsprechende Umfragen an, stellt man fest, dass sich die Finanzmarktteilnehmer der wesentlichen Problemzonen durchaus bewusst sind (Richard Davies 2006): 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.
Intransparentes OTC-Pricing Investment-Banken, die komplexe Produkte fehlerhaft verkaufen Fehlendes Verständnis bei Endkunden Systemisches Risiko Schnelles Wachstum in Kreditderivaten und CDOs Operationale/Back-Office-Fehler Kreditrisiko Marktrisiko Inadäquate Dokumentation/Regulierung Betrügerische Händler
Die Risiken, die mit dem Einsatz von Derivaten verbunden sind, werden in den Kapiteln der jeweiligen Einsatzzwecke besprochen. Darüber hinaus gibt es Berge an Literatur, die sich mit dem Thema „Risikomanagement“ in all seinen Facetten beschäftigen. In diesem Kapitel soll es um grundlegende Aspekte des Risikomanagements mit Derivaten gehen. Hierzu zählen der organisatorische Aufbau, die Ausgestaltung eines adäquaten Risikomanagementprozesses und die Etablierung der passenden Kultur im Umgang mit Risiken. Diese allgemeinen Risikomanagementaspekte sind oft nicht spezifisch auf den Einsatz von Derivaten gemünzt, sondern gelten in gleichem Maße für den Umgang mit anderen Kapitalmarktrisiken und oft sogar für Risiken, die in anderen Bereichen als dem der professionellen Vermögensanlage anzutreffen sind.
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6.1.1 Organisation des Derivate-Risikomanagements Reason (1990) hat viele der großen Katastrophen der vergangenen Jahrzehnte, wie den Absturz des „Challenger“ Space Shuttles oder die Reaktor- und Industrieunfälle von Three Mile Island, Tschernobyl und Bhopal, untersucht. Als einen zentralen Verursacher sieht er Fehler in der Organisation und Aufsicht. Eine typische unfallträchtige Mischung besteht seines Erachtens aus einem problematischen Ereignis, oft begleitet von widrigen Umständen, als Auslöser. Dieses trifft auf einen unsicheren Einzelnen, der dem Problem nicht adäquat begegnet und dessen Fehlhandlung nicht durch eine ordentlich aufgestellte Organisation aufgefangen wird. Dieses von Reason aufgestellte sogenannte Schweizer-KäseModell wird in Abschn. 7.12 skizziert. Betrachtet man die Schadensfälle der Vergangenheit, die in Verbindung mit Derivaten stehen, zeigen sich bei aller Vielfalt der beteiligten Institutionen, Märkte und Kontrakte markante Gemeinsamkeiten (Abschn. 6.8.4). In der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle war mindestens eine der folgenden vier Schwächen präsent (Suhrcke 1997): 1. 2. 3. 4.
Ineffiziente Kontrollmechanismen Keine Trennung zwischen Handel/Portfoliomanagement und Abwicklung Ungenügendes Verständnis der Derivate Unangemessene Systeme und Systemkonfigurationen
Hintergrundinformation Eine kompakte Fallstudie, die diese Schwächen an einem konkreten Beispiel illustriert, findet sich in Das (2002). Er untersucht den Zusammenbruch der Barings Bank im Jahr 1995.
Die ersten beiden Schwachstellen beziehen sich auf organisatorische Aspekte. Mit einigen wenigen Maßnahmen kann hier ein hohes Maß an Sicherheit hergestellt werden. Dabei ist der zweite Punkt der einfachste: Man stelle einfach eine strikte Trennung zwischen Handel und Abwicklung her. Diese hat sich über sämtliche Hierarchie-Ebenen zu erstrecken. Das hört sich heutzutage wie eine Selbstverständlichkeit an, zumal es von allen relevanten Finanzmarktaufsichtsbehörden vorgeschrieben wird. Allerdings tauchen immer wieder Fälle auf, die belegen, dass dies in der Praxis dann doch nicht immer der Fall ist. Die Trennung hat nicht nur für die offensichtliche Verbuchung von Transaktionen zu gelten. Sie muss auch verwandte Aspekte, die zum Beispiel die Bewertung von Positionen einbeziehen. Es darf also auch zu keiner ungeprüften Übernahme von Wertpapieroder Kontraktpreisen aus dem Front Office in die Buchhaltung kommen. Auch bei der Einrichtung effizienter Kontrollmechanismen hilft die Beachtung einiger Grundsätze, die gefährlichsten Klippen zu umschiffen. Dazu gehört zunächst, eine vom Portfoliomanagement/Handel unabhängige Risikomanagement-Gruppe zu installieren. Darüber hinaus gilt es, die Unternehmensführung und das höhere Management einzubeziehen, um dem Risikomanagement den gebührenden Stellenwert zu verschaffen. Auf allen Ebenen dieser Kontrollstruktur muss das erforderliche Fachwissen vorhanden sein.
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Es muss zumindest so tief reichen, dass der Beaufsichtigende versteht, was der Beaufsichtigte tut. Diese Anforderung gilt nicht nur für die vom Front Office unabhängigen RisikoController, sondern gerade auch für die disziplinarisch Vorgesetzten der Portfoliomanager und Händler. Dass die Disponierenden über das erforderliche Know-how verfügen müssen, versteht sich ja wohl von selbst, sollte aber dennoch im Rahmen der Personaleinstellung, -entwicklung und eines New Instrument Process formalisiert bestätigt werden. Hintergrundinformation Beim New Instrument Process wird für jedes neue Finanzmarktinstrument in einem formalisierten Verfahren überprüft, dass es auf jeder Prozessstufe vom Research über Handel und Abwicklung bis hin zu steuerlicher Behandlung und Reporting von der Organisation gehandhabt werden kann.
6.1.2 Risikomanagementprozess Die grundsätzliche Überlegung beim Einsatz von Derivaten im Portfoliomanagement geht dahin, durch die Einbindung von Derivaten in den Investment-Prozess ein Risikomanagement-Problem zu lösen – und nicht, sich dadurch neue und gar noch größere Probleme zu schaffen. Im Kern läuft es darauf hinaus, einen Ansatz zu installieren, der es erlaubt, bewusst Risiken einzugehen, diese effizient zu managen und so die daraus resultierenden Vorteile zu vereinnahmen. Generell besteht ein Risikomanagementprozess aus vier Komponenten: 1. 2. 3. 4.
Identifizierung Quantifizierung Steuerung Kontrolle der Steuerung
Collins und Fabozzi (1999) diskutieren in Anlehnung an Sanford und Borge (1997) einen solchen Prozess. Dabei integrieren sie derivatespezifische Fragestellungen in allgemeine Entscheidungsfindungsprinzipien im Management: 1. Definiere Anlageziel und -problem Definiere den Anlageprozess in Termini Risikomanagement Etabliere klare Anlageziele und ein akzeptables Risikotoleranz-Niveau 2. Bestimme Risiken und Kosten Identifiziere und quantifiziere die Risiken einschließlich Verlustwahrscheinlichkeit und Folgen eines Verlusts Lege Risikogrenzen fest und bestimme die Kosten der Risikoreduktion 3. Untersuche die Alternativen Bewerte die ganze Bandbreite der Ergebnisse beim Einsatz von Derivaten und die jeweiligen Kosten
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4. Prognostiziere Wirkung und Folgen des Derivateeinsatzes Bewerte die Derivatewirkung auf das Risikoprofil des Portfolios 5. Entscheide dich für den Einsatz von Derivaten Formalisiere den Prozess und begutachte die Ergebnisse 6. Etabliere einen Überwachungs- und Reaktionsplan Etabliere einen Überwachungsplan zur Risikomessung Entwickle einen Reaktions- und Anpassungsplan Es ist leicht ersichtlich, dass die Frage, was eigentlich ein Risiko ist, wie man damit umgehen sollte und welcher Aufwand zu seiner Verringerung oder Vermeidung betrieben werden sollte etc., eine höchst subjektive Angelegenheit ist. Keating (1999, S. 49) beschreibt diesen Umstand sehr plastisch, wenn er das Risiko auf einen glatteisüberzogenen Gehweg bezieht, der für ein Kind ein Spielplatz, für seine Oma aber eine Todesfalle ist. Für einen Portfoliomanager ist die genaue Ausgestaltung der einzelnen Schritte gemäß des oben genannten Schemas unter anderem abhängig vom Management-Stil seines Arbeitgebers, dem Investment-Prozess, seinen Freiheitsgraden, der Art des betreuten Mandats, dem spezifischen Kundenauftrag gemäß der offiziellen Anweisung, aber ebenso unter Einbeziehung der mehr oder weniger subtilen Botschaften, die er im Rahmen der Kundenkommunikation empfängt, dem persönlichen Know-how und dem des Kunden, den technischen Möglichkeiten zur Risikokontrolle und zur Darstellung der Risikosteuerung im Rahmen des Reportings, den mandatsindividuellen Transaktionskosten u. v. m. Zusätzlich erschwert wird das Management von Finanzmarktrisiken dadurch, dass es sehr schwer ist, sie vollständig zum Verschwinden zu bringen. Das gilt nicht nur aus der Makroperspektive heraus, wenn man konstatieren muss, dass das Risiko nicht weg ist, sondern nur den Besitzer gewechselt hat. Auch aus der Sicht des einzelnen Finanzmarktteilnehmers verschwindet das Risiko nicht. Es wird nur in eine andere Art von Risiko konvertiert (Shimko 1998). Selbst derjenige, der sein Marktrisiko über den Kauf eines Derivats absichert, wandelt es damit lediglich in eine andere Form von Risiko um, da er sich zum Beispiel ein mehr oder weniger großes Counterparty Risk ins Haus holt. Das wiederum könnte er dadurch abmildern, dass er sein Gegenüber Sicherheiten hinterlegen lässt. Diese unterliegen jedoch ihrerseits wiederum Marktpreisschwankungen oder, falls diese nicht auf einem stets hochliquiden Markt gehandelt werden, dem Risiko eines fehlspezifizierten Bewertungsmodells. Darüber hinaus muss sich der Sichernde nun auch noch des operativen Risikos annehmen, die Sicherheiten im Falle eines Falles in Besitz zu nehmen und zu verwerten. Aber auch ohne das Auftreten von Bonitätsrisiken bleiben genug Problemstellen in der Absicherung, die dafür sorgen, dass ein Teil des Risikos bestehen bleibt oder durch ein anderes Risiko substituiert wird (Abschn. 3.5). Will man sich des Risikos durch Absicherungsgeschäfte entledigen, gilt es also sehr genau zu prüfen, wohin dieses Risiko transferiert wird bzw. in welche Art von Risiko es sich wandelt. Am Ende kann durchaus die Erkenntnis stehen, dass das Risiko weitgehend aus den eigenen Büchern verschwunden ist, beispielsweise bei Einsatz eines passgenauen, börsennotierten Standardkontrakts auf ein Standardportfolio – kann, muss aber nicht. Soll-
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ten die Restrisiken bei der Absicherung als zu groß empfunden werden, bleibt als anderer Ausweg zur Risikominimierung nur die Vorgabe geeigneter Risikolimits und gegebenenfalls der Verkauf der risikotragenden Vermögensgegenstände. Auch wenn der Aufbau eines solchen Prozesses und die sich anschließende laufende Überwachung einen nicht unerheblichen Aufwand darstellen, so rechtfertigen die Einsatzmöglichkeiten und die damit verbundenen Ertragssteigerungs- und Risikoreduktionspotenziale, die Derivate bieten, diesen Aufwand in praktisch jedem Fall.
6.1.3 Risikomanagementphilosophie Worum geht es im Risikomanagement? Was ist der Sinn und Zweck? Besser als Peter Bernstein, die weise Stimme der Asset Management-Industrie, kann man es kaum auf den Punkt bringen (Bernstein 1996, S. 197, übersetzt): Die Essenz des Risikomanagements besteht darin, die Bereiche zu maximieren, in denen wir teilweise Kontrolle über das Ergebnis haben und gleichzeitig die Bereiche zu minimieren, in denen wir keinerlei Kontrolle über das Ergebnis haben und wo der Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung uns verborgen bleibt.
Sinn und Zweck von Risikomanagement ist also, den Grad der Kontrolle über das Risiko zu erhöhen. Das bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass das Risiko dadurch kleiner wird. Eine Möglichkeit besteht darin, die gewonnene Kontrolle einzusetzen, um das Risiko zu reduzieren. Nur insofern als es sich dabei um ein nicht oder zu schlecht bezahltes Risiko handelt, wird der Ertrag darunter nicht oder nur unterproportional leiden. In allen anderen Fällen wird sich auch der Ertrag reduzieren. Die andere Möglichkeit besteht darin, das Risiko auf dem ursprünglichen Niveau zu belassen, aber innerhalb dieser Risikogrenze den Leistungsspielraum zu erweitern, das Risikobudget also effizienter einzusetzen. Dieser Wiederanstieg des reduzierten Risikos findet sich auch in vielen Bereichen außerhalb der Finanzmärkte und erfolgt oft unbewusst. Der Theorie der Homöostase folgend, kommt es infolge gesunkener Risiken in einem Regelprozess zu kompensierenden oder gar überkompensierenden Ausgleichshandlungen, die dazu führen, dass das Gesamtrisiko wieder erhöht wird (Wilde 1982; Rowe 2001). Beispielsweise konnte bei der flächendeckenden Einführung von Anti-Blockier-Systemen im Straßenverkehr zunächst kein Rückgang der Unfallzahlen festgestellt werden, weil die Autofahrer das höhere Maß an Sicherheit, das ihnen ihre verbesserte Ausrüstung bescherte, durch aggressiveres Fahrverhalten konterkarierten, sodass das Gesamtrisiko unverändert blieb. Im Bereich der Finanzwirtschaft kann es beispielsweise dann zu homöostatischen Prozessen kommen, wenn es um das Management von Kreditrisiken geht. Eine häufig anzutreffende Anlagerestriktion in institutionellen Mandaten sieht zum Beispiel vor, dass Anleihen mit einer besseren Kreditqualität (aufgrund der Bonität des Schuldners oder wegen der besseren Besicherung) mit einer höheren Gewichtung ins Portfolio gekauft werden dürfen als schlechter eingeschätzte Anleihen. Und wenn man bei OTC-Derivaten konservativere Maßstäbe für die Einschätzung der Solvenz von Handelspartnern einführt, führt dies nicht selten dazu, dass
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im Bewusstsein dieser vorsichtigeren Bewertung auf der anderen Seite die eingeräumten Limits wiederum erhöht werden. Um das Ansinnen, das Risiko besser kontrollieren zu können, zu operationalisieren, schlägt Thieke (2000) einige Grundsätze vor: Ohne Risiko keine Rendite. Risiko und Rendite sind zwei Seiten derselben Medaille. Daher ist Risikomanagement auch immer Chancenmanagement. Wie in diesem Buch gezeigt, gilt dieses „Erste Gebot der Finanzmärkte“ natürlich auch für Derivate, deren potenziellem Nutzen auch ganz derivate- oder kontraktspezifische Risiken gegenüberstehen. Sei transparent. Was der Volksmund auf die eingängige Formel bringt „Was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht“, wird leider auch in der Kapitalanlage viel zu häufig vergessen. Nur wenn man die Mechanik eines Derivats und seine Wechselwirkung mit anderen Bausteinen des Portfolios vollständig versteht, sollte man den Einsatz von Derivaten in Betracht ziehen. Ansonsten läuft man Gefahr, dass man für die Übernahme von Komplexitätsrisiko einen deutlich zu hohen Preis bezahlt. Insbesondere kann man sich mangels Kenntnissen nicht einmal eine Vorstellung davon verschaffen, wie hoch dieser Preis eigentlich sein könnte. Selbstredend ist die Schwelle, ab der das Kosten-NutzenVerhältnis positiv wird, von Organisation zu Organisation und von Person zu Person verschieden. Know-how ist der entscheidende Abgrenzungsparameter. Durch Investitionen in themenspezifische Ausbildung kann diese Schwelle abgesenkt werden. Suche Erfahrung. Ein Modell ist und bleibt ein Modell, also ein Abbild der Realität, das dieser mehr oder wenig nahe kommt, je nach Güte des Modells (Abschn. 6.1.4). Oder, wie unter anderem Baseball-Ikone Yogi Berra es ausdrückte: „Theoretisch gibt es keinen Unterschied zwischen Theorie und Praxis; praktisch schon.“ Die Realität der Finanzmärkte wird immer nur näherungsweise erfassbar sein, es sei denn, man wäre irgendwann einmal in der Lage, menschliches Verhalten von Individuen und Gruppen exakt vorherzusagen. Daher wird Risiko immer von Menschen gesteuert. Erfahrung ist die entscheidende Größe, wenn es darum geht, mit den Schwächen von Modellen in der Realität umzugehen und sich auf ein veränderndes Marktumfeld einzustellen. Wisse, was du nicht weißt. Eine zentrale Aufgabe, wenn es darum geht, Bernsteins Ansatz in die Tat umzusetzen. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei den Annahmen, auf denen die eingesetzten Modelle beruhen. Im ersten Schritt gilt es, diese zu identifizieren, um sie anschließend aktiv zu hinterfragen. Kommuniziere. Eine Risikokultur, die den offenen Dialog über die vorhandenen Risiken und den Umgang mit ihnen fördert, ist essentiell. Andernfalls besteht die Gefahr, dass potenzielle Gefahren schamhaft oder bewusst verschwiegen werden, was verhindert, dass man sich ihrer adäquat widmet.
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Diversifiziere. Eine der Grundregeln an den Finanzmärkten überhaupt. Bei der Konzentration auf einen oder wenige Gefahrenherde besteht immer die Gefahr, dass eines der stets vorhandenen Restrisiken schlagend wird und dann einen durchgreifenden Effekt bewirkt. Umgekehrt gilt, dass in einem Umfeld, in dem die Märkte größtenteils effizient sind, ein wirklich vollständig entschärftes Risiko keines mehr ist und somit auch keine Entlohnung in Form einer Risikoprämie nach sich ziehen dürfte. Insofern wird das Eingehen mehrerer Risiken auch für konsistentere Erträge sorgen. Sei diszipliniert. Limits sind nicht dazu da, geändert zu werden, sobald man sie erreicht. Natürlich sind Limits nicht in Stein gehauen. Allerdings sind sie in aller Regel das Ergebnis eines gründlichen Analyseprozesses und sollten nicht leichtfertig über den Haufen geworfen werden. Insbesondere Argumente aus der Kategorie „Dieses Mal ist alles anders“ sind besonders kritisch zu beäugen (Reinhart und Rogoff 2010). Im Zweifel belässt man das Limit an Ort und Stelle, insbesondere dann, wenn es in dem Augenblick geändert werden soll, indem es erreicht wird. Eine Limit-Änderung während einer unbelasteten Phase, in der man weit davon entfernt ist, die kritische Grenze zu erreichen, ist deutlich weniger suspekt. Benutze den gesunden Menschenverstand. Es ist besser, ungefähr richtig zu liegen als haargenau falsch. Nicht nur im Umgang mit Modellrisiken gilt es, die wichtigsten Schwachstellen im Auge zu behalten, anstatt seine knappen Ressourcen auf Detailfragen zu richten, die kaum einen Unterschied im Ergebnis machen. Die ganze schöne Philosophie ist jedoch vollständig für die Katz, wenn die Kultur in einem Unternehmen nicht darauf ausgerichtet ist, sich daran halten zu WOLLEN. Entscheidend ist dieses tatsächliche Wollen. Natürlich weist heutzutage jedes Unternehmen nach außen hin dem Risikomanagement einen sehr hohen Stellenwert zu. Das wahre Risikomanagement findet sich jedoch jenseits der Marketingübertünchung – oder eben auch nicht. Im Umfeld einer Firmenpolitik, die der kurzfristig orientierten Gewinnmaximierung einen zu hohen Stellenwert beimisst, hat es eine risikosensible Kultur nicht gerade leicht. Hintergründe und Folgen einer solchen Kultur kommen regelmäßig bei der juristischen Aufarbeitung spektakulärer Schadensfälle an die Öffentlichkeit. Da erklärt der Schadensverursacher meist, dass er mit seinem Tun keinesfalls ein Einzeltäter sei, der sich in einem dispositiven Amoklauf außerhalb der juristischen, organisatorischen und unternehmenskulturellen Grenzen bewegte. Vielmehr sei ein derartiges Gebaren in diesem Firmenuniversum normal gewesen, vielleicht gar gefordert oder gefördert worden, zumindest jedoch toleriert und meist in Kenntnis und stillschweigender Duldung relevanter Aufsichtspersonen. Sicherlich eine schwierige juristische Entscheidung. Allerdings würde ein Praktiker die Möglichkeit, dass es so gewesen sein könnte, wie der Beklagte es in seiner Verteidigung darstellt, nicht zwingend in das Reich der Fabeln verweisen.
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6.1.4 Modellrisiko Beispiel
In seiner Beschreibung der Sub-Prime-Krise „The Big Short“ erzählt Michael Lewis die Episode, wie die Gründer einer kleinen Investment-Firma namens Cornwall Capital aus einer Investition von 26.000 US-Dollar in Langfristoptionen 526.000 US-Dollar machten. Die Optionen wurden gemäß der Black-Scholes-Bewertung bepreist. Cornwall Capital erkannten als fundamentale Schwäche dieser Methode, dass sie auf der Annahme einer Lognormalverteilung der Renditen beruht. Das Kreditkartenunternehmen Capital One, das sie als Investitionsziel ausersehen hatten, befand sich nämlich in einem Konflikt mit den Regulierungsbehörden, der eigentlich nur auf zwei mögliche Arten würde enden können: Entweder Capital One zog den Kürzeren. Dann würde die Aktie wertlos. Oder sie setzten sich durch, wodurch sich der Kurs verdoppeln sollte. Mit dieser binären Kursverteilung mussten Optionen, deren Preis sich über eine Normalverteilung berechnete, falsch bewertet sein. Und so deckte sich Cornwall Capital mit Calls auf Capital One ein und verdiente einen Haufen Geld. „Wir konnten es nicht fassen, dass man uns diese langfristigen Optionen so billig verkauft hatte.“ (Lewis 2010, S. 143) Diese Strategie setzte Cornwall Capital erfolgreich fort, indem sie systematisch nach Basiswerten suchten, deren Preis sich aufgrund besonderer Umstände in Bälde massiv verändern würde: Ein schön beschriebenes Beispiel für eine Schwäche in einem Bewertungsmodell für Derivate. Das Modellrisiko stellt eine der Hauptrisikoquellen für das Risikomanagement dar. Ju und Pearson (1999) zeigen, dass schon in vergleichsweise einfachen Konstellationen das Portfoliorisiko doppelt so hoch liegen kann wie vom Modell ausgewiesen. Capital Market Risk Advisors schätzt, dass allein im Jahr 1997 40 % aller Derivateverluste auf das Konto des Modellrisikos gingen. Im Zeitraum 1987 bis 1997 addierte sich die Verlustrechnung des Modellrisikos auf 4,7 Mrd. US-Dollar (Falloon 1998). Das Modellrisiko ist eines der Risiken, die bei Derivaten überdurchschnittlich relevant sind. Das liegt daran, dass es sich bei Derivaten aufgrund des Hebeleffekts um sehr empfindliche Instrumente handelt und, wie es Derman (2013, S. 177) ausdrückt: „Extreme Empfindlichkeit ist gefährlich, besonders wenn sich Versuche, die Empfindlichkeit zu berechnen, auf ein ungenaues Modell stützen.“ Doch nicht nur das. Insbesondere wenn man es mit Optionen zu tun hat, kommen weitere verkomplizierende Aspekte ins Spiel. Das liegt zu einem Großteil daran, dass es bis heute kein „richtiges“ Volatilitätsmodell gibt. Aktuell bedient man sich am Markt im Wesentlichen fünf verschiedener Modelle: 1. Modelle mit konstanter Volatilität: Der Preisentwicklungspfad folgt einer einzigen Brownschen Bewegung (Abschn. 1.8). Dadurch ist es immer möglich, das Auszahlungsprofil der Option durch ein klassisches, sich selbst finanzierendes Arbitrage-
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Portfolio aus Kasse und dem Basiswert zu replizieren und die Option so zu bewerten. 2. Modelle mit lokaler Volatilität: Auch hier genügt eine einzige Brownsche Bewegung. Zusätzlich sind diese Modelle in der Lage, den Skew zu modellieren (Abschn. 7.2.6). 3. Modelle mit stochastischer Volatilität: Bei diesen Modellen wird die Volatilität durch weitere Brownsche Bewegungen beeinflusst, die beispielsweise Korrelationseffekte zwischen Underlying und Volatilität oder eine zusätzliche Volatilität der Volatilität modellieren. Dadurch wird die Bewegung realitätsnäher. Allerdings entstehen daraus mehrere mögliche Preise, wodurch die Arbitragefähigkeit verloren geht. 4. Das Bemühen geht nun dahin, die Vorzüge der beiden letztgenannten Modelle zu kombinieren, um so zu einem Modell zu kommen, das es ermöglicht, einen einzigen, marktnahen Preis zu bestimmen. Versuche in diese Richtung sind a. stochastische lokale Volatilitätsmodelle (Guyon und Henry-Labordère 2012) und b. Modelle mit pfadabhängiger Volatilität (Guyon 2014). Mit steigender Komplexität des Instruments sind also mehr und mehr Berechnungen und Annahmen vonnöten. Man kann das Thema „Modellrisko“ also entlang dieser Komplexität ebenfalls sehr technisch und detailliert abhandeln oder es auf die wesentlichen Aspekte fokussieren. Die wichtigste Regel lautet, niemals zu vergessen, dass ein Modell nichts weiter als ein Modell ist. Nicht umsonst ist dies einer der zentralen Punkte im Financial Modelers’ Manifesto (Abschn. 6.8.5). Das bedeutet, dass es die Wirklichkeit niemals vollständig wird abbilden können. Jedes Risikomodell hat also irgendwo eine Leiche im Keller. Daher müssen die Ergebnisse aus jeglichem Risikomodell mit dem Wissen um dieses Modellrestrisiko von einem erfahrenen Fachmann bewertet werden. Wie es Emanuel Derman (2013, S. 169) formuliert: Es heißt lediglich, dass man verstehen muss, wie sich Modelle am besten nutzen lassen, um sich dann [. . . ] unter allen Umständen zu hüten, seinen gesunden Menschenverstand über Bord zu werfen.
Die Verantwortung dafür, dass die Modellergebnisse der Qualitätskontrolle unterzogen werden, sieht Stephen Ross (2016) nicht nur bei den Quants selbst, sondern vor allem beim höheren Management. Er fordert, dass die Entscheider eine aktive Rolle einnehmen, indem sie konkret formulieren, welche Informationen sie genau benötigen, anstatt nur passiv die berechneten Ergebnisse entgegenzunehmen: „Der Vorstand muss die Quants lehren!“ Eine der Regeln, die der gesunde Menschenverstand hervorgebracht hat, ist auch ein geeignetes Warnsignal in der modellbasierten Bewertung: Wenn etwas zu gut ist, um wahr zu sein, ist es vermutlich nicht wahr. Vorsicht ist beispielsweise angebracht, wenn ein Marktteilnehmer in einem bestimmten Instrument regelmäßig Preise stellt, die die Konkurrenz wie Halsabschneider aussehen lassen. Für den Portfoliomanager auf der Buy-Side ist es zunächst vorteilhaft, einen Gegenüber aufgetan zu haben, der sehr entgegenkommende
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Preise stellt. Allerdings sollte er das Kontrahenten-Limit, den Umfang der Geschäfte, die er mit diesem Handelspartner tätigt, sehr genau im Auge behalten. Denn in der Vergangenheit gab es immer wieder Fälle, in denen Derivatehäuser mit aggressiven Preisen spürbar Marktanteile in einem bestimmten Instrument gewonnen haben, nur um nach einer Weile feststellen zu müssen, dass ihre Bewertungsmodelle einen Fehler enthielten. Wiewohl Bewertungsfehler von außerhalb der betroffenen Firma schwer zu belegen sind, gab es doch Vermutungen in diese Richtung, dass beispielsweise UBS 1997 durch die Fehlbewertung von Korrelationsderivaten massive Verluste eingefahren hatte, ebenso wie Natexis 2002 durch exotische Optionen (Dunbar 1998; Patel und Jeffery 2003). Dabei kann schon eine kleine Ursache eine große Wirkung entfalten. So soll Teil des UBS-Problems auf einen Rundungsfehler in einem Hedging-Modell zurückzuführen gewesen sein. Gefährlich werden diese kleinen Abweichungen, weil auch sie im Derivatebereich gehebelt werden. Die Fehlbewertungen führen dazu, dass eine immer größere Position in dem vermeintlich ertragreichen Bestand aufgebaut wird. Das Portfolio weist konzentrierte Positionen auf, die es aus der Balance bringen können. Problematisch wird es insbesondere, wenn die Position so groß wird, dass das Liquiditätsrisiko schlagend wird. Dann wird es schwierig, den Schaden klein zu halten, weil die Positionen nur zu den Preisen der anderen Marktteilnehmer abgebaut werden können. Ein weiteres Beispiel für eine ungesunde Konstellation tritt dann auf, wenn sowohl der Inhaber einer Long- als auch einer Short-Position auf die gleiche Position Buchgewinne bilanzieren. Diese Win-Win-Situationen im falsch verstandenen Sinne sind normalerweise von den handelnden Parteien nicht als solche zu erkennen, was sie umso gefährlicher macht. Allenfalls im Zuge der Besicherung der Transaktion könnten sie auffällig werden, wenn die beiden Parteien vom jeweils anderen eine Erhöhung der Besicherung für dessen vermutete schwebende Verluste einfordern. Der Öffentlichkeit bleiben sie fast immer verborgen. Dennoch kommen sie hin und wieder ans Licht. 1989 handelten die Chemical Bank und Manufacturers Hanover einen Cap im Bereich Commercial Paper im Wert von einer Milliarde Dollar. Die Kontrahenten bewerteten diesen mit weitgehend identischen Modellen. Allerdings unterscheiden sich die Modelle zur Erzeugung der Commercial Paper-Kurve, sodass beide Parteien einen unrealisierten sechsstelligen Gewinn auf dem Geschäft verbuchten (Falloon 1998). Die Dunkelziffer in diesem Bereich dürfte nicht unbeträchtlich sein oder zumindest gewesen sein. So stellte die Bank of England in einer Marktumfrage Mitte der 1990er-Jahre fest, dass die Preise für Zins-Collars um 25 % differierten. Bei Zinsoptionen waren es gar 35 % (Bunger 1997). Allerdings mögen dahinter nicht nur Abweichungen in den Bewertungsmodellen gesteckt haben. Vielleicht hatte der eine oder andere Teilnehmer in dieser Umfrage auch nur die Preise genannt, die er einem unvorsichtigen Kunden anbieten würde und in denen die eigene Marge den Preis stark in die eine oder andere Richtung auslenkte. Interessanterweise trägt aber genau dieses Problem schon die Lösung in sich. Wichtig ist zuallererst, eine Vorstellung davon zu entwickeln, wie groß denn das Modellrisiko ist. Dazu vergleicht man, wie weit die vom hauseigenen Modell generierten Preise von den am Markt gehandelten Preisen abweichen. Natürlich kann sich die Differenz daraus er-
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klären, dass am Markt eine Fehlbewertung vorliegt und das eigene Modell den „wahren“ Wert ermittelt hat. Dies dürfte jedoch mit Sicherheit nicht regelmäßig der Fall sein. Ein Beharren auf der Richtigkeit der eigenen Berechnung hat in der Finanzmarkthistorie bereits für eine Reihe schwerer Verluste gesorgt. Insofern ist ein gewisses Maß an Demut bei der Beurteilung des Modellrisikos von Vorteil. In Ermangelung von Marktpreisen bietet es sich an, das reine Mark-to-Model minimal zu erweitern auf ein Mark-to-Models, soll heißen, dass man das, was die Chemical Bank und Manufacturers Hanover unabhängig voneinander gemacht haben, im Hause eigenständig durchexerziert: Man setzt nicht nur auf ein Modell, sondern nutzt einen redundanten Ansatz mit mehreren Modellen und schaut sich an, wie weit die von diesen erzeugten Bewertungen streuen. Je breiter die Streuung, desto größer das Modellrisiko, und desto umsichtiger sollte man diese Position handhaben. Eng mit diesen Überlegungen verbunden ist die „Hausaufgabe“, das eigene Modell dahingehend zu überprüfen, inwieweit es sich eignet, um mit ihm ein Finanzinstrument dynamisch abzusichern (Rubinstein 1985; Jackson 2013). Dieser Backtest einer dynamischen Hedging-Strategie über einen längeren und möglichst volatilen Zeitraum in der Vergangenheit gibt einem einen Einblick in die Abbildungsgüte des Modells und eine gute Vorstellung davon, in welchen Marktbewegungen es zu Abweichungen kommt. Dieser letzte Punkt hilft einem dann später im Umgang mit dem Modellrisiko. Wenn es zu einer ähnlichen Konstellation am Markt kommt oder sich diese andeutet, kann man beispielsweise die fragliche Position im Rahmen einer dynamischen Handhabung des Modellrisikos mit einem erhöhten Modellrisikozuschlag belegen. Hintergrundinformation Um die technischen und organisatorischen Aspekte des Finanzrisikomanagements zu vertiefen, mag sich ein Blick in Laubsch (1999) lohnen.
6.1.5 Optionsspezifische Analyseaspekte Einfache Optionen sind ein wunderbares Beispiel, um zu illustrieren, wie deren kleine Besonderheit hinsichtlich Asymmetrie im Auszahlungsprofil, das sich darüber hinaus auch noch verändert, gängige Beurteilungen zu Rendite und Risiko verzerren können. Es ist kein Geheimnis (mehr), dass die Renditen an den Finanzmärkten nicht normalverteilt sind (Mandelbrot 1963; Fama 1965; bis hin zu Lotufo et al. 2001; Abschn. 7.2.6.1.3). Diese Erkenntnis hat Auswirkungen auf die Portfolioanalyse in der täglichen Praxis, da hier teils vereinfachende Annahmen über die Renditeverteilung und damit das Risiko von Finanzinstrumenten getroffen werden. Ein Portfolio, in dem jedoch Optionen eingesetzt werden, ist noch einmal ein ganz anderes Kaliber. Während ein „Standardportfolio“ in seiner Renditeverteilung zumindest noch annähernd an die Gaußsche Glockenkurve erinnert, ist dies bei optionsbestimmten Portfolios nicht mehr der Fall (Abb. 4.3). Hier sind Teile der Glockenfläche schlicht ab-
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geschnitten. Aus diesem Umstand ergibt sich eine ganze Reihe von Problemen sowohl in der Analyse der Portfoliomanagement-Leistung als auch in der Risikoanalyse.
6.1.5.1 Performance-Analyse Der Haupteinsatzbereich von Optionen ist, wie gesehen, die Reduzierung von Kapitalanlagerisiken, insbesondere die Vermeidung von stark negativer Performance. Daraus ergibt sich allein schon ein Problem in der Frage „Wie hoch war eigentlich die Performance?“ Der Unterschied zwischen dem arithmetischen und dem geometrischen Mittel wurde ja gleich zu Beginn in Abschn. 1.1 dargestellt. Daraus geht hervor, dass das geometrische Mittel deutlich griffiger die Auswirkungen von Schwankungen und Rückschlägen auf den zu erwartenden mittleren Portfoliowert abbildet. Insofern zeigt gerade das geometrische Mittel den Mehrwert einer Vermeidung von negativen Ausreißern auf. Das Problem der Performance-Analyse zieht sich weiter in den Bereich der Performance-Vergleiche mit anderen Anlagen: Das Delta der Option, die über ein bestehendes Portfolio gelegt wird, verändert das Exposure des Gesamtportfolios (Abschn. 4.2.1.3). Es ist leicht nachvollziehbar, dass beispielsweise der Vergleich eines Aktienportfolios mit einem veroptionierten Aktienportfolio nicht besonders hilfreich ist. Wenn man also meint, einen solchen Vergleich anstellen zu müssen, sollte man versuchen, diesen Effekt durch eine Deltaadjustierung zu korrigieren. Doch selbst wenn man diese aufwändige Korrektur vornimmt, steht man gleich vor dem nächsten Problem: Die weitverbreitetsten Kennzahlen zur Analyse von Risiko und Rendite sind symmetrischer Natur. Sie unterstellen eine Normalverteilung der Renditen und werten positive und negative Schwankungen gleich. Die Auswirkungen einer Optionsstrategie fallen jedoch nicht symmetrisch aus, weder hinsichtlich ihrer Veränderung von Risiko und Rendite noch hinsichtlich ihrer Effekte auf Schwankungen nach oben und nach unten. Beispielsweise sinkt der Erwartungswert eines veroptionierten Portfolios aufgrund des reduzierten Exposures. Ein Call weist ein positives Delta und damit ein positives MarktExposure auf. Wird der Call verkauft, dreht sich das Vorzeichen um. Man erhält ein negatives Exposure. Dadurch sinkt das Gesamt-Exposure des Portfolios, was, unter der Annahme einer positiven Risikoprämie, zu einem reduzierten erwarteten Ertrag führt. Gleichzeitig sinkt die Volatilität in aller Regel noch deutlich stärker. Daher liegen Portfolios, die beispielsweise veroptioniert (Covered Short Call) oder mit Optionen abgesichert (Long Put) sind, meist oberhalb der Kapitalmarktlinie des CAPM. Dabei sieht die ShortCall-Strategie in den meisten Fällen besonders gut aus. Doch gerade im direkten Vergleich mit einer Protective Put-Strategie offenbart sich die Problematik eines einfachen Vergleichs über Mittelwert und Standardabweichung. Da diese Größen die höheren Momente nicht berücksichtigen, ergibt sich im wahrsten Sinne des Wortes ein schiefes Bild. So beschneidet der Short Call den rechten Bereich der Renditeverteilung (Abb. 1.2), sorgt also für negative Schiefe, ein Auszahlungsprofil das vielfach als weniger attraktiv empfunden wird. Dem gegenüber schneidet der Protective Put die linke Seite der Renditeverteilung ab (Abb. 1.2) und erzeugt so eine Verlustbegrenzung und positive Schiefe. Dieses Pro-
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6
Besondere Herausforderungen beim Derivateeinsatz
fil kommt den vielen, vielen verlustaversen Anlegern sehr entgegen. Man sieht also an dieser einfachen Betrachtung, dass eine Performance-Analyse auf Basis der Standardabweichung bei Nichtnormalverteilung der Renditen nicht sachgemäß ist und Ergebnisse liefert, die unreflektiert schnell in die Irre führen können. Selbstverständlich färbt diese Verzerrung auch auf gängige Maßzahlen zur Messung der risikoadjustierten Performance ab. Sämtliche Kennzahlen, die lediglich die ersten beiden Momente der Verteilung (Mittelwert und Standardabweichung) einbeziehen, sind hierdurch beeinträchtigt. Die prominentesten Vertreter sind die Information Ratio, die Sharpe Ratio (Sharpe 1966) und die Treynor Ratio (Treynor 1965; Treynor und Black 1973). rP rM (6.1) IR D ¢rP rM rP rf (6.2) TR D “P mit rP = Durchschnittliche Rendite des Portfolios rf = Risikolose Rendite rM = Durchschnittliche Rendite des Marktes “P = Beta des Portfolios Auch Jensens Alpha ist von dieser Problematik tangiert (Jensen 1968; Bookstaber und Clarke 1985). Bei Verwendung dieser Maße schneiden Strategien, die Optionen schreiben, in der Regel in Vergleichen besser ab (Lhabitant 1999). Was dabei übersehen wird, ist, dass der Optionsverkäufer nicht zwangsläufig eine echte Überrendite erwirtschaftet, sondern eine Prämie erzielt, die die durchschnittliche Rendite in normalen Zeiten erhöht. Dafür nimmt er das Risiko in Kauf, bei stärkeren Marktbewegungen schlechter dazustehen. Dieser Tausch spielt sich in der Schiefe der Verteilung ab, dem dritten Verteilungsmoment und damit in einem Bereich, der über die ersten beiden Momente hinausgeht. Viele Investoren sind jedoch ausgesprochen avers gegen Extremrenditen, insbesondere im negativen Bereich. Diese asymmetrische Präferenz wird bei Verwendung eines symmetrischen Risikomaßes, das gute wie schlechte Abweichungen gleich gewichtet, nicht berücksichtigt. Die Auswahl einer Anlageform auf Basis dieser Kennzahlen ist für diese Anleger also nicht ganz ungefährlich, berücksichtigt sie doch sein eigentliches Interesse bzw. sein Risikoprofil nicht. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das negative Extremereignis in der Vergangenheit bislang noch nicht aufgetreten ist. Dann ist einerseits die Durchschnittsrendite zu hoch, andererseits zeigt auch eine optische Überprüfung des Kursverlaufs das „versteckte“ Risiko nicht an. Das schließt auch Strategien ein, die nicht explizit Optionen verkaufen, aber auf ein Optionsprofil hinauslaufen. Beispiele finden sich im Hedgefonds Bereich, wo oft Short Option-Profile erzeugt werden. Diese Strategien sind bewusst oder unbewusst short Event
6.1 Risikomanagement
437
Risk, sind also anfällig für drastische Ereignisse, beispielsweise durch die Aufnahme von Liquiditätsrisiken. So lange diese nicht schlagend werden, erhöhen sie durch die vereinnahmte Risikoprämie stetig den Ertrag. Dabei wird das Risiko in Kauf genommen, dass dieses Liquiditätsrisiko irgendwann einmal akut wird und zu möglicherweise heftigen Verlusten führt. Prominentestes Beispiel ist wiederum der Hedgefonds Long-Term Capital Management (LTCM), der in seiner Blütezeit mit unglaublichen Sharpe Ratios aufwarten konnte, die jenseits von vier lagen (nach Kosten), bevor er einen systemgefährdenden Schiffbruch erlitt. Lhabitant (1999) kommt dann auch zusammenfassend zu dem klaren Urteil: Deshalb sollten Mittelwert-Varianz Performance-Kennzahlen (oder allgemeiner Performance-Kennzahlen mit begrenzter Anzahl an Momenten) definitiv nicht benutzt werden, um die Performance von Portfolios zu beurteilen, die nicht-lineare Auszahlungsprofile aufweisen, wie Optionen, dynamische Strategien oder Hedgefonds.
Um zu einer aussagekräftigeren Beurteilung asymmetrischer Strategien zu kommen, kann man sich Shortfall-Risikomaßen bedienen. Diese greifen den Umstand auf, dass Investoren in der Regel eine Abneigung gegen niedrige oder gar negative Renditen haben. Sie messen also negativen und positiven Abweichungen vom Mittelwert eine unterschiedliche Bedeutung bei. Zur Berechnung dieser Shortfall-Maße (Lower Partial Moments; LPM) wird zunächst eine Mindestrendite rz festgelegt, welche die Scheidelinie zwischen „gut“ und „schlecht“ markiert. Darauf aufsetzend lassen sich verschiedene Shortfall-Maße berechnen (Harlow 1991): (6.3) LPMnz .rp / D EŒmax.rz rp ; 0/n „rp “ ist dabei die Portfoliorendite. Setzt man n D 0 erhält man die Shortfall-Wahrscheinlichkeit, bei n D 1 den ShortfallErwartungswert und bei n D 2 die Shortfall-Varianz. Mit diesem Ansatz untersuchen Albrecht et al. (1995b) verschiedene Optionsstrategien auf deutsche Aktienportfolios. Da der Unterschreitung der Mindestrendite eine erhöhte (negative) Bedeutung zukommt, verbessert sich die Einschätzung von Strategien, welche genau dagegen absichern, wie der exemplarisch betrachteten rollierenden Put-Strategie. Im Gegensatz dazu schneidet der ohne explizite Sicherung operierende Covered CallAnsatz weniger gut ab. Um asymmetrischen Auszahlungsprofilen gerecht zu werden, rät Lhabitant (1999) dazu, die verschiedenen Strategien über das Ranking der stochastischen Dominanz miteinander zu vergleichen (Levy 1992). Auch mit diesem Verfahren verschwindet die Attraktivität, die dem systematischen Schreiben von Calls von symmetrischen Beurteilungskriterien zugesprochen wird. Allerdings hat es den Nachteil, dass es recht komplex ist und ihm die leichte Handhabbarkeit der symmetrischen Kennzahlen abgeht. Im Laufe der Zeit wurden eine ganze Reihe von alternativen Performance-Maßen erfunden, die anstelle der von der Sharpe-Ratio verwendeten Standardabweichung den Nen-
438
6
Besondere Herausforderungen beim Derivateeinsatz
ner mit einem asymmetrischen Risikomaß bestücken, das dem Risiko fallender Kurse besondere Bedeutung beimisst (Bossert et al. 2010 und Bossert und Füss 2011; in Anlehnung an Eling 2008).
Risikomaß
Zentrale Momente,
Performance-Maß
Quelle
Mn Sharpe Ratio
Ordnung n = 2 (Standardabweichung)
SRi =
ri − rf
Sharpe (1966)
si
Ordnung n = 3 (Schiefe)
MVS − SRi =
Ordnung n = 3 und 4 (Kurtosis)
MVS − SRi =
Lower Partial Moments,
ri − rf
(s − {min [0, S ]} ) 1/3
i
i
ri − rf
(s − {min [0, S ]} ) 1/3
i
i
Füss et al. (2005)
Füss et al. (2005)
LPM n Omega
Ordnung n = 1 (Mittleres Ausfallrisiko)
r −t Ωi = i 1 + 1 LPM i (t )
Shadwick und Keating (2002)
Gain-Loss Ratio
GLRi =
HPM i1 (t ) LPM i1 (t )
Bernardo und Ledoit (2000)
Sortino Ratio Ordnung n = 2 (Ausfallstandardabweichung)
ri − t
SortRi =
LPM i2 (t )
Upside Potential Ratio
UPRi =
HPM (t ) 1 i
LPM i2 (t )
Sortino und Van der Meer (1991)
Sortino, Van der Meer und Plantinga (1999)
Kappa Ordnung n = 3 (Ausfallschiefe)
Kappa3i =
ri − t 3
LPM i3 (t )
Kaplan and Knowles (2004)
6.1 Risikomanagement Risikomaß
439 Performance-Maß
Quelle
Drawdown Calmar Ratio Drawdown k = 1 Maximaler Drawdown
CalRi =
ri − rf
Young (1991)
−D
1 i
Sterling Ratio Drawdown k = 1...K, Durchschnittlicher Drawdown
SterlRi =
ri − rf ⎡1 ⎢⎣ K
⎤ ∑ k =1 − D ⎥⎦ K
Kestner 1996)
k i
Burke Ratio Drawdown k = 1...K , Standardabweichung
ri − rf
BurkeRi =
∑
K k =1
Burke (1994) k i
⎡⎣ D ⎤⎦
2
Value at Risk Value at Risk Sharpe Ratio Standard Value at Risk
VaRSRi =
ri − rf
Dowd (2000)
VaRi
Conditional VaR Sharpe Ratio Bedingter Value at Risk
CVaRSRi =
ri − rf
Agarwal and Naik (2000)
CVaRi
Modified VaR Sharpe Ratio Modifizierter Value at Risk
MVaRSRi =
ri − rf
Gregoriou and Gueyie (2003)
MVaRi
mit: Nri
rf ¢i LPMni
P = T1 TtD1 rit als Wertpapier- oder Portfoliomittelwert mit rit als diskrete Rendite von Wertpapier oder Portfolio i in Periode t für t D 1,. . . ,T und T als Anzahl betrachteter Perioden; = (konstante) risikofreie Anlage; 1 PT 2 = T1 tD1 .rit rNi / als Standardabweichung; = Mindestrendite (Target Return); P P = T1 TtD1 max. rit I 0/n D T1 TtD1 min.rit I 0/n als Lower Partial Moment von Ordnung n mit als geforderter Mindestrendite (Zielrendite);
440
6
Besondere Herausforderungen beim Derivateeinsatz
P P HPMni = T1 TtD1 max.rit I 0/n D T1 TtD1 min. rit I 0/n als Higher Partial Moment von Ordnung n mit als geforderter, maximale Rendite (Zielrendite); k = Drawdown von Wertpapier oder Portfolio i; Di K = Anzahl von Drawdowns mit k D 1: Maximum Drawdown; k D 2: zweitgrößter Verlust (Drawdown); k D 3: drittgrößter Verlust (Drawdown); . . . ; VaRi = .Nri C z’ ¢i / als Value at Risk mit z’ für das ’-Quantil der Standardnormalverteilung; CVaRi = E.rit jrit VaRi / als Conditional Value at Risk; 1 1 .z3’ 3z’ /EKi 36 .2z3’ 5z’ /S2i / als Modified Value MVaRi = Nri Œ¢.z’ C 16 .z2’ 1/Si C 24 P T at Risk mit Si D T1 tD1 .rit ri /3 =¢i3 als Wertpapier- oder Portfolioschiefe und P EKi D T1 TtD1 .rit rNi /4 =¢i4 3 als Wertpapier- oder Portfolio-Exzess-Kurtosis. Die bekannteste von ihnen ist sicherlich die Sortino Ratio (Sortino und van der Meer 1991). Sie nutzt gemäß obiger LPM-Systematik das LPM 2, also die Shortfall Varianz, oder besser die Semivarianz mit einer Mindestrendite von Null als Nenner. Frank Sortino vom Pension Research Institute selbst gesteht jedoch zu, dass auch dieses Maß seine Nachteile hat. Zum Beispiel wird es sehr schwer, valide Vorhersagen zu treffen, wenn in der Vergangenheit nur wenige oder gar keine Werte unterhalb des Minimum Accaptable Return gelegen haben. Omega und Kappa 3 fallen ebenfalls in die Gruppe der Maße, die mit Lower Partial Moments operieren. Sie unterscheiden sich von der Sortino Ratio lediglich durch die Ordnung des verwendeten LPMs. Eine andere Kennzahlengruppe bedient sich des Drawdowns, um das negative Risiko abzubilden. Der Drawdown ist definiert als der maximale Verlust innerhalb einer bestimmten Periode. Damit können die Calmar, Sterling und Burke Ratio berechnet werden, die den maximalen Verlust, einen Durchschnitt aus den N höchsten Verlusten bzw. die Verlustschwankung heranziehen. Schließlich kann auch der populäre Value at Risk als Risikomaß herangezogen werden. Neben dem Standard-VaR, (6.4) VaRi D .rdi C z’ ¢i /; bei dem z’ das ’-Quantil der Standardnormalverteilung repräsentiert, kommt der Conditional Value at Risk vom Einsatz, der die Verteilung unterhalb der Value at Risk-Schwelle einer besonderen Beobachtung unterzieht CVari D EŒrit jrit VaRi :
(6.5)
Bezieht man die höheren Momente bei nichtnormalverteilten Renditen rein, bietet sich der modifizierte Value at Risk (Favre und Galeano 2002) an MVARi D .rdi C¢i .z’ C.z2’ 1/Si =6C.z3’ 3z’ /Ei =24.2z3’ 5z’ /S2i =36//: (6.6) Si und Ei stehen für die dritten und vierten Verteilungsmomente Schiefe und Wölbung.
6.1 Risikomanagement
441
So sehr sie nun auch gescholten worden sind, gänzlich muss man die populären symmetrischen Kennzahlen nicht abschreiben. Denn in der Praxis stellt sich mittlerweile die Frage, inwieweit dieses breite Angebot an verbesserten Performance-Maßen überhaupt erforderlich ist. Agarwal und Naik (2000) untersuchen asymmetrische Strategien und kommen zu dem Schluss, dass bei kleineren Abweichungen von der Normalverteilung symmetrische Kennzahlen eine gute Annäherung liefern. Bei größeren Abweichungen seien jedoch andere Ansätze, wie die von ihnen untersuchte Gewinn-Verlust-Analyse erforderlich. Diese Gain-Loss-Ratio entspricht dem eben angesprochenen Omega, verwendet jedoch im Zähler anstelle der Überrendite das Higher Partial Moment der ersten Ordnung (Bernardo und Ledoit 2000). Geht man von einer noch höheren Risikoaversion aus, kann man die Upside-Potential-Ratio (Sortino et al. 1999) heranziehen. Sie weist den gleichen Aufbau auf wie die Sortino Ratio, verwendet jedoch das LPM zweiter Ordnung und misst damit größeren Ausschlägen nach unten ein höheres Gewicht bei. Eling (2008) geht in seiner Analyse noch einen Schritt weiter. Er argumentiert, dass asymmetrische Kennzahlen grundsätzlich keine besseren Ergebnisse liefern, wenn man Fonds relativ zueinander in einem Ranking ihrer Leistung entsprechend ordnen möchte. Die versöhnliche Synthese all dieser Positionen scheint jedoch möglich. Nachdem die Einschränkungen der Information Ratio & Co. offensichtlich geworden waren, haben findige Köpfe daran gearbeitet, sie zu verallgemeinern, sie also auch für Nichtnormalverteilungen tauglich zu machen. So kann der Stutzer Index derart berechnet werden, dass er sowohl die Informationen der Information Ratio als auch der Sharpe Ratio liefern kann, aber eben nicht nur für normalverteilte Renditen (Stutzer 2000). Auch Jensens Alpha hat mit Lelands Gleichgewichtsansatz eine entsprechende Erweiterung erfahren und wird damit tauglich für eine breitere Anwendung (Leland 1999). Abseits der quantitativen Performance-Analyse stellt sich die Frage, ob man die Leistung beim Einsatz insbesondere von Optionen nicht auch danach beurteilen kann oder muss, inwieweit die ursprüngliche Anlageidee beim Eingehen der Position aufgegangen ist. Dadurch kann man beispielsweise die in der Praxis leider immer noch anzutreffende Praxis aushebeln, dass der Portfoliomanager beim Verkauf von Kaufoptionen im Nachhinein „immer richtig lag“. Wahlweise wird dann entweder die absolute oder die relative Betrachtungsweise ins Feld geführt. Im Falle eines fallenden oder stagnierenden Underlyings macht er sich die relative Betrachtung zu eigen und demonstriert, dass im Vergleich zu einer nicht veroptionierten Position ein Mehrertrag generiert wurde. Grundsätzlich ist an dieser Betrachtung ja auch nichts auszusetzen. Wird jedoch im Falle eines steigenden Underlying der Call abgerufen, fallen Opportunitätsverluste an, die über die Prämieneinnahme hinausgehen können. In diesem Fall ist es jedoch nichts weiter als ein Bauerntrick, auf die absolute Perspektive zu wechseln und sich oder anderen einzureden, es sei ein gutes Geschäft gewesen, weil man ja schließlich die Prämie vereinnahmt habe. Aber es gibt auch weniger eindeutige Fälle: Hat zum Beispiel ein Portfoliomanager einen Call mit dem Ziel geschrieben, Gewinne zu erzielen, zeigt der Anstieg der Aktie über die Marke von Basispreis plus Optionsprämie und der Abruf der Aktien, respektive das vorzeitige Schließen der Position mit Verlust an, dass diese Idee des Managers nicht
442
6
Besondere Herausforderungen beim Derivateeinsatz
aufgegangen ist. Kaufoptionen werden jedoch auch hin und wieder mit dem Ziel verkauft, eine gewisse Verlustabfederung in Höhe der Optionsprämie zu erzielen. Obwohl das nicht als klassische (und wirksame) Absicherungsstrategie durchgeht, ist die Beurteilung der Performance nicht mehr eindeutig. In einem anderen Fall hat der Portfoliomanager vielleicht die Absicht, für einzelne Titel ein Verkaufslimit in Höhe des Basispreises in den Markt zu legen und zusätzlich auch noch die Optionsprämie zu vereinnahmen (Abschn. 5.16.1). Dann gilt die vereinfachende Grundregel „Kein Abruf: gut; Abruf: schlecht“ nicht mehr. Nehmen wir das Beispiel aus Abb. 6.1. Hier hat der Manager seine Bestände in der Deutschen Telekom zwar abgerufen bekommen (erster Pfeil), allerdings in der Nähe des lokalen Hochs. Im Umfeld der Kapitalerhöhung hat er sie anschließend zu einem deutlich niedrigeren Kurs zurückgekauft (zweiter Pfeil). Auch während Laufzeit der Position können sich derartige Interpretationsschwierigkeiten ergeben. Ein Beispiel wird im Abschn. 5.16.1 betrachtet. Zur ehrlichen Erfolgsbeurteilung empfiehlt es sich, ein Investitionstagebuch zu führen, in dem die Anlageidee kurz notiert wird, um im Nachhinein die quantitative Erfolgsbeurteilung mit qualitativen Informationen zu unterfüttern. Eine interessante Frage ist auch, wie man einen Manager beurteilt, der den Auftrag hat, bestehende Aktienbestände zu veroptionieren. Er kann nur auf den Bestand arbeiten, den der für das Aktienportfolio zuständige Manager für attraktiv hält. Ist dieser ein ausgespro-
Abb. 6.1 Deutsche Telekom Short Call und Rückkauf. (Quelle: Thomson Reuters Datastream)
6.1 Risikomanagement
443
chen guter Stock Picker, wird es ihm gelingen, vorwiegend Aktien kaufen, die tendenziell steigen. Veroptioniert der Overlay-Manager diese Aktien im großen Stil, kann es sein, dass er sie in vielen Fällen abgerufen bekommt. Vertraut er jedoch auf die Fähigkeiten des Aktienmanagers, müsste er sich in seinem Covered Call Writing tendenziell sehr stark zurücknehmen. Diese Passivität und das entsprechende Vermeiden von Opportunitätsverlusten werden ihm jedoch nicht unbedingt als Verdienst angerechnet. Ein Thema, das an dieser Stelle nur angerissen, nicht aber weiter vertieft werden soll, ist die Buchhaltung. Allein in der Verbuchung von Optionen stecken noch ungezählte Möglichkeiten, die bei der Beurteilung des Erfolgs von Optionsgeschäften gehörig für Verwirrung sorgen können. So war es in der Vergangenheit hier und da nicht unüblich, beim Schreiben von Optionen die vereinnahmte Optionsprämie sofort erfolgswirksam zu buchen – ohne irgendeine Gegenbuchung (Cook 1997; das Beispiel „Dell“ in Abschn. 7.6.4.2). Hintergrundinformation Weitere Aspekte der Bilanzierung finden sich in Abschn. 6.10.
6.1.5.2 Risikoanalyse Der Einsatz von Optionen beeinflusst die Risikomessung also erheblich. Das hat natürlich nicht nur Auswirkungen auf die Ex-post-Risikomessung im Rahmen der PerformanceAnalyse, sondern auch unmittelbar in der Risikosteuerung von Portfolios. Dabei geht es weniger um die punktgenaue Berechnung des aktuellen Markt-Exposure unter Einschluss von Optionen und Futures. Dieses wird einfach über das Delta-Äquivalent dem Exposure des restlichen Portfolios hinzugefügt. Problematisch in der Risikomessung ist dann jedoch die durch Optionen ins Spiel gebrachte Asymmetrie im Auszahlungsprofil. Das Delta ist ja nichts weiter als die erste Ableitung des Optionspreises nach dem Preis des Underlying (Abschn. 2.4.5.1). Man erfährt also nur, wie die Option für eine kleine Kursveränderung nahe am aktuellen Wert reagiert. VaROption D VAktie;t L.p/ ¢Aktie,t D VaRAktie;t
(6.7)
mit ¢ L p V
= Optionsdelta = Standardabweichung = Fraktil der Standardnormalverteilung = 1 Konfidenzniveau = Marktwert
Diese Information ist jedoch ziemlich nutzlos, da kleinere Marktveränderungen in aller Regel kein großes Risiko für das Portfolio darstellen. Interessant ist vielmehr die Frage, wie ein Portfolio auf große Marktbewegungen reagiert. Genau diese Frage kann die einfache Deltaberücksichtigung aber nur sehr ungenau beantworten, da das Delta sich in diesen
444
6
Besondere Herausforderungen beim Derivateeinsatz
großen Bewegungen nicht linear entwickelt (Abschn. 2.4.5.1). Wenn man größere Optionspositionen im Portfolio hat und auf eine halbwegs zuverlässige Schätzung wert legt, ist die Approximation über das Delta ungeeignet. So kann es bei entsprechendem Einsatz von Derivaten dazu kommen, dass der VaR eines Portfolios abgesenkt wird, während das tatsächliche Verlustrisiko außerhalb des VaR steigt (Artzner et al. 1997). Umgekehrt kann man durch den Einsatz von Optionen gerade auch das Tail Risk sehr gut absichern, was aber bei Blick auf die falsche Risikokennzahl gar nicht zum Ausdruck kommt. Anders ausgedrückt: Soll das Tail Risk reduziert werden, muss man eben auch genau dieses messen. Goldberg et al. (2009) zeigen sehr schön, wie ein über Verkaufsoptionen abgesichertes Portfolio das Shortfall-Risiko, also den Wertverfall des Portfolios unter eine bestimmte Schwelle, spürbar reduziert. Dies wird jedoch nicht offenkundig, wenn man das „falsche“ Risikomaß, nämlich in diesem Fall die Standardabweichung, betrachtet. Die durch die Optionen hervorgerufene Nichtlinearität lässt sich aber auch dann nicht greifen, wenn man die zweite Ableitung, also die Konvexität in Form des Optionsgammas in die Berechnung mit einbezieht [Locarek-Junge (1998). Fong und Vasicek (1997) und J.P. Morgan (1996) weiten die Einbeziehung der Momente auf das dritte und vierte Moment aus]. Das aktuelle Risiko wird dadurch genauer bestimmt, bleibt aber nur lokal gültig. VaROption VAktie;t . L.p/ ¢Aktie,t C 0;5 VAktie;t .L.p/ ¢Aktie,t /2 /
(6.8)
mit = Optionsgamma Im Endeffekt bedeutet dies, dass einem bei der Risikoanalyse von Optionen Arbeit ins Haus steht, um all diesen Effekten und Verzerrungen Rechnung zu tragen. Man muss den eleganten, aber in diesem Fall unzureichenden Approximationsverfahren den Rücken kehren und sich aufwändigeren Alternativen zuwenden. Am einfachsten zu greifen ist sicherlich die Szenarioanalyse (Six und Wiedemann 2013). Man unterstellt eines oder mehrere Szenarien, von denen man wissen möchte, wie das Portfolio sich in diesem Fall verhält. Das können sowohl historische Vorkommnisse sein als auch Marktbewegungen, die man sich selbst ausdenkt. Im Sinne von Stresstests sollten diese natürlich derart ausgestaltet sein, dass es sich um sehr markante Bewegungen handelt, die geeignet sind, im Portfolio echte Wirkungstreffer zu landen. Bei diesen sogenannten Tail Risks, die ganz am äußeren Ende der Verteilung wirken, handelt es sich in aller Regel um Makroereignisse (Vineer 2008). Demzufolge gilt es darauf zu achten, dass nicht nur einzelne AssetKlassen „geschockt“ werden. Meist ist eine ganze Reihe von Asset-Klassen gleichzeitig oder in rascher Abfolge betroffen. Sofern die gleichen Risiken auf mehrere Asset-Klassen wirken, erleidet das Portfolio einen Mehrfachschock. Sollte man in der Historie keinen geeigneten Zeitraum finden, in dem die zu analysierende Portfoliostruktur wunschgemäße Mehrfachtreffer erlitten hätte, nimmt man sich einfach mehrere Schocks auf einzelne
6.1 Risikomanagement
445
Asset-Klassen und kombiniert diese zeitgleich miteinander oder schaltet sie unmittelbar hintereinander. Ein typischer Risikofaktor, der in der Vergangenheit in derartigen Situationen immer wieder auftrat, war eine versiegende Liquidität. Gerade dieses Risiko kann dazu führen, dass das Portfolio in seiner Manövrierbarkeit stark eingeschränkt wird, Risiken also nicht so zügig wie geplant abgebaut werden können und sich somit auch die Haltedauer in der VaR-Berechnung erhöht. Der Vorteil der Szenarioanalyse ist, dass hier Tests durchgeführt werden können, soweit die Phantasie reicht. Der Nachteil ist allerdings der gleiche: Belastungen werden nur so weit durchgeführt, wie die Phantasie reicht. Als äußerst sinnvoll haben sich in diesem Zusammenhang auch umgekehrte Stresstest erwiesen, bei denen man nicht fragt, wie das Portfolio in einem bestimmten Szenario reagiert, sondern gezielt nach den Szenarien sucht, die das Portfolio „zerstören“, es also über einen maximal tolerierten Verlust hinaustreiben. Rein technisch muss man in jedem Fall das Portfolio aufwändig neu bewerten, um festzustellen, wie viel es verloren (oder gewonnen) hat und welche Positionen welchen Anteil dazu beigetragen haben. Die meiste Zeit nimmt die Monte Carlo-Simulation in Anspruch. Hier wird das Portfolio in mehreren tausend Durchläufen immer wieder neu gerechnet. Entscheidend für die Güte der auf diese Weise ermittelten Risikokennzahlen ist jedoch die verwendete Verteilungsannahme. Sofern man den ganzen Rechenvorgang auf der einfachen, aber nachweislich falschen Normalverteilungsannahme aufbaut, werden natürlich auch die Ergebnisse, insbesondere in den Rändern der Verteilung falsch sein. Man läuft dann leicht Gefahr, gerade für sehr starke Marktbewegungen das Risiko systematisch zu unterschätzen. Eine eingängige Übersicht über technische und praktische Aspekte der einzelnen Verfahren liefern Steiner et al. (2002; vgl. die Darstellung der Verfahren der Szenarioanalyse in Abb. 6.2; einen guten Überblick über verfeinerte Methoden innerhalb der hier vorgestellten Varianten findet sich in Smithson 2000a). Ein Aspekt, den es in jedem Verfahren zu beachten gilt, ist der Analysehorizont. Um ein realistisches Bild des Risikos zu bekommen, muss eine explizite Annahme über den Anlagehorizont getroffen werden. Je nachdem, ob dieser bei einem Tag (handelsnah), einem Jahr (typischer Horizont im institutionellen Portfoliomanagement) oder gar mehreren Jahren (Langfristanleger mit langfristigen Verbindlichkeiten) liegt, sind unterschiedliche Risikobetrachtungen relevant. Dabei zeigt sich im Bereich der parametrischen Ansätze, dass eine simple Umrechnung, zum Beispiel eines kurzfristigen VaRs auf einen längeren Anlagehorizont mit Problemen behaftet ist. Dies rührt zum einen daher, dass Risiken nicht immer linear mit der Zeit oder der Wurzel der Zeit wachsen, wenn beispielsweise MeanReversion-Effekte im Spiel sind, größere Ausschläge sich also immer wieder in Richtung auf einen langfristigen Mittelwert auspendeln. Außerdem werden in der konventionellen VaR-Berechnung die Risikofaktoren mit einem Erwartungswert von null angesetzt, das heißt, man geht davon aus, dass das Portfolio im Schnitt weder an Wert gewinnt noch verliert. (6.9) VaR.p/i;t D Vi;t .1 eL.p/¢i,t /
446
6
Besondere Herausforderungen beim Derivateeinsatz
Delta-NormalAnsatz (DNA)
Delta-/GammaNormal-Ansatz
Historische Simulation
Monte-CarloSimulation
Verteilungsannahme bezgl. der Risikofaktoren
Normalverteilung
Normalverteilung
Keine Vorgaben
Beliebige Verteilung modellierbar
Bewertung der Finanzinstrumente
Lineare TaylorApproximation
Quadratische TaylorApproximation
Neubewertung oder Approximation
Neubewertung oder Approximation
Implementierung
Relativ einfach
Aufwändig
Einfach
Hohe Rechnerleistung nötig
Rechenzeit
Schnell
Relativ schnell
Mittel
Langsam
Kommunizierbarkeit
Grundkenntnisse der Portfoliotheorie erforderlich
Wie DNA, aber mathematisch sehr komplex
Leicht einsehbar
Idee nachvollziehbar Implementierung komplex
Wie DNA, zzgl. Gammas
Ausreichende historische Zeitreihen der Marktdaten, Positionsdaten vollständig
Parameter der Verteilung, Positionsdaten vollständig
Datenanforderungen
VarianzKovarianzmatrix, Deltas
Abb. 6.2 Verfahren der Szenarioanalyse
Für die kurzfristige Analyse, beispielsweise von Handelsbeständen, mag diese Ungenauigkeit nicht weiter ins Gewicht fallen. Für längerfristige Betrachtungen von Anlageportfolios gilt es jedoch, diese realitätsferne Annahme zu korrigieren und den Erwartungswert mit einzubeziehen. (6.10) VaR.p/i;t D Vi;t .1 ei,t L.p/¢i,t / mit = Mittelwert Johanning (2004) zeigt, dass selbst bei einem immer noch relativ kurzfristigen Anlagehorizont von 60 Tagen die Einbeziehung des Erwartungswerts bereits einen deutlich sichtbaren Einfluss auf das Ergebnis hat. In Abb. 6.3 ist der tägliche VaR eines 100 Mio. C DAX-Portfolios dargestellt. Und auch bei Verfahren, die eine komplette Neubewertung des Portfolios vornehmen, ist diese zeitliche Dimension zu berücksichtigen. Vielfach werden Stresstest auf Ad-hocBasis gerechnet. Man geht also davon aus, dass das Stressszenario unmittelbar eintritt. In diesem Fall ergibt sich die Änderung im Portfoliovermögen im Wesentlichen durch die geschockten Änderungen im Marktpreisniveau und gegebenenfalls durch Auswirkungen
6.1 Risikomanagement Abb. 6.3 VaR-Entwicklung ohne und mit Berücksichtigung des Erwartungswerts. (Quelle: Johanning 2004)
447 45.000.000,00
VaR(LN)
VaR(LN,oMW)
40.000.000,00 35.000.000,00 30.000.000,00 25.000.000,00 20.000.000,00 15.000.000,00 10.000.000,00 5.000.000,00 22.03.2003
22.03.2002
22.03.2001
22.03.2000
22.03.1999
22.03.1998
22.03.1997
22.03.1996
22.03.1995
–5.000.000,00
22.03.1994
0,00
von Änderungen der impliziten Volatilitäten. Anders verhält es sich, wenn man einen Eindruck über das Risiko zu einem bestimmten Zeitpunkt weiter in der Zukunft bekommen will, beispielsweise auf das Kalenderjahresende hin. Dann müssen Komponenten einbezogen werden, die sich zeitabhängig verändern. Dies sind insbesondere Stückzinsen und im Fall von Optionen der Zeitwertverfall. Darüber hinaus sind Wiederanlageeffekte zu berücksichtigen. Auch ein anderes Risikomaß wird durch den Einsatz von Optionen gegebenenfalls massiv tangiert: das Beta, also das Maß für das Marktrisiko. Das Delta der Option schlägt sich als Marktreagibilität im Portfolio nieder, wirkt also wie ein Kasseanteil oder eine Hebelung des Portfolios. Das Unangenehme an dieser Einwirkung auf das Beta ist, dass sich das Delta der Option ständig verändert und es so zu einem dynamischen Beta kommt. Rechnet man auf ein derartiges Portfolio ein durchschnittliches Beta, ist diese Information im besten Falle nutzlos, im schlechtesten Fall gefährlich, da sie nicht das tatsächliche aktuelle Risiko repräsentiert. Und natürlich bringen Optionen auch Volatilitätsrisiko ins Portfolio, das sogenannte Vega (Abschn. 2.4.5.5). Das mindeste, was man mit diesem Risiko machen kann, ist, es zu berücksichtigen. Das mag sich selbstverständlich anhören, war es aber offensichtlich nicht immer. Mitte der 1990er-Jahre gab es im Privatkundenmarkt eine große Nachfrage nach Garantieprodukten. Je nach Ausgestaltung der einzelnen Produkte waren dafür Calls oder Puts erforderlich (Abschn. 3.1.4). In jedem Fall wurden von den Endabnehmern (verpackte) Optionen gekauft. Es gab also Bedarf an langlaufender Volatilität, welche die Händler in den Banken nur zu gerne zur Verfügung stellten. Das daraus resultierende Delta wurde dynamisch durch Delta Hedging über Futures neutralisiert. Um das Gamma kümmerten sich an Derivatebörsen erworbene Optionen. Und das Vega? Das wurde als nicht hedgenswert außen vor gelassen. Der ehemalige Leiter Aktienderivate der UBS wird zitiert: „Ich glaube nicht an Vega Hedging, und auch sonst tut das niemand.“ (Dunbar 1998; S. 33; übersetzt) Dann stieg 1997 die Volatilität an. Die Short Vega Positionen bauten Verluste auf; so viele, dass die Risiko-Controller, die schließlich auf das Risiko aufmerksam gewor-
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Besondere Herausforderungen beim Derivateeinsatz
den waren, darauf drangen, das Exposure zu reduzieren. Die Volatilitätsschreiber wurden also zu Käufern, mit dem Effekt, dass sie die Volatilitäten weiter nach oben trieben. Und die Ungläubigen, die in jenem Jahr eine Menge Lehrgeld bezahlten, konvertierten zu Gläubigen des Vega Hedgings (Abschn. 7.6.5.4). Prozesstechnisch lag der Fehler nicht im ersten Schritt des Risikomanagements, der Identifizierung. Das Volatilitätsrisiko wurde durchaus wahrgenommen. Aber es wurde im zweiten Schritt falsch quantifiziert und als unbedeutend abgetan.
6.2 Optionen im Zeitablauf 6.2.1 Volatilitätseffekte Es wurde ja schon darauf hingewiesen, dass sich der Preis des Underlying und die implizite Volatilität in der Mehrheit der Fälle gegenläufig bewegen. Das führt einerseits dazu, dass die Verluste, wenn man bei einer Spekulation auf die Richtung des Underlying falsch liegt, gedämpft werden. Andererseits verschafft es dem Portfoliomanager oftmals eine zweite Chance. Oder es führt dazu, dass die Position vorzeitig beendet wird. Beispiel
Betrachten wir das Beispiel eines Long Call. Der Manager kauft ihn am Geld bei einem Preis des Underlying von 100 C mit dem Kursziel von 102 C. Fällt das Underlying nun unerwartet auf 99 C, verliert der Call über das Delta, profitiert aber höchstwahrscheinlich über die ansteigende implizite Volatilität. Bleibt der Manager bei seinem Kursziel von 102 C, kommt ihm die Volatilität sogar entgegen, da die Position (Vega long) unter Umständen mehr verdient, wenn sich das Underlying auf Umwegen (sprich volatil) zum Ziel bewegt als wenn es das Kursziel auf direktem Weg erreicht. Taucht der Preis also erst auf 99 C ( ein Euro), um dann (vereinfachend) in einem zweiten Schritt auf 102 C zu springen (+ drei Euro), summieren sich die quadrierten Preisveränderungen zu einer realisierten Varianz von (1)2 C 32 D 10. Auf direktem Weg sammelt sich nur eine Varianz von (101 100)2 C (102 101)2 D 12 C 12 D 2 an. Wenn sich dieser Zickzackkurs auch in der impliziten Volatilität widerspiegelt, wirkt sie werterhöhend. Zusätzlich kann sich der Manager überlegen, ob er nicht sogar den Call verkauft und in einen Call aus dem Geld, beispielsweise mit einem Basispreis auf der Zielmarke von 102 C tauscht, da dieser über das ansteigende Gamma schnell Delta aufbaut und sich so in den Kursanstieg des Underlying hineinhebelt. Wenn das Underlying in seiner ersten Bewegung nicht fällt, sondern gleich auf den Zielpreis von 102 C steigt, versteht es sich von selbst, dass der Manager den Call umgehend verkaufen sollte, sofern er sein Kursziel beibehält. Nicht nur ist aus dem Delta nichts mehr zu erwarten. Auch das Volatilitätspotenzial ist ausgeschöpft: Die erste Kursbewegung führt zu einem quadrierten Varianzbeitrag von (102 100)2 D 22 D 4. Eine mögliche „Bewegung“ im zweiten Zeitabschnitt stagnierend von 102 C auf 102 C
6.2 Optionen im Zeitablauf
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resultiert in einem Varianzbeitrag von (102 102) D 02 D 0. Die Option über den zweiten Zeitabschnitt zu halten, würde also nur zu einem unnötigen Verlust von Zeitwert (Theta) führen.
6.2.2
Umbau der Position
Wer Optionspositionen aufbaut und dann grundsätzlich bis zur Fälligkeit hält, wer also einen Buy and Hold- bzw. Sell and Hold-Ansatz verfolgt, schöpft mit Sicherheit nicht das volle Potenzial dieser Instrumente aus. Der Vorteil und die Herausforderung zugleich bestehen darin, dass Optionen es erlauben, eine Lösung für Anlageprobleme sehr differenziert herbeizuführen. Das bedeutet jedoch auch, dass sich eine einstmals passgenaue Position mit den Umständen verändern kann. Was vor einem Monat eine präzise Umsetzung war, ist heute vielleicht immer noch eine gute Idee, aber eben nicht mehr die bestmögliche Lösung. So ist der agile Optionär gehalten, die Arbeit, die er sich während der Planung der Position gemacht hat, immer wieder aufs Neue zu machen. Ein ums andere mal muss er das Engagement aufbringen, um die Wirkung der eingetretenen Veränderungen im Markt und bei den Rahmenbedingungen auf sein Portfolio zu bewerten, neue Alternativen zu prüfen und die Positionierung gegebenenfalls entscheidungsfreudig zu korrigieren. Er muss deutlich agiler arbeiten, da er mehr Entscheidungsparameter abzudecken hat und ihm mehr Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. So erinnert der Optionär an einen Muhammad Ali der Kapitalmärkte. Getreu dessen Motto „Gleite wie ein Schmetterling, stich wie eine Biene“ ist er immer auf den Fußballen tänzelnd im Ring unterwegs auf der Suche nach der Lücke in der Deckung der Finanzmärkte. Das Verständnis der Put-Call-Parität ist für diese laufende Positionspflege von Optionspositionen ein äußerst mächtiges Werkzeug (Abschn. 2.4.3). Sie erweitert den Handlungsspielraum im Umgang mit Positionen, indem sie alternative Vorgehensweisen aufzeigt. Beispiel
Beispielsweise könnte ein Portfoliomanager eine Aktie mittels einer Long Put-Position abgesichert haben. Wenn er diese Position schließen will, kann er die Aktie samt Put verkaufen. Alternativ kann er sich überlegen, dass sein abgesichertes Aktienportfolio nichts anderes ist als ein synthetischer Long Call. Diese kann er natürlich durch einen Short Call neutralisieren. Dazu bedarf es nur einer einzigen Order. Von Vorteil ist eine solche Vorgehensweise besonders dann, wenn das Underlying keine einzelne Aktie, sondern ein ganzes Aktienportfolio ist. Dann kann er das Marktrisiko der Gesamtposition durch den Verkauf eines Call schließen, ohne das Aktienportfolio anzufassen. So würde er ein erwartetes Alpha aus der Einzeltitelselektion erhalten können. Natürlich könnte er auch einfach den Long Put verkaufen und das Marktrisiko des Portfolios durch einen Short Future absichern. Durch die Betrachtung der Put-Call-Parität schafft er sich aber eine zweite Handlungsmöglichkeit, die es ihm zum Beispiel erlaubt, die Liquidität der beiden in Frage kommenden Optionen zu vergleichen. So könnte der
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Besondere Herausforderungen beim Derivateeinsatz
Put, der nach einem kräftigen Kursanstieg weit aus dem Geld gelaufen ist, mittlerweile extrem illiquide geworden sein, während der weit im Geld notierende Call eventuell noch eine ausreichende Markttiefe aufweist. Mit dem in Abb. 4.9 eingeführten, grob vereinfachten Strategietableau lässt sich andeuten, welche weiteren Handlungsmöglichkeiten sich einem optionsbewanderten Portfoliomanager eröffnen. Um ein weiteres Beispiel anzuführen, gehen wir von der einfachsten Grundposition aus, einem Long Aktien-Call, der dazu noch in der Gewinnzone liegt. Dazu sind zunächst noch einige Grundüberlegungen angebracht: Man kann konstatieren, dass die Anlageidee grundsätzlich aufgegangen ist und die Position einen Gewinn erwirtschaftet hat. Durch die rückblickende Analyse lassen sich einige wertvolle Informationen gewinnen. Ist der Gewinn aus dem Delta und Gamma, also der Bewegung des Underlying entstanden, aus dem Vega, also dem Anstieg der impliziten Volatilität oder beidem? Wo wurden die eigenen Prognosen erfüllt? Wo nicht? Alle Folgestrategien, mit Ausnahme der Glattstellung der Position bei Erreichen des ursprünglichen Anlageziels, bedingen eine neue Markteinschätzung (Wohin? Wie weit? Wann? Wie? Mit welcher Vola?). Die aktuelle Position ist long. Da eine Long Option ein Wasting Asset ist, das allein durch Zeitablauf ceteris paribus an Wert verliert, ist der derzeitige Gewinn nur ein Buchgewinn, der, im Gegensatz zu einer Aktienposition im Plus, nicht nur durch das Kursrisiko des Underlying, sondern auch durch einen möglichen Rückgang der impliziten Volatilität und den Zeitprämienverfall bedroht ist. Das dem Underlying zugebilligte Potenzial sollte (inklusive einer Sicherheitsmarge) mindestens so hoch sein, dass es den Zeitwertverfall übersteigt. Dieser kann bei Optionen mit kurzer Restlaufzeit mitunter beträchtlich sein. Bei einem Durchhalten der gekauften Kaufoption bis zur Fälligkeit geht der für den Optionsinhaber vorteilhafte Volatilitätseffekt verloren. Nun stehen ihm wiederum sämtliche Strategien aus besagtem Schema zur Verfügung. Für welche er sich entscheidet, hängt davon ab, von welcher weiteren Entwicklung der Aktie und impliziten Volatilität er ausgeht. Die Put-Call-Parität hilft ihm insofern, als sie ihm Alternativen anbietet. Denn er muss nicht in jedem Fall den bestehenden Call abbauen und die Folgeposition komplett neu aufbauen. Stattdessen genügt in vielen Fällen ein weniger aufwändiger Umbau, beispielsweise kann er den Long Call in einen Long Future umwandeln, indem er einen Put mit gleichem Basispreis verkauft. Er könnte ebenso, etwas konservativer, einen Put mit einem tieferen Basispreis verkaufen und so zu einem Split Strike Future (andere Bezeichnung: Risk Reversal) kommen, der im linearen Auszahlungsprofil eine horizontale Zone einfügt,
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genügt der Verkauf eines Future, um zu einem Long Put zu kommen, muss er für einen Bull Call Spread nur einen Call mit höherem Basispreis verkaufen oder für einen Ratio Call Spread eben mehrere Calls. Um ein paar markante Alternativen herauszugreifen: Schließen der Position Ist natürlich nicht nur angezeigt, wenn der Portfoliomanager weder hinsichtlich Markt noch Volatilität zu einer Neueinschätzung gekommen ist („When in doubt, get out“). Kann auch einfach Ausdruck dessen sein, dass er konservativ und konsequent die Position glattstellt, wenn die ursprüngliche Anlageidee weitgehend aufgegangen ist. Spreads Je nachdem, wie die neue Kursspanne eingeschätzt wird, liegen in der aggressiveren Variante die Basispreise enger beieinander oder, mit mehr Spielraum, weiter auseinander. Straddle/Strangle Wenn der aktuelle Call im Plus steht und der Manager über ein Long Vola-Position wie den Strangle nachdenkt, dann offensichtlich deshalb, weil er hier weiteres Potenzial sieht. So ist der Kursgewinn des Long Call vermutlich eher auf den Kursanstieg des Underlying zurückzuführen. Damit steht dieser aktuell im Auszahlungsprofil „rechts oben“. Da das Auszahlungsprofil in Form des Hockey Sticks nur bei Fälligkeit gilt, bewegt die Position sich jetzt, vor Verfall, sogar etwas oberhalb des Hockey Sticks. Da bei den Vola-Positionen der aktuelle Preis des Underlying normalerweise die Basispreise für den Straddle bzw. die Mitte der Basispreise für den Strangle bildet, müsste er gemäß Schema strenggenommen den bestehenden Call, der ja im Geld notiert, verkaufen und die Vola-Position neu aufsetzen. Er kann aber auch in diesem Fall aus der bestehenden Position heraus handeln und sie als Baustein behalten. Dadurch, dass er mit dem Call bereits vorn liegt, könnte er einfach von einem Teil des Gewinns einen Put kaufen. So kommt er zu seiner Long Vola-Position, hat sich aber gleichzeitig bereits einen Teil seines Gewinns gesichert und ein sehr begehrenswertes Auszahlungsprofil geschaffen, dem auch die eingesparten Transaktionskosten aus dem nicht vollzogenen Komplettumbau zugutekommen. Doch auch für die Positionspflege sind längst nicht alle möglichen Handlungsalternativen in diesem Schema enthalten, beispielsweise: Teilweise Anpassung Natürlich muss der Optionär die Position nicht vollständig umbauen. Ebenso wie er den Call zur Hälfte verkaufen kann, um Buchgewinne zu realisieren, kann er auch die Ergänzungspositionen nur teilweise implementieren, sodass er mit einem Teil des bestehenden Call weitermacht und eine der skizzierten Folgestrategien, ebenfalls in kleinerer Größenordnung, daneben stellt.
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Besondere Herausforderungen beim Derivateeinsatz
Roll-up Als Alternative zum Halten der Position könnte der Portfoliomanager den Long Call schließen und einen Long Call mit einem höheren Basispreis neu eröffnen. Hintergrund ist eine Neueinschätzung von Chancen und Risiken insofern, als er der Kombination aus Underlying und Volatilität weiteres Potenzial zutraut. In dieser Konstellation zeigt sich exemplarisch sehr schön die erforderliche agile Natur des Optionärs. Natürlich könnte er die existierende Kaufoption einfach weiterlaufen lassen. Trifft seine Prognose ein, wird er auch mit ihr gutes Geld verdienen. Allerdings ist es eben nicht das ideale Umsetzungsvehikel, um das meiste aus seiner Vorhersage herauszuholen. Als permanentem Tüftler und Optimierer ist ihm klar, dass der Call im Geld ein hohes Delta von 0,75 bis 1,0 aufweist, aber nur ein geringes Gamma. Daher wird er den Verkaufserlös oder einen Teil davon in einen Call mit einer höheren Reagibilität investieren wollen. Calender Spread Bei allen kombinierten Positionen hat der Manager die zusätzliche Dimension „Laufzeit“ zur Verfügung. Er kann also zusätzlich zur erwarteten Bewegungszone des Underlying und der impliziten Volatilität auch noch die Erwartung eines bestimmten Wertentwicklungspfads im Zeitverlauf (zum Beispiel dass die Aktie zunächst weiter steigt und anschließend fällt) oder die Steilheit der Volatilitätsstrukturkurve in seine Überlegungen einbeziehen (zum Beispiel Verkauf einer längerlaufenden Option mit einer höheren impliziten Volatilität, verbunden mit der Erwartung, dass sich diese vergleichsweise stark zurückbildet). Gelegentlich wird ein Calender Spread über den Verkauf der kurzlaufenden und Kauf der langlaufenden Option auch mit der Überlegung aufgesetzt, dass der Zeitwertverfall in der kurzen Option schneller vonstattengeht als in der langen Option. Das ist prinzipiell richtig. Allerdings ist eine derartige Position durchaus heikel, da der Theta-Effekt von der Bewegung des Underlying und der Volatilität deutlich überlagert wird. Sollten sich diese beiden unvorteilhaft verhalten, nützt der stärkste Zeitwertverfall nichts, um die Position ins Plus zu bringen. Generell gilt: Sobald Calender Spreads ins Spiel kommen, ist die Überwachung der aggregierten „Griechen“ unabdingbar, um bei derart mehrdimensionalen Optionsportfolios die Aussteuerung im Griff zu behalten. Macht es denn nun einen Unterschied, ob der Long Call in der Gewinn- oder Verlustzone liegt? Sollte es nicht eigentlich keine Rolle spielen, da allein der Blick in die Zukunft und damit die Einschätzung des künftigen Potenzials eine Rolle spielt? Tatsächlich spielt es aus guten Gründen eine Rolle, kann aber auch aus schlechten Gründen relevant sein. Zu den guten Gründen: Zunächst muss man konstatieren, dass wenn die Position im Minus liegt, die ursprüngliche Anlageidee offensichtlich nicht aufgegangen ist. Der Portfoliomanager kann allerdings der Meinung sein, dass sie noch nicht aufgegangen ist, er aber weiter an ihr festhält. Hält er an seinem absoluten Kursziel für die Aktie fest, wäre, je nach Entwicklung der impliziten Volatilität, die bestehende Option unter Umständen immer noch die beste Wahl. Billigt er der Aktie das gleiche prozentuale Potenzial zu wie zuvor, nur eben auf reduziertem Niveau, wäre ein Roll-down (Schließen der Position und Neueröffnung auf niedrigerem Niveau) ceteris paribus vermutlich die richtige Wahl. Und an dieser Stelle könnten dann auch die „schlechten Gründe“ zu zusätzlichen Überlegungen führen. Diese Überlegungen erwachsen aus der Gewinn- und Verlustrechnung
6.2 Optionen im Zeitablauf
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und könnten dazu führen, dass der Manager von einem Roll-down absieht, weil er durch den Verkauf des vorhandenen Calls aus einem Buchverlust einen realisierten Verlust machen würde. Die bekannte mentale Prädisposition vieler Finanzentscheider, Verluste zu lange laufen zu lassen, in der Hoffnung, dass sich doch noch alles zum Guten wendet, kann auch in diesem Fall entscheidungsrelevant werden. Aus ähnlichen Überlegungen heraus könnte im ersten Fall, beim Festhalten an der Position, nicht eine unveränderte Markteinschätzung Hintergrund der Entscheidung sein. Das führt zu einer weiteren Handlungsalternative, die dem Manager in dieser Situation in den Sinn kommen könnte. Er könnte sich und andere davon überzeugen, dass die damals gekaufte Kaufoption nicht „immer noch“ die beste Wahl ist, sondern „jetzt erst recht“ und infolgedessen die Position zu einem niedrigeren Optionspreis aufstocken. Die implizite Überlegung dahinter kann ein eher gedankenloses „When in trouble, double!“ sein. Es könnte aber auch der rationalere Gedanke dahinter stecken, den Einstandspreis in der Mischkalkulation nach unten zu verbilligen, entweder um die Gewinnschwelle für die Gesamtposition in greifbarere Nähe zu rücken oder schlicht, um den Einstandspreis ein wenig zu verschleiern – was freilich auf Dauer nichts helfen wird. Natürlich läuft der Manager bei derartigen Überlegungen Gefahr, dass die buchhalterisch-politischen Argumente die Oberhand über die fachliche Einschätzung des Chance-Risiko-Profils gewinnen und er mit seiner Positionsaufstockung dem schlechten Geld gutes hinterher wirft.
6.2.3 Pin Risk Besonders herausfordernd kann das Management einer Optionsposition kurz vor Verfall werden. Dabei gilt: Je kürzer die Restlaufzeit und je näher am Geld die Position liegt, desto schwieriger die Handhabung. Der Grund dafür ist die hohe Reagibilität der Optionen in diesem Bereich. Wie in Abschn. 2.4.5.3 dargestellt, ist das Gamma bei kurzlaufenden Optionen am Geld am höchsten. Dadurch verändert sich die Marktreagibilität, das Delta, recht stark, wenn sich das Underlying bewegt. Beispiel
Abb. 6.4 illustriert die breite Auslenkung des Delta kurz vor Verfall. Bei einem Put am Geld mit einer Restlaufzeit von 90 Tagen bewegt sich das Delta bei einer Kursbewegung im Underlying von einem Prozent rund um den Basispreis lediglich in einer Spanne von 0,1 (0,55 bis 0,45). Einen Tag vor Verfall ist die Deltaveränderungsspanne mit etwa 0,65 (0,82 bis 0,17) mehr als sechs Mal so hoch. Diese heftige Bewegung verwundert nicht, wenn man das Delta als die Wahrscheinlichkeit, dass die Option bei Verfall im Geld liegt, begreift. Notiert das Underlying genau am Basispreis, ist die Chance, dass die Option bei Verfall einen positiven inneren Wert aufweist, 50 zu 50. 90 Tage vor Verfall sorgt ein kleiner, einprozentiger Kursverfall im Underlying dafür, dass die Chance auf 55 % steigt. Das ist zwar eine kleine, aber keine wesentliche Verbesserung, da im Laufe der folgenden 90 Tage noch
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6 Basispreis:
Besondere Herausforderungen beim Derivateeinsatz
5.000 Indexstand
Restlaufzeit
4.000
4.500
4.950
5.000
5.050
5.500
6.000
1 Tag
-1
-1
-0,82
-0,50
-0,17
0
0
7 Tage
-1
-1
-0,63
-0,50
-0,34
0
0
30 Tage
-1
-0,96
-0,57
-0,50
-0,44
-0,04
0
90 Tage
-0,98
-0,82
-0,55
-0,50
-0,45
-0,14
-0,03
Abb. 6.4 Theoretische Put Deltas
viel passieren kann, was den Index doch noch über die Marke von 5000 Punkten hieven könnte. Dann würde die Option wertlos verfallen. Kurz vor Verfall jedoch bleibt nur noch wenig Zeit und damit Bewegungsspielraum für den Index übrig. Daher hat unsere Option, wenn sie zu diesem Zeitpunkt ein Prozent im Geld liegt, eine Chance von immerhin 82 %, dass das auch bis zum Verfall so bleibt. Wenn diese stark schwankende Risikokennzahl für jemanden eine wichtige Steuerungsgröße repräsentiert, hat derjenige eine Menge zu tun, um sein Portfolio auf Linie zu halten. Typischerweise wird das bei jemandem der Fall sein, der ein Optionsportfolio über einen Delta Hedge abzusichern hat (Abschn. 3.4.1). Er ist gezwungen, das Delta über Transaktionen im Underlying und/oder Future oder auch Optionen auszusteuern. Steigt der Index also einen Tag vor Verfall um rund zwei Prozent von 4950 auf 5050, müsste er das Aktien-Exposure im Portfolio um gewaltige 65 % (Differenz zwischen 0,17 und 0,82) verschieben. Ein kleines technisches Detail kann die Sache für Stillhalter einer Option noch verkomplizieren: Optionen werden bei Verfall automatisch ausgeübt, es sei denn, der Käufer der Option hätte davon explizit Abstand genommen. Bei Optionen mit Barausgleich wird die Option immer dann ausgeübt, wenn sie bei Verfall im Geld ist. Bei Optionen mit Lieferverpflichtung hingegen können die Kontraktspezifikationen vorsehen, dass die Kontrakte erst einen gewissen Betrag ins Geld gelaufen sein müssen, um die automatische Ausübung anzustoßen. Die erforderliche Moneyness könnte dann noch einmal differenziert werden, je nachdem, ob zum Beispiel ein Market Maker, ein institutioneller oder ein privater Anleger betroffen ist. Wie geht man nun mit einer solchen Zwickmühle um? Wie so oft im Leben ist es auch in diesem Fall sinnvoller, einer solchen Situation vorzubauen, als sie dann unter hohem zeitlichen Druck managen zu müssen. Wenn es dann doch passiert ist, kann man sich zunächst einmal fragen, welche Bedeutung dieser Position eigentlich noch zukommt. Ist sie tatsächlich so bedeutsam, dass man die Transaktionskosten und den operativen Aufwand auf sich nehmen muss, ohne sicher sein zu können, dass das Ergebnis letztlich besser sein
6.2 Optionen im Zeitablauf
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wird als der Status quo? Möglicherweise ist der Zweck der Position schon weitgehend erreicht. Beispielsweise mag ein Portfoliomanager darauf abgezielt haben, die Folgen eines starken Aktienmarktrückgangs abzumildern. Das mag ihm zu diesem Zeitpunkt schon gelungen sein, sodass es unsinnig wäre, seine Ressourcen weiter auf diesen Teil seines Portfolios zu konzentrieren, anstatt neue, wirkungsstärkere Anlageideen zu entwickeln und umzusetzen. Anders verhält es sich beispielsweise bei einem Eigenhändler, der ein Buch aus verkauften Call-Optionsscheinen zu neutralisieren hat. Bewegen sich die Aktien kurz vor Verfall nahe an ihren Basispreisen, benötigt er eigentlich genau die Anzahl an Aktien, die er an die Käufer der Optionsscheine liefern müsste, wenn diese im Geld ausliefen. Kauft er zu wenige, muss er nachkaufen und das eventuell zu sehr unvorteilhaften Kursen. Kauft er zu viele, sitzt er nach dem wertlosen Verfall der Optionsscheine auf einer ungesicherten Position Aktien. Das Risiko kann in beiden Fällen beträchtlich sein. Sofern die Position tatsächlich beibehalten werden soll, macht es Sinn, dem beweglichen Ziel „Delta“ seine Beweglichkeit weitestmöglich zu nehmen. Dazu gilt es, nicht nur das Delta, sondern auch seine Ableitung, das Gamma, zu neutralisieren. Das Gamma gibt an, wie sich das Delta verändert, wenn sich der Kurs des Underlying bewegt. Es kann nur durch den Kauf und Verkauf von Optionen angepasst werden. Hat der Manager Optionen (ganz gleich ob Kauf- oder Verkaufsoptionen) verkauft, ist er Gamma short. Für ein Ausbalancieren muss er sich mit Optionen eindecken. Natürlich muss er dabei abwägen, ob das dafür aufgewandte Theta, die Zeitprämie, diesen Kauf rechtfertigt. In jedem Fall sollte man sich rechtzeitig um die Position zu kümmern. Spätestens zwei Wochen vor Verfall gilt es, den Bestand zu analysieren, sich Gedanken über das weitere Vorgehen zu machen und die entsprechenden Maßnahmen einzuleiten. Dabei ist es sinnvoll, stets danach zu streben, die Position möglichst einfach zu gestalten. Komplexe Teilportfolios sollten so weit reduziert werden, wie es die Verfolgung der ursprünglichen Anlageidee erlaubt. Idealerweise kann man die Positionen so weit zurückstutzen, dass am Ende nur noch eine Long-Position offen bleibt. Damit erreicht man eine klare Verlustbegrenzung, da bei wertlosem Verfall der Option maximal die restliche Optionsprämie verloren gehen kann. Es hängt von der individuellen Anlagesituation ab, ob man diese aufs Spiel setzen möchte. Kurz vor Verfall ist der absolute Zeitwert niedrig, kann aber am oder im Geld doch noch „zu hoch“ ausfallen. Je weiter die Option aus dem Geld läuft, desto eher bietet sich dieses Vorgehen an. Im Übrigen gehen einige Händler im Grenzbereich der unmittelbaren Phase vor Verfall dazu über, ihre eigenen Einschätzungen des Delta und insbesondere der Volatilität vorzunehmen, anstatt sich auf Modelle zu verlassen. Das ist auch die einzige Möglichkeit, dem Risiko einer „Verlängerung des Pin Risk“ vorzubeugen. Denn in der Realität ist das Risiko mit der Feststellung des Abwicklungspreises nicht beendet. Sollten nach Börsenschluss, aber vor Einlieferung des Underlying, noch schlechte Neuigkeiten bekannt werden, bekommt man ein Asset eingeliefert, dass sich mit Wiedereröffnung der Märkte nur zu einem niedrigeren Preis wieder abstoßen lässt.
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6.3
6
Besondere Herausforderungen beim Derivateeinsatz
Extremmärkte
Das zentrale Problem ist, dass Market Maker und Emittenten Probleme haben, sich in erratischen Märkten abzusichern. In einer Analyse der Asienkrise 1997 sagt Carlo Georg, damaliger Leiter Aktienderivate bei der Citibank in Hong Kong (Horsewood 1997, S. 12): Wir lassen täglich Stresstests laufen, um unser Gesamtrisiko zu betrachten, aber manche von denen waren weit weg von der tatsächlichen Situation. Wir sehen hier 16 Standardabweichungen, was einfach sämtliche Vorstellungskraft übersteigt.
Wie extrem solche Bewegungen sind, zeigt auch der Umstand, dass an besonders volatilen Tagen zum Teil nicht einmal mehr Preise in bestimmten Instrumenten festgestellt werden. Beispiel
So findet sich für den „Roten Dienstag“, den 28. Oktober 1997, kein Preis für den VDAX, was einen Eindruck davon vermittelt, wie schwer oder gar unmöglich der Optionshandel an einem solchen Tag sein kann. Und eines der weltweit führenden Investment-Häuser hat seine Kunden (ehrlicherweise) am 8. November 2016, dem Tag vor der amerikanischen Präsidentschaftswahl wie folgt informiert (übersetzt): [Wichtige Kundenmitteilung] Handel in volatilen Märkten Wir möchten diese Gelegenheit wahrnehmen, um Sie an die Maßnahmen zu erinnern, die wir für den Handel in volatilen Marktumständen eingerichtet haben. In Phasen extremer Volatilität, haben wir in manchen Fällen Handelsverzögerungen gesehen, einschließlich Preisanfragen (RFQs), Orderannahmen, Orderverarbeitungen, laufende Preisstellungen und/oder Verbreitung von Marktdaten. Zur Erinnerung: Wir sind nicht verpflichtet, laufend Preise zu stellen, auf RFQs zu antworten oder Orders zur Ausführung auf besondere Art anzunehmen, und alle Entscheidungen ob oder wann Marktkriterien zur Ausführung erfüllt sind, werden von uns in unserem alleinigen Ermessen getroffen. Unsere elektronischen Handelsplattformen haben Volatilitätskontrollen, die als Reaktion auf schnelle und widrige Marktbewegungen Ausführung und Preisstellung zeitweilig aussetzen können. Es ist möglich, dass unterschiedliche Kunden, die Orders übermitteln oder Geschäfte anfragen, die ähnliche Profile aufweisen, unterschiedliche Ergebnisse erzielen können, einschließlich ob und wann Orders oder Geschäfte ausgeführt werden. In volatilen Märkten, werden wir uns bemühen, Kunden weiter zu bedienen, aber es kann sein, dass wir nicht in der Lage sind, das Produktangebot, Ausführungsniveau, Liquidität und Pricing – auch in elektronischen Märkten – bereitzustellen, wie es in normaleren Marktbedingungen der Fall wäre.
Die Folge ist, dass es für den Anleger in solchen Phasen extrem schwierig ist, Geschäfte zu fairen Preisen abzuschließen. Preise werden, wenn überhaupt, oftmals nur auf Anfrage gestellt und sind dann, verständlicherweise, so breit gestellt, dass nur wer gar nicht anders kann, derartige Abwehrkonditionen akzeptiert.
6.3 Extremmärkte
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Wohl dem, der es schafft, mit diesen schlecht gehandelten Kontrakten seine Risiken noch rechtzeitig zu begrenzen. Immer wieder kommt es im Umfeld heftiger Marktbewegungen zu Pleiten von Marktteilnehmern, die es nicht mehr geschafft haben, ihre Risiken schnell genug zu reduzieren. Prominente Namen sind davor nicht gefeit. So traf es schon im Oktober 1997 den bekannten Hedgefonds Manager Victor Niederhoffer, bevor ein Jahr später LTCM das Finanzsystem an den Rande des Kollaps brachte. Die heftigen Kursbewegungen resultieren oftmals in verpassten Margin-Nachschüssen. So sollen in besagtem Oktober 1997 an der Chicago Mercantile Exchange MarginAnforderungen in beträchtlicher Höhe nicht rechtzeitig beglichen worden sein, obwohl die Fristen kurzfristig verlängert worden waren (Wilson 1997). Dadurch steigt das Risiko eines Systemzusammenbruchs, weil das Fundament der Terminbörse als zentraler Gegenpartei angekratzt wird. Dabei sind es nicht immer die Banken selbst, die in Rückstand geraten. Vielmehr sind es oft deren Kunden, die sich verspekulieren und dann die Nachschusspflichten gegenüber der Bank nicht erfüllen können. Beispiel
Bekannt wurde der Fall der Zürcher Bank Rinderknecht (Neue Zürcher Zeitung 1997). Wiederum im Jahr 1997, allerdings schon im Januar, war der Schweizer Aktienindex SMI stark gestiegen. Einige Kunden der Bank erlitten dadurch starke Verluste, die sich in angeforderten Nachschüssen von über 20 Mrd. Schweizer Franken niederschlugen, welche diese jedoch gegenüber der Bank schuldig blieben. Letztlich mussten hier die Aktionäre der Bank in die Bresche springen. Hinsichtlich des Margin-Systems war also das Jahr 1997 geeignet, um Schwächen im System aufzudecken und Verbesserungen in der Regelung der Sicherheitenleistung anzustoßen. Eine weitere Facette des Problems ist die mögliche Desynchronisation von Gewinnen und Verlusten. Im Falle dass Positionen auf verschiedenen Märkten zueinander in Beziehung stehen und diese Märkte entkoppelt werden, kann es passieren, dass beispielsweise bei abgesicherten Positionen die abgesicherte Position an Wert verliert, diese jedoch nicht durch entsprechende Gewinne auf dem Sicherungsinstrument kompensiert werden kann. Dies kann einerseits dadurch geschehen, dass einzelne Märkte oder Marktsegmente temporär geschlossen oder einzelne Instrumente vom Handel ausgesetzt sind (Abschn. 3.5.7). Mitunter genügt jedoch schon eine weniger gravierende „Verzögerung im Betriebsablauf“, um es mit der Standardnonsensbegründung der Bahn zu sagen, die dazu führt, dass Gewinne und Verluste zeitlich auseinanderfallen und den Anleger dadurch in Bedrängnis bringen können. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn aus irgendwelchen Gründen Teile der Position oder gar das ganze Konstrukt aufgelöst werden müssten.
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Besondere Herausforderungen beim Derivateeinsatz
6.3.1 Lieferengpässe Immer mal wieder kommt es in Future-Kontrakten, die physisch beliefert und nicht durch Barausgleich abgerechnet werden, zu Befürchtungen, dass das zur Verfügung stehende Volumen in den zu liefernden Underlyings nicht ausreicht, um alle bestehenden Lieferverpflichtungen erfüllen zu können. Häufiges Objekt derartiger Diskussionen ist der Bund Future. Es ist ja nicht ungewöhnlich, dass das offene Volumen am Terminmarkt ein Mehrfaches des lieferbaren Anleihekorbs beträgt. So kommt es immer wieder zu Knappheitsgerüchten und nachfolgenden Spekulationen auf einen sogenannten Squeeze, eine Marktverengung. Unangenehm ist ein potenzieller Squeeze für denjenigen, der eine Short-Position sein eigen nennt. Für ihn besteht die Gefahr, dass er bei Fälligkeit tatsächlich das Underlying – beim Bund Future eine Anleihe aus dem Korb zulässiger Anleihen, vorzugsweise die Cheapest-to-Deliver – liefern muss. Die meisten Anleger entledigen sich dieses Risikos, indem sie die Position vor Verfall durch ein Gegengeschäft glattstellen. In der Regel wird nur ein niedriger einstelliger Prozentsatz der offenen Kontrakte durch tatsächliche Belieferung erfüllt. Will der Anleger jedoch seine Short-Position weiter behalten, beispielsweise weil sie als Hedge eines Kassaportfolios dient, muss er im Augenblick des Schließens der Short-Position im demnächst verfallenden Kontrakt eine ersetzende Position in einem Kontrakt mit längerer Laufzeit öffnen. Er rollt seine Position also in den nächsten Verfallstermin. Sehr viele Marktteilnehmer führen diese Transaktion innerhalb eines vergleichsweise engen Zeitfensters durch. Gerade wenn das Risiko eines Squeeze besteht, in dem sich die aktuelle Cheapest-to-Deliver-Anleihe auch noch überproportional verteuert, ist jeder bestrebt, der erste zu sein, der seinen Kontrakt rollt. Dadurch kann sich das Überrollen für die später agierenden Marktteilnehmer spürbar verteuern (Abschn. 3.5.6). Darüber hinaus kann diese Herdenbewegung dazu führen, dass sich viele Marktteilnehmer mit der CTD eindecken, um ihren etwaigen Lieferverpflichtungen nachkommen zu können. Dazu gesellen sich mitunter Marktteilnehmer, die von dieser Verknappung profitieren wollen. Dies führt zu einem relativen Preisanstieg der Anleihe, der so weit reichen kann, dass sie schließlich ihren Status als CTD einbüßt (Abschn. 3.5.2). In jedem Fall ist eine derartige Konstellation immer wieder geeignet, die Volatilität zu erhöhen. Beim Aufkommen des Gerüchts über einen bevorstehenden Squeeze ziehen die Kurse an. Ob die Befürchtungen sich realisieren, zeigt sich dann allerdings erst immer bei Fälligkeit, sodass auch das Thema „Squeeze“ am Verfallstag ein Faktor für die gefürchtete erhöhte Marktschwankung sein kann. Dies umso mehr, als längst nicht gesagt ist, dass ein Short Seller, der sich in Erwartung seiner Lieferverpflichtung am Kassa- oder Repomarkt mit der CTD eingedeckt hat, diese auch tatsächlich geliefert bekommt. Immer wieder kommt es vor, dass der CTD-Verkäufer seinen Teil des Geschäfts nicht erfüllt, was unmittelbar zur Folge hat, dass das Geschäft nicht zustande kommt. Der so im Stich gelassene Käufer hat nun allerdings ein Problem, das er unter hohem Zeitdruck lösen muss. Tut er dies nicht, und kann er dann am Terminmarkt nicht liefern, drohen ihm empfindliche Strafzahlungen. Alternativ kann er seine Short-Position eindecken bzw. rollen, was zu
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diesem Zeitpunkt ein recht kostspieliges Unterfangen sein kann (s. o.). Er kann natürlich auch eine andere als die CTD einliefern. Wie der Name schon sagt, wird das aber ebenfalls keine wirtschaftlich optimale Lösung sein. Allerdings besteht auch vor Verfall für Spekulanten auf steigende Kurse das Risiko unverhoffter Rückschläge, und zwar immer dann, wenn sich ein weiteres Gerücht seinen Weg bahnt, nämlich dass die Terminbörsen die Situation als so gravierend einschätzen, dass sie ausnahmsweise einen Barausgleich statt der physischen Belieferung gestatten, was in vielen Kontraktregularien als Ultima Ratio möglich ist. Der umgekehrte Weg ist einfacher zu beschreiten. Für Kontrakte, die im Normalfall durch Barausgleich abgerechnet werden, stellen die Derivatebörsen in aller Regel eine Einrichtung namens Exchange for Physical zur Verfügung (Abschn. 4.5.1). Dabei können außerbörsliche Transaktionen über die Börse abgewickelt werden, in denen die Vertragsparteien Derivate gegen hoch korrelierte Kassatitel oder ganze Körbe aus Kassatiteln eintauschen. Ein Barausgleich ist dann nicht mehr vonnöten. Die Einrichtung stammt ursprünglich aus dem Warenterminmarkt, wo Verpflichtungen aus Terminkontrakten häufiger durch physische Belieferung abgewickelt wurden. Für einen Finanzinvestor kann diese Fazilität zum Beispiel von Nutzen sein, wenn er ein großes Aktienportfolio abbauen will. Dazu geht er zunächst in einem passenden Index-Future short, um sich augenblicklich des Marktrisikos zu entledigen. Danach kann er in aller Ruhe die Aktienbestände Zug um Zug gegen das schrittweise Eindecken der Short Futures verkaufen.
6.3.2 Marktmanipulation Richtig spannend wird es im Derivategeschäft natürlich immer dann, wenn abgerechnet wird. Darum sind die Verfallstage so berühmt-berüchtigt und firmieren unter solch spektakulären Überschriften wie „Hexen-Sabbat“. Und wie in der Märchenwelt der Hexen geht am Derivateverfallstag auch nicht immer alles mir rechten Dingen zu. Einige wenige Fälle davon sind der Nachwelt erhalten geblieben: Beispiel
So haben im Dezember 1997 zwei J.P. Morgan-Händler kurz vor der Abrechnung den englischen FTSE-100 Index binnen weniger Minuten deutlich gedrückt. Dazu verkauften sie gezielt Aktienbestände in einigen Indexmitgliedern. Erschreckend dabei ist, dass es ihnen unter anderem gelang, den Titel mit der damals höchsten Marktkapitalisierung in London (Glaxo Wellcome mit 52 Mrd. Pfund) um sage und schreibe acht Prozent abstürzen zu lassen. Vielleicht noch erschreckender ist eine Aussage in diesem Zusammenhang (Hellmann 1997): Manipulationsversuche von großen Marktteilnehmern hat es in Verbindung mit an der LIFFE [Londoner Terminbörse] auslaufenden Terminkontrakten immer wieder gegeben, betonen Händler.
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Doch auch von anderen Terminbörsen werden Fälle von auffälligen Kursbewegungen im unmittelbaren zeitlichen Umfeld von Derivateverfallsterminen berichtet, die, auch wenn sie von der Börsenaufsicht untersucht und für ordnungsgemäß befunden wurden, dennoch auffällig bleiben (Quandt 1999). Ein schönes Beispiel ist das DAX Settlement am 21. September 2012. Bevor die Auktion um 13 Uhr begann, lag der Index bei 7395,49. Während der Auktion kam es zu einem starken Anstieg der Aktienkäufe, sodass der vorläufige Auktionspreis bis auf 7521,25, also 1,7 % höher, anzog, respektive angezogen wurde. Um 13:05.02 Uhr kam es zum ersten neuen Kurs (7395,98), nachdem die ersten Aktien aus der Auktion herauskamen. Nach Abschluss der Auktion mit allen Aktien wurde der finale Abrechnungskurs mit 7476,08 errechnet.1 Der umsichtige Investor wird diese Umstände mit in seine Überlegungen einbeziehen und je nach Aufgabenstellung, in deren Rahmen er Derivate einsetzt, entscheiden, ob er eine Position vielleicht doch besser vor Verfall schließt oder im Verfall abrechnen lässt. Bei bestimmten Derivaten sind jedoch auch Manipulationen vor Verfall möglich und waren in der Vergangenheit Gegenstand von diesbezüglichen Verdachtsfällen. Beispiel
So hatte die Handelsüberwachungsstelle der Frankfurter Wertpapierbörse Transaktionen aus dem Jahr 1997 untersucht, die im Zusammenhang mit von Goldman Sachs emittierten Knock-out-Optionsscheinen standen. Hier soll es, ebenso wie einige Monate zuvor in einem gleichgelagerten Lehman-Fall, zu unkorrekten Kursbeeinflussungen gekommen sein (stk 1998a). Knock-out-Optionen sind insofern anfällig für derartige Manipulationen durch den Emittenten, als dieser sich seiner potenziellen Zahlungsverpflichtung entledigen kann, wenn der Preis des Underlying die Knock-out-Schwelle erreicht und dadurch wertlos verfällt (Abschn. 6.4.2.4.1). Doch auch abseits von Verfallstermine und Marktmanipulationen finden sich immer wieder unnötig turbulente Marktphasen. Unnötig turbulent sind diese insofern, als rein technische Faktoren einen an sich „braven“ Markt aus heiterem Himmel „ausflippen“ oder einen volatilen Markt grotesk ausufern lassen. Zurückzuführen ist dies auf automatisierte Handelsgeschäfte, die auf Basis voreingestellter Berechnungsvorschriften versuchen, Muster im Kursverlauf von Wertpapieren und Indizes zu erkennen und daraufhin selbsttätig Positionen einzugehen. Da die verwendeten Algorithmen nicht bekannt sind, ist nicht auszuschließen, dass diese nicht auch einfach von sich aus aktiv werden. Denn schließlich sind sie von Menschen geschaffen, und Menschen machen Fehler, auch beim Programmieren. Auch wenn dieses sogenannte Algo Trading nicht immer Auslöser von Kurskapriolen ist, so kann es doch ein Verstärker sein, insbesondere in ohnehin volatilen Marktphasen, 1
Ein herzliches Dankeschön dem Trading Desk von Union Investment für dieses Beispiel.
6.3 Extremmärkte
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wie auch die Bundesbank in einer Studie aus dem Jahr 2016 befindet. Durch die enorme Rechenleistung sowie die kurzen und schnellen Datenleitungen ist dieser automatisierte Handel in der Lage, im Bruchteil einer Sekunde massive Volumina auf den Markt zu bringen. Immerhin entstammen per 2012 40 % der Xetra-Orders dem Hochfrequenzhandel. Temporär liegt der Anteil im Limit Order Buch auch über 50 % (Deutsche Bundesbank 2016). In den USA sind es gar 65 % (Atzler et al. 2012). Und eine Studie der European Securities and Marktes Authority ESMA aus dem Jahr 2014 findet an europäischen Börsen einen gewaltigen Anteil von bis zu 76 % der Aktienorders (Deutsche Bundesbank 2016). Kommt es dann zu einer Fehleingabe eines Marktteilnehmers, ist der Effekt daraus nicht mehr schnell genug einzufangen. Beispiele dafür gibt es in Hülle und Fülle. Beispiel
Am 3. Oktober 2012 schoss der Kurs der Kraft-Aktie (nicht eben ein kleiner Wert) an der Nasdaq innerhalb von 60 Sekunden um 30 % nach oben. Nach der Eingabe von mehreren Dutzend fehlerhaften Orders kommt es nur zwei Tage später am indischen Aktienmarkt zu Verlusten von 59 Mrd. US-Dollar. Am 1. August 2012 kommt es beim Börsenhändler Knight Capital zu einer Reihe von Fehlorders, in deren Folge die Firma nur haarscharf der Insolvenz entgeht. Unrühmlicher Höhepunkt der Schadensserie ist der sogenannte Flash Crash, bei dem im Mai 2010 am amerikanischen Aktienmarkt die Marktkapitalisierung in kürzester Zeit um 325 bis fast 1000 Mrd. US-Dollar (je nach Quelle) abstürzte. Auslöser waren in diesem Fall offenbar in manipulativer Absicht generierte und kurz vor der Ausführung stornierte Orders (sogenanntes Spoofing) eines einzelnen Marktteilnehmers (Kirilenko et al. 2014). Dabei sind die Algo-Orders jedoch nicht nur Verstärker, sondern auch potenzieller Auslöser von Verwerfungen. Da die weit überwiegende Mehrheit der Orders letztlich gar nicht ausgeführt, sondern im Bruchteil einer Sekunde – in der Studie der Deutschen Bundesbank nach durchschnittlich vier Millisekunden – wieder storniert wird, ist zumindest die Möglichkeit einer gezielten Marktmanipulation nicht von der Hand zu weisen. Es gibt mehrere Theorien über den Hintergrund für diese sogenannten Rapiden-Einstellung-Löschung-Zyklen (RELZ), von denen sich eine am Rande und eine andere jenseits der Legalität bewegt. Das Quote Stuffing ist die handelstechnische Entsprechung einer DDOS-Attacke im Internet. Beim Distributed Denial Of Service werden Server mit derart vielen Anfragen bombardiert, dass sie unter der Last zusammenbrechen. Das Quote Stuffing kann dazu dienen, die Algorithmen anderer Hochfrequenzhändler zu sabotieren oder einen Stau im Handelssystem einer Börse und damit eine Verlangsamung des Handels auszulösen. Diese Praxis ist illegal (Deutsche Bundesbank 2016). Als bedenklich sieht die europäische Wertpapieraufsichtsbehörde ESMA sogenannte Ping-Aufträge an. Sie dienen dazu, Köder auszuwerfen, um günstige Marktorders abzufischen. Derivate sind für derartige Kurskapriolen besonders anfällig. Einerseits kann es passieren, dass sie aufgrund ihrer gehebelten Natur die ohnehin schon extreme Kursbewegung im Underlying noch einmal massiv überzeichnen. Andererseits kann es in weniger liqui-
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Besondere Herausforderungen beim Derivateeinsatz
den Marktsegmenten dazu kommen, dass diese in den zugespitzten Marktphasen vollkommen brachliegen. Das führt im Extremfall dazu, dass Absicherungen deutlich schlechter oder überhaupt nicht mehr funktionieren. Trifft der Portfoliomanager in einer solchen Situation die falsche Entscheidung, kann dies mitunter ruinöse Folgen haben, denn nicht jede dubiose Kursbewegung wird im Nachhinein annulliert. Dennoch sind Derivate nicht nur Opfer in dieser Entwicklung. Es ist nicht weg zu diskutieren, dass sie auch Teil des Problems sind. Einerseits sind sie die Vehikel zur Umsetzung vieler Algo-Orders. Insbesondere sind sie die präferierten Durchführungswege, wenn es um darum geht, Orders auf ganze Märkte/Indizes umzusetzen, weil Derivate es ermöglichen, große Volumina schnell und kostengünstig zu bewegen. Aber man kann nicht sagen, ob das zeitweilig durch Hochfrequenzhandel generierte Chaos nicht noch größer wäre, wenn es Derivate nicht gäbe. Schließlich würden die Transaktionen dennoch an die Börse geschickt werden, aber dann eben nicht mehr zusammengefasst in einer Order im S&P 500 Future, sondern zerstückelt auf 500 einzelne Aktienorders oder über börsengehandelte Indexfonds. Bei der heutigen und vor allem künftigen Rechnerleistung würde diese Art des Orderns das Handelsgeschehen nur minimal verzögern. Gleichzeitig würden jedoch gerade bei niedrig kapitalisierten Aktien brutale Handelsvolumina oder zumindest Kursanfragen auftreten. Derivate sind aber auch deshalb Teil des Problems, weil viele automatisierte Orders aus Absicherungstransaktionen in Derivaten resultieren, wie zu Beginn dieses Kapitels beschrieben. Immerhin kann man hier aber davon ausgehen, dass echtes Geschäft dahinter steckt und nicht pure Kurstreiberei. Abschließend sei an dieser Stelle nur noch darauf hingewiesen, dass auch offizielle Stellen den Markt manipulieren und das in großem Stil. In einem Extrakapitel (Abschn. 7.15.1) werden die Aktionen von Zentralbanken und Regierungen besprochen. Der große Unterschied zu den eben beschriebenen Fällen liegt, neben der Größenordnung, in der Kommunikation. Während die offiziellen Stellen ihr Tun öffentlich machen – auch weil sie sich allein von der Ankündigung entsprechender Maßnahmen einen Teil der erhofften Wirkung versprechen – agieren die privaten Akteure im Verborgenen.
6.4 Exotische Derivate Eine exotische Option ist wie pornografische Literatur. Erstens bin ich vielleicht nicht in der Lage, sie zu definieren, aber ich erkenne sie, wenn ich sie sehe. Zweitens hängt die Definition von den Standards der Gemeinschaft ab, die von Zeit und Ort abhängig sind [William Margrabe (übersetzt; zitiert in Webb 1999a)].
Sollten Sie dieses Buch der Reihe nach von vorn bis hinten durcharbeiten, dann hoffe ich an dieser Stelle, dass Ihnen nicht mehr jedwedes Derivat exotisch vorkommt. Auch wenn also „exotisch oder nicht“ eine sehr subjektive Sache ist, kann man die gängige Begrifflichkeit der Exotik von Derivaten auf zwei Ursachen zurückführen. Einerseits mag sich
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das Derivat auf ein nicht vertrautes Underlying beziehen. Anderseits findet man im Bereich der Optionen Kontrakte, deren Auszahlungsprofile sich mehr oder weniger deutlich von dem eines „handelsüblichen“ Calls oder Puts unterscheiden. Natürlich können auch beide Komponenten dieser Exotik zusammentreffen. Schnell wird klar, dass Exotik auch eine zeitliche Dimension hat, insofern als man sich im Laufe der Zeit an ein Derivat gewöhnen kann. Was zunächst exotisch war, wird im Lauf der Zeit vertraut. So haben auch gestandene Wertpapierexperten Optionen in deren Anfangstagen als etwas Neues und Spezielles angesehen, selbst wenn es sich dabei nur um Standard-Kauf- und -Verkaufsoptionen handelte, die heutzutage sicherlich im Finanzmarkt-Mainstream angekommen sind. Das Verständnis von exotischen Derivaten ist deshalb so wichtig für einen Portfoliomanager, weil es sich dabei vermutlich um die Kategorie handelt, bei der er mit Abstand am leichtesten das meiste Geld verlieren kann: Greg Smith war zwölf Jahre lang Derivatehändler bei Goldman Sachs. Am 14. März 2012 kündigte er – öffentlich, indem er in der „New York Times“ einen Artikel veröffentlichte mit der Überschrift „Why I Am Leaving Goldman Sachs“ und anschließend ein Buch über seine Erfahrungen schrieb (Smith 2012). In einem Interview mit dem „Spiegel“ gibt er Einblick in das Gebaren von Goldman Sachs im Bereich exotischer Derivate (Fichtner und Oehmke 2012, S. 140). Darin unterteilt er die Kunden in vier Kategorien. Je nach Kategorie, in die ein Kunde fiel, sei er „verarscht“ worden. In die erste Kategorie fielen meistens Hedgefonds, die man als „Smart Client“ schätzte und mit denen man oft kooperierte. Vorsichtiger ging man mit den „verschlagenen Kunden“ um, solchen, denen praktisch jedes Mittel recht war, um an der Börse Erfolg zu haben. „Manchmal leichte Beute“ seien große Fondsgesellschaften und Pensionsfonds gewesen, die oft die nötige Cleverness vermissen ließen. Und schließlich die Hauptzielgruppe für exotische Papiere: die sehr gutgläubigen „Kunden, die nicht wissen, wie man die richtigen Fragen stellt“, die „Opfer der Wall Street“. Oder, um es noch klarer zu sagen (Beike 2000; zitiert in Wilkens und Scholz 2000, S. 171): In kaum einem anderen Bereich lassen sich die Margen (Gewinne) leichter verdienen. [. . . ] Das Motto ist simpel: Innovative Produkte sollen hohe Gewinnerwartungen wecken, gleichzeitig aber so undurchsichtig sein, dass Außenstehende nicht in der Lage sind, sie zu bewerten. Dann lassen sich fast mühelos auch höhere Margen draufschlagen oder „einpreisen“, wie es vornehmer heißt.
Es lohnt sich also, sich auch bei exotischen Derivaten so viele Kenntnisse anzueignen, dass man zumindest in der Lage ist, die richtigen Fragen zu stellen. Ansonsten bleibt nur die Erkenntnis von Nobelpreisträger Merton Miller: Es ist wie beim Gebrauchtwagenkauf: Die haben mehr Information wie du.
Und die Konsequenz wäre dann wohl, wie so oft, das KISS-Prinzip: „Keep it simple, stupid!“, was in diesem Fall bedeutet, dass man sich von diesen Instrumenten fernhält.
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Besondere Herausforderungen beim Derivateeinsatz
6.4.1 Exotische Basiswerte Ob ein Basiswert exotisch ist oder nicht, liegt ganz im Auge des Betrachters. Das beginnt bei der geografischen Zuordnung eines Basiswerts. Für einen US-amerikanischen Investor mag eine Anlage im benachbarten Mexiko gang und gäbe sein, während die geografische Nähe für den europäischen Investor nicht besteht und er Mexiko als ein exotisches Investment einstufen würde. Ein kunststoffverarbeitendes Unternehmen empfindet Polypropylenkontrakte als normal, während sie für einen Kapitalanleger gewöhnungsbedürftig erscheinen. Für manch einen fängt die Exotik bereits da an, wo es sich um ein neues Underlying handelt, also um ein Underlying, das es für diese Kontraktart bislang noch nicht gab, selbst wenn es einem vertraut sein sollte. So waren Single Stock Futures bei ihrer Premiere etwas Außergewöhnliches, obwohl die beiden Komponenten „Aktien“ und „Future“ auf eine lange Historie zurückblicken können; jedoch war dies keine gemeinsame Geschichte gewesen. Dieses Beispiel zeigt auch, dass das Kriterium des exotischen Basiswerts aus jeder Art von Derivat einen Exoten machen kann. Es ist also sowohl für lineare Termingeschäfte wie Futures und Swaps als auch für asymmetrische Optionen anwendbar. Und wahrscheinlich käme man auch zu einer Einigung, was für einen Investor als exotisch zu qualifizieren ist, wenn man alles abseits von Aktien, Renten, Währungen und Rohstoffen darunter subsumieren würde. Auch investierbare Vermögensgegenstände wie Flugzeuge oder erst recht Immobilien, die in den Portfolios weltweit eine prominente Rolle spielen, wären damit Basiswerte für ein exotisches Derivat. Allerdings hat man es hier mit einem extrem problematischen Underlying zu tun. Im Gegensatz zu Aktien, Renten, Währungen etc. ist es regional meist stark eingeschränkt und in jedem Fall extrem illiquide oder, wie bei Hauspreisindizes, gar nicht als realer Vermögenswert existent. Damit steht man vor dem vermutlich unüberwindbaren Problem „Wie sichert man ein solches Derivat ab?“. Sicherlich kann man dies über liquide Stellvertreter-Assets versuchen. Allerdings wird dieser Schönwetter-Hedge nicht in jeder Marktphase funktionieren. Das hält die Finanzbranche aber nicht davon ab, das latent vorhandene Bedürfnis, Immobilienrisiken abzusichern, mit Hilfe von Immobilienderivaten zu bedienen. Fabozzi et al. (2009) und Das (2005b) bieten einen Überblick über die recht bescheidenen Möglichkeiten, Immobilienrisiko abzusichern. Wer einen Blick auf Flugzeuginvestitionsmöglichkeiten werfen möchte, kann dies zum Beispiel auf www.aircraftrisk.com tun. Und so bewegt man sich immer weiter aus den angestammten Anlagegefilden hinaus und trifft dabei beispielsweise auf Katastrophenderivate. Der Grundgedanke stammt aus der Versicherungswirtschaft, die einen Teil der von ihr übernommenen Verpflichtungen auf Schadensausgleich bei Schäden weiterverlagern möchte. Auch auf dieses Underlying wurden Derivate entwickelt und sogar börsennotiert. So hat das Chicago Board of Trade 1994 Optionen und Futures auf Katastrophenversicherungen ins Programm genommen (Wood 1994).
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Ebenso abstrakt sind Derivate, die sich auf volkswirtschaftliche Größen beziehen und solche, die mehr oder weniger direkte Wetten auf den Ausgang bestimmter Ereignisse darstellen. Diese sind in Abschn. 7.14 und 7.15.2 ausführlich dargestellt. Daher sei an dieser Stelle nur ein spezieller Vertreter der Ereignisderivate illustrativ behandelt, das Wetterderivat. Wetterderivate Das Wetterderivat ist der typische Vertreter eines Derivats, das weder ein neuartiges Thema als Underlying hat – schließlich ist uns das Wetter durchaus vertraut – noch ist ein Future oder eine (Standard) Option sonderlich bemerkenswert. Jedoch ist die Kombination der beiden Elemente für einen Kapitalanleger außergewöhnlich. Noch vor einigen Jahren taugte das Wetter unter Finanzfachleuten nur als Small TalkThema. Bestenfalls fand es als preisbeeinflussender Faktor in bestimmten Industrien oder bei Rohstoffen Eingang in finanzielle Überlegungen. Seit 1997 besteht jedoch die Möglichkeit, mit Wetterderivaten Profit aus einer präzisen Wettervorhersage zu schlagen oder sich als Unternehmen einer wetterabhängigen Branche gegen schlechtes Wetter abzusichern, wobei unter dem Begriff „schlechtes Wetter“ jeder etwas anderes versteht. Während der Bauer über einen übermäßig heißen, trockenen Sommer ebenso klagt wie der Betreiber eines Atomkraftwerks, der aufgrund knappen und warmen Kühlwassers seine Produktion einschränken muss, profitieren Betreiber von Freizeitparks und die Nahrungsmittelindustrie im Bereich Getränke und Eiscreme. Bei näherem Hinsehen stellt sich gar heraus, dass deutlich mehr Industrien vom Wetter betroffen sind als es gemeinhin den Anschein hat. Schätzungen, wonach 70 % der amerikanischen Wirtschaft wetterabhängig sind, verwundern vor diesem Hintergrund nicht (Miller 2005). Die Vielfalt der Marktteilnehmer und deren unterschiedliche Geschäftsmodelle sorgen dann auch dafür, dass es eine natürliche Klientel sowohl für Kauf- als auch Verkaufsaufträge gibt. Dabei sind die Anwender von Wetterderivaten nicht auf Unternehmen beschränkt. Auch Regierungen und Nichtregierungsorganisationen haben für sich vorteilhafte Nutzungsmöglichkeiten erkannt, wenn es darum geht, im Rahmen von Entwicklungshilfe ärmere Länder gegen Ernteausfälle abzusichern (Hofmann und Brukoff 2006; Chantarat et al. 2007). Natürlich stellt sich die Frage, ob die Welt Wetterderivate braucht, wenn sie bis 1997 auch ohne ausgekommen ist. Typischerweise haben sich Unternehmen durch den Abschluss von Versicherungen gegen Wetterkapriolen abgesichert. Demgegenüber bieten Wetterderivate jedoch eine Reihe von Vorteilen. Versicherungen sichern gegen Ereignisse, die selten auftreten, aber im Falle des Auftretens eine große Auswirkung haben. Wetterderivate eignen sich zusätzlich für jene Ereignisse, die zwar nur kleine Probleme verursachen, dafür aber häufig auftreten, wie zum Beispiel ein überdurchschnittlich warmer, aber nicht katastrophaler Winter. Außerdem muss der Anwender nicht erst einen Schaden nachweisen und zur Erstattung einreichen. Abwicklungstechnisch gestaltet sich der Prozess dadurch deutlich einfacher. Andererseits verlangt dies vom Absicherer, dass er potenzielle Einbußen möglichst genau abschätzt, um die richtige Anzahl an Kontrakten zu handeln. Hat er, im Nachhinein betrachtet, zu viele eingesetzt, erhält er eine Kompen-
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sation, die seinen Schaden mehr als ausgleicht. Ebenso besteht jedoch die Gefahr, dass er die Absicherung zu niedrig bemessen hat und er seinen Verlust nur verkleinert, nicht aber vermeidet. Die erhöhte Flexibilität der Wetterderivate erlaubt darüber hinaus aber auch eine Absicherung gegen indirekte Wettereffekte. So könnte sich ein Hersteller von Agrarprodukten auch dagegen absichern, dass das Wetter in einem anderen Landes- oder Erdteil so gut ist, dass es seinen dort ansässigen Konkurrenten eine Jahrhunderternte beschert, die ihn indirekt trifft, weil sie die Weltmarktpreise verdirbt. Eine Besonderheit bei Wetterderivaten ist, dass es in diesem Fall unstrittig ist, dass das Derivat keinerlei Rückkopplungseffekte auf das Underlying ausübt. Anderenfalls könnten sich die Anbieter vor Umsatz wahrscheinlich gar nicht mehr retten. Dadurch wird einerseits die Diskussion vermieden, inwieweit durch derivative Transaktionen UnderlyingPreise in eine gesellschaftlich problematische Richtung getrieben werden. Insbesondere im Bereich der Agrarrohstoffe wird die Diskussion über Rückkoppelungseffekte unter ethischen Aspekten seit Jahren heftig geführt (Abschn. 6.8.5). Andererseits macht das Fehlen eines echten Underlying aber auch die Bewertung von Wetterderivaten schwieriger. Ein ähnliches Problem, wenn auch in abgemilderter Form, besteht bei Emissionsderivaten (vgl. hierzu Das 2005). So ist das Wetter oder eine Teilkomponente davon, beispielsweise die Temperatur, kein handelbares Gut, mit dem sich ein Arbitrage-Zusammenhang herstellen ließe. Aus diesem Grund hilft der Black-Scholes-Ansatz auch nicht weiter. Hinzu kommt, dass Wetterderivate eine Sammelfunktion haben, dass sie also zum Beispiel inneren Wert gewinnen für jeden Tag, an dem eine Niederschlagsmenge oberhalb einer bestimmten Marke fällt. Sie gleicht darin also eher den Charakteristika einer asiatischen Option mit ihrer Durchschnittsbildung (Dischel 1998; Abschn. 6.4.2.3.1).
6.4.2
Exotische Optionen
Nach all der Subjektivität in der Frage, wann ein Basiswert exotisch ist oder nicht, ist es geradezu erholsam, dass man bei Optionen auf Basis der instrumentellen Eigenschaften die Spreu ganz unkompliziert vom Weizen trennen kann: Alles, was nicht exakt das Auszahlungsprofil einer Standard-Kauf- oder Verkaufsoption aufweist, ist ein Exot. Dies schließt jede Art von Qualifikation im Sinne von „Nur wenn folgende Bedingung erfüllt ist, kommt es zu einem Standardoptionsprofil“ ein. Exotische Optionen sind ein Verwirrungsstifter par excellence. Die Vielfalt scheint schier endlos, insbesondere deshalb, weil Konstruktionen mit identischem Aufbau und Auszahlungsprofil teilweise unter verschiedenen Bezeichnungen firmieren. Während man die akademisch-praktischen Standardbezeichnungen der marktüblichen Strukturen noch in den Griff bekommen kann, wird das Chaos potenziert, wenn diese (meist) für den Kleinkundenmarkt umverpackt werden. Diese Optionsscheine, Zertifikate und sonstige strukturierten Anleihen sind ihren Namensgebern in den Marketingabteilungen der Emittenten hilflos ausgeliefert, die meist kein Interesse haben, auf eine klar verständliche und
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universell klassifizierbare Sortierung hinzuarbeiten. Das Interesse ist vielmehr geprägt vom Bestreben, dem Produkt einen möglichst absatzfördernden Namen zu verpassen. So entstehen Namensungetüme, die gern und richtigerweise von Kapitalmarktkommentatoren aufs Korn genommen werden. So werden teilweise auch schon aus einfachen Derivaten Exoten, beispielsweise verkaufte Verkaufsoptionen in Kombination mit einer Anleihe. Natürlich macht sich „Schuldverschreibung mit aktienbezogenem Rückzahlungswahlrecht“ schlecht in einer Marketing-Broschüre. Wieviel besser klingt da schon „Reverse Convertible“ oder „DiscountZertifikat“. Hätte man es dabei belassen, wären die Produkte noch leicht einordenbar und vergleichbar (!) gewesen. Stattdessen bezahlt der Anleger doppelt, weil die mangelnde Transparenz des Marktes das Auffinden des preiswertesten Produkts erschwert und er ein Produktmanagement teuer bezahlen muss, das sich Bezeichnungen ausdenkt wie (Wilkens und Scholz 2000, S. 171):
„GOAL – Geld- oder Aktien-Lieferung“, „YES – Yield Enhanced Security“, „Cash-or-Share Bond“, „Discount-Share Bond“, „CLOU – Cap Level or Underlying“, „BLOC – Buy Low or Cash“ oder „DRC – Discount Reverse Convertbile“.
Neben Namen, die zumindest die Produktcharakteristika näherungsweise zutreffend beschreiben, wie „STAR – Stock or Attractive Return“ oder dem doppeldeutigen „EROS – Enhanced Return or Security“ finden sich auch irreführende Bezeichnungen, die ein Short Put-basiertes Papier als „SALE – Safe Alternative to Long Equity“ an den unbedarften Mann bringen wollen. Da darf sich auf der Vertriebsseite hinterher niemand über Anlegerschutzprozesse beschweren, wenn die Fehlberatung schon im Namen angelegt ist. Nachfolgende Unterteilung der gängigsten exotischen Optionen ist der Versuch, diesen Dschungel ein wenig zu lichten und zu rastern. Dabei handelt es sich um eine der möglichen Gliederungen. Sie umfasst fünf Kategorien: 1. Optionen, deren Auszahlungsprofil deutlich vom „Standard Hockeyschläger“ abweicht. 2. Optionen, in denen neben Start und Verfall ein weiterer Zeitpunkt oder eine Zeitspanne eine Rolle spielt. 3. Optionen, deren Auszahlung nicht nur vom Wert des Basiswerts zu Beginn und bei Fälligkeit abhängt, sondern auch davon, wie er sich dazwischen entwickelt hat. 4. Optionen, deren Auszahlungsprofil sich verändert, wenn der Basiswert während der Laufzeit einen definierten Grenzwert über- oder unterschreitet. 5. Optionen, deren Auszahlungsprofil von mehreren Faktoren bestimmt wird.
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Hintergrundinformation Die Gliederung basiert auf Weiß (2006) und baut diese Systematik aus. Sehr hilfreich ist auch die Übersicht in Lyden (1996), in dem der Leser auch die wichtigste Primärliteratur zur Bewertung des jeweiligen Exoten findet. Diese Übersicht hilft auch, sich zwischen den unterschiedlichen Bezeichnungen gleichartiger Produkte besser zurechtzufinden. Eine gute Übersicht zur Bewertung von exotischen Optionen geben auch Dewynne und Wilmott (1993) und Zhang (1997). Da sich exotische Optionen nicht in allen Fällen trennscharf sortieren lassen, könnten die am Markt existierenden Konstruktionen teilweise auch anderweitig einsortiert werden. Ohne schon tiefer in die Materie eingedrungen zu sein, ist es offensichtlich, dass sich in den Kategorien zwei bis vier Überlappungen ergeben. Denn natürlich hat ein Kursverlaufspfad immer auch einen zeitlichen Aspekt. Und das Durchschreiten eines Grenzwerts ist Teil eines Wertentwicklungspfads. Die Gliederung konzentriert sich auf die Grundformen, die am Markt eine wahrnehmbare Präsenz aufweisen. Zu vielen Grundformen existieren Ableitungen und weitere Verkomplizierungen, deren wichtigste Vertreter jedoch an der entsprechenden Stelle allenfalls kurz angerissen werden, sofern sie es verdienen. Hinsichtlich der Bewertung exotischer Optionen enthalten die folgenden Kapitel meist allgemeine Hinweise und in den wichtigsten Fällen auch die einschlägigen Bewertungsformeln. Weitere Bewertungsansätze können entweder in der angeführten weiterführenden Literatur spezifisch für die jeweilige Optionsart oder in Zusammenfassungen wie zum Beispiel Brunner (2004) sowie Rudolph und Schäfer (2005) nachgelesen werden.
6.4.2.1 Zahlungsprofil verändernde Optionen Charakteristisch für diese Art von Optionen ist, dass ihre Auszahlungsprofile nicht mehr dem einfach geknickten, linearen Standardprofil von gewöhnlichen Calls und Puts entsprechen. Dabei umweht sie ein Hauch von Extremismus, als ein gewisser Hang zum „Alles oder nichts“ nicht von der Hand zu weisen ist. 6.4.2.1.1 Digitale Optionen Beginnen wir unseren Streifzug durch die exotischen Optionen gleich mal bei einem der Hauptschuldigen für die babylonische Sprachverwirrung, der digitalen Option. Sie ist der Geheimdienstler unter den exotischen Optionen, operiert sie doch unter unzähligen Decknamen, von denen jedoch der eine oder andere ihre wahre Natur zum Vorschein bringt. So tritt sie unter anderem auch als „Alles oder nichts Option“ auf. Die gebräuchlichste Alternativbezeichnung ist jedoch die Binäre Option. Alle Namen bringen das gleiche zum Ausdruck: Endet die Option aus dem Geld, verfällt sie, ebenso wie eine normale Option, wertlos. Ist sie jedoch bei Verfall im Geld, erhält der Optionskäufer vom ersten Cent Moneyness an den in den Optionsbedingungen festgelegten Betrag (Cash or nothing) oder das Underlying (Asset or nothing). Die Auszahlung wird unabhängig davon zahlbar, wie tief die Option im Geld ist. Der Optionskäufer stellt sich also besser, wenn die Option nur knapp im Geld ist. Er fährt jedoch schlechter, wenn sie tief im Geld ist. Hier muss er sich mit dem festen Betrag begnügen, während er bei einer gewöhnlichen Option mit steigender Moneyness einen immer weiter steigenden Betrag hätte einstreichen können. Den Verkäufer freut es in diesem Fall, da sein maximales Risiko bei der digitalen Option klar
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begrenzt ist, während er sich zum Beispiel bei einem normalen Short Call einem unbegrenzten Verlustpotenzial gegenüber sieht. Das bedeutet jedoch nicht notwendigerweise, dass die digitale Option billiger ist als eine Standardoption. Dies liegt daran, dass die digitale Option einige verblüffende Eigenschaften aufweist, die sich teilweise erst auf den zweiten Blick erschließen. So wird eine digitale Option im Vergleich zur Standardoption bei steigender Volatilität relativ billiger. Beispiel
Betrachten wir exemplarisch einen gewöhnlichen Call mit Preis des Underlying Basispreis Risikoloser Zins Restlaufzeit Standardabweichung
= 100 C = 95 C = 2% = 1 Jahr = 20 %
Der Wert dieses Calls liegt bei 11,61 C. Der Wert eines im Geld liegenden Asset-or-Nothing-Call entspricht dem ersten Teil der Black-Scholes-Formel: AoNC D K N.d1 /
(6.11)
mit K B rf t N(d1 ) d1
= Kurs Underlying = Basispreis (Strike) = Risikoloser Zinssatz = Restlaufzeit in Jahren = Kumulierte Dichtefunktion der Normalverteilung ¢2 ln. K C r C t / f B 2 p = ¢ t
Ein vergleichbarer Asset-or-Nothing-Call schlägt demnach mit 67,60 C zu Buche. Die Berechnung für einen Cash-or-Nothing-Call ist ähnlich: CoNC D A erf t N.d2 / mit A = Auszahlbetrag ¢2 ln. K B /C rf 2 t p d2 = ¢ t
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Besondere Herausforderungen beim Derivateeinsatz
Ein Cash-or-Nothing-Call, der im Auszahlungsfall eine Zahlung von 90 C vorsieht, kostet 53,04 C. Steigt die Volatilität von 20 auf 30 % an, ändern sich die Preise wie folgt: Herkömmlicher Call 15,27 C Asset-or-Nothing-Call 65,09 C Cash-or-Nothing-Call 47,19 C Der gewöhnliche Call verteuert sich um rund 4,6 C, also mehr als 30 %. Der Assetor-Nothing-Call verbilligt sich leicht um rund 2,5 C oder rund vier Prozent. Der Cashor-Nothing-Call fällt um fast sechs Euro oder elf Prozent deutlicher. Dies rührt daher, dass eine höhere Volatilität bei einer Standardoption die Chance auf einen sehr hohen Gewinn erhöht. Bei der digitalen Option hingegen steigt zwar die Wahrscheinlichkeit, ins Geld zu laufen ebenfalls an, aber selbst wenn der Basiswert weit über den Basispreis steigt, bleibt der Auszahlungsbetrag doch immer gleich. Ebenso verhält es sich bei der Laufzeit. Auch hier profitiert die digitale Option nur unterdurchschnittlich. Dafür zeigt sie sich bei den „Griechen“ umso beweglicher. Insbesondere in der unmittelbaren Nähe zum Basispreis und bei kurzer Restlaufzeit nehmen Vega und vor allem Gamma für jemand, der diese Kennzahlen absichern muss, nahezu unbeherrschbare Größenordnungen an. Um dieses Risiko adäquat und vergleichsweise einfach in der Bepreisung und der Absicherung zu berücksichtigen, wird vielfach auf den Vanna-VolgaAnsatz zurückgegriffen (Abschn. 2.4.5.6). Das Pin Risk einer Standardoption wird hier noch einmal potenziert, insbesondere auch deshalb, weil das Delta auch noch sein Vorzeichen ändern kann (Abschn. 6.3.2). Digitale Optionen gehören zur Gruppe der Exoten, die offenbar ein echtes Investorenbedürfnis abdecken und die sich damit am Markt sowohl für Zinsen als auch Währungen und Aktien etabliert haben (Smithson 2000). Sie sind aber auch deshalb stark vertreten, weil man mit ihrer Hilfe eine Reihe von anderen exotischen Optionen konstruieren kann, beispielswiese Contingent Premium und einfache Ladder Options (Liu 1995). Darüber hinaus haben sich ob ihrer Popularität, wie auch bei anderen exotischen Optionen, Mutanten herausgebildet. Häufig trifft man beispielsweise digitale Optionen mit zwei kursrelevanten Schwellen, aber keinem Basispreis. Beispielsweise kann eine derartige Option so ausgestaltet sein, dass der Käufer am Ende einen bestimmten Betrag erhält, falls das Underlying während der Laufzeit keine der beiden Schwellen touchiert (sogenannte Double no-touchs), wenn also zum Beispiel der DAX im Laufe eines Jahres weder die Marke von 7000 unter- noch die 8000 überschreitet. Oder die Optionsbedingungen sehen vor, dass diese Zahlung nur dann fließt, wenn eine dieser beiden Schwellen gerissen wird (sogenannte Double-one-touchs; Cook 1996). Anderenfalls geht der Käufer leer aus. Diese Optionen tragen auch Züge der Barrier Options. Im Unterschied zu jenen werden diese jedoch nicht durch das Erreichen der Schwelle einfach nur an- oder abgeschaltet.
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Vielmehr führt das Erreichen eines Auslösers dazu, dass eine bestimmte Zahlung am Ende getätigt oder zurückbehalten wird. 6.4.2.1.2 Compound Options Compound Options sind „ganz heiße Reifen“, handelt es sich doch um Optionen auf Optionen (Geske 1979a). Der Käufer erwirbt also das Recht, in der Zukunft eine Option mit definierter Laufzeit und definiertem Strike zu kaufen oder zu verkaufen. Damit bieten sie gehebelten Hebel, der sich insbesondere dazu eignet, erwartete scharfe Marktbewegungen zu spielen. Der höheren Gewinnchance steht natürlich eine höhere Optionsprämie gegenüber, aber nur in dem Fall, wenn auch die zweite Option aktiviert wird. Nur bezogen auf die erste Option, liegt die Prämie unterhalb einer Standardoption. Compound Options werden in vier Varianten angeboten, als Call auf einen Call, Call auf einen Put, Put auf einen Call und Put auf einen Put. Risikotechnisch muss man diese Optionen eng am Zügel führen, da das absolute Delta über eins liegen kann. Noch extremer sind Power Options (deutsch zumeist: Potenzoptionen), bei denen der Innere Wert potenziert wird. Ein Call würde also beispielsweise nicht die Differenz zwischen Kurs des Underlying und Basispreis, sondern das Quadrat dieser Differenz auszahlen.
6.4.2.2 Zeitabhängige Optionen In gewisser Weise sind auch die als zeitabhängig klassifizierten Optionen zahlungsprofilverändernd und zwar insofern, als der Inhaber der Option an bestimmten Zeitpunkten während der Optionslaufzeit das Recht hat, zentrale Optionsparameter wie die Art der Option (Call oder Put) oder den Basispreis zu verändern oder überhaupt erst festzulegen. Ein derartiger Luxus erhöht natürlich das Gewinnpotenzial und wird demzufolge mit höheren Kosten belegt. 6.4.2.2.1 Chooser Options Bei der Chooser Option hat der Optionskäufer, wie der Name schon sagt, eine Wahl. Er muss sich erst zu einem bestimmten Zeitpunkt während der Optionslaufzeit entscheiden, ob er zu Beginn einen Call oder einen Put gekauft hat. Er verfügt also über eine Option innerhalb der Option. Es gibt auch Chooser Options, bei denen dem Verkäufer die Wahl zusteht. Diese sind jedoch sehr selten. Dass diese Option einen Wert hat und somit den Optionspreis verteuert, versteht sich von selbst. Allerdings kann sich dieser erhöhte finanzielle Aufwand insbesondere dann lohnen, wenn es sich um ein Underlying handelt, dass zu ausgeprägten Preisveränderungen neigt. Sei es, weil seine Volatilität sehr hoch sein kann, auch wenn diese vielleicht nur temporär einer bestimmten Marktkonstellation (Wahlen, Zentralbankentscheidungen usw.) geschuldet ist. Sei es, dass es in der Lage ist, sich in ausgedehnten Trends zu bewegen. Insofern stellt die Chooser Option eine Alternative zum Straddle dar (Abschn. 4.4.6.3). Der Unterschied liegt darin, dass ein Long Straddle zwei Optionen kauft,
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die ihr Profil bis zum Ende durchhalten, während eine Chooser Option so ausgestaltet sein kann, dass irgendwann die Entscheidung „Call oder Put“ ansteht, die Option aber dann noch weiter läuft. In der Regel resultiert daraus eine niedrigere Prämie für die Chooser Option im Vergleich zum Straddle. Im Vergleich zu einem Call oder Put ist sie teurer, da sie eine erhöhte Flexibilität bietet und die Möglichkeit, die Wahrscheinlichkeit eines Gewinns zu erhöhen. Je früher sich der Käufer für eine Seite entscheiden muss, desto billiger ist die Chooser Option. Dem muss zwangsläufig ein Nachteil gegenüberstehen. Dieser besteht darin, dass der Käufer der Option Gefahr läuft, sich letztlich doch für die falsche Seite zu entscheiden. So könnte das Underlying zunächst ansteigen, sodass sich der Käufer für einen Call entscheidet. Wenn dann das Underyling die Richtung wechselt, kann es sein, dass der Käufer leer ausgeht. Insgesamt scheinen die Vorteile der Chooser Option nicht zwingend zu sein, denn sie ist am Markt nur schwach nachgefragt (Smithson 2000). Chooser Options können über Call-Put-Kombinationen repliziert werden. Zur Bewertung kann man sich wiederum der Erkenntnisse aus der Put-Call-Parität bedienen, zumindest für einfache Optionen, bei denen sich beispielsweise die Basispreise der Kauf- und Verkaufsoption entsprechen. 6.4.2.2.2 Cliquet Options Cliquet Options (auch Reset oder Ratchet Options) funktionieren wie ein Karabiner beim Klettern. Zu vorher festgelegten Zeitpunkten wird überprüft, ob der innere Wert der Option zugelegt hat. Falls ja, wird dieser festgeschrieben. So werden Zwischengewinne regelmäßig gesichert und der Wert der Option vor einem Absturz bewahrt. Diese Zusatzsicherung kommt den Anleger selbstverständlich in Form einer gegenüber einer Standardoption höheren Prämie zu stehen. Dennoch bedienen diese Optionen das bei vielen Anlegern präsente Sicherheitsbedürfnis. Auf Cliquets basierende Aktienprodukte erfreuen sich im Kleinkundenbereich einer großen Beliebtheit. Zur Bewertung von Cliquets bedient man sich Binomialbäumen oder gleich Monte-Carlo-Simulationen. Cliquet Optionen sind recht variantenreich. Man kann zum Beispiel die Höhe der Schwellen begrenzen, sodass beispielsweise bei einem Ratchet Put ein maximal möglicher Basispreis vereinbart wird. Dadurch lässt sich die Option verbilligen. Auch eine Kombination einer Cliquet Option mit einer Ratenzahlung wie bei einer Instalment Option ist keine Seltenheit (Abschn. 6.4.2.4.3). Der Käufer der Option wird also bei jeder neuen Sicherungsschwelle zur Kasse gebeten, hat aber auch die Flexibilität, sich zu entscheiden, ob er aus dem Kontrakt aussteigen will oder nicht. Und auch die Ausgestaltung als Rabattvariante ist möglich. Bei dieser Art der Ausgestaltung reduziert sich die gezahlte Prämie für jede nicht erreichte Schwelle. Die ersparte Prämie wird am Ende der Laufzeit in Form eines Rabatts zurückerstattet. Schließlich kann man das Cliquet-Prinzip noch auf den Kopf stellen: Der Käufer der Option bekommt eine bestimmte (hohe) Grundverzinsung, er sammelt aber im Zeitablauf die negativen Performances des Underlying mit auf – statt der positiven Performances wie bei der normalen Cliquet Option. Eine Variante davon sind die Napoleon Options.
6.4 Exotische Derivate
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Der kreative Name entstammt angeblich dem Auszahlungsprofil, in dem man mit etwas Fantasie Napoleon Bonapartes Hut erkennen kann. Napoleon Options addieren zur hohen Grundverzinsung die Performace des schlechtesten Monats/Quartals/o. Ä. hinzu. Da während der Optionslaufzeit jedoch meist mindestens eine Subperiode mit negativer Performance anfällt, reduziert sich in der Regel die Auszahlung aus der Option. Sowohl bei Reverse Cliquets als auch Napoleon Options wird der Verlust (und oft auch der Gewinn) gedeckelt. Beider Optionsformen erlangten traurige Berühmtheit, als unter anderem der Erfinder dieser Produkte, Goldman Sachs, aufgrund eines Modellfehlers schwere Verluste einfuhr (Abschn. 3.1.8). 6.4.2.2.3 Forward Starting Options Forward Starting Options sind mit einem Zeitzünder ausgestattet. Das Geschäft wird heute abgeschlossen. Die Option wird aber erst in der Zukunft scharf geschaltet. Das erspart einerseits Optionsprämie. Andererseits setzt sich der Optionskäufer dem Risiko aus, dass sich die Bewegung, von der er eigentlich in der Zukunft profitieren wollte, zu früh einstellt. Da der Basispreis der Option auch erst dann fixiert wird, wenn die Option zu laufen beginnt, kann bei einem Call (Put) der Markt bereits schon stark angestiegen (gefallen) sein und der Basispreis auf dem für den Käufer ungünstigen erhöhten (niedrigeren) Kursniveau festgeschrieben werden. Die Bewertung von Forward Starting Options ist relativ einfach über geschlossene Formeln möglich. 6.4.2.2.4 Schalteroptionen Die Schalteroption schreibt für jede Zeiteinheit, zum Beispiel für jeden Tag, den der Basiswert über (Call) bzw. unter oder auf (Put) dem Basispreis liegt, einen bestimmten Betrag gut. Insofern ist sie eine Option, deren Auszahlung davon abhängt, welchen Pfad über welche Zeit der Basiswert einschlägt und könnte demzufolge auch in der nachfolgenden Kategorie der pfadabhängigen Optionen aufgeführt werden. Kombiniert man zwei Schalteroptionen miteinander, kann man ein Auszahlungsprofil erzeugen, bei dem der Optionskäufer Geld verdient, wenn sich der Basiswert entweder innerhalb oder außerhalb eines bestimmten Kurskorridors bewegt. Verpackt man beide Optionen in einem Produkt, bezeichnet man dies als Korridoroption. Interessant ist an diesen Optionen, dass sie keinen Zeitwertverlust, sondern sogar einen Zeitwertgewinn aufweisen, wenn sich der Basiswert auf der richtigen Seite der Korridorgrenzen befindet.
6.4.2.3 Pfadabhängige Optionen Pfadabhängige Optionen sind nicht, wie europäische Standardoptionen, auf den Wert des Underlying am Ende der Optionslaufzeit reduziert. Wie der Name schon sagt, spielt es bei ihnen eine Rolle, wie sie dorthin gekommen sind. In gewisser Weise sind sie die pekuniäre Umsetzung des philosophischen Prinzips, wonach der Weg das Ziel ist. Pfadabhängige Optionen leben davon, dass sie die Möglichkeiten zum Market Timing verbessern respektive die daraus erwachsenden Risiken abmildern. Es gibt diese Derivate
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Besondere Herausforderungen beim Derivateeinsatz
mit einer offensiven und einer defensiven Grundidee. Der offensive Ansatz liegt Optionen zugrunde, die darauf abzielen, die Gewinnmöglichkeiten zu steigern, indem sie die Wahrscheinlichkeit für einen Gewinn oder die Höhe des Gewinns erhöhen. Dafür wird in Kauf genommen, dass eine solche gewinnträchtigere Option natürlich auch teurer sein muss. Die defensive Grundidee möchte die Option attraktiver machen, indem sie Optionsprämie einspart, auch wenn dadurch im Gegenzug die Gewinnmöglichkeiten beschnitten werden. 6.4.2.3.1 Asiatische Optionen Bei asiatischen Optionen bemisst sich der innere Wert bei Fälligkeit nicht an der Differenz zwischen aktuellem Kurs des Basiswerts und dem Basispreis. Vielmehr wird vorab bestimmt, dass über einen festgelegten Zeitraum (zum Beispiel vier Wochen vor Verfall) in regelmäßigen Abständen (zum Beispiel täglich) der Kurs des Underlying festgehalten wird. Aus dieser Wertereihe wird dann der arithmetische oder geometrische Mittelwert gebildet. Die Differenz zwischen diesem Durchschnitt und dem Basispreis ist dann relevant für die Auszahlung. Sinn und Zweck dieser Übung ist es, mittels Durchschnittsbildung eine Glättung der Auszahlungswerte zu erhalten. Dadurch sinkt die Volatilität des Underlying, was wiederum die Optionsprämie verbilligt. Je nach Konstruktion kann dieser Preisabschlag erheblich ausfallen. Beispiel
Als Beispiel ziehen wir wiederum die Konstellation aus Abschn. 6.4.2.1.1 heran. Ein Call auf den geometrisch berechneten Durchschnittspreis wird bewertet über ACG D K e.arf /t N.d1 / B erf t N.d2 /
(6.13)
mit K B rf t N(d1,2 ) d1 d2 a ¢A
= Kurs Underlying = Basispreis (Strike) = Risikoloser Zinssatz = Restlaufzeit in Jahren = Kumulierte Dichtefunktion der Normalverteilung ¢2 A t ln. K C aC B/ 2 p = ¢A tp = d1 ¢A t = 12 rf 16 ¢ 2 = p¢3
Daraus ergibt sich ein Preis von 7,74 C. Der Call hat sich also um ein Drittel verbilligt. Entscheidend für den Preisabschlag gegenüber einem herkömmlichen Call ist die aus der Durchschnittsbildung resultierende geringere Volatilität ¢ a .
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Hintergrundinformation Wir verwenden in diesem Beispiel den einfachsten Fall, weil nur dieser kontinuierlich-geometrisch berechnete Durchschnitt die Optionsbewertung in einer geschlossenen Formel erlaubt (zur Bewertung vgl. Kemna und Vorst 1990).
Außerdem werden bei den Durchschnittsoptionen einige für den Optionskäufer unglückliche Konstellationen verhindert. Beispielweise geht der Käufer einer herkömmlichen Kaufoption leer aus, wenn der Basiswert wie gewünscht steigt, aber kurz vor Verfall einen Kurseinbruch erlebt. Bei der asiatischen Option werden die zwischenzeitlich erzielten Kursgewinne notiert und in die finale Preisberechnung einbezogen. So ist der niedrige Schlusskurs nur ein Datenpunkt unter mehreren und entscheidet nicht mehr alleine über Wohl und Wehe der Optionsauszahlung. Umgekehrt wird das All-time High einer Aktie bei Verfall durch die vorherigen, niedrigeren Kurse mehr oder wenig stark nach unten gezogen und der Spitzengewinn verwässert. Im OTC-Bereich sind asiatische Optionen Kassenschlager. Sie sind klassische Instrumente, um bei Garantieprodukten die für den Absatzerfolg so wichtige Partizipationsrate zu erhöhen. Die Partizipationsrate gibt an, in welchem Verhältnis die Auszahlung aus dem Produkt den Kursanstieg des Underlying nachvollzieht (Abschn. 3.3.2.5.1 unter „PutPrämie wird nachgeschossen“). Da die Optionen so ausgestaltet werden können, dass sie deutlich billiger sind als Standardoptionen, können in einer Garantiestruktur deutlich mehr Kontrakte gekauft werden. Dadurch erhöht sich die Partizipation an einer positiven Kursentwicklung. Die ausgewiesene prozentuale Teilnahme an einem Kursanstieg liegt höher. Die Frage „Prozent wovon?“ stellen sich leider viele Anleger nicht. Würden sie die Zahl hinterfragen und das Kleingedruckte konsultieren, müsste ihnen klar werden, dass eine höhere Partizipationsrate nicht zwangsläufig zu einer höheren Auszahlung führen muss, denn im Falle der asiatischen Optionen ist es eben nur die Partizipation am gedämpften Durchschnittswertzuwachs. Auch für den absichernden Emittenten sind diese Optionen recht angenehm. Durch die Glättung verhalten sich auch die „Griechen“ der Option recht manierlich. Dies gilt insbesondere bei Optionen mit kurzer Restlaufzeit. Während Standardoptionen hier sehr sensibel reagieren können, „entschärfen“ sich asiatische Optionen über die Zeit von selbst. Je mehr Kurswerte im Verlauf eingesammelt werden, desto stabiler wird der Durchschnitt, sodass selbst ausgeprägte Kurskapriolen kurz vor Verfall nur noch einen begrenzten Eindruck hinterlassen. Das gilt zumindest für Optionen, die den Mittelwert arithmetisch berechnen. Optionen, die auf einem geometrischen Mittel aufsetzen, können auch kurz vor Verfall noch wertlos werden. Umgekehrt kann sich das Underlying einer arithmetischen Durchschnittsoption so entwickeln, dass schon deutlich vor Verfall klar ist, dass die Option wertlos verfallen wird, (fast) egal was der Markt während der Restlaufzeit noch machen wird (ein schönes Beispiel zur Berechnung eines geometrischen und arithmetischen Durchschnittskurses findet sich in Pechtl 1996).
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6.4.2.3.2 Lookback Options Es gibt Investoren, die es in ihren Erzählungen immer schaffen, zu Tiefstkursen zu kaufen und zu Höchstkursen zu verkaufen. Möglich, dass es sich bei solchen Heldentaten nicht in jedem Fall um Anlegerlatein handelt. Vielleicht hat dieser Anleger einfach nur Lookback Options eingesetzt. Dieser Exot erlaubt es dem Optionskäufer, am Ende der Laufzeit zurückzuschauen und den für ihn günstigsten Kurs als Basispreis (Lookback Strike Put) oder den günstigsten Preis des Underlying bei fixiertem Basispreis (Lookback Price Put) festzulegen. Diese Optionsart kann auf eine recht lange Historie zurückblicken. Sie lässt sich bis in die 1970er-Jahre zurückverfolgen. Es existiert ein Schwesterprodukt, bei dem nicht der Basispreis gewinnmaximierend festgelegt wird, sondern vereinbart wird, dass bei zu Beginn fixiertem Basispreis der Höchstkurs (Call) bzw. Tiefstkurs (Put) des Underlying herangezogen wird, wenn es um die Auszahlung geht. Diese Optionen laufen unter der Bezeichnung Look-Forward-Optionen. Variationsmöglichkeiten bestehen hinsichtlich des Rückblickzeitraums und der Stichtage. Es ist also möglich, eine Option zu emittieren, bei der der Käufer sich jeden beliebigen Tag während der gesamten Optionslaufzeit aussuchen kann. Oder aber er hat nur die Möglichkeit, sich für einen Monatsultimokurs über die letzten zwölf Monate vor Verfall zu entscheiden. Die Formel zur Bewertung einer solchen Partial Lookback Option ist sehenswert. In ihrer berichtigten Form nimmt sie in Pechtl (1996) fast eine halbe Seite ein. Es versteht sich von selbst, dass eine derartige „Superoption“ auch einen Superpreis hat. Der Preis liegt deutlich über dem einer Standardoption, da auch die Auszahlung der Lookback Option immer mindestens so hoch ist wie bei einer Standardoption. Insofern lohnt sich auch ein Blick auf die Black-Scholes-basierte Bewertung, denn auch hier ist eine Zweiteilung erkennbar: Der erste Teil läuft wieder auf eine Standard-Call-Bewertung hinaus. Hierzu addiert sich eine Preiskomponente, die die Wahrscheinlichkeit, dass der Kurs des Underlying noch unter den bisher erreichten tiefsten Kurs fällt, bepreist. K LC D K N.d1 / min.t0 ;t/ erf t N.d2 / C 2r f 0 @erf t
K min.t0 ;t/
2r2f ¢
¢2
1
N.d3 / N.d1 /A
mit K B rf t N(d1,2,3 ) min(t0,t)
= Kurs Underlying = Basispreis (Strike) = Risikoloser Zinssatz = Restlaufzeit in Jahren = Kumulierte Dichtefunktion der Normalverteilung = Minimum des Preises des Underlyings seit Laufzeitbeginn bis heute ln
d1
=
2 C rf C ¢2 t p ¢ t
K min.t ;t/ 0
(6.14)
6.4 Exotische Derivate
d2
= d1 ¢ ln
d3
=
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p
t 2 C rf C ¢2 t p ¢ t
min.t ;t/ 0 K
Beispiel
Gesetzt den Fall, der bisher erzielte niedrigste Kurs des Underlying (min) war 95 C, dann notiert der Lookback Call bei 16,35 C, ein Aufschlag von satten 41 % gegenüber dem herkömmlichen Call aus Abschn. 6.4.2.1.1. Wenn die Prämie aber so hoch ist, liegt auch der Break-Even in weiter Ferne. Daher empfiehlt es sich, Lookback-Optionen vor allem auf Basiswerte einzusetzen, die das Potenzial für große, unerwartete Ausschläge haben – bei denen der Markt dies aber noch nicht erkannt und in Form einer verteuerten Lookback-Option umgesetzt hat. Daneben existiert aber auch noch ein operativer Aspekt, der Lookback-Optionen interessant macht: Die Absicherung von Wertpapieren kann mitunter sehr arbeitsaufwändig sein. Bei volatilen Portfolios und Einzelpositionen kann es schnell und oft passieren, dass sich die Kurse weit vom Sicherungsniveau entfernen. Dann muss die Absicherung angepasst werden, indem der Hedge ergänzt oder ab- und auf dem aktuellen Niveau vollständig neu wieder aufgebaut wird. Diesen Aufwand kann man sich mit Lookback-Optionen sparen, weil sie wie eine Option wirken, die permanent am Geld sichert. 6.4.2.3.3 Ladder Options Lookback-Optionen können ganz schön ins Geld gehen. Wer es lieber etwas billiger hat, setzt auf eine Sparversion, die Ladder Option. Sie hat in ihrer Idee eine starke Ähnlichkeit mit der Cliquet Option. Beide dienen dazu, Zwischengewinne zu sichern, indem für den Optionskäufer günstige Kursentwicklungen fixiert werden. Während bei der Cliquet Option in festgelegten Zeitintervallen überprüft wird, ob die Option seit der letzten Anpassung an innerem Wert gewonnen hat, ist es für die Ladder Option maßgeblich, ob das Underlying eine bestimmte Schwelle übersteigt. Findet sich in den Kontraktspezifika beispielsweise ein sogenannter Reset in Höhe von fünf Prozent, wird der Strike Price immer dann nachgezogen, wenn das Underlying um fünf Prozent über den bis dahin gültigen Strike gestiegen ist. Mit dieser Eigenschaft wäre die Ladder Option also auch durchaus der Kategorie der grenzwertabhängigen Optionen zuordenbar und ist ein Beispiel dafür, dass dieses Gliederungsschema nicht trennscharf ist. Wenn sich Ladder und Cliquet Options so ähnlich sind, welche sollte man dann wählen? Die Ladder Option hat zunächst einmal den Vorteil, dass sie nur vom Kursverlauf des Basiswerts abhängig und nicht an bestimmte Anpassungstermine gebunden ist. Allerdings kommt es auf die genaue Ausgestaltung der Reset bei der Ladder und der Frequenz der Cliquet an, ob die eine oder die andere in einem bestimmten Kursverlauf profitabler ist. Wenn der Reset recht hoch angesetzt ist, kann es sein, dass dieser nicht erreicht und so keine Zwischensicherung durchgeführt wird, während die Cliquet einrastet, weil wieder
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ein Anpassungszeitpunkt erreicht wurde. Umgekehrt ist es ebenso möglich, dass es zu einem starken Kursanstieg kommt, der einen oder gar mehrere Resets eines Ladder Calls aktiviert, die nächste Sicherung beim Cliquet Call aber nicht eingezogen wird, weil sich der Kurs des Underlying kurz vor dem Stichtag wieder stark zurückbildet. Bewertet wird die Ladder Option, indem man sie in zwei Komponenten unterteilt, eine herkömmliche und eine Barrier Option. 6.4.2.3.4 Shout Options Auch wenn sie semantisch recht rustikal daher kommt, ist sie hinsichtlich ihrer Eigenschaften eine fast schon wüste Mischung aus Lookback, Ladder und Cliquet Option. Von der Lookback Option hat sie die Möglichkeit, dass der Optionskäufer sich etwas „wünschen“ darf. Wie bei Ladder und Cliquet Option werden Zwischengewinne gesichert. Im Unterschied zu diesen erfolgt die Sicherung aber nicht mechanistisch, sondern diskretionär. Den Gepflogenheiten der ursprünglichen Parkettbörsen folgend, ruft der Optionsinhaber dem Stilhalter zu, dass er den aktuellen Kurs festschreiben will. Daher der Name Shout Option. Natürlich ruft er ihm dies nicht akustisch zu, sondern teilt ihm dies im in den Optionsbedingungen festgelegten Format mit. Ceteris paribus ist eine Shout Option etwas teurer als eine Ladder Option, da der Optionskäufer einen höheren Freiheitsgrad hat, indem er selbst bestimmen kann, wann der Zwischengewinn gesichert werden soll. Allerdings hängt der Preis auch von der Anzahl der möglichen Shouts ab – je mehr, desto teurer. Ob der Gewinn beim Einsatz einer Shout Option tatsächlich höher ausfällt als bei einer Ladder Option, hängt davon ob, wie es um die prognostischen Fähigkeiten des Optionskäufers bestellt ist. Sind diese gut, wird er die Resets vorteilhaft gestalten können. Sind sie weniger gut ausgeprägt, kann es sein, dass er seine Shouts zu früh oder zu spät einsetzt, sodass die streng nach Regel vorgehende Ladder Option entweder durch späteres einloggen einen höheren Gewinn festschreibt oder diesen rechtzeitig festschreibt, bevor der Kurs sich wieder ungünstig entwickelt. Offenbar schreckt die Schwierigkeit, den höheren Preis durch überdurchschnittliche Prognosefähigkeiten wieder hereinzuholen, viele potenzielle Käufer ab, sodass die Nachfrage nach Shout Options eher überschaubar ist (Smithson 2000). 6.4.2.3.5 Swing Options Als nächste Evolutionsstufe der pfadabhängigen Optionen wäre dann die Swing Option zu nennen. Sie kombiniert noch einmal eine Shout mit einer Cliquet Option insofern als der Optionsinhaber sein anzahlmäßig begrenztes Shout-Recht nur an bestimmten Terminen ausüben kann. Wenn es beispielsweise während der Optionslaufzeit zehn vereinbarte Termine gibt, die Optionsbedingungen aber nur fünf Shouts vorsehen, muss der Optionskäufer sich zu jedem Überprüfungstermin entscheiden, ob er von seinem Anpassungsrecht Gebrauch machen und einen seiner fünf Shouts einsetzen will oder nicht. Da die Swing Option gegenüber der Shout Option weniger flexibel ist, fällt sie hinsichtlich ihrer Prämie auch etwas billiger aus.
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6.4.2.3.6 Mirage Options Das Wunder an dieser Wunderoption ist, dass jemand glaubt, es gäbe tatsächlich einen Bedarf von Endkunden nach solch einem Konstrukt. Eine Mirage Option zahlt die kumulierte Wertentwicklung des Basiswerts abzüglich einer vordefinierten Anzahl der besten und/oder schlechtesten Teilperioden. Die Auszahlung könnte also die kumulierte JahresPerformance des DAX betragen, abzüglich der jeweils drei besten und schlechtesten Kalendermonate. 6.4.2.3.7 Passport Options Auf einer ähnlichen Idee basieren Passport Options. Allerdings ist der Basiswert in diesem Fall ein aktiv gesteuertes Portfolio. Der Käufer der Option bezahlt seine Prämie dafür, dass er zwar die im Verlauf erzielten Gewinne einheimsen kann, vor den Verlusten jedoch verschont bleibt (Hyer et al. 1997). Interessant wird diese Option für einen Asset Manager dadurch, dass man eine Option auf ein aktiv gemanagtes Portfolio auch auf einen Investmentfonds aufsetzen kann. Dadurch ist es beispielsweise möglich, aus jedem Investmentfonds einen Garantiefonds zu machen oder dessen Performance über Long Calls zu hebeln. Die CBOE hat bereits 1997 Optionen auf Fondsindizes eingeführt, also auf Indizes, die die Performance eines Portfolios aus Fondsanteilen abbilden. Erwähnenswert ist an dieser Stelle vielleicht noch die Möglichkeit, für Fondsmanager eine leistungsabhängige Vergütungskomponente zu gestalten, die sich an die Praxis der Ausgabe von Aktienoptionen für Firmenchefs anlehnt. Dazu ist es nicht einmal erforderlich, diese Optionen tatsächlich zu verbriefen. Es genügt, den Rahmen der Optionsbewertung zu nutzen, um eine solch variable Gehaltskomponente transparent aufzusetzen.
6.4.2.4 Grenzwertabhängige Optionen Im Unterschied zu den pfadabhängigen Optionen spielt der Verlauf der Kursentwicklung des Basiswerts bei grenzwertabhängigen Optionen keine Rolle. Maßgeblich ist lediglich, ob der Kurs während der Laufzeit einen definierten Grenzwert erreicht. So entscheidet sich der vegetative Zustand der Option in der alles entscheidenden Frage: Tot oder lebendig? Weniger melodramatisch bedeutet dies, dass sich an diesen Punkten entscheidet, ob die Option überhaupt erst auflebt oder eine bestehende Option vorzeitig wertlos verfällt. Diese im Vergleich zu Standardoptionen eingefügten Bedingungen erhöhen das Risiko des Optionshalters, der sich dies in Form einer verbilligten Optionsprämie vergüten lässt. 6.4.2.4.1 Barrier Options Barrier Options sind die wohl am weitesten verbreiteten exotischen Optionen, die vor allem im Währungsbereich mehr als die Hälfte aller Exoten ausmachen (Weiß 2006). Ihre Popularität hat ihnen sogar zum Sprung aus dem reinen OTC-Markt in die Liga der börsennotierten Derivate an der Chicago Board Options Exchange und der American Stock Exchange verholfen.
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Barrier Options sind die klassischen Sein-oder-nicht-sein-Derivate. Dabei sind sie einfach zu verstehen. Im Grund genommen sind es gewöhnliche Calls oder Puts. Allerdings nur dann, wenn sie tatsächlich „am Leben“ sind. Ob das der Fall ist oder nicht, ist abhängig davon, ob das Underlying eine bestimmte auslösende Kursbarriere (Trigger) erreicht oder nicht. Entweder die Option ist so definiert, dass sie erst beim Erreichen dieser Schwelle auflebt. Oder das Erreichen der Schwelle sorgt bei einer existierenden Option für deren Ableben. Im ersten Fall spricht man von einer Knock-in-, im zweiten von einer Knockout-Option. Damit liegt die Latte für die Auszahlung aus der Option höher als bei der Standardoption. Die Option muss nicht nur am Ende der Laufzeit im Geld notieren. Der Kurs des Underlying muss zusätzlich während der Optionslaufzeit den Trigger ausgelöst oder eben vermieden haben. Schließlich muss man noch unterscheiden, ob der Kurs des Underlying steigen oder fallen muss, um den Trigger zu erreichen. Barrier-Optionen werden also durch drei Parameter mit je zwei Ausprägungen definiert, sodass man am Ende auf zwei hoch drei, also acht Varianten kommt: Up or Down In or Out Call or Put Ein Up-and-in Call ist also ein Call, der erst dann auflebt, wenn der Kurs des Basiswerts eine Schwelle erreicht, die oberhalb des Kurses bei Abschluss der Option liegt. Ein Upand-out Call ist ein Call, der aus dem Spiel wäre, wenn er die über dem Spot-Preis liegende Schwelle touchieren würde. Entsprechend handelt es sich um einen Down-and-out Put um eine Verkaufsoption, die am Ende der Laufzeit nur dann eine Auszahlung leistet, wenn die Option im Geld liegt und eine definierte, unterhalb des Spot liegende Schwelle nicht erreicht wurde. Falls sie doch erreicht würde, wäre der Put nämlich „out“. Generell läuft der Einsatz einer Barrier Option auf eine Prämienersparnis gegenüber einer Standardoption hinaus, da sie niemals zu einer höheren Auszahlung führt als die Standardoption. Dafür ist ein Investor mit einer sehr präzisen Vorstellung über die künftige Entwicklung des Underlying in der Lage, Optionsprämie einzusparen für Szenarien, von denen er ohnehin nicht glaubt, dass sie eintreten. Beispielswiese könnte ein Anleger, der einen Down-and-out Put einsetzt, Optionsprämie einsparen, indem er bewusst das Risiko eingeht, dass der Put bei Erreichen der Schwelle wertlos verfällt und sein Portfolio in diesem Fall ungesichert ist. Die Idee hinter einem Up-and-out Put wiederum ist, dass das Risiko, dass ein Underlying nach einem kräftigen Kursanstieg letztlich noch Verluste einfährt, recht gering ist und man sich die Prämie für den Put sparen kann. Es ist also ersichtlich, dass der Käufer einer solchen Option vor allem auch eine Wette auf die Volatilität eingeht, erwartet er doch eine Volatilität, die so niedrig ist, dass sie die kritische Schwelle nicht erreicht bzw. im Falle einer Knock-in-Option, dass die Volatilität so hoch sein wird, dass das Underlying die Schwelle erreicht. Die Höhe der Ersparnis ist wiederum von der konkreten Ausgestaltung abhängig. Zentral ist natürlich, wie weit entfernt vom Spot-Preis der Trigger liegt. Dazu kommt die
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Frage, innerhalb welches Zeitraums der Trigger aktiv ist. Dies muss nicht unbedingt über die komplette Optionslaufzeit hinweg der Fall sein. Bei einem Trigger, der nur über einen Teil der Optionslaufzeit aktiv ist, spricht man von einer Partial Barrier Option (Frishling 1997). Die Auszahlungsprofile von Barrier Options sind für einen Investor, der den Umgang mit Standardoptionen gewohnt ist, gewöhnungsbedürftig. Bei einem Up-and-out Call mit einem Basispreis von 100 und einer Knock-out-Schwelle bei 150 findet der Anleger statt des gewohnten Hockeyschlägers einen Hügel im Bereich zwischen 100 und 150. Oberhalb des Basispreises gewinnt die Option an innerem Wert. Aber je mehr sie sich der Schwelle nähert, bei der sie aufhört zu existieren, und je mehr demzufolge die Wahrscheinlichkeit, sie zu überschreiten steigt, desto stärker kommt dieser wertmindernde Effekt zum Tragen. Angesichts dieser Komplexität ist es nicht verwunderlich, dass zur Bewertung von Barrier Options das komplette Arsenal an Modellen herangezogen wird, dass also sowohl BlackScholes, ggf. erweitert um den Vanna-Volga-Ansatz (Abschn. 2.4.5.6), als auch Bi- und Trinomialbäume und Monte Carlo-Simulationen zum Einsatz kommen (Rubinstein und Reiner 1991; Kat und Verdonk 1995). Entscheidet man sich für den Black-Scholes-Ansatz, kann man sehr schön zeigen, wie die Möglichkeit, dass die Option im Verlauf ihre Barriere erreicht und damit, im Fall einer „Out“-Option, wertlos wird, den Optionspreis verbilligt. Wiederum zeigt der hintere Teil der Formel (ab (G/K)) die wertmindernde Komponente. rf t
C D K N.d1 / B e
2r2f 1 2 G ¢ G N.d2 / N.d3 / B erf t N.d4 / (6.15) K K
mit K B rf t N(d1,2,3,4 ) G
d2
= Kurs Underlying = Basispreis (Strike) = Risikoloser Zinssatz = Restlaufzeit in Jahren = Kumulierte Dichtefunktion der Normalverteilung = Grenze, bei deren Erreichen die Option verfällt ¢2 ln . K B /C rf C 2 t p = ¢ p t = d1 ¢ t
d3
=
d4
= d3 ¢
d1
ln
G2 KB
2
C rf C ¢2 t p ¢ p t
t
Der erste Teil der Formel bestimmt den Wert eines normalen Call. Von diesem wird im zweiten Teil der Wert des Verfallsrisikos abgezogen. Beispiel
Wenn wir die Parameter des Beispiels aus Abschn. 6.4.2.1.1 über Digitaloptionen noch einmal bemühen, erhalten wir zunächst einen Preis von 11,61 C für den herkömmlichen
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Call. Wenn man die Verfallschwelle mit dem Basispreis (95 C) gleichsetzt, hat das Verfallsrisiko einen Wert von 5,96 C. Dadurch reduziert sich der Wert des Call um mehr als die Hälfte und kostet nur noch 5,66 C. Fast zwangsläufig resultieren aus dieser Vielfalt an Bewertungsmodellen unterschiedliche Preise. Besonders hinderlich ist dabei, dass selbst bei ein und demselben Modell mehrere Werte für die implizite Volatilität zum gleichen Preis führen (Abed 1998a). Umgekehrt gesprochen, kann aus dem Preis nicht auf eine einzige, passende implizite Volatilität geschlossen werden. Dabei ist der Grundgedanke in der Bewertung einer (europäischen) Barrier Option recht einfach und elegant: Man nehme je eine Knock-in und eine Knock-out Option mit gleicher Ausstattung. Dann wird man bei Verfall immer eine Option aktiv haben. Da beide Optionen die gleiche Schwelle haben, wird bei Erreichen der Schwelle die Knock-out Option untergehen und die Knock-in Option aufleben. Wird die Schwelle nicht erreicht, bleibt die Knock-out Option bestehen und die Knock-in Option wird nicht aktiviert. Ergo erhält man eine Art „In-out-Parität“, wonach je ein (bis auf den Knock-in/Knock-outUnterschied) identisches Pärchen einer herkömmlichen Option entspricht. Ebenso spannend ist das Risikoprofil dieser Exoten. Genau wie ihre Verwandten, die digitalen Optionen, können bei Barrier Options die „Griechen“ kontraintuitive Ausprägungen annehmen. Das Delta eines Call beispielsweise liegt nicht nur zwischen null und eins, sondern kann auch Werte über eins annehmen und ein negatives Vorzeichen aufweisen. Ein Down-and-in Call würde beispielsweise bei fallenden Kursen, mit denen er sich der Schwelle nähert, bei deren Erreichen er angeschaltet wird, an Wert gewinnen. Er weist also ein negatives Delta auf. Beim Erreichen der Schwelle würde dann ein herkömmlicher Call mit einem positiven Delta aufleben. Ähnliche Kapriolen schlägt beispielsweise ein Up-and-out Call nahe der Verfallsbarriere. Liegt der Basispreis noch leicht unterhalb dieser Barriere, so sinkt mit fallendem Kurs des Underlying die Wahrscheinlichkeit, dass die Option verfällt. Somit steigt ihr Wert bei fallenden Kursen des Underlying. Der Call hat in diesem Bereich also ein negatives Delta. Je weiter der Kurs des Underlying sich jedoch von der Schwelle entfernt, desto geringer die Gefahr des Knock-out. Irgendwann ist dann der Punkt erreicht, an dem sich ein fallender Kurs des Underlying auch wieder negativ auf den Preis der Option auswirkt, das Delta also wieder positiv wird. Doch nicht nur das Gamma dieser Optionen weist in der Nähe der Schwellen sehr hohe Werte auf. Auch die restlichen „Griechen“ weisen auf eine hohe Sensitivität der Schwellenoptionen in diesem kritischen Bereich hin. Als besonders schwierig erweist sich die Volatilität. Es ist noch relativ einfach nachvollziehbar, dass sie unterschiedlich auf Knock-ins und Knock-outs wirkt. Eine hohe Volatilität ist vorteilhaft für eine Knockin Option, da sie die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die Option „erwacht“. Umgekehrt ist sie unvorteilhaft für Knock-outs, da dadurch das Risiko des „Ablebens“ der Option steigt. Verkompliziert wird das Thema dadurch, dass man es eigentlich mit zwei unterschiedlichen Volatilitäten zu tun hat. Für das finale Auszahlungsprofil bei Fälligkeit ist es
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von Bedeutung, wie weit die Option am Ende ins Geld geschwungen sein kann. Für die Barriere dagegen ist die Volatilität ab dem ersten Tag über die gesamte Laufzeit hinweg interessant, weil zu jedem Zeitpunkt diese Barriere touchiert werden kann. Für jemanden, der ein Optionsbuch zu hedgen hat, stellen Barrier Options also eine veritable Herausforderung dar, weil sie in der Nähe der Schwelle außerordentlich umfangreiche Absicherungsmaßnahmen erfordern können. Da Down-and-out-Puts integraler Bestandteil der recht beliebten Bonus-Zertifikate sind, können derartige Positionen bei Investment-Banken, die diese Produkte in großem Stil emittieren, beträchtliche Ausmaße annehmen. Hintergrundinformation Bonus-Zertifikate sind hierzulande seit 2003 verfügbar. Es handelt sich um strukturierte Produkte, bei denen der Anleger von der Wertentwicklung eines Long Investments, das meist durch einen Zero-Strike Call abgebildet wird, profitiert oder einen Bonus erhält (je nachdem, was für ihn ertragreicher ist), sofern die Barriere des Down-and-Out Put während der Laufzeit nicht berührt bzw. durchbrochen wird.
Ein OTC-Markt für Barrier-Options mit ausreichender Tiefe existiert ebenso wenig wie die Möglichkeit, sich mit gegenläufigen Optionen an einer Derivatebörse einzudecken, weshalb nur das geschickte Neutralisieren der „Griechen“ durch den Optionshändler bleibt. Man kann die Komplexität dieser Optionsgattung auch noch weiter steigern, indem man die Option nicht nur mit einer, sondern mit zwei Schwellenwerten ausstattet. Bei diesen Double-Barriers wird die Option an einer Schwelle ein und an der anderen ausgeschaltet. Je nach Kursverlauf kann die Reihenfolge dann eben auch anders herum ausfallen, was das Absichern dieser Optionen erschwert. Oder man lässt beide Schwellenwerte gleichartig wirken. Entweder beide schalten eine Option an oder ab. So mag ein Investor mit einer Barrier Option vom Typ Knock-out liebäugeln, um den Optionskauf im Vergleich zu einer herkömmlichen Option zu verbilligen. Allerdings muss er feststellen, dass die von ihm ins Auge gefasste Option deshalb so billig ist, weil das Underlying der K.o.-Grenze ziemlich nah ist – zu nah für seinen Geschmack. Bei einem DAX-Stand von 7000 Punkten ist eine K.o.-Schwelle von 7200 nur einen Katzensprung entfernt. Da fühlt er sich mit zwei K.o.Schwellen, eine bei 6500 und eine bei 7500, bei gleichem Optionspreis vielleicht etwas wohler. Ein auch für eine Barrier Option exotischer Vertreter ist die Outside Barrier Option, die auch unter den Pseudonymen Two-Asset Barrier Option, Contingent Option, Rainbow Barrier Option und Defined Exercise Option firmiert. Diese weist eine Schwelle in einem zweiten Asset auf. Die eigentliche Option wird also aktiviert (Knock-in) oder deaktiviert (Knock-out), wenn ein anderes Asset die Schwelle berührt. So könnte eine Aktienindexoption beispielsweise nur dann aufleben, wenn der Ölpreis eine bestimmte Schwelle durchbricht oder eine Zinsoption schon dann vorzeitig verfallen, wenn der Dollarkurs unter ein bestimmtes Niveau fällt. Man sieht schon, dass der Fantasie keine Grenzen gesetzt sind. Während man sich beim Einsatz in der Realwirtschaft im Export oder beim Bezug
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von Rohstoffen durchaus sinnvolle Absicherungskonstellationen vorstellen kann, drängt sich ein solcher Zusammenhang in der Kapitalanlage nicht zwangsläufig auf – mit einer Ausnahme: Dieses Produkt findet man hin und wieder im Devisenmarkt. Dann handelt es sich zumeist um eine Option auf eine für Devisenmarktverhältnisse illiquide Währung, also eine Währung, die nicht rund um die Uhr gehandelt wird. Für diese sucht man sich ein liquides Referenzwährungspaar, von dem man erwartet, dass es sich ähnlich verhält wie die nur begrenzt gehandelte Währung und in dem 24 Stunden am Tag Handel stattfindet. Über diese Verbindung kann die Absicherung in der eigentlichen Zielwährung auch dann stattfinden, wenn diese gar nicht gehandelt wird. Wie bei anderen Mehrfaktorenoptionen auch, ist die Korrelation ein zentraler Bewertungsfaktor für Defined Excercise Optionen, die analytisch bewertet werden können (Zhang 1995). Barrier Options sind nicht unumstritten. In den USA wurden Korridoroptionskonstruktionen als Knock-out-Variante, bei denen die Option mit dem Erreichen der Knock-outSchwelle verfällt, sogar verboten. Darüber hinaus gab es auch in Deutschland in der Vergangenheit Fälle, in denen zumindest dem Verdacht nachgegangen wurde, Emittenten könnten Preise zu ihren Gunsten manipuliert haben (Abschn. 6.3.2). Dabei können diese in vielen Fällen nichts für diesen Verdacht. Insbesondere im Währungsbereich ist die intransparente Marktstruktur mitunter problematisch. In der Nacht des 7. Oktober 2016 fiel das Währungspaar Pfund Sterling/US-Dollar innerhalb einer Viertelstunde von 1,26 auf 1,13 . . . oder auf 1,15 . . . oder auf 1,17 . . . Da es keinen zentralen Markt gibt, weisen unterschiedliche Händler unterschiedliche Tiefpunkte auf, je nachdem, zu welchem Kurs sie ein Geschäft abgeschlossen haben (Smith 2016). Sollten auf diesen Wechselkurs Barrier Optionen abgeschlossen worden sein, deren Barrieren in etwa in diesem Bereich lagen, sind Rechtsstreitigkeiten darüber, ob eine Barriere durchschritten wurde oder nicht, vorprogrammiert. 6.4.2.4.2 Contingent Premium Options Eine Alternative für Anleger, die sich massiv ärgern, wenn Puts nicht benötigt werden und wertlos verfallen, mögen vielleicht Contingent Premium Puts sein. Die kosten nämlich nichts – zumindest anfänglich. Denn die Contingent Premium Options sind ihrem Wesen nach Alles-oder-nichts-Naturen. Insofern entsprechen sie den digitalen Optionen und hätten auch in der Rubrik der Optionen mit verändertem Zahlungsprofil eingruppiert werden können. In gewisser Weise sind sie sogar noch extremer als die digitalen Optionen. Wenn die Option bei Fälligkeit nämlich nicht im Geld notiert, passiert nichts. Gar nichts. Das heißt, bei diesem Optionsgeschäft wird noch nicht einmal vorab eine Prämie bezahlt. Diese wird in der Tat erst dann fällig, wenn die Option per Verfall im Geld ist. Der Optionskäufer bezahlt also entweder keine Prämie, oder er erhält für seine Prämie auf jeden Fall einen positiven inneren Wert. Allerdings heißt das noch lange nicht, dass er am Ende Geld verdient hat. Denn wenn eine Prämie zur Zahlung ansteht, ist diese natürlich höher als bei einer vergleichbaren Standardoption. Der bis zum Break-even erforderliche Kurs-
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Put
Conngent Premium Put
Abb. 6.5 Auszahlungsprofil Contingent Premium Put
anstieg liegt bei diesem Exot also höher (Abb. 6.5). Anders gesprochen, besteht die für den Optionskäufer ungünstigste Konstellation darin, dass die Option nur leicht ins Geld läuft. Dann erhält er lediglich einen geringen inneren Wert, muss aber gleichzeitig eine ziemlich hohe Optionsprämie bezahlen, sodass er per saldo einen Verlust macht. Die Komplexität in der Risikosteuerung liegt der Contingent Premium Option in den Genen, da sie aus einer Kombination von (vergleichsweise) unkomplizierter Standardoption und komplizierter Digitaloption besteht. 6.4.2.4.3 Instalment Options Eine gedämpfte Version der Contingent Premium Option ist die Instalment Option. Auch hier liegt das exotische Merkmal in der Bezahlung der Prämie, nicht im Auszahlungsprofil. Die Prämie wird nämlich abgestottert, also in Raten bezahlt. Dabei unterscheidet man zwischen einer Time Instalment und einer Market Instalment Option. Bei der Time Instalment Option wird die Rate in bestimmten Zeitintervallen fällig. Bei der Market Instalment Option wird sie immer dann fällig, wenn der Markt eine von mehreren gestaffelten Schwellen erreicht. Dabei kann der Käufer der Option bei jeder Ratenfälligkeit neu entscheiden, ob er an der Option festhält oder aussteigt und damit auch weitere Ratenzahlungen beendet. Das Auszahlungsprofil, das der Ratenkäufer erwirbt, weist jedoch keine Besonderheiten auf. Es handelt es sich um eine ganz normale Option. Wie so oft, ist der Ratenkauf auch hier in der Summe teurer als die Bezahlung auf einen Schlag. Und in diesem Fall bezahlt der Käufer noch die zusätzliche Möglichkeit, während der Laufzeit ohne Abstandszahlung aus dem Geschäft auszusteigen.
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6.4.2.5 Mehrfaktorenoptionen Die Faktoren von denen hier die Rede ist, sind mehrere unterschiedliche Basiswerte, deren Wertentwicklung im Zusammenspiel den Wert der Option bestimmen. Die zentrale Größe, die in Mehrfaktorenoptionen handelbar gemacht wird, ist die Korrelation zwischen diesen Basiswerten. Man könnte also auch von korrelationsbasierten oder korrelationsdeterminierten Optionen sprechen. Damit drängen sich diese Optionen auf, um die risikomindernde Diversifikationswirkung zu nutzen, aber auch, um relative Wertveränderungen zu spielen. Der Umgang mit den Risiken dieser Optionen ist äußerst anspruchsvoll. Natürlich bringen mehrere Underlyings mehrere Deltas ins Spiel. Deren Bedeutung verschiebt sich laufend mit der relativen Wertentwicklung, sodass Cross Gammas beachtet werden müssen, die Kursentwicklung eines Underlying also das Delta eines anderen verändert. Diese Deltas und Gammas reagieren daher auch auf Veränderungen der Korrelation. Daher spielen die Volatilitäten aller Einzeltitel ebenso eine Rolle wie deren Korrelationen. Aufgrund dieser Komplexität, findet sich bei Multifaktoroptionen die ganze Bandbreite an Bewertungsmodellen. Neben der analytischen Methode existieren analytische Approximierungsverfahren, ebenso wie Binomialmodelle und Monte-Carlo-Simulationen. 6.4.2.5.1 Rainbow Options Ein Regenbogen trägt mehrere Farben in sich, eine Regenbogenoption mehrere Underlyings. Die eben angesprochenen Outside Barrier Options sind also eine bestimmte Variante einer Rainbow Option. Rainbow-Optionen basieren häufig auf Aktienkörben, sind aber auch oft als Asset-Klassen-übergreifende Produkte konzipiert (An et al. 2011). Der Käufer einer Regenbogenoption setzt auf den Nutzen der Diversifikation. Er geht davon aus, dass sich die Underlyings asynchron entwickeln und er über den Bewertungsfaktor „Korrelation“ eine (deutliche) Prämienersparnis gegenüber einer Standardoption erzielt. Rainbow Options werden oft nicht als solche vertrieben, sondern in Form einer Umverpackung im Gewand einer Equity-Linked-Note, deren Rückzahlung von der Kursentwicklung eines Baskets abhängt. Unter der Gruppe der Rainbow Optionen, die leider verwirrenderweise auch oft als Exchange-Optionen zusammengefasst werden, firmieren eine große Anzahl von Untergruppen: 6.4.2.5.2 Basket Options Die Prämiensparvariante wäre zunächst eine Basket Option, deren Auszahlung sich nach dem durchschnittlichen Gewinn der Titel im Korb richtet und daher einen geringeren Ertrag verspricht. Selbst wenn einzelne Optionen auf Mitglieder des Basket im Geld wären und somit zu einer Auszahlung führen würden, besteht bei einem Basket das Risiko, dass die durchschnittliche Performance von sich schlecht entwickelnden Werten so weit nach unten gezogen wird, dass die Gesamt-Performance des Basket negativ ist. Im Gegenzug ist die Basket Option mitunter deutlich billiger. Wie billig, hängt von dem Grad der Diversifikation des Basket ab. Sind die darin enthaltenen Werte niedrig miteinander korreliert,
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führt dies zu einer niedrigen Volatilität des Basket und zu einer entsprechend niedrigen Optionsprämie. Basket Optionen für den institutionellen Investor sind maßgeschneiderte Produkte – es sei denn, man zählte Indexoptionen auch zu den Basket-Optionen. Damit kann ein Investor die Absicherungsprämie für sein risikobehaftetes Portfolio deutlich absenken. Allerdings büßt er seine Flexibilität ein (Abschn. 3.1.1, siehe „Vertiefung: Einzelner Kontrakt oder Kontraktportfolio?“). Wenn er in seinem abzusichernden Portfolio Veränderungen vornimmt, muss er entweder die Basket-Option verkaufen und sich eine neue Maßanfertigung zulegen, oder er lebt mit dem entstehenden Abweichungsrisiko. In komplexeren Formen ist eine vorab definierte Umschichtung im Basket möglich. Art, Umfang und Häufigkeit wird in den Optionsbedingungen schriftlich fixiert. Basket Optionen sind einfach und doch schwer zu bewerten. Einfach deshalb, weil es sich um Standardoptionen handelt. Schwierig ist jedoch die Schätzung der Korrelation zwischen den Assets und der Umstand, dass eben viele Einzelwerte mit spezifischen Volatilitäten und Dividenden in den Basket eingehen. Man kann zunächst die historische Entwicklung des Basket als Ausgangspunkt nehmen, vorausgesetzt es gab die einzelnen Komponenten des Basket auch schon in der Vergangenheit. Alternativ sucht man sich ein Stellvertreter-Asset, dessen Volatilitätsstrukturkurve man dann heranziehen kann, um einen fairen Optionspreis zu ermitteln. Aufgrund der Schätzproblematik haben sich mehrere Bewertungsansätze für diese Optionen entwickelt, zum Beispiel analytische Approximierungsverfahren (Huynh 1994). Für einen Basket mit bis zu vier Bestandteilen kann man Multifaktorbäume einsetzen, während man für Mehrkomponenten-Baskets Monte Carlo-Simulationen heranziehen kann (Vinciguerra 1998). Allerdings wird auch diese Methode mit zunehmender Anzahl an Basket-Bestandteilen immer unhandlicher. Für den Emittenten sind Basket Optionen und andere Optionen mit Korrelationskomponenten schwer zu managen, einfach weil sich die Korrelation einer exakten Prognose entzieht. Dazu kommt, dass Basket Optionen von den Endanlegern vor allem in Form von Calls nachgefragt werden. Damit sind die Investoren long in Volatilität und Korrelation. Für die Manager der Optionsbücher ist es schwierig, einen Ausgleich für ihre daraus resultierende Short-Position in Korrelation zu finden. Hinzu kommt, dass auch Baskets, die vermeintlich niedrig miteinander korrelierte Titel enthalten, plötzlich hochkorreliert werden können, beispielsweise weil alle Komponenten einen gemeinsamen, aber vielleicht nicht offensichtlichen Risikofaktor beinhalten. Das Risiko dieser thematischen Korrelation ist im Zuge der Sub-Prime & Co.-Krise in großem Stil schlagend geworden. 6.4.2.5.3 Exchange Options Exchange Options bieten dem Optionskäufer die Möglichkeit, das Underlying zu wechseln. Typische Produkte in dieser Kategorie sind Best-of- und Worst-of-Optionen. Deren Auszahlung richtet sich nach dem Basiswert mit dem stärksten Kursanstieg bzw. dem größten Kursverlust. Mit einer Standardoption ist diese Option nur zu vergleichen, wenn man deren mehrere heranzieht, da das Äquivalent zu einer Best-of-Option eine Serie von herkömmlichen Optionen ist, von denen sich jeweils eine auf jeden einzelnen Basiswert
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des Korbs bezieht. Dieses Optionsportfolio wäre natürlich recht kostenintensiv, hätte aber auch ein hohes Ertragspotenzial. Jede Option im Geld würde zu einer Auszahlung führen. Bei der Best-of-Option bekommt der Käufer die Entwicklung des Performance-Spitzenreiters und nicht nur den Durchschnitt wie bei einer Basket Option. Dafür fallen aber auch alle anderen positiven inneren Werte, die die anderen Titel mit positivem Kursverlauf erzeugt haben, unter den Tisch. Diese würden die Auszahlung bei einer Serie von Standardoptionen natürlich erheblich höher ausfallen lassen. Eine sehr hohe Korrelation der Underlyings würde zu einer hohen Auszahlung bei der Optionsserie führen und demzufolge im Vergleich zu einem hohen Minderertrag der Best-of-Option. Umgekehrt würde diese hohe Korrelation dann auch eine vergleichsweise hohe Prämienersparnis der exotischen Option nach sich ziehen. Exchange Options sind vielen institutionellen Investoren geläufig, allerdings in ihrer replizierten Form. Am Markt werden von einer Reihe von Asset Managern die sogenannten Best-of-Two-, seltener die Best-of-n-Strategien angeboten. Diese sind jedoch nichts anderes als Portfolios aus zwei Assets, die regelmäßig gemäß einer Rechenvorschrift gegeneinander umgeschichtet werden (Margrabe 1978). Der Anleger erhält die Performance des besser performenden Asset abzüglich einer Absicherungsprämie, die sich ex post aus Frequenz und Umfang der erforderlichen Umschichtungen ergibt. Auch wenn es dadurch gelegentlich dazu kommen kann, dass die Auszahlung der Best-of-Two-Strategie worsethan-both ausfällt, haben sich diese Strategien als Nischenprodukte etabliert. In ihrer jährlichen Marktübersicht verzeichnet Portfolio Institutionell für das Jahr 2015 vier Anbieter mit einem institutionellen Volumen von über 9,6 Mrd. C, die Best-of-Two zumindest als Teil ihrer Strategie einsetzen (Bendix 2016). 2009 hatte es noch knapp sechs Milliarden Euro betragen (Eisele 2010). Da einige Anbieter nicht an der Studie teilnehmen, dürfte das tatsächliche institutionelle Volumen in derartigen Konzepten über zehn Milliarden Euro liegen. Im Asset Management spielen Exchange Options außerdem in der Konstruktion von erfolgsabhängigen Vergütungen eine Rolle (Abschn. 7.5). 6.4.2.5.4 Minimum/Maximum Optionen Eine Variante der Best-of-/Worst-of-Options sind Minimum und Maximum Optionen. Hier erhält der Käufer der Option den maximalen bzw. minimalen Kurswert eines Underlyings angerechnet. Auch dies ist wieder ein Spielzeug für denjenigen, der sich damit brüsten will (in diesem Fall zu Recht), dass er am Top bzw. am Tiefpunkt gehandelt hat. Der Preis für diesen Luxus fällt aber entsprechend hoch aus (Stultz 1982). 6.4.2.5.5 Lite Options Und noch komplexer wird es mit Lite Options. Diese starten als Basket Options. Zu einem vorher festgelegten Zeitpunkt fallen dann die x am besten und/oder y am schlechtesten gelaufenen Basket-Komponenten aus dem Korb heraus. Bei Fälligkeit erhält der Käufer die Performance der verbleibenden Titel. Bei einer einjährigen Option mit 20 Titeln im Korb könnten also beispielsweise nach einem halben Jahr die jeweils fünf besten und
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schlechtesten Titel eliminiert werden, sodass für die Auszahlung nur die (Ganzjahres-)Performance der verbleibenden zehn Titel relevant ist. Man kann sich leicht vorstellen, dass einem derart komplexen Produkt kein besonders großer kommerzieller Erfolg beschieden war bzw. ist – wie den ähnlich ausgestalteten Mirage-Optionen (Abschn. 6.4.2.3.6). 6.4.2.5.6 Outperformance Options Weiterhin findet man am Markt häufig Outperformance Options, bei denen der Optionskäufer die Differenz zweier oder mehrerer Basiswerte erhält. Falls die relative Wertentwicklung zweier Basiswerte über deren Spread definiert ist, wird die Option auch oft als Spread Option bezeichnet. 6.4.2.5.7 Quanto Options Quanto-Produkte bezeichnen in der Regel Derivate, die neben dem Bezug zu einem Underlying Asset oder Markt auch eine Währungsabsicherung beinhalten. Will ein Anleger auf einen Anstieg des US-Aktienmarkts spekulieren, müsste er seine Euros in US-Dollar tauschen und dafür Aktien erwerben. Das Ergebnis seiner Spekulation hängt davon ab, wie sich der amerikanische Aktienmarkt entwickelt, aber auch davon, ob das Geld, das er am Ende seiner Spekulation in US-Dollar ausgezahlt bekommt, dann in Euro mehr oder weniger wert ist. Will der Spekulant aber rein auf den Aktienmarkt setzen, ohne seine Position der Währungsentwicklung zu unterwerfen, kann er sich einer Quanto-Option bedienen. Mit diesen Eigenschaften bedienen Quanto-Optionen eine echte Nachfrage am Markt. Auch Quanto-Optionen sind Korrelationsprodukte: p QC D X0 .Ke.rf rCKX ¢K ¢X /t NŒz Berf t NŒz ¢K t/
(6.16)
mit X0 = Wechselkurs (fixiert zum Zeitpunkt des Kontraktbeginns) r = Risikoloser Zinssatz der Fremdwährung B = Basispreis in Fremdwährung ¢2 ln . K C r C / f B 2 KX ¢K ¢X t p z = ¢ t K
Die Formel zur Bewertung herkömmlicher Calls wird angereichert um einen weiteren Zins (den Geldmarktsatz der Fremdwährung), die Volatilität des Wechselkurses und die Korrelation zwischen dem Wechselkurs und dem Preis des Underlying. Entsprechend schwierig ist der Quanto-Call abzusichern (ein ausführliches Beispiel für das Hedging eines Quanto-Produkts findet sich in Weiß 2006). Der Umgang mit Quanto-Optionen ist derart komplex, dass dabei sogar den Profis im Hause der Emittenten folgenschwere Fehler unterlaufen. So hat die Royal Bank of Scotland (RBS) über Jahre hinweg die Kurse von mehr als 300 Zertifikaten falsch berechnet, darunter vor allem Quanto-Zertifikate (Riedl 2016). Im Dezember 2015 begann die Bank
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damit, betroffene Investoren zu informieren und einen Entschädigungsprozess einzuleiten, an dessen Ende unter Umständen für die RBS ein Schaden in Millionenhöhe stehen könnte.
6.4.2.6 Kosten und Nutzen exotischer Optionen Wenn man eine Einwertung von exotischen Derivaten vornehmen möchte, muss man vorausschicken, dass einige Aspekte insofern subjektiv sind, als die Grenze, ab der die Exotik beginnt, für jeden Anleger woanders liegt. Je nach Wissensstand, technischer Infrastruktur und Erfahrung ist das Verständnis für Chancen und Risiken der einzelnen Arten mehr oder weniger ausgeprägt. Darüber hinaus verschiebt sich die Grenze der Exotik im Laufe der Zeit. Wenn alles mit rechten Dingen zugeht, verschiebt sich die Grenze nach hinten. Produkte, die einem in der Vergangenheit exotisch anmuteten, können in der Zukunft zu Standardprodukten werden, wenn man die nötige Vertrautheit mit ihnen aufgebaut hat. So waren herkömmliche Optionen in den 1970ern eben auch noch ganz außergewöhnliche Instrumente, während sehr viele Anleger diese heutzutage ganz selbstverständlich im Tagesgeschäft einsetzen. Grundsätzlich muss man sich als Investor stets bewusst sein, dass auch exotische Derivate nicht in der Lage sind, die Gesetze des Marktes außer Kraft zu setzen. Die Portraitierung der verschiedenen exotischen Optionen in den vorangegangenen Abschnitten hat gezeigt, dass bessere Gewinn- und Absicherungsmöglichkeiten immer über höhere Prämien abgegolten werden müssen und dass optisch verbilligte Optionsprämien kein Hinweis auf ein Schnäppchen sind, weil sie stets mit verminderten Gewinnchancen bzw. einer an irgendeiner Stelle reduzierten Absicherungswirkung einher gehen. Wer sich den Exoten nicht grundsätzlich verschließt, erhält Zugang zu einer Reihe von Vorteilen, die es ihm erlauben können, sein Portfoliomanagement noch erfolgreicher zu gestalten. Zunächst einmal ermöglichen sie es dem Investor, seine Diversifikation zu erweitern. Sowohl die exotischen Underlyings als auch die speziellen Auszahlungsprofile fügen dem Diversifikationsspektrum eine weitere Facette hinzu. Man denke allein an die Möglichkeit, sich Kurskorridore einzurichten, in denen man auch bei seitwärts verlaufendem Markt Erträge erwirtschaftet (Abschn. 6.4.2.2.4 und 6.4.2.4.1). Neben der Diversifikation um ihrer selbst willen kann ein Investor diese Zahlungsprofile auch zielgerichtet einsetzen und sie auf seine spezifischen Bedürfnisse maßschneidern lassen, beispielsweise über passgenaue Hebel. Dabei kann durchaus im Hintergrund stehen, für eine Anlageidee, die er auch selbst umsetzen könnte, operativen Aufwand und unter Umständen auch Transaktionskosten zu sparen. Exotische Derivate können auch ein Quell der Inspiration sein. Grundsätzlich sollte man eine Position nur dann eingehen, wenn man eine Vorstellung über ihr Chance- und Risikopotenzial entwickelt hat und nicht deshalb, weil das Instrument zur Umsetzung nun einmal da ist. Man jagt auch nicht mit Tempo 300 durch die Innenstadt, nur weil man eine leistungsstarke neue Maschine erstanden hat. Es spricht aber nichts dagegen, sich von einem neuen Produkt inspirieren zu lassen, ob man die Möglichkeiten, die es bietet, nicht an irgendeiner Stelle nutzenstiftend einsetzen kann.
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Ein Vorteil von exotischen Derivaten ist auch, dass sie einem in der Regel aktiv zugetragen werden. Aus Sicht der Anbieter sind es hochmargige Produkte, die innovativen Firmen innerhalb einer begrenzten Zeitspanne auch einen Wettbewerbsvorteil verschaffen können. Dazu ist es erforderlich, sie mit der entsprechenden Anstrengung auf breiter Front in der Kundschaft vorzustellen. Für den Vertriebsmitarbeiter sind sie willkommene Gelegenheiten, seine Kunden vergleichsweise häufig zu kontaktieren und sich als kompetenter Vertreter eines innovativen Hauses zu präsentieren und so die Kundenbeziehung zu festigen. Was man ebenfalls nicht unterschätzen sollte, ist die intellektuelle Herausforderung, die diese Produkte für die prospektiven Anwender darstellt. Jedes neue Produkt mit dem man sich beschäftigt, ist eine kleine Fortbildung. Sie lässt das Verständnis über Zusammenhänge sowie Chancen und Risiken, die man sich an den Kapitalmärkten erschließen kann, wachsen. Der Horizont wird wieder ein wenig ausgeweitet. Denn Voraussetzung dafür, dass exotische Optionen tatsächlich einen Nutzen stiften können, ist, dass der Nutzer dieser Instrumente ein tiefes Verständnis dieser Produkte hat. Insbesondere muss er in der Lage sein, abzuschätzen, wie sich die Risikoparameter eines Exoten in unterschiedlichen Marktkonstellationen entwickeln, um das Risiko adäquat aussteuern zu können. Darüber hinaus haben wir gesehen, dass sehr viele dieser Instrumente das Können des Nutzers hebeln. Derjenige, der überlegene Prognosefähigkeiten hat, findet in exotischen Instrumenten einen Werkzeugkasten, der es ihm erlaubt, dieses Können überproportional in Gewinn umzumünzen. Wer nicht über diese Fähigkeiten verfügt, wird zu der Erkenntnis gelangen, dass auch Nichtkönnen gehebelt wird und entweder für sehr schnell eintretende oder deutlich erhöhte Verluste sorgt. Und noch aus einem anderen Grund heraus sollte sich der Nutzer von Exoten in der Tiefe mit diesen Produkten auskennen. Sie werden von den Verkäufern ja nicht nur deshalb angeboten, weil sie den Käufern einen Dienst erweisen und sie in die Lage versetzen wollen, ihre Anlageideen umzusetzen. Diesen Produkten wohnt auch eine hohe Komplexität inne, die es dem Anbieter erlaubt, zumindest den Versuch zu starten, eine mehr oder weniger hohe Komplexitätsprämie zu verdienen, wenn sein Gegenüber nicht in der Lage ist, den wahren Wert eines komplexen Instruments zu ermitteln. Es ist gerade dieses hohe Maß an Komplexität, das für den Investor hohe Zugangshürden aufbaut. Er muss nicht nur wissen, wieviel ein solches Produkt wert ist. Er muss insbesondere eine ziemlich konkrete Ahnung entwickeln, wie ein solches Instrument in unterschiedlichen Marktszenarien reagiert. Für beide Aspekte ist ein erhöhtes mathematisches Verständnis ebenso erforderlich, wie Modelle, in denen diese Formeln eingesetzt werden. Es wurde aber schon darauf hingewiesen, dass es bei vielen Exoten nicht das eine wahre Modell gibt, das zu einem einzigen, dem „wahren“ Preis führt. Daher ist es erforderlich, auch das Modellrisiko, insbesondere die Risiken aus den darin getroffenen Annahmen, ermessen zu können. Der Break-even für den lohnenswerten Einsatz von exotischen Derivaten liegt also mitunter weit höher als bei herkömmlichen derivativen Instrumenten:
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Für den Anleger: Neben dem Kapitalmarktfachmann, der, wie eben dargestellt, adäquat aufrüsten muss, ist es gerade für das obere Management wichtig, sicherzustellen, dass die Strukturen und Abläufe auf einem Niveau sind, das es erlaubt, die Risiken dieser Instrumente zu beherrschen und so die Chance eröffnen, tatsächlich einen Nutzen daraus zu ziehen. Jedoch haben gerade diese Manager das Problem, dass wiederum ein vergleichsweise tiefes Verständnis der Derivate und der eigenen Organisation erforderlich ist, um beurteilen zu können, ob die getroffenen Vorkehrungen ausreichend sind. Dabei muss er sich im Klaren darüber sein, dass der Einsatz exotischer Derivate in jedem Fall auf Investitionen hinausläuft. Sowohl Mensch als auch Maschine müssen aufgerüstet sein, um den erhöhten Anforderungen gerecht zu werden. Dies betrifft nicht nur das Portfoliomanagement als die Stelle, die diese Instrumente aktiv einsetzt, sondern die ganze Prozesskette aus Verbuchung, Bewertung, Kontrolle und Reporting. Aus diesem Grund ist es erforderlich, dem erstmaligen Einsatz neuer Instrumente ein mehr oder weniger umfangreiches Projekt vorauszuschicken, das dafür sorgt, dass sämtliche Stellen, die mit diesen Instrumenten zu tun haben werden, ausreichend darauf vorbereitet sind. Für die Märkte: Aufgrund der bislang noch vorherrschenden OTC-Natur der Exoten, ist es mit der Transparenz hinsichtlich der Risikoquantitäten bei den einzelnen Marktteilnehmern, aber auch im Markt als Ganzem nicht weit her. Insofern ist die Kreditbeurteilung des Handelspartners ein schwieriges Unterfangen. Noch weiter im Dunkeln liegen Informationen über die Art und Qualität der Risiken und vor allem die Fähigkeit der einzelnen Teilnehmer, sachgerecht mit diesen umzugehen. Für die Regulierer: Das gleiche Informationsdefizit plagt natürlich auch die regulierenden Stellen. Ohne die entsprechende Transparenz fällt eine angemessene Regulierung schwer. Gleichzeitig ist es schwierig, Know-how in ausreichendem Maße an diese Stellen zu transportieren, auch weil diejenigen, die über das erforderliche Fachwissen verfügen, sich auch aus pekuniären Gründen meist lieber der Anbieterseite zuwenden. Insofern ist es nicht verwunderlich, wenn der eine oder andere Marktteilnehmer eine überzogene Regulierung, die die Risiken von exotischen Derivaten über- und den Nutzen unterschätzt, proklamiert. Die Bestrebungen, auch außerbörslich abgeschlossene Kontrakte über zentrale Stellen im Markt abzuwickeln und zu erfassen, ist sicherlich geeignet, für eine erhöhte Transparenz im Markt zu sorgen. Wie hoch der Nutzen aus diesen Informationen ist, wird sich weisen. Die Kosten für diese Maßnahmen sind jedoch gewiss und von Anbietern wie Nutzern zu schultern. Aber das scheint der natürliche Preis zu sein, wenn das Regulierungspendel nach einer Phase der möglicherweise zu laxen Regulierung immer mal wieder recht heftig in die andere Richtung ausschlägt.
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Wenn wirklich professionelle Investoren – also solche, die derartige Produkte verstehen, bewerten und absichern können und nicht nur diejenigen, die zwar in der Finanzbranche ihr Geld verdienen, aber in Dinge investieren, die sie nicht vollständig verstehen – sich exotischer Optionen bedienen, ist für Gleichheit der Waffen zwischen Verkäufer und Käufer gesorgt. Hier formuliert man auf der Buy Side zunächst die Markterwartungen und Eventualitäten aus, entscheidet sich dann für eine Strategie, wählt das passende Instrument, spezifiziert dessen genaue Ausgestaltung und schreibt diesen Auftrag schließlich unter mehreren Anbietern aus. Dieser Bieterwettbewerb in einem transparenten Rahmen sorgt für eine gewisse Preiskontrolle. Allerdings muss der Käufer dennoch überprüfen, ob die erhaltenen Angebote in einem vom ihm als fair erachteten Bereich liegen. In einem engen Markt mit nur einer kleinen Anzahl von möglicherweise miteinander vernetzten Anbietern besteht immer die Gefahr, dass die Angebote nicht den eigenen Preisvorstellungen entsprechen. Sollte es dennoch zwingend erforderlich sein, seine Anlageideen mit gerade diesem Instrument umzusetzen, bleibt immer noch die Möglichkeit, den Versuch einer Replikation zu starten. Das ist für versierte Portfoliomanager grundsätzlich kein Problem. Allerdings sollte man sich vor Beginn des Projekts die Vorteile und Risiken, gerade im Hinblick auf Modellrisiken und operative Aufwände, genau vor Augen führen. Aber auch in dem Fall, dass die Angebote ausgesprochen günstig erscheinen, ist Vorsicht angebracht. Irgendwer macht hier einen Fehler. Entweder man selbst hat sich verrechnet oder eine Besonderheit des Marktes nicht verstanden. Oder aber die Anbieter bieten aus Unkenntnis oder sehenden Auges Kampfpreise, beispielsweise weil es sich um einen Markt handelt, in dem sie unbedingt Marktanteile gewinnen wollen oder vielleicht auch, weil der Käufer eine Gegenposition anbietet, die für die gesamte Branche Mangelware darstellt. Eine echte Win-Win-Situation kann sich eigentlich nur dann entwickeln, wenn die Nutzenfunktionen von Käufer und Verkäufer ziemlich unterschiedlich aussehen. Insbesondere die Toleranz gegenüber starken Bewegungen im Underlying kann dazu führen, dass ein Marktteilnehmer ein typisches Optionskäuferprofil aufweist, während ein anderer ein natürlicher Optionsverkäufer ist (Abschn. 6.8.2). Um das mathematisch greifen zu können, ist es jedoch erforderlich, die Optionsbewertung auf Basis rechentechnisch wesentlich anspruchsvollerer Sprungprozesse durchzuführen (Abschn. 1.8). Besonders misstrauisch sollte man werden, wenn ein einziger Anbieter aus der Masse heraussticht. Entweder fährt er eine extrem aggressive Preispolitik oder er hat sich verrechnet, zum Beispiel weil er ein Bewertungsmodell einsetzt, das noch nicht ganz ausgereift ist. In diesem Fall muss sich der Investor fragen, ob der Anbieter solvent genug ist, um bei Fälligkeit die Gegenleistung zu erbringen, und zwar auch in dem Fall, dass er diese Ausverkaufspreise nicht nur ihm, sondern in großem Stile anderen Anlegern angeboten hat. Es wäre immerhin nicht der erste Fall, in dem einer Investmentbank ein grober Schnitzer im Umgang mit exotischen Derivaten unterläuft. Einige Beispiele hierzu sowie weitere Aspekte zur Einwertung exotischer Derivate finden sich in Abschn. 3.1.8.
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Dividendenrisiko
Dividenden sind immer für eine Überraschung gut. Auch sie gehen als ein preisbestimmender Faktor in die Optionspreisberechnung ein. Als Schätzgröße sind sie mit Unsicherheiten behaftet. So kann es selbst bei Standardoptionen zu mitunter bedeutenden dividendenbedingten Risiken kommen. Beispiel
Ganz prominent ging 1998 das Chaos, das eine Sonderausschüttung von Daimler auslöste, in die Annalen ein. Im März dieses Jahres hatte sich Daimler entschlossen, im Rahmen eines Schütt-aus-hol-zurück-Verfahrens (Auflösung von Gewinnrücklagen samt Steuergutschrift mit anschließender Kapitalerhöhung) eine außergewöhnlich hohe Sonderdividende von 20 DM auszuschütten – bei einem Kurs von ca. 160 DM. Und dann ging so ziemlich alles schief: Zunächst blieb der Zeitpunkt der Ausschüttung unklar. Ergo wusste niemand, welche Kontrakte von der Maßnahme betroffen sein würden. Dann war unklar, in welcher Höhe dieser Abschlag zu berücksichtigen war, da unter den Marktteilnehmern über die steuerlichen Effekte keine Einigkeit herrschte. Und schließlich machte die Deutsche Terminbörse DTB, die Vorläuferinstitution der heutigen Eurex, den Fehler, diese Kapitalmaßnahme als Dividende zu deklarieren und nicht als Aktiensplit, wie es eigentlich richtig gewesen wäre. So kalkulierten die Marktteilnehmer zunächst mit einem Dividendenabschlag, obwohl es zu einer Absenkung des Basispreises um die Ausschüttung hätte kommen müssen. Daher profitierten die Verkäufer von Calls und die Käufer von Puts. Die Aktion zog weite Kreise: Zunächst einmal wurde der Handel in Daimler-Optionen ausgesetzt – und zwar nicht nur am Tag der Bekanntgabe, dem 12. März 1998, sondern auch noch einmal zwei Tage später, nachdem es von vielen Marktteilnehmern harsche Kritik über die weiterhin falsche Deklaration als Dividendenabschlag gehagelt hatte und man erst einmal in sich gehen musste, um die korrekte Handhabe der Kapitalmaßnahme zu beraten. Natürlich kam die Problematik auch bei Optionsscheinen und OTC-Geschäften zum Tragen. Und im Optionsbereich waren nicht nur Daimler-Optionen betroffen, sondern auch der DAX, in dem Daimler prominent vertreten war. Also gab es auch Abstrahleffekte auf die Indexoptionen. Selbstverständlich war demzufolge das Geschäft im DAX-Future ebenfalls beeinträchtigt, da hier Unsicherheit darüber herrschte, wann und in welcher Höhe der Abschlag in die Future-Preisberechnung einfließen musste. Der gesamte Schaden im Derivatemarkt wurde auf über eine Milliarde DM geschätzt (von Heusinger 1998). Gravierend waren auch die Auswirkungen auf den Kurs der Daimler-Aktie. Ein Händler hatte die Information über die Sonderausschüttung nicht in seine Quote Machine eingegeben, die die Preise seiner Kauf- und Verkaufsangebote automatisch an Kursveränderungen des Underlying anpasst. Die Quote Machine stellte Put-Preise, die anderen Marktteilnehmern einen risikolosen Gewinn von 20 Mark erlaubten. Um die-
6.5 Dividendenrisiko
495
Abb. 6.6 EuroStoxx 50 Dividend Future. (Quelle: Thomson Reuters)
sen zu erzielen, kauften sie massiv Puts und sicherten das Delta über den Kauf von Daimler-Aktien ab. Dadurch stieg der Aktienkurs massiv an. Schließlich meldete der betreffende Händler die Mistrades. Der Handel wurde ausgesetzt, die Geschäfte rückabgewickelt. Dadurch brach auch der Kurs der Daimler-Aktie wieder ein. Selbst wenn keine Sonderausschüttungen im Spiel sind, bleibt die Dividende ein Quell der Unsicherheit. Da die Unternehmen die Höhe ihrer Dividende nicht auf Jahre hinaus im Voraus festlegen (können), sind Derivatenutzer auf Schätzungen angewiesen. Immerhin ist hier eine gewisse Transparenz gegeben, wo „der Markt“ die Dividenden der Zukunft im Durchschnitt erwartet. Ähnlich wie die sich in den Optionspreisen widerspiegelnde implizite Volatilität einen Einblick in die Markterwartungen hinsichtlich dieser Größe erlaubt, machen Dividenden-Futures die durchschnittliche Markterwartung über die Höhe der Dividenden transparent. Ein Beispiel dafür sind die 2008 an der Eurex eingeführten Dividenden-Futures (Abb. 6.6). Der Kurs eines solchen Future repräsentiert das Hundertfache der Index-Dividendenpunkte des Underlying, bei einem Index also die kumulierten Bruttodividenden aller in diesem Index enthaltenen Aktien. Sofern diese Dividenden noch alle in der Zukunft liegen, spiegelt der Future die reinen Erwartungen wider. Sobald die ersten Dividenden von im Index enthaltenen Unternehmen gezahlt worden sind, beginnt ein Prozess von 100 % erwarteten Dividenden hin zu 100 % realisierten Dividenden. Es ist leicht ersichtlich, dass die Dividendenerwartung sich im Laufe der Zeit verändert und immer weiter zum immer wahrscheinlicher werdenden realen Ausschüttungswert konvergiert. Je weiter der Ausschüttungstermin in der Zukunft liegt, desto höher die Unsicherheit. Dies führt insbesondere im Bereich der strukturierten Produkte zu Risiken. Diese
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6
Besondere Herausforderungen beim Derivateeinsatz
Risiken entspringen zwei Quellen: Zum einen müssen die Dividenden modelliert werden. Da es kein Modell geben kann, das Dividenden in der Zukunft sicher vorhersagt, bleiben stets mehr oder weniger hohe Schätzrisiken. Das Problem wird zum anderen dadurch verschärft, dass dieses Modellrisiko in komplex strukturierten Produkten oft einhergeht mit ähnlichen Risiken, die aus der Prognose von Volatilitäten und Korrelation herrühren. So waren in der Vergangenheit am Markt immer wieder Befürchtungen präsent, dass die eine oder andere Investmentbank ihre Produkte auf der Basis unrealistischer Dividendenannahmen preisen könnte, um durch eine für den Anleger vorteilhafte Preisgestaltung den Umsatz steigern zu können und so für das Unternehmen Marktanteile zu gewinnen und die handelnden Personen höhere Boni zu erzielen (Jeffery 2003). Begünstigt würde ein solches Gebaren durch die Komplexität des Geschäfts mit strukturierten Produkten. Schließlich könnte ein besonders günstiger Preis auch aus anderen Quellen rühren, wie der Struktur des restlichen Buchs, überlegenen Modellen, beispielsweise für Volatilitäten und Korrelationen oder einer bewusst in Kauf genommenen, aggressiven Preispolitik. Für einen externen Marktteilnehmer ist es unmöglich, herauszufinden, ob er ein Schnäppchen entdeckt hat oder sich auf einen Vertragspartner einlässt, der seine Produkte falsch bewertet und dadurch möglicherweise in Zukunft Probleme bekommt. Selbst für die hauseigenen Risiko-Controller mag der Kniff mit den Dividenden nicht sofort offensichtlich sein, insbesondere deshalb, weil der Markt für langfristige Dividenden nicht sehr transparent ist und sich Fehler erst im Laufe der Zeit, wenn der Dividendentermin näher rückt, offenbaren.
6.6 Margin 6.6.1 Hedge Tailing Laufende Gewinne und Verluste von Futures werden handelstäglich abgegrenzt und über ein Variation Margin-Konto verbucht (Abschn. 2.3.6). Das Auflaufen bzw. der Abfluss von Variation Margin bleibt nicht ohne Folgen für das realisierte Endergebnis eines Derivateeinsatzes. Erwirtschaftet die Position Gewinne, werden diese dem Variation Konto als Teil der Kasse gutgeschrieben und entsprechend verzinst. Läuft die Position gegen den Portfoliomanager, ist er gezwungen, aus seiner Kasseposition heraus die Variation Margin zu bedienen. Entsprechend fehlen ihm die Erträge aus dieser Kasseposition. Diese laufende Abrechnung sorgt also dafür, dass sowohl Gewinne als auch Verluste vergrößert werden. Die Störgröße ist vor allem dann relevant, wenn es um sehr präzise Portfoliosteuerung geht, beispielsweise bei der derivativen Nachbildung einer Index-Performance oder einer ganz akribisch ausgesteuerten Absicherung. Darüber hinaus ist der Effekt umso größer, je weiter das Zinsniveau von null abweicht und je länger die Laufzeit ist. In diesem Fall kann die Anzahl der einzusetzenden Kontrakte adjustiert werden, um den Margin-Effekt zu berücksichtigen (Merrill Lynch 2000b). Dies geschieht mit Hilfe des so genannten Tail
6.6 Margin
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Factors: Tail Factort D
1 1 C itT
(6.17)
mit T = Endzeitpunkt der Position Dabei wird unterstellt, dass sowohl Debit- als auch Kreditsalden mit dem gleichen Satz verzinst werden. Da der Tail Factor ein Korrekturfaktor für die Barwertberechnung innerhalb der Bestimmung des Future-Preises ist, orientiert er sich auch an der Future-Bewertung. Würde man einen Future einsetzen, der auf einem Aktienindex aufsetzt, bei dem die Dividendenzahlungen nicht wie beim DAX zeitlich sehr stark konzentriert sind, sondern sich eher über das Jahr verteilen, approximiert man die Dividenden als stetigen Dividendenstrom. Daher würde man den Tail Factor für einen solchen Kontrakt auch stetig berechnen. Tail Factort D ei.Tt/
(6.18)
Die Unterschiede zwischen den beiden Berechnungsarten sind jedoch in aller Regel sehr klein. Durch Multiplikation der ermittelten Hedge Ratio mit dem Tail Factor erhält man die Anzahl an Future-Kontrakten, welche den Effekt aus der Margin-Verzinsung approximativ berücksichtigt. Beispiel
Hat man also beispielsweise für einen Hedge 1000 Kontrakte vorgesehen und will den Hedge aus Genauigkeitsgründen tailen, ergäbe sich bei einem Zinssatz von vier Prozent und einer Laufzeit von 60 Tagen eine adjustierte Kontraktzahl von knapp 987 Kontrakten (siehe Abb. 6.7). Wenn der Markt gleich am ersten Tag stark fällt (Szenario 1) oder steigt (Szenario 2), gleicht das Tailing die Margin-Zinsen über die Restlaufzeit aus. Wenn man so genau aussteuern will oder muss, muss der Hedge und das Hedge-Ergebnis natürlich laufend analysiert und nachgebessert werden. Da es sich letztlich um eine Art Basis Trade handelt, sind Veränderungen der Basis über den Zinssatz von besonderem Interesse. Aber auch das Muster der Margin-Belastung und -Gutschrift sowie die Größenordnung dieser Cashflows können dazu führen, dass das Gesamtergebnis aus Absicherungsgewinnen und -verlusten und der Verzinsung des Margin-Kontos über oder unter Plan liegt.
6.6.2 Cash Management Eine operative Herausforderung ist das Bestimmen und Nachhalten von ausreichend Cash, um etwaige Variation Margins bedienen zu können und nicht zur Unzeit zwangsliquidiert
498
6
Besondere Herausforderungen beim Derivateeinsatz
DAX Anfang
10.000,00
DAX Future
10.066,67
Portfolio
100.000.000,00
Zinssatz
4,00 % 60
Tage
Kontraktanzahl
Ohne Tailing
Mit Tailing
-993,38
-986,80 Szenario 1: Markt fällt
DAX Ende
9.000,00 60
Tage
9.060,00
DAX Future G&V Future
10.000.000,00
9.933.774,83
Margin-Zins
66.666,67
66.225,17
10.066.666,67
10.000.000,00
G&V Portfolio
-10.000.000,00
-10.000.000,00
G&V gesamt
66.666,67
0,00
Hedge-Ergebnis
Szenario 2: Markt steigt DAX Ende Tage
11.000,00 60
DAX Future
11.073,33
G&V Future
-10.000.000,00
Margin-Zins
-9.933.774,83
-66.666,67
-66.225,17
-10.066.666,67
-10.000.000,00
G&V Portfolio
10.000.000,00
10.000.000,00
G&V gesamt
-66.666,67
0,00
Hedge-Ergebnis
Abb. 6.7 Tailing einer Absicherung
zu werden. Für die optimale Höhe der vorzuhaltenden Kasse gibt es keinen im Vorhinein bestimmbaren optimalen Wert. Idealerweise müsste dieser stets so gewählt sein, dass er die Verluste des folgenden Tages sowie gegebenenfalls von der Terminbörse eingeforderte Intra Day Margin abfängt. Diese Annahme ist jedoch absurd, denn wenn man wüsste, dass man mit der bestehenden Position Verluste macht, würde man diese in perfekter Voraussicht vermeiden, indem man die Position dreht und nicht warten und am nächsten Tag brav die Variation bezahlen.
6.6 Margin
499
Es bleibt also nur der Weg, mögliche Verluste des folgenden Tages abzuschätzen. Da mittlerweile jeder sophistiziertere Investor ohnehin im Rahmen seines Risikomanagements das kurzfristige Verlustpotenzial abschätzt, kann er die dieser Berechnung entspringenden Zahlen, gegebenenfalls auf einen Tag herunterskaliert, auch für seine MarginAbschätzung verwenden. Noch einfacher macht es sich, wer verstanden hat, wie die Terminbörsen ihre Margin-Anforderungen bestimmen. Die Eurex beispielsweise berechnet ihre Additional Margin so, dass 99 % aller Marktbewegungen am Folgetag abgedeckt sein sollten. Insofern bietet es sich an, diesen Wert einfach als Richtschnur für die eigene Variation Margin zu bestimmen. Wem 99 % zu viel oder zu wenig sind, kann diesen Wert ja auch einfach über ein Vielfaches der gewünschten Standardabweichung nach oben oder unten skalieren. Beispiel
Wie wichtig das Liquiditätsmanagement im Hinblick auf das Margin-Risiko ist, hat der 24. Juni 2016 demonstriert. Der Tag, an dem Großbritannien unerwartet beschloss, die Europäische Union zu verlassen, entpuppte sich als einer der hässlichsten Handelstage der letzten Jahre. Der EuroStoxx 50-Future notierte zeitweilig mit 13 % im Minus. Die Renditen zehnjähriger englischer Anleihen markierten die größte Handelsspanne der vergangenen fünf Jahre. Für den Wechselkurs US-Dollar/Pfund Sterling musste man gar mehr als 20 Jahre zurückgehen, um vergleichbare Bewegungen zu finden. Die am 24. Juni regulär eingeforderten Variation Margin-Zahlungen bezogen sich noch auf den vorherigen Handelstag. Um die aus den Verwerfungen des 24. Juni herrührenden offenen Risiken abzudecken, forderten die Terminbörsen/Abwicklungshäuser intraday zusätzliche Sicherheiten an, die teilweise innerhalb einer Stunde gestellt werden mussten. Madigan (2016) schätzt, dass im Umfeld des Brexit mehr als 40 Mrd. US-Dollar an Margins aus OTC- und börsengehandelten Kontrakten eingefordert wurden. Die gesamte disponible Kasse für ein Portfolio hängt natürlich von der Struktur dieses Portfolios ab. Je höher der Anteil an Derivaten auf volatile Underlyings, desto mehr Kasse muss vorgehalten werden. Beispiel
Würde man ein Portfolio, das je zur Hälfte in Aktien und lang laufende Anleihen investiert ist, vollständig durch Futures absichern, bräuchte man bei durchschnittlichen Volatilitäten und 99 % Konfidenz einen Kassepuffer von knapp zwei Prozent für die Variation Margin. Demzufolge berichtet beispielsweise Brown (1995) von einem Kunden, einem angelsächsisch geprägten Pensionsfonds, für den zwei Prozent der verwalteten Assets für Initial und vier bis fünf Prozent für die Variation Margin in den meisten Fällen mehr als ausreichend waren (vgl. auch Abschn. 5.4, siehe „Synthetische Indexierung“). Derartige Größenordnungen können also durchaus spürbare Auswirkungen auf die Rendite-Risiko-Struktur des Portfolios haben. Wichtig ist in jedem Fall, neben dem direkt
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Besondere Herausforderungen beim Derivateeinsatz
verfügbaren Cash eine zweite „Verteidigungslinie“, bestehend aus leicht und kostengünstig liquidierbaren Anlagen, in petto zu haben. Wie schwierig die Bestimmung der mathematisch richtigen Margin ist, zeigt sich auch darin, dass sich die Aufsichtsbehörden nicht auf einen einheitlichen Maßstab einigen können, wenn man unterstellt, dass die Differenzen nicht Ausdruck eines mangelnden Willens zur Zusammenarbeit sind. Die Derivateaufsichtsbehörden diesseits und jenseits des Atlantiks setzen unterschiedliche Standards für die Margin-Anforderungen bei Futures. Während die US-Commodity Futures Trading Commission (CFTC) davon ausgeht, dass bei börsengehandelten Futures Positionen auch beim Ausfall eines Marktteilnehmers innerhalb eines Tages verwertet werden können, setzt die European Securities and Markets Authority (Esma) mindestens zwei Tage an. Einig sind sie sich jedoch, dass OTC-Derivate ein Minimum von fünf Tagen erfordern. Obwohl börsen- und außerbörslich gehandelte Kontrakte vielfach wirtschaftlich identisch sind, beispielsweise Devisentermingeschäfte und Eurodollar Futures, scheint diese Differenzierung aufgrund der höheren Preis- und Volumentransparenz an einer Terminbörse gerechtfertigt. Dennoch sorgt das Thema immer wieder für Diskussionen, da die kostenwirksame Margin-Leistung bei OTC-Derivaten teilweise um den Faktor vier über den börsengehandelten Äquivalenten liegt (Cameron 2012).
6.7 Abwicklung Um Derivate zu handeln und abzuwickeln, muss sich der Derivatenutzer Zugang zu einer Terminbörse verschaffen. Am nächsten an der Terminbörse dran ist das Clearing-Mitglied, das direkt mit der Terminbörse in eine Vertragsbeziehung eintritt. Um sich als ClearingMitglied zu qualifizieren, sind hohe Hürden zu nehmen. So werden beispielsweise an der Eurex nur Kreditinstitute zugelassen. Diese müssen ein haftendes Eigenkapital im ein- bis dreistelligen Millionenbereich ausweisen, je nach Instrument, das sie abwickeln wollen. Außerdem sind umfangreiche Anforderungen in prozessualer und technischer Hinsicht zu erfüllen. Als Derivatenutzer wird man sich in aller Regel eines solchen Clearing-Mitglieds bedienen, um Zugang zu einer Terminbörse zu erhalten. Privatanleger und kleinere institutionelle Anleger geben ihre Orders oft bei ihrer Hausbank auf, die in vielen Fällen kein Clearing-Mitglied sein wird und ihrerseits wiederum erst ein Clearing-Mitglied einschalten muss. Es versteht sich von selbst, dass ein Kriterium für die Wahl der eigenen Vertragsparteien deren Nähe zur Börse ist, da die Einschaltung von Mittelsmännern in aller Regel höhere Kosten nach sich zieht. Dabei sind auch die indirekten Kosten in die Überlegungen einzubeziehen, beispielsweise die Regelungen zur Margin-Leistung. Jedes Clearing-Mitglied ist verpflichtet, gegenüber seinem Kunden die Margin-Leistungen mindestens in der Höhe zu erheben, die es auch selbst gegenüber der Börse zu leisten hat. Wie hoch die Zuschläge ausfallen, die dem Endkunden darüber hinaus auferlegt werden, ist eine Frage der Unter-
6.8 Image
501
nehmenspolitik. Eine ganz entscheidende Rolle bei der Wahl des Clearing-Partners spielt natürlich dessen Bonität. Zwar sind durch die Börsen Mindeststandards gesetzt. Dennoch ergeben sich große Unterschiede in der Kreditwürdigkeit möglicher Kontrahenten, die es in einer Kreditwürdigkeitsprüfung zu würdigen gilt. Ein weiteres Kriterium können die Reporting-Leistungen des Vertragspartners sein und dabei im Besonderen, inwieweit dieser die Bedürfnisse des Kunden hinsichtlich Inhalt und Zeitnähe erfüllen kann. Ein weiteres Vertragswerk, um das man sich kümmern muss – zumindest als (semi-)professioneller Anleger – ist das Give-up Agreement. Dies ist dann erforderlich, wenn man Aufträge nicht nur über seinen Clearing Broker aufgeben will, sondern die Orderausführung und die Abwicklung auf unterschiedliche Vertragspartner verteilen möchte. In diesen Standardvertragswerken sind vor allem die Grundzüge der Zusammenarbeit und die Abgrenzung der jeweiligen Haftungen geregelt.
6.8
Image
Mein Sohn, sey mit Lust bey den Geschäften am Tage, aber mache nur solche, daß wir bey Nacht ruhig schlafen können [Thomas Mann (2004, S. 174): Buddenbrooks; Mahnwort des Firmengründers an seine Nachkommen].
Eine ganz besondere Herausforderung beim Einsatz von Derivaten steht schon ganz am Anfang der Entscheidungskette, wenn es darum geht, ob man diese Instrumente überhaupt einsetzen soll oder nicht. Es handelt sich um eine Kombination mehr oder weniger weicher Faktoren, die sich vielleicht unter dem Begriff „Image“ subsumieren lassen und gleichsam den Ruf dieser Instrumentenklasse formen. Es ist eine Melange aus psychologischen und ethischen Aspekten, gepaart mit der allgemeinen Nachrichtenlage, der medialen Berichterstattung und einem mehr oder weniger ausgeprägten Fachwissen. Zweifellos erfüllen Derivate gesamtwirtschaftlich eine wichtige Funktion, indem sie es ermöglichen, Transaktionen einfacher, schneller und kostengünstiger durchzuführen. Insbesondere vereinfachen sie die passgenaue Absicherung und den Transfer von Risiken. Bestimmte Arten von Absicherungen sind einfach nur mit Derivaten darstellbar. Wenn es sie nicht gäbe, müsste man sie unbedingt erfinden. Allerdings kommt es in einer Welt, in der nichts und niemand isoliert existiert, auch ausgehend von den Derivaten zu Impulsen ins (Wirtschafts-)Leben hinein. Viele davon werden in diesem Buch besprochen. Deren Auswirkungen können einen positiven oder negativen Beitrag zum Gemeinwohl haben. Ob die gesamtwirtschaftliche Bilanz der Derivate trotz ihrer großen Verdienste um den Transfer von Risiken, der Verbilligung von Transaktionen und der Transparenzschaffung im Bereich der Preisfindung positiv ist, ist daher zumindest umstritten. Befürworter sehen sie als oft falsch eingeschätzt an und vergleichen sie mit Insekten: „Man nimmt sie nur dann wahr, wenn man sich ärgert, aber übersieht ihre wichtige Funktion im Gesamtsystem.“ (Koziol 2012).
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Besondere Herausforderungen beim Derivateeinsatz
Kritiker spotten, dass Derivate Probleme lösen, die wir ohne sie gar nicht hätten. Schließlich vereinfachen Derivate den Transfer von Risiken zwar. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Risiken dadurch verschwinden. Sie finden sich nur an einer anderen Stelle im System wieder. Das aggregierte Bruttorisiko bleibt also gleich, auch wenn der einzelne Anwender sein individuelles Risiko besser ausgesteuert hat. Zunächst einmal möchte man davon ausgehen, dass der eine oder andere Empfänger des Risikos in der Lage ist, damit ein bei sich bestehendes Risiko zu neutralisieren und somit nicht nur sein eigenes Risiko zu reduzieren, sondern das Risiko insgesamt aus dem System zu nehmen. Allerdings geht dieser Risikotransfer nicht ohne Risiken und Nebenwirkungen vonstatten. Denn einerseits sind Derivate nicht ganz trivial. Ansonsten bräuchte man ja auch kein Buch darüber zu schreiben, respektive zu lesen. Es gehört eine gewisse intellektuelle Leistung dazu zu verstehen, wie Derivate funktionieren. Das ist wie bei einem Auto. Es erleichtert den Transfer von A nach B. Aber man muss grundsätzlich verstehen, wie ein Auto funktioniert und vor allem reagiert und gelernt haben, damit umzugehen. Ansonsten kann es sein, dass der geplante Transport von A nach B irgendwo dazwischen endet. Derivate erhöhen also die Komplexität an den Finanzmärkten, was per se nachteilig ist, denn dadurch steigt die Gefahr, dass Risiken in Händen landen, die nicht in der Lage sind, angemessen mit diesen umzugehen. Allerdings kann man diesem Umstand relativ einfach durch den Erwerb von Fachwissen begegnen (Abschn. 6.8.1). Das Problem wird dadurch verschärft, dass die Struktur der internationalen Finanzmärkte nicht in der Lage ist, aufzuzeigen, wo die umverteilten Risiken letztlich abgeblieben sind. Weder ist ersichtlich, ob sich an bestimmten Stellen im System die Risiken in irgendeiner Weise kumulieren, noch besteht die erforderliche Transparenz darüber, ob ein Risikomanager in der Lage ist, die von ihm eingegangenen Risiken sachgerecht zu verarbeiten. Durch das allgemeine Vernetztsein wird dieser Mangel an Transparenz gefährlich, da niemand einschätzen kann, welche Risiken wie gut abgeschirmt sind und wo sich möglicherweise Wirkungsketten ausbilden, die sich zu einem Systemrisiko potenzieren können. Ob die Welt sich durch die Existenz von Derivaten also in einem besseren Zustand befindet, hängt davon ab, ob die zusätzliche kumulierte Komplexität in Kombination mit einer derzeit zumindest in Teilbereichen niedrigen Transparenz und die daraus erwachsenden Risiken durch den Nutzen im Risikotransfer etc. überkompensiert werden; eine Untersuchung, die schwer zu bewerkstelligen ist. Es dürfte allein schon schwierig sein, eine allgemeingültige Gewichtung der Für- und Wider-Aspekte zu ermitteln. Dies umso mehr, als Nutzen und Risiken oft an unterschiedlichen Stellen im System auftreten. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass zumindest in der Summe positive Effekte durchaus möglich sind. So zeigt Smithson (1995) in einer Metastudie, dass von der Einführung von Derivaten an diversen Börsen eher volatilitätsmindernde Effekte auftreten, das Gesamtrisiko also tendenziell reduziert wird. Und Bernstein (1996, S. 326–327) deutet an, dass Derivaterisiken vermutlich besser bei den Anlageprofis und Investment-Banken aufgehoben sind, als irgendwo anders im Wirtschaftssystem.
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Allem Anschein nach ist das Image von Derivaten ein Problem, das insbesondere deutsche Investoren umzutreiben scheint. Bodnar und Gebhardt (1998) ermitteln in einem Vergleich zwischen deutschen und amerikanischen Unternehmen, dass deutsche Unternehmen eher wenige Vorbehalte gegenüber Derivaten haben, die mit Abstand größte Sorge jedoch die öffentliche Wahrnehmung ist, während dies bei den Amerikanern nur ein Faktor unter vielen ist. Wenn man versucht, das latente Unwohlsein vieler Anleger beim Thema „Derivate“ dingfest zu machen, scheinen es immer wieder die gleichen Faktoren zu sein, die sich in unterschiedlichen Erscheinungsformen manifestieren. Betrachtet man die Ergebnisse einer Befragung institutioneller Investoren in Europa, warum sie Derivate nicht nutzen, so stehen an erster Stelle explizite Restriktionen (Rutter 2005; die Studie wurde von Richard Davies Investor Relations im Auftrag von Financial News durchgeführt und von der Eurex gesponsert). 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.
Explizite Mandatsrestriktionen Mangelndes Verständnis auf Seiten der Kunden Interne Risikorichtlinien Fehlende interne Systeme Marktregulierungen Mangelndes Verständnis auf Seiten der Treuhänder Fehlende interne Expertise Fehlende Verfügbarkeit passender derivativer Produkte Kosten Mangelndes Verständnis auf Seiten der Berater
Nur kommen die an erster Stelle stehenden expliziten Restriktionen ja nicht von ungefähr. Irgendwer muss sie ja erlassen haben und entsprechende Gründe dafür anführen können. Dafür ist es zunächst unerheblich, dass die Restriktionen zwei Quellen entstammen können, nämlich internen und externen. So sind die als dritte Nennung auftauchenden internen Richtlinien eine Ergänzung der expliziten Restriktionen. Die Regulierung taucht als möglicher Ursprung von externen Restriktionen bereits an fünfter Stelle auf. Die spezifischen Aspekte der Regulierung werden ausführlicher in Abschn. 6.9 besprochen werden. An dieser Stelle mag es genügen, dass sie in vielerlei Hinsicht von den gleichen Sorgen umgetrieben wird, wie die Erlasser interner Restriktionen. Damit können wir uns zunächst auf die Bedenken konzentrieren, die sowohl externe wie interne Einschränker artikulieren. Die verschiedenen Faktoren wirken auf den derivateinteressierten Anleger über ganz verschiedene Kanäle ein. Sie äußern sich in Form von regulativ-juristischen und medialen ebenso wie durch organisatorische Aspekte. So weist ein italienischer Asset Manager aus dem Versicherungsbereich darauf hin, dass die Vorteile von Derivaten in einem Umfeld, in dem langwierige Entscheidungsfindungsprozesse vorherrschen, nicht zur Geltung kommen können (Schenk 2001). Dies mag ein Grund dafür sein, dass Anfang des Jahrtau-
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Besondere Herausforderungen beim Derivateeinsatz
sends nur schätzungsweise eine Handvoll italienischer Versicherer Derivate nutzte. Diese abträglichen Faktoren treffen dann auf eine psychologische Prädisposition, die ihm ein Anfreunden mit den derivativen Instrumenten nicht gerade leicht macht. Das Negativbild ist dann in vielen Fällen bereits so tief verankert, dass rationale Argumente und Fakten nur sehr schwer zu einem Meinungsumschwung führen können. Damit bringen sich bestimmte Anlegergruppen jedoch selbst um die Chance, von den zahlreichen Vorteilen derivativer Finanzinstrumente profitieren zu können und erleiden Wettbewerbsnachteile gegenüber Mitbewerbern, insbesondere größeren Institutionen, denn (Scherer 2000, S. 325): Jede Restriktion vermindert die Möglichkeit, Zusatzerträge zu generieren und zwingt die Investmentgesellschaft, ihren Investmentprozess (Portfoliokonstruktion) anzupassen, wodurch zusätzliche Kosten entstehen.
Die möglichen Zusatzerträge werden an zwei Stellen verloren: Wie in Abschn. 4.5.1 dargestellt, steigt das Renditepotenzial mit der Anzahl unabhängigen Wetten. Mit einer Einschränkung der Derivate bleiben weniger Anlageideen übrig, die sich nach Kosten lohnen. Außerdem fehlen all jene Ideen, die so spezifisch sind, dass sie überhaupt nur über Derivate umgesetzt werden können. Clarke et al. (2002) zeigen, dass gewöhnliche Einschränkungen einem Aktienportfolio mehr als die Hälfte seines erwarteten Ertrags rauben können. So massiv sind die Auswirkungen eines Derivateverbots nicht. Dennoch könnte man pointiert sagen, dass man sich den Luxus der Einschränkung oder gar des Verzichts auf Derivate in Form von verminderten Erträgen leisten können muss. Scherer (2000) simuliert, wie allein das Verbot von Short-Positionen das Potenzial für Zusatzerträge in Form von Alpha reduzieren kann. Bei höheren Tracking Errors liegen die möglichen Einbußen bei mehreren Prozentpunkten Performance. Leider ist das Problem der teilweise festgefahrenen Ablehnung von Derivaten nicht leicht zu lösen, beruht es doch auf einer aus der Finanzmarktpsychologie (Behavioural Finance) bekannten Wahrnehmungsverzerrung, dem Bestätigungsfehler (Confirmation Bias). In der Kognitionspsychologie bezeichnet dies die Neigung, nur das zu hören, was man hören möchte und gezielt nach diesen bestätigenden Informationen zu suchen (Wason 1960). Wie dieser psychologische Mechanismus wirkt, konnte man 2002 sehr gut beobachten, als Investorenlegende Warren Buffett in seinem Jahresbericht einen vielzitierten Schlenker zum Thema „Derivate“ machte. Was bei den Derivateskeptikern hängen blieb war, dass das „Das Orakel von Omaha“ im Zusammenhang mit Derivaten von „Zeitbomben“ und „finanziellen Massenvernichtungswaffen“ gesprochen hatte. Ende der Botschaft. Ende der Botschaft? Nein, eben nicht. Denn Buffett hat sich sehr differenziert mit dem Thema auseinandergesetzt. Sein Hauptkritikpunkt zielt auf die Makroeffekte, die Derivate auf das gesamte Finanzsystem haben können. Dabei hebt er auf solche Aspekte ab, die Over-the-Counter-Transaktionen betreffen. Und das ist eine ganz elementare Einschränkung. Insbesondere das Kreditrisiko der Marktteilnehmer ist ihm ein Dorn im Auge. Nicht das Kreditrisiko per se ist es, was Buffett Sorgenfalten auf die Stirn treibt, sondern die Konzentration von Risiken in den Büchern weniger Händler. Diese tätigten Geschäfte mit
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Kunden, die wiederum so miteinander verbunden seien, dass negative Ereignisse dazu führen können, dass ganze Gruppen von Marktteilnehmern zeitgleich Probleme bekommen, beispielsweise durch die Implosion in der Telekommunikationsbranche. Diese potenziellen Gefahren sieht er durch mangelnde Transparenz verschlimmert. Nicht nur, dass aus den üblichen Unternehmensberichten nicht ersichtlich sei, welche Risiken die Unternehmen tatsächlich auf sich genommen haben. Buffett (2002, S. 15, übersetzt): Wenn Charlie [Buffetts Partner] und ich die langen Fußnoten gelesen haben, welche die Derivateaktivitäten von bedeutenden Banken erklären, ist das einzige was wir verstehen, dass wir nicht verstehen, wieviel Risiko diese Institution fährt.
Als zentrales Problem sieht er die mangelnde Preistransparenz der Instrumente an. Für viele Instrumente würden nicht permanent Marktpreise festgestellt (Mark-to-Market; Bewertung nach Marktpreisen). In solchen Fällen müssten die theoretischen Preise aufgrund von Modellen berechnet werden (Mark-to-Model; Bewertung gemäß Modell). Da die Marktteilnehmer jedoch verschiedene Modelle verwenden können, hinter denen unterschiedliche Annahmen und Berechnungsalgorithmen stehen, könnten sich Preise ergeben, die nicht unbedingt nahe am „echten“ Wert liegen müssen. Dieses Mark-to-Myth (Mythosbewertung) könne gar dazu führen, dass beide Vertragsparteien einen Gewinn auf dieselbe Position verbuchen. Durch die Komplexität der Geschäfte sei es dann auch für Wirtschaftsprüfer und Aufsichtsorgane sehr schwer, diese Positionen zu durchschauen und mögliche Fehler und Unregelmäßigkeiten zu erkennen. All diese Probleme finden sich in dieser Form nicht bei börsengehandelten Derivaten. Das Kreditrisiko ist sehr gering, da bei jedem Geschäft die Börse selbst die Gegenpartei darstellt. Die Preise werden laufend ermittelt und veröffentlicht. Die Preisfindung ist in den sehr liquiden Instrumenten, wie zum Beispiel dem Bund Future, so effizient, dass der Future zum Bewertungsmaßstab für die Anleihen wird, insbesondere in hektischen Marktphasen. Hier sei nebenbei bemerkt, dass auch im deutschen Kapitalmarkt außerhalb der Derivatesphäre Bewertungspreise akzeptiert werden, die mit dem tatsächlichen Marktwert auch nicht annähernd etwas zu tun haben, wie zum Beispiel bei Schuldscheindarlehen. Wenn man also ehrlich gewillt ist, Buffetts Botschaft über die Schlagzeilen hinaus wahrzunehmen, kommt man von angeblicher totaler Verdammnis zu einem ausgewogenen und zutreffenden Gesamturteil. Denn bei all den berechtigten Kritikpunkten, die willig von den Medien aufgegriffen wurden, sollte man nicht vergessen, dass Warren Buffett Derivaten nicht grundsätzlich negativ gegenübersteht. Dafür ist er zu intelligent und erfahren. Vielmehr versteht er den Bedarf nach Risikotransfer in einer leistungsfähigen Wirtschaft und dass Derivate hervorragend geeignet sind, diese Rolle zu übernehmen. Damit befindet er sich in guter Gesellschaft. Auch Ex-US-Notenbankchef Alan Greenspan hat erklärt, dass Derivate einen positiven Einfluss auf die „Entwicklung eines weitaus flexibleren, effizienteren und widerstandsfähigeren Finanzsystems“ hatten. Warren Buffett macht auch keinen Hehl daraus, dass er selbst immer wieder in großem Stil Derivate einsetzt und ihre Vorteile zu schätzen weiß (Buffett 2002, S. 14):
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Besondere Herausforderungen beim Derivateeinsatz
Tatsächlich führe ich bei Berkshire gelegentlich Derivatetransaktionen in großem Stil durch, um gewisse Investment-Strategien zu vereinfachen.
Und das ist eine sehr überzeugende Botschaft, folgt sie doch der Maxime „Put your money where your mouth is“. Wer weiß, wie vorsichtig Warren Buffett mit den ihm anvertrauten Geldern umgeht, kann ermessen, welches Gewicht es hat, wenn er seine Überzeugung mit zweistelligen Milliardenbeträgen unterlegt (Abschn. 4.2.2). Während er also durch bestimmte Arten von Derivaten ein Makrorisiko für die Finanzmärkte sieht, können andere Derivate auf der Mikroebene durchaus sinnbringend eingesetzt werden. Diese differenzierte Haltung vertritt auch Jennings (2002, übersetzt): Nun, es hilft, Derivate wie Atome anzusehen. Spalte sie auf eine Art, und du hast Wärme und Energie – nützliches Zeug. Spalte sie auf eine andere Art, und du hast eine Bombe. Man muss die feinen Unterschiede verstehen.
Diese Haltung wird von anderen professionellen Investoren geteilt. In der bereits erwähnten Studie gaben die Teilnehmer auf die Frage nach den größten Risiken im Derivatemarkt in dieser Reihenfolge zu Protokoll (Rutter 2005): 1. 2. 3. 4. 5.
Mangel an transparenter Bewertung bei OTC-Produkten Systemrisiko (gefördert durch den Zusammenbruch einer Counterparty) Fehlerhafter Verkauf komplexer strukturierter Produkte durch Investment-Banken Fehlendes Verständnis bringt Kunden dazu, unpassende Produkte zu erwerben Operationale/Back-Office-Fehler
Mit OTC-Derivaten verbundene Aspekte stehen im Mittelpunkt. Wobei die Punkte 3 und 4 durchaus auch bei einfachen börsengehandelten Derivaten vorkommen können, da auch Standard-Optionen und -Futures ein Mindestverständnis erfordern. Wie hat Serge Demolière, dereinst Derivate-Vordenker bei der Dresdner Bank, immer so treffend gesagt: Welcher Laie wird je verstehen, dass der Verkäufer einer Verkaufsoption bei Ausübung der Verkaufsoption durch den Käufer der Verkaufsoption der Käufer der von dem Käufer der Verkaufsoption verkauften Wertpapiere ist?
6.8.1 Fachwissen In vielen Bereichen des Finanzwesens kann ein Laie schnell versucht sein, sich aus seiner finanzbezogenen Allgemeinbildung heraus ein Urteil über bestimmte Sachverhalte zu bilden. So mag aus Sicht mancher Zeitgenossen schon der Besitz eines Telefonanschlusses Qualifikation genug sein, um sich eine Meinung über die Entwicklung des Aktienkurses der Deutschen Telekom zu erlauben. Zum Glück liegt bei den meisten Investoren die Hemmschwelle beim Thema „Derivate“ deutlich höher. Es ist ein komplexes Thema, das
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man nicht mal eben im Vorbeigehen erfasst, um sich zum „gefühlten Experten“ aufzuschwingen. So springt in der oben wiedergegebenen Liste der Hindernisse für den Einsatz von Derivaten sofort ins Auge, dass sie von Verständnis-/Wissensproblemen dominiert ist. Wäre man bei der Befragung sprachlich stringent vorgegangen, wäre dies noch augenfälliger. Aber auch so wird klar, dass intern, extern (Kunden und Consultants) und an der Schnittstelle bei den Treuhändern Defizite im Verständnis identifiziert oder doch zumindest vermutet werden. Dabei lassen sich auch die „fehlenden internen Systeme“ großteils unter die Überschrift „Verständnisprobleme“ gliedern. Natürlich sind es einerseits die Lizenzkosten, die dafür sorgen können, dass ein ausgefeiltes System (noch) nicht angeschafft wurde. Viel schwerer wiegt jedoch das möglicherweise dahinter verborgene fachlich-intellektuelle Defizit, denn ganz entscheidend ist, dass ein Anleger zunächst einmal in der Lage ist, die Anforderungen an ein solches System zu spezifizieren. Dazu ist ein tiefes Verständnis für das eigene Geschäftsmodell, die Funktionsweise von Derivaten und das Zusammenspiel der beiden erforderlich. Danach gilt es ein adäquates System zu identifizieren, falls man ein solches einkaufen möchte oder dieses gar selbst zu programmieren. Die eigentliche Krux kommt dann im laufenden Betrieb, da hier nicht nur die Spezialisten an diesem System arbeiten, sondern auch andere Bereiche des Unternehmens, die ebenfalls mit dem System oder seinen Ergebnissen umgehen müssen. Da ein derartiges System auf mehr oder weniger umfangreichen Annahmen basiert, ist für den sachgerechten Umgang immer die Kenntnis dieser Einschränkungen erforderlich, um die Ergebnisse richtig interpretieren zu können und die passenden Maßnahmen einzuleiten. Ein stets funktionierendes Rezept für das Herbeiführen einer Katastrophe besteht darin, errechnete Ergebnisse einer Risikomanagement-Software unreflektiert für bare Münze zu nehmen und unhinterfragt Maßnahmen zu ergreifen oder auch zu unterlassen (Wir erinnern uns: Einer der sichersten Wege in den Ruin ist die EDV; Abschn. 4.3.1.1). Dieser naive Umgang mit komplexen Approximationen war auch eine Ursache für die weltweiten Erschütterungen der Finanzwelt im Gefolge der Sub-Prime-etc.-Krise. Selbst die „Fehlende Verfügbarkeit passender derivativer Produkte“ kann mangelnder Kenntnis der Materie geschuldet sein. Bei Licht betrachtet, dürfte es kaum eine Anlageidee geben, für deren Umsetzung nicht auch ein Derivat konstruierbar wäre – vorausgesetzt die nötige Expertise ist vorhanden. Wo eine Idee und ein Wille sind, ist fast immer auch ein derivativer Weg (Fisher Black; zitiert in Zhang 1997, übersetzt): Mit Derivaten kannst du fast jedes Auszahlungsprofil haben, das du willst. Wenn du es auf Papier zeichnen oder mit Worten beschreiben kannst, kann jemand ein Derivat designen, das dir diese Auszahlung gibt.
Dieser Weg ist nur da verbaut, wo er an gesetzliche oder ethische Grenzen stößt. Oder der Weg ist zwar vorhanden, seine Beschreitung aber prohibitiv teuer, weil die Kosten der Produktion den Nutzen übersteigen. Dann wäre der Grund aber „(zu) hohe Kosten“, denn machbar ist (fast) alles.
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Der Grad an Fachwissen wirkt so über weite Strecken als natürliches Regulativ für Art und Umfang des Derivateeinsatzes (Bodnar und Gebhardt 1998). Damit ist der Ansatz eines Investors, der nach der Maxime handelt „Was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht“, zunächst einmal nicht verkehrt. Ein Beispiel, wie man jedoch vor lauter Vorsicht, gepaart mit einem unvollständigen Derivateverständnis, über das Ziel hinausschießen und den derivativen Handlungsspielraum unnötig (und unlogisch) einschränken kann, findet sich in Abschn. 3.1.4. Dennoch scheint diese Haltung finanziell deutlich gesünder als die nassforsche „Aufgeschlossenheit“ desjenigen, der seine intellektuelle Durchdringung der Materie überschätzt. Dieses Phänomen wird in der Finanzwissenschaft im Zweig der Behavioural Finance unter der Rubrik „Übersteigerte Zuversicht“ (Overconfidence Bias) geführt. Demnach überschätzen viele Anleger ihre Kenntnisse in ähnlicher Weise wie die berühmten 80 % der Autofahrer, die sich für überdurchschnittlich halten. Durch die Hebelungseigenschaft der Derivate kann eine Fehleinschätzung in diesem Bereich allerdings ziemlich kostspielig ausfallen, wie ein Experiment der Société Générale zeigt (Preuveneers 2004). Hintergrund war die Zulassung von Covered Warrants in England im Jahr 2002. Damals gab es Bedenken, dass potenzielle Nutzer möglicherweise nicht das nötige Fachwissen aufweisen könnten, um mit diesen Instrumenten sinnvoll umzugehen. Société Générale baute daraufhin eine Handelsplattform, auf der jeder Interessierte 10.000 britische Pfund Spielgeld bekam, um damit zu handeln. Mehr als 2000 Teilnehmer nutzten diese virtuelle Börse. Obwohl die Veranstalter während der vier Wochen Handelszeit im Oktober 2004 deutliche Fortschritte der Teilnehmer in Form von besseren und stabileren Ergebnissen feststellen konnten, fuhr mehr als die Hälfte der Händler Verluste ein. Und während der beste Teilnehmer einen Gewinn von 315 % erwirtschaftete, lag das Ergebnis des Schlusslichts bei 988,9 %. Wenn es um echtes Geld geht, kommen derartige Fehltritte regelmäßig im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten ans Licht. Gerade in der Vielzahl der Prozesse um strukturierte Zinsgeschäfte von Kommunen werden immer wieder pikante Details öffentlich. Dabei dreht sich die Schuldfrage in der Regel darum, ob die verkaufende Bank die Risiken kleingeredet, vielleicht sogar verschwiegen hat, oder ob der Kämmerer der Kommune die Derivate leichtfertig in Unkenntnis der Funktionsweise gekauft hat, wie zum Beispiel im Verfahren zwischen mehreren Kommunen und der WestLB, wo der Senatsvorsitzende am Oberlandesgericht Hamm in der mündlichen Verhandlung erklärte (Jja 2014): Da wurden Geschäfte gemacht, die man eigentlich nicht verstanden hat. Da wurde gezockt.
Besser ist es, wenn mangelndes Fachwissen entdeckt und thematisiert wird, bevor das Kind in den Brunnen fällt und man sich so teures Lehrgeld sparen kann. Beispielsweise kritisierte das Bundesversicherungsamt die Krankenkassen, weil diese sich von ihren Banken als „professionelle Kunden“ einstufen lassen würden. Dieser Status besagt, dass die Kassen über ausreichende Kenntnisse verfügen, die es ihnen erlauben, Anlageentscheidungen korrekt einzuschätzen und zu treffen. Die Prüfer monierten jedoch, dass genau dieses Wissen in vielen Fällen nicht in ausreichendem Maße vorhanden sei (Ami 2015).
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Auch im Stiftungssektor begibt sich, wer schlecht vorbereitet in Derivate investiert, auf dünnes Eis, das nur durch den Erwerb von Fachwissen abgesichert werden kann, denn (Hüttemann 2016b, S. 680): Die Investition in „komplexe“ Finanzprodukte, deren wirtschaftliche Funktion die Mitglieder des Vorstands nicht hinreichend verstanden haben (z. B. Derivate), wird schon aus diesem Grund in der Regel eine Pflichtverletzung darstellen.
Dabei sind Derivate, wenn ihre Eigenschaften richtig vermittelt werden und auf ein offenes Ohr und gesunden Menschenverstand treffen, nicht kompliziert. Der Anblick der Black-Scholes-Formel hat sicherlich schon manchen Anleger in seinen Bestrebungen, sich genauer mit dem Thema Optionen auseinanderzusetzen, entmutigt. Aber auch um ein Auto zu bauen, benötigt man heutzutage ein Wissen, das auf Tausenden von Jahren Physik und Jahrhunderten von Maschinenbau fußt ebenso wie profunde Kenntnisse nicht nur in Elektronik, Elektrotechnik und Aerodynamik, sondern auch Design und Computertechnologie. Um die Vorteile eines Autos zu nutzen, genügen jedoch etwas Theorie und ein paar Fahrstunden. Ebenso verhält es sich mit Derivaten (Ineichen 1999). Aufgrund des etwas erhöhten, vor allem mathematischen Anspruchs ist das Thema vermutlich nicht unbedingt massenkompatibel. Es ist schwer vorstellbar, dass auflagenstarke Wirtschafts- und Finanzzeitungen und -zeitschriften Derivaten eine ähnlich umfangreiche Berichterstattung einräumen wie der Frage, welche Aktien in welchen Regionen derzeit besonders attraktiv sind. Wobei man Hoffnung haben darf. Mit der zunehmenden Popularität der Zertifikate als typischem Privatkundenprodukt haben auch Finanzzeitungen und -zeitschriften den derivativen Instrumenten einen höheren Stellenwert und damit einen größeren redaktionellen Anteil eingeräumt. Dennoch ist das Thema (noch?) nicht so präsent und von der Allgemeinheit noch weniger durchdrungen als z. B. das Thema „Aktien“. Insofern ist es zur Förderung des verstärkten Einsatzes von Derivaten erforderlich, sich aktiv einzusetzen, um doch etwas dickere (Verständnis)Bretter zu bohren. Dabei geht es zunächst darum, ein theoretisches Grundverständnis der Wirkungsweise und Risikotreiber zu erwerben. Dieses Wissen muss, im jeweils erforderlichen Maß, an allen Stellen des Hauses, die mit dem Produkt umzugehen haben, geschaffen werden. Das ist es, was man neudeutsch als das Aufsetzen und Durchlaufen eines „New Instrument Process“ versteht. Darauf aufbauend gilt es, schrittweise praktische Erfahrung im Umgang mit diesen Instrumenten aufzubauen, zunächst in einfachen und kleinen Positionen. Wenn man mit diesen hinreichende Sicherheit erworben und deren Entwicklung in unterschiedlichen Marktszenarien erlebt und verstanden hat, kann man die Komplexität schrittweise steigern. Ein „Zu schnell zu viel“ ist eine typische Ursache für einen fehlerhaften Risikotransfer. Problematisch ist in der Praxis insbesondere das Wissensgefälle zwischen den am Portfolio agierenden Spezialisten und den nachgelagerten oder vorgesetzten Stellen. Denn es sind die Kontroll- und Aufsichtsgremien, die Anlagerichtlinien gestalten und somit den Rahmen vorgeben, innerhalb dessen sich der Spezialist bewegen darf. Viel zu oft wird deshalb in der Rubrik „Derivate“ ein pauschales Gebot verhängt, weil einem dieser Posten nicht vertraut und damit suspekt ist. Damit wird jedoch dem Spezialisten, der sich in
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dieser Materie auskennt, die Chance genommen, dieses Wissen in einen Mehrwert für das Unternehmen umzusetzen. Jedoch ist auch der Spezialist nicht immer gut in dieser Materie unterwegs, wovon Abschn. 6.8.4 zeugt. Unangenehm ist an diesen Fällen einerseits, dass sie selbst vermeintlichen Spezialisten unterlaufen sind, andererseits, dass ganz offensichtlich schon die unmittelbaren Aufsichtspersonen der Schadensverursacher nicht in der Lage waren, diese adäquat zu kontrollieren. Beispiel
Das unterstreicht auch ein Fall jüngeren Datums, von denen einige der Ansicht sind, er sei ein heißer Kandidat für den Titel „Schlechtestes Geschäft aller Zeiten“ (Osborn 2014). Der portugiesische Eisenbahnbetreiber Metro do Porto (MdP) hat mit der Banco Santander Totta einen Swap abgeschlossen, der unter anderem vorsieht, dass MdP in jedem Quartal, in dem er Dreimonats-Euribor unter zwei Prozent notiert, das Doppelte der Differenz zwischen zwei Prozent und dem Dreimonats-Euribor bezahlt – zusätzlich zu dem, was sie im vergangenen Quartal bezahlt hat. Durch den unerwarteten Zusammenbruch der Geldmarktzinsen war der annualisierte Kupon im September 2013 auf 40,6 % angestiegen. Zu diesem Zeitpunkt stellte MdP die Zahlungen ein. In der Tat wird die Konstruktion von Akademikern als „sinnlos“ und „ohne rationalen wirtschaftlichen Sinn“ beschrieben. Umgekehrt wird ein Beobachter zitiert, er habe eine derartige Ignoranz wie bei MdP bisher nirgendwo anders gesehen. Was diesen Fall unter dem Aspekt „Mangelndes Fachwissen“ so interessant macht, ist die Tatsache, dass der zuständige Manager und sein Vorgesetzter mittlerweile als Referent in Finanzfragen bzw. als Finanzprofessor tätig sind. Bleibt zu hoffen, dass sie im Rahmen ihrer Lehrtätigkeit über diese Finanzkatastrophe aus erster Hand berichten, um ihren Zuhörern die daraus gewonnenen Lektionen als „Lehren fürs Leben“ mitzugeben. Mangelndes Fachwissen war sicherlich auch ein Grund für das häufige Hin und Her bei der Regulierung, die stets zwischen Verbot und Liberalisierung, zwischen Über- und Unterregulierung pendelte (Abschn. 6.9). So ist und bleibt ein ausgeprägtes Fachwissen das einzige Heilmittel, um diese Instrumente im erforderlichen Maße sachgerecht einzusetzen. Die Erfahrung zeigt, dass mit steigendem Wissen um die Wirkungsweise von Derivaten sich die Erkenntnis durchsetzt, dass deren Vorteile die Nachteile überwiegen. Dieser Zusammenhang findet sich auch in der von Hayt und Levich (1999) zusammengefassten Studie. Unterstellt man, dass bei institutionellen Anlegern das Know-how mit der Unternehmensgröße zunimmt, zum Beispiel weil das gebündelte Fachwissen vieler Spezialisten (weit) grösser ist als die Kenntnisse eines oder weniger Generalisten, dann ist das Ergebnis, dass zu diesem Zeitpunkt nur 26 % der kleinen, aber schon 49 % der mittelgroßen und 70 % der großen Institutionen in den USA den Einsatz von Derivaten gestatteten, nicht verwunderlich. Aus dem oft unzureichenden Know-how kleinerer Institutionen erwächst die Angst vor den Risiken dieser Produkte.
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Allerdings können einen Derivate auch in Bereiche führen, in die kein Fachwissen mehr hineinreicht. Ein Beispiel dafür ist das Thema Replacement Valuation Adjustment. Dabei handelt es sich um eine Klausel in vielen Derivatekontrakten, die eine Option in Form eines Downgrade Triggers beinhaltet. Diese besagt, dass eine Vertragspartei aus einem Vertrag aussteigen und ihren Vertragspartner obendrein sogar für einen Ersatz bezahlen lassen kann, wenn dessen Rating auf ein bestimmtes Niveau fällt. Und wo liegt das Problem? Der Leiter des Zinshandels einer großen europäischen Bank wird mit den Worten zitiert (Cameron 2013, übersetzt, S. 17): „Wir haben keine Ahnung, wie man sie bewertet oder wie man das mit ihnen verbundene Risiko managed.“ Zwei Aspekte machen diese Optionen so unangenehm: Erstens ist es eben eine Option, das heißt, sie gibt dem Optionsinhaber das Recht, aber nicht die Pflicht, sie auszuüben. Der Stillhalter weiß also nicht, ob er, sobald er den Rating Trigger ausgelöst hat, überhaupt in Anspruch genommen wird und wenn ja, wann. Dass die Inanspruchnahme unsicher ist, hängt mit dem zweiten Haken an der Sache zusammen, der darin besteht, dass der Mechanismus eine schwer zu beziffernde Komponente in Form von Systemrisiko beinhaltet. Nach den Erfahrungen des Lehman-Kollaps muss man davon ausgehen, dass eine (drastische) Bonitätsverschlechterung eines großen Marktteilnehmers nicht auf diesen isoliert bleiben wird. Und wenn der Optionshalter davon ausgehen kann, dass sich das Problem im Markt vom einen zum anderen fortpflanzt, überlegt er sich vielleicht zweimal, ob er sein Recht ausübt und sich den mit dem Wechsel verbundenen Such- und Administrationsaufwand antut. Das Problem wird dadurch verschärft, dass sich die wenigen (noch) stabil gerateten Banken ihre starke Stellung mit entsprechenden Aufschlägen teuer bezahlen lassen werden, insbesondere von einer Bank, von der der ganze Markt weiß, dass sie angezählt ist und gar keine Alternativen hat. Die hohen Ersatzkosten, die die herabgestufte Bank bezahlen muss, werden diese weiter schwächen, sodass sich hieraus eine Abwärtsspirale ergeben kann, bei der letztendlich auch der vormals starke Marktteilnehmer nicht sicher sein kann, ob und wo sie haltmacht. Jedoch ist gerade in Fällen, in denen ein Derivat auch mit bestem Fachwissen nicht mehr greifbar ist, der Umgang mit ihm ganz einfach. Es gilt: Finger weg.
6.8.2 Psychologie Auch bei Anlegern, die durchaus über die grundlegenden Zusammenhänge an den Finanzmärkten Bescheid wissen, kommt es immer wieder zu psychologisch begründeten Problemen gerade beim Hedging. Grund hierfür ist der sogenannte Fehler der Invarianz. Damit beschreiben Kahneman und Tversky (1984) das Phänomen, dass Menschen dazu tendieren, sich unterschiedlich zu entscheiden, nur weil man den Sachverhalt anders darstellt. Diese äußert sich häufig in Form des Mental Accounting, einem Prozess, bei dem Komponenten des Gesamtbildes getrennt werden. Daraufhin geht der Überblick verloren, dass eine Entscheidung, die einen Baustein betrifft, auch auf das große Ganze abstrahlt.
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Im Falle von Derivaten äußert sich dies in dem oft buchhalterisch geprägten Auseinanderdividieren von zusammengehörenden Positionen. Aus Gl. 2.2 ist ersichtlich, dass die Absicherung einer Risikoposition durch Futures dem Aufbau einer synthetischen Kasseposition entspricht. Angenommen, zwei Portfoliomanager haben eine negative Meinung zum Aktienmarkt. Der eine verkauft seinen gesamten Bestand und legt das Geld in die Kasse, wo er einen Geldmarktertrag erzielt, während der andere seine Position über Futures absichert und somit ebenfalls auf die Geldmarktverzinsung kommt. Obwohl beide ein wirtschaftlich identisches Ergebnis erzielen, läuft der zweite Manager Gefahr, dass der Anleger die Positionen buchhalterisch separat betrachtet und ihm die auf der einen Seite erlittenen Verluste vorwirft, während er die Gewinne der Gegenseite, die nie erzielt worden wären, wenn sich der Portfoliomanager für die erste Variante entschieden hätte, als Selbstverständlichkeit abtut. Dies führt in Besprechungen mit Anlegern leider regelmäßig zu Diskussionen. In diesem Zusammenhang ist auch ersichtlich, dass eine spezielle psychologische Disposition unabdingbar ist, wenn man mit Optionen arbeitet oder, bei delegiertem Vermögensmanagement, deren Einsatz erlaubt: die Fähigkeit mit Totalverlusten klarzukommen. Diese stellen sich bei Optionen deutlich häufiger ein als in den Underlyings, deren Kurse selbst im Krisenfall selten auf null fallen. Berücksichtigt man weitere Erkenntnisse der Behavioural Finance, so verwundert dies keinesfalls. Kahneman und Tversky (1991, S. 1053) haben empirisch ermittelt, dass der aufgrund eines Verlusts empfundene Schaden bei einem durchschnittlichen Anleger in etwa doppelt so hoch ist wie der Nutzen aus einem Gewinn gleicher Größe. Dadurch wird die negative Presse der Derivate im Empfinden des Anlegers noch einmal potenziert. Aufgrund dieses Phänomens ergibt bei getrennter Betrachtung der gesicherten und der Sicherungsposition eins minus eins eben nicht mehr null, sondern minus eins (1 1 2 D 1). Ein ganz wichtiger Aspekt, der gerade im Management von institutionellen Mandaten und der damit einhergehenden Kundenkommunikation eine wichtige Rolle spielt, wird hierbei erneut deutlich: Auch die Intention, die hinter einer Position steht, spielt letztendlich eine Rolle, wenn der Anleger entscheidet, ob der Einsatz von Derivaten ex post sinnvoll war. Würde der Anleger die abzusichernde und die Absicherungsposition separat betrachten, käme er vermutlich zu dem Trugschluss, dass der Portfoliomanager sein Geschäft nur bedingt versteht. Während er in einem fallenden Markt offensichtlich mit Derivaten umzugehen und Gewinne zu erzielen weiß, hat er seine Kassaposition nicht im Griff, da sie Verluste aufweist. Versteht er jedoch die Intention, mit der die Absicherung eingegangen wurde und betrachtet die Gesamtposition sachgerecht als Einheit, wird sich die Bewertungsperspektive vollständig verändern. Daneben sind noch weitere psychologische Besonderheiten gerade beim Einsatz von Optionen zu beachten: Wir haben schon gesehen, dass sich der Optionär in seiner Persönlichkeit vom typischen Aktionär unterscheidet. Um die richtige Option zu bestimmen, ist ein erhöhtes Maß an Analyse erforderlich, gilt es doch nicht nur herauszufinden, ob ein Underlying steigt oder fällt, sondern auch wie weit, in welchem Zeitraum und auf wel-
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chem Wege. Und bei der sich anschließenden Positionspflege bedarf es sehr viel Disziplin und Arbeit. Buy and Hold genügt nicht. Engagement und Entscheidungsfreude sind psychologische Grundvoraussetzungen, um die Vorteile von Optionen nutzen zu können. Der gemeinsame Nenner lautet: Der Umgang mit Optionen ist anstrengend. Der erfolgreiche Optionär muss gewillt sein, diese Anstrengung auf sich zu nehmen. In dieser Hinsicht ist er das Äquivalent zum Strafraumspieler im Fußball und Kreisläufer im Handball: Er darf keine Scheu haben, dahin zu gehen, wo es wehtut.
6.8.3 Derivate Historie Oftmals führen Investoren als Begründung für ihre Ablehnung von Derivaten an, dass man dieses neumodische Zeug nicht brauche. Ob sie Derivate brauchen oder nicht sei dahingestellt und kann nur im jeweiligen Einzelfall beurteilt werden – wobei dieses Buch auch eine Menge Argumente für den Einsatz liefern dürfte. Was jedoch definitiv falsch ist, ist die Einstufung als „neumodisch“. Haug und Taleb (2007) glauben, dass Termingeschäfte sich schon auf mesopotamische Tontafeln 1750 vor Christus zurückverfolgen lassen. Gesichert ist, dass schon im sechsten Jahrhundert vor Christus der griechische Astronom und Mathematiker Thales die Sterne beobachtete (Etwaige Ähnlichkeiten mit heute noch aktiven Analysten wären rein zufällig.). Aus ihrer Bewegung schloss er, dass die kommende Traubenernte hervorragend ausfallen würde. Er sicherte sich daraufhin die Rechte an mehreren Olivenpressen. Als die Nachfrage nach Olivenpressen im folgenden Frühjahr stark anstieg, verdiente Thales eine Menge Geld mit diesem Long Call. Natürlich findet sich auch schon im Buch der Bücher, der Bibel, ein Beispiel für den Einsatz von Optionen: Josef erwarb von Laban einen Call auf Rahel, Labans jüngste Tochter, die man in dieser Konstellation leider als Underlying ansehen muss (Frauenfelder 1987). Da die Option nur eine Ausübung am Ende der definierten Laufzeit von sieben Jahren vorsah, handelte es sich um einen europäischen Call. Den Optionspreis arbeitete Josef in dieser Zeit ab. Damit war bereits diese frühe Option eine Instalment Option und somit exotischer Natur (Abschn. 6.4.2.4.3). Unglücklicherweise für Josef kam der Stillhalter Laban bei Fälligkeit seiner Lieferverpflichtung nicht nach. Er lieferte seine ältere Tochter Lea. Ineichen (1999) sieht darin den ersten bezeugten Fall von Abwicklungsrisiko. Trotz dieser schlechten Erfahrung strich Josef Laban nicht von seiner Kontrahentenliste. Im Gegenteil, er erwarb von ihm umgehend einen neuen Call mit gleicher Laufzeit und gleichem Underlying. Natürlich handelt es sich bei diesem gesamten Vorgang um ein Geschäft, das man heutzutage mit Sicherheit nicht nur aufgrund seines derivativen Charakters als unethisch ablehnen würde (zum Thema „Ethik“ vgl. Abschn. 6.8.5). Beide Beispiele belegen zunächst einmal, dass das Denken in Termingeschäften und Optionalitäten nichts Wesensfremdes oder gar Neumodisches ist. Im Gegenteil, es ist Teil der menschlichen Natur, wahrscheinlich seit dem Augenblick, als einer unserer Vorfahren vor einem Säbelzahntiger stand und – unbewusst und sehr geschwind – seine Optionen
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abwog: laufen oder kämpfen? Und Planungen für die Zukunft und daraus abgeleitete Maßnahmen waren sicherlich noch viel früher da. Man kann davon ausgehen, dass diese frühen Beispiele keine Einzelfälle, sondern Teil des täglichen Lebens der Menschen zu jener Zeit waren. Prominent dokumentiert sind Termin- und Optionsgeschäfte dann wieder im Bereich des Handels und der Schifffahrt im 12., 13. und 15. Jahrhundert (Bernstein 1996; Steinherr 1998; Briys und De Varenne 2000). Auch die weiteren Fortschritte im Bereich der Derivate spielten sich in der Realwirtschaft ab. Im 16. Jahrhundert wurde in Amsterdam Getreide auf Termin und über Optionen gehandelt (De La Vega 1688; Gelderblom und Jonker 2005). Im 17. Jahrhundert traten die ersten börsennotierten Kontrakte auf den Plan. Das begehrteste Underlying dieser Zeit waren Tulpenzwiebeln. An der Royal Exchange in London wurden Terminkontrakte, in Amsterdam Optionen zugelassen. Der erste standardisierte Future-Kontrakt wurde um das Jahr 1650 in Osaka entwickelt und bezog sich, wie sollte es in diesem Teil der Welt auch anders sein, auf Reis. 1730 entstand auf der Insel Dojima eine Terminbörse für den Handel mit Reis. Im Westen entwickelten sich derartige Terminmärkte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts; 1867 in Deutschland, 1871 in Chicago, 1877 in London. Hintergrundinformation Das Chicago Board of Trade wurde bereits am 3. April 1848 gegründet, war aber keine Börse im eigentlichen Sinne, sondern eine Handelskammer. Dennoch wurden hier schon 1851 sogenannte Zeitverträge gehandelt. Dabei handelte es sich um individuelle Vereinbarungen über die Lieferung von Mais in der Zukunft, die am ehesten unseren heutigen nichtstandardisierten Termingeschäften entsprechen.
Eine weitere interessante Episode war der Amerikanische Bürgerkrieg. Zur Finanzierung ihrer Kriegsausgaben wollten die Konföderierten eine Anleihe begeben. Da jedoch niemand eine Anleihe von einem Schuldner zeichnen wollte, von dem zu befürchten stand, dass es ihn und seine Währung nicht mehr lange geben könnte, ersannen die damaligen Financial Engineers die erste dinglich besicherte Doppelwährungsanleihe. Die Anleihe notierte auf Pfund Sterling. Der Schuldner hatte das Recht, diese alternativ in französischen Francs zurückzuzahlen, während der Gläubiger sich die Schuld auch direkt in Baumwolle auszahlen lassen konnte, was für ihn die Sicherheit und damit die Attraktivität deutlich erhöhte (Ineichen 1999). Dass der Umgang mit und die Wirkung von Derivaten für den Normalbürger alles andere als unverständlich und undurchschaubar ist, wenn man sie richtig vermittelt, wird auch dadurch belegt, dass sich Termingeschäfte in millionenfach gelesener Weltliteratur finden, zuvorderst sicherlich bei Literaturnobelpreisträger Thomas Mann. In seinem Klassiker „Die Buddenbrooks“ dreht sich eine Episode darum, wie Termingeschäfte mit Getreide das Haus Buddenbrook in Schieflage bringen. Finanzderivate, sind indes in der Tat ein vergleichsweise neues Phänomen, allerdings nur insofern, als sie bekanntes und erprobtes Gedankengut in einen neuen Wirtschaftsbereich, die Finanzindustrie, übertrugen. Der Einsatz von Aktienoptionen ist auch schon
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recht früh im 20. Jahrhundert dokumentiert, als diese ihren Teil zum Aktienmarkt-Crash des Jahres 1929 beigetragen haben sollen. Dabei waren sie, wie so oft, lediglich das Instrument, mit dem kriminelle Kreise versuchten, aus ihren Aktienkursmanipulationen Kapital zu schlagen. Optionen und Futures auf Finanztitel, wie wir sie heute kennen, hatten ihren Durchbruch dann Anfang der 1970er-Jahre. Mehrere Faktoren trugen dazu bei. Weitgehend in Vergessenheit geraten ist der Beitrag von Henry Filer. Er war in den 1930er-Jahren Repräsentant der alten „Put and Call Brokers and Dealers Association“, die am informellen OTC-Aktienoptionsmarkt engagiert war. Nach dem Crash 1929 sollte dieser 1934 verboten werden. Filer gelang es durch einen leidenschaftlichen Einspruch in letzter Minute, dieses Verbot abzuwenden (Falloon 1997). Deutschland war da konsequenter und verbot 1931 Termingeschäfte, da diese „. . . sittlich verwerflich sind und der Befriedigung des Spieltriebs dienen.“ (Wittmer 2004, S. 14). Das Verbot hielt 25 Jahre, bevor deutsche Anleger wieder in Termingeschäfte einsteigen durften – wenn auch nur im Ausland. Ende der 1960er-Jahre geriet das System goldgedeckter, fester Währungskurse von Bretton-Woods ins Wanken. Die Chicagoer Rohstoffterminbörsen erkannten den sich abzeichnenden Bedarf der Anleger, sich künftig vor erhöhten Wechselkursschwankungen abzusichern und entwickelten entsprechende Futures. Am 26. April 1973 listete die Chicago Board of Options Exchange (CBOE) Call-Optionen auf 16 Aktien und generierte einen Tagesumsatz von 911 Kontrakten. Nachdem Fischer Black und Myron Scholes seit Oktober 1970 ihren Artikel über die Bewertung von Optionen wie Sauerbier bei mehreren Fachzeitschriften angeboten hatten, erschien dieser im Frühjahr 1973 im Journal of Political Economy (Abschn. 2.4.3). Und der 1947 erfundene Transistor war mittlerweile so weit fortgeschritten, dass 1974 der erste Texas Instrument Taschenrechner die BlackScholes-Formel verarbeiten konnte. Das heißt, ab diesem Zeitpunkt konnte man die Optionsbewertung auch maschinell umsetzen. 1970 wurde auch in Deutschland der Handel mit Aktienoptionen wieder aufgenommen. Der Vorläufer der Eurex, die Deutsche Terminbörse (DTB), bot dann im Januar 1990 erstmals Optionen auf Aktien und im August 1991 Indexoptionen an. Mit einer Geschichte, die mehrere tausend Jahre in die Vergangenheit reicht, sind Derivate also sicherlich alles andere als neu. Und selbst börsengehandelte Finanzkontrakte, die zwar im Vergleich mit anderen Derivaten relativ jung an Jahren daherkommen, sind, absolut betrachtet, keine Neuheit mehr. Mehr als 40 Jahre sollten wahrlich ausreichend Zeit sein, um sich mit einer neuen Instrumentenklasse vertraut zu machen, insbesondere wenn man sein Geld mit der Betreuung von Vermögen verdient.
6.8.4 Schadensfälle Natürlich ist die Geschichte der Derivate auch eine der Geschichte der Verluste. Gerade diese ragen in der Historie wie Leuchttürme heraus. Und wie diese können sie einen
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Weg weisen. In diesem Fall verstrahlen sie jedoch ein rotes Licht, das die Botschaft zu verbreiten scheint, dass es besser ist, diesen Weg nicht zu beschreiten. Dieser erste Eindruck hält einer genaueren Betrachtung nicht stand. Bei der schieren Anzahl an Geschäften und dem dabei bewegten Volumen ist das Auftreten größerer Verluste einfach eine Frage der Wahrscheinlichkeit. Der ganze Komplex unterscheidet sich dabei nicht grundlegend von der Tatsache, dass es bei Milliarden von Verkehrsbewegungen täglich auch im Straßen-, Luft-, Schienen- und Schiffsverkehr regelmäßig zu schweren Unglücken kommt. Lediglich ein zentraler Unterschied springt ins Auge: Bei Unfällen mit Derivaten sind nicht unmittelbar Leib und Leben von Menschen betroffen. Smithson (1999) stellt fest, dass in jedem einzelnen Jahr von 1994 bis 1998 veröffentlichte Verluste in bedeutender Größenordnung aufgetreten sind, darunter, mit Ausnahme des Jahres 1997, in jedem Jahr mindestens ein spektakuläres Ereignis mit einem Schaden größer eine Milliarde US-Dollar:
1994 Orange County (1,5 Mrd. US-Dollar) 1995 Barings Securities (eine Milliarde US-Dollar) 1996 Sumitomo Corporation (2,6 Mrd. US-Dollar) 1998 Nomura Securities International (1,16 Mrd. US-Dollar)
Das heißt nicht, dass 1997 ein unproblematisches Jahr gewesen wäre, in dem es keine Verluste gegeben hätte. Allein UBS hatte Verluste in Höhe von 420 Mio. US-Dollar zu verkraften, von denen ein erheblicher Teil offenbar auf Korrelationsprodukte zurückzuführen war (Dunbar 1998). 1994 war ein besonders problematisches Jahr, in dem sich zu dem Verlust bei Orange County noch drei weitere Großschäden hinzu addierten: Procter & Gamble mit 157 Mio. US-Dollar, Kidder Peabody verloren 350 Mio. US-Dollar und Goldman Sachs 364 Mio. US-Dollar. Geht man nur ein einziges Jahr weiter in die Vergangenheit, kann man noch den prominenten Schaden der Metallgesellschaft in Höhe von 1,3 Mrd. US-Dollar ergänzen. Dabei sind diese Verluste nur die Spitze des Eisbergs. Bei der schieren Menge an Derivategeschäften, die tagein tagaus getätigt werden, kommt es natürlich immer wieder zu Fehlern. Diese werden jedoch nur selten publik. Selbst bei einer Größenordnung im zweistelligen Millionenbereich wie im Ampega-Fall aus Abschn. 4.2.2 ist dies nicht unbedingt zwingend. Dabei muss man sogar noch berücksichtigen, dass sich dieser Unfall im Asset Management ereignete. Die Schwellen, oberhalb derer ein Schaden in die Öffentlichkeit gelangt, liegt in anderen Bereichen sicherlich höher, zum Beispiel im Eigenhandel der Banken, aber auch in anderen Fällen, in denen kein Dritter unmittelbar betroffen ist und es sich „nur“ um Schäden im eigenen Vermögen handelt. Verluste im Milliardenbereich gibt es im Wertpapiergeschäft allerdings auch ohne Derivatebeteiligung. So verlor die Daiwa Bank 1995 1,1 Mrd. US-Dollar durch manipulierte Wertpapiertransaktionen (Jameson 1998). Und unter wikipedia.org findet sich unter „List of Trading Losses“ eine immer wieder aktualisierte Aufstellung großer Kapitalmarktver-
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luste, die das Muster bestätigt „Man kann auch ohne Derivate riesige Verluste einfahren, aber Derivategeschäfte sind reichlich vertreten.“ Eine teilweise stark ausgeprägte Furcht vor den Produkten resultiert sicherlich auch zu einem nicht unbeträchtlichen Teil aus der asymmetrischen Berichterstattung der Medien. Nobelpreisträger Merton Miller (1999) führt das negative Image, das Derivaten anhaftet, zumindest teilweise darauf zurück, dass die Instrumente vergleichsweise neu sind und daher das Verständnis vonseiten der Presse und der Öffentlichkeit noch nicht sehr ausgeprägt ist. Viele Entscheidungsträger beziehen ihre Informationen zu diesem Thema nicht aus der Fachpresse. Außerhalb der Fachpresse ist es jedoch so, dass die Berichterstattung über einen großen Verlust für ungleich mehr Schlagzeilen gut ist als diejenige über den Gewinn, der auf der Gegenseite unweigerlich entstanden ist. Obwohl es sich letztlich um ein monetäres Nullsummengeschäft handelt, in dem die Verluste einer Seite immer die Gewinne der anderen Seite sind, führt die Berichterstattung über diesen Wohlstandstransfer zu einem deutlichen Ungleichgewicht in der Wahrnehmung hinsichtlich Chancen und Risiken beim weniger informierten Leser/Hörer/Zuschauer. Und selbst wenn die Gegenrechnung tatsächlich einmal gemacht und über mit Derivaten erzielte Gewinne berichtet wird, ist diese Berichterstattung in der Regel negativ konnotiert. Man mag fast schon zu dem Schluss kommen, dass es egal ist, ob man mit Derivaten Gewinne oder Verluste erzielt; in der öffentlichen Besprechung wird es negativ kommentiert. Was den Derivaten in diesem Zusammenhang zum Nachteil gereicht, ist ihre Vielseitigkeit. Das vorliegende Buch ist so konzipiert, dass es Derivate als Problemlöser versteht. Für viele Probleme, mit denen sich ein Portfoliomanager in der täglichen Arbeit konfrontiert sieht, existiert eine derivatebasierte Lösung. Das bedeutet aber auch, dass ein und dasselbe Derivat ganz unterschiedlichen Zwecken dienen kann. Ein Long Call kann eine gehebelte Spekulation auf einen steigenden Preis des Underlying sein. Er kann aber ebenso gut eine Volatilitätsposition oder Teil einer solchen sein, eine Risikoreduktion im Portfolio, weil er eine (viel größere) Aktienposition asymmetrisch ersetzt, Teil einer kombinierten Absicherungsposition, die asymmetrische Umsetzung einer (bedingten) Asset Allocation-Strategie, eine Hedge-Komponente in einem Delta-Hedge, oder oder oder. Ein Verlust auf einer Long Call Position wird jedoch häufig vorschnell mit Schimpf und Schande als fehlgeschlagene Spekulation mit Hebel ausgelegt. Zwar gilt auch hier das Edward III. zugeschriebene Motto „Ein Schelm, wer Böses dabei denkt“. Nur leider wird der kritisierende Schelm oft vom Umfeld nicht als solcher erkannt, weil sich dessen Zuhörer oder Leser mangels Fachwissen (s. o.) keine eigene Meinung bilden können. Betrachtet man die Verluste einmal genauer, stellt man fest, dass es nicht die Derivate selbst sind, denen man den Schaden zuschreiben sollte, sondern deren unsachgemäßer Handhabung. Christopher Culp (1995) hat es mal so formuliert: Derivaten finanzielle Verluste vorzuwerfen ist so ähnlich, als würde man Autos die Todesopfer betrunkenen Autofahrens vorwerfen.
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Peter Bernstein (1996, S. 326–327) stellt zum Thema „Verluste des Jahres 1994“ die spannende Frage, was denn wohl geschehen wäre, wenn die Situation umgekehrt gewesen wäre und die jeweiligen Counterparties hätten bezahlen müssen. Er entwickelt und unterlegt die interessante Hypothese, dass vermutlich keiner in echte Probleme gelaufen wäre, weil deren Risikomanagement funktioniert hat. So gibt es eine Menge Fehler im Umgang mit Derivaten, mit deren Vermeidung man die Mikro- und Makrofinanzwelt erheblich sicherer machen kann. Es treten immer wieder die gleichen Themen zutage: Gier, oft gepaart mit Unwissen bei den Handelnden und Kontrollierenden und schlecht aufgesetzten Kontrollen in einem intransparenten Umfeld. Wenn man diese Auflistung von hinten aufzäumt, findet Grimwade (2016, S. 45) wiederkehrende operative Schwächen:
Unerfahrenes Personal Hohe Arbeitsbelastung Ungenügende Ausbildung Bonusanreize Komplexität Fehlende Vorschriften Ungenügende Überwachung Fehlende Eskalation
Um Abhilfe zu schaffen, muss zunächst einmal Transparenz hergestellt werden. Nur in einem transparenten Umfeld können die notwendigen Kontrollen wirksam aufgesetzt werden. Transparenz bedeutet eben nicht, die kumulierten Positionen nicht zu überblicken, wie im Falle Nick Leeson/Barings oder den Händler seine Bücher selbst führen zu lassen, wie im Falle Yasuo Hamanako/Sumitomo. Kontrollmechanismen sind auf jeden Fall erforderlich, da auch in einem Umfeld, das frei ist von sittlichen Verwerfungen, schlicht und einfach Fehler passieren können. Damit diese schnell entdeckt und korrigiert werden können, bevor sie an Größe gewinnen, müssen entsprechende Alarmanlagen installiert sein. „Entsprechend“ heißt, dass sie intelligent aufgesetzt sein müssen. Das bedeutet, dass sie einen Sophistizierungsgrad aufzuweisen haben, der der Materie angemessen ist. Er sollte mindestens das fachliche Niveau des Handelnden erreichen, wenn möglich gar übertreffen, sodass das System in der Lage ist, böswillig betriebene Geschäfte zu entdecken, aber auch solche, die von einem schlecht ausgebildeten oder einfach unachtsamen Mitarbeiter verursacht wurden. Beispiel
In diesem Licht betrachtet ist auch der „Fall Greenpeace“ ein typischer. In der Presse war davon die Rede, dass sich Greenpeace International (GPI) mit Währungen verspekuliert und einen Schaden in Höhe von 3,8 Mio. C erlitten hätte. Was war geschehen? GPI unterstützt Greenpeace Büros in anderen Ländern. Normalerweise schafft GPI die
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Währungen, in denen die Nehmerländer ihre Ausgaben tätigen, erst dann an, wenn das Geld benötigt wird. Dieser Umtauschpraxis liegt also die Annahme zugrunde, dass der Euro steigt oder zumindest gleich bleibt. Nehmen wir an, GPI würde für 100.000 C indische Rupien bereitstellen müssen. Dann würde GPI diese 100.000 C, zusammen mit für andere Projekte reservierten Euros auf einem Euro-Konto aufbewahren, bis das Geld benötigt wird. Wenn der Euro gegenüber den Lokalwährungen fällt, müssen mehr Euro aufgewendet werden, um die benötigte Fremdwährungssumme zu erhalten. So könnte es sein, dass nunmehr 110.000 C umgetauscht werden müssen, um den entsprechenden Betrag in Rupien zu erhalten. Dieser Verlust bleibt jedoch unbemerkt, weil es kein Geschäft gibt, dass die Währungsdifferenz zwischen Reservierung des Geldes und Geldumtausch ausweisen würde. Die Alternative dazu wäre, das benötigte Geld gleich in die Fremdwährung umzutauschen und so lange auf einem Fremdwährungskonto aufzubewahren, bis es benötigt wird. Die dahintersteckende Annahme ist ein fallender Eurokurs. Auch dieses Geschäft bliebe unauffällig, weil zum Beispiel der Gegenwert von 100.000 C in Rupien umgetauscht wird, aber niemand extra ausweist, dass man zum Zeitpunkt der Mittelverwendung zum Beispiel nur 90.000 C hätte aufwenden müssen. Etwas Ähnliches hat der Händler gemacht. Nur dass er den Eurobetrag nicht sofort umgetauscht, sondern per Termingeschäft den Kurs für den späteren Umtausch gesichert hat (Behrens 2014; Breuer 2014). Durch dieses Geschäft hat er jedoch die Art des Geldumtauschs (bei dem keine Variante per se besser oder schlechter ist) explizit gemacht. Denn nun hat tatsächlich die Gegenpartei eine Rechnung geschrieben, die die Presse/Öffentlichkeit, wenn sie denn wollte, gegen die Organisation verwenden konnte. Das einzig echte Problem war also nicht ein missglücktes Derivategeschäft, sondern vermutlich, wie in anderen Fällen auch, eine Kompetenzüberschreitungen bei den Handelnden und Fehler in der Kontrollstruktur. Ganz zu Beginn der Aufzählung und oft auch am Beginn der Ursachenkette steht der Auslöser „Gier“. Leider ist es ein sehr schmaler Grat zwischen einem extrem motivierten Mitarbeiter und einem von Gier verblendeten. Es ist die Aufgabe der zuständigen Führungskraft, diesen Grat sehr gut im Auge zu behalten. Dies erfordert die Intelligenz und das Wollen, sich möglicherweise anbahnende, gefährliche Entwicklungen zu erkennen. So ist es für einen Praktiker nur sehr schwer vorstellbar, dass die großen Fehlpositionen von Kweku Adoboli bei der UBS, die letztlich zu einem Schaden von 2,3 Mrd. US-Dollar geführt haben, für einen fähigen und willigen Vorgesetzten nicht zu entdecken gewesen sein sollen. So skurril dies vielleicht beim ersten Lesen klingen mag, ist der häufige Einsatz von Derivaten im Zusammenhang mit Betrugsfällen doch auch wieder ein Beleg für deren Effizienz. Beispiel
Nehmen wir als Beispiel die Übernahme des Ketchup-Herstellers H.J. Heinz durch Warren Buffett und eine Beteiligungsgesellschaft im Februar 2013. Hiervon hatten
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offenbar ein paar Investoren Wind bekommen und sich mit hochreagiblen Calls eingedeckt, die mit der Bekanntgabe der Übernahme aus einem Einsatz von 90.000 USDollar einen Gewinn von 1,7 Mio. US-Dollar zauberten. Hätten sie sich für den Kauf von Aktien entschieden, wäre der Gewinn mit 18.000 US-Dollar im Vergleich mikroskopisch klein ausgefallen. Es handelt sich jedoch mitnichten um einen Einzelfall. Es gibt Zeiten, in denen die amerikanische Börsenaufsicht SEC im Schnitt einen Fall pro Monat auf den Tisch bekommt (nks 2013). Beispiel
Einen Monat vor der Heinz-Übernahme waren Kaufoptionen auf die Aktien des amerikanischen Fernsehsenders CBS heiß begehrt, und das kurz bevor eine Restrukturierung für einen Kurssprung sorgte und sich Optionskurse teilweise versiebzehnfachten. Im April des Jahres 2012 geriet ein Händler ins Visier der Ermittler, der den Wert seiner Kaufoptionen im Zuge der Übernahme von Human Genome Science durch Glaxo Smith Kline verzehnfachte. Oder man denke nur an den Bombenanschlag auf die Fußballmannschaft von Borussia Dortmund. Diese Beispiele zeigen, dass das Problem nicht wirklich bei den Optionen liegt. Sie sind lediglich das Vehikel, mit Hilfe dessen sich kriminelle Energien oft in den höchstmöglichen Gewinn umsetzen lassen. Dabei ist man fast geneigt, sich zu freuen, dass die Täter sich für Calls entschieden haben, denn in diesem Markt waren sie relativ leicht zu identifizieren. Sicherlich ist es eine schwierige Gemengelage, wenn man betrügerisch veranlagten Menschen mit den Optionen ein Vehikel an die Hand geben kann, mit dem sie ihre Gier effizient ausleben können, das es den Ermittlern jedoch erlaubt, genau diese Geschäfte leicht zu identifizieren und die Betrüger dann aus dem Verkehr zu ziehen. Hätten die Kriminellen nur Aktien zur Verfügung, könnten sie ihre Machenschaften zwar ineffizienter, aber möglicherweise auch wesentlich unauffälliger ausleben, mit der Folge, dass sie nicht so leicht, eventuell auch gar nicht gefasst werden könnten und wesentlich länger am Markt ihr Unwesen trieben. Aber auch in anderer Hinsicht sind Derivate nur auf den ersten Blick nachteilig für den Markt. Bei genauerem Hinsehen entpuppen sie sich als äußerst hilfreich (Abschn. 7.6.5.1). Kein geringerer als der Vorsitzende der Wertpapieraufsichtsbehörde SEC, Arthur Levitt, bricht in dieser Hinsicht eine Lanze für die Derivate (Risk/Emerging Markets, April, 1996, S. 42; übersetzt): Wir müssen der Versuchung widerstehen, Derivate, die ein lebenswichtiges Werkzeug in den Finanzmärkten sind, zu dämonisieren. Sie sind dermaßen nützlich beim Managen von Risiken, dass wir sie mit Sicherheit erfinden müssten, wenn es sie nicht gäbe.
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Die Vorteile, die diese Instrumente bieten, sind zahlreich und mittlerweile auch so bekannt, dass ein Schaden gerade dadurch entstehen kann, dass Derivate eben nicht eingesetzt werden. Heutzutage verlangen Aktionäre nämlich vom Management eines Unternehmens, dass es die ihm zur Verfügung stehenden Instrumente nutzt, um sich gegen identifizierte Risiken abzusichern. Anderenfalls kann es schon mal vorkommen, dass das Management von den Anteilseignern verklagt wird, getreu dem Motto „Wer keine Derivate nutzt, ist ein Spekulant.“ (Rettberg 1994; Bodnar und Gebhardt 1998). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Unternehmen in hohem Maße gegenüber Faktoren wie Währungsschwankungen und der Entwicklung der Rohstoffpreise exponiert ist. Fälle, in denen beispielsweise die Mitglieder von Altersvorsorgeeinrichtungen die verantwortlichen Personen wegen unterlassener Derivatenutzung verklagt hätten, sind noch nicht bekannt, aber in der Zukunft durchaus nicht unvorstellbar.
6.8.5 Ethische Aspekte Derivate sind nicht die Verkörperung des Teufels. Aber sie sind wahrscheinlich auch nicht der Heilige Gral (Andrew M. Coleman, Price Waterhouse)
Ist es aus ethischer Sicht in Ordnung, Derivate einzusetzen? Mit dieser Frage betreten wir ein extrem heikles und komplexes Feld, das aber vermutlich trotzdem eine allgemeine Antwort erlaubt: Es kommt darauf an. Es kommt darauf an, wie man Derivate einsetzt. Und es kommt darauf an, welche ethischen Maßstäbe man ansetzt. Wenn wir uns den letzten Aspekt zuerst vornehmen, so lehrt mich die jahrzehntelange Erfahrung im Wertpapierbereich, dass es den allermeisten Anlegern extrem schwerfällt, zu definieren, welche Anlagen ethisch akzeptabel sind und welche nicht. Schon einzelne Personen tun sich sehr schwer mit der Beantwortung dieser Frage, es sei denn, sie widmeten einen Großteil ihrer Zeit der Beschäftigung mit Moral, Ethik oder Religion. Wird dieses Thema dann noch in einem mehrköpfigen Gremium diskutiert, potenziert sich das Problem. Es gibt Investoren, die den Einsatz von Derivaten auf der einen Seite aus ethischen Gründen rundheraus ablehnen. Auf der anderen Seite gibt es ebenso Investoren, die den Einsatz von Derivaten in keiner Weise einschränken und dabei reklamieren, dass auch sie sich ausgiebig mit dem ethischen Aspekt auseinandergesetzt haben. Das Problem fängt damit an, dass es nicht eine zentrale und allgemeingültige Ethik gibt. Wohl denen, die über einen Rahmen verfügen, auf dem sie ihre Anlageethik entwickeln können. Beispielsweise können die christlichen Kirchen auf dem stabilen Fundament der Bibel aufsetzen. Das macht es für diese Investoren einfacher, wenn auch nicht wirklich einfach. Viel schwerer haben es diejenigen, die einen individuellen Rahmen entwickeln, weil sich in einem derart komplexen Thema sehr schnell Inkonsistenzen einschleichen, die das ganze Gebäude im besten Fall unbefriedigend, vielleicht einfach nur nutzlos, im schlechtesten Fall aber auch abträglich oder gefährlich machen können. Dazu kommt, dass die Definition von sogenannten ESG-Kriterien (ethisch, sozial, gesell-
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schaftlich) für einige Anleger keine Herzensangelegenheit ist. Vielmehr hat sich seit etwa 2010 ein verstärkter Gruppenzwang unter institutionellen Investoren herausgebildet, der die Aufnahme derartiger Anlagerestriktionen zu einem Quasi-Industriestandard gemacht hat, dem sie nolens volens nachgeben. Doch selbst wenn eine fundierte Basis vorliegt, ist diese oftmals nicht so konkret, als dass sie für Fragestellungen zur ethischen Zulässigkeit von Derivaten eine konkrete Antwort liefern würde. Sie muss zwangsläufig ein Stück weit allgemein bleiben, dass sie den Verantwortlichen immer ein mehr oder weniger hohes Maß an Interpretation bei der Anwendung auf die allgemeine Lebenswirklichkeit abverlangt oder, positiver formuliert, entsprechende Freiheitsgrade gewährt. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD 2011) etwa hatte in ihrem „Leitfaden für ethisch nachhaltige Geldanlage in der evangelischen Kirche“ nirgends das Thema „Derivate“ adressiert. Es wurde also insbesondere keine pauschale Einschränkung von Derivaten empfohlen. Ebenso wenig wurden sie jedoch grundsätzlich für zulässig befunden. Sie waren schlichtweg kein eigeständiges Thema. Selbst wenn man die teilweise Nähe von Derivaten und Glücksspiel bemühen wollte, so fallen diese sicherlich nicht unter die ausgeschlossenen „kontroversen Formen des Glücksspiels“, unter denen beispielsweise „bestimmte Sportwetten, Glücksspielautomaten, Online-Casinos“ verstanden werden (EKD 2011, S. 32). Erst seit der dritten Auflage fünf Jahre später gibt es ein eigenes, zweiseitiges Kapitel zum Thema „Derivate“ (EKD 2016). Zu Beginn findet sich eine sehr umsichtige Kurzbeschreibung der Vorteile und Risiken von Termininstrumenten. Damit steht auch fest, dass Derivate nicht per se unethisch sind. Auffällig ist vielmehr, dass die nachfolgenden Empfehlungen überwiegend von den allgemeinen Derivaterisiken geprägt sind und weniger von ethisch-nachhaltigen Aspekten, wenn dem als Caveat vorangestellt wird (EKD 2016, S. 39): Allerdings ist der Einsatz von derivativen Finanzinstrumenten in der Praxis komplex und setzt ein hohes Maß an Fachwissen voraus.
Da es sich bei dem Leitfaden auch nur um eine „Hilfe“ und „kein Gesetz“ handelt, bleiben auch die Empfehlungen mit einem spürbaren Interpretationsspielraum ausgestattet. Konkret wird angeregt: Die Underlyings sollten ethisch-nachhaltig sein: Die Eigenschaft als Derivat begründet also keine originäre Wertung hinsichtlich ihrer Einstufung als ethisch oder nicht ethisch, ebenso wie andere Verpackungsformen, zum Beispiel Investmentfonds oder Zertifikate. Bei Abschluss des Geschäfts soll klar sein, dass dieses bei Fälligkeit bedient werden kann. Dies ist kein derivatespezifischer Punkt. Schließlich gilt im Wirtschaftsleben generell, dass eingegangene Verpflichtungen eingehalten werden müssen. Das ergibt sich aber nicht aus einem ethischen Gesichtspunkt, sondern allein aus einem rechtlichen. Auch wer eine gewöhnliche Aktie erwirbt, bekommt ein rechtliches Problem, wenn er per Valuta nicht bezahlt.
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Das Gesamtvermögen sollte nicht gehebelt werden. Da es keine direkte Verknüpfung mit einem ethischen oder christlichen Prinzip gibt, fällt es schwer, den konkreten Hintergrund für diese Empfehlung zu verstehen. Vermutlich ist dieser eher wieder einem allgemeinen Risikohinweis entsprungen. Anderenfalls käme damit zum Ausdruck, dass ein Hebel (aus welchen Gründen auch immer) unethisch wäre. Dann müsste aber konsequenterweise auch eine Investition in Aktien zumindest zur Diskussion gestellt werden: Ein Industrieunternehmen mit einer Eigenkapitalquote von 25 % hat dieses durch Kreditaufnahme um das Dreifache gehebelt. Und eine Bank mit dem früher üblichen acht Prozent Eigenkapital ist eine 12,5-fach gehebelte Investition. Eine solche Diskussion findet sich jedoch nicht. Es sollen keine ungedeckten Leerverkäufe getätigt werden. Hier könnte in der Tat das Vermeiden negativer Rückwirkungen auf das Underlying im Hintergrund stehen, wie es gleich in diesem Kapital besprochen werden wird. Intransparent bewertete Derivate sollten gemieden werden. Dabei handelt es sich wiederum um einen allgemeinen, nicht Ethik basierten Grundsatz. Im Umkehrschluss bedeutet er auch: Wenn das Fachwissen hoch genug ist, besteht keine Einschränkung. Zusammengefasst hieße das: Fachwissen vorausgesetzt, sollte man aus christlich-ethischen Gründen nicht leerverkaufen und nicht in unethische Underlyings investieren. Ansonsten wird (vermutlich) aus Risikoüberlegungen heraus empfohlen, das Vermögen nicht derivativ zu hebeln. In der „Orientierungshilfe für Finanzverantwortliche katholischer Einrichtungen in Deutschland: Ethisch-nachhaltig investieren“, die von der Deutschen Bischofskonferenz und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken verfasst wurde, finden Derivate immerhin von Beginn an Erwähnung, auch wenn darin bezeichnenderweise in einer Aufzählung von „Derivaten, Futures, [. . . ]“ gesprochen wird, gerade so, als seien Futures keine Derivate. Aus dem Dokument lässt sich nicht ableiten, dass Derivate per se ethisch problematische Instrumente wären. Darin heißt es vielmehr (DBK und ZdK 2015, S. 30): Wenn in solche alternative Produkte investiert werden soll, ist besonders zu prüfen, ob eine Integration ethisch-nachhaltiger Kriterien möglich ist und welche Auswirkungen sie auf das beabsichtigte Investment haben.
Eine umsichtige Empfehlung insofern, als klar gemacht wird, dass bei einer etwaigen Einschränkung bestimmter Investitionsmöglichkeiten auch die damit verbundenen Nachteile in Betracht gezogen werden müssen. Lediglich an einer weiteren Stelle werden Derivate konkret erwähnt (DBK und ZdK 2015, S. 32): Problematisch erweisen sich aber Spekulationen mit Agrarrohstoffen mittels Derivaten, da sie für erhöhte Preise bei Grundnahrungsmitteln mitverantwortlich sein können.
Das Problem liegt also auch hier nicht beim Durchführungsweg Derivat, sondern vielmehr beim Underlying Agrarrohstoffe.
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Generell war und ist das Thema Derivate auf Agrarprodukte ein äußerst umstrittenes (Jacks 2007, S. 346 unter Bezug auf ein Zitat von Boyle 1921, S. 125): In den 1890ern verabschiedete die Jahresversammlung der National Association of Farmers [Nationale Bauernversammlung] eine Resolution, die „den Future-Handel auf Weizen verurteilte, mit der Begründung, dass [er] den Weizenpreis sinken ließ. Drei Wochen nach diesem Treffen haben 500 Mitglieder der National Association of Millers [Nationale Müllerversammlung] eine Resolution verabschiedet, die den Future-Handel verurteilte, mit der Begründung, dass er den Weizenpreis steigen ließ.“
Heutzutage scheint zumindest die Haltung der Produzenten eindeutig zu sein. Insbesondere in den Jahren 2015 und 2016 kamen die Milchpreise stark unter Druck und fielen bis in Richtung 20 Cent je Liter. Im Oktober 2016 ließ der Deutsche Bauernverband verlauten, dass er sich für einen umfangreichen Handel von Milchproduktkontrakten an den Terminbörsen einsetze (jagr 2016). Mehr Liquidität, zum Beispiel in den Kontrakten für Butter und Magermilchpulver, die an der zur Eurex gehörenden EEX in Leipzig gehandelt werden, könnten die Absicherungsmöglichkeiten der Bauern verbessern. Während die großen Molkereien ebenso wie große Ackerbauern bereits seit langem ihre Preise an Derivatebörsen absichern, sollen und wollen nun auch weitere Molkereien ihre Aktivitäten verstärken und den Milchbauern beispielsweise börsenbasierte Preisabsicherungen zur Verfügung stellen. Während das Votum in der heutigen Zeit auf Produzentenseite also deutlich positiv ausfällt, ist die Rolle von Agrarderivaten aus Abnehmersicht weniger eindeutig. In seinem, gemeinsam mit Dr. Matthias Kalkuhl verfassten, schriftlichen Statement für die Anhörung im Expertengespräch des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung des deutschen Bundestags am 27. Juni 2012 hat Prof. Dr. Joachim von Braun seine eigenen Analysen (Von Braun und Tadesse 2012) und die Ergebnisse weiterer Studien (Robles et al. 2009; Algieri 2012) wie folgt zusammengefasst (Von Braun und Kalkuhl 2012, S. 4): Wir unterstreichen somit, dass Spekulation nach gegenwärtigem Stand der Forschung nicht die entscheidende Kraft hinter dem gestiegenen Preistrend oder der zunehmenden Volatilität ist, aber an den extremen Preisspitzen ursächlich beteiligt ist.
Im Bereich der Agrarrohstoffe können Spekulationen mit Derivaten in bestimmten Konstellationen also einen für die Abnehmer nachteiligen Einfluss ausüben. So gerne das manch einer sähe, ergibt sich weder ein Freispruch noch eine pauschale Verurteilung. Um den Sachverhalt weiter zu spezifizieren, muss man, was den Einsatzzweck von Derivaten angeht, hier noch weiter differenzieren. Eine Absicherung gegen fallende Kurse kann nicht ursächlich für steigende Preise sein. Ergo kann es hiergegen keine Einwände geben. Auch strategische Long-Positionen als Teil einer langfristigen Asset Allocation können nur schwer in einen Zusammenhang mit spekulativen Preisspitzen gebracht werden. Vielmehr stellt die Kritik spezifisch auf kurzfristige Spekulationen in stark steigenden Märkten
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ab. Wer sich in einer solchen Marktphase auf der Käuferseite im Markt für Agrarrohstoffe engagiert, kann also schwerlich eine reine Weste für sich reklamieren. Die Orientierung an der Shari’ah stellt ebenfalls einen individualisiert zu interpretierenden Handlungsrahmen. In seiner Gesamtheit wirkt er jedoch vergleichsweise restriktiv – jedoch nicht nur in Bezug auf Derivate. Einerseits gibt es bestimmte Geschäftsarten, die als eher unpassend für Investitionen angesehen werden, darunter konventionelle Finanzgeschäfte und Glücksspiel, was Derivate schon einmal unangenehm in die Zange nimmt. Dahinter steht unter anderem das Verbot spekulativen Verhaltens oder von Transaktionen mit ungewissem Ausgang, was auch konventionelle Versicherungskontrakte ausschließt (Mogford 2004). Darüber hinaus müssen etwaige Kontrakte ein Shari’ah-konformes Underlying aufweisen, was aufgrund des Zinsverbots Zinsderivate problematisch macht. Andererseits gibt es eine Reihe von Instrumenten, die mit der Shari’ah grundsätzlich vereinbar sind. Eines davon ist „Salam“, eine Vereinbarung, wonach eine Partei eine fest vereinbarte Menge eines Guts an einem bestimmten Tag zu liefern hat und die andere Partei diese Lieferung bereits heute bezahlt, eine Art voll unterlegtes Termingeschäft also. Insofern ergeben sich zumindest Ansatzpunkte für die Gestaltung von zulässigen OTCDerivaten. Allerdings unterscheidet sich der Einfluss islamischen Rechts auf Finanztransaktionen je nach Region und Land erheblich. Auch gibt es in den meisten islamischen Staaten keinen zentralen Regulator. Ein Investor, der Derivate einsetzen möchte, müsste sich also einen Shari’ah-rechtlichen Beistand, meist in Form eines Beirats, suchen. Die Prinzipien für verantwortungsvolles Investieren der Vereinten Nationen (UN Principles for Responsible Investment – UN PRI) sprechen das Thema Derivate nicht an. Negativ interpretiert, geben sie also ebenfalls keine konkrete Hilfestellung. Positiv betrachtet, schränken sie die Derivatenutzung grundsätzlich nicht ein. Auch in den Empfehlungen des Gesamtverbands der deutschen Versicherungswirtschaft (2015) findet sich keine Aussage zur Nachhaltigkeit von Derivaten. Und die Interessenvertretung der Asset Management-Branche EFAMA äußert sich in ihrem Report zum verantwortungsvollen Investieren (EFAMA 2016) ebenfalls mit keiner Silbe. Wenn man an dieser Stelle noch einmal den Aspekt des Glücksspiels näher beleuchten wollte, so kann man sicherlich konstatieren, dass Derivate per se nicht deshalb zu ächten sind, weil sie im vergangenen Jahrhundert in Deutschland zeitweilig unter den Glücksspielparagraphen fielen. Auch die Tatsache, dass bestimmte exotische Derivate Bewertungsmechanismen aus dem Wettbereich entlehnt haben, macht Derivate in ihrer Gesamtheit nicht unethisch. Allerdings lassen sich in der großen Derivatewelt Randbereiche identifizieren, in denen man sich durchaus die Frage stellen muss, was ein verantwortungsvoller Investor allgemein, aber insbesondere einer, der sich Ethik und Nachhaltigkeit auf die Fahnen schreibt, in einem derartigen Marktsegment zu tun haben sollte. Das betrifft zum Beispiel Bereiche, bei denen das Derivat nur eine bestimmte Rechtsform ist, in die eine auch anderweitig darstellbare Wette aus einem Wettbüro verpackt ist (Abschn. 7.15.2). Nach Abklopfen des ethischen Rahmens wird man also doch wieder auf den ersten Teil der obigen Antwort zurückgeworfen: „Es kommt darauf an, wie man Derivate einsetzt.“. Es erscheint fast zwangsläufig, dass man sich derart differenziert mit dem Thema
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auseinandersetzen muss, da Derivate nichts anderes als Finanzwerkzeuge sind. Und bei Werkzeugen kommt es nun einmal darauf an, was man damit macht. Sie können mit einem Messer Verpackungen öffnen, Teppiche zuschneiden, Gemüse zerkleinern, essen. Sie können es aber auch missbrauchen und Menschen damit schlimmen Schaden zufügen. Noch genauer versucht Koslowski (2009), diese Unterscheidung zu treffen. Für ihn können beispielsweise Optionen grundsätzlich zweckmäßig sein, wenn sie im Rahmen von Arbitrage und Absicherungsgeschäften eingesetzt werden. Dies gilt jedoch dann nicht mehr, wenn das Maß der damit verbundenen Spekulation „weit über das, was für diesen Zweck nötig ist, hinaus“ geht. Sollte man sich diese Einstellung zu eigen machen, hilft die Einschränkung hinsichtlich Einsatzzweck und Umfang ein wenig. Gleichzeitig wird eine Grauzone beträchtlichen Ausmaßes geschaffen, mit der der Anwender subjektiv umgehen muss. Vermutlich erzielt man einen breiten Konsens über viele Normengeber und Anwender hinweg, wenn man eine entscheidende Demarkationslinie dort verortet, wo Derivate nicht dazu eingesetzt werden, um Schaden von sich selbst abzuwenden, sondern vom Schaden anderer zu profitieren. Es ist also vollkommen in Ordnung, mit Derivaten das eigene Portfolio gegen Kursverluste abzusichern oder sie an Stelle von Aktien einzusetzen, um von steigenden Kursen zu profitieren. Sie bekommen jedoch ein „Gschmäckle“, wenn man von anderer Leute Schaden profitieren kann. Dann wirken Derivate wie eine Versicherungspolice auf das Haus des Nachbarn, die einem dann eine größere Summe Geldes auszahlt, wenn das Haus des Nachbarn abbrennt. Insofern können beispielsweise Credit Default Swaps ambivalent sein: OK, um die Anleihen im Portfolio gegen Bonitätsverschlechterungen oder gar einen Zahlungsausfall des Emittenten abzusichern. Möglicherweise problematisch, wenn sie ohne abzusichernde Anleihen profitieren, sobald der Emittent in Zahlungsschwierigkeiten gerät. Gefährlich ist in dieser Hinsicht die Rückkoppelung zwischen Derivat und Underlying. Wenn genügend Spekulanten auf Zahlungsprobleme des Emittenten spekulieren, verschlechtern sie als sich selbst erfüllende Prophezeiung dessen Refinanzierungsbedingungen, was letztlich tatsächlich in der Insolvenz münden kann. Vor diesem Hintergrund muss einen ein ungutes Gefühl beschleichen, wenn man sich vergegenwärtigt, dass zu Beginn der Finanzkrise Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps, CDS) in einem Volumen bestanden, das das Weltbruttosozialprodukt überstieg. Selbst wenn man vermuten kann (nachprüfen kann man es nicht, da der Markt nicht hinreichend transparent ist), dass ein Teil davon Mehrfachzählungen durch kombinierte und gegenläufige Positionen waren, reicht der Bestand dennoch über denjenigen der Anleihen, die man vielleicht hätte absichern wollen, hinaus. Folgt man dieser Argumentation, stößt man früher oder später auf die Frage, ob das, was für Fremdkapital gilt, nicht auch für die Marktkapitalisierung gelten müsste. Sind also Positionen, die auf fallende Aktienkurse setzen, problematisch? Wenn dem so wäre, würde dies für ungedeckte, derivative Short-Positionen gelten, jedoch ebenso für ungedeckte („naked“) Leerverkäufe und wäre kein derivateexklusives Problem. Mutmaßlich ist hier der Rückwirkungsmechanismus unproblematischer. Fremdkapital ist für das Überleben eines Unternehmens ungleich wichtiger als die Marktkapitalisierung. Ein drastischer Kursverlust, wie ihn praktisch alle jeweils am Markt vertretenen Aktien während Crashs
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oder tiefen Baisse-Phasen durchlebt haben, hat die Anteile verbilligt, aber nur in den seltensten Fällen zur Bedrohung der Existenz geführt. Allenfalls wurden die gesunkenen Preise von solventen Akteuren zum Kauf genutzt – auch aufgrund der höheren Transparenz und Liquidität im Aktienmarkt. Eine Kreditverteuerung in ähnlicher Größenordnung hätte unweigerlich ein Massensterben von Firmen zur Folge gehabt. Es gehört nicht viel Phantasie dazu, sich vorzustellen, was in der Eurokrise geschehen wäre, wenn die Kreditkosten der Eurostaaten nicht künstlich durch die Europäische Zentralbank massiv gedrückt worden wären. Hintergrundinformation An einer Stelle mag man sich vielleicht in einem ersten Impuls eine Rückwirkung auf das Underlying wünschen, die nicht gegeben ist – bislang zumindest –, nämlich bei den Wetterderivaten. Wenn man jedoch einen zweiten Gedanken darauf verwendet, ist es dann doch eine eher beunruhigende Vorstellung, das Wetter könnte durch Angebot und Nachfrage bestimmt werden und der finanzkräftigste Marktteilnehmer würde sich letztlich durchsetzen.
Doch ist es nicht allein die Möglichkeit von Rückkoppelungen auf das Underlying, das bestimmte Einsatzmöglichkeiten fragwürdig erscheinen lässt. Auch Derivate, bei denen dieser Transmissionsmechanismus (hoffentlich) fehlt, qualifizieren sich für die Kategorie „Finger weg“. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn sie es Spekulanten erlauben, von anderer Leute Schicksalsschlägen wie Arbeitslosigkeit oder gar (vorzeitigem) Ableben zu profitieren. Die Rechtsprechung liefert bei dieser Gewissensfrage allerdings keine Unterstützung. So hat das Oberlandesgericht Frankfurt befunden, dass Anlagen in gebrauchte Lebenspolicen, bei denen der Investor profitiert, wenn der Policeinhaber früh verstirbt, nicht sittenwidrig sind (Aktenzeichen 19 U 64/13). Auch die britische Finanzaufsicht hat 2009 die Firma Keydata nicht deshalb geschlossen und die Verantwortlichen mit Millionenstrafen belegt, weil sie den Vertrieb von derartigen Papieren als unethisch oder unsittlich eingestuft hätte (der Vorstandsvorsitzende wurde zur Zahlung einer Strafe von 75 Mio. Pfund verurteilt. Noch nie war bis dahin eine höhere Strafe gegen eine einzelne Person verhängt worden). Grund war vielmehr, dass viele ältere Anleger mit diesen Investments ihre Ersparnisse verloren hatten (Reuters 2015). Andererseits hat die USamerikanische Regierung dem „Markt für politische Analyse“, einer Initiative des Verteidigungsministeriums, aus moralischen Gründen eine Absage erteilt. Das Verteidigungsministerium wollte eine Informationsplattform auf- bzw. ausbauen, auf der Marktteilnehmer ihre Prognosen zu politischen Ereignisrisiken auf einem Markt für Informationen hätten umsetzen sollen (Abschn. 7.15.2.2). Ein weiterer ethischer Grenzbereich beginnt dort, wo Derivate absichtlich so heimtückisch strukturiert werden, dass die Gegenseite nur verlieren kann. Das meint Bundestagspräsident Norbert Lammert, wenn er erklärt (mas 2014): Es gibt eine Reihe von Phantasieprodukten, die schon in ihrer Konstruktion schlicht unanständig sind.
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Natürlich ist diese Schwelle schwierig zu verorten. Zunächst einmal hängt sie in starkem Maße davon ab, wie gut sich jemand in der Materie auskennt (Abschn. 6.8.1). Damit verläuft die Grenze bei jedem Marktteilnehmer potenziell woanders. In jedem Fall ist sie jedoch dort überschritten, wo Betrug im Spiel ist, also über die Ausgestaltung und Eigenschaften des Gegenstands schlichtweg gelogen wird. Aber das ist allgemeingültig und kein derivatespezifisches Thema. Dies gilt genauso, wenn Derivate genutzt werden, um Finanzstrafbestände zu begehen. Beispielsweise ist es der amerikanischen Derivateaufsichtsbehörde CFTC im Jahr 2015 erstmals in ihrer 41-jährigen Geschichte gelungen, einen Fall von Insider Trading, der über Derivate durchgeführt wurde, zu überführen (Devasabai 2014). Dem stehen jedoch unzählige Fälle gegenüber, in denen konventionelle Wertpapiere „die Tatwaffe“ waren. Vielleicht ist es eher ein branchenspezifisches Thema. Schließlich gibt es erste Untersuchungen, die andeuten, dass die Branche, in der ein Mensch beschäftigt ist, Einfluss auf dessen ethische Maßstäbe ausüben kann (Cohn et al. 2014). Bankmitarbeiter schneiden in dieser Hinsicht eher schlecht ab. Dabei spielt es keine Rolle, in welcher Funktion die Bankmitarbeiter tätig sind, ob als Investment Banker, Kundenbetreuer oder eher kundenund wertpapierfern, wie beispielsweise in der Personalabteilung. Betrachtet man noch einmal die Nähe von Derivaten zu Wetten bzw. zum Glücksspiel, so haben alle drei das Potenzial, die Gesellschaft zu bereichern, denn: „Das Vergnügen am Spiel kann als Wertschöpfung angesehen werden“ (Koslowski 2009). Andererseits ist die Möglichkeit einer Suchterkrankung nicht von der Hand zu weisen. So schreibt Gumbrecht (2016) über eine der psychischen Quellen für den Willen zur Wette, dass [. . . ] die in der Wette vollzogene Belastung der Zukunft (mit ihrem scharfen Kontrast zwischen befreiendem Gewinn und selbstzerstörerischem Verlust) das Leben in der Gegenwart intensiver [macht], und zwar durch die beständige Vorwegnahme solch dramatischer Alternativen.
Entsprechend ist es nicht weit hergeholt, wenn man davon ausgeht, dass Personen mit einer entsprechenden Disposition danach streben, ihr gegenwärtiges Leben auch im Finanzbereich wieder und wieder intensiver zu erleben. Eine typische Drogenwirkung also. Ich erinnere mich noch lebhaft an einen Kunden aus meiner Zeit in der Wertpapierberatung einer Filialbank. Dieser bewegte sich für damalige Zeiten auffällig hochfrequent in Eigenregie im Segment der japanischen Optionsscheine. Und wenn man heutzutage die Bilder eines Mannes an einem Spielautomaten in einer Gaststätte oder an einem Einarmigen Banditen in einem amerikanischen Casino mit denen manch eines Day Traders bei einem Online Broker vergleicht, stellt man nicht unerhebliche Ähnlichkeiten fest. Aber gerade dieses Beispiel zeigt auch, dass das potenzielle Problem sich wiederum nicht auf Derivate beschränkt, sondern auch für Wertpapiere und Wetten allgemein gilt. Und auch hier kann man noch feiner differenzieren. Gemäß der Erkenntnis, dass Gift immer eine Frage der Dosis ist, können sie sowohl wertschöpfend als auch vernichtend sein. Der genaue Grenzverlauf bleibt jedoch unklar.
6.8 Image
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Eine zusätzliche Schwierigkeit liegt darin, dass nicht alles, was auf den ersten Blick merkwürdig aussieht, gleich unanständig sein muss. In Abschn. 4.6.3 ist das Beispiel des Global Protect Derivats beschrieben, das bei oberflächlicher Betrachtung ziemlich sinnfrei erscheint, bei genauerer Untersuchung aber seine verborgenen Qualitäten für einen bestimmten Personenkreis offenbart. Ein weiteres Problemfeld, das aber ebenfalls nicht derivateexklusiv ist, ist der verantwortungsvolle Umgang mit Modellen und den diesen innewohnenden Risiken und Manipulationsmöglichkeiten. Modelle spielen eine wichtige Rolle in der Bewertung von Derivaten (Abschn. 6.1.4). Ein wissentlich oder unwissentlich leichtfertiger Umgang mit deren Komplexität bereitet den Weg für Fehleinschätzungen bis hin zum Betrug. Dabei ist es einfach, auch mit diesem Thema verantwortungsvoll umzugehen. Einen Leitfaden hierfür bietet das von den Derivateveteranen Emanuel Derman und Paul Wilmott 2009 vorgestellte „Manifest der Finanzmodellierer“. Darin heißt es unter anderem (Derman 2013, S. 238, übersetzt): Ich werde nie vergessen, dass ich die Welt nicht erschaffen habe und dass sie meinen Gleichungen nicht gehorcht. Obwohl ich die Modelle, die von mir oder anderen geschaffen wurden, verwenden werde, um nach bestem Wissen und Gewissen Werte zu schätzen, werde ich nicht betriebsblind werden und nie vergessen, dass das Modell nicht die Welt ist. Ich werde mich nicht über Gebühr von der Mathematik beeindrucken lassen. Ich werde die Wirklichkeit nicht der Eleganz opfern, ohne den Verwendern zu erklären, warum ich es getan habe. Ich werde den Menschen, die meine Modelle verwenden, keinen falschen Eindruck von deren Genauigkeit vermitteln. Ich werde alle Verwender meiner Modelle auf deren Annahmen und Lücken hinweisen. Mir ist klar, dass sich meine Arbeit nachhaltig auf Gesellschaft und Wirtschaft auswirkt – vielfach nachhaltiger, als ich abschätzen kann.
Und schließlich ergibt sich ein potenzielles ethisches Problemfeld dadurch, dass bei Derivaten auch Kreditaspekte im Spiel sind. Schon die Bewertung über einen Arbitrage-Ansatz beinhaltet die Aufnahme eines Kredits. Daraus resultiert auch die gehebelte Natur, mit der Derivate es erlauben, ein großes Exposure zu bewegen, das nur mit einer vergleichsweise kleinen Sicherheitsleistung unterlegt ist. Es gibt Stimmen, die immer wieder die Probleme hervorheben, die entstehen, wenn Kredite zur Überschuldung führen. Ein Darlehen ermöglicht es in vielen Fällen lediglich, Konsum zeitlich vorzuziehen. Das ist im individuellen Rahmen in Ordnung, wenn beispielsweise eine Privatperson einen Kredit aufnimmt, der sie nicht überfordert und diesen Kredit ratierlich zurückzahlt, anstatt zunächst zu sparen und dann zu konsumieren. Es wird dann problematisch, wenn man darauf spekuliert, dass jemand anders diesen Kredit zurückzahlt, sei es die folgende Generation, der man ungefragt die Rückzahlung aufbürdet oder der Kreditgeber, weil man davon ausgeht, dass man den Kredit ohnehin nicht ordentlich bedienen wird können.
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Darlehen können aber auch eingesetzt werden, um Investitionen zu tätigen, die ohne die Aufnahme von Fremdkapital nicht möglich oder rentabel wären. Hier stellen sich Störungen dann ein, wenn die Rendite entgegen den Erwartungen zu niedrig ausfällt, um die Zahlung der Zinsen und die Rückzahlung des Kapitals zu ermöglichen. Auch in diesem Fall werden die Störungen dann zu echten Problemen, wenn die aufgenommene Schuldenlast so hoch ist, dass sie nicht einfach vom Schuldner absorbiert werden kann, sondern dessen gesamte finanzielle Gesundheit ins Wanken bringt. Wenn der Schuldner dann auch noch so groß oder so vernetzt ist, dass er mehr oder weniger ausgedehnte Teile seiner finanziellen Umwelt infiziert, kann sich dies zu einer echten Finanzseuche auswachsen. Dadurch können Institutionen und Menschen in Mitleidenschaft gezogen werden, die sich in vermeintlich sicherer Entfernung vom Krankheitsherd befinden und dennoch über mehrere Überträger anstecken. Handelt es sich bei dem Pleitier um einen außergewöhnlich großen oder zentralen Marktteilnehmer, sind am Ende gar alle Bürger eines Staates oder einer Staatengemeinschaft die Leidtragenden, wenn diese Institute den Status „too big to fail“ oder „too connected to fail“ innehaben und mit Steuergeldern gerettet werden müssen. Da Derivate Kreditkomponenten enthalten, können sie allein oder in Kombination mit konventionellen Verschuldungsinstrumenten zu einer Überschuldung beitragen. Der klassische Fall ist eine zu große, gehebelte Position, wie in Abschn. 4.3.1.1 beschrieben.
6.9 Regulierung Eine nicht-prohibitive Regulierung ist Voraussetzung dafür, dass der Einsatz von Derivaten überhaupt möglich ist. Till (2014) kommt in ihrer Literaturrecherche zu dem Schluss, dass sich Future-Kontrakte nur dann am Markt durchsetzen, wenn drei Voraussetzungen erfüllt sind: 1. Es muss ein kommerzieller Absicherungsbedarf vorhanden sein. 2. Der Kontrakt muss genügend Spekulanten anziehen. 3. Die Politik darf dem Future-Handel nicht zu ablehnend gegenüberstehen. Die Regulierung des Einsatzes von Derivaten ist ein sehr verwirrendes Gebilde, das sich durch eine Vielzahl unterschiedlicher Vorschriften auszeichnet, die sich regional, national und über die Anwender hinweg stark unterscheiden und über die Zeit hinweg permanent verändern. Die Unsicherheit beginnt schon damit, dass selbst Nobelpreisträger unsicher sind, was die genaue Natur von Derivaten angeht (Stiglitz 2012, S. 321): „Auch wenn nicht klar war, ob Derivate Versicherungsprodukte oder Glücksspiel-Instrumente waren, stand doch fest, dass sie keine Kredite waren.“ – wobei auch Letzteres mehr als zweifelhaft ist (Abschn. 6.8.5). Die Antwort auf diese Frage ist durchaus von hoher praktischer Relevanz. Je nach Zuordnung ist nämlich eine andere staatliche Stelle für die Regulierung von Derivaten zu-
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ständig. Doch selbst wenn dann die Zuständigkeit unter den Behörden geklärt ist, fächert sich der Spielraum für verschiedene Investoren weit auf, weil die für den Derivateanwender zuständige nationale oder regionale Aufsichtsbehörde eine eigene Meinung dazu hat, wie und in welchem Umfang diese Instrumente von den durch sie beaufsichtigten Instituten eingesetzt werden sollten. Eine Besonderheit, die von der Aufsicht in besonderem Maße berücksichtigt werden muss, sind die Risiken, die von einer verbreiteten Nutzung von Derivaten für das gesamte Finanzsystem ausgehen. Hier gilt nicht, dass wenn jeder an sich selbst denkt, an alle gedacht ist. Der Einzelne mag sich optimieren können. Das System kann dadurch jedoch eine Unwucht bekommen und instabil werden. Ein wesentlicher Grund dafür ist das am Markt sehr unterschiedlich ausgeprägte Verständnis der Derivatemechanismen. Es mag angehen, dass ein Profi, der sich jahrelang auf einen Fallschirmabsprung aus den Grenzen zum Weltall vorbereitet hat, ein solches Unterfangen bestens gerüstet angeht. Sollten nun Menschen auf der ganzen Welt durch dieses Ereignis derartig inspiriert worden sein, dass sie dieses Hobby auch für sich als Feierabendbeschäftigung entdecken, würde das eher früher als später regulierende Stellen auf den Plan rufen, die sowohl vorsätzliche als auch unbedarfte Selbstmörder und deren Umfeld vor deren unprofessionellem Tun schützen wollen. Insofern agiert auch die Regulierung dynamisch. Im Versuch, das systemische Risiko zu vermindern, haben die Aufsichtsbehörden in der Vergangenheit immer wieder zur Einführung, Änderung und Aufhebung von Positionslimits als Mittel der Wahl gegriffen. Auf Basis anekdotischer Fälle würde man vermutlich intuitiv zu dem Schluss kommen, dass in der Folge von Marktturbulenzen die Limits verschärft und nach längeren Ruheperioden wieder gelockert wurden. Die Sicht vieler Marktteilnehmer auf die Regulierung erscheint jedoch hin und wieder stark asymmetrisch und gelegentlich wenig reflektiert. So wird den Behörden eher zu wenig Dynamik vorgeworfen, wenn es darum geht, neue derivative Freiheiten zu gewähren und zu viel Dynamik, wenn es, zumeist im Anschluss an irgendeinen Unglücksfall, darum geht, Einschränkungen vorzunehmen. Diese einseitige Haltung wird aber dadurch nachvollziehbar, weil sie auf der Erkenntnis fußt, dass Behörden eine klare Tendenz erkennen lassen, von sich aus stets einen höheren Grad an Regulierung anzustreben. Ausnahmen mögen die Regel bestätigen, aber generell werden bestehende Regeln eher verschärft und unregulierte Sphären der Regulierung unterworfen. Entscheidend könnte hier die generelle Haltung von Regierung und Gesellschaft sein, denn in vielen Jurisdiktionen hat die Aufsichtsbehörde aus ihrer Sicht nichts zu gewinnen. Wenn in ihrem Zuständigkeitsbereich etwas passiert, kommt häufig aus Politik, Gesellschaft und den Medien die vorwurfsvolle Frage, warum man diesen Unfall nicht verhindert habe. Der Nutzen einer liberaleren Herangehensweise hingegen zieht nur in den seltensten Fällen Wohlwollen und Lob nach sich – auch deshalb, weil er aufwändiger zu recherchieren und weniger schlagzeilenträchtig ist. Aus diesem Grund gehen Initiativen zur Liberalisierung fast immer von der betroffenen Industrie aus, kommen also von außerhalb des Regulators. Dennoch gibt es die Fälle, in denen einer zurückhaltenden Regulierung mit Augenmaß breite Zustimmung zuteilwird. Aus Sicht eines deutschen Asset Managers ist dies immer
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wieder mit Blick auf Luxemburg der Fall, wo ein breiter gesellschaftlicher Konsens darüber besteht, wie wichtig eine sachgerechte, aber eben nicht überbordende Regulierung für das Wohl des Landes ist. Hier würde eine aggressive Regulierung vermutlich auch als solche wahrgenommen und die negativen Folgen öffentlich thematisiert, sodass die zuständige Behörde in diesem Fall Minuspunkte sammeln würde und in der Folge incentiviert sein könnte, sich anders zu positionieren.
6.9.1 Instrumente Die aus der behördlichen Regulierung herrührenden Verbote und Restriktionen sind der direkteste Weg, um Einschränkungen beim Derivateeinsatz zu erwirken. Deren Effekt kann verstärkt werden, wenn man sie um Überwachungs- und Berichtspflichten ergänzt, da diese den Aufwand beim Nutzer erhöhen. Wenn die damit verbundenen Kosten in Form von Personal und Software hoch genug ausfallen, können sie auch eigenständig, ohne explizite Verbote und Restriktionen, einschränkend wirken. Ein ähnlicher Weg verbietet den Einsatz von Derivaten ebenfalls nicht direkt, macht den möglichen Ertrag aber so unattraktiv, dass er sich unter Kosten-Nutzen-Aspekten nicht lohnt. Ein Lehrbeispiel ist das Inkrafttreten der Volcker Rule in den USA im Juli 2012, die den Eigenhandel für Investmentbanken deutlich erschwerte bzw. verteuerte. Dadurch kam es zu Erschwernissen für die Future Arbitrage, die dazu führten, dass sich selbst im Bereich des hochliquiden S&P 500 Future die Handelskosten nahezu verzehnfachten (Abschn. 4.1.1). Wesentlich prominenter sind jedoch Maßnahmen, die auf die Absenkung der erwartbaren Nachsteuerrendite abzielen. Beispielsweise stuften die britischen Behörden bis 1990 derivative Aktivitäten als Handelsgeschäfte ein und nicht als Investment-Tätigkeiten. Dadurch unterlagen sie der Steuerpflicht, was sich insbesondere abschreckend auf die großen (steuerbefreiten) englischen Pensionsfonds auswirkte. Zusätzlich wurden Optionen als sich abnutzende Vermögensgegenstände eingestuft, mit dem Effekt, dass der wertlose Verfall einer Option nicht steuermindernd als Verlust angesetzt werden konnte (Ineichen 1999). Diese Regelung existierte für Privatkunden in Deutschland bis in die jüngste Vergangenheit. Sie wurde durch Urteile des Bundesfinanzhofs zugunsten der Investoren immer weiter zurückgedrängt (jja 2013; BFH Az. IX R 48/14, 49/14, 50/14). Erst mit Schreiben vom 16. Juni 2016 hat das Bundesfinanzministerium seine ablehnende Haltung aufgegeben. Die abschreckende Wirkung derartiger Regeln wird schon im Ansatz deutlich: Für den Investor bedeutet es in jedem Fall einen Aufwand, sich bei einem disputierten Thema über die aktuelle Sachlage zu informieren. Dies erhöht letztlich seine betriebswirtschaftlichen Kosten und macht den Einsatz von Optionen weniger attraktiv. Und selbst wenn er diese Anstrengung auf sich genommen hat, muss er in seine Kalkulationen das Risiko einbeziehen, dass sich die Gesetzeslage durch Nichtanwendungserlasse oder Gesetzesänderungen zu seinen Ungunsten verändern kann.
6.9 Regulierung
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Auch in anderen Ländern waren Verbote bestimmter Derivatekonstruktionen aus steuerlichen Gründen und die Aufhebung derselben ein Faktor, der das Derivategeschäft maßgeblich geformt hat. So existierte in den USA über lange Jahre ein Verbot von bestimmten Box-Konstruktionen, die es erlaubten, den risikolosen Zinssatz derivativ abzubilden. Diese und andere steuergestaltenden Konstruktionen sind in Abschn. 4.6.2 dargestellt. Das Thema „Box“ findet sich in Abschn. 4.6.2.1.1. Dieses Verbot wurde jedoch später wieder aufgehoben. Und erst 1997 wurde die Abschaffung der sogenannten „Short-Short“-Regel erreicht. Diese reichte bis ins Jahr 1936 zurück und entzog allen Investmentfonds die Steuerfreiheit, die mehr als 30 % ihrer Bruttoerträge mit Wertpapieren oder Derivaten gemacht hatten, die sie weniger als 90 Tage im Bestand gehabt hatten.
6.9.2 Regulierung im Zeitablauf Die behördlich verordnete Einschränkung von Derivaten bis hin zu deren vollständigem Verbot blickt auf eine lange Tradition zurück. Beispielsweise wurden in den Niederlanden schon im Jahre 1693 Optionen verboten. Ein unmittelbarer Zusammenhang mit dem Platzen der Tulpenblase wäre jedoch weit hergeholt, es sei denn man unterstellte noch längere Gesetzgebungsverfahren als heute, war die spekulative Blase doch schon 1636 geplatzt. Als mittelbare Spätfolge hat der Crash aber zu dem Verbot beigetragen. Doch dann ließ sich das Verbot noch nicht einmal wirksam durchsetzen, sodass es bereits zehn Jahre später wieder aufgehoben wurde (Ineichen 1999). Hier zeigt sich schon sehr früh ein Charakterzug der Regulierung: ihr Hin-und-her-gerissen-Sein. Das Regulierungspendel schwingt seit frühester Zeit ständig zwischen einer gefühlten Unter- und Überregulierung hin und her. Noch kürzer als die Tulpenoptionen, nämlich nur etwas mehr als drei Jahre, waren Getreide-Futures im Deutschen Reich verboten. Nach einer Missernte in Deutschland und Russland 1891 stiegen die Getreidepreise unter heftigen Schwankungen stark an. Die öffentliche Meinung führte dies in starkem Maße auf die spekulativen Umtriebe an der Börse zurück. Daraufhin verbot der Reichstag den Handel ab Januar 1897 – nur um das Verbot per April 1900 wieder zurückzuziehen, nachdem erkennbar geworden war, dass es hinsichtlich der erhofften Stabilisierung der Preise nicht zum Erfolg führte (Jacks 2007). Die USA durchliefen mindestens sieben Phasen, in denen Optionen verboten waren (Glasser 1996). Das ist nicht weiter verwunderlich, gab es doch zwischen 1884 und 1953 mindestens 330 Vorlagen für den amerikanischen Kongress, die darauf abzielten, „den Future-Handel zu begrenzen, zu behindern oder zu verbieten“ (Jacks 2007). Natürlich wurde auch im Zuge der Weltwirtschaftskrise in den 1930er-Jahren das Derivategeschäft stark reguliert. Beispielsweise wurden 1936 Optionen auf Futures verboten (Ineichen 1999). Wenn man davon ausgeht, dass der Mensch im Laufe der Zeit gescheiter wird (was jedoch nicht mit Sicherheit feststeht), kann man die Tatsache, dass diese Geschäfte heutzutage wieder gang und gäbe sind, so deuten, dass dies damals ein Fehler war. Vielleicht
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hatte die amerikanische Derivatebehörde CFTC daraus bereits gelernt, als sie 1978 von ihrem ursprünglichen Vorhaben Abstand nahm, den Optionshandel vollständig zu verbieten, nachdem es im Rohstoffbereich zu mehreren Betrugsfällen gekommen war. Auch in Deutschland wurde erst im Jahre 1989 die Regelung abgeschafft, wonach Derivategeschäfte von Privatpersonen als Glücksspiel galten. Aber es ist in Teilbereichen erkennbar, dass es sich nicht um einen linearen Liberalisierungstrend handelt, sondern dass das Pendel bereits wieder in der Rückwärtsbewegung ist. Seit der Sub-Prime-Lehman-ff.-Krise sind derartige Bestrebungen in vollem Gang, weil man zu der Erkenntnis gelangt ist, dass die Liberalisierung bis Anfang der 2000er-Jahre dann doch mindestens einen Schritt zu weit ging. So befand ein Richter am Landgericht Dortmund Verträge über strukturierte Zinsswaps zwischen mehreren Kommunen und der Westdeutschen Landesbank für sittenwidrig und nichtig, weil es sich um glücksspielähnliche Finanzgeschäfte handelte (jja 2014). Und im Jahr 2016 geht die Wertpapieraufsicht in Deutschland und Großbritannien gegen mehrere umverpackte Derivate vor. Zunächst sollten Zertifikate, deren Wertentwicklung sich an der Bonität von Unternehmen orientiert, sogenannte Bonitätsanleihen, für den Privatkundenvertrieb verboten werden. Dann griff die britische Finanzaufsicht FCA in den Retail-Markt für Contracts for Difference (CFDs; Differenzkontrakte) ein. Bei diesen Instrumenten handelt es sich um Produkte zur stark gehebelten Spekulation auf die Richtungsentwicklung eines Underlying. Die FCA limitierte den maximal erlaubten Hebel auf „nur noch“ 50. Davor konnte auch schon mal bis zu 400 betragen! Das heißt, das Underlying musste sich nur 0,25 % in die falsche Richtung bewegen, um zum totalen Kapitalverlust zu führen. Das ist beim Crash des Schweizer Franken am 15. Januar 2015 auch vielfach passiert (Abschn. 3.4.4). Da viele CFDs keine Verlustgrenze eingebaut haben, kann es bei diesen Instrumenten auch zur Nachschusspflicht des Anlegers kommen. Selbst wenn ein Anleger beim Franken-Crash nur zehn Prozent mitgenommen hätte, hätte er bei einem Einsatz von 10.000 C und einem Hebel von 400 400.000 C verloren, also 390.000 C nachschießen müssen. Aus diesem Grund entschloss sich die deutsche Finanzaufsicht BaFin für ein Verbot von Differenzkontrakten mit Nachschusspflicht. Das Hin und Her in der Regulierung ist auch ein Symptom des schwankenden Wissensstands zum Thema Derivate. Dies betrifft einerseits das Fachwissen beim Gesetzgeber. Je weniger jemand in einem Thema zuhause ist, desto eher sind aktuelle Entwicklungen, Strömungen und Stimmungen in der Lage, ihn in seiner Einstellung zu beeinflussen. Unterstützt wird dies durch die mangelnde Transparenz des weltweiten Derivategeschäfts, die es unmöglich macht, die Folgen einer Maßnahme genau abzuschätzen. Andererseits trifft dies auch auf den akademischen Bereich zu, aus dem sich die Regierungen und Regulatoren bedienen (sollten), wenn es darum geht, eine sachrationale Bestandsaufnahme zu machen, um etwaig erforderliche Regulierungsschritte in die Wege zu leiten. Auch hier kann man „mangelndes Fachwissen“ insofern konstatieren, als man sich eben nur auf dem Boden der aktuellen Forschungsergebnisse bewegen kann, die jedoch in einigen Jahren voraussichtlich schon wieder überholt sein werden. Damit sind die Wirtschaftswissenschaftler allerdings nicht allein. Sie befinden sich in der guten Gesellschaft aller Forscher. Wie man heutzutage mit einer gewissen Skepsis auf die ge-
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sundheitlichen Wirkungen eines Aderlasses im Mittelalter blickt, wird man in 500 Jahren wahrscheinlich auch nur mit mitleidigem Respekt auf unsere heutige Medizin blicken. So sind die Regulierer eben nur in der Lage, ihre Gesetze auf Basis des aktuellen, unvollständigen Wissensstands zu erlassen und sie dann zu gegebener Zeit wieder anzupassen. Aber immerhin gibt es in der regulatorischen Pendelbewegung doch eine Konstante: Auch heute noch gibt es in den USA ein Underlying, auf das keine Futures gehandelt werden dürfen: Zwiebeln.
6.9.3 Auswirkungen Regulatorische Einschränkungen sind ein scharfes Schwert, das in der Lage ist, die nationale und internationale Derivatelandschaft massiv zu verändern. Wie anders wäre es zu erklären, dass sich das Verhältnis zwischen dem bewegten Derivatevolumen und dem Aktienvolumen bzw. zwischen Derivateumsatz und Marktkapitalisierung so massiv von Land zu Land unterscheidet? Rein an der Mentalität der Anleger und deren Fachwissen liegt es mit Sicherheit nicht, dass der Umsatz in börsengehandelten Index-Futures und -Optionen in Deutschland und den Niederlanden rund viereinhalb mal so hoch ist wie der Aktienumsatz, während die Relation in Schweden und Kanada (deutlich) unter eins liegt (Hill und Dunn 1999). Vielmehr sind es unterschiedliche nationale Regelungen oder Auslegungen, die die Verbreitung von Derivaten maßgeblich prägen. So ist beispielsweise der Gebrauch von Derivaten in Pensionskassen in der Europäischen Union nicht einheitlich geregelt. Einige Länder erlauben diesen lediglich zum Zwecke der Absicherung und zur Vereinfachung der Verwaltung. Daraus ergeben sich Unterschiede nicht nur zwischen Ländern mit und ohne Einschränkung, sodass Pensionskassen in eingeschränkten Ländern keine auf Ertragssteigerung abzielenden Positionen wie direktionale Wetten und geschriebene Optionen eingehen dürfen (damit fallen viele Möglichkeiten des gesamten Kap. 4 weg). Auch zwischen den eingeschränkten Ländern kommt es zu unterschiedlicher Handhabung, abhängig von der Interpretation der Regularien. Eine vage Formulierung wie „erlaubt zur Verwaltungsvereinfachung“ lässt ein riesiges Deutungsspektrum offen. Und auch ein scheinbar klarer Begriff wie „Absicherung“ ist mit einem hohen Maß an Unsicherheit behaftet, zum Beispiel hinsichtlich der erforderlichen Korrelation zwischen abzusicherndem Asset und absicherndem Derivat: Wo genau hört die Absicherung auf und beginnt der Relative Value Trade (Abschn. 4.3.3.2, siehe „Relative Value Trade“)? Selbst wenn man eine derartige Untersuchung in den Vereinigten Staaten durchführte, würde man erkennen, dass diese hinsichtlich ihrer Gesetzgebung im Bereich der Derivate alles andere als vereinheitlicht sind. Beispielsweise unterscheiden sich die Möglichkeiten, die Versicherungen haben, ein ihnen per se erlaubtes Investment auch synthetisch darzustellen, von Bundesstaat zu Bundesstaat (Polyn 2001). Regulatorische Änderungen wirken nicht nur auf die Sophistizierung und Innovationsstärke der Marktteilnehmer. Sie verändern auch unweigerlich die Struktur des Marktes und können Auslöser für teilweise massive Kursbewegungen sein.
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Beispiel
So hat der Regulator in Korea 2015 die Nutzung des Aktienindex HSCEI als Underlying für Derivate eingeschränkt. Dies hat zu einem Einbruch bei der Emission von sich automatisch kündigenden Derivaten, sogenannten Autocallables, geführt. Der Markt für diese Produkte insbesondere in Korea und Japan war riesig. Entsprechend groß waren die Effekte auf die Risikostrukturen der Emittenten, die zu diesem Zeitpunkt tendenziell Short in Varianz waren, weil viele Asset Manager sich über vergleichsweise billige Varianz zu Jahresbeginn gegen Rückschläge am Aktienmarkt abgesichert hatten. Durch die vom koreanischen Regulator vorgenommene Einschränkung versiegte eine Quelle für den Kauf von Volatilität. In den Aktienmarktturbulenzen Ende August 2015 stieg die Volatilität natürlich an, mit deutlich negativen Auswirkungen auf die Gewinn- und Verlustrechnung der (Vola short-positionierten) Emittenten, die daraufhin unter Druck waren, Vola zu kaufen „koste es, was es wolle“ und so die Preise weiter in die Höhe schraubten. Beispiel
Auch die Einführung von Solvency II, dem Regelwerk für Versicherungsunternehmen, Anfang 2016 setzte Impulse, die geeignet waren, die Volatilitätsstrukturkurve grundsätzlich zu verändern. Solvency II schreibt beispielsweise vor, dass ein Versicherer ein Aktienportfolio von 100 C mit durchschnittlich 39 C Kapital unterlegen muss. Sichert er seine Aktien über einen Put ab, beschränkt sich die Kapitalunterlegung auf das ungesicherte Risiko bis zum Basispreis. Um diese Erleichterung in Anspruch nehmen zu können, müssen jedoch einige Voraussetzungen erfüllt sein. Neben der bis dato nebulös formulierten hohen Übereinstimmung zwischen Aktienportfolio und Sicherungsinstrument ist dies vor allem die Mindestlaufzeit der Verkaufsoption, die sich auf zwölf Monate beläuft. Die Absicherungswirkung kürzer laufender Optionen wird nur dann voll ins Kalkül gezogen, wenn diese Optionen auf Basis einer schriftlich fixierten Roll-over Strategie planmäßig und zwingend verlängert werden. Länger laufende Optionen sind also regulatorisch im Vorteil, woraus eine verstärkte Nachfrage resultieren könnte. Sollten diese dadurch jedoch vergleichsweise zu teuer werden, werden die Versicherer sich lieber die Mühe machen, eine Roll-over-Politik zu formulieren (vgl. Abschn. 3.5.6). Beispiel
Und in den USA unterliegen Investmentfonds durch den Investment Company Act von 1940 Restriktionen beim Einsatz von OTC-Derivaten. Daher unterscheiden sich die Märkte für Indexfonds in den Vereinigten Staaten von denen in Europa. Sofern sie den Index nicht physisch replizieren, bedienen sich Index Tracker hierzulande bevorzugt Swaps. In den USA hingegen setzen die Manager Futures ein (Harrison 2016).
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Derartige Ungleichbehandlungen können dazu führen, dass sich ganze Industrien anders entwickeln – mit den entsprechenden Auswirkungen auf die beteiligten Volkswirtschaften. Beispiel
Prominentes Beispiel hierfür ist in Europa, wie gesagt, der Fondsstandort Luxemburg. Dieser verdankt seine heutige Stellung unter anderem der liberaleren, aber nicht laxen, Handhabung von Derivategeschäften. Wesentlich dazu beigetragen hat die Absetzbewegung deutscher Fondsgesellschaften seit Beginn der 1990er-Jahre. Damals war es beispielsweise nicht möglich, Garantiefonds, bei denen ein vorab definiertes Mindestvermögen durch Absicherungsstrukturen sichergestellt wurde, in Deutschland aufzulegen, sodass sich deutsche Fondsgesellschaften gezwungen sahen, mit diesen Produkten nach Luxemburg auszuweichen. Inwieweit die Aufsichtsbehörden sich über die von ihnen initiierten Impulse überhaupt nach allen Seiten hin Gedanken machen, ist nicht transparent. Man kann sich nicht vorstellen, dass es diese eigenständigen Abschätzungen und Abwägungen über Vor- und Nachteile nicht gibt. Allerdings werden sie nicht kommuniziert. So geht eine Anmutung dahin, dass eine Initiative zur Verschärfung der Regulierung gestartet wird, die Entwürfe dann veröffentlicht werden und erst das daraufhin erhaltene Feedback der Betroffenen die Basis bildet, um die Auswirkungen auf Märkte und Industrien abzuschätzen. Doch selbst wenn die Regulierungsbehörden sich eigenständig Gedanken über die Auswirkungen ihrer Erlasse machten, würden sie die Effekte aufgrund der Komplexität der Instrumente und Wirkungszusammenhänge sowie der internationalen Verknüpfungen nicht sonderlich präzise abschätzen können, zumindest nicht mit der derzeit verfügbaren Datenbasis. Insofern ist es durchaus möglich, dass regulatorische Anpassungen zur Vermeidung eines Risikos ein anderes heraufbeschwören, das kleiner, gleichgroß oder im schlimmsten Fall sogar größer sein kann. Wie sich regulatorische Rahmenbedingungen auf die einzelnen Gruppen von Marktteilnehmern auswirken, ist auch aus Abschn. 7.6 ersichtlich. Wie jeder Mensch und jede Institution ist auch eine Regulierungsbehörde nicht davor gefeit, durch gut gemeinte Vorschriften ungewollte und dann auch häufig unentdeckte Risiken heraufzubeschwören. Beispiel
Wir haben gesehen, dass sich das wirtschaftliche Exposure eines Future durch Multiplikation des Future-Kurses mit dem Kontraktmultiplikator ergibt (Abschn. 2.3.5.2 und 3.3.1). Ein Kontrakt auf langlaufende italienische Staatsanleihen, der LongTerm Euro-BTP Future, würde also bei einem Kurs von 141,67 (Prozent!) und einem Kontraktmultiplikator von 100.000 C 141.670 C auf die Waage bringen. Ein Portfolio mit einem Kassestand von 141.670.000 C wäre also über eintausend Long Future voll investiert. Ein Rentenportfolio im Volumen über 141.670.000 C wäre über 1000 Short
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Future vollständig nominal abgesichert. Jedoch heißt es in der „Verordnung über Risikomanagement und Risikomessung beim Einsatz von Derivaten, Wertpapier-Darlehn und Pensionsgeschäften in Investmentvermögen nach dem Kapitalanlagegesetzbuch (Derivateverordnung – DerivateV)“ in „§ 16 Anrechnungsbetrag für das Marktrisiko“, Absatz 7: „Der Anrechnungsbetrag für das Marktrisiko für Grundformen von Derivaten ist bei 1. Finanzterminkontrakten die Anzahl der Kontrakte multipliziert mit dem Kontraktwert multipliziert mit dem Marktwert des Basiswertes, wobei der Marktwert des Basiswertes a. dem Marktwert der günstigsten lieferbaren Referenzanleihe entspricht, sofern der Basiswert eine Anleihe ist“ Die „günstigste lieferbare Referenzanleihe“ notiert zu diesem Zeitpunkt bei 128,796, repräsentiert also einen Anrechnungsbetrag für das Marktrisiko von 128.796 C. Damit wirkt sich die Vorschrift in dieser Konstellation recht großzügig aus. Während der Fonds im Extremfall 141.670 C je Kontrakt verlieren könnte, taxiert der Gesetzgeber das Risiko nur auf 128.796 C. Ein Manager eines Investmentfonds, der es darauf anlegt, könnte also 141.670.000 C / 128.796 C D 1099 Future long oder short gehen, ohne dass in der regulatorisch ermittelten Kennzahl auffiele, dass er den Fonds gehebelt bzw. übersichert hat. Wechselt dann noch die CTD auf die nächstbilligere Anleihe, die bei 106,722 steht, hat er aufsichtsrechtlich unbemerkt einen Hebel bzw. eine Übersicherung von beinahe 33 % aufgebaut. Diese Konstellation stellt einen theoretischen Extremfall dar. Durch anderweitige gesetzliche Vorschriften würde eine derart konzentrierte Positionierung verhindert. Ein kleinerer Hebel ist aber in der Realität unter formaler Einhaltung sämtlicher Vorschriften dennoch möglich. Um das wirtschaftliche Exposure in der aufsichtsrechtlichen Anrechnung abzubilden, müsste man den Kontraktmultiplikator mit dem Future-Kurs multiplizieren. Alternativ könnte man den Kurs der CTD noch durch den Konversionsfaktor teilen (Abschn. 2.3.5.1). Dann würde das formale Marktrisiko für jede Anleihe im lieferbaren Korb in etwa auf das gleiche Niveau normiert werden. Dadurch verhindert man ein wildes Herumtollen der aufsichtsrechtlichen Kennzahl wenn die CTD wechselt, obwohl sich im Fonds nichts getan hat und die tatsächliche Risikoposition unverändert ist. Die fehlerhaften Steuerungsimpulse, die aus diesem Beispiel hervorgehen, wirken sich in einer Periode hoher Zinsen noch viel gravierender aus. Liegen die Zinsen am Kapitalmarkt oberhalb des Referenzkupons des Future, wird der Future unter 100 notieren, beispielsweise bei 90. Gleichzeitig werden lieferbare Anleihen mit einem marktnahen Kupon und demzufolge mit einem Kurs um die 100 emittiert. Um seinen Rentenfonds abzusichern, würde der Fondsmanager 141.670.000 C / 90.000 C D 1574 Kontrakte verkaufen müssen. Regulatorisch wird ihm jedoch ein Marktrisiko von
6.10 Bilanzierung
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1574 100.000 C D 157,4 Mio. C angerechnet. Damit stünde ein Short Exposure von 157,4 Mio. C / 141,67 Mio. C C 1 D 11 % auf der Uhr. Anders ausgedrückt, dürfte er das ihm anvertraute Vermögen nicht vollständig gegen Verluste absichern, sondern wäre gezwungen, zehn Prozent des Fonds ungeschützt zu lassen.
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Bilanzierung
An dieser Stelle erfolgt keine Ausarbeitung darüber, wie Derivate bilanziert werden. Zum einen wären die an dieser Stelle zu besprechenden Regelungen zu umfangreich, da sie sowohl den unterschiedlichen Kontrakten als auch den einzelnen Anwendergruppen (Privatanleger, Banken, Versicherungen, Versorgungswerke, Investmentfonds, . . . ) gerecht werden müssten. Zum anderen ist dieser Bereich ständig im Fluss, sodass die Gefahr besteht, dass die Informationen schon bei Druck des Buchs teilweise veraltet wären. Hintergrundinformation Wer sich in die Materie einlesen möchte oder muss, tut dies vorzugsweise bei den International Accounting Standards IAS 39, vor allem in Verbindung mit IAS 13 oder fokussierten Fachbüchern wie Löw (2005), Bieg (2010), Barz et al. (2012) oder Kuhn und Hachmeister (2015).
Was an dieser Stelle angesprochen werden soll, ist der Einfluss des Ergebnisausweises von Derivatetransaktionen auf die Wahrnehmung dieser Instrumente und deren Anwendung. Der vermehrte Einsatz von Derivaten sowie die zunehmende Produktvielfalt und Komplexität gepaart mit der fortschreitenden Globalisierung der Finanzmärkte und dem damit einhergehenden Streben nach aussagekräftigeren und vergleichbaren Unternehmenskennzahlen haben in den 1990er-Jahren zu massiven Diskussionen über die richtige Verbuchung von Derivaten geführt. Dabei standen sich, vereinfacht gesprochen angelsächsische und kontinentaleuropäisch-japanische Auffassungen gegenüber. Man könnte die Trennlinie auch weniger entlang geografischer Linien als vielmehr zwischen Gruppen von Marktteilnehmern ziehen: Auf der einen Seite die Unternehmen, die sehr stark in Derivaten aktiv waren, wie (Investment) Banken und Handelshäuser, auf der anderen Seite Unternehmen aus Industrie und Handel, die sich dieser Instrumente eher selten bedienten. Während die jeweils Erstgenannten eine marktnahe, wirtschaftliche Betrachtungsweise auf Basis aktueller Marktpreise bevorzugten, plädierten die Letztgenannten für einen vorsichtigen, auf Substanzerhaltung und die Möglichkeit zur Legung von Reserven abzielenden Ansatz, wie ihn traditionell ein deutscher Kaufmann pflegen würde. Doch auch in Deutschland selbst herrschte große Unsicherheit über den bilanziellen Umgang mit Derivatepositionen da es, mit der Ausnahme von Vorschriften zur Umrechnung von Fremdwährungen im Handelsgesetzbuch (HGB), keine verbindlichen Rechnungslegungsvorschriften gab (Bertsch und Kärcher 1996). Daraus entspann sich eine zentrale Diskussion über die Pros und Contras von Einzelausweis versus Bildung von
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Besondere Herausforderungen beim Derivateeinsatz
mehr oder weniger großen Bewertungseinheiten. Bei einem Einzelausweis wird jede Position für sich bewertet, das heißt Gewinne und Verluste treten einzeln zutage. Bei der Bildung von Bewertungseinheiten werden mindestens zwei Positionen zusammengefasst, sodass die Möglichkeit besteht, schwebende Gewinne und Verluste miteinander zu verrechnen und so zu einem geglätteten Ergebnis zu kommen. Besonders wichtig ist dabei die Chance, Verluste durch Gewinne (überzu)kompensieren. In Abschn. 6.8.2 wurde dargestellt, dass Gewinne und Verluste unterschiedlich wahrgenommen werden. Der durchschnittliche Investor ist demnach bestrebt, den Ausweis von Verlusten zu vermeiden, da sie seinem Nutzen besonders abträglich sind. Je nachdem, wie diese Verluste nun berechnet bzw. verbucht werden, resultieren daraus unterschiedliche Handlungen. Wenn man einen (schwebenden) Verlust sieht, ist die Neigung größer, darauf zu reagieren. Wenn also jede Position für sich bewertet wird, steigt der emotionale und vermutlich auch institutionelle Druck auf den Anleger, „sich um Verlustpositionen zu kümmern“. Umgekehrt ist bei einer Portfoliobewertung der Druck weniger groß. Einzelne Verlustpositionen werden von Gewinnpositionen abgemildert oder gar vollständig ausgeglichen, sodass diese in der Gesamtsumme untergehen. Dadurch können einzelne Verlustpositionen länger durchgehalten werden. Banken nutzen dies beispielsweise, indem sie Positionen in Anleihen mit festen Kupons ersetzen durch Floater und außerbilanzielle Long Duration-Positionen in Derivaten. Bei einem Zinsanstieg bleiben die Floater in der Bilanz stabil. Das Derivat kann, als Makro-Hedge unter Einbezug der Passiva deklariert und dokumentiert, mit unverändertem Wertansatz beibehalten werden. Natürlich ist die Betrachtung von Bewertungseinheiten bzw. Portfolios weniger transparent. Wie man sieht, hat eine hohe Transparenz (oder noch genauer müsste man an dieser Stelle von Granularität sprechen) auch Nachteile, wenn die zusätzlichen Informationen nicht sachgerecht gewertet werden. Dies ist aufgrund der unterschiedlichen Wahrnehmung von Gewinnen und Verlusten allgemein und insbesondere wegen der erhöhten fachlichen Anforderungen zur Beurteilung von Derivaten sowie der teils voreingenommenen Betrachtung durchaus nicht selten der Fall. Insofern ist interessant, dass die Praxis im Stiftungsmanagement und der Stiftungsaufsicht recht weit ist, da man in diesem Bereich, in Anlehnung an die Erkenntnisse der Modernen Portfolio Theorie, mittlerweile auf die Betrachtung des Gesamtportfolios abstellt (Hüttemann 2016a, 2016b). Dass die Bilanzierungsmethode ein wichtiger Faktor für Art und Umfang des Einsatzes von Derivaten ist, ist unstrittig. So führen Bodnar und Gebhardt (1998) die unterschiedliche Handhabung von Derivaten bei deutschen und amerikanischen Industrieunternehmen unter anderem auf die besondere Bedeutung des deutschen Jahresabschlusses, bei dem die Handelsbilanz auch maßgeblich für die Steuerbilanz ist, zurück. In den USA selbst herrschte lange Zeit große Unsicherheit über die Bewertung ausgegebener Angestelltenoptionen. Mit diesen Kaufoptionen auf Aktien des eigenen Unternehmens sollen Mitarbeiter incentiviert, am Wertzuwachs des Unternehmens beteiligt und langfristig an die Firma gebunden werden. Problematisch an diesen Optionen ist, dass es sich bewertungstechnisch nicht um einfache Calls handelt, da sie eine Reihe von zusätzlichen preisbildenden Faktoren enthalten. Dazu gehören:
6.10 Bilanzierung
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Während einer definierten Halteperiode dürfen die Optionen vom Mitarbeiter nicht ausgeübt werden. Angestellte könnten die Firma verlassen. Das kann freiwillig oder unfreiwillig geschehen. Der Zeitpunkt dafür muss geschätzt werden, denn – wenn dies während der Halteperiode geschieht, verfallen die Optionen, – wenn dies nach der Halteperiode geschieht, spielt die Moneyness eine Rolle, da die aus dem Geld liegenden Optionen verfallen, während die Optionen im Geld sofort ausgeübt werden müssen. Die Optionen dürfen nicht verkauft werden. Das führt häufig dazu, dass sie unmittelbar nach Ablauf der Haltefrist ausgeübt werden, auch wenn dies für eine amerikanische Option suboptimal wäre (Hubbart und Lang 1996). Bei manchen Angestelltenoptionen kommt es, wie bei Optionsscheinen, zu Verwässerungseffekten (Abschn. 7.6.4.2). Das Financial Accounting Standards Board hat Hinweise herausgegeben, wie ein Unternehmen, das Angestelltenoptionen ausreicht, diese bewerten sollte. Die Finanzmarktforschung hat ebenfalls mehrere Modelle entwickelt (Hull und White 2004). Ammann und Seiz (2004) haben festgestellt, dass diese „akademischen“ Bewertungsmodelle sehr nahe beieinanderliegende Preise liefern, wenn man identische Input-Parameter verwendet. Dass es keinen Sinn macht, diese Angestelltenoptionen nach Black-Scholes und den klassischen Modellen für amerikanische Optionen zu bewerten, beweisen die teilweise gewaltigen Abweichungen in den ermittelten Preisen. Aber auch die gemäß FASB errechneten Preise liegen bis zu 30 % daneben. Doch selbst wenn man eines der neueren Modelle verwendet, bleibt die Unsicherheit bezüglich der zu schätzenden Faktoren, wie zum Beispiel der Abgangsrate der Angestellten. Einheitliche Vorgaben können dabei helfen, dass die Unternehmen zu gleichen Ergebnissen kommen. Dennoch können auch diese einheitlichen Ergebnisse weit von der wirtschaftlichen Realität entfernt sein und für einen unfairen Preis für eine der beteiligten Parteien sorgen. Und schließlich ist es erforderlich, die Gewinne und Verluste aus einem solchen Aktienoptionsprogramm und allen damit zusammenhängenden Geschäften korrekt zu verbuchen und sich nicht von der asymmetrischen Natur der Optionen dazu verleiten zu lassen, auch das Ergebnis dieser Transaktionen insofern asymmetrisch zu verbuchen, als dabei nur Gewinne entstehen können – eine Idee auf die einst der Computerbauer Dell verfiel (Abschn. 7.6.4.2). Fazit
Das Kapitel „Besondere Herausforderungen beim Derivateeinsatz“ ist sowas wie der Beipackzettel für Derivate – umfangreich, wie das nun einmal bei Beipackzetteln so ist. Soweit nicht an anderer Stelle des Buchs bereits direkt adressiert, finden sich hier kompakt die gängigsten Risiken und Nebenwirkungen – kolportierte wie auch reale.
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Besondere Herausforderungen beim Derivateeinsatz
Viele Herausforderungen resultieren aus den vielfach hervorgehobenen Annahmen, die der Modellierung innewohnen. Andere ergeben sich aus der Kapitalmarktrealität im Hinblick auf extreme oder irritierende Wertentwicklungen wie auch aus den organisatorischen Rahmenbedingungen. Es dreht sich um Probleme, die sich aus besonderen Marktbewegungen ergeben können, Besonderheiten in der Performance-Analyse ebenso wie um die Beantwortung der Frage „Was mache ich eigentlich mit Optionen, wenn ich erst einmal eine Long- oder Short-Position im Bestand habe?“. Breiten Raum nimmt auch die Besprechung von Vor- und Nachteilen der gängigsten exotischen Optionen ein. Mit am wichtigsten ist eine ausführliche Analyse der vielen Aspekte, die die öffentliche Wahrnehmung von Derivaten im Widerstreit zwischen Klischee und Realität prägen.
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Derivate als Informationsquelle
Der Einsatz derivativer Finanzinstrumente setzt den Aufbau eines spezifischen Fachwissens voraus. Der Aufbau eines solchen Wissens ist jedoch nicht nur erforderlich, um die damit verbundenen Risiken zu beherrschen und die Ertragspotenziale zu heben. Ein profundes Verständnis dieser Instrumente führt zu wesentlich verbesserten Einsichten in die Zusammenhänge, die die Finanzwelt und insbesondere den Kassamarkt bewegen. Ebenso wie aus der Beobachtung volkswirtschaftlicher und unternehmensspezifischer Entwicklungen können aus der Kenntnis des Derivatemarkts wichtige Informationen zur Einschätzung der internationalen Kapitalmärkte gewonnen werden. Diese Informationen ergänzen zum Teil Aspekte, die aus anderen Analysenbereichen stammen. Sie bieten einen GegenCheck zu den aus diesen Quellen generierten Erkenntnissen und können sie bestätigen und damit die Konfidenz in die Einschätzung erhöhen. Deckt sich das Ergebnis des Derivate-Researchs nicht mit dem aus anderen Ansätzen gewonnenen, regt dieser Widerspruch dazu an, die bisherige Meinung noch einmal kritisch zu hinterfragen. Darüber hinaus liefert eine Analyse der Derivatemärkte aber auch Einsichten, die in dieser Form auf keinem anderen Weg erlangt werden können. Durch Beobachtung und sachgerechte Auswertung der Entwicklungen auf den Derivatemärkten werden Akademiker, Analysten, Sales-Leute und Portfoliomanager in die Lage versetzt, ihre jeweiligen Aufgabengebiete noch besser zu verstehen. Diese Auffassung setzt sich im modernen Portfoliomanagement immer mehr durch. So macht sich beispielsweise Bodie (2003) in seinen Überlegungen zur zukünftigen Entwicklung im Bereich des Life-Cycle Investing unter anderem dafür stark, dass Portfoliomanager die in den Optionen enthaltenen Informationen besser nutzen können und sollen. Félix et al. (2016) untersuchen die Auswirkungen von Leerverkaufsverboten. Sie erklären ihr Vorgehen wie folgt und bringen dabei genau die Essenz von Derivaten als Fenster mit einmaligem Einblick in die Finanzmärkte auf den Punkt (S. 115; übersetzt): Wir nehmen explizit eine Optionsmarkt-Perspektive ein und fokussieren auf die Veränderungen in den Einstellungen und Erwartungen der Marktteilnehmer. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017 T. Bossert, Derivate im Portfoliomanagement, https://doi.org/10.1007/978-3-658-17574-0_7
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Derivate als Informationsquelle
Für einen Asset Manager ergibt sich der Nutzen vor allem in drei Bereichen. Zum einen liefern Derivate aufgrund ihrer praktisch permanenten Verfügbarkeit und ihrer hohen Liquidität Marktinformationen in Echtzeit. Wenn er weiß, welche Teilnehmer im Markt wo ihre Positionen liegen haben, warum sie sie dort liegen haben, was ihre Handlungsalternativen und -zwänge in unterschiedlichen Szenarien sind, wenn ihm klar ist, wie wichtig diese Positionen für das Marktgefüge sind und was sie an Stimmung und Einschätzung des Marktes durch die Teilnehmer widerspiegeln, wird er den Markt, in dem er sich bewegt, deutlich besser verstehen und Chancen und Risiken besser erkennen. Außerdem kann er Informationen, die ihm der Derivatemarkt liefert, nutzen, um seine Portfoliokonstruktion qualitativ zu verbessern. Aus den Preisen der Optionen lassen sich die Einschätzungen des Marktes hinsichtlich Risiko und Rendite berechnen. Diese Einschätzungen liefern die Konsensmeinung als Input in die Portfoliokonstruktion. Weiß der Portfoliomanager erst einmal, wo der Markt steht, kann er seine vom Markt abweichenden Einschätzungen gezielt umsetzen. Die folgenden Abschnitte geben einen Eindruck davon, welch umfangreicher Schatz an Informationen aus dem Verständnis der Derivatemärkte gewonnen werden kann. Dennoch sollten die Erwartungen an diese Informationen realistisch bleiben, können sie doch nur den Gehalt ans Tageslicht bringen, der tatsächlich im Markt enthalten ist (Bianco 2006, übersetzt): Future-Märkte sind eine genaue Abbildung der Konsensusmeinung, aber wenn wir all unsere Ignoranz bündeln, bekommen wir keine Weisheit heraus.
7.1
Informationen in Echtzeit
Gerade die großen und wichtigen Kontrakte (Abschn. 2.1), weisen an den einzelnen Handelsplätzen ausgedehnte Handelszeiten auf. Manche werden auch an Handelsplätzen in unterschiedlichen Zeitzonen gehandelt, sodass ein Handel praktisch rund um die Uhr erfolgt. Dadurch können Derivatemärkte schon Preisinformationen liefern, wenn ihre Underlyings noch tief und fest schlafen (Kap. 2). So zeichnete sich der überraschende Sieg von Donald Trump bei der Wahl zum amerikanischen Präsidenten im Laufe der Nacht vom 8. auf den 9. November 2016 (mitteleuropäische Zeit) ab. Die asiatischen Börsen waren geöffnet und haben die Stück für Stück eintreffenden Wahlergebnisse aus den einzelnen Bundesstaaten mit immer weiter fallenden Aktienkursen begleitet. Die Börsen in Amerika und Europa waren um diese Uhrzeit geschlossen. Die ersten Preisreaktionen für diese Kontinente konnten den Derivatemärkten entnommen werden. So fiel der Future auf den Dow Jones Industrial Average um bis zu 750 Punkte und setzte automatische Preisbegrenzer (Limit-Down) in Kraft.
7.2 Implizite Volatilität
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7.2 Implizite Volatilität Spätestens seit der bahnbrechenden Arbeit von Harry Markowitz (1952) sieht der moderne Portfoliomanager die Finanzmärkte nicht mehr nur eindimensional durch die Renditebrille. Das Risiko, in der Regel ausgedrückt durch die einfache Standardabweichung, hat sich mittlerweile fest als zweite Dimension etabliert. Die Auseinandersetzung mit Optionen ermöglicht nunmehr einen einzigartigen, neuen Blickwinkel auf diese zweite Dimension. Wie bereits in Abschn. 2.4.4 beschrieben, lässt sich aus den Preisen der am Markt gehandelten Optionen die implizite Volatilität eines Kontrakts errechnen. Diese repräsentiert nichts anderes als die Konsensusschätzung des Marktes über die Schwankungsintensität des Options-Underlying während der Restlaufzeit der Option. Optionen eröffnen damit einen Einblick in die Seele des Marktes. Über die Preise, auf die sich Anbieter und Nachfrager am Optionsmarkt einigen, lässt sich quantifizieren, was der Markt hinsichtlich des Risikos einzelner Assets wirklich denkt.
7.2.1
Zusammenspiel historische und implizite Volatilität
Oft liefert in der Erwartungsbildung der Blick in die Vergangenheit einen ersten Anhaltspunkt. Man sieht sich die Entwicklung in der Vergangenheit an und schreibt diese mehr oder weniger modifiziert in die Zukunft fort. So spielt auch die historische Volatilität eine bedeutende Rolle für das Verständnis der zukünftigen Volatilität. Für die Marktteilnehmer ist sie der Ausgangspunkt ihrer Schätzungen. Dies drückt sich in einem hohen Maß an Gleichlauf zwischen beiden Größen aus (Abb. 7.1). Dass die beiden Größen in starkem Maße parallel laufen, ist allein durch Inaugenscheinnahme ersichtlich (Abb. 7.1; French et al. 1987). Entsprechend liegt die Korrelation zwischen historischer und impliziter Volatilität auch sehr hoch. Beispielsweise errechnet Ineichen (1998a) auf Basis von an der SOFFEX gehandelten Optionen auf Schweizer Aktien eine Korrelation zwischen historischer und impliziter Volatilität von 0,82 bis 0,88. Neuhaus (1995) ermittelt für den Bund Future Werte zwischen 0,76 und 0,92. Aus der historischen Volatilität ergibt sich die Erwartung der künftigen Volatilität durch die Berücksichtigung spezifischer Einflüsse, die dafür sorgen könnten, dass sich das Underlying anders verhält als in der Vergangenheit oder es teurer wird, Optionalität in Zukunft zu generieren oder abzusichern. Auslöser dafür kann alles sein, was den Preis des Underlying spürbar verändern kann, das Verhältnis von Angebot und Nachfrage bewegt oder auf die Kosten, einschließlich der Risikokosten, eines Delta Hedge wirkt (Abb. 7.2; Abschn. 7.2.2). Der Anleger kommt so zu einer Einschätzung der künftigen Volatilität. Inwieweit diese mit der durchschnittlichen Einschätzung der restlichen Marktteilnehmer übereinstimmt, kann er an der impliziten Volatilität ablesen. Dabei muss man sich jedoch einer kleinen Verzerrung bewusst sein: Genau genommen repräsentiert die implizite Volatilität nämlich nicht die durchschnittliche Markterwartung,
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Abb. 7.1 Gleichlauf von historischer und impliziter Volatilität. (Quelle: Thomson Reuters Datastream)
sondern den Preis eines Instruments auf diese Markterwartung. Wo liegt der Unterschied? Der Unterschied ist der, dass in die implizite Volatilität nicht nur die Erwartung der Marktteilnehmer eingeht, sondern auch die Produktionskosten und die Gewinnmarge des Produzenten (Abschn. 4.4.2). Das Produkt, aus dem sich die implizite Volatilität herausrechnen lässt, ist eine Option. Der Produzent dieses Produkts ist der Optionshändler, der, im Falle einer Nachfrage
Abb. 7.2 Zusammenhang historische, implizite und zukünftig realisierte Volatilität
Historische (realisierte) Volatilität
Weitere Einflußfaktoren
Implizite Volatilität Ertragsquelle
Eigene erwartete Volatilität
Ertragsquelle
In der Zukunft realisierte Volatilität
7.2 Implizite Volatilität
555
nach einer Option, diese anbietet. Das daraus entstehende Exposure sichert er durch seinen Produktionsprozess ab, den man in diesem Falle Hedging nennt. Er erstellt das Chance-Risiko-Profil der Option, die er verkauft, um, im übertragenen Sinne, keinen Minusbestand im Lager zu haben. Im Prozess dieses Hedgings schätzt er ab, welche Absicherungskosten für ihn dabei anfallen. Hierzu zählen beispielsweise offensichtliche Aufwände wie Transaktionskosten, aber auch Risikokosten, die dadurch entstehen, dass die Option nicht kontinuierlich repliziert werden und diese Art der Produktion insbesondere beim Auftreten von Preissprüngen zu Absicherungsverlusten führen kann (Toft 1996; Kamal und Derman 1999). Diese Produktionskosten schlägt er seinem Einkaufspreis, der historischen Volatilität, zu. Er agiert hier wie es auch jeder Handwerker tagein, tagaus tut, und genau wie dieser addiert er dazu noch seine gewünschte, bzw. am Markt durchsetzbare Gewinnmarge. Die Summe dieser drei Komponenten ist die implizite Volatilität. Hintergrundinformation Aus dem Unterschied zwischen der am Markt gehandelten und der eigenen Schätzung der impliziten Volatilität sowie der impliziten Volatilität und später tatsächlich am Markt realisierten Volatilität ergeben sich dann Investitions- und Handelsgelegenheiten, die in Abschn. 4.4 dargestellt sind.
7.2.2
Volatilitätsquellen
Wo kommt die Volatilität nun eigentlich her? Loeys und Panigirtzoglou (2005) fassen die Volatilitätstreiber griffig in der Formel zusammen: Volatilität D Überraschung Verwundbarkeit:
(7.1)
Überraschungen, positive wie negative, sind deshalb die Quelle der Volatilität, weil sie dazu führen, dass die Marktteilnehmer das Erwartungsprofil ihrer Anlagen anpassen müssen. Einerseits kann sich der Erwartungswert verändern, weil die neuen Informationen höhere oder niedrigere Cashflows in der Zukunft erwarten lassen. Andererseits kann sich die Sicherheit bezüglich dieser Cashflows verändern. Dies schlägt sich unmittelbar in der Höhe der Risikoprämie im Diskontierungssatz dieser Cashflows nieder, sodass es zu Veränderungen im Barwert kommen kann. Insofern sind es auch nicht einfach Nachrichten generell, die für Volatilität sorgen, sondern nur solche, deren Inhalt nicht von allen Marktteilnehmern erwartet worden war. Die Verwundbarkeit entscheidet maßgeblich über die Auslenkung, da sie das Risiko bzw. die Folgen des Ereignisses verändert. Der Fokus dieses Aspekts ist weniger außenorientiert. Zwar kommt die Überraschung von „draußen aus der Welt“. Die Verwundbarkeit ist jedoch abhängig von inneren Aspekten, sei es von der Anfälligkeit des Marktes, innerhalb dessen man sich bewegt und mithin von der Ausrichtung der anderen Marktteilnehmer, oder von der eigenen inneren Aufstellung, die beispielsweise davon abhängt, wie schnell einen unerwartete Entwicklungen aus dem Gleichgewicht bringen
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oder inwieweit Sicherungsmechanismen implementiert sind, die die eigene Anfälligkeit reduzieren können. Die Verwundbarkeit kann eine tatsächliche sein oder eine wahrgenommene. Beide Aspekte können jedoch von dem kulturellen Umfeld eines Anlegers beeinflusst werden, sodass sich globale Makroschocks in regional unterschiedlichen Volatilitäten niederschlagen (Fridson 2011). Beispielsweise werden angelsächsische Investoren als risikoaffiner wahrgenommen als der deutsche Durchschnittsanleger. Aus dieser kulturell-psychischen Disposition resultieren im Mittel höhere Anteile an risikobehafteten Assets in den Portfolios – oder umgekehrt: Die traditionell höheren Risikoanteile im Portfolio führten im Laufe der Zeit zu einem Gewöhnungseffekt hinsichtlich erhöhter Volatilität. Kulturelle Unterschiede können also dafür sorgen, dass die Anleger tatsächlich regional unterschiedlich gegenüber Makroschocks exponiert sind. Ein Schock, dessen Schockwellen primär in Richtung des Aktienmarkts ausstrahlen, könnte zu einer erhöhten Volatilität im US-Aktienmarkt führen. Ein Auslöser, der eher in Richtung der Zinsen auf Staatsanleihen abzielt, sorgt ceteris paribus möglicherweise in Bunds für relativ höhere Volatilität als in T-Bonds. In diesem Fall wäre der Unterschied darauf zurückzuführen, dass die kumulierten nationalen Portfolios verschieden strukturiert sind. Natürlich spielen in der Realität noch viele andere Faktoren eine Rolle, insbesondere in welchem Ausmaß ein Land oder eine Region von einem externen Schock betroffen ist. Aber selbst bei identischem Schockimpuls und gleichartigen Portfolioallokationen kann eine, wiederum kulturell bedingte, unterschiedlich rigide Regulierung zu objektiv verschiedenen Anfälligkeiten gegenüber externen Auslösern führen. Der Makroschock kann aber auch eine Ausprägung der Volatilität auslösen, die genau gegenläufig zu den gehaltenen Portfoliostrukturen ausfällt, weil die Wahrnehmung der eigenen Verwundbarkeit unterschiedlich ausgeprägt ist. Unter Umständen sind Anleger, die kulturell bedingt risikoaffiner sind, hartgesottener im Umgang mit derartigen Schocks und versetzen den Markt nur unterproportional in schwankende Bewegung, weil sie sich als weniger verwundbar wahrnehmen. Das Konzept der Verwundbarkeit stößt jedoch dort teilweise an Grenzen, wo die Verwundbarkeit nicht wahrgenommen wird. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn die Motive für ein Risikoengagement nicht rein wirtschaftlicher Natur sind. Beispielsweise wird den Chinesen gemeinhin ein Hang zum Wetten und Spielen nachgesagt. Wenn es in diesem Fall zumindest auch in mehr oder weniger starkem Maße um den Nervenkitzel, die Lust an der Wette geht, wiegen monetäre Verluste unter Umständen nicht ganz so schwer, sodass die subjektiv wahrgenommene Verwundbarkeit derart gepolter Akteure herabgesetzt ist. Wenn, wie im Falle Chinas, dann auch noch andere Ventile für diese kulturelle Disposition praktisch verboten werden, ist es nicht vollständig abwegig zu vermuten, dass Gelder, die bislang in den Spielkasinos von Macao verzockt wurden, zumindest teilweise ihren Weg an den heimischen Aktienmarkt finden und dort für Schwankungen sorgen (hena 2014).
7.2 Implizite Volatilität
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7.2.2.1 Volatilitätshistorie Leider existiert bislang keine umfassende Volatilitätstheorie, die eindeutig erklären könnte, woher Volatilität kommt und welche Faktoren sie verändern. Treiber der Volatilität sind an erster Stelle all jene Faktoren, die das Umfeld, in dem Anlagen getätigt werden, sicherer oder unsicherer werden lassen, mithin alle Faktoren, die das Wirtschaftsleben in der einen oder anderen Form beeinflussen. Jeder Faktor, der geeignet ist, das tatsächliche oder befürchtete Risiko einer Anlage zu ändern, ist ein Volatilitätstreiber. Somit ist sowohl die Liste der Verdächtigen als auch der Literatur zu diesem Thema natürlich sehr lang (Officer 1973; Shiller 1981, 1981a; Mascaro und Meltzer 1983; Lauterbach 1989; Schwert 1989, 1990; Campbell et al. 2000). Eine vollumfängliche Aufarbeitung der Volatilitätshistorie würde den Rahmen dieses Buches bei weitem sprengen. Daher seien an dieser Stelle die wichtigsten Erkenntnisse aus einer Reihe von Volatilitätsuntersuchungen zusammengefasst. Die wahrscheinlich längste Volatilitätshistorie arbeitet Ineichen (1999) auf. Er betrachtet zunächst das zwanzigste Jahrhundert in Großbritannien und stellt fest, dass Zeiten extremer Deflation, wie in den Dreißigerjahren, und Inflation in den 1970-ern mit starken Schwankungen am Aktienmarkt einhergingen. Darauf basierend trifft er die Annahme, dass dieser Zusammenhang auch in der weiter zurückliegenden Vergangenheit hätte gelten können, wenn es zu dieser Zeit schon Aktien gegeben hätte. Die ersten Hinweise auf extreme Preisanstiege findet er in Babylonien, wo sich zwischen 1740 und 1700 vor Christus die Preise verdreieinhalbfachten und im römischen Ägypten, wo sich etwa im Jahre 200 der Preis für Esel verachtfachte. Auf seiner Suche nach konkreten Daten, die über anekdotische Episoden hinausgehen, wird der Autor bei einer Inflationszeitreihe für Großbritannien, die 1264 einsetzt, fündig. Damit rollt er dann die einzelnen Jahrhunderte über Dschinghis Khan, die Pest, den Hundertjährigen Krieg, die spekulative Blase auf Tulpenzwiebeln und vieles mehr auf. Ab 1700 kommt unterstützend eine rückgerechnete Zeitreihe auf den FT AllShare Aktienindex hinzu. Die positive Beobachtung seit dem 13. Jahrhundert ist, dass sich die Volatilität in einem säkularen Abwärtstrend befindet (Abb. 7.3). Die Welt ist in den letzten fast 750 Jahren tendenziell ein zunehmend sicherer Ort geworden. Der Wermutstropfen ist allerdings, dass die erratischsten Preisschwankungen in den letzten 100 Jahren zu verzeichnen waren. Neben den beiden Weltkriegen litten englische Investoren in den Jahren vor dem ersten Weltkrieg und in den Siebzigern unter hoher Inflation und in den Dreißigern unter Deflation. Die extremsten Preisausschläge weltweit waren mit 10.000 % im Deutschland der Zwanzigerjahre des 20. Jahrhunderts und mit 600 % monatlich in Argentinien Ende der Achtzigerjahre des 20. Jahrhunderts zu verzeichnen. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die in der Vergangenheit in vielen Fällen lokal isolierten Schwankungen durch die zunehmende Globalisierung vermehrt über Grenzen und Kontinente hinweg ausweiten. Während das Phänomen der Volatilität also bei weitem nichts Neues ist, war das Ausmaß in den vergangenen 100 Jahren selbst im extrem langfristigen Vergleich außergewöhnlich hoch. Im Schnitt kam es in dieser Peri-
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Volatility of UK inflation (%)
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Abb. 7.3 Langfristige Volatilitätsentwicklung. (Quelle: Ineichen 1999)
ode weltweit zu ein bis zwei Volatilitätssprüngen pro Jahr mit einem durchschnittlichen Anstieg, je nach Index, von sieben bis zehn Prozent (Allen et al. 2006b). Hintergrundinformation Eine lesenswerte historische Aufarbeitung des Risikomanagements, in dem Volatilität natürlich eine zentrale Rolle spielt, ist der Klassiker von Bernstein (1996).
7.2.2.2 Wirtschaftliche Makrotreiber Als Quelle der Volatilität können zunächst einmal volkswirtschaftliche Faktoren eine wichtige Rolle spielen (Ederington und Lee 1993). Eine erhöhte Unsicherheit hinsichtlich des gesamtwirtschaftlichen Ausblicks sollte sich auch in erhöhten erwarteten Volatilitäten im Unternehmensbereich niederschlagen. Dabei können zweierlei Arten von Faktoren wirken: Strukturelle Faktoren Zum einen sind dies strukturelle Faktoren, die das weltweite Wirtschaftssystem an sich betreffen. Dies sind Fragen, die fundamentale Zusammenhänge wie Waren- und Finanzflüsse, die herrschende Wirtschaftskultur oder den weltweiten Transfer von und den Umgang mit Risiken betreffen. Beispiele von strukturellen Faktoren, die in den vergangenen Jahren in dieser Hinsicht wirksam wurden, sind die stetig zunehmende Globalisierung der Realwirtschaft und Finanzmärkte, das Pendeln zwischen Deregulierung und Reregulierung oder auch der Einsatz von EDV zur umfangreicheren und schnelleren Informationsgewinnung, -verarbeitung und dem elektronischen Handel. Eine zentrale strukturelle Rolle
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spielt auch die weltweite Zinspolitik der Notenbank, vor allem die Transparenz über deren Richtung (Gospodinov und Jamali 2014). Wie massiv Erschütterungen des Wirtschaftsfundaments die Finanzmärkte erschüttern und für Verunsicherung über alle Asset-Klassen hinweg sorgen können, hat die sich seit 2008 immer weiter entwickelnde Sub-Prime/Banken/Staatsschulden/Euro/. . . -Krise gezeigt. Diese Phase hat auch deutlich gemacht, dass die Verschuldung eine nicht überschätzbare Rolle spielt. Die Verschuldung beeinflusst maßgeblich die Verwundbarkeit (Abschn. 7.2.2) eines einzelnen Marktteilnehmers, aber auch der Wirtschaft/des Marktes insgesamt. Je höher die Verschuldung, desto schneller kann es im Falle einer wirtschaftlichen Verlangsamung dazu kommen, dass die Einnahmen zur Bedienung der Zinsausgaben nicht mehr ausreichen. Eine steigende Verschuldung hebt, bildlich gesprochen, den Schwerpunkt des Schuldners an. Je höher dieser liegt, desto leichter ist er von etwaigen Erschütterungen aus dem Gleichgewicht zu bringen. Interessanterweise wirkt dieser Faktor aber erst mit Verzögerung. Kurzfristig kann eine höhere Verschuldung volatilitätsreduzierend wirken. Offensichtlich wird dies, wenn man sich eine ganze Volkswirtschaft anschaut. Eine erhöhte Verschuldung, die zur Ankurbelung der Wirtschaft eingesetzt wird, hat zunächst einmal einen „beruhigenden“ Effekt auf die realisierte Volatilität. Allerdings erhöht sie die Außenstände, die irgendwann einmal bezahlt werden müssen. Wobei „bezahlt“ hier nicht notwendigerweise einen Rückfluss an den Gläubiger bedeutet. Ein Schuldenschnitt oder eine Währungsreform wäre ebenfalls eine Form der Rückzahlung, allerdings eine ziemlich volatilitätsträchtige. So weit der Markt dies durchblickt, erhöht sich dadurch die langfristige implizite Volatilität. Ob dies tatsächlich der Fall ist, ist schwer zu beurteilen, da der einzelne Faktor schwer zu isolieren ist. Erschwert wird die Einschätzung durch die Diskontierung dieses Risikofaktors. Er liegt mitunter sehr weit in der Zukunft und wird nur mit seinem Risikobarwert wahrgenommen. Dabei besteht die Gefahr, dass dieser zu niedrig angesetzt wird, wie es in anderen Fällen der langfristigen Finanzplanung der Fall ist. Beispielsweise wird die Neigung von Haushalten, generell zu wenig für die Altersvorsorge zurückzulegen, immer wieder thematisiert, jedoch scheinbar ohne Erfolg. Ein zweiter Grund, warum die Staatsverschuldung sich nicht in unmittelbar höherer realisierter Volatilität, sondern allenfalls in erhöhter langfristiger impliziter Volatilität niederschlägt, ist die geringe Transparenz. Während ein Unternehmen, das seine Schulden erhöht, eine klar umrissene und anvisierbare Einheit ist (sofern es die Schulden nicht in ein weniger transparentes Vehikel verschoben hat), werden Schulden immer weniger genau lokalisierbar, je mehr sie innerhalb eines Systems sozialisiert werden. Das beginnt bei einem Staatshaushalt, der aber noch vergleichsweise überschaubar ist, obwohl auch hier durch Schattenhaushalte und ausgegliederte Nebentöpfe die Nachvollziehbarkeit reduziert wird. Schwieriger wird es bereits in einer Volkswirtschaft. Einerseits gilt es dort die Verschuldungsströme nachzuvollziehen, um festzustellen, welcher der Teilnehmer denn wie hoch aufgeladen ist. Dazu kommt die Verflechtung. Es genügt mitunter, wenn ein Teil einer Volkswirtschaft in Schieflage gerät, um das ganze System zu destabilisieren. Erschwert wird eine derartige Analyse, wenn sich Schatten bilden, über die keine Daten
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vorliegen, seien es Schattenhaushalte oder Schattenbanken. Potenziert wird dieses Problem auf internationaler Ebene, da es genügend weiße Flecken in der Datenlandschaft gibt, in die man seine Problempositionen verschieben kann. All das führt dazu, dass die Schulden nicht mehr so präsent sind. Nur sehr viel Research erlaubt einem einen halbwegs fundierten Einblick. Da nur sehr wenige diesen Aufwand auf sich nehmen, bleibt die wahre Lage für die breite Öffentlichkeit eher verborgen – zumal Teile davon die Botschaften auch gar nicht würden hören wollen. Besonders kritisch ist hier die Rolle der U.S.A. Die alte Börsenweisheit „Wenn Wall Street niest, bekommt die ganze Welt einen Schnupfen“ scheint nicht ohne Grundlage. In der Tat weisen starke Marktbewegungen in den Vereinigten Staaten ein erhebliches Ansteckungspotenzial für andere Märkte auf (Guesmi et al. 2013). Finanzielle Schocks, die auf dem US-Markt auftreten, breiten sich weltweit sogar viel vehementer aus als Schocks aus anderen Regionen (Bayoumi und Bui 2012). Umgekehrt scheint der US-amerikanische Markt weniger anfällig für externe Schocks, führt also ein stärkeres Eigenleben. Lahaye und Neely (2014) weisen allerdings darauf hin, dass man zu unterschiedlichen Aussagen über die Wirkungszusammenhänge bei internationalen Volatilitätstransmissionen kommen kann, je nachdem, welche Methode man verwendet, um Schocks zu definieren und Volatilitäten vorherzusagen. Makroimpulse Zum anderen sind dies Faktoren, die eher wirtschaftszyklisch wirken, also Konjunkturund Inflationsphasen prägen (Mixon und Crowley 1998). So weist die implizite Volatilität eine klare Neigung auf, während einer Rezession anzusteigen und nach einer Rezession in einem bis zu zwei Jahre währenden Trend wieder zurückzugehen (Lotufo et al. 2001; Toikka et al. 2002; Boldt-Christmas 2002; Morgan Stanley 2002a; Abb. 7.4). Schwert (1989) kommt zu dem Schluss, dass Rezessionen den höchsten Erklärungsgehalt für die Entwicklung der Volatilität haben. Die immense Bedeutung von Rezessionen wurde in der Folge von anderen Studien bestätigt (Hamilton und Lin 1996; Mixon und Crowley 1998, 1999a; Campbell et al. 2001). Auch die Bekanntgabe neuer Daten zur Geldmenge (Bailey 1988), Handelsbilanz (Madura und Tucker 1992), US-Arbeitsmarktdaten (Fleming und Remolona 1999; Balduzzi et al. 2001; Rosa 2013) und Entscheidungen und Sitzungsprotokolle der Zentralbanken (Kuttner 2001; Gerlach-Kristen 2004; Rigobon und Sack 2004; Bernanke und Kuttner 2005; Gürkaynak et al. 2005; Faust et al. 2007; Reeves und Sawicki 2007; Rosa 2011a, 2011b, 2013; Gospodinov und Jamali 2014) sind nachgewiesene Volatilitätstreiber. Sie alle sind in der Lage, die faire Bewertung eines Asset zu verändern, indem sie die Erwartung über die Höhe und/oder den Zeitpunkt der künftigen Cashflows oder direkt den Diskontierungszinssatz verändern. Hintergrundinformation Genau genommen ist Volatilität damit auch ein Maß dafür, wie oft und wie stark die bisherige Erwartung falsch lag und durch die neuen Informationen angepasst werden muss. Denn die durch-
7.2 Implizite Volatilität
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40% 35,69% 35%
30%
25%
Volatilität p.a.
22,02% 20% 17,01% 15%
13,31%
10%
5%
0% Kontraktion
Expansion
Phase im Wirtschaftszyklus 1929 - 1949
1950 - 2000
Abb. 7.4 US-Wirtschaft und S&P 500 Volatilität. (Datenquelle: Lotufo et al. 2001; eigene Grafik)
schnittliche Erwartung, der sogenannte Konsensus, ist eingebettet in den Marktpreis eines Gutes. Wenn dann genau das passiert, was erwartet worden war, muss sich der Preis nicht bewegen. Wird die Erwartung angepasst, verändert sich der Preis, was nichts anderes ist als Volatilität.
Insgesamt ist die Zentralbankpolitik ein mächtiger Bestimmungsfaktor für die Volatilität an den Finanzmärkten, weil sie nicht nur durch Nachrichten als Volatilitätsimpulsgeber wirkt, sondern auch die Macht hat, ganz fundamental die Struktur und Wirkungsmechanismen der Finanzmärkte zu verändern. Beispiel
Besonders augenfällig wurde dies in den Jahren der großen Finanzkrise nach 2011. Da die Wirtschafts- und Finanzpolitik nicht in der Lage war, die fundamentalen Probleme anzugehen, sahen sich die Zentralbanken rund um den Globus gezwungen, eine derart akkomodierende Geldpolitik auch auf den Grenzen ihres gedehnten Mandats zu betreiben, dass sie den Investoren systematisch das Risiko abgenommen haben. Dies führte auch dazu, dass über Jahre hinweg die Volatilität gerade an den Aktienmärkten extrem niedrig lag, obwohl das tatsächliche wirtschaftliche Umfeld und die Unternehmensergebnisse dieses Niedrigrisikoumfeld nicht hergegeben haben. Exemplarisch-prägnant zum Beispiel die Willensbekundung der japanischen Zentralbank im September 2016, die Renditen zehnjähriger Staatsanleihen bei null Prozent halten zu wollen, die geeignet war, die Volatilitätserwartung der Marktteilnehmer zu dämpfen. Diese Art der
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Risikoübernahme der Zentralbanken wird als Zentralbank-Put bezeichnet und in Abschn. 7.15.1 eingehender besprochen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass sich der „erwartete Grad der Volatilitätstreiberei“ von Datenveröffentlichungen in der Praxis materialisiert und messen lässt. Optionsnutzer nehmen sehr wohl den Datenkalender zur Hand, um festzustellen, wie viele Veröffentlichungen von Schlüsselzahlen die Lebensdauer einer bestimmten Optionsserie pflastern. Da diese Veröffentlichungstage für höhere Volatilität gut sind, ist auch nicht jeder Tag im Leben einer Option gleich viel wert. Veröffentlichungstage sind oft auf das Mehrfache an Volatilitätspotenzial von gewöhnlichen Handelstagen gepreist (Burghardt und Hanweck Jr. 1993). Dennoch sind wirtschaftliche Makrofaktoren allein bei weitem nicht in der Lage, die Entwicklung der impliziten Volatilität zu erklären (Mixon 2000). Dies mag auch daran liegen, dass der Wirkungszusammenhang zwischen makroökonomischen Variablen und Volatilität alles andere als klar ist. Es gibt Hinweise darauf, dass die schnelle Verarbeitung von Informationen aus unterschiedlichsten Quellen und deren Umsetzung in Kursbewegungen durch den Markt durchaus in der Lage ist, die Volatilität in makroökonomischen Variablen vorherzusagen, dass es also nicht umgekehrt ist und Volatilität erst auf das Eintreffen neuer Informationen am Markt reagiert (Campbell et al. 2001).
7.2.2.3 Sonstige Makrotreiber Wiewohl politischen Börsen kurze Beine nachgesagt werden, beeinflussen auch politische Faktoren die Unsicherheit und die Risikoeinschätzung der Marktteilnehmer. Beispielsweise quantifiziert Gemmill (1992) den spürbaren Volatilitätseffekt einer Wahl in England. Und wer 2016 die Turbulenzen im Umfeld des Brexit und der Wahl Donald Trumps zum amerikanischen Präsidenten miterlebt hat, wird keinerlei Zweifel an der Relevanz politischer Ereignisse für die Volatilität hegen. Bedeutende Einflussfaktoren, die immer wieder massive Sprünge der Volatilität auslösen, können also in der Rubrik „externe Schocks“ verbucht werden. Morgan Stanley (2001) untersuchen die Volatilitätsentwicklung im Umfeld derartiger Ereignisse, angefangen beim Einmarsch der Nazis in Polen über Pearl Harbor, den Koreakrieg, Kennedys Ermordung und weit über historische Wegmarken wie die Öl- und die irakische Geiselkrise und den Irakkrieg hinaus. Die Volatilität springt im Falle eines derartigen Ereignisses in fast allen Fällen an, teils dramatisch. Im Schnitt liegt sie in dem Monat nach dem Ereignis etwa doppelt so hoch wie in den zwölf Monaten davor. Und man kann davon ausgehen, dass mehrere Monate ins Land gehen, bevor sie sich wieder auf das Niveau vor dem Ereignis zurückbildet. Im Schnitt erstreckt sich der Rückbildungsprozess über vier bis sechs Monate. Obwohl diese Volatilitätssprünge oft für die größten Verluste in den Portfolios verantwortlich sind, gibt es keine Möglichkeit, diese Ereignisse, wie den Fall Long-Term Capital Management (LTCM) 1998 oder das World Trade Center Attentat am 11. September 2001, als Einzelfälle zu prognostizieren. Der Aufschlag, den die implizite gegenüber
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der realisierten Volatilität aufweist, deutet jedoch darauf hin, dass der Markt derartige Ereignisse pauschal durchaus auf der Rechnung hat (Abschn. 4.4.2). Zwar kann niemand vorhersagen, was passiert. Allerdings kann man davon ausgehen, dass etwas passiert. Da in der jüngeren Vergangenheit vermehrt Schocks auftraten, die für Extrembewegungen im Aktienmarkt gesorgt haben, weist der langfristige Volatilitätstrend hier einen Anstieg auf. So war der prozentuale Anteil von Tagen mit Kursausschlägen über drei Prozent zwischen 1997 und 2003 zwei- bis dreimal so hoch wie im gesamten Zeitraum seit 1970 (IMF 2003). Demgegenüber gab es zwar auch am Rentenmarkt einige Tail Events, wie die überraschende Zinswende der Fed in 1994 oder die LTCM-Krise im Jahr 1998. Diese sind jedoch wesentlich seltener und führen zu einem eher rückläufigen Trend. Am Devisenmarkt ist die Frequenz der Tail Events im langfristigen historischen Vergleich in etwa stabil geblieben, ebenso wie die durchschnittliche Volatilität. Derartige Schocks sind vor allem auch deshalb so unangenehm, weil sie in besonderer Weise geeignet sind, nicht nur die Gesamtmarktvolatilität ansteigen zu lassen, in dem Sinne, dass sie die Volatilität der Einzeltitel erhöht, sondern dass dieser externe Schock oftmals gleichartig auf eine ganze Reihe von Asset-Klassen und Einzelaktien wirkt. Dadurch steigt auch die Korrelation zwischen diesen Aktien an. So ist die Korrelation der 500 höchstkapitalisierten US-Aktien in Krisenzeiten wie der Rezession und Bankenkrise 1990, der Asienkrise im Herbst 1997 und der Russlandkrise im Sommer/Herbst 1998 jeweils aus einer langfristigen Region von etwa 0,2 in den Bereich von 0,5 angestiegen (Kim et al. 2000b). Die Gesamtvolatilität des Marktes wird dadurch nicht nur von der angestiegenen Einzeltitelvolatilität angetrieben, sondern durch die erhöhte Korrelation noch gehebelt (Abschn. 7.3.1.2). Dieser plötzliche, konzertierte Volatilitätsanstieg auf breiter Front hat dann auch das Potenzial, über die Grenzen von Ländern und Kontinenten hinweg die Börsen zu infizieren, so die Finanzmarktstabilität ins Wanken zu bringen und letztlich auch auf die Realwirtschaft durchzuschlagen. Die Anfälligkeit für derartige Infektionen ist jedoch für einzelne Märkte sehr unterschiedlich ausgeprägt. Beispielsweise schlagen Volatilitätsschocks im Dow Jones Industrial Average Index grundsätzlich auf den britischen FTSE Index durch. Umgekehrt kann ein Schock im FTSE den amerikanischen Index mitunter ziemlich unbeeindruckt lassen (Bonino et al. 2014). Diese weltweite Infektion ist ein Phänomen neueren Datums. Erst die Globalisierung hat diese Koppelung ermöglicht. In diesem Fall kann man den Beginn der Entwicklung relativ klar auf den Ersten Weltkrieg verorten. Davor gab es Faktoren, die für Störungen der Wirtschaftsentwicklung gesorgt haben, jedoch blieben sie regional beschränkt. Der Erste Weltkrieg war das erste Ereignis, das weltweit massive Auswirkungen hatte. Da nicht jede Asset-Klasse in gleichem Maße für Makroüberraschungen verwundbar ist, gibt es zwar Gemeinsamkeiten in der Volatilitätsentwicklung unterschiedlicher AssetKlassen, aber auch asset-klassen-spezifische Ausprägungen. In einer Studie über die Volatilitätsentwicklung im amerikanischen Aktien- und Rentenmarkt während der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sind von den zehn volatilsten Rentenjahren nur fünf auch in den Top Ten der volatilsten Aktienjahren. Von den zehn ruhigsten Rentenjahren decken
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sich gar nur drei mit dem Aktienmarkt. Und auch die Relation zwischen Aktien- und Rentenvolatilität unterliegt gewaltigen Schwankungen. Zwar liegt die Rentenschwankung im Schnitt bei einem Drittel der Aktienschwankung – mit steigender Tendenz. Allerdings schwankt diese im Zeitverlauf ganz erheblich zwischen vier Prozent im Jahr 1963 bis zu 84 % 1981 (Reilly et al. 2000). Das Wetter ist nicht nur ein Allzweckaufhänger für einen kleinen Plausch. Es ist auch im Zusammenhang mit dem Risiko von Investitionen zu berücksichtigen. Augenfällig ist dies natürlich im Terminhandel von landwirtschaftlichen Erzeugnissen und der vergleichsweise neuen Derivateklasse der Wetterderivate (Abschn. 6.4.1, siehe „Wetterderivate“). Das Wetter wirkt jedoch auch auf das Risiko von Wertpapieren, wenn auch zumeist nur auf indirektem Weg. Ausgedehnte Kälteperioden haben in der Vergangenheit immer wieder spürbaren Einfluss auf den Ölpreis und damit die Inflationsraten gehabt. Und staatliche Wiederaufbauleistungen nach Naturkatastrophen wirken sich auf die Haushalte von Staaten aus. So erreicht das Wetter über die Realwirtschaft dann letztlich auch die Börse.
7.2.2.4 Marktstrukturbedingte Treiber Neben wirtschaftlichen Schlüsselzahlen sind auch Faktoren zu berücksichtigen, die sich auf das Handelsgeschehen an den Finanzmärkten als solches auswirken (Abschn. 7.6.5.4). Hier sind an erster Stelle strukturelle Veränderungen zu nennen, die auf Angebot und Nachfrage wirken. Nachfrageseitig erweist sich beispielsweise der Zwang von Versicherungen, Pensionskassen, Versorgungswerken und anderen Versorgungsanlegern zur Erzielung bestimmter Mindestrenditen als Einflussfaktor. Diese sind bestrebt, sich bei fallenden Zinsen, insbesondere im Bereich „runder“ Zinsmarken, also bei vollen und halben Zinspunkten, die noch hohen Zinsen langfristig zu sichern. Zu diesem Zweck erwerben sie oft Optionen und treiben damit die Optionspreise und die impliziten Volatilitäten nach oben. Gegenläufige Kräfte gehen von anderen Marktteilnehmern aus, die für steigende Zinsen anfällig sind. Diese erleiden bei steigenden Zinsen unmittelbare Wertverluste auf ihre Anleihebestände. Im Gegensatz zu einigen privilegierten Anlegern, die bei ihren Anlagen eine Dauerbesitzabsicht bis zur Fälligkeit unterstellen und bei fallenden Kursen ihrer Rentenpapiere weiter den Buchwert ansetzen dürfen, bewertet diese Anlegergruppe ihre Wertpapiere barwertig, also zu aktuellen Marktpreisen. Zu ihnen gehören beispielsweise die Handelsbücher von Kreditinstituten und Investmentfonds. Sie sichern sich gegen steigende Zinsen unter anderem über den Kauf von Optionen, treiben also bei steigenden Renditen Optionspreise und damit implizite Volatilitäten in die Höhe. In der Tat stellt Timmer (2016, Zusammenfassung) fest: Im Gegensatz dazu [zu Versicherungen und Pensionsfonds] agieren Investmentfonds und Banken prozyklisch auf Kursveränderungen. Sie kaufen Anleihen, nachdem die Preise gestiegen sind, und sie verkaufen Anleihen, nachdem die Kurse gefallen sind. Während das Investitionsverhalten der Versicherungsunternehmen und Pensionsfonds eine stabilisierende Wirkung auf den Markt haben dürfte, können Investmentfonds und Banken Preisdynamiken verstärken.
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Auch die Angebotsseite sorgt für permanente Veränderungen im Kräfteverhältnis am Markt. Es gibt immer wieder Perioden, in denen seitens der Emissionshäuser bestimmte Produkte forciert in den Markt gegeben werden (Abschn. 7.6.4). Dies resultiert einerseits aus sich eröffnenden, neuen Geschäftsmöglichkeiten, andererseits aber einfach aus der Notwendigkeit heraus, das Risiko aus bestimmten Produkten, die man in der Vergangenheit erfolgreich verkauft hatte, in großem Stil abzusichern. In den Jahren 2004 und 2005 waren zum Beispiel Constant Maturity Swaps (CMS) sehr populär (Rieger et al. 2007). I Definition CMS sind Zins-Swaps, bei denen der langfristige Referenzsatz immer wieder angepasst wird. Dadurch verliert dieses Instrument die Konvexität, die Zinsinstrumenten normalerweise zu eigen ist. CMS werden mit „normalen“ Zinsinstrumenten wie Anleihen oder Swaps abgesichert. Diese verfügen jedoch über Konvexität. Dieser Mismatch führt bei den Emittenten zu einer Short-Position in Volatilität, denen sie durch den Kauf von Zinsoptionen begegnen. Wird der CMS exotisch konstruiert und enthält aus Sicht des Emittenten weitere Short Optionen, wie zum Beispiel Caps, verstärkt dies die Nachfrage. Geht der Käufer des CMS hingegen eine Short-Option in Form eines Emittentenkündigungsrechts ein, sorgt dies für weniger Optionsbedarf beim Emittenten. Insgesamt dürfte aus einer derartigen Emissionswelle die Nachfrage nach Swaptions systematisch erhöht sein. Da die Liquidität nicht so hoch ist, dass sich CMS-Emissionen zum Zeitpunkt der Platzierung komplett absichern lassen würden, bleibt der Nachfrageüberhang bestehen und wird erst nach und nach abgebaut. Auch größere Emissionen an „einfachen“ kündbaren Strukturen sorgen immer wieder für Bewegung in langen Zinsvolatilitäten. So kommt es in einem Trend fallender Zinsen zur vermehrten Kündigung und Neuauflage von Callables, die für neues Angebot sorgen (DZ Bank 2009). Auch am Jahresanfang sind immer wieder außergewöhnliche Bewegungen auszumachen. Viele institutionelle Anleger halten sich vor dem Jahresende mit Neuinvestitionen zurück, um sich keine zusätzlichen Imponderabilien kurz vor dem Bilanzstichtag einzuhandeln. Zu Beginn des neuen Jahres lassen sie dann ihren aufgestauten Anlagebedarf „von der Kette“. Gerade im Niedrigzinsumfeld sind kündbare Anleihen eine beliebte Möglichkeit, zu etwas höheren Kupons zu kommen. Dieser speist sich aus dem Verkauf von Volatilität. Dementsprechend verzeichnet der Emittent auf der Gegenseite eine Long Vola-Position. Sollte diese keinen natürlichen Hedge im Derivatebuch des Emittenten finden, wird er sie absichern. Dazu verkauft er Volatilität und drückt damit das Vola-Niveau (Herrmann 2015b). Auch die Optionen, die in mehrfach kündbaren Anleihen enthalten sind, sorgen für Bewegung am Markt. Fallen die Zinsen, steigt die Wahrscheinlichkeit der baldigen Kündigung der Anleihe. Bezogen auf die darin enthaltenen Optionen bedeutet dies, dass die kurz laufenden Optionen an Wert gewinnen, während die länger laufenden Optionen an Wert verlieren, da bei steigender Wahrscheinlichkeit einer frühen Kündigung die Wahrscheinlichkeit einer späten Kündigung fallen muss. Passt der Emittent seine Absicherung
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an, verkauft er die teuren, kurzen und kauft die langen, billigeren Optionen, wodurch sich erstere verbilligen und letztere verteuern. Das Hedging von Konvexität findet sich somit an sehr vielen Stellen im Rentenmarkt und ist immer wieder für die Verstärkung von Zinsbewegungen gut, wie es in den vergangenen Jahren zum Beispiel mehrmals in den Märkten für dänische Immobilienkredite zu beobachten war oder in den Auswirkungen, die verbriefte Wohnimmobiliendarlehen (Residential Mortgage-Backed Securities, RMBS) auf den amerikanischen Spezialfinanzierer Fannie Mae und dessen Absicherungsaktivitäten hatten (Loeys und Panigirtzoglou 2005). Prägnante Auswirkungen haben auch großvolumige Emissionen von digitalen Optionen, deren Absicherung an bestimmten Schwellenwerten eben auch digital wird und so vergleichsweise große Absicherungsanpassungen in den Büchern der Emittenten erfordert (Abschn. 6.4.2.1.1). Diese Effekte finden sich auch auf der Aktienseite. Beispielsweise kam es Verlauf des Jahres 2004 zu einer Periode ausgesprochen niedriger impliziter Volatilitäten am Aktienmarkt. Eine Ursache hierfür war die verstärkte Emission von strukturierten Produkten, die aus Emittentensicht long Vega oder long Gamma waren (Chen 2004). Um sich abzusichern, war es jeweils erforderlich, Optionen zu verkaufen, was zu einem außergewöhnlich großen Angebot an Volatilität führte. Doch nicht nur der OTC-Markt fungiert als Wirkungskanal auf die Volatilität von Einzelaktien und Indizes. Auch die Einführung von Aktienindex-Futures und Aktienoptionen an Derivatebörsen hat Rückwirkungen auf die jeweiligen Underlyings. In seiner Übersicht über acht Studien zeigt Smithson (1995), dass die Volatilität von Aktien tendenziell eher zurückgeht, wenn eine Derivatebörse Optionen auf diese Titel notiert. Bei vier Studien, die S&P 500 Futures zum Gegenstand haben, ist die Auswirkung weniger eindeutig. Dieses Thema wird ausführlich in Abschn. 7.6.5.1 behandelt. Portfoliomanagement findet überwiegend im Rahmen eines relativen Auftrags statt. Das bedeutet, dass für viele Portfoliomanager das Ziel darin besteht, performance-seitig eine bestimmte Messlatte (Benchmark) zu übertreffen. Demzufolge steht die Wertentwicklung und Zusammensetzung einer solchen Benchmark sehr stark im Fokus der Portfoliomanager-Gemeinde. In der Regel handelt es sich bei diesen Benchmarks um prominente Kapitalmarktindizes. Igan und Pinheiro (2015) weisen nach, dass die Volatilität einer Aktie steigt, wenn sie in eine solche Benchmark aufgenommen wird. Neben dem Austausch von Indexmitgliedern wirkt sich auch eine Änderung der Gewichtung aus. Als der deutsche Aktienindex DAX am 24. Juni 2002 auf die Gewichtung nach Free-Float umgestellt wurde, führte dies zu einem erwarteten Anstieg der Indexvolatilität um 0,26 % aufgrund einer erhöhten Konzentration des Indexgewichts in den größten Indexmitgliedern (Schneider et al. 2002). Handelsaktivitäten per se sind ein weiterer möglicher Einflussfaktor auf die Volatilität (Karpoff 1987; Andersen 1996). In der Regel geht ein hohes Handelsvolumen mit einer hohen Volatilität einher. Damit ist jedoch nicht gesagt, dass das Handelsvolumen die hohe Volatilität verursacht. Ebenso ist vorstellbar, dass Neuigkeiten sowohl ein gesteigertes Handelsvolumen als auch eine erhöhte Volatilität nach sich ziehen. Jedoch kann an Ta-
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gen, an denen die Börse geöffnet ist, eine höhere Volatilität festgestellt werden als an Wochenenden und Feiertagen (Fama 1965; French 1980). Dies deutet darauf hin, dass tatsächlich die Handelsaktivitäten die höhere Volatilität verursachen. Das Gegenargument, dass dies auch daher rühren könnte, dass an Handelstagen mehr Nachrichten eintreffen, wird durch das Verhalten von Warenterminkontrakten stark relativiert. Deren Preisverhalten ähnelt dem von Finanzterminkontrakten, obwohl Nachrichten eine geringere Rolle spielen und das Wetter als wesentlicher Einflussfaktor keine Wochenenden kennt (BoldtChristmas 2002). Auch deutet die Korrelation zwischen Aktienmarkt- und Volatilitätsentwicklung an, dass in der Tat das Handelsvolumen für sich genommen einen wichtigen Einflussfaktor darstellt. Der ausgeprägt negative Zusammenhang zwischen Aktienmarktund Volatilitätsrichtung, der sich im Durchschnitt beobachten lässt [Aktienmarkt steigt (fällt)/implizite Volatilität fällt (steigt); Abschn. 4.2.1.5.3 und 7.2.4], ist an Tagen mit hohem Handelsvolumen in Futures ausgeprägter als an Tage mit niedrigem Volumen (Cheeseman et al. 2008a). Damit im Zusammenhang steht ein weiterer Faktor, der die Volatilität formt: die technische Infrastruktur der Märkte und die daraus resultierende Liquidität. Ein und derselbe Volatilitätsauslöser kann sich unterschiedlich stark in Preisvolatilität niederschlagen, je nachdem in welcher Form Angebot und Nachfrage zusammengeführt werden. Im Extremfall wird es in einem „Markt“, der dermaßen illiquide ist, dass überhaupt kein Handel stattfindet, auch keine Volatilität geben – zumindest so lange nicht, bis es irgendwann mal wieder zu einer Kursfeststellung kommt. Selbst dann kann es sein, dass sich der neue Kurs nicht vom alten Kurs unterscheidet, weil es keine neuen Informationen gab oder weil gegenläufige Informationen den ursprünglichen Preiseffekt neutralisiert haben. Umgekehrt wird ein grenzenlos liquider Markt mit hoher Markttiefe die neue Information adäquat in neue Preise umsetzen. Schwierig sind hingegen Märkte, die irgendwo dazwischen rangieren, die also grundsätzlich Liquidität anbieten, aber nicht genug, um das gesamte Volumenspotenzial abzuarbeiten. In solchen Fällen kann es zu überzogenen Ausschlägen kommen. Treten dann automatisch Handelsunterbrecher in Kraft, kann versucht werden, die Volatilität künstlich nach unten zu regulieren (Abschn. 4.1.1). In der deutlich überwiegenden Mehrzahl der Fälle werden diese bei scharfen Kursverlusten aktiviert. Ob die Kursreaktion dadurch lediglich bis zur Wiederaufnahme des Handels verschoben, aber nicht aufgehoben ist, hängt davon ab, ob bis dahin neue Informationen die Kursreaktion abmildern oder sich die Verkaufswilligen ihre Transaktion noch einmal überlegen. Wenn das Circuit Breaker-System schlecht kalibriert ist, kann es sogar das Gegenteil bewirken und die Kursausschläge erhöhen. Diese Erfahrung mussten die Chinesen im Januar 2016 machen – und durch die davon ausgehende internationale Ansteckung auch die anderen Aktienbörsen weltweit. Möglicherweise waren Zweck und Funktionsweise einfach schlecht kommuniziert. Da die chinesischen Anleger keinerlei Erfahrung mit diesem Instrument hatten, hat es möglicherweise die bestehende Verunsicherung nur weiter erhöht. Wenn sie die Maßnahme nicht als Mittel zur Marktberuhigung verstanden haben, sondern als Signal ihrer Wertpapieraufsicht, dass die Lage noch viel schlimmer ist als befürchtet, wäre die Marktreaktion verständlich. Vielleicht ist die unerwartete Ent-
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wicklung auch ein Hinweis darauf, dass ein und dasselbe Instrument in einem Land mit einer anderen Mentalität und Anlage- bzw. Wettkultur unterschiedliche Effekte zeitigt. Dass eine funktionierende Infrastruktur nicht nur im Bereich Handel, sondern auch in der Abwicklung vonnöten ist, wird in der Risikoanalyse oft vernachlässigt. Dass das Back-office höchsten Standards gewachsen sein muss, ist unabdingbar, damit es nicht aufgrund von technischen Engpässen zu Flaschenhälsen kommt, die bei starken Kursausschlägen, daraus resultierenden Nachforderungen von Sicherheitsleistungen oder einfach hohen Handelsvolumina zu illiquiditätsbedingter Volatilität kommt. Ein eindeutige, aus der Marktstruktur resultierende Volatilitätsquelle sind die Verfallstage an den Derivatebörsen. An diesen Tagen gibt es klare Zusammenhänge zwischen derivateinduzierten Anpassungs- und Hedging-Aktivitäten mit erhöhtem Handelsvolumen und einer erhöhten Volatilität (Edwards 1988; Day und Lewis 1988; Stoll und Whaley 1990; Abschn. 7.6.5.2). Der Zeitpunkt, zu dem Impulse auf den Markt treffen, ist ebenfalls von Bedeutung. Auf dem US-Aktienmarkt sind die ersten 15 Minuten nach Marktöffnung der am wenigsten liquide Teil des Handelstages, der sich durch breitere Geld-Brief-Spannen, weniger Volumen auf den quotierten Preisen und eine generell höhere Volatilität auszeichnet. Das liegt unter anderem daran, dass die ersten Notierungen der Aktien erst nach und nach einlaufen. In einer Studie zu den massiven Aktienmarktbewegungen am 24. August 2015 weist die Research-Abteilung der US-Wertpapieraufsicht (Securities and Exchange Commission, SEC 2015) darauf hin, dass an diesem Tag fünf Minuten nach Eröffnung erst 38 % der S&P 500-Unternehmen mit 53 % der Indexkapitalisierung eröffnet waren. Zehn Minuten später waren es 86 % der Unternehmen mit 91 % der Kapitalisierung. Dadurch, dass nur ein Teil des Underlyings gehandelt wird, ist die Arbitrage zwischen Derivaten und Underlying gestört. Viele Studien weisen ebenfalls nach, dass es ein Muster für die Entwicklung der Volatilität während des Handelstages gibt (Stoll und Whaley 1990; Oldfield und Rogalski 1980; Wood et al. 1985). Danach ist die Volatilität bei Eröffnung des Handels am höchsten und bildet zum Handelsende einen weiteren Hochpunkt aus. Verfallseffekte verstärken dies. Der DAX-Future-Verfall wirkt auf den Handelsbeginn, der Verfall von Optionen auf den Handelsschluss (Röder und Bamberg 1996). In Deutschland ist darüber hinaus eine erhöhte Volatilität bei Feststellung der Kassakurse nachweisbar (Röder und Bamberg 1996, Röder 1996). Auch schwappt offenbar die Handelseröffnung in New York zeitweise auf den deutschen Markt über (Röder 1996). Es gibt Hinweise, dass auch sozialpsychologische Faktoren einen Einfluss auf die Volatilität haben könnten. Kirchner (1996) konstatiert einen Lunch-Effekt, ein starkes Absinken der Intraday-Volatilität von DAX und DAX-Future. Sie fällt am frühen Nachmittag abrupt und steigt danach wieder deutlich an. „Ob dieser Effekt durch rein menschliche Bedürfnisse begründet werden kann, ist nicht gesichert.“ (Röder 1996, S. 476). In den Studien zur Entwicklung der Intraday-Volatilität ist er bis dato auch nicht in der Breite nachgewiesen. Aber auch in Märkten, die die gleiche Liquidität aufweisen, kann ein und dieselbe Order zu unterschiedlich hoher Volatilität führen, je nachdem, wie die Liquidität im Or-
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derbuch verteilt ist (Ahn et al. 2001; Pascual und Veredas 2010; Coppejans et al. 2001). Ist das Orderbuch um den besten Preis herum auf der Geld- wie der Briefseite sehr tief, deutet dies auf eine hohe Einigkeit der Marktteilnehmer über den „richtigen“ Preis hin. Die Notierung dieser Aktie ist vergleichsweise fest verankert. Sollten sich große Positionen im Orderbuch abseits des aktuellen Preises finden, gibt es offensichtlich stark abweichende Meinungen hinsichtlich der fairen Bewertung. Eine derartige Konstellation ist anfälliger dafür, mit einer stärkeren Preisbewegung und damit höherer Volatilität „bereinigt“ zu werden (Valenzuela et al. 2014). Wenn man über das Orderbuch spricht, kommt man an der Rolle der Hochfrequenzhändler (HFT) nicht vorbei. Die Deutsche Bundesbank zeigt in einer Studie aus dem Jahr 2016, dass HFT-Market-Maker in sehr volatilen Marktphasen ihre Liquiditätsbereitstellung zeitweilig herunterfahren, während gleichzeitig einige auf die Marktrichtung spekulierende HFTs starke Aktivitäten entfalten und so trendverstärkend wirken können (Deutsche Bundesbank 2016). Sie illustriert dies am Beispiel von News Tradern, also Händlern, die im Umfeld der Veröffentlichung wichtiger Nachrichten spekulieren. Der Impuls, der aus einem wirtschaftlichen Makrotreiber im oben genannten Sinne (Abschn. 7.2.2.2) herrührt, wird so verstärkt und teilweise überzeichnet. Liquidität ist ein Faktor der auch entlang der Volatilitätsstrukturkurve wirkt. Insofern ist auch hinsichtlich der Interpretation der Volatilitätsstrukturkurve Vorsicht angebracht. Steigt diese an, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass die Marktteilnehmer ein höheres Risiko in der ferneren Zukunft erwarten. Oft ist dies nur Ausdruck einer mehr oder weniger hohen Liquiditätsprämie, die sich in einer erhöhten impliziten Volatilität ausdrückt. Zur korrekten Interpretation müsste man die implizite Volatilität ex Liquiditätsprämie betrachten. Die Prämie kann sicherlich über Handelsvolumen und Open Interest näherungsweise geschätzt werden. Doch nur wenn sich nach dieser Bereinigung und unter Berücksichtigung eines möglichen Schätzfehlers immer noch eine eindeutige Struktur ergibt, mag ein Rückschluss auf die gegenwärtige Marktpsychologie zulässig sein. Ganz unübersichtlich wird es, wenn es nicht den Markt gibt, sondern dieser in irgendeiner Form gespalten oder intransparent ist. Bei zersplitterten Märkten kann es zu uneinheitlichen oder gar widersprüchlichen Preisreaktionen kommen. Bei intransparenten Märkten kann zwar Volatilität auftreten, aber mitunter ist sie nicht oder nicht direkt wahrnehmbar. Ein Beispiel für Veränderungen in der Marktinfrastruktur, die die Volatilität verändern können, sind die an Bedeutung gewinnenden alternativen Handelsplätze wie Dark Pools und Crossing Networks. Dabei handelt es sich um broker-basierte, anonyme Handelsplattformen, deren Ziel es ist, Käufer und Verkäufer zueinander zu bringen, ohne dass ihre Orders dafür bis an eine Börse weitergeleitet werden müssen. Angebot und Nachfrage sind nicht transparent. Die zustande gekommenen Geschäfte müssen aber der Finanzaufsicht angezeigt werden. Viele institutionelle Marktteilnehmer schätzen die Anonymität, vor allem wenn sie mit großen Orders an den Markt gehen wollen. Teilweise laufen außerhalb des Large-Cap-Bereichs bis zur Hälfte der Orders über diese Plattformen. Durch die Herausnahme dieser Volumina aus den Börsen werden diese illiquider. Das bedeutet jedoch nicht zwingend, dass sie dadurch auch volatiler werden. Vielmehr
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kann es sogar zu einer niedrigeren wahrgenommenen Volatilität kommen, da die marktbewegenden Orders in die Dark Pools abwandern. Dort sorgen sie für Volatilität, aber eben im Verborgenen. Daher ist (noch) nicht klar, wie sich Darkpools tatsächlich auf die Marktvolatilität auswirken. Es gibt durchaus auch Einflussfaktoren auf die Handelsaktivitäten, an die man zunächst nicht unbedingt denken würde. So kann beobachtet werden, dass die Volatilität in den Wochen der Finalrunde der Fußballweltmeisterschaft rund drei bis vier Prozentpunkte unter dem Niveau 90 Tage vor und nach dem Turnier liegt (Morgan Stanley 2002). Dies mag auch darauf zurückzuführen sein, dass das Turnier in der Regel im eher ruhigen Sommerloch stattfindet, in denen die Volatilität ohnehin tendenziell niedriger liegt (Toikka et al. 2001). Oder tritt die Bedeutung von pekuniärem Gewinn und Verlust im Bewusstsein der Marktteilnehmer in dieser Zeit tatsächlich gegenüber der schönsten Nebensache der Welt in den Hintergrund und sorgt für gedämpfte Marktaktivitäten? Das Phänomen ist erstaunlich stabil über die Märkte hinweg, jedoch besonders ausgeprägt in Italien („War ja klar.“) und Japan („Japan? Wieso Japan?“). Die Schwierigkeit, herauszufinden, was die Volatilität tatsächlich in welcher Stärke bewegt, zeigen Studien, die mittels Principal Components Analysis (PCA) untersucht haben, welche Faktoren auf die Volatilitätsstrukturkurve einwirken. I Definition Bei der PCA handelt es sich um ein statistisches Verfahren, mit dessen Hilfe man Faktoren bestimmen kann, die die Bewegungen in einer Datenmenge am besten erklären. Die meisten Studien kommen zu dem Schluss, dass die Entwicklung der Volatilitätsstrukturkurve von zwei bis drei Faktoren dominiert wird [Kahn (1994), Skiadopoulos et al. (1999) sowie Mixon und Mason (2000) für Untersuchungen auf den amerikanischen Aktienmarkt, Sylla und Villa (2000) auf den CAC 40 und Fengler et al. (2002) auf den VDAX]. Obwohl dies eine wichtige Erkenntnis ist, hält sich der praktische Nutzen jedoch in Grenzen. Zum einen ist es schwierig, die statistisch gewonnenen Faktoren mit realen Wirtschafts- oder Finanzmarktfaktoren in Verbindung zu bringen. Immerhin können Mixon und Mason (2000) ihrem Hauptfaktor eine hohe Korrelation mit der Änderung des S&P 500 attestieren und bestätigen so den negativen Zusammenhang zwischen Index- und Volatilitätsbewegung (Abschn. 5.3.3). Damit stützen sie das Ergebnis von Kahn (1994), der ebenfalls den Markt als den wichtigsten seiner drei Faktoren identifiziert. Gleichwohl kommen Fengler et al. (2002) auf Basis ihrer Stabilitätsanalyse zu dem Schluss, dass die Faktoren, welche die implizite Volatilität der DAX Optionen erklären, sich im Laufe der Zeit verändern können. Gleichartige Ergebnisse finden sich für den Rentenmarkt. Auch hier ist offenbar die Bewegung des Underlying der dominierende Faktor, wenn auch der Einfluss über die Zeit hinweg nicht stabil zu sein scheint (Rieger et al. 2007). Weiterhin spielt auch die Kurvensteilheit eine deutlich messbare Rolle in der Swaption-Bewertung. Darüber hinaus sind
7.2 Implizite Volatilität
571
offenbar die auf den Markt einwirkenden Faktoren bei kurz- und lang laufenden Optionen unterschiedlich bedeutsam (Rieger et al. 2007). Es klang bereits mehrfach an: Was die genaue Auswirkung von Einflussfaktoren auf die Volatilität so schwierig zu greifen macht, ist die Marktpsychologie. In einer perfekten Welt hätte der Markt sämtliche Informationen umgehend preislich verarbeitet, sodass die Marktvolatilität nur die Veränderung der Fundamentaldaten reflektieren würde. Der Einfluss marktpsychologischer Faktoren jedoch hat beispielsweise das Potenzial, die Relevanz von Faktoren im Zeitablauf immer wieder zu verändern. Saksena und Bowler (2009) untersuchen 30 potenzielle Volatilitätstreiber und kommen zu dem Schluss, dass sich deren Bedeutung im Zeitverlauf verschiebt. Zeitweise nimmt der Markt Neuigkeiten mit einem Schulterzucken zur Kenntnis. Anderentags lösen ähnliche Nachrichten massive Verwerfungen aus. Die im Zeitablauf schwankende Risikoaversion (Campbell und Cochrane 1999) ist ein Faktor, der die Verwundbarkeit im Sinne von Loeys und Panigirtzoglou (2005; Abschn. 7.2.2) verändert. Dabei kann sich aus einer zunächst rein vermuteten Verwundbarkeit eine tatsächliche Verwundbarkeit ergeben, wenn nur genügend Marktteilnehmer an die Existenz dieser Verwundbarkeit glauben. Da die Finanzmärkte auf Vertrauen aufgebaut sind, kann eine fundamentale Erschütterung dieses Vertrauens den kompletten Apparat zum Erliegen bringen, wie es während der Finanzmarktkrise in vielen Marktsegmenten zu beobachten war. Eine herausgehobene Rolle bei der Wahrnehmung der Verwundbarkeit spielt die Hebelung von Positionen, insbesondere wenn die großen Hebel bei wenigen, großen Marktteilnehmern konzentriert sind. Geraten diese Dickschiffe aus dem Gleichgewicht, kann es zu heftigen Aufschaukelbewegungen kommen, wenn sie versuchen, durch Anpassungstransaktionen ihrer Balance zurückzuerlangen. Wenn es an der nötigen Transparenz fehlt, kann es selbst dann zu Ausschlägen kommen, wenn es gar keine gefährliche Konzentration gibt, weil Investoren und Händler eine große Verwundbarkeit irgendwo im Markt vermuten. Die Marktpsychologie und ihre Veränderung ist ein bislang noch untererforschtes Thema. Es ist klar, dass beispielsweise Änderungen im wirtschaftlichen Umfeld nicht nur Auswirkungen auf die harten Bewertungsfakten haben, sondern auch auf die Stimmung am Markt. Wie diese Effekte jedoch genau entstehen und sich fortpflanzen, ist nicht klar. Ein neuerer Ansatzpunkt, um dem auf die Schliche zu kommen sind Methoden aus der statistischen Physik. Physikalische Teilchen und Teilnehmer auf den Finanzmärkten weisen Ähnlichkeiten in ihrem Verhalten auf. Daher könnten Ansätze zur Analyse komplexer physikalischer Systeme auch neue Einblicke in das komplexe System „Finanzmarkt“ ermöglichen (Bonino et al. 2014). Etwas Licht in diesen komplexen Wirkmechanismus werfen die Arbeiten von Shiller (1981) und Akerloff und Shiller (2009). Sie zeigen, dass Änderungen im Barwert durch veränderte Annahmen über den zukünftigen Cashflow oder den Abzinsungssatz nur einen Teil der Marktvolatilität erklären können und spüren dem Einfluss von Trends und Moden nach, die letztlich in der Bildung von Blasen münden können. Viele dieser psychologischen Prädispositionen brechen sich dann unter (Markt)Stress eine Bahn und sorgen dafür, dass viele Marktteilnehmer nicht mehr auf Neuigkeiten über Fundamentaldaten reagieren,
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7
Derivate als Informationsquelle
sondern vielmehr auf die Marktentwicklung selbst. In seiner Studie über den Crash 1987 hat Shiller (1987) über 1000 institutionelle und aktive, gutverdienende Privatinvestoren befragt. Im Schnitt hatten die institutionellen Investoren die Ereignisse mit 19,7 anderen diskutiert und die Preise 35 Mal gecheckt. Der Blick auf die kurzfristigen Marktbedingungen dominierte eindeutig die langfristigen Geschäftsbedingungen. Aber auch in weniger turbulenten Marktphasen tendieren Analysten dazu, in gleichem Maße auf Neuigkeiten überzureagieren wie Studenten im Grundstudium (De Bondt und Thaler 1990). Die aus den harten Fakten herrührende Volatilität wird also durch Überreaktionen verstärkt. Einen weiteren Ansatz zum besseren Verständnis bietet Andrew Lo (2011) mit seiner Hypothese sich anpassender Märkte (Adaptive Market Hypothesis; AMH) an. Nach seiner Theorie setzen sich in einem beginnenden Krisenszenario temporär Fluchtreaktionen am Markt durch, während derer verängstigte Anleger in sichere Anlagen fliehen. Im weiteren Verlauf erkennen jedoch mehr und mehr rationale Anleger diese temporäre Systemstörung und sorgen schließlich wieder für einen höheren Grad an Markteffizienz. Ein anderer Faktor, der geeignet ist, die durchschnittliche Marktpsychologie zu verändern, ist eine spürbare Veränderung in der Struktur der Marktteilnehmer. Betritt eine neue Investorengruppe einen Markt oder breitet sich in diesem zu Lasten anderer Marktteilnehmer aus, sind Verschiebungen der Bewertungsrelationen gut möglich. Wenn beispielsweise Hedgefonds einen Markt neu für sich entdecken, kann es in diesem zu einem Anstieg des durchschnittlichen Risikoappetits kommen (Abschn. 7.6). Eine wichtige Rolle spielen in diesem Zusammenhang marktstrukturbedingte Faktoren, die einen bestehenden Volatilitätsimpetus verstärken respektive eine natürliche Rückbildung der Volatilität behindern, sogenannte endogene Risikofaktoren (IMF 2003). In diese Kategorie fallen beispielsweise Anreizstrukturen, die Kurzfristdenken, die nicht-adäquate Berücksichtigung von Langfristfolgen und Herding begünstigen. Diese finden sich etwa bei institutionellen Investoren in Form von Systemen, die Leistungen in einen rivalitätsorientierten Peer Group-Kontext stellen. Auch Index Tracking kann zu unreflektierten, sich selbst verstärkenden Bewegungen beitragen, ebenso wie das Zusammenspiel von gleichartig wirkenden Absicherungsstrategien. Dabei handelt es sich einerseits um Sicherungsstrategien, die bei fallenden Kursen mit dem Abbau von Risikopositionen reagieren, wie zum Beispiel Stop Loss-Ansätze, Delta Hedging (Abschn. 3.4.1) oder die Constant Proportion Portfolio Insurance (CPPI; Abschn. 3.4.4). Auch andere Strategien können in die gleiche Richtung wirken, beispielsweise Portfolios, die risikoparitätisch strukturiert sind oder darauf abzielen, die Schwankungsbreite in einer anfangs festgelegten Zielzone zu halten (sogenannte Constant Volatility-Produkte). Bei den risikoparitätischen Portfolios sollen alle Risikoträger den gleichen Risikobeitrag liefern. Wenn nun einer aus der Reihe tanzt, beispielsweise die Aktienquote durch eine steigende Volatilität bei fallenden Kursen überproportional viel Risiko aufbaut, muss das Risiko durch den Verkauf oder die Absicherung von Aktien zurückgebaut werden. Ebenso muss bei Constant Volatility-Ansätzen das Risiko aktiv reduziert werden, wenn es die eingangs definierte Zielzone überschreitet. Auch Trendfolgestrategien nehmen fallende Kurse als Signal, dass mit weiter fallenden Kursen zu rechnen ist und verkaufen dementsprechend. In den letzten Jahren
7.2 Implizite Volatilität
573
bekommen all diese Strategien regulatorisch verordneten Zuwachs in Form von Vorschriften, die institutionelle Investoren dazu zwingen, bei Kursverlusten Risiken zu reduzieren, beispielsweise in Form von Value-at-Risk-Steuerungsvorschriften oder Stress Tests in Verbindung mit kurzfristigen Überwachungsintervallen. Diese üben mittlerweile einen maßgeblichen Einfluss auf die Verwundbarkeit des Marktes aus, also auf die Frage, mit welcher Nervosität werden neue Informationen aufgenommen und wie werden sie interpretiert. Hatte in früheren Zeiten der bei einem institutionellen Investor Verantwortliche durchaus die Möglichkeit, bestimmte adverse Marktphasen „auszusitzen“ und sich damit in der Tat auf einen längerfristigen Anlagehorizont auszurichten, ist dies dieser Tage nicht mehr möglich. Positionen, die aufgrund ihrer Sicherheit und der Dauerbesitzabsicht in früheren Zeiten unveränderlich mit ihrem Buchwert bilanziert wurden, werden heute zunehmend mit dem jeweils aktuellen Marktpreis bewertet (Mark-to-Market-Prinzip). Auf diesen Marktpreisen werden dann Limitsysteme aufgesetzt. Die ausgefeilten Risikosysteme schlagen bei Limitüberschreitungen sofort an und zwingen zum Abbau des Portfoliorisikos. Die Auswirkungen derartiger Rahmenbedingungen wurden beispielsweise im Sommer 2002 sichtbar. In fallende Kurse hinein waren viele Versicherungen gezwungen, Risiken in den Portfolios abzubauen. Marktteilnehmer sprachen davon, dass „den Portfoliomanagern die Controller auf dem Schoß sitzen und Verkaufsorders auslösen“. Durch diese großvolumigen Verkäufe wurde die Heftigkeit der Abwärtsbewegung verstärkt. Die Tatsache, dass derartige Vorschriften sich auf immer mehr Marktteilnehmer ausbreiten, führt zu vermehrt gleichgerichtetem Anlageverhalten breiter institutioneller Investorengruppen. Persaud (2003) bezeichnet dieses Phänomen der erzwungenen, zyklischen Gleichschaltung und das Verschwinden von institutioneller Diversität in Bezug auf Rahmenbedingungen, Motivation und Handlungsspielräume als „Schwarzes Loch der Liquidität“ (Abschn. 3.4.5). Erschwerend kommt hinzu, dass diese Art des Risikomanagements, basierend auf einfachen Value at Risk-Ansätzen, nicht auf seltene Ereignisse und Verschiebungen fundamentaler Zusammenhänge eingestellt ist. Generell sind Auswirkungen aufsichtsrechtlicher Veränderungen sehr schwer nachzuweisen, da sie zeitlich entzerrt anfallen. Sie treffen oft nicht alle Anlegergruppen zur gleichen Zeit. Mal sind es Banken, für die ein neuer Satz Vorschriften ansteht, mal Versicherungen, mal Stiftungen, . . . Vor allem aber gibt es in der Regel längere Vorlaufzeiten, um sich auf neue Regularien einzustellen und erforderliche Geschäfte zeitlich zu strecken. Auch allgegenwärtige Unterschiede in der genauen nationalen Implementierung sorgen für abgefederte Effekte auf den internationalen Finanzmärkten. Dennoch gibt es diese Effekte. Rieger et al. (2007) gelingt es auch, diese indirekt im Markt für kurz- und langfristige Swaptions darzustellen. Ironischerweise versuchen die Regulierungsbehörden mittlerweile dieses von ihnen selbst geschaffenen oder zumindest verschärften Risikos durch neue Regulierungsinitiativen Herr zu werden. Währenddessen streben professionelle Investoren danach, die endogenen Risikofaktoren vermehrt in ihre Risikomodelle zu integrieren.
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7.2.2.5 Unternehmensspezifische Treiber Über die Faktoren hinaus, welche die Volatilität des Marktes erklären können, wirken auf einzelne Unternehmen firmenindividuelle Faktoren, die das Risiko einer Aktie beeinflussen. Der fundamentale Wert einer Aktie ist der Barwert der zukünftigen Zahlungsströme. Daher führt jede Neuigkeit, die entweder zu einer Änderung der zukünftigen Zahlungsströme oder des Diskontierungszinssatzes führt oder die Korrelation zwischen diesen beiden Größen verändert, zu einer Änderung des Unternehmenswerts. Allerdings weist erneut Nobelpreisträger Robert Shiller (2000) mit seiner Irrational Exuberance nach, dass sich Änderungen der erwarteten Cashflows nur zu einem eher kleinen Teil in Marktvolatilität umsetzen. Generell ergibt sich ein negativer Zusammenhang zwischen Kursbewegung des Underlying und der impliziten Volatilität (Abschn. 4.2.1.5.3, 5.3.3). Bei fallenden Aktienkursen sorgen negative Renditen auf das Eigenkapital für eine höher gehebelte Finanzierungsstruktur des Unternehmens, was die Anfälligkeit des Unternehmens erhöht. Dieser sogenannte Hebeleffekt wurde zuerst von Black (1976) beschrieben. Er erklärt den Zusammenhang zwischen Kurs- und Volatilitätsentwicklung jedoch nur unzureichend (Schwert 1989). Insbesondere bleibt nach diesem Ansatz unklar, warum die Wirtschaftssubjekte auf negative Überraschungen heftiger reagieren als auf positive (Kahneman und Tversky 1991). Erst in Kombination mit bereits beschriebenen Faktoren, wie dem Korrelationseffekt und marktstrukturbedingten Treibern wie Risikobegrenzungsvorschriften, führt dies zur asymmetrischen Natur der Volatilität, die auf Abwärtsbewegungen heftiger reagiert als auf Aufwärtsbewegungen (Bekaert und Wu 2000; Figlewski und Wang 2000; Loeys und Panigirtzoglou 2005). Typische Beispiele für Cashflow-verändernde Faktoren bei Aktien sind Übernahmen, Kapitalmaßnahmen, die Sicherung von Großaufträgen oder die Zulassung von neuen Produkten. Aber auch bedeutende Industriekonferenzen können ihre Schatten vorauswerfen. Mittlerweile existiert umfangreiche Literatur mit sogenannten Event Studies, die die Auswirkung von bestimmten Ereignissen auf die Volatilität einer Aktie untersuchen. Beispielsweise sinkt die vor der Bekanntgabe von Unternehmensgewinnen tendenziell hohe Volatilität im Anschluss an die Veröffentlichung wieder ab (Patell und Wolfson 1981; Lotufo et al. 2001; Gregory und Choksi 2002; Abb. 7.5). Donders und Vorst (1994) stellen den Effekt im Umfeld von angekündigten Unternehmensmeldungen ebenfalls fest. Hill et al. (2001) bestätigen diese Beobachtung und leiten daraus einen gewissen Saisonalitätseffekt ab. Da die Vorlage von Unternehmensergebnissen in jedem Jahr eine zeitliche Massierung in bestimmten Perioden aufweist, ergeben sich bis zu einem gewissen Grad Volatilitätszyklen. Im umgekehrten Wirkungszusammenhang nutzt man in der Praxis die in den Optionen enthaltenen Volatilitätsschätzungen über Perioden, die die Veröffentlichung von Unternehmensgewinnen einschließen, zur Vorhersage, in welchen Titeln mit Überraschungen zu rechnen ist (Amanti et al. 2004).
7.2 Implizite Volatilität
575
60% 56% 54% 52% 50% 46% 42%
Implizite Volatilität
40%
41% 38%
37%
30%
20%
10%
0% < -10%
-10% - 0%
0% - 10%
> 10%
Aktienkurs nach Veröffentlichung 21 Tage vor Veröffentlichung
21 Tage nach Veröffentlichung
Abb. 7.5 Entwicklung der impliziten Volatilität nach der ersten Kursreaktion der Aktie auf die Veröffentlichung des Unternehmensgewinns (S&P 500, 1999–2000). (Datenquelle: Lotufo et al. 2001; eigene Grafik)
Bei Aktien-Splits ist der Fall nicht eindeutig. Während French und Dubofsky (1986) sowie Merrill Lynch (2000a) eine leicht volatilitätserhöhende Wirkung ausmachen, sehen Klein und Peterson (1988) und Sheikh (1989) keinen spürbaren Einfluss. Unter Umständen tritt dieses Phänomen immer wieder mal am Markt auf, um danach wieder für einige Jahre in der Versenkung zu verschwinden. Denn Lotufo et al. (2001) finden einen ziemlich deutlich ausgeprägten Effekt für die Unternehmen des S&P 500 von 1990 bis 2000. Das Ergebnis aus Abb. 7.6 bleibt auch dann bestehen, wenn man die Volatilitätsentwicklung des Gesamtmarktes herausrechnet. Dieser Zeitraum wird jedoch von den negativ ausgefallenen Studien von Klein und Peterson sowie Sheikh nicht erfasst. Andere Einflussfaktoren, die ein Portfoliomanager auf der Rechnung haben sollte, sind Dividendenankündigungen (Jayaraman und Shastri 1993) sowie Neuigkeiten zu Übernahmen und Unternehmenszusammenschlüssen (Levy und Yoder 1993). Auch die Bedeutung der Höhe der Fremdfinanzierung und des damit verbundenen Kreditrisikos sind seit längerem als volatilitätsbestimmend erkannt worden (Abschn. 7.4).
7.2.2.6 Zusammenspiel der Volatilitätsquellen Es sollte aus den vorigen Abschnitten klar geworden sein, dass Volatilität sich nicht aus einer einzigen Quelle speist. Selbst wenn man alle Volatilitätstreiber auf dem Schirm hätte, wäre die Entwicklung der Volatilität schwer zu greifen. Was die Vorhersage so schwierig
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80% 73,7% 69,4%
70%
60%
57,0% 50,3%
Implizite Volatilität
50%
40%
30%
41,4%
39,6% 36,4% 28,3%
35,3%
37,5%
36,9% 28,9%
26,1%
26,0%
1991
1992
37,8%
40,1%
34,1% 29,9%
30,2%
31,3%
28,9%
1995
1996
1997
1998
24,7%
20%
10%
0% 1990
1993
1994
21 Tage vor Split
1999
2000
21 Tage nach Split
Abb. 7.6 Durchschnittliche Aktienvolatilität bei Stock Splits (S&P 500). (Datenquelle: Lotufo et al. 2001; eigene Grafik)
macht, ist die unüberschaubare Anzahl an Faktorkombinationsmöglichkeiten und die vielfältigen Sequenzierungsläufe, in denen die Faktoren zeitlich wirksam werden, ineinander greifen und zu unterschiedlichen Entwicklungspfaden führen. Beispiel
Ein typisches Beispiel, wie sich das Zusammenspiel mehrerer Faktoren grundlegend auf Niveau und Struktur der impliziten Volatilität auswirken kann, ist der Markt für amerikanische Zinsoptionen im Jahr 2001. Zunächst haben die ständig fallenden Zinsen zu erhöhten Umschuldungen der privaten Kreditnehmer geführt. Einige kreditgebende Institute hatten ihr Risikomanagement so ausgebaut, dass sie in der Lage waren, dieses Risiko zu quantifizieren und sich dagegen zu hedgen. Dies führte zu einer erhöhten Nachfrage nach Sicherungsinstrumenten. Gleichzeitig ging die Angebotsseite zurück. Nach den schmerzhaften Erfahrungen im Jahr 1998 hatten sich viele Hedgefonds als Optionsschreiber zurückgezogen. Außerdem machte eine Änderung in den amerikanischen Bilanzierungsvorschriften das Schreiben von Optionen für andere institutionelle Optionsschreiber weniger interessant. Darüber hinaus hat die zunehmende Bankenkonzentration sicherlich nicht dazu beigetragen, dass sich die Market MakerKapazitäten der Handelstische aggregiert im Markt erhöht haben. Als Folge all dieser Faktoren stieg die implizite Volatilität auf US-Zinsen auf neue Mehrjahreshochs und verharrte auf diesem Niveau (Polyn 2002).
7.2 Implizite Volatilität
577
Als weiteres erschwerendes Moment kommt hinzu, dass entlang der Strukturkurve der impliziten Volatilität unterschiedliche Faktoren wirken. Ebenso wie bei der Zinsstrukturkurve sind am langen Ende andere Faktoren an der Erwartungsbildung beteiligt wie am kurzen Ende. Um Warren Buffett zu zitieren: Kurzfristig ist der Markt ein Wahlautomat, langfristig eine Waage. Insbesondere zeigt sich das lange Ende der Volatilitätsstrukturkurve besser verankert. Es reagiert auf Neuigkeiten deutlich träger, weil hier die langfristige Tendenz der Volatilität, sich immer wieder in Richtung auf ein neutrales Durchschnittsniveau zurückzubilden (Mean Reversion), als mächtiger Fixpunkt wirkt. So gilt es noch zu berücksichtigen, dass auch der Prognosehorizont eine Rolle spielt. Je nachdem, ob die Volatilitätsentwicklung über kurze oder lange Sicht prognostiziert werden soll, werden unterschiedliche Faktoren Eingang in das Modell finden. Beispielsweise demonstriert die Deutsche Börse, wie man die diversen Erkenntnisse über die Bestimmungsfaktoren von Volatilität in einem Modell verdichtet, um kurzfristige Volatilitätsprognosen mit einem Horizont von zehn Sekunden bis zehn Minuten zu erstellen. Diese extrem handelsnahen Indikatoren werden seit November 2015 publiziert. Das dahinter agierende, proprietäre Modell kombiniert drei Inputfaktoren: 1. Das hohe Maß an Abhängigkeit der kommenden Volatilität von ihrem aktuellen Wert (Autokorrelation), 2. intraday Saisonalität, wie diverse Kalendereffekte, Feiertage und Urlaube, sowie Effekte aus den Eröffnungs- und Schlussauktionen, sowie 3. geplante Veröffentlichungen von potenziell marktbewegenden Wirtschaftszahlen. Bei der Vielfalt der Volatilitätstreiber ist es auch nicht verwunderlich, dass an den Finanzmärkten ein stetes Grundrauschen festzustellen ist. Es gibt immer einen Faktor, der die Volatilität bewegt. Zwar kann es hinsichtlich eines einzelnen Unternehmens vorkommen, dass keinerlei neue Informationen auftauchen. Dennoch kann sich auch der Kurs dieses Titels ändern. Auf Einzelaktienebene mag dies dadurch begründet sein, dass ein Anleger durch die Einführung eines neuen Bewertungsmodells oder Verpflichtung eines neuen Analysten zu einem geänderten Wertansatz kommt. Oder die Cashflow-Projektionen bleiben unverändert, aber durch Makrofaktoren ändert sich die Diskontierungsrate. Ein viel profanerer Grund kann sein, dass einem Investor neue Mittel zur Anlage zufließen. Daraufhin passt er sein Portfolio an. Durch die marginale Zusatznachfrage bringt er den Preis nach oben in Bewegung. Ein anderer Ansatz: Gemäß Capital Asset Pricing Model (CAPM) besteht das Risiko einer Einzelaktien im Kern immer aus einem Marktrisiko und einem diversifizierbaren, einzelwertspezifischen Teil. Insofern also Faktoren auf andere Aktien wirken und diese als Teil des Marktes bewegen, wird unsere Aktie mitbewegt. Bewegt man sich hingegen entlang der Denkrichtung von Mehrfaktorenmodell, wie sie der Arbitrage Pricing Theory (APT) unterliegen, kann man eine Aktie allgemeiner als eine Ansammlung individuell gewichteter Risikofaktoren betrachten. Wenn sich also einer der Risikofaktoren, gegenüber dem unsere Aktie exponiert ist, verändert, ändert sich deren Bewertung. Wird unsere Aktie also in irgendeiner Form vom Wechselkurs
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des Euro zum US-Dollar beeinflusst, wird sich eine Bewegung in der Währung auf ihre Bewertung niederschlagen. Dabei kann die Dollarabhängigkeit durchaus über mehrere Ecken zustande kommen. Selbst wenn das Unternehmen keinen einzigen Cent Umsatz in irgendeiner Fremdwährung fakturiert, ist es im Zeitalter der Globalisierung praktisch nicht mehr möglich, dass ein Unternehmen vollständig unbeeinflusst ist von Währungsverschiebungen, sei es an irgendeiner Stelle der Vorleistungskette, im Konkurrenzverhältnis mit Wettbewerbern oder bei Substitutionsprodukten. Diese Aufzählung ist natürlich nicht vollständig, kann es nicht sein. Sie zeigt aber, welche unendlichen Möglichkeiten existieren, um den Preis eines Wertgegenstands zu verändern und somit zu Volatilität zu führen. Wenn schon auf Einzeltitelebene „keine Ruhe herrscht“, so trifft dies auch nicht auf höhere Aggregationsstufen wie Asset-Klassen oder Indizes zu. Zwar lassen sich einzelwertspezifische Risiken wegdiversifizieren. Risiken höherer Ordnung, wie Asset-Klassenoder Länderrisiken, bleiben jedoch bestehen. Daraus ergibt sich ein Grundrauschen, das dafür sorgt, dass die Volatilität nicht auf null fällt. Allen und Einchcomp (2005) verorten die Volatilitätsuntergrenze für Aktienindizes im Bereich von etwas über fünf Prozent. Dies wird durch die langfristigen Tiefpunkte der realisierten Volatilität breit diversifizierter Indizes gestützt. Bei enger konzentrierten Indizes liegen die Werte etwas höher. Rechnet man zu dieser Basis die Prämie der impliziten Volatilität hinzu, lässt dies erwarten, dass Aktienindexoptionen schwerlich dauerhaft mit deutlich weniger als zehn Prozent impliziter Volatilität handeln dürften. Die Korrelation der Aktien untereinander spielt in diesem Zusammenhang eine Rolle, aber nicht die entscheidende. Chen (2006a) vergleicht die implizite Volatilität eines Index mit der Entwicklung einer impliziten Indexvolatilität, bei der die Korrelation aller Indexkomponenten untereinander auf den Maximalwert eins gesetzt wird. Er stellt einen ausgeprägten Gleichlauf der „normalen“ Indexvolatilität und der Indexvolatilität bei perfekter Korrelation fest und schließt daraus, dass es in erster Linie Veränderungen in der impliziten Volatilität der Einzelaktien sind, die die Indexvolatilität bestimmen, nicht die Korrelation.
7.2.3
Volatilität als Schätzer der zukünftigen Volatilität
Bestmögliche Volatilitätsschätzungen sind nicht nur im modernen Portfoliomanagement an vielen Stellen von erfolgsentscheidender Bedeutung. Das Wissen um die implizite Volatilität kann in vielerlei Hinsicht eingesetzt werden. Letztlich kann die implizite Volatilität in allen Entscheidungen, die im Finanzbereich eine präzise Risikoquantifizierung erfordern, zur Anwendung kommen, beispielsweise Investitionsentscheidungen im Portfoliomanagement sowohl auf Einzeltitelebene als auch bei der Portfoliozusammenstellung.
7.2 Implizite Volatilität
579
Hedging von Risiken im kommerziellen Geschäft (Rohstoffe, Währungen, Finanzierungen, . . . ) Beschickung von Risikomanagement-Systemen, zum Beispiel zur Berechnung von Value at Risk-Kennzahlen etc. Bei ständig zunehmender Bedeutung der Analyse von Risiken in professionell verwalteten Portfolios wird die Risikoschätzung zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor. Wer Risiken umfänglich identifiziert, präzise analysiert, bewertet und bepreist, wird sich gegen weniger gut aufgestellte Mitbewerber über kurz oder lang durchsetzen. Kalkulation von Projektrisiken und Schwankung der Cashflows aus Investitionen (Abschn. 7.12). Bonitätsentscheidungen, wie die Vergabe von Krediten (Bankkredite, Lieferantenkredite), Aufträgen (Liefersicherheit), u. Ä. Market Making: In die Gestaltung der Geld-Brief-Spannen fließt die erwartete Volatilität als wesentlicher Bestimmungsfaktor ein. Emissionsgeschäft: Müssen Risiken auf das eigene Buch genommen werden, können diese in vielen Fällen nur dynamisch abgesichert werden (Abschn. 3.1.9). Die Kosten der Risikoübernahme werden auf Basis der Hedge-Kosten und diese wiederum auf Basis der erwarteten Volatilität beziffert. Makroökonomische Entscheidungen: Zentralbanken bedienen sich der in den Derivaten impliziten Informationen (Gürkaynak 2005), unter anderem der Volatilitätserwartungen des Marktes, als Informationsquelle im Rahmen ihrer Geldpolitik (EZB 2000). Auch die Deutsche Bundesbank, die, ebenso wie beispielsweise die Bank of England, regelmäßiger aufmerksamer Beobachter der Derivatemärkte ist, ist der Meinung, dass sich die Nutzung der Informationen aus dem Derivatemarkt lohnt. Trotz einiger Einschränkungen befindet sie (Deutsche Bundesbank 1995, S. 17): In der Tat lassen sich mit ihrer Hilfe [der derivativen Instrumente] mehr Informationen über die Erwartungen der Marktteilnehmer bezüglich der zukünftigen Entwicklung von Zinssätzen und Wechselkursen gewinnen. Die Analyse der Preisnotierungen für Derivate kann somit der Geldpolitik unter bestimmten Voraussetzungen wertvolle Zusatzinformationen verschaffen, die aber von Instrument zu Instrument durchaus von recht unterschiedlicher Aussagekraft sein können. Hintergrundinformation Interessant auch Mylonas und Schich (1999). Sie stellen zusammengefasst die Ergebnisse einer Umfrage der OECD unter Zentralbanken hinsichtlich ihrer Nutzung von Finanzmarktindikatoren vor.
Nachfolgend werden die Anwendungsbereiche aus dem Bereich Asset Management besprochen.
7.2.3.1 Volatilitätsprognose mittels impliziter und historischer Volatilität Die erste Möglichkeit, die einem einfällt, wenn man sich mit Derivaten beschäftigt, ist die Volatilitätsprognose auf Basis der impliziten Volatilität. Dies ist zunächst einmal recht
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einfach zu bewerkstelligen. Durch Auflösen der Black-Scholes-Formel nach der Volatilität erhält man den Marktkonsens über die erwartete Schwankung des Underlying während der Optionslaufzeit – leider mehr oder weniger verwässert durch die Herstellungs- bzw. Absicherungskosten, die ebenfalls in die Preisbildung einfließen (Abschn. 7.2.1). Eine Hürde, die es dabei zu umschiffen gilt, ist das Phänomen, dass die implizite Volatilität aller Optionen auf ein und dasselbe Underlying nicht gleich hoch ist. Zwar müssen Calls und Puts mit gleicher Laufzeit und gleichem Basispreis eine annähernd identische implizite Volatilität aufweisen. Andernfalls könnten Conversion- oder Reverse ArbitragePositionen aufgesetzt werden, die ein derartiges Ungleichgewicht risikolos ausarbitrieren. Unterschiedliche Basispreise weisen in der Praxis jedoch unterschiedliche implizite Volatilitäten auf. Dieses Phänomen, der sogenannten Skew, das nicht ausarbitriert werden kann, widerspricht dem Black-Scholes-Modell (Chiras und Manaster 1978; Abschn. 2.4.3 und 7.2.6). 7.2.3.1.1 Gewichtungsschemata zur Kondensierung der Volatilitätsoberfläche In die Portfoliooptimierung kann jedoch nur ein Wert eingehen. Ebenso dient für das Risikomanagement eine Punktschätzung als Ausgangspunkt, wenn auch in einem weiteren Schritt Volatilitätsszenarien durchgespielt werden können. Eine Möglichkeit, um zu dieser einen Zahl zu kommen, besteht darin, die aus den einzelnen Optionen gewonnenen impliziten Volatilitäten zu gewichten. Dies folgt der Überlegung, dass die Abweichungen vom korrekten Bewertungsmodell durch Rauschen bedingt sind. Rauschen kann durch das Heranziehen einer größeren Anzahl an Beobachtungen reduziert werden. Das erste Gewichtungsschema, das sich aufdrängt, ist die Gleichgewichtung aller ermittelten Werte. Trippi (1977), Schmalensee und Trippi (1978) sowie Patell und Wolfson (1979) haben diese Gewichtung betrachtet. 1X ¢i N iD1 N
¢O D
(7.2)
mit ¢O = Volatilitätsschätzer N = Anzahl der impliziten Volatilitäten ¢ i = Implizite Volatilität der Option i Um implizite Volatilitäten, die möglicherweise verzerrt sind, nicht mit dem gleichen Gewicht wie alle anderen Werte in die Durchschnittbildung einzubeziehen, berücksichtigen Trippi und Schmalensee/Trippi außerdem Optionen mit sehr kurzer Restlaufzeit und solche, die sehr weit im Geld und aus dem Geld liegen, nicht. Eine leicht modifizierte Alternative bestünde darin, statt der Gleichgewichtung die an den Finanzmärkten gebräuchliche Kapitalisierungsgewichtung heranzuziehen. Im Falle
7.2 Implizite Volatilität
581
von Optionen würde man als Kapitalisierung das Open Interest verwenden. Damit hätte man die höchsten Gewichte in den Optionsserien, in denen sich das meiste Geschäft abspielt. Die Optionspreise, die die höchste Sensitivität gegenüber der Volatilität aufweisen, sollten die verlässlichsten Preise aufweisen, da hier Probleme aus der Mikrostruktur der Märkte weniger zum Tragen kommen (Beckers 1981; Stucki 1992). Diese entstehen beispielsweise, wenn Optionen nicht sehr liquide sind, daher Preise nur in unregelmäßigen Abständen ermittelt werden und diese dann hinsichtlich ihres Zeitstempels mitunter deutlich differieren können. Das Problem, das die Forscher durch Eliminierung bestimmter Optionen recht rustikal lösen, bekommen Latané und Rendleman (1976) dadurch in den Griff, dass sie die impliziten Volatilitäten nach dem Vega/Kappa (Abschn. 2.4.5.5) der Optionen gewichten. v u N X 1 u t ›2i ¢i2 (7.3) ¢O D PN › i iD1 iD1 mit ›i = Kappa (Vega) der Option Dieses Gewichtungsschema wurde jedoch vielfach als instabil kritisiert. Chiras und Manaster (1978) bemängeln außerdem, dass die Summe der Gewichte nicht eins ergibt und daraus Verzerrungen resultieren. Sie selbst sprechen sich für eine Gewichtung nach der Volatilitätselastizität aus. PN •Pi ¢i iD1 ¢i •¢i Pi (7.4) ¢O D PN •P ¢ i i iD1 •¢i Pi
mit Pi = Marktpreis der Option i Cox und Rubinstein (1985) hingegen bringen das Omega oder Lambda (Abschn. 2.4.5.2) als Gewichtungsfaktor ins Spiel. Stan Beckers (1981) und Robert Whaley (1982) schlagen vor, die Gewichte so zu wählen, dass die quadrierten Differenzen zwischen dem Black-Scholes Preis und dem Marktpreis minimiert werden. N X
¨i ŒCi BSi .O¢ /2
iD1
mit wi = Gewicht der einzelnen Option i BSi = Black-Scholes-Preis der Option i
(7.5)
582
7
Derivate als Informationsquelle
Whaley testet dieses Modell gegen die Gleich-, Vega- und Elastizitätsgewichtung und befindet, dass es genauere Ergebnisse liefert. Beckers bestätigt in seiner Untersuchung, dass dieser Ansatz bessere Ergebnisse liefert als die Vega-Gewichtung. Allerdings stellt er diesen die implizite Volatilität der Option mit dem höchsten Vega (kurze Restlaufzeit, am Geld) gegenüber. Er kommt zu dem Schluss, dass diese einfache Variante die besten Ergebnisse liefert. Gemmill (1986) sowie Ederington und Guan (2000b) bestätigen diese Aussage. Gemmill testet darüber hinaus zwei weitere Varianten, nämlich die impliziten Volatilitäten der am weitesten aus dem Geld und im Geld liegenden Optionen jeweils mit 100 % zu gewichten. Diese Volatilitäten liefern jedoch keine besseren Ergebnisse. Scott und Tucker (1989) haben die Vega-Gewichtung, quadrierte Fehlerminimierung und die Volatilität am Geld im Bereich der Währungsoptionen einander gegenübergestellt. Die einfache Variante der Am-Geld-Volatilität liefert in ihrer Studie ebenso gute Ergebnisse wie die beiden Alternativen (eine Übersicht über die Gewichtungsschemata liefert Bates 1996). Im praktischen Portfoliomanagement treten diese in einer Zahl konzentrierten Volatilitätsinformationen äußerst prominent in Form der Volatilitätsindizes auf (Abschn. 4.4.6.7.1). Durch die permanente Berechnung und Veröffentlichung dieser Indizes erhält der Portfoliomanager kondensiert einen Einblick in die Entwicklung der von den Marktteilnehmern erwarteten Volatilität. 7.2.3.1.2 Güte von impliziter versus historischer Volatilität als Volatilitätsschätzer Betrachtet man die zahlreichen Studien, die der Frage nachgegangen sind, ob die aus der impliziten oder der historischen Volatilität abgeleiteten Werte die genauesten Volatilitätsschätzer liefern, kristallisiert sich ein relativ klares, wenn auch nicht eindeutiges Ergebnis heraus. Die Betrachtung der impliziten Volatilität liefert im Schnitt zumindest das Informationsniveau der anderen Verfahren. Die Mehrzahl der Studien kommt darüber hinaus zu dem Schluss, dass die implizite Volatilität anderen Ansätzen spürbar überlegen ist. Die tendenziell höhere Genauigkeit der impliziten Volatilitäten wird bestätigt von einer Metastudie, die Poon und Granger 2003 veröffentlicht haben. Sie tragen die Ergebnisse von 93 Studien zusammen. In 66 davon werden unterschiedliche Schätzverfahren miteinander verglichen. Insgesamt erweist sich die optionsbasierte Volatilität gegenüber der historischen als überlegen. Weiter kommen sie in der Zusammenfassung zu dem Schluss, dass die implizite Volatilität in 17 von 18 Fällen genauere Vorhersagen trifft als Prognosen aus GARCH-Modellen. Auch die historische Volatilität erzielt in Summe leichte Vorteile gegenüber den GARCH-Modellen. Hintergrundinformation Die sehr umfangreiche Studie von Poon und Granger (2003) enthält im Anhang auch Spezifikationen der einzelnen Berechnungsmethoden (vgl. auch Abschn. 1.4). Zum Thema (G)ARCH vgl. Engle (1982) und Bollerslev (1986). GARCH steht für General Autoregressive Conditional Heteroscedasticity. Diese Modelle zur Zeitreihenanalyse gehen davon aus,
7.2 Implizite Volatilität
583
dass die aktuelle Volatilität von der vergangenen Volatilität dergestalt abhängt, dass sich Perioden hoher und niedriger Volatilität jeweils fortsetzen. Diese Besonderheit der Volatilität wurde bereits in den Sechzigerjahren dokumentiert und im Laufe der Zeit immer wieder bestätigt (Fama 1965; Poterba und Summers 1986; Engle und Patton 2000).
Tab. 7.1 fasst die Ergebnisse mehrerer Studien schematisch zusammen. Ein + bei impliziter Volatilität steht für eine Studie, die der impliziten Volatilität Prognosequalitäten zuschreibt bzw., falls diese mit Prognosen auf Basis historischer Volatilität verglichen wurde, die implizite Volatilität mindestens ebenso gut abschneidet. Ist sowohl die historische als auch die implizite Volatilität mit einem + versehen, markiert dies ein nicht eindeutiges Resultat. Ein + allein in der Spalte „Historische Volatilität“ markiert eine Studie, die die Prognosevorteile eher auf Seiten dieses Ansatzes sieht. Wenngleich ein derart grobes Raster dem unterschiedlichen Aufbau der einzelnen Studien und den teilweise sehr fein abgestuften Ergebnissen nicht gerecht werden kann, gibt es doch einen Überblick, der die Tendenz über die Gesamtheit der Forschungsergebnisse widerspiegelt.
Tab. 7.1 Studienübersicht Volatilitätsprognose Melnick und Yannacopoulos (o.J.) Latané und Rendleman (1976) Schmalensee und Trippi (1978) Chiras und Manaster (1978) Beckers (1981) Heaton (1986) Gemmill (1986) Shastri und Tandon (1986) Scott und Tucker (1989) Fung und Hsieh (1991) Day und Lewis (1992) Edey und Elliot (1992) Xu und Taylor (1993) Choi und Wohar (1993) Lamoureux und Lastrapes (1993) Canina und Figlewski (1993) Diz und Finucane (1993) Fleming (1994) Noh et al. (1994) Geske und Kim (1994) Christensen und Prabhala (1994) Fleming et al. (1995) Jorion (1995)
Implizite Volatilität Historische Volatilität C C C C C C C C C C C C C C C C C C C C C C C C C
584
7
Derivate als Informationsquelle
Tab. 7.1 (Fortsetzung) Neuhaus (1995) Wagner (1995) Galati und Tsatsaronis (1996) Hill (1996) Ncube (1996) Amin und Ng (1997) Neves (1998) Taylor und Xu (1997) Adjaoute et al. (1998) Christensen und Prabhala (1998) Hamid (1998) Moraux et al. (1999) Jorion (2000) Berrada (2000) Ederington und Guan (2000a) Ederington und Guan (2000c) Lehar et al. (2001) Blair et al. (2001) Claessen und Mittnik (2002) Graveline (2006)
Implizite Volatilität Historische Volatilität C C C C C C C C C C C C C C C C C C C C C C C
Exemplarisch sei hier die Studie von Claessen und Mittnik (2002) herangezogen. In der Studie werden acht verschiedene Ansätze zur Volatilitätsprognose einander gegenübergestellt. Neben der impliziten Volatilität sind dies naive Verfahren auf Basis der historischen Volatilität ebenso wie neuere Ansätze in Form von GARCH-Modellen und schließlich Kombinationen aus diesen Einzelverfahren. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass die historische Volatilität keine Informationen enthält, die nicht bereits in der impliziten Volatilität der DAX-Optionen enthalten wären. Die Begründung für die sich summa summarum abzeichnende Überlegenheit der impliziten Volatilität lässt sich mit Blick auf Abschn. 7.2.1 herstellen. Die implizite Volatilität ergibt sich durch Anreicherung der vergangenheitsorientierten, realisierten Volatilität um Informationen aus der Gegenwart und sich daraus ergebenden verbesserten Erwartungen hinsichtlich der Entwicklungen in der Zukunft. In einem informationseffizienten Markt sollte demzufolge die implizite Volatilität die Informationen aus der Vergangenheit bereits enthalten. Dass dies der Fall zu sein scheint, deuten die Mehrzahl der angeführten Studienergebnisse an. Da fällt auch nicht zu sehr ins Gewicht, dass Studien zu dem Schluss kommen, dass die aus der impliziten Volatilität gewonnenen Prognosen tendenziell zu hoch ausfallen (Mixon
7.2 Implizite Volatilität
585
und Crowley 1998, 1999a). Ist man sich dieser Verzerrung bewusst, gilt es, diese einfach bei der Prognoseerstellung zu berücksichtigen und zu korrigieren. Auch wenn die Prognoseergebnisse von Modellen, die auf der historischen Volatilität beruhen, nicht so gut ausfallen wie die Ergebnisse der impliziten Volatilität, verbleiben dennoch zwei Problembereiche der impliziten Volatilität, die die historische Volatilität vermeidet. Zum einen liefert die historische Volatilität auch dann Ansatzpunkte für eine Volatilitätsprognose, wenn es keinen liquiden Optionsmarkt für das Produkt gibt, dessen Volatilität prognostiziert werden soll. Dies kann temporär auch in Märkten der Fall sein, die in „normalen“ Handelsphasen zuverlässige Daten liefern. So beispielsweise geschehen beim VDAX während der Turbulenzen Anfang Oktober 1998, als der Markt zeitweise derart dünne Umsätze verzeichnete, dass eine ordentliche Berechnung des VDAX nicht möglich war. Darüber hinaus sind implizite Volatilitäten immer berechnete Größen, die auch davon beeinflusst werden, welches Modell hinter der Berechnung steht. Je nach Modell können die Ergebnisse dann durchaus unterschiedlich ausfallen. In der Praxis wird auch versucht, das Beste aus beiden Modellwelten zu vereinen, indem historisch und implizit basierte Modelle miteinander kombiniert werden. Diese Kombinationen liefern vielversprechende Ergebnisse (Sachtler 2001). Strong und Dickinson (1994) diskutieren ebenfalls, wie man in der Volatilitätsprognose implizite und historische Volatilität kombinieren sollte. Allerdings kommen die oben zitierten Studien in der Regel zum Schluss, dass eine Verbesserung der Prognosegüte der impliziten Volatilität durch Hinzunahme der historischen Volatilität nicht erfolgt. Inwieweit die implizite Volatilität jedoch tatsächlich ein zuverlässiger Schätzer für die künftig am Markt auftretende Volatilität ist, ist zumindest umstritten. Insbesondere wird oftmals kritisiert, dass die implizite Volatilität in vielen Fällen kein vorlaufender Indikator ist (Lotufo et al. 2001). Gerade in Phasen, in denen Marktschocks einen Anstieg der Volatilität initiieren, steigt die implizite Volatilität erst dadurch an, dass während des Schocks und unmittelbar danach viele Marktteilnehmer Verkaufsoptionen nachfragen, um sich abzusichern (Abschn. 7.2.4). Möglicherweise ergeben sich noch Verbesserungsmöglichkeiten, wenn man die Mean Reversion-Neigung der Volatilität stärker in den Fokus rückt. Mehrere Untersuchungen auf unterschiedlichen Märkten konnten eine ausgeprägte Mean Reversion der Volatilität feststellen (French et al. 1987; Schwert 1989; Merville und Pieptea 1989; Stein 1989; Harvey und Whaley 1992; Sheikh 1993; Hill 1996; Dravid und Sarig 1996; Ineichen 1998a; Mixon und Crowley 1999; Poon und Granger 2003; Chang 2001). Allerdings stellen Dravid und Sarig (1996) diesen Effekt nur für Perioden bis zu drei Monaten fest. Im Gegensatz dazu weisen Merville und Pieptea (1989) diesen Effekt nur für längere Perioden nach. Robert Tompkins (1995) leitet daraus ein Modell zur Vorhersage von Volatilitäten ab, dem auch eine interessante Modellphilosophie unterliegt, basiert es doch auf physikalischen Bewegungsgesetzen. Sein Modell der Conservation of Volatility Theory liefert darüber hinaus bessere Ergebnisse als die implizite Volatilität.
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Warren Buffett hat einmal sinngemäß gesagt, es sei nicht schwierig, vorherzusagen, wohin ein Preis geht. Die Schwierigkeit liege vielmehr darin zu sagen, wann diese Marke erreicht wird. Diese Aussage trifft auch für den Mean Reversion-Effekt zu. Es scheint klar, dass sich die implizite Volatilität von außergewöhnlich hohen und niedrigen Niveaus aus in eine „normale“ Zielzone zurückentwickelt (Wei und Frankel 1991; Stucki 1992; Merville und Pieptea 1989; Harvey und Whaley 1991). Die Geschwindigkeit dieser Bewegung kann jedoch sehr unterschiedlich ausfallen. Chen (2006a) untersucht über einen Zehnjahreszeitraum, wie schnell sich VIX und VDAX nach einem Anstieg von mehr als 25 % wieder auf ihr Ausgangsniveau zurückentwickeln. Die Spanne reicht von einer bis zu 142 Wochen, also annähernd drei Jahren, wobei der Median für den VIX bei 7 und der Mittelwert bei 17 Wochen liegt und für den VDAX bei 18 bzw. 26 Wochen. In der Praxis ist dieses Aufspüren unterdurchschnittlicher und überschießender Volatilitäten als Handels- und Investment-Strategie weit verbreitet. Um derartige Gelegenheiten über die gesamte Volatilitätsstrukturkurve zu entdecken, werden gerne Volatilitätskegel eingesetzt (Abb. 7.7). In ihnen werden die aktuelle Volatilitätsstrukturkurve sowie die historischen Maxima und Minima der einzelnen Punkte auf der Kurve grafisch dargestellt. Volatilitätskegel ermöglichen es, mit einem Blick festzustellen, bei welchem Titel sich die Volatilität in welcher Laufzeit über oder unter dem Mittelwert oder gar auf neuen Höchstoder Tiefstwerten befindet (Fitzgerald 1996; Merrill Lynch 1999a) Daraus ist ersichtlich, dass im Optionsmarkt durchaus billige und teure Optionen im gleichen Basiswert, aber auf unterschiedlichen Punkten des Laufzeitspektrums nebeneinander existieren können.
65% Maximum 55%
Volatility
45%
35% Last 25%
15% Minimum
Implied
5% 1
2
3
4
5
6 7 Month
8
9
10
11
12
Abb. 7.7 DAX-Future Volatilitätskegel. (Quelle: Merrill Lynch, Pierce, Fenner & Smith Incorporated)
7.2 Implizite Volatilität
587
Auch die Mean Reverting-Neigung der Volatilität ist hier eindeutig ablesbar. Während die Extrema für kurz laufende Optionen weit auseinander liegen, engt sich die Spanne mit zunehmender Laufzeit um einen Mittelwert herum ein. Eine Art Destillat aus den Volatilitätskegeln sind Cheapness Indizes.1 Diese zeigen auf einen Blick an, wo eine bestimmte Volatilität aktuell auf der Preisskala steht. Ein solcher Index wird auf eine Bandbreite von 0 bis 100 kalibriert, wobei ein Wert von 100 (0) bedeutet, dass die Volatilität in dieser Laufzeit noch nie in ihrer Geschichte so teuer (billig) war wie derzeit. Hintergrundinformation Abschließend noch eine kleine Anmerkung zur Interpretation von Veränderungen der impliziten Volatilität in Zeiten vorhersehbarer Ereignisrisiken, illustriert am Beispiel der britischen Volksabstimmung über den Verbleib in der EU („Brexit oder Bremain“). Die Abstimmung war auf den 23. Juni 2016 datiert. Nun kamen einige Zeitgenossen auf die Idee, anhand der impliziten Volatilität auf Optionen mit Verfall am 24. Juni 2016 abzuleiten, wie sich die Angst vor einem Brexit entwickelte. Im Verlauf stieg die Volatilität tendenziell immer weiter an. Die Schlussfolgerung: Die Angst nimmt zu. Bis sich irgendwann herumgesprochen hatte, dass diese vereinfachte Interpretation so nicht zulässig war. Warum? Weil die implizite Volatilität die Schätzung einer durchschnittlichen Volatilität bis zum Verfall darstellt. Durch Zeitablauf fällt jeden Tag ein Tag mit eher niedriger erwarteter Volatilität aus dem Durchschnitt. Dadurch gewinnt der „dicke Klotz“ des verunsichernden Ereignisses ein immer größeres Gewicht, bis am letzten Tag die riesige implizite Volatilität nur noch das Risiko des Großereignisses abbildet. Auf dem Pfad zu diesem letzten Tag lässt sich eine Art natürlicher Drift errechnen. Erst wenn die implizite Volatilität diesen Drift-Wert übersteigt, kann man wirklich von einem Volatilitätsanstieg sprechen. Andernfalls ist die Volatilitätserwartung sogar zurückgegangen, obwohl der Wert der impliziten Volatilität angestiegen ist.
7.2.4
Implizite Volatilität als Schätzer der Marktrichtung
Im vorangegangenen Kapitel ging es darum, auf Basis der impliziten Volatilität die Schwankungsintensität des Marktes zu prognostizieren. In diesem Kapitel wird untersucht, inwieweit es möglich ist, die Richtung des Marktes aus der impliziten Volatilität abzuleiten. Die Grundüberlegung für diese Einsatzmöglichkeit von Derivaten ist der enge Zusammenhang zwischen Risiko und Rendite, den zwei Seiten der Finanzmarktmedaille. Aus der Finanzmarkttheorie heraus lässt sich dieser Zusammenhang formal darstellen: E.rm / rf D œ E.¢rm /
1
(7.6)
Für manche englischen Fachbegriffe lässt sich schlicht und einfach kein geeigneter deutscher Begriff finden, der sich halbwegs erträglich anhört.
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Derivate als Informationsquelle
mit E(rm ) rf œ E(¢ rm )
= erwartete Marktrendite = risikoloser Zins = Risikoaversion = erwartete Marktvolatilität
Die erwartete Risikoprämie (E(rm ) rf ) auf eine Anlage ist proportional zu ihrem erwarteten Risiko (E(¢rm)) in Abhängigkeit zur Risikoaversion (œ). Steigt das erwartete Risiko, steigt die erwartete Risikoprämie und umgekehrt (Merton 1980). Unter der Annahme, dass sich die erwarteten künftigen Cashflows nicht verändern, fällt der Preis bei steigendem Diskontierungszinssatz (French et al. 1987). Um die Erwartungen des Marktes hinsichtlich Risiko und Rendite abzugreifen, stehen die Terminmarktinstrumente Futures/Forwards und Optionen zur Verfügung. Von diesen Instrumenten ist die aus den Optionen gewonnene implizite Volatilität der bessere Anhaltspunkt für die vom Markt erwarteten Kursschwankungen. Beispiel
Dies sei anhand eines einfachen Beispiels illustriert (Malz 2001): Unterstellt wird eine risikoneutrale Welt, in der der Forward-Preis der durchschnittlichen Preiserwartung und die implizite Volatilität der erwarteten Standardabweichung der Rendite entspricht. Wenn jetzt die Markterwartung dergestalt ausgeprägt wäre, dass die Teilnehmer das Asset, das derzeit bei einem Euro notiert, mit 50 % Wahrscheinlichkeit bei 0,90 C und mit 50 % Wahrscheinlichkeit bei 1,10 C sähen, ergäbe sich ein Erwartungswert von einem Euro und eine erwartete Volatilität von zehn Prozent. Kommt es nun zu einer Neueinschätzung des Asset dergestalt, dass die Preise 0,90 und 1,10 C mit einer Wahrscheinlichkeit von 45 % eintreten, zusätzlich eine zehn Prozent Wahrscheinlichkeit für einen Preis von 0,50 C besteht, fällt der Forward-Preis auf 0,95 C, die implizite Volatilität steigt auf 17,75 %. Die implizite Volatilität reagiert also wesentlich empfindlicher auf Neueinschätzungen des Marktes und eignet sich somit deutlich besser als „Stimmungsindikator“. In der Praxis findet man einen grundsätzlichen Zusammenhang zwischen fallenden Märkten und steigenden Volatilitäten (Whaley 2000). Befindet sich beispielsweise die Änderung der impliziten Volatilität für Einmonatsoptionen im amerikanischen Aktienmarkt im untersten Quintil, beträgt die durchschnittliche Monats-Performance des Index 4,5 %. Bei hoher impliziter Volatilität (oberstes Quintil) erfährt der Markt einen durchschnittlichen Kursverlust von 1,5 % (Mezrich et al. 2000). Auf dem deutschen Aktienmarkt liegt die Differenz zwischen den beiden Quintilen sogar bei rund neun Prozent.
7.2 Implizite Volatilität
589
Beispiel
Zieht man den VDAX heran, so ergibt sich auf Tagesbasis über einen Zeitraum von zehn Jahren im Durchschnitt eine negative Korrelation zwischen der Marktbewegung des DAX und der Volatilitätsbewegung des VDAX von 0,73 (siehe Abb. 7.8). Diese Relation gilt jedoch nicht zu jeder Zeit in jedem Markt (Giot 2005). So gibt es einzelne Tage und auch ausgedehnte Perioden, in denen die Korrelation deutlich ansteigt und temporär gar positiv wird (Abschn. 7.6.4.1.1 und Abb. 4.5). Im Zeitraum 1990 bis 2011 gab es im Schnitt an 25 % aller Handelstage eine gleichgerichtete Bewegung zwischen dem amerikanischen Aktienmarkt und dem Volatilitätsindex VIX. Selbst in 2008, dem Jahr mit dem geringsten Gleichlauf, liefen Aktienmarkt und Volatilität an elf Prozent aller Tage in die gleiche Richtung. 1996 lag der Wert mit 34 % am höchsten (Credit Suisse 2013). Das heißt, dass in einem Drittel aller Handelstage die Faustregel „Aktien runter, Vola rauf und umgekehrt“ nicht galt! Außerdem stellt sich die Frage, ob die implizite Volatilität ein vorauslaufender Indikator ist, mit dem die Marktrichtung abgeschätzt werden kann. Gehen nämlich Markt und Volatilität so eng Hand in Hand, dass keiner dem anderen vorausläuft, ergibt sich kein Prognosenutzen. Optionen wären dann von Nutzen, wenn sich Information zuerst über den Optionsmarkt den Weg in die Kapitalmärkte bahnten. Die Möglichkeit ist nicht von
Abb. 7.8 Rollierende Korrelationen DAX und VDAX über unterschiedliche Zeitfenster. (Quelle: Thomson Reuters Datastream)
590
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Derivate als Informationsquelle
der Hand zu weisen, wenn man bedenkt, dass Optionen einem Anleger einen gewaltigen Hebel bieten können, mit denen er seine wertvollen Informationen umsetzen kann. Außerdem eröffnen sie ihm die Flexibilität, nicht nur auf der Long-, sondern auch auf der ShortSeite Geld zu verdienen. Daher sind Optionen auch keine überflüssigen („nonredundant“) Instrumente (Buraschi und Jackwerth 2000). Sie bringen vielmehr Möglichkeiten an den Markt, die es ohne sie nicht gäbe. Chakravarty et al. (2004) zeigen, dass Informationen existieren, die sich zuerst in Aktienoptionenkursen niederschlagen und erst später im Aktienmarkt ankommen. Dennoch sieht Ineichen (1999) die implizite Volatilität eher als nachlaufenden denn als vorlaufenden Indikator. Diese Einschätzung bestätigen Kawaller et al. (1994) und Lotufo et al. (2001). Auch Merrill Lynch (2000) untersuchen diesen Zusammenhang, wobei sie sich speziell auf Perioden mit Marktschocks konzentrieren. Auch sie kommen zu dem Schluss, dass die implizite Volatilität eher als nachlaufender, nicht jedoch als vorlaufender Indikator gewirkt hat. Cuttler et al. (2008) urteilen, dass hohe Volatilität allein kein guter Timing-Indikator für Aktienkäufe ist. Dem widersprechen jedoch mindestens ebenso viele Studien, die Hinweise darauf finden, dass eine hohe implizite Volatilität zumindest größere Kursausschläge am Markt prognostizieren kann. Malz (2001) findet diesen Signaleffekt über eine ganze Reihe von Assets (Aktien, Geld- und Kapitalmarktzinsen, Öl, Gold sowie diverse Wechselkurse). Auch Zhou (2009) sowie Londono und Zhou (2012) finden Vorhersagekraft für die Richtung von Währungskursen in Optionspreisen. Allerdings benutzen sie nicht die Höhe der Volatilität selbst, sondern die Differenz zwischen impliziter und realisierter Varianz (Abschn. 4.4.2, siehe „Spread implizite/historische Volatilität“). Dafür gelingt es ihnen, sowohl die Prämie im Währungs- als auch im Aktienoptionsmarkt als Indikator für Währungsbewegungen zu identifizieren. Arnott und Lovell (1990) kommen im Zeitraum bis 1987 zu dem Schluss, dass hohe (historische) Volatilität ein guter Indikator für positive Aktien-Performance war. Es handelt sich dabei zwar um die historische Volatilität, aber aufgrund des engen Zusammenhangs zwischen historischer Volatilität und impliziter Volatilität können die Ergebnisse bis zu einem gewissen Grad übertragen werden. Patel und Koh (2002) bestätigen die Vorhersagekraft von hoher impliziter Volatilität. Demnach erzielte der S&P 100 im Zeitraum zwischen einer Woche und drei Monaten nach einem lokalen Volatilitätshoch in 86 bis 100 % aller Fälle eine positive Performance. Dies könnte darauf zurückgeführt werden, dass eine hohe implizite Volatilität auf Angst im Markt hindeutet und als Kontraindikator andeuten könnte, wann der Markt einen Boden gefunden hat (Abb. 7.9). Auch Giot (2005) beschränkt die Vorhersagefunktion der impliziten Volatilität für einen Aktienmarktanstieg auf die Perioden, in denen die implizite Volatilität ein extrem hohes Niveau erreicht. Bei einzelnen Aktien ist das Bild ebenfalls nicht eindeutig. Eine Reihe von Studien sehen das Phänomen der negativen Korrelation zwischen Volatilität und Kursbewegung für den Markt ausgeprägter als für einzelne Aktien (Ang und Chen 2001; Dean und Faff 2001; Wu 2001). Andererseits findet Sheikh (1993) für Einzelaktien einen Zusammenhang
7.2 Implizite Volatilität
591
22% 20% 18%
Monatliche Volatilität
16% 14% 12% 10% 8% 6% 4% 2% 0% -12 -11 -10
-9
-8
-7
-6
-5
-4
-3
-2
-1
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
Monate um den Markttiefpunkt herum
Abb. 7.9 Volatilität um Markttiefpunkte herum. (Datenquelle: Patel und Koh 2002; eigene Grafik)
zwischen Rendite und historischer impliziter Volatilität, was ihm für Optionen auf den S&P 100 nicht gelingt. Unter Umständen können implizite Volatilitäten einen Mehrwert im Bereich des StilTiming schaffen. Für kürzerfristig ausgelegte Strategien weisen Copeland und Copeland (1999) nach, dass am Tag nach dem Anstieg der impliziten Volatilität Large Cap und Value outperformen. Gelegentlich wird auch der Umkehrschluss gezogen, dass niedrige Volatilität auf fallende Märkte hindeutet. Dahinter steht die Überlegung, dass die implizite Volatilität deshalb so niedrig ist, weil sehr wenig Nachfrage nach Absicherung vorliegt, was wiederum darauf ein möglicher Hinweis ist, dass die Marktteilnehmer sorglos oder außergewöhnlich verwundbar sein könnten. Es zeigt sich jedoch, dass die Performance nach relativen Volatilitätstiefs annähernd in je der Hälfte der Fälle negativ und positiv ist. Aus niedrigen Volatilitäten lassen sich also keine fallenden Märkte ableiten. Das unklare Bild zur Vorhersagekraft von Optionen mag einerseits darauf zurückzuführen sein, dass derart viele Faktoren auf die implizite Volatilität einwirken, die sich darüber hinaus im Zeitablauf auch noch verändern. Ganz entscheidend ist jedoch die zeitliche Sequenzierung in der Verarbeitung der Informationen. Diese ist geprägt von der Tatsache, dass in stark fallenden Märkten historische und implizite Volatilität ansteigen, weil es zu einer steigenden Nachfrage insbesondere nach Puts während und nach dem Kurssturz kommt.
592
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Derivate als Informationsquelle
Neben dem unterschiedlichen Nachfrageverhalten nach Absicherung und Long Exposure sind es vor allem zwei Faktoren, mit deren Hilfe die Asymmetrie erklärt werden kann, nachdem es zwar eine relativ deutliche negative Korrelation zwischen Volatilität und Rendite gibt, wenn der Markt fällt, nicht jedoch, wenn der Markt steigt. Der erste Faktor ist das Volatilitäts-Feedback. Kommt eine neue Information an den Markt, aufgrund derer die Marktteilnehmer ihre Erwartungen hinsichtlich der zukünftigen Cashflows ändern, führt dies zu Anpassungen im Preis und damit zu Volatilität/Schwankung. Für Assets mit steigender Volatilität fordern die Anleger als Kompensation zunächst einmal eine höhere Risikoprämie. Diese höhere Risikoprämie wird jedoch größtenteils „geschluckt“, wenn es sich bei der kursbewegenden Information um gute Neuigkeiten handelt, da damit auch die Erwartung eines höheren Ertrags verbunden ist. Umgekehrt wird die Volatilität bei schlechten Nachrichten weiter verstärkt. Das Volatilitäts-Feedback führt dazu, dass die Renditen selbst dann eine schiefe Verteilung aufweisen, wenn sich gute und schlechte Nachrichten die Waage halten (French et al. 1987; Pindyck 1984; Campbell und Hentschel 1992). Darüber hinaus ist es möglich, dass die reine Sachinformation im Falle einer schlechten Nachricht stärker wahrgenommen wird als bei einer positiven Information mit gleichem Sachwert. Diese These basiert auf der Beobachtung, dass Verluste den Anlegernutzen in etwa doppelt so stark reduzieren, wie ihn Gewinne in gleicher Höhe steigern (Kahneman und Tversky 1979, 1991). Diese Ableitung aus dem Forschungsgebiet der Behavioural Finance wird jedoch von einem anderen investmentpsychologischen Phänomen überlagert, der selektiven Wahrnehmung. Anleger messen den Informationen einen höheren Wert bei, die ihre bestehende Einschätzung bestätigen und tendieren dazu, widersprechende Informationen eher auszublenden (Einhorn und Hogarth 1978; Fisher und Statman 2000). Insofern wäre der Effekt des Volatilitäts-Feedback zusätzlich davon abhängig, wie hoch die gewichtete Erwartung der Marktteilnehmer beim Eintreffen der Nachricht war und wie viele von diesen Anlegern sich rational verhalten, der Information also unvoreingenommen gegenübertreten, und wie viele nicht. Den zweiten Faktor stellt der Grad der Fremdfinanzierung dar. Fällt eine Aktie, steigt der Wert des Fremdkapitals im Verhältnis zum Marktwert und somit die Verwundbarkeit. Daraus resultieren eine höhere Volatilität und eine höhere Risikoprämie. Dadurch steigt die Volatilität bei fallenden Kursen ebenfalls stärker an als bei steigenden Kursen (Black 1976; Christie 1982; Abschn. 7.4) Die Meinungen darüber, welcher der beiden Effekte der wichtigere ist, gehen auseinander. Dean und Faff (2001) sprechen sich für den Feedback-Effekt aus, während Wu (2001) vom Gegenteil überzeugt ist. Auch Poterba und Summers (1986) führen an, dass Volatilitätsänderungen nicht lange genug anhalten, um Bewertungsänderungen herbeizuführen. Klar erscheint jedoch, dass die Kombination beider Effekte auf der Ebene der Einzelaktien weniger ausgeprägt ist als auf der Indexebene. Dabei spielt eine zentrale Rolle, dass das einzelwertspezifische Risiko einer Aktie nicht die entscheidende Größe ist. Da dieses wegdiversifiziert werden kann, kann der Anleger nicht erwarten, dafür kompensiert zu werden. Entscheidend ist also, inwiefern beim Eintreffen von Nachrichten die Korrelation zwischen Markt und Aktie ansteigt (Abb. 7.10). Dieser Anstieg ist in aller Regel weniger
7.2 Implizite Volatilität
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Unerwartete Neuigkeiten
Korrelation mit dem Markt steigt
Unternehmensvolatilität steigt
Den Markt betreffend Marktvolatilität steigt
Wird gemäß CAPM nicht bezahlt
Aktienrisikoprämie des Marktes steigt
Aktienrisikoprämie des Unternehmens steigt
Aktienkurs des Unternehmens fällt
Hebel verstärkt die Bewegung
Volatilitäts-Feedback
Volatilitäts-Feedback
Unternehmensspezifisch
Aktienmarktpreise insgesamt fallen
Abb. 7.10 Volatilitäts-Feedback. (Gemäß Bekaert und Wu 2000; eigene Grafik)
markant als derjenige der Marktvolatilität bei neuen Informationen, sodass daraus auch eine geringere Asymmetrie resultiert (Bekaert und Wu 2000). Als fundamental angenommene Zusammenhänge können sich im Laufe der Zeit jedoch auch ändern oder über längere Zeiträume außer Kraft gesetzt werden. Beispielsweise stieg die implizite Volatilität im ersten Quartal 1997 im Einklang mit dem Markt von ca. 16 auf über 23 % an. Dies war auch intuitiv begründbar. Das Narrativ, das der Markt damals bevorzugt gespielt hatte, war, dass bei immer höheren Bewertungen die Gefahr einer Korrektur ansteigt. Dies sorgte über Monate hinweg für eine positive Korrelation der impliziten Volatilität mit dem Markt. Immer mehr Anleger machten sich diese Einstellung zu eigen – und, sofern sie durchgehalten haben, wurden sie im Herbst des Jahres während der Asienkrise belohnt. Die temporäre Koppelung der impliziten Volatilität an den Aktienmarkt legt nahe, die einmal beobachteten Zusammenhänge nicht mechanisch fortzuschreiben, sondern in jedem Einzelfall kritisch zu hinterfragen. Derman (1999) hat gerade diese Periode von 1997 bis in den Februar 1998 hinein genauer untersucht und in der Tat festgestellt, dass man unterschiedliche Phasen ausmachen kann, in denen unterschiedliche Faktoren am Werk waren, die den Zusammenhang zwischen Index- und Volatilitätsbewegung immer wieder verändert haben. In der Mehrheit der Phasen sieht er einen Mechanismus am Werk, der in der Praxis des Optionshandels gemünzt wurde und als „klebriger Basispreis“ (Sticky Strike) bekannt ist (Abschn. 7.2.6.2).
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Derivate als Informationsquelle
Ungeachtet aller Einschränkungen stellen volatilitätsbasierte Marktindikatoren in der Praxis mittlerweile einen wichtigen Input im Investment-Prozess und der Risikosteuerung vieler Asset Manager dar. Auch die Bundesbank beobachtet die implizite Volatilität und gewinnt daraus Informationen zur Steuerung der Geldpolitik, hält den Indikator allerdings nur für eingeschränkt nutzbar. Aus diesem Grund sollten weitere Indikatoren hinzugezogen werden. Insbesondere hält sie die Analyse der Marktstruktur und der sich daraus ergebenden Rückwirkungen auf Orderfluss und Prämien für sinnvoll. Patel und Koh (2002) empfehlen ebenfalls, die Ergebnisse aus der impliziten Volatilität durch Analysen der historischen Volatilität sowie des allgemeinen Trends und der Ausprägung des Skew zu komplettieren (Abschn. 7.2.6). Auch im Rentenbereich kommt man mit Hilfe der impliziten Volatilität zu interessanten Einsichten. Ronn und Wadhwa (1998) stellen fest, dass die implizite Volatilität zumindest als schwaches Timing-Signal auf der Zinsseite eingesetzt werden kann. Hagenstein und Bangemann (2002) sehen fallende Märkte oft von hohen Volatilitäten begleitet. Allerdings kann dieser Zusammenhang nicht dogmatisch unterstellt werden, da es immer wieder zu Ausnahmen kam und auch in Zukunft kommen wird. So stiegen die Rentenkurse beispielsweise während der volatilen Marktphase im Herbst 1998 (Russlandkrise/LTCM) aufgrund der Flucht der Anleger in die sicheren Bundesanleihen und T-Bonds. Inwieweit hieraus profitable Anlagestrategien abgeleitet werden können, die die Bewegung der Zinsen spielen, ist bislang noch nicht hinreichend untersucht worden.
7.2.5 Informationen aus der Volatilitätsstrukturkurve Vergleicht man die implizite Volatilität von Optionen mit unterschiedlicher Laufzeit, erhält man die Volatilitätsstrukturkurve. Sie entspricht der Zinsstrukturkurve und liefert entsprechende Informationen. Abb. 7.11 zeigt die Volatilitätsstrukturkurve, wie sie sich in einer recht turbulenten Marktphase Anfang Oktober 2002 darstellte. Typisch für derartige Perioden ist sie invertiert, das heißt, die implizite Volatilität der kurzlaufenden Optionen ist höher als die längerlaufender Optionen. Grund hierfür ist die starke Nachfrage nach unmittelbar wirkenden Absicherungskontrakten. Anleger erhalten aus ihr einen Einblick in die Volatilitätserwartungen des Marktes auf kurze und lange Sicht sowie für Zeiträume, die in der Zukunft beginnen. Diese Forward Volatilities lassen sich wie folgt aus der Volatilitätsstrukturkurve extrahieren: ¢2;3
s t3 t1 t2 t1 252 2 2 D ¢1;2 ¢1;3 252 252 t3 t2
(7.7)
mit ¢ 2,3 = Implizite Volatilität für die verbleibende Zeit zwischen t D 2 und t D 3 (annualisiert)
7.2 Implizite Volatilität
595
¢ 1,3 = Implizite Volatilität für die längere Periode t D 1 bis t D 3 (annualisiert) ¢ 1,2 = Implizite Volatilität für die kürzere Periode t D 1 bis t D 2 (annualisiert) = Handelstage bis t D 3 t3 Die Zerlegung der Volatilitätsstrukturkurve aus Abb. 7.11 ergibt die in Abb. 7.12 gezeigten Forward Volatilities. Beispielsweise erwartet der Markt, dass in einem Monat die Einmonatsvolatilität (53,17 %) um rund sieben Prozent unter der Volatilität im aktuell anstehenden Monat (60,4 %, siehe Abb. 7.11) liegt. Generell drückt eine ansteigende Volatilitätsstrukturkurve aus, dass der Markt von einem Anstieg der Volatilität ausgeht. Hill und Eoyang (1998) zeigen an einem einfachen Beispiel, wie sich erwartete Schocks am Aktienmarkt in der Volatilitätsstrukturkurve niederschlagen können. Es ist aber auch vorstellbar, dass sich in einer steigenden Kurve ausdrückt, dass der Markt langfristig eine höhere Risikoprämie für die Übernahme von Volatilitätsrisiko verlangt als auf kurze Sicht. Ein Grund dafür könnte die Erwartung sein, dass sich die Absicherung von Volatilitätsposition aufgrund einer ansteigenden Volatilität der Volatilität erschwert und verteuert. Dies muss nicht zwangsläufig mit einem Anstieg der Volatilität einhergehen. In einer invertierten Kurve spiegelt sich die Erwartung eines Volatilitätsrückgangs wider oder wiederum eine niedrige Volatilitätsrisikoprämie. Die erste Interpretation ent-
70
60
Implizite Vola (Prozent)
50
40
30
20
10
0 Okt Nov Dez Jan Feb Mrz Apr Mai Jun 02 02 02 03 03 03 03 03 03
Jul Aug Sep Okt Nov Dez Jan Feb Mrz Apr Mai Jun 03 03 03 03 03 03 04 04 04 04 04 04
Verfall
Abb. 7.11 Volatilitätsstrukturkurve DAX-Optionen am 1. Oktober 2002, am Geld. (Quelle: Thomson Reuters)
596
7
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60% 53,17%
50% 46,77%
Implizite Volatilität
40%
38,46% 33,82%
33,38% 31,56%
30,18%
30%
20%
10%
0% 1. bis 2. Monat
2. bis 3. Monat
3. bis 6. Monat
6. bis 9. Monat
9. bis 12. Monat
12. bis 15. Monat
15. bis 21. Monat
Abb. 7.12 Forward Volatilities DAX Optionen am Geld, 1. Oktober 2012. (Datenquelle: Thomson Reuters)
spricht der Erwartungshypothese, einem der Erklärungsansätze für die Form und Entwicklung der Zinsstrukturkurve. Hintergrundinformation Die Erwartungshypothese wird oft Fisher (1986) und Lutz (1940) zugeschrieben. Sie stellt eine von derzeit fünf prominenten Hypothesen zur Erklärung der Zinsstrukturkurve dar. Die anderen vier Hypothesen laufen unter den Stichworten Marktsegmentierung, Liquiditätsprämie, bevorzugter Anlageraum und Stochastic-Process No-Arbitrage. Eine Übersicht findet sich in McEnally und Jordan (1997).
Mixon und Crowley (1999) testen die Erwartungshypothese für den S&P 500, den FTSE 100, den DAX und den CAC 40. Enthält die Volatilitätsstrukturkurve also Informationen über die künftige Entwicklung der impliziten Volatilität dergestalt, dass auf eine ansteigende Volatilitätsstrukturkurve ansteigende und auf eine abfallende Kurve zurückgehende implizite Volatilitäten folgen (Trifft die Erwartungshypothese zu, führt dies zu einer Mean Reversion Bewegung im Spread zwischen der impliziten Volatilität am langen und kurzen Ende der Volatilitätsstrukturkurve.)? Die Autoren kommen zu einem differenzierten Urteil. Während die Erwartungshypothese die Bewegungen für kurze Optionen bis zu sechs Monaten einigermaßen greifen kann, gilt dies nicht für das lange Ende der Volatilitätsstrukturkurve. Lotufo et al. (1999) stellen für den Spread zwischen Sechsund Dreimonatsoptionen auf den S&P 500 (am Geld) ebenfalls Mean Reversion-Effekte fest. Dravid und Sarig (1996) kommen zu einem ähnlichen Schluss, allerdings für die
7.2 Implizite Volatilität
597
Entwicklung der realisierten Volatilität. Ihrer Ansicht nach können aus der Steigung der Volatilitätsstrukturkurve auf einen Horizont von einem Jahr brauchbare Hinweise für die Entwicklung der realisierten Volatilität gewonnen werden. Auf einen Horizont von zwei Jahren gilt diese Aussage jedoch nicht mehr. Die Erklärung für dieses Phänomen könnte darin liegen, dass sich Händler bei der Preisstellung von weniger liquiden Langfristoptionen am Pricing von Kurzfristoptionen orientieren. In normalen Zeiten werden Volatilitätsbewegungen in Dreimonatsoptionen mit einer Elastizität von 0,75–0,80 an Einjahresoptionen weitergegeben (Hill und Eoyang 1998). Diese Pricing-Regel wenden Händler jedoch auch in Zeiten an, wenn die Volatilität deutlich über ihrem Normalbereich liegt. Dabei übersehen sie möglicherweise, dass ein nichtlinearer Preismechanismus für die langen Optionen angemessener wäre. Zwischen der langen und der kurzen Volatilität sollte es zwar einen linearen Risikozusammenhang in der Varianz geben, nicht jedoch in der Standardabweichung. Hier sollte die Elastizität mit ansteigendem Volatilitätsniveau abnehmen. Insofern spricht einiges dafür, dass gerade in Zeiten von Marktschocks der Anstieg der langen Volatilität überzeichnet wird und damit auch keine verlässlichen Anhaltspunkte für die Entwicklung der zukünftigen Volatilität liefert. Der negative Zusammenhang zwischen impliziter Volatilität und Marktbewegung (Markt steigt, Volatilität fällt und umgekehrt) scheint über hinreichend weite Strecken gültig zu sein. Wenn man also vorhersagen könnte, wohin sich die implizite Volatilität entwickelt, ergäbe sich eine überdurchschnittliche Chance, auch hinsichtlich der Marktprognose richtig zu liegen. Mezrich et al. (2000) nutzen hierfür die Entwicklung der Volatilitätsstruktur. Sie generieren ein Kaufsignal, wenn der aktuelle VolatilitätsSpread unterhalb des Eineinhalbfachen seiner eigenen Standardabweichung liegt. Ein Verkaufssignal wird generiert, wenn der Spread über die eineinhalbfache Standardabweichung ansteigt. Sie testen diesen Indikator in sechs Aktienmärkten indem sie ermitteln, in wie vielen Fällen auf ein Kaufsignal im folgenden Monat ein steigender und auf ein Verkaufssignal ein fallender Markt folgt. Der Indikator erreicht in jedem Markt eine Trefferquote von deutlich oberhalb der Marke von 50 %, die einem Zufallsergebnis entspricht. Beispielsweise ergibt sich in den USA eine Trefferquote nach einem Monat von 81 %. Arbeitet man nicht mit einem fixen Endpunkt nach einem Monat, sondern betrachtet den Zeitraum von einem Tag bis zu einem Monat, steigt die Trefferquote gar auf 84 % an. Auch die Arbeit von Ineichen und Boldt-Christmas (2002) unterstützt die These, dass aus der Volatilitätsstrukturkurve aus Einmonats- und einjährigen Optionen in mehreren internationalen Aktienmärkten Signale abgeleitet werden können. Sie konzentrieren sich auf größere Marktbewegungen und stellen auf Basis von anekdotischen Fällen fest, dass im Zeitraum 1997 bis 2002 weitgehend korrekte Signal generiert wurden. Unabhängig von ihrer Prognosegüte ist die Betrachtung der Forward Volatilties geeignet, einem Portfoliomanager interessante Einblicke in die Erwartungen des Marktes zu liefern. Hill und Rattray (1999) benutzen die Forward Volatility, um abzulesen, wie hoch der Markt das Risiko einschätzt, dass es im Umfeld des Jahrtausendwechsels (Y2K) zu
598
7
Derivate als Informationsquelle
Turbulenzen kommt. Der Markt wies eine leicht erhöhte Unsicherheit auf, blieb jedoch insgesamt recht gelassen – zu Recht, wie sich im Nachhinein herausstellte. Ein Problem, das sich im Aktienbereich bei der Analyse der Volatilitätsstruktur stellt, ist, dass kurzfristige implizite Volatilitäten zwar leicht über börsengehandelte Optionen abgegriffen werden können. Da das Gros des Geschäfts in länger laufenden Optionen jedoch OTC, also außerhalb der Börsen stattfindet, ist man hier auf lange implizite Volatilitäten aus zweiter Hand angewiesen. Bei Renten lässt sich dieses Problem dadurch lösen, dass man aus der Zinsdifferenz zwischen kündbaren und unkündbaren Anleihen zu Rückschlüssen hinsichtlich der Volatilitätserwartungen des Marktes kommen kann. Die Struktur der Kurve muss jedoch in jedem Fall mit Augenmaß interpretiert werden. Insbesondere kommt es immer wieder zu Verzerrungen in einzelnen Laufzeiten aufgrund des Liquiditätsflusses. Dieser resultiert insbesondere aus Hedging-Aktivitäten von Emittenten und Händlern und führt immer wieder zu temporären Ungleichgewichten von Angebot und Nachfrage (Abschn. 7.6).
7.2.6
Volatility Skew
Auch aus den Unterschieden in der Höhe der impliziten Volatilität entlang des MoneynessSpektrums lassen sich Rückschlüsse auf die aktuelle Marktverfassung und möglicherweise auch auf die zukünftige Entwicklung des Underlyings ziehen. Grundsätzlich können auf die impliziten Volatilitäten von Calls und Puts und von im, am und aus dem Geld liegenden Optionen unterschiedliche Faktoren wirken, die dazu führen, dass die Volatilitäten entlang der verschiedenen Basispreise unterschiedlich hoch ausfallen. Trägt man diese grafisch ab, bekommt man Verläufe, die, wenn man sie als Mundlinie in einem Gesicht interpretiert, zu typischen Gesichtsausdrücken führen können. Verbreitet sind das schiefe Grinsen (Skew), bei dem die Mundwinkel nach einer Seite hin abfallen, der Smile, bei dem die hohen Volatilitäten der im und aus dem Geld liegenden Mundwinkel ein mehr oder weniger ausgeprägtes Lächeln andeuten (Abb. 7.13) und der neutrale oder etwas verkniffene Mund, der bei in etwa gleich hohen impliziten Volatilitäten über die Basispreise hinweg zu einer flachen Kurve führt. Vor dem Aktienmarkt-Crash von 1987 war der Smile die „normale“ Ausprägung der Moneyness-Kurve (Abschn. 7.2.6.1.3). Durch den Crash hat sich die Volatilitätseinschätzung jedoch so verändert, das heutzutage eher ein Skew in dem Sinne vorherrscht, dass die impliziten Volatilitäten bei tiefen Basispreisen eher hoch ausfallen und dann mit höheren Basispreisen tendenziell abfallen. Daher wir der Einfachheit halber im Folgenden nur der Begriff Skew oder Schiefe verwendet, wenn von unterschiedlichen impliziten Volatilitäten über die Basispreise hinweg die Rede ist. Abb. 7.14 zeigt den Smile/Skew für Optionen auf den EuroSTOXX 50 im Herbst 2016 als Teil der Volatilitätsoberfläche. In den Einmonatsoptionen am linken Rand der Volatilitätsoberfläche sieht man die ausgeprägten Unterschiede in der Höhe der impliziten Volatilität über die verschiedenen Basispreise hinweg. Es ist auch ersichtlich, dass
599
Implizite Volatilität
7.2 Implizite Volatilität
Am Geld
Moneyness der Option (Deltas)
Abb. 7.13 Idealtypischer Volatility Smile
Abb. 7.14 Volatilitätsoberfläche. (Quelle: Thomson Reuters)
600
7
Derivate als Informationsquelle
der Skew entlang der Volatilitätsstrukturkurve unterschiedlich aussieht. Die Optionen mit längeren Restlaufzeiten am rechten hinteren Rand weisen einen typischen Skew auf: Die implizite Volatilität fällt bei tiefen Basispreisen (in der Grafik hinten) hoch aus. Mit ansteigenden Basispreisen (nach vorn hin) sinken die impliziten Volatilitäten immer weiter ab. Bei den kurzlaufenden Optionen steigt die implizite Volatilität bei sehr hohen Basispreisen dann aber wieder an (links vorn). In diesem Laufzeitbereich ähnelt das Bild eher einem schiefen Grinsen. Der Skew ist im Zeitablauf großen Schwankungen unterworfen. Die Chicagoer Terminbörse CBOE rechnet einen Skew Index (Abb. 7.15). Dieser extrahiert aus den Preisen von Out-of-the-Money-Optionen eine risikoadjustierte Wahrscheinlichkeit, dass die logarithmierte Rendite des S&P 500 mehr als zwei oder drei Standardabweichungen unterhalb des Mittelwerts liegen wird. Ein Wert von 100 repräsentiert normalverteilte Log-Renditen, bei denen die Wahrscheinlichkeit eines Kursrückgangs von zwei (drei) Standardabweichungen bei 2,3 % (0,15 %) liegt. Im Bereich von 145 beträgt die implizite Wahrscheinlichkeit einer solchen Bewegung bereits 14,45 % (2,81 %). Der Volatilitäts-Skew ist ein weit beachtetes und untersuchtes Phänomen, das nicht nur von Akademikern, die derartige Strukturen bereits auf diversen Aktienmärkten, aber auch am Devisenmarkt nachgewiesen haben, untersucht wird [Galai (1983), Rubinstein (1985), Sheikh (1991), Heynen (1994) für den Aktien- sowie Shastri und Tandon (1986) für den
150,00
145,00
140,00
135,00
130,00
125,00
120,00
115,00
110,00
105,00
100,00
Abb. 7.15 Skew-Index der CBOE. (Datenquelle: CBOE)
7.2 Implizite Volatilität
601
Devisenmarkt]. Bei Praktikern erfährt er eine gleichermaßen hohe Aufmerksamkeit. So handeln Optionshändler eine Optionskombination, deren Preis ein direktes Maß für die Ausprägung des Skew darstellt, das Risk Reversal. Darunter versteht man die Preisdifferenz zwischen zwei gleichermaßen aus dem Geld liegenden Optionen, ausgedrückt in Volatilitätspunkten. Beim Risk Reversal baut der Käufer eine Position auf, in der er über dem Basispreis des Long Call und unterhalb des Basispreises des Short Put Aktien-Exposure erhält und zwischen diesen beiden Basispreisen von der Bewegung des Underlying nicht tangiert wird (Abb. 7.16). Der Grad der Moneyness wird nicht über den Basispreis bestimmt (10 C im Geld/aus dem Geld oder zehn Prozent im Geld/aus dem Geld), sondern über das Delta. In der Regel zieht man zur Preisbestimmung einen Long Call und einen Short Put 25 Deltas aus dem Geld heran (Abb. 7.17). (7.8) RR25 D C25 P25 mit
Gewinn & Verlust
RR25 = 25 Delta Risk Reversal C25 = Implizite Volatilität eines Call mit einem Delta von 25 P25 = Implizite Volatilität eines Put mit einem Delta von 25
Aktienkurs bei Verfall Long Call
Short Put
Abb. 7.16 Risk Reversal; Auszahlungsprofil bei Verfall
Risk Reversal
Aktie
602
7
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80
70
-25 Delta Put Volatilität 65
Risk Reversal
Implizite Volatilität (Prozent)
75
60
55
25 Delta Call Volatilität 50 2400 2450 2500 2550 2600 2650 2700 2750 2800 2850 2900 2950 3000 3050 3100 3150 3200 3250 3300
Basispreis
Abb. 7.17 Skew bei DAX-Optionen; Front-month Calls am 1. Oktober 2002. (Datenquelle: Thomson Reuters)
Ein Preis von neun Prozent bedeutet, dass der Käufer eines 25 Delta Call bei gleichzeitigem Verkauf eines 25 Delta Put eine Netto-Prämie von neun Volatilitätspunkten erhält. Das Risk Reversal schwankt im Zeitablauf und kann auch das Vorzeichen wechseln. Bei einigen Rohstoffen wie Gold ist der Skew tendenziell dauerhaft invertiert. Da Gold als „Notfall-Asset“ in vielen Fällen profitiert, wenn es zu einem Crash am Aktienmarkt kommt, impliziert der Skew beim Gold einen „Crash nach oben“. Jeder von null verschiedene Wert zeigt jedoch die Präsenz eines Skew an.
7.2.6.1 Erklärungen für den Skew Es gibt mehrere Erklärungsansätze für die Existenz von nicht-konstanten impliziten Volatilitäten über das Basispreisspektrum hinweg. 7.2.6.1.1 Forward Pricing Zum einen sind Optionen auf den Terminkurs (Forward Price) des Underlying bei Fälligkeit des Derivats gepreist. Bei Aktien übersteigt in den meisten historischen Marktphasen das Renditeniveau am Rentenmarkt die Dividendenrendite. Daher liegt der Forward Price über dem aktuellen Indexniveau. Das Ziel für den Call liegt also in weiterer Ferne, während der Put auf dem aktuellen Indexniveau etwas mehr Moneyness bekommt. Diese unterschiedlichen Erfolgsaussichten für Calls und Puts, ins Geld zu laufen, spiegelt sich in höheren impliziten Volatilitäten von Puts im Vergleich zu Calls wider.
7.2 Implizite Volatilität
603
7.2.6.1.2 Volatilitäts-Feedback Wichtige Neuigkeiten haben das Potenzial, den Kurs einer Aktie zu bewegen, und sind damit zunächst einmal geeignet, ein symmetrisches Risikomaß wie die Standardabweichung ansteigen zu lassen, da es nicht zwischen guten und schlechten Kursausschlägen unterscheidet. Ein Anstieg hat die gleiche Auswirkung wie ein gleich großer Rückgang. Von den Marktteilnehmern werden die Nachrichten jedoch durchaus nach ihrem Inhalt unterschieden. Im Falle positiver Neuigkeiten steigt zwar eigentlich die Volatilität an, und der Anleger müsste eine höhere Risikoprämie verlangen. Da es sich aber um eine gute Nachricht handelt, die sein Investment unterstützt, mag dieser Effekt volatilitätsdämpfend wirken. Im umgekehrten Fall einer schlechten Neuigkeit verstärkt sich der Volatilitätsimpetus jedoch (Abschn. 7.2.5). 7.2.6.1.3 Fehlerhafte Normalverteilungsannahme Weiterhin könnte der Skew Ausdruck dessen sein, dass insbesondere das Black-ScholesOptionspreismodel auf der Normalverteilungsannahme hinsichtlich der Renditeverteilung beruht, die Renditen in der Realität dieser Annahme jedoch nicht genügen (Jarrow und Rudd 1982; Abschn. 6.1.4). Insbesondere weist die Verteilung der tatsächlichen Renditen an ihren Enden höhere Werte auf als sich aus der Normalverteilung ergeben. Sehr große Marktbewegungen kommen also in der Realität deutlich häufiger vor, als sie eigentlich dürften. Diese sogenannten Fat Tails sind seit mehreren Jahrzehnten in Dutzenden von Studien für eine Vielzahl von Märkten über unterschiedlichste Zeiträume und Intervalle dokumentiert [Mandelbrot (1963), Fama (1965) bis hin zu Lotufo et al. (2001)]. Dieser Erklärungsansatz erfordert in der Black-Scholes-Welt also ein gewisses Maß an Schizophrenie: Zunächst trifft man die Annahme einer konstanten Volatilität, um dann feststellen zu müssen, dass diese nicht zutrifft – und trotzdem weiter mit ihr zu rechnen. Auch am deutschen Aktienmarkt lassen sich Fat Tails feststellen. Während bei Normalverteilung der Renditen nur jeweils eine von tausend Tagesrenditen ober- und unterhalb von drei Standardabweichungen liegen sollte, sind es in der Realität an jedem der beiden Verteilungsenden drei. Dabei sind die Bewegungen in den negativen Bereich besonders ausgeprägt. Man kann mutmaßen, dass dies damit zusammenhängt, dass Makroschocks, die den gesamten Markt betreffen, in ihrer Wirkung auf risikoaverse Anleger, die darüber hinaus unter Verlusten überproportional leiden, besonders ausgeprägt sind. So richtig wahrnehmbar ist der Skew jedoch erst seit dem Aktienmarkt-Crash im Oktober 1987. Vor dem Schwarzen Montag war die Renditeverteilung am amerikanischen Aktienmarkt so, dass sich daraus allenfalls ein leichter Skew ergab. Durch den Crash wurde jedoch die Verteilung der tatsächlichen Aktienrenditen um ein Ereignis aus dem extremen Ende der Verteilung bereichert (Derman et al. 1997). Darüber hinaus veränderte sich das erwartete Verteilungsprofil des Aktienmarkts dergestalt, dass er zu einem recht steilen Skew von fünf bis sechs Volatilitätspunkten je zehn Prozent Moneyness führte. Diese historische Veränderung gibt einen Hinweis darauf, dass Optionshändler der Gefahr von Kurseinbrüchen, die für sie dynamisch schwierig zu hedgen sind, insbesondere bei gleichzeitig rückläufiger Liquidität, nach der Erfahrung des Schwarzen Montags mit
604
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Tab. 7.2 Skew an den Aktienmärkten. (Datenquelle: Zou und Derman 1999) Index S&P 500 DAX FTSE
Normaler Skew (in %) 4–7 3–6 2–6
Extremer Skew (in %) 14 10 10
Historischer Skew (in %) 6 3,5 4
einem deutlichen Aufschlag auf die implizite Volatilität am Geld Rechnung getragen haben. Seit dem 87er-Crash wird also von den Anlegern ein Risiko wahrgenommen, das zuvor mangels Präzedenzfall offenbar keine oder zumindest eine geringere Rolle gespielt hatte. Das gilt seitdem aber auch für Assets, in denen es bislang keine Crashs von einem solchen Ausmaß gab. Dieses Phänomen wird oft als Peso-Problem bezeichnet und rührt daher, dass Währungen gegenüber dem US-Dollar einen Abschlag aufweisen, auch wenn sie offiziell an den Kurs des US-Dollar gekoppelt sind (Boldt-Christmas 2002). Der Markt preist die Wahrscheinlichkeit und das Ausmaß einer zukünftigen Abwertung in den Kurs ein. Schließlich haben Market Maker 1987 feststellen müssen, dass eine bis dahin bei ihnen sehr beliebte Strategie, der Verkauf von Puts, die weit aus dem Geld notierten, auch in einem Markt, der langfristig nach oben tendiert, keine Gelddruckmaschine ist. Entsprechend haben sie dies in ihrem Pricing berücksichtigt. Tab. 7.2 stellt den 25-Delta-Skew in „normalen“ Marktphasen dar, was in diesem Fall Oktober 1997 und August/September 1998 ausschließt und stellt ihn dem extremen Skew in genau diesen Monaten und dem fairen Spread, wie er sich aus der historischen Renditeverteilung dieser Indizes im Zeitraum Juni 1987 bis Juni 1999 ergibt, gegenüber. Offenbar reflektieren die am Markt beobachtbaren Skews die historische Renditeverteilung recht gut. Damit kann ein höherer Skew anzeigen, dass die Marktteilnehmer die Wahrscheinlichkeit eines starken Kursrückgangs höher einschätzen. Er kann aber auch anzeigen, dass die Risikoaversion der Investoren angestiegen ist. Das würde die gesteigerte Nachfrage nach Absicherung/Puts erklären. Oder es wirken beide Effekte zusammen. 7.2.6.1.4 Liquiditätsprämie Fundamental betrachtet, wird Volatilität auf unterschiedlichen Basispreisen offenbar unterschiedlich bewertet, weil am Geld andere Faktoren wirken als weg vom Geld oder die Faktoren eine andere Gewichtung haben. Buraschi und Jackwerth (1998) erkennen in ihren Untersuchungen, dass bei Optionen im Geld und aus dem Geld gegenüber Optionen am Geld mindestens ein zusätzlicher ökonomischer Faktor wirkt. Ein Kandidat für diesen zusätzlichen Faktor ist die Liquidität des Optionsmarkts. Optionen am Geld sind deutlich liquider als solche, die weit im oder aus dem Geld notieren. Hinzu gesellt sich in einigen Märkten eine mehr oder weniger ausgeprägte Liquiditätskontraktion im Underlying, die die Ausschläge nach unten ebenfalls noch einmal verstärkt. Daher bilden deterministische
7.2 Implizite Volatilität
605
Volatilitätsmodelle, bei denen Volatilität lediglich eine Funktion der zukünftigen Preise des Underlying ist, die Marktrealitäten nicht gut genug ab. Um das Phänomen des Skew modellseitig in den Griff zu bekommen, ist der Einsatz von stochastischen Modellen erforderlich, in denen Volatilität auch mit einer Risikoprämie in Verbindung gebracht wird (Buraschi und Jackwerth 2000). Der Skew kann auch dazu beitragen, zusätzliche Informationen über die Liquidität in einzelnen Aktien zu gewinnen, weil hier ein technischer Faktor eine wichtige Rolle spielen kann: Wenn Endanleger einen Put kaufen oder einen Call verkaufen, muss sich eine gegebenenfalls als Gegenpartei fungierende Handelsabteilung über den Verkauf von AktienExposure absichern. Während es bei Indexoptionen keinen Unterschied macht, ob sich der Händler über einen Long Future oder einen Short Future absichert, ist das Absichern von Endanlegerpositionen in Long Puts und Short Calls auf Einzelaktien nur dann friktionslos möglich, wenn sich Aktien in ausreichender Menge shorten lassen. Diese Möglichkeit ist dann nicht gegeben, wenn Aktien einem Leerverkaufsverbot unterliegen. Aufgrund dieses Zusammenhangs ziehen Félix et al. (2016) den Skew heran, um die Auswirkungen des Leerverkaufsverbots von Finanztiteln 2011 herauszuarbeiten. Wie bereits in anderen Untersuchungen festgestellt, kommt es nicht zu einer Umgehung von Leerverkaufsverboten über den Optionsmarkt, da sich die fehlende Absicherungsmöglichkeit im Underlying negativ auf die Geld-Brief-Spanne der betroffenen Optionen auswirkt (Battalio und Schultz 2011; Grundy et al. 2012; Abschn. 5.10). Tatsächlich können sie sogar nachweisen, dass statt Einzeloptionen vermehrt Index-Puts gehandelt wurden, die Marktteilnehmer also vermutlich auf diesen liquideren Markt auswichen – selbst unter Inkaufnahme der Abweichungsrisiken zwischen Index und den Finanztiteln. Wenn der Leerverkauf von Aktien zulässig ist, hängt es von der Möglichkeit zur Wertpapierleihe ab, inwieweit ein Händler seine Risiken ins Lot bringen kann. Je liquider der Markt für Wertpapierleihe im jeweiligen Einzeltitel ist, desto eher wird dies funktionieren. Bei unterschiedlichen Aktien kann diese Liquidität jedoch unterschiedlich ausgeprägt sein. Allein dieser indirekte Rückschluss auf die Leihbarkeit kann wiederum ein wertvoller Hinweis auf die Angebots- und Nachfragesituation einzelner Titel sein. 7.2.6.1.5 Nachfrageüberhang Eine weitere Erklärung geht davon aus, dass Investoren in starkem Maße weit aus dem Geld liegende Puts nachfragen, um sich gegen starke Kursrückgänge abzusichern. Generell sind tiefere Basispreis mit einer höheren impliziten Volatilität belegt, da der Markt eher dazu neigt, häufiger mit großen Ausschlägen nach unten als nach oben zu crashen. Daher sind die eher aus dem Geld erworbenen Puts als Absicherungsinstrumente für genau dieses Szenario in der Regel teurer. Damit einher geht die Entwicklung der impliziten Volatilität bei steigenden und fallenden Märkten. Während sie bei fallenden Märkten meist ansteigt, bildet sie sich bei steigenden Kursen zurück (Abschn. 7.2.4). Tendenziell in die gleiche Richtung entwickelt sich der Skew. In fallenden Aktienmärkten weitet er sich eher aus, in steigenden geht er eher zurück. Auch diese Bewegung würde dafür sprechen, dass
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die steigende Nachfrage nach Absicherung für die Preisbildung des Skew eine wesentliche Rolle spielt. Wir haben gesehen, dass Märkte häufiger und stärker crashen, als sie dies auf Basis der Normalverteilung eigentlich dürften. Wie oben beschrieben, haben die Investoren dies jedoch spätestens seit 1987 bemerkt und eingepreist. Es gibt eine Reihe von Hinweisen darauf, dass die Anleger es dabei vielleicht aber auch übertrieben haben und dass die Prämie für weit aus dem Geld notierende Puts nicht nur das tatsächliche Crash-Risiko berücksichtigt, sondern dass die Investoren darüber hinaus bereit sind, eine Angstprämie dafür bezahlen, dass es noch sehr viel schlimmer kommen könnte (Liu et al. 2005). Das mag damit zu tun haben, dass, wie oben beschrieben, der ultimative Crash noch nicht eingetreten ist, aber jederzeit kommen kann. Eine gewisse Rationalität kann man dieser Haltung nicht absprechen. Hinzu kommt, dass ein Mega-Crash insofern schwerste Folgen hat, als er einen institutionellen Anleger ruinieren oder doch zumindest die dafür verantwortlichen Personen ihren Job kosten kann (Kolanovic et al. 2015). Die Nutzenfunktion dieser Investoren sieht so aus, dass Verluste allgemein und ganz speziell hohe Verluste ihrem Kundennutzen in starkem Maße abträglich sind. Daher sind sie in dieser Hinsicht besonders sensibel und bereit, wenn auch nicht jeden, so doch einen erhöhten Preis für Absicherungen gegen diese Szenarien zu bezahlen – also ebenfalls eine durchaus nicht in jedem Fall irrationale Vorgehensweise. Hintergrundinformation Vgl. dazu die sogenannte Myopic Loss Aversion (Kurzsichtige Verlustaversion) im Rahmen der nobelpreisgekrönten Prospect Theory von Kahneman und Tversky (1979) sowie Kahneman und Tversky (1991).
Zu den Aktieninvestoren addiert sich in neuerer Zeit auch verstärkt die Nachfrage von Seiten der Corporate Bond-Investoren, die durch den Kauf von weit aus dem Geld liegenden Puts ihr Ausfallrisiko absichern (Abschn. 3.5.5, siehe „Absicherung des Kreditrisikos“). Die anbietenden Händler hingegen verlangen eine Prämie, um in diesen Basispreisen Kurse zu stellen, weil es für sie operativ schwer ist, diese Positionen ihrerseits zu hedgen (Hill und Eoyang 1998). Das hat zur Folge, dass die verbleibenden Restrisiken vergleichsweise viel teures Kapital bei den Händlern binden. Aus diesem Ungleichgewicht resultieren höhere implizite Volatilitäten. Mason und Crowley (1999) berechnen Optionspreise am amerikanischen Aktienmarkt auf Basis der historischen Renditeverteilung aus der Periode 1973 bis 1998. Aus diesen Optionspreisen leiten sie hypothetische implizite Volatilitäten ab. Diese vergleichen sie dann mit der 1994 bis 1998 am Markt gehandelten Volatilität (Abb. 7.18). Geht man davon aus, dass die langfristige Renditeverteilung ein hinreichend zuverlässiger Schätzer für die zukünftige Renditeverteilung ist, kann man den Schluss ziehen, dass die am Markt gehandelten Optionspreise den Skew nach oben wie nach unten überzeichnen. Nach unten, in niedrigeren Basispreisen, werden höhere Prämien gezahlt als dies selbst auf Basis der historischen Renditeverteilung, die unter anderem Marktturbulenzen in 1987, 1997 und
7.2 Implizite Volatilität
607
6 5
3 2 1
110
109
108
107
106
105
104
103
102
101
100
99
98
97
96
95
94
93
92
91
0 90
Skew der impliziten Volatilität (%)
4
-1 -2 -3 -4 -5
Basispreis (%) Hypothetische Volatilität
Durchschnittliche implizite Volatilität des Marktes
Abb. 7.18 Hypothetische und tatsächliche Skew-Struktur im S&P 500 (1973–1998). (Datenquelle: Mason und Crowley 1999; eigene Grafik)
1998 einschließt, gerechtfertigt ist. Nach oben, in höheren Basispreisen, kommt es am Markt zu stetig fallenden impliziten Volatilitäten, während die historische Renditeverteilung einen Wiederanstieg und damit ein Smile-Muster abbildet. Damit besteht ein deutlicher Hinweis darauf, dass neben der Nichtnormalverteilung der Renditen mindestens ein weiterer Faktor am Werk sein muss, der den Skew bestimmt. Dass einer dieser Faktoren, neben oder anstatt der Liquidität, in der Tat das Nachfrageverhalten der Investoren sein kann, zeigt das Handelsvolumen aufgeteilt nach Calls und Puts über die einzelnen Basispreise an der CBOE. Das Handelsvolumen der Puts ist stark in Richtung der niedrigen Basispreise verschoben. Betrachtet man, wie Mason und Crowley, hausinterne Handelsvolumina, stellt man fest, dass sehr viele Anleger Calls schreiben. Bei Puts tritt jedoch die weit überwiegende Mehrzahl der Investoren als Nachfrager auf. Wenn also eine Risikoprämie in Optionen eingepreist ist, dann sicherlich eher auf der Downside. Diese These wird auch durch die Beobachtungen von Bossert (2001), Bollen und Whaley (2004) sowie Sankaran (1998) gestützt. Letzterer stellt einen Zusammenhang zwischen Skew und Verkaufsprogrammen im Rahmen von Portfolio Insurance Strategien her, jenen Strategien, die die Absicherungswirkung von Verkaufsoptionen dynamisch synthetisieren. Und auch anekdotische Hinweise unterstreichen immer wieder die Bedeutung der Endnachfrage. Beispielsweise wurde der starke Anstieg des Skew in S&P 500-Optionen seit 2014 mit den Absatzerfolgen von kapitalgesicherten Altervorsorgeprodukten in den USA in Verbindung gebracht (Woodall 2016).
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Derivate als Informationsquelle
Da sich diese Effekte vor allem aus einem Anstieg der Nachfrage nach Absicherung speisen und Absicherungen eher über Indexinstrumente vorgenommen werden, wirken diese Faktoren auch primär auf Indexoptionen. Auch andere Instrumente, die häufig zur Absicherung eingesetzt werden, beeinflussen den Markt in die gleiche Richtung. So resultieren auch gekaufte Varianz-Swaps in einer Long Skew Position. Da sich Indizes aber aus Einzelwerten zusammensetzen, können sie natürlich auch auf die Einzeltitelebene durchgreifen, beispielsweise über Hedging-Operationen von Market Makern. Doch nicht nur die Put-Seite wirkt auf eine stärkere Ausprägung des Risk Reversal. Auch die Call-Seite trägt das ihrige zur Entwicklung des Skew bei. Insbesondere das strategische Angebot an Calls scheint in den letzten Jahren immer weiter zugenommen zu haben, nicht zuletzt durch die fortwährend zurückgehenden Renditen. Gehen die Investoren in ihren Prognosen von begrenzten Aktienerträgen aus, und wird die Kappung dieses Ertragspotenzials gar noch attraktiv vergütet, kommt es zu vermehrten Call-Verkäufen, die die implizite Volatilität auf dieser Seite des Skew drücken (Hill und Mitev 1997). Dieser Effekt wird dadurch verstärkt, dass sich strategische Covered-Call-Programme und Collar-Positionen, bei denen die Absicherung einer Long Put-Position durch den Verkauf von Calls zumindest teilweise finanziert wird, zunehmender Popularität erfreuen (Abschn. 7.6.4.1.1). Und auch die Emission von Wandelanleihen sorgt für weiteres Angebot an Volatilität in höheren Basispreisen. Neben strategischer Nachfrage und Angebot können marktaktuelle Sondersituationen ihren Niederschlag in der Form der Volatilitätsoberfläche finden. Auf Indexebene können diese typischerweise dann entstehen, wenn die Kapitalmarktsituation sich auf eine binäre Entscheidung zubewegt, die nicht nur zu einem starken Ausschlag nach unten führen kann (dieser ist im Skew ohnehin schon abgebildet), sondern eben auch die Möglichkeit stark steigender Märkte in sich birgt. Anstehende (zins)politische Entscheidungen, bei denen ein fester Sitzungstermin im Markt bekannt ist, können solche Kristallisationspunkte sein. Auch auf Einzeltitelebene finden sich angebots- und nachfragebestimmende Kräfte, die aggregiert auf der Indexebene durchschlagen und den natürlichen Smile konterkarieren oder auch nochmals verstärken. So sind vermehrte M&A-Aktivitäten bei einzelnen Aktien geeignet, die Nachfrage nach spekulativen Calls zu befeuern. Zum Beispiel lag im Vorfeld der Übernahme der Postbank durch die Deutsche Bank die implizite Volatilität bei Optionen oberhalb des Aktienpreises deutlich höher als bei den Optionen in tieferen Regionen. Offensichtlich erwartete der Markt eine (erhöhte) Übernahmeofferte und drückte dies in einer Prämie auf der Upside aus. Aber auch jedwede andere Sondersituation einer Einzelaktie kann sich in deren individuellem Skew ausdrücken und die Indexebene beeinflussen. Wirkmächtiger sind Effekte, die sich nicht nur auf einzelne Titel, sondern auf eine ganze Branche auswirken. So kann zum Beispiel ein starker Kursanstieg in kurzer Zeit bei einer Aktie oder Branche zu vermehrtem Interesse an dem Verkauf von Calls führen. Geht dieser dann noch mit einer hohen Optionsprämie, sprich impliziten Volatilität einher, erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass diese Konstellation vom Markt erkannt und antizyklisch ausgenutzt wird. Durch den vermehrten Verkauf von Calls, und damit von Volatilität, kommt es zu einem
7.2 Implizite Volatilität
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dämpfenden Effekt auf die (implizite) Volatilität. Ein ausgeprägter Skew mit niedrigen Volatilitäten in den hohen Basispreisen in Kombination mit hohen Volatilitäten in niedrigen Basispreisen ist also ein relativ klares Zeichen, dass die Marktteilnehmer dem Underlying keine Höhenflüge zutrauen, da das Potenzial nach oben bereitwillig auch zu niedrigen Volatilitäten eher ver- als gekauft und Absicherung auch auf Kosten einer hohen bezahlten Volatilität gekauft wird. Dabei ist unerheblich, ob diese Effekte sich in unmittelbaren Transaktionen von Endanlegern manifestieren oder indirekt über Produkte, die in Investment Banking-Abteilungen strukturiert und weiterverkauft werden. Die Entwicklung des Risk Reversal wird also einerseits von langfristig veränderten Angebots- und Nachfragestrukturen geprägt, gewährt aber auch als Stimmungsindikator Einblicke in die Veränderung der Stimmung im Markt. Die Marktseite, die als volatiler eingeschätzt wird, verlangt eine höhere Prämie. In einem steigenden (fallenden) Risk Reversal drückt sich eine steigende (fallende) Risikoaversion der Marktteilnehmer, eventuell gemischt mit einer Marktrichtungsprognose, aus. Da der Marktkonsens jedoch häufig genug danebenliegt, wird das Risk Reversal oft auch als Überkauft-/Überverkauftsignal und damit als Kontraindikator interpretiert. Spannend und informativ ist auch die Beobachtung der Entwicklung des Skew im Zeitablauf. In ihm ist gelegentlich deutlich ablesbar, was der Markt wirklich denkt – schließlich stehen in Optionen investierte Gelder dahinter – und wie sich die Meinung des Marktes zu einzelnen Unternehmen oder Themen verändert. Beispiel
Im März 2008 waren die Investoren offenbar skeptisch, was die Lage der UBS anging. Das Risiko, dass die Bank mit weiteren Negativmeldungen und höheren Abschreibungen um die Ecke kommen würde, wurde als recht hoch angesehen. Daher waren die unter dem aktuellen Kurs der Aktie liegenden Basispreise mit einer hohen impliziten Volatilität ausgestattet. Vier Monate später lagen im und aus dem Geld liegende Optionen hinsichtlich ihrer impliziten Volatilitäten praktisch gleichauf. Der informierte Optionsleser erhielt auf diesem Wege die Botschaft, dass der Markt sich nunmehr recht entspannt in Bezug auf die Risiken von UBS zeigte. Schließlich sorgen Angebots- und Nachfrageeffekte auch für unterschiedliche SkewAusprägungen bei Einzeltiteln und Indizes. Bollen und Whaley (2004) untersuchen die über die Nachfrage ausgelösten unterschiedlichen Skews im Index- und Aktienoptionsbereich genauer. Sie stellen fest, dass in Indexoptionen auf den S&P 500 eine höhere Nachfrage nach Puts vorhanden ist. Bei Aktienoptionen hingegen überwiegt die Nachfrage nach Calls. Diese Nachfrageeffekte können nur teilweise durch Arbitrage-Mechanismen ausgeglichen werden. Shleifer und Vishny (1997) sowie Liu und Longstaff (2000) beschreiben, dass die Positionen, die Arbitrageure einzugehen in der Lage sind, durch zwischenzeitlich mögliche Verluste limitiert werden. Die überschüssige Nachfrage trifft auf einen Markt, in dem es keine natürliche Optionsverkäufergruppe als ausreichend großes Gegengewicht gibt. Also müssen die Market Maker diese Lücke füllen. Da diese ihre Positionen jedoch
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Derivate als Informationsquelle
absichern müssen, fallen explizite Kosten in Form von Transaktionsgebühren ebenso an wie implizite Kosten in Form von Restrisiken, die nur schwer abzusichern sind und hohen operativen Aufwand erfordern. Diese Kosten geben sie bei der Preisfindung an ihre Kunden weiter. Dies liefert eine mögliche Erklärung für den steileren Skew in der Indexoptionskurve im Vergleich zur Einzelaktienoptionskurve. 7.2.6.1.6 Korrelation Eine weitere Komponente, die man in der Skew-Betrachtung bei Indexoptionen auf der Rechnung haben sollte, ist die Korrelation der Indexkomponenten untereinander. Häufig stellt man fest, dass die einzelnen Aktien keinen oder nur einen vergleichsweise geringen Skew aufweisen, der Volatilitätsverlauf des Index jedoch hochgradig aufgesteilt oder gekrümmt ist. Dies liegt daran, dass gerade im Falle stark zurückgehender Kurse die Korrelation der Aktien miteinander ansteigt und so für einen überproportionalen Ausschlag im Index sorgt (Allen und Einchcomb 2005a; Driessen et al. 2006). Ebenso ist vorstellbar, dass schlechte Nachrichten eher in der Breite wirken und viele Unternehmen betreffen, gute Nachrichten jedoch unternehmensspezifischer wirken. Im ersten Fall wäre eine ansteigende, in letzterem eine sinkende Korrelation die Folge. Dies bewirkt, dass Aktien hin und wieder auch nach oben „crashen“, während Indizes heftige Bewegungen nach unten erfahren, nach oben jedoch meist nur in Trippelschritten vorankommen, auch wenn diese gelegentlich etwas größer ausfallen können. Aus diesem Grund findet man bei Aktienoptionen häufig eher smile-förmige Volatilitätskurven, und das Risk Reversal weist bei Aktienoptionen meist auch niedrigere absolute Werte auf als bei Indexoptionen. Umgekehrt kann auch ein Stock-Picker-Markt, in dem sich bei niedriger Korrelation gute Gelegenheiten ergeben, von einzeltitelspezifischen Entwicklungen zu profitieren, zu höherer Nachfrage nach spekulativen Calls und damit höherer Volatilität bei Aktienoptionen führen, ohne dass dies auf der Indexebene ankommt. Ergo lohnt sich auch ein Vergleich der durchschnittlichen Aktien-Skews mit dem Skew des Index. Aus dem Verhältnis der beiden und dessen Entwicklung über die Zeit lassen sich mitunter weitere wertvolle Anhaltspunkte für die aktuelle Marktverfassung erarbeiten. 7.2.6.1.7 Informationsgewinnung aus dem Skew Insgesamt scheint es also sehr wahrscheinlich, dass mehrere Effekte zur Präsenz einer nicht-flachen Struktur beitragen. Allerdings ist die Frage, ob der Skew dem Markt vorausoder nachläuft, bislang nicht eindeutig beantwortet. Bali und Hovakimian (2009), Cremers und Weinbaum (2010), Xing et al. (2010) generieren verwertbare Informationen. Ineichen und Khaira (1999) stellen hingegen fest, dass der Skew ein nachlaufender Indikator und somit zur Prognose nicht geeignet ist. McCauley und Melick (1996) kommen ebenfalls zu dem Schluss, dass, von Ausnahmen abgesehen, ein ausgeprägter Skew einer Marktkorrektur nicht vorausläuft. Diese Aussage wird von Ineichen (2001) bestätigt. Während in einigen Fällen eine erhöhte Nachfrage nach Puts in der Tat einer Marktkorrektur vorausgeht, ist sie in anderen Fällen lediglich die Folge einer solchen.
7.2 Implizite Volatilität
611
Interessant ist an dieser Stelle ein Blick auf den Skew Index der Chicago Board Options Exchange (Abb. 7.15). Je höher der Index steigt, desto weiter steigt die von den Marktteilnehmern befürchtete Wahrscheinlichkeit stark negativer Marktausschläge. Seit 1990 ist der Skew Index nur selten über 140 gestiegen. Beispiel
Exemplarisch seien einige Fälle herausgegriffen: 1. Am 21. Juni 1990 im Zuge der Savings & Loans-Krise. In den folgenden drei Monaten fiel der amerikanische Aktienmarkt 14 %, und die Vereinigten Staaten tauchten in die Rezession ab. 2. Während der Krise in Russland und dem Zusammenbruch von LTCM stieg der Index ebenfalls über 140 an. Allerdings markierte diese Krise den Startpunkt für eine kurzfristige Aktienmarktrally und die mehrjährig wirkende Hausse in Technologieaktien. 3. Im März 2006, auf dem Höhepunkt der US-Hauspreisblase, warnte der Index vor dem Platzen der Blase. Der Abschwung begann jedoch erst im folgenden Jahr. 4. Auffällig ist, dass sich seit dem Dezember 2013 deutlich mehr Spitzenwerte einstellten als in der gesamten Historie davor. Interessant ist zum Beispiel der Dezember 2015, in dem es mehrere Werte im Warnbereich gab, zuletzt am 30.12.2015, kurz bevor die internationalen Aktienmärkte unmittelbar am Jahresanfang starke Rückschläge erlitten. 5. Auch am 15. und 16. Juni 2016, also eine Woche vor dem unerwarteten Brexit lag der Skew Index über 140. Insgesamt also auch hier eine nicht eindeutige Bilanz. Doran und Krieger (2010) versuchen, die Widersprüche hinsichtlich der Prognosegüte des Skew aufzulösen. Sie befinden, dass man aus unterschiedlichen Teilen des Skew verschiedene Informationen gewinnen kann. So können hohe Unterschiede in der impliziten Volatilität von Calls und Puts am Geld auf eine positive Aktienmarktentwicklung hindeuten. Ebenso verbinden sie einen stark negativen Skew zwischen Puts am Geld und aus dem Geld mit positiven Markterwartungen. Allerdings kann ein Teil der Informationen, die der Skew liefert, auch aus anderen Kennzahlen abgeleitet werden. So gibt es einen spürbaren Zusammenhang zwischen dem Niveau der impliziten Volatilität und dem Skew. Die Bewegungen der impliziten Volatilität sind in der Lage, in einer linearen Regression fast 60 % der Skew-Schwankung zu erklären (Hill 1998). Umgekehrt ergibt sich jedoch aus der Kombination mit anderen Indikatoren mitunter ein runderes Bild. Insbesondere kann die Analyse der Put/Call Ratio (Abschn. 7.10) durch die Beachtung des Skew erheblich an Güte gewinnen. Der Skew kann wichtige Hinweise darauf liefern, ob die in die Put/Call Ratio einfließenden Geschäfte eher von Seiten der Käufer oder Verkäufer initiiert wurden.
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Derivate als Informationsquelle
Auch bei der Interpretation der impliziten Volatilität kann der Skew wertvolle Informationen beitragen. Eine interessante Periode bildete beispielsweise das Ende des Jahres 2001 bis ins Frühjahr 2002 hinein. Die am 9. September 2001, dem Tag des Anschlags auf das World Trade Center, extrem angestiegene implizite Volatilität des Aktienmarkts bildete sich in dieser Phase wieder zurück und suggerierte eine gewisse Entspannung des Marktes. Der Rückgang der impliziten Volatilität war jedoch eine Folge des Rückgangs der realisierten Volatilität. Ein Blick auf den Skew, der weiter auf hohem Niveau notierte, hätte erkennen lassen, dass weiterhin ein gehöriges Maß an Skepsis im Optionsmarkt vorhanden war, insbesondere was das Risiko größerer Rückschläge anging. An diesem Beispiel zeigt sich jedoch auch, dass die pauschale Interpretation des Skew als Kontraindikator nicht sehr sinnvoll ist. Vielmehr ist er in der Lage, im Zusammenwirken mit anderen Kennzahlen Ideen davon zu vermitteln, wie die Marktteilnehmer sich positioniert haben könnten und von da aus auf die Motivation hinter diesen Positionen zu schließen, was letztlich wieder Hinweise darauf geben kann, wie sich die Investoren in der Zukunft verhalten könnten. Ungeachtet der Prognosefunktion ist der Skew bzw. das Risk Reversal natürlich die entscheidende Kennzahl für die Attraktivität kombinierter Absicherungsstrategien. Bei einem ausgeprägten Skew ist der Einsatz von Collars weniger empfehlenswert, da der Long Put mit hohen Absicherungskosten zu Buche schlägt, während der Short Call, der die Absicherung teilweise finanzieren soll, nur vergleichsweise wenig einbringt. Hingegen empfehlen sich in dieser Volatilitätskonstellation Put Spreads, da der verkaufte Out-ofthe-money Put hohe Einnahmen zur Finanzierung des Long Put einspielt. Insgesamt ist es vorstellbar, dass ein Investor sich dadurch einen Vorteil verschaffen kann, dass er dort Liquidität im Optionsmarkt bereitstellt, wo sie stark nachgefragt wird und im Gegenzug dort Optionen abnimmt, wo das Angebot hoch ist. Dazu würde er in einer normalen Skew-Ausprägung den („teuren“) Put mit dem niedrigeren Basispreis verkaufen und den („billigen“) Call mit dem hohen Basispreis erwerben. Einzelne Untersuchungen deuten an, dass dies in der Tat eine lukrative Position sein kann (Jackwerth 1996). Auch im Bereich der Einzelaktien ergeben sich Ansätze, um mit Hilfe des Skew erfolgreiche Selektion zu betreiben. Beispielweise kaufen Xing et al. (2010) und Baltussen et al. (2012) systematisch Aktien mit gering ausgeprägtem Skew und verkaufen solche mit hohem Skew – mit Erfolg. Die Differenz zwischen der impliziten Volatilität von Calls und Puts könnte ebenso ein vielversprechender Selektionsindikator sein (Bali und Hovakimian 2009; Cremers und Weinbaum 2010; Baltussen et al. 2012). 7.2.6.1.8 Besonderheiten im Skew bei Optionen auf Renten-Futures Bei Optionen auf Renten-Futures ist zu beachten, dass der Skew auch dadurch bedingt ist, dass bei hohen Zinsen die Cheapest-to-Deliver-Anleihe (CTD) eine Anleihe mit hoher und bei niedrigem Zins eine mit niedriger Duration sein wird. Damit wird bei einer bestimmten Zinsvolatilität der Ausschlag in einem Hochzinsumfeld (in dem umgekehrt die Preise niedriger sind) höher ausfallen.
7.2 Implizite Volatilität
613
7.2.6.2 Volatilitätsindizes und Skew Will man einen ziemlich komplexen Zusammenhang so darstellen, dass auch Nichtfachleuten ein Zugang zu der dahinterstehenden, grundsätzlichen Idee ermöglicht wird, muss man diesen so weit wie möglich vereinfachen. Natürlich gehen im Prozess dieser Vereinfachung eine Menge Voraussetzungen, Annahmen, Einschränkungen und Ausnahmen verloren. Der Preis für die größere Reichweite oder Breite ist oftmals ein Verlust an Genauigkeit und Tiefe. Dies gilt auch für die weit verbreiteten Volatilitätsindizes. Durch die Reduktion eines breiten und nicht ganz trivialen Themenfelds auf eine einzige Kennzahl, der man dann auch noch das griffige Etikett „Angstbarometer“ angedeihen lässt, ist das Konzept der Volatilität auch in Nichtfachkreisen mittlerweile ein Begriff. Allerdings gehen dadurch im täglichen Gebrauch auch schnell einige Details unter. Eines von der wichtigeren Sorte ist, dass der Anstieg eines Volatilitätsindex nicht zwangsläufig die Interpretation zulässt, „die Angst am Markt sei gestiegen“. Bei Vorliegen einer skewförmigen Volatilitätsoberfläche kann allein das Abrutschen des Underlying auf ein tieferes Niveau dafür sorgen, dass zumindest ein Teil des Anstiegs der impliziten Volatilität auf das mit diesem tieferen Am-Geld-Punkt verbundene höhere Volatilitätsniveau zurückzuführen ist. Angenommen ein Volatilitätsindex weist derzeit einen Wert von 20 % auf. Nun fällt der zugrundeliegende Aktienmarkt um ein Prozent. Damit verschiebt sich der AmGeld-Punkt in eine Option, die eine höhere implizite Volatilität, zum Beispiel von 21 %, hat. Ein Anstieg des Index um ein Prozent wäre also vollständig auf ein „Rolling down the Skew“ zurückzuführen. Derivatepraktikern haben dieses Phänomen als Sticky Strike, klebriger Basispreis, auf der Rechnung, wenn es darum geht, Volatilitätsbewegungen zu interpretieren (Derman 1999). Natürlich macht es einen Unterschied, ob man sich die Daten eines Volatilitätsindex alter oder neuerer Prägung ansieht (Abschn. 4.4.6.7.1). Während die Indizes der ersten Generation ihr Volatilitätsniveau eng am Geld-Punkt abgegriffen haben, sind die neueren Indizes breiter über den Großteil des Basispreisspektrums aufgestellt. Bei diesen kommt es zu gewissen ausgleichenden Effekten, weil einerseits die Optionen mit tiefen Basispreisen höhere implizite Volatilitäten aufweisen, allerdings auch Serien mit höheren Basispreisen und niedrigeren impliziten Volatilitäten in die Berechnung eingehen. Dabei werden die Serien invers proportional zu ihren Basispreisen gewichtet. Insofern spielt der Kurvenverlauf des Skew eine wichtige Rolle und die Frage, ob der Am-Geld-Punkt sich eher in einen steilen oder flachen Kurvenabschnitt rollt und wie sich die Krümmung auch in den Im- und Am-Geld-Bereichen entwickelt. Um also eine Aussage darüber zu treffen, „ob die Angst am Markt angestiegen ist“, sollte man sich die Mühe machen, einen Blick auf die Entwicklung der gesamten Volatilitätskurve zu werfen. Wenn diese sich insgesamt nach oben verschiebt, kann man eher von einer Verschiebung des „Angstniveaus“ sprechen, als wenn man eine Niveauaussage auf Basis einer Änderung an einem Punkt im gesamten Spektrum trifft. Doch auch mit Indizes neuerer Prägung ist oftmals nicht klar, welche Information nun eigentlich in ihnen steckt. Ein typisches Beispiel ist die Konstellation im September 2014.
614
7
Derivate als Informationsquelle
Der VIX befand sich nahe den Tiefständen aus den letzten Dekaden und signalisierte eine entspannte Kapitalmarktsituation. Gleichzeitig war der Skew auf einem ebensolchen Höhepunkt und deutete auf massive Verspannungen hin. In diesem Fall lag der Skew richtig. Im Oktober kam es zu starken Kursverlusten – die sich jedoch in einer direkten Gegenbewegung wieder vollständig ausglichen. Am Ende hatten dann vielleicht doch beide Indikatoren Recht?
7.2.7 Volatilität der Volatilität Der Derivatemarkt liefert sogar eine Prognose dafür, wie sich die Volatilität der Volatilität entwickelt, also ob die Volatilität eher auf einem bestimmten Niveau verharrt oder stark zwischen hoher und niedriger Volatilität oszilliert. Auch dafür gibt es Indizes, deren bekanntester der Volatilitätsindex des Volatilitätsindex VIX, der VIX of VIX oder kurz VVIX der Chicagoer Terminbörse CBOE ist. Der VVIX ist der erwartete 30-Tage Forward-Preis des VIX und wird aus dem Preis eines Portfolios von liquiden Optionen am Geld und aus dem Geld auf den VIX errechnet. Damit spiegelt also auch dieser Index die Erwartung der Marktteilnehmer, wie sie sich in tatsächlich gehandelten Optionen manifestiert, wider. Allerdings scheint auch der VVIX eine Volatilitätsrisikoprämie dergestalt zu enthalten, dass die Notierungen im Schnitt über der später tatsächlich realisierten Volatilität lagen (CBOE 2012). Insofern muss die aus ihm abgeleitete Volatilitätsprognose für die Volatilität entsprechend nach unten adjustiert werden, wenn man auf seiner Basis eine Vorhersage über die Entwicklung in der Zukunft ableiten will.
7.2.8
Wahrscheinlichkeitsverteilungen
Wenn es darum geht, Markterwartungen aus Optionspreisen zu extrahieren, stellt die Berechnung von impliziten Wahrscheinlichkeitsverteilungen die Königsdisziplin dar. Hierzu nutzt man sämtliche Informationen, die sich aus den Preisen aller am Markt gehandelten Kauf- und Verkaufsoptionen gewinnen lassen, um den erwarteten Kurs des Underlying am Verfalltag sowie die Streuung um diesen erwarteten Kurs zu ermitteln.
7.2.8.1 Verfahren Breeden und Litzenberger waren mit ihrer Arbeit 1978 die Pioniere auf diesem Gebiet (Breeden und Litzenberger 1978). In der Folge haben sich unterschiedliche Verfahren entwickelt, um die Wahrscheinlichkeitsfunktion zu schätzen. In der Literatur werden diese Verfahren sehr unterschiedlich klassifiziert. Bahra (1997) kommt auf vier verschiedene Verfahrensklassen, während Cooper (1999) sowie Chang und Melick (1999) eine Dreirespektive Zweiteilung vornehmen. Letztere bieten auch einen Überblick über Studien, die die einzelnen Ansätze miteinander verglichen haben. Alle Methoden kommen zu ähnlichen Ergebnissen, sodass letztlich andere Kriterien, wie der Grad der Komplexität von
7.2 Implizite Volatilität
615
Berechnung und Interpretation, den Ausschlag dafür geben, welche Methode in der Praxis einer anderen vorgezogen werden sollte. Eine zentrale Unterscheidung zwischen verschiedenen Verfahren ist diejenige in parametrische und nichtparametrische. Nichtparametrische Ansätze zeichnen sich dadurch aus, dass sie alle möglichen Verteilungen als Lösungen zulassen. Damit unterscheiden sie sich von parametrischen Verfahren, die eine Optionspreisformel invertieren, um die Parameter der vorher feststehenden Verteilungsfunktion (zumeist Lognormalverteilung) zu berechnen. Diese Methode eignet sich jedoch nur dann, wenn der Preisbildungsprozess bekannt und stabil ist, was jedoch kaum der Fall sein dürfte. Aufgrund der größeren Flexibilität hat sich daher der nichtparametrische Ansatz durchgesetzt (Dupire 1994; Rubinstein 1994; Derman et al. 1996; Jackwerth 1997; Nagot und Trommsdorff 1999). Jackwerth und Rubinstein (1996) nutzen einen nichtparametrischen Ansatz zur Untersuchung der S&P 500 Indexoptionen. Im Rahmen ihrer Untersuchung stellen sie beispielsweise fest, dass ein Kursverfall in Höhe von drei Sigma (entspricht 36 %) seit dem Crash 1987 in den Optionspreisen als zehnmal so wahrscheinlich impliziert ist, wie vor dem Crash (Abschn. 7.2.6.1.3). Eine so hohe Crash-Wahrscheinlichkeit lässt sich interessanterweise nicht mit einer Lognormalverteilung nachweisen. Dadurch dass die Ergebnisse der Optionspreise in die Lognormalverteilung gezwungen werden, liegt die erwartete Crash-Häufigkeit 90 % niedriger als bei der nichtparametrischen Methode. Immer wieder wird Kritik an der Verwendung der Normalverteilungsannahme bei Renditeschätzern im Asset Management laut: zu recht. Von den Beweisen, die für eine Ablehnung der Normalverteilung und den ihr innewohnenden Gefahren angeführt werden, gehören die Ergebnisse von Jackwerth und Rubinstein zu den offensichtlichsten. Neuhaus (1995) nutzt einen mathematisch einfachen Ansatz, um eine Wahrscheinlichkeitsverteilung aus Bund Future Calls zu extrahieren. Danach beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass bei Fälligkeit des Kontrakts der Bund Future zwischen zwei bestimmten Basispreisen Bi und Bi+1 liegt w.BiIiC1 /
.Ci1 CiC1 / .Ci CiC2 / 2 B
(7.9)
mit w(Bi;i+1 ) = Wahrscheinlichkeit, dass der Preis des Future bei Fälligkeit zwischen den Basispreisen Bi und Bi+1 liegt = Preis des Call i Ci B = Differenz zwischen zwei Basispreisen. Beispiel
Die Anwendung dieses Ansatzes sei an einem Beispiel illustriert: Am 18.11.2002 sahen die Schlusskurse des Bund Future und der März-Calls auf diesen Kontrakt sowie die sich daraus ergebenden Wahrscheinlichkeiten, wie in Abb. 7.19 dargestellt, aus.
616
7
Derivate als Informationsquelle
Datum
Verfall
Bund Future
18.11.2002
Mar 03
111,13
Basispreis B
Callpreis C
w(K)
kumuliert
Mitte Basispreis
Kursbeitrag
104
7,14
3,0 %
100,0 %
104,25
3,1275
104,5
6,65
0,0 %
97,0 %
104,75
-9,3037E-14
105
6,16
1,0 %
97,0 %
105,25
1,0525
105,5
5,67
2,0 %
96,0 %
105,75
2,115
106
5,19
2,0 %
94,0 %
106,25
2,125
106,5
4,72
2,0 %
92,0 %
106,75
2,135
107
4,26
3,0 %
90,0 %
107,25
3,2175
107,5
3,81
3,0 %
87,0 %
107,75
3,2325
108
3,38
5,0 %
84,0 %
108,25
5,4125
108,5
2,96
5,0 %
79,0 %
108,75
5,4375
109
2,58
4,0 %
74,0 %
109,25
4,37
109,5
2,21
7,0 %
70,0 %
109,75
7,6825
110
1,87
6,0 %
63,0 %
110,25
6,615
110,5
1,57
7,0 %
57,0 %
110,75
7,7525
111
1,29
6,0 %
50,0 %
111,25
6,675
111,5
1,06
7,0 %
44,0 %
111,75
7,8225
112
0,84
7,0 %
37,0 %
112,25
7,8575
112,5
0,68
4,0 %
30,0 %
112,75
4,51
113
0,53
5,0 %
26,0 %
113,25
5,6625
113,5
0,41
5,0 %
21,0 %
113,75
5,6875
114
0,31
4,0 %
16,0 %
114,75
4,59
114,5
0,24
3,0 %
12,0 %
115,25
3,4575
115
0,18
2,0 %
9,0 %
115,75
2,315
115,5
0,14
2,0 %
7,0 %
116,25
2,325
116
0,1
1,0 %
5,0 %
116,25
1,1625
116,5
0,08
1,0 %
4,0 %
116,75
1,1675
117
0,05
2,0 %
3,0 %
117,25
2,345
117,5
0,04
1,0 %
1,0 %
117,75
1,1775
118
0,03 Erwarteter Bund Future
111,03
100 %
Abb. 7.19 Implizite Wahrscheinlichkeitsverteilung Bund Future. (Datenquelle: Thomson Reuters)
7.2 Implizite Volatilität
617
8%
7%
6%
Wahrscheinlichkeit
5%
4%
3%
2%
1%
117,25
117,75
116,75
116,25
116,25
115,75
115,25
114,75
113,75
113,25
112,75
112,25
111,75
111,25
110,75
110,25
109,75
109,25
108,75
108,25
107,75
107,25
106,75
106,25
105,75
105,25
104,75
104,25
0%
Bund Future bei Fälligkeit
Abb. 7.20 Implizite Verteilung; Bund Future Calls März 2003 am 18.11.2002. (Datenquelle: Thomson Reuters)
Die sich daraus ergebende Verteilung zeigt, dass die Erwartungen der Marktteilnehmer beileibe nicht zu einer Normalverteilung der Kurse führen (Abb. 7.20). Beispielsweise war die Wahrscheinlichkeit für einen Kurs um die 113,25 bis 113,75 mit jeweils fünf Prozent deutlich erhöht. Eine gewisse Aussage über die Güte der Verteilungsschätzung liefert der Vergleich zwischen dem impliziten Erwartungswert und dem tatsächlichen Kurs des Bund Future. Mit 111,03 lag der Erwartungswert am 18.11.2002 nur zehn Basispunkte unter dem tatsächlichen Schlusskurs am Markt. Hintergrundinformation Auch ein interessanter Ansatz, der bereits vielfach Einzug in die Praxis des Asset Management gehalten hat, wurde von Melick und Thomas (1997) entwickelt. Dabei wird die Dichtefunktion aus bis zu drei separaten Lognormalverteilungen so zusammengesetzt, dass die Unterschiede zwischen den am Markt gehandelten Optionspreisen und den sich aus dieser kombinierten Verteilung ergebenden Preisen minimiert wird.
Neben der impliziten Wahrscheinlichkeit, dass der Bund Future am Verfallstag innerhalb einer bestimmten, engen Spanne liegt, kann ermittelt werden, wie hoch der Markt die Chance einschätzt, dass der Future am Verfallstag einen bestimmten Wert überschreitet. Allerdings sind aufgrund des Berechnungsmechanismus die beiden äußersten Punkte der Verteilung mit Vorsicht zu genießen. Da diesen ihr jeweils äußerster Nachbar fehlt, kann die normale Gleichung auf diese Klassen nicht angewandt werden. Hinzu kommt, dass es
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7
Derivate als Informationsquelle
8%
7%
6%
Wahrscheinlichkeit
5%
4%
3%
2%
1%
117,75
117,25
116,75
116,25
116,25
115,75
115,25
114,75
113,75
113,25
112,75
112,25
111,75
111,25
110,75
110,25
109,75
109,25
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107,25
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0%
Bund Future bei Fälligkeit 18.11.2002
21.11.2002
Abb. 7.21 Implizite Verteilung; Bund Future Calls März 2003 am 18. und 21.11.2002. (Datenquelle: Thomson Reuters)
sich bei der vierprozentigen Wahrscheinlichkeit für einen Kurs nahe 104,25 um eine Restgröße handelt. Zählt man die Wahrscheinlichkeiten von 104,75 bis 117,75 zusammen, so kommt man auf 96 %. Die vier Prozent Differenz zu 100 % wird der kleinsten Klasse zugewiesen. Generell sollte man bei der Interpretation der Ergebnisse auch beachten, dass die sehr hohen und sehr niedrigen Basispreise kaum gehandelt werden. Interessante Informationen liefert auch eine regelmäßige Beobachtung der impliziten Verteilung, um markante und subtile Änderungen in der Markteinschätzung zu verfolgen (Abb. 7.21). Sieht man sich den Bund Future nur drei Tage nach der ersten Betrachtung an, ist klar zu erkennen, dass sich vor allem im Mittelteil der Verteilung einige Verschiebungen ergeben haben, obwohl (oder gerade weil) der Bund Future in diesen drei Tagen lediglich um 13 Stellen angestiegen war.
7.2.8.2 Anwendung Der einmalige Nutzen von impliziten Verteilungen liegt darin, dass die Phrase „der Markt glaubt, dass“ hier wirklich mit Fakten untermauert werden kann. Bislang glaubt der Portfoliomanager, der mit zwei Sales-Leuten gesprochen/der Sales-Mann, der mit seinen Kunden gesprochen/der Journalist, der einen Händler befragt hat, er wüsste, was der Markt denkt. Über implizite Verteilungen kann diese Information jedoch tatsächlich repräsentativ und vollständig erschlossen werden. Die Einblicke, die man auf diese Weise in die internationalen Finanzmärkte erhält, sind erstaunlich.
7.2 Implizite Volatilität
619
Beispiel
Beispielsweise beschreibt die Deutsche Bundesbank (1995) ein Verfahren, um Konfidenzintervalle zu bilden und zu beobachten, wie sich deren Breite über die Zeit hinweg entwickelt. Daraus ist unter anderem ersichtlich, wie viel Unsicherheit am Markt hinsichtlich der Zentralbankpolitik herrscht. In eine ähnliche Richtung gehen die Erkenntnisse, die Campa et al. (1997) gewinnen. Sie untersuchen, inwieweit die Wechselkurserwartungen im Einklang mit den Währungsbandbreiten der europäischen Währungsunion standen. Malz (2001) vergleicht die Qualitäten dreier verschiedener Ansätze, um die Gefahr einer zehnprozentigen Abwertung des mexikanischen Peso gegen den USDollar einzuschätzen. Dabei zieht er implizite Verteilungen sowohl der Terminmarktprämie als auch historischen Volatilitäten aus dem System RiskMetrics vor. Campa et al. (1999) billigen den impliziten Verteilungen auch für das Wechselkursverhältnis des brasilianischen Real zum US-Dollar gewisse Frühwarnfähigkeiten zu. Melick und Thomas (1997) machen die Auswirkungen des Golfkriegs 1991 auf den erwarteten Ölpreis sichtbar. In einer solchen Untersuchung werden oft bimodale Verteilungen im Markt sichtbar, die den beiden möglichen Ausgängen (Krieg oder Frieden, nationale Einheit oder Unabhängigkeit) entsprechen (Leahy und Thomas (1996) bezüglich der Erwartungen zum kanadischen Dollar im Umfeld des Unabhängigkeitsreferendums in Quebec 1995. Coutant et al. (1998) sowie Jondeau und Rockinger (1998), die Zins- bzw. DM/Franc-Wechselkursverteilungen im Zusammenhang mit französischen Wahlen untersuchen). Dennoch ist damit nicht gesagt, dass die Optionsmärkte bestimmten Ereignisse vorauslaufen, „der Markt“ also bestimmte Entwicklungen vorhersagen könnte. Zwar haben die Optionsmärkte mehrere Tage vor dem Ausstieg des britischen Pfundes aus dem europäischen Wechselkursmechanismus am 16. September 1992, dem „Schwarzen Mittwoch“, eine erhöhte Wahrscheinlichkeit einer solchen Krise widergespiegelt (Mizrach 1996). Generell scheint es aber so zu sein, dass sich Ereignisse, die sich anbahnen oder konkret terminiert sind (Wahlen), natürlich auch in den Markterwartungen nachweisen lassen. Und durch das konkrete Herausrechnen der Wahrscheinlichkeiten lässt sich ein zusätzlicher Einblick gewinnen, dass „der Markt“ vielleicht doch anders denkt, als es beispielsweise die Ergebnisse von Meinungsumfragen ausdrücken. Eine erhöhte Treffsicherheit hinsichtlich des Ergebnisses scheint jedoch nicht gegeben zu sein. Gemmill und Saflekos (2000) haben vier Crashs und drei britische Wahlen untersucht und dabei festgestellt, dass die impliziten Verteilungen keine Vorhersage über das Eintreffen respektive den Ausgang dieser Ereignisse liefern konnten. Damit bestätigen sie Bates’ (1991) Analyse des Crashs von 1987. Insgesamt ist das aus den impliziten Verteilungen gewonnene Bild des Marktes wesentlich umfangreicher als bei einfacheren Verfahren. So lassen ansteigende implizite Volatilitäten zwar erkennen, dass der Markt mit größeren Schwankungen rechnet und/oder höhere Prämien für die Risikoübernahme verlangt. Nutzt man hingegen einen nichtparametrischen Ansatz, der ohne eine bestimmte Verteilungsannahme auskommt, um die
620
7
Derivate als Informationsquelle
komplette Verteilung zu analysieren, ist nicht nur erkennbar, ob die Marktteilnehmer Fat Tails erwarten, sondern auch, ob sie von mehreren unterschiedlichen Szenarien ausgehen, die als multimodale Verteilungen erkennbar sind. So ist im Vorfeld einer Zentralbanksitzung ersichtlich, ob sich der Markt hinsichtlich der erwarteten Zinspolitik einig ist (stark erhöhte Wahrscheinlichkeit bei einem bestimmten Zinsniveau) oder zwischen mehreren Szenarien schwankt (mehrere Spitzen in der Verteilung, zum Beispiel eine bei einer Zinsveränderung von 0,25 % und eine bei 0,5 %). Darüber hinaus helfen implizite Verteilungen dabei, eher grundsätzliche Änderungen im Preisverhalten zu erahnen und sich darauf einzustellen. Diese Änderungen des am Markt bislang geltenden Regimes (Crashs, Abwertungen, Änderungen in der Zinspolitik, . . . ) sind in vielen Fällen nicht unbedingt in einer Zeitreihenanalyse erkennbar, während die Markterwartungen Indikationen und Warnsignale generieren können. Im Gegensatz zu anderen Analysemethoden ist hierfür auch keine lange Datenhistorie erforderlich. Daraus resultiert auch der Vorteil, dass Änderungen sofort sichtbar werden. Mit dieser Eigenschaft eignen sich derart gewonnene Informationen in besondere Maße, um Modelle, die auf einfache Trendfortschreibungen setzen, zu ergänzen. Obwohl die Analyse der impliziten Verteilungen zu einer sehr tiefschürfenden Abbildung der Markterwartungen führt, legt der Markt damit dennoch nicht seine gesamte Seele offen. Oft ist es beispielsweise so, dass es mehrere Gruppen gibt, die in sich jeweils eine sehr feste Meinung zum Markt haben. Dadurch dass sich diese unterschiedlichen Marktmeinungen jedoch mitunter relativ gleichmäßig verteilen, sind sie oft schwer von einem Marktbild zu unterscheiden, in dem sich alle einhellig unsicher sind. Darüber hinaus funktioniert diese Analyse nur in sehr liquiden Märkten. In einigen Märkten weisen Optionen in der Breite oft nicht die erforderliche Liquidität auf, um verlässliche und über mehrere Basispreise synchrone Kurse zu liefern. Außerdem ist gerade hier die Geld-Brief-Spanne besonders hoch, sodass der eigentliche, ökonomische Wert der Option verzerrt ist. Daher ist leider im interessantesten Bereich am Ende der Verteilungen die Datenqualität am schlechtesten. Auch verwertet die Analyse impliziter Verteilungen Informationen, die nur sehr mittelbar mit einer geänderten Erwartungshaltung der Marktteilnehmer zu tun haben. Hin und wieder kommt es an den Märkten zu kurzfristigen Verwerfungen, die sich aus temporären, teils technisch bedingten Ungleichgewichten in Angebot und Nachfrage ergeben. Diese Bewegungen der Optionspreise werden jedoch ebenfalls als Änderungen in der Einschätzung des Marktes fehlinterpretiert. Gelegentlich wird als Nachteil angeführt, dass diese Ansätze risikoneutrale Marktteilnehmer unterstellen, was nicht unbedingt der Realität entsprechen muss. Allerdings zeigt Rubinstein (1994), dass die risikoneutralen Wahrscheinlichkeiten die vom Markt erwarteten Wahrscheinlichkeiten ziemlich genau treffen. Wahrscheinlichkeitsverteilungen lassen sich im Übrigen auch aus historischen Daten ermitteln. Auch hier stehen Alternativen zur Ermittlung einer Normalverteilung zur Verfügung. Zou und Derman (1999) setzen beispielsweise die Technik der Entropieminimierung ein, um risikoneutralisierte historische Wahrscheinlichkeitsverteilungen zu errech-
7.2 Implizite Volatilität
621
nen. Diese historischen Verteilungen müssen in ihrer Aussagekraft hinsichtlich künftiger Marktbewegungen nicht einmal schlechter sein als ihre impliziten Pendants (Shiratsuka 2001).
7.2.9
Implizite Korrelation
Ist man schon einmal dabei, implizite Volatilitäten am Markt zu analysieren, kann man noch einen logischen Schritt weiter gehen. Vergleicht man die implizite Volatilität eines Index mit der gewichteten Volatilität seiner einzelnen Mitglieder, wird sich in aller Regel eine Differenz ergeben. I Definition Die Indexvolatilität fällt geringer aus als die Summe der Einzelvolatilitäten. Diesen Unterschied nennt man Dispersion. Dispersion entsteht dadurch, dass die Aktien im Index nicht perfekt miteinander korreliert sind. Je höher die Dispersion, desto niedriger die durchschnittliche vom Markt erwartete Korrelation zwischen den Indexmitgliedern (Abschn. 4.4.7). Diese Markterwartung hinsichtlich der Korrelation lässt sich wie folgt extrahieren: ¡D
2 2 ¢Null-Korrelation ¢Index 2 2 ¢Perfekte Korrelation ¢Null-Korrelation
(7.10)
2 wird ermittelt, indem man die Varianzen der einzelnen AktiDie Varianz ¢Null-Korrelation en im Index ermittelt, mit ihrem Indexgewicht gewichtet und aufaddiert: 2 D ¢Null-Korrelation
X
w2i ¢i2
(7.11)
i 2 Die ¢Perfekte Korrelation unterstellt, wie der Name schon sagt, eine perfekte Korrelation von 1 zwischen den Aktien im Index und errechnet sich als 2 ¢Perfekte Korrelation D
X i
w2i ¢i2 C
X
wi wj ¡ij ¢i ¢j
(7.12)
i¤j
Hintergrundinformation Beide Formeln basieren auf einer der Grundfesten der modernen Portfoliotheorie, der Formel für die Berechnung der Varianz bzw. Standardabweichung eines Portfolios (Gl. 1.8), wobei man für ¡ij im einen Fall eins, im anderen null einsetzt.
Um einen noch genaueren Einblick in die Zusammenhänge am Markt zu bekommen, empfiehlt es sich, die Abhängigkeiten zwischen den am höchsten gewichteten Aktien genauer zu analysieren. Insbesondere bei Indizes mit einer geringen Anzahl an Mitgliedern
622
7
Derivate als Informationsquelle
(DAX 30, CAC 40, SMI, IBEX 35, MIB 30, . . . ) konzentriert sich das Gewicht auf einige wenige Titel. Ebenso wie die Performance dieser Titel die Entwicklung des Index bestimmt, dominiert deren Korrelation (und implizite Einzeltitelvolatilität) die implizite Volatilität des Index. Ob sich diese Titel im Gleichschritt bewegen oder sich ganz unterschiedlich entwickeln, ist auch für die Indexvolatilität von ausschlaggebender Bedeutung.
7.3
Verbessertes Portfoliomanagement
Die aus der Analyse des Derivatemarkts und insbesondere der impliziten Risikogrößen Volatilität und Korrelation gewonnenen Informationen und Schätzer erlauben es dem Portfoliomanager, eine Reihe von Kernprozessen seiner Tätigkeit zu vereinfachen und zu verbessern. Sie schlagen sich insbesondere im Bereich der Risikoaussteuerung und der operativen Handhabung seines Portfolios nieder. Selbst wenn er die aus den Derivaten gewonnenen Schätzgrößen nicht automatisch in seine Modelle einspeist, liefern sie einen unschätzbaren Mehrwert: den einer zweiten Meinung, nämlich der des Marktes. Wie auch immer der Manager seine Prognosen bildet – fundamental, technisch, quantitativ, okkult, . . . –, die Transparenz über den echten Marktkonsens steht ihm zur Verfügung und zwingt ihn hoffentlich dazu, seine Meinung noch einmal gegenüber dem Konsens kritisch auf den Prüfstand zu stellen.
7.3.1 Input für Portfoliooptimierung und Risikomanagement 7.3.1.1 Verbesserte Risikoschätzer Im Zeitalter der angewandten Modernen Portfolio Theorie ist eine akkurate Vorhersage über die zukünftige Volatilität von großer Bedeutung. Zwar entscheidet nach wie vor die Prognosegüte der Renditeprognosen im Wesentlichen über die Zusammensetzung eines optimalen Portfolios. Allerdings sind exakte Prognosen auch besonders schwer zu treffen. Und aufgrund ihres dominierenden Einflusses wirken sich Ungenauigkeiten in der Renditeprognose besonders gravierend aus. Allerdings darf im komplexen Zusammenspiel aus Renditen, Varianzen und Kovarianzen der Einfluss der Risikoschätzer nicht unterschätzt werden. So kommen beispielsweise Chopra und Ziemba (1993) zu dem Schluss, dass die relative Bedeutung von Fehlern in der Schätzung von Renditen, Varianzen und Kovarianzen im Verhältnis von 1 zu 10 zu 20 steht. Dies bedeutet, dass ein Schätzfehler bei der Risikoprognose immerhin rund zehn Prozent des Gewichts eines Renditeprognosefehlers hat. Im Vergleich zu einem Schätzfehler in der Korrelationsprognose wiegt ein Fehler in der Risikoprognose gar doppelt so schwer. Darüber hinaus können Risiken deutlich besser geschätzt werden als Renditen, da sie sowohl eine wesentlich höhere Konstanz als auch eine höhere Autokorrelation aufweisen (Johanning et al. 2009).
7.3 Verbessertes Portfoliomanagement
623
Wie in Abschn. 7.2.3.1 dargestellt, gibt es Indikationen, dass die in Optionen enthaltenen Informationen bessere Risikoschätzer liefern als die Betrachtung historischer Daten. Welcher gewaltige Hebel in der Nutzung von impliziten Risikoschätzern steckt, deuten Jackwerth und Rubinstein (1996) an. Sie nehmen die Auswirkungen des Crash am Schwarzen Montag 1987 unter die Lupe und kommen zu dem Schluss, dass die Wahrscheinlichkeit einer Bewegung von drei (vier) oder mehr Standardabweichungen auf Basis der impliziten Verteilung zehnmal (100-mal) wahrscheinlicher ist als dies aus einer logarithmischen Verteilung abzuleiten wäre. Dabei spielt der Crash von 1987 eine entscheidende Rolle. Die Wahrscheinlichkeit eines Rückschlags von mindestens drei Standardabweichungen war nach dem Crash zehnmal wahrscheinlicher als davor. Steckt man die aus dem Optionsmarkt gewonnenen Schätzer in einen Optimierer, müssten sich daraus auch Portfolios errechnen lassen, die ein besseres Risiko-Rendite-Profil aufweisen. Kostakis et al. (2011) nutzen die aus S&P 500-Optionen generierbaren impliziten Renditeverteilungen (Abschn. 7.2.8) für die Portfoliooptimierungen und vergleichen die so konstruierten Portfolios mit Alternativportfolios, die auf Basis historischer Zeitreihen optimiert wurden. Sie finden heraus, dass die optionsbasierten Portfolios in der Tat eine um durchschnittlich 0,2 höhere Sharpe Ratio aufweisen. Kempf et al. (2015) stimmen überein, dass die in den Optionen enthaltenen Informationen bessere Schätzer für die Varianz-Kovarianz liefern als historische Schätzer. Und auch wenn man aus diesen impliziten Varianzen Aktienbetas berechnet, erweisen sich diese als wertvoll (Baule et al. 2013). De Miguel et al. (2012) bestätigen den Nutzen optionsimpliziter Informationen. Der Einbau impliziter Volatilität senkt die Portfoliovolatilität. Auch die Volatilitätsrisikoprämie, also die Differenz zwischen der impliziten und der realisierten Volatilität sowie die Skewness sorgen für Mehrwert. Ebenso wie die implizite Volatilität im Schnitt über der anschließend realisierten liegt, überschätzt die implizite Korrelation die tatsächlich realisierte Korrelation tendenziell (Hill und Tsu 1998; Chen 2006a). Natürlich gibt es Phasen, in denen sich auch für diese Regel Ausnahmen finden lassen, beispielsweise in den Wochen nach dem 11. September 2001. Nach einem scharfen Anstieg der impliziten und realisierten Korrelation im unmittelbaren Umfeld des Anschlags auf das World Trade Center kam die implizite Korrelation in den Folgewochen wieder deutlich zurück, während die realisierte Korrelation weiter anstieg. Dies bedingt allein schon das Messverfahren, das die realisierte Korrelation über einen bestimmten Zeitraum messen muss. Daher sollte man diese Schätzer, ebenso wie implizite Volatilitäten, auch nicht ohne Korrektur in Optimierungsprogramme stecken. Als grober Indikator dafür, ob die Korrelation eher im Steigen oder Fallen begriffen ist, kann die Entwicklung der impliziten Korrelation jedoch herangezogen werden. Allerdings ist es möglich, dass bei der Nutzung der impliziten Korrelation die Vorteile nicht ausreichen, um die höhere Umschlaghäufigkeit aufgrund der weniger stabilen Kovarianzmatrix aufzuwiegen (De Miguel et al. 2012).
624
7
Derivate als Informationsquelle
7.3.1.2 Kontrolle von Chancen und Risiken aktiver Positionen Das Wissen darum, wie sich das Gesamtrisiko eines Portfolios zusammensetzt und welchen Quellen es entsprungen ist, ist für einen Portfoliomanager von unschätzbarem Wert. Die aus Derivaten gezogenen Schätzgrößen können hier einen spürbaren Mehrwert liefern. So kann eine hohe Dispersion (Abschn. 7.2.9) ausdrücken, dass der Markt niedrige Korrelationen erwartet, dass die implizite Volatilität der Einzelaktien im Verhältnis zum Index hoch oder umgekehrt die implizite Volatilität des Index relativ zur Einzeltitelvolatilität niedrig ist oder ein Zusammenspiel dieser Effekte. Beispiel
Beispielsweise war in den Jahren 1990, 1997 und 1998 der Anstieg der Korrelation die treibende Kraft für den Anstieg der Indexvolatilität. Demgegenüber war der Anstieg der Indexvolatilität in 2000 stark durch den Anstieg der Volatilität der Einzelaktien bedingt. In 2001 bildete sich die Einzeltitelvolatilität dann wieder zurück. Die Indexvolatilität blieb jedoch durch die gleichzeitig ansteigende Korrelation konstant und stieg temporär sogar an. Mit dem Einblick in diese Bewegungen unter der Risikooberfläche kann ein Portfoliomanager sowohl auf der Chancen- als auch auf der Risikoseite (jeweils sowohl im absoluten als auch im relativen Betrachtungsraum) umsichtiger agieren, indem er gezielt einzelwertspezifische Risiken beim Stock Picking ausbaut oder zurückfährt oder seine Absicherungen über die Index- oder Branchenebene oder im jeweiligen Einzeltitel aufsetzt. 7.3.1.2.1 Kontrolle des absoluten Risikos Natürlich lässt sich „für den schnellen Blick auf die Risikolage“ einfach die Funktion von Volatilitätsindizes als Nervositätsindikator nutzen, jedoch alles mit der gebotenen Vorsicht (Abschn. 4.4.6.7.1 und 7.2.1). Wann immer die Situation an den Kapitalmärkten undurchsichtig erscheint und die Marktteilnehmer eine große Unsicherheit über die künftige Richtung des Marktes oder/und das Ausmaß der Bewegung verspüren, ist die Chance groß, dass sich dies in erhöhten impliziten Volatilitäten widerspiegelt. So ließ sich über die Betrachtung der Volatilitätsstrukturkurve im Frühjahr 2016 klar konstatieren, dass die Marktteilnehmer eine erhöhte Ungewissheit zur Jahresmitte verspürten. Der VSTOXX zeigte um die Juni-Fälligkeit herum einen deutlichen Buckel (Abb. 7.22). Davor und danach wurden niedrigere Volatilitäten verzeichnet. Es lag nahe, dass diese Unsicherheit mit der für diesen Zeitraum terminierten Volksabstimmung in England über den Verbleib in der Eurozone, den sogenannten „Brexit“, zusammenfiel. Die Entwicklung der Volatilitätsstrukturkurve im Zeitablauf schaffte in den folgenden Wochen und Monaten Transparenz darüber, wie sich die Brexit-Unsicherheit am Kapitalmarkt entwickelte und stellte eine hilfreiche Ergänzung der Meinungsumfragen und Wettbüroquoten dar – auch wenn sie im Endeffekt beide nur ausdrückten, wie „der Markt“ am Ende falsch lag.
7.3 Verbessertes Portfoliomanagement
625
Erwartete Änderungen von Volatilität und Korrelation setzen Impulse in der PortfolioOptimierung, da sie zu einem veränderten Risikoprofil führen. Aus der Perspektive der absoluten Performance und des absoluten Risikos betrachtet, wird es dann besonders gefährlich, wenn es zum sogenannten Correlation Breakdown kommt. Dabei handelt es sich um das Phänomen, dass gerade in kritischen Marktphasen die Korrelationen stark ansteigen (Longin und Solnik 1995; Solnik et al. 1996; Chow et al. 1999). Damit bricht der Diversifikationsschutz genau dann zusammen, wenn er am dringendsten gebraucht wird. Der Portfoliomanager kann dem Risikoanstieg aktiv gegensteuern, indem er Risikopositionen herunterfährt und/oder die Diversifikation durch Aufnahme weiterer diversifizierender Assets verstärkt. Umgekehrt führt eine zurückgehende Korrelation dazu, dass sich der Diversifikationseffekt verstärkt, das Gesamtrisiko also sinkt (Abschn. 1.7). Dadurch eröffnen sich dem Portfoliomanager Möglichkeiten, neue Risikopositionen aufzubauen und/oder bestehende Positionen auszubauen, ohne das Gesamtrisiko des Portfolios zu erhöhen. Die in den Optionen steckenden Erwartungen können Hinweise liefern, wann die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Korrelationszusammenbruchs erhöht ist (Jacquier und Marcus 2001). Ist am Markt eine niedrige Dispersion zu beobachten, könnte man daraus schließen, dass die Marktteilnehmer eine hohe Korrelation erwarten. Das kann auch durchaus der Fall sein. Rein praktisch bedeutet es jedoch in vielen Fällen zunächst einmal, dass in Krisenzeiten Anleger fast schon verzweifelt Absicherung in Form von IndexPuts um nahezu jeden Preis suchen und dadurch die implizite Volatilität des Index nach
27,5
Implizite Volatilität in Prozent
27,0 27,05 26,5 26,70
26,65 26,40
26,40
26,0
26,30
25,5
25,0
24,70
24,5
24,0 Spot
24,11 Mar 16
Apr 16
May 16
Jun 16
Jul 16
Aug 16
Sep 16
Fälligkeit Abb. 7.22 VSTOXX Volatilitätsstrukturkurve im März 2016. (Datenquelle: Thomson Reuters)
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7
Derivate als Informationsquelle
oben jagen. Kommt man zu dem Schluss, dass eine niedrige Dispersion durch exzessive Nachfrage nach Index-Puts ausgelöst wurde, könnte dies, ebenso wie ein hoher Skew, möglicherweise eine Indikation für den Wendepunkt eines Marktes sein. Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass die Korrelation höher ist, wenn systematische makroökonomische Faktoren einzelwert-, branchen- oder länderspezifische Einflussgrößen dominieren. Dadurch dass Makro-Einflüsse über Branchen und Länder hinweg wirksam werden, kommt es zu einer gleichartigen Reaktion der Assets auf diese Einflüsse. Jacquier und Marcus weisen nach, dass man die Entwicklung der Volatilität des Marktes als Ausdruck von makroökonomischen Schocks heranziehen kann. Das bedeutet, dass in Phasen hoher Marktvolatilität die Wahrscheinlichkeit hoher Korrelationen zunimmt. Als Makrofaktor wirken auch Krisen, wie die Turbulenzen in Asien 1997, die Russland/LTCM-Krise 1998 oder der Anschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001, auf den gesamten Aktienmarkt und nicht nur auf einzelne Branchen oder Unternehmen. Wenn Investoren auf derartige Makroeinflüsse reagieren, tun sie dies demzufolge auch mit Instrumenten, die den ganzen Markt abdecken. Sie fragen mehr Indexoptionen nach. Demgegenüber rücken in einem entspannten Marktumfeld Strategien zum Schreiben von Optionen, insbesondere das Covered Call Writing wieder etwas mehr in den Blickpunkt. Der Verkauf von Optionen spielt sich jedoch eher auf der Aktien- denn auf der Indexebene ab. Außerdem werden in einem solchen „Bottom-up-Markt“ vermehrt Einzelwertwetten auf über- und unterbewertete Aktien über Optionen aufgesetzt. Gelingt es nun, die Marktvolatilität besser zu prognostizieren, kann sich der Portfoliomanager über den Zusammenhang „hohe Volatilität – hohe Korrelation“ rechtzeitig auf ein Abfallen der Diversifikationswirkung einstellen und entsprechende Maßnahmen in die Wege leiten. Die Vorhersage der zukünftigen Volatilität kann mit erhöhter Qualität über die Analyse der impliziten Volatilität erfolgen (Abschn. 7.2.3.1 ff.). Dabei sollte man jedoch zumindest im Hinterkopf behalten, dass es eher ein starker Anstieg der Korrelation ist, der möglicherweise einen Wendepunkt am Markt andeutet, nicht jedoch ein hohes Korrelationsniveau per se. Korrelationsphasen verändern sich eher gemächlich. Beispielsweise steigt die Korrelation in Rezessionen eher auf ein erhöhtes Niveau an. Da Rezessionen und Wachstumsphasen mehrmonatige oder mehrjährige Phänomene sind, verändert sich die Korrelation auch eher träge. Einen direkteren Weg verfolgen Brinkmann et al. (2013). Sie saugen aus den Optionsdaten noch mehr Informationen: neben der impliziten Korrelation sind dies die implizite Schiefe-Korrelation und die implizite Wölbungs-Korrelation. Die implizite Schiefe-Korrelation offenbart die Erwartung des Marktes, wie ein negativer Schock in einer Aktie zu einem Anstieg der Volatilität in einer anderen Aktie führt. Die implizite Wölbungs-Korrelation zeigt die Markterwartung, inwiefern ein Schock in einer Aktie dazu führt, dass die Renditeverteilung einer anderen Aktie linksschiefer wird, diese also anfälliger für einen Crash macht. Die Ansteckungsgefahr ist natürlich in Krisenzeiten höher als in ruhigen Kapitalmarktphasen. Und gerade in diesen gefährlichen, weil unruhigen Zeiten sind die impliziten Schätzer von besonderem Nutzen. In ihnen sind alle Nachrichten sofort ver-
7.3 Verbessertes Portfoliomanagement
627
arbeitet, sei die Nachrichtendichte auch noch so hoch. Umgekehrt verlieren historische Erkenntnisse in diesen Phasen an Gehalt. Auch für die Risiko/Rendite-Steuerung auf der Ebene der Asset-Klassen sowie der Länder- und Branchenallokation liefert die implizite Korrelation interessante Hinweise auf die künftige Bedeutung von Performance- und Risikoquellen. Beispielsweise bediente sich Abed (1998) des Optionsmarktes, um herauszufinden, welche künftigen Korrelationen zwischen den einzelnen Aktienmärkten in Euroland bereits eingepreist sind, wenn die Erweiterung und Vertiefung der EWU weiter voranschreitet. Die Analyse führte zu dem wichtigen Hinweis, dass Diversifikationseffekte weiter bestehen werden, jedoch tendenziell im Abnehmen begriffen sind. Auch für das umgekehrte Szenario sind derartige Untersuchungen machbar. 7.3.1.2.2 Kontrolle des relativen Risikos Die aus dem Derivatemarkt gewonnenen Informationen können nicht nur zur Verbesserung im Management des absoluten Risikos eingesetzt werden. Da die gleichen Informationen auch eine Rolle spielen, wenn das Portfolio relativ zu einer Benchmark, meist einem Kapitalmarktindex, gesteuert wird, kann man die Ausführungen aus dem vorangegangenen Abschnitt auch in die Welt des Relative Return Management übertragen. Beispielsweise ist die Risikovorhersage für Indexkomponenten ein hochinteressantes Anwendungsgebiet. Ob Fluch oder Segen sei dahingestellt, Fakt ist jedoch, dass die Ausrichtung an einem Index eine immer größere Bedeutung im Asset Management gewinnt. Für den Erfolg eines Portfoliomanagers ist es somit von entscheidender Bedeutung, eine Vorstellung davon zu entwickeln, wie es um das Risiko seines Portfolios relativ zum Index bestellt ist. Die zentrale Größe hierfür ist der Tracking Error, die Standardabweichung der Renditedifferenzen zwischen Portfolio und Index. Wenn nun die in den Optionen enthaltene Vorhersage über die künftige Volatilität des Underlying werthaltig ist, kann ein Portfoliomanager auf diesem Wege auch bessere Schätzungen für den Tracking Error seines Portfolios bekommen. Wenn man annimmt, dass das Beta eines Portfolios ein guter Indikator für das Risiko des Portfolios ist, kann man den Tracking Error des Portfolios wie folgt errechnen (Kim et al. 2000): (7.13) TE D .“Pf=I 1/¢rI2 C ¢"2 mit “Pf/I = Beta des Portfolios relativ zum Index ¢rI2 = Varianz des Index ¢"2 = Residualvarianz, also jene Schwankung, die nicht aus dem Markt kommt I Definition Der Tracking Error ist die Standardabweichung der Renditedifferenzen zwischen Portfolio und Benchmark-Index. Er misst das aktive Risiko des Portfolios gegenüber der Index-Benchmark (Abschn. 3.3.2.2).
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Derivate als Informationsquelle
Die Zerlegung in der folgenden Gleichung zeigt, dass die Schwankung des Index als ein zentrales Element in die Gleichung eingeht und die Höhe des Tracking Error maßgeblich mitbestimmt: q 2 2 C ¢BM 2¡Pf,BM ¢Pf ¢BM (7.14) TE D ¢Pf mit TE 2 ¢Pf 2 ¢BM ¡Pf,BM
= Tracking Error = Varianz des Portfolios = Varianz der Benchmark = Korrelation Portfolio/Benchmark
Es ist einfach ersichtlich, dass man eine bessere Schätzung für den Tracking Error erhält, wenn man eine genauere Prognose für die erwartete Volatilität des Index in die Formel einsetzt. Dabei muss man sich nur vor dem Schnellschuss hüten, direkt die implizite Volatilität zu quadrieren und in die Formel einzusetzen. Da die implizite Volatilität eine Prämie beinhaltet, würde die Volatilitätsschätzung des Index und damit der erwartete Tracking Error in der Regel zu hoch ausfallen (Abschn. 4.4.2, siehe „Spread implizite/historische Volatilität“, und Abschn. 7.2.1). Diesen Faktor kann man beispielsweise berücksichtigen, indem man die errechnete implizite Volatilität des Index um die durchschnittliche Volatilitätsrisikoprämie reduziert. Darüber hinaus macht es Sinn, diesen Wert mit den aktuell am Markt beobachtbaren realisierten Volatilitäten abzugleichen. So bekommt man durch diese Überlegungen in jedem Fall ein erhöhtes Bewusstsein und vielleicht gar ein besseres Gefühl für das aktuell am Markt vorherrschende Risiko und für das Abweichungsrisiko des eigenen Portfolios. Mit diesem Bewusstsein im Hintergrund, kann man zum Beispiel auch einfach und schnell überschlagen, inwieweit Ergebnisse, die man aus komplexeren Risikomodellen erhält, plausibel sind. In einem zweiten Schritt kann und sollte der Portfoliomanager sich fragen, welche Komponenten eines Index sich wie entwickeln werden, wo also die Chancen und Risiken verborgen liegen. Entsprechend wird er sein Portfolio (relativ zum Index) ausrichten. Diese Komponenten des Index sind die Risikofaktoren Branche, Land und Einzeltitel. Hintergrundinformation Die Bedeutung der Branche für das Risikoprofil übersteigt mittlerweile die des Landes [vgl. hierzu beispielsweise Ametistova et al. (2002) oder Hauser und Vermeersch (2002), die auch einen Literaturüberblick zu diesem Thema liefern].
Durch Multiplikation der Gewichtung der Komponente mit ihrer erwarteten Volatilität ergibt sich ein Maß für den Risikobeitrag dieser Komponente. Damit können Aussagen von der Form „Man kann mit 33 % Wahrscheinlichkeit erwarten, dass SAP den DAX im nächsten Jahr um zehn Prozent bewegen wird“ getroffen werden. Wohlgemerkt ist dabei nicht von der Richtung die Rede. Es geht ausschließlich um das Risikopotenzial, den Index zu bewegen.
7.3 Verbessertes Portfoliomanagement
629
Hintergrundinformation Der Prozentwert liegt als absoluter Wert über dem tatsächlich zu erwartenden Risikobeitrag, da der Diversifikationseffekt ignoriert wird. Dennoch ergibt diese Analyse ein Maß für das relative Komponentenrisiko und kann durch Berücksichtigung der Korrelation so modifiziert werden, dass auch die gewünschte Höhe des absoluten Risikobetrags ermittelt werden kann.
Ebenso kann ein Portfoliomanager abschätzen, wie hoch das Risiko einzelner aktiver Wetten in seinem Portfolio relativ zu einem Index ist. Er kann beispielsweise zu dem Schluss kommen, dass mit einem Drittel Wahrscheinlichkeit eine fünf Prozent Untergewichtung der SAP in seinem Portfolio zu einer (positiven oder negativen) aktiven Performance von vier Prozent gegenüber dem Index führen kann. Für Stock Picker und Sektorrotierer bestimmt die Korrelation entscheidend, wie leicht oder schwer es für sie ist, ihre Fähigkeiten in Outperformance umzumünzen. In einem Umfeld mit niedriger Korrelation fällt es ihnen leichter, Werte und Branchen zu finden, die deutlich unterschiedliche Kursverläufe aufweisen und sich auch klar von der Performance des Index abheben. Stock Picking Alphas können in solchen Phasen leichter verdient werden (Hill und Tsu 1998). Natürlich wirken, neben dem Können des Portfoliomanagers und der Korrelation, noch weitere Faktoren, die die Generation positiver Alphas beeinflussen. Beispielsweise tun sich aktive Manager sowohl in fallenden Märkten als auch in Phasen, in denen niedriger kapitalisierte Aktien Blue Chips outperformen, leichter, den Index zu schlagen. Umgekehrt ist der Stock Picker in Phasen hoher Korrelation gezwungen, seine Aktieneinschätzung über eine größere Wette umzusetzen, um eine Outperformance in gleicher Höhe zu erzielen. Diese Art der Betrachtung verbessert den bisherigen Blick auf Indexrisiken wesentlich. Bislang wurde das Risiko einzelner Indexkomponenten oftmals proportional zu ihrem Gewicht im Index gesehen. Durch die Verknüpfung des Gewichts mit dem erwarteten Risiko des Segments kommt der Portfoliomanager zu einem deutlich besseren Verständnis der Risikoquellen in seinem Portfolio. Das gilt sowohl aus absoluter Sicht als auch relativ zu einer Index-Benchmark. So wird beispielsweise klar, dass auch ein relativ kleiner Sektor eines Index eine größere Risikoquelle darstellen kann als ein höher gewichteter Sektor, weil der kleinere eine deutlich höhere Volatilität aufweist. Beispielsweise waren per Ultimo 2001 die Erwartungen für den MSCI USA dergestalt, dass in der Tat die beiden am höchsten gewichteten Titel GE und Microsoft auch die größten Risikoträger darstellten. Als Nummer drei und vier in Termini Risiko konnten jedoch Intel und Cisco identifiziert werden, die hinsichtlich ihrer Indexgewichtung nur auf Platz sieben und 13 rangierten (Bowler et al. 2002). Und auch für die zweite Komponente dieser Art der Risikobetrachtung, das Beta, liefern die in Optionen enthaltenen Markterwartungen einen Mehrwert. Alscher und Graham (2011) vergleichen die Laufzeitenstruktur bzw. die komplette Oberfläche der Struktur der impliziten Volatilität einer Aktie mit derjenigen des Index. Daraus errechnen sie die Beta-Erwartungen des Markts über die Zeit. Im Vergleich mit aus der Historie abgeleiteten
630
7
Derivate als Informationsquelle
Betas schneiden die optionsbasierten Schätzer besser ab. Die hohe Qualität der über die impliziten Varianzen geschätzten Aktienbetas bestätigen auch Baule et al. (2013). Verbindet man diese Betrachtung mit einer Analyse der Korrelationen zwischen den Risikokomponenten, lässt sich darüber hinaus feststellen, ob ein hohes Risiko aus dem hohen Risiko der Einzelpositionen resultiert oder aus der hohen Korrelation zwischen einzelnen Komponenten. Komponenten, die isoliert betrachtet nur ein mittleres oder geringes Risiko aufweisen, können kumuliert zu einer großen Risikoquelle zusammenwachsen, weil sich durch die hohe Korrelation nur geringe Diversifikationseffekte ergeben. Dieser Blick unter die Oberfläche der Indexvolatilität liefert dem Portfoliomanager auch wichtige Hinweise auf Möglichkeiten zur Verbesserung der Performance und weist ihn auf Gefahrenherde in seinem Portfolio hin. So ist eine sinkende Korrelation ein Alarmsignal für korrelationsbasierte Anlageideen, zum Beispiel Long/Short-Positionen, die auf stabile Korrelationen angewiesen sind. Auch abgesicherte Positionen müssen bei sich verschiebenden Korrelationen genaueren Untersuchung unterzogen werden. Besonders brisant ist für abgesicherte Positionen ein Rückgang der Korrelation, da dadurch das Residualrisiko steigt. Insbesondere bei Cross Hedges (Abschn. 3.5.5), bei denen abzusicherndes Portfolio und Underlying des Hedge-Instruments voneinander abweichen und die auf hohe und vor allem stabile Korrelationen angewiesen sind, ist erhöhte Vorsicht geboten. Der vorausschauende Portfoliomanager hat diese Absicherungen hoffentlich Stresstests unterzogen, in denen er verschiedene Varianten für die Korrelation durchgespielt hat. Je nach Ergebnis dieser Stresstests und seiner Einschätzung zur Wahrscheinlichkeit des Eintreffens der unterschiedlichen Szenarien, kristallisieren sich vorteilhafte und weniger vorteilhafte Absicherungspositionen heraus. Die Entwicklung der Korrelation liefert auch entscheidende Eckpunkte, wenn sich der Portfoliomanager entscheiden muss, ob er eine bestimmte Idee über eine Indexoption oder eine Reihe von Aktienoptionen umsetzt (Abschn. 3.1.1, siehe „Vertiefung: Einzelner Kontrakt oder Kontraktportfolio?“). Nehmen wir an, er geht davon aus, dass der Aktienmarkt steigt und die Korrelation sich gleichzeitig zurückbildet. Bei abnehmender Korrelation wird die implizite Volatilität der Indexoption durch die risikomindernde Wirkung der erhöhten Diversifikation abnehmen und den Optionspreis negativ beeinflussen. Er wird daher eher zum Kauf von Calls auf mehrere Einzeltitel tendieren. Ergänzend könnte er auch Index-Puts schreiben, um vom steigenden Markt und der rückläufigen impliziten Volatilität zu profitieren und den Kauf der Calls teilweise zu finanzieren. Die Beobachtung der Risikozusammensetzung sollte stets über die Zeit verfolgt werden, da sich so Verschiebungen erkennen lassen, die das Verständnis für Marktzusammenhänge deutlich verbessern (Nielsen 2006).
7.4 Prognose von Credit Spreads
7.3.2
631
Verbesserung des operativen Managements von dynamischen Strategien
Eine präzise Vorstellung über die zu erwartende Schwankungsintensität des Marktes ist auch für das Management dynamischer Sicherungsstrategien äußerst wertvoll. Statische Sicherungsstrategien wie der Protective Put schreiben bereits zu Beginn der Absicherung die Kosten in Höhe der bezahlten Put-Prämien fest (Abschn. 3.3.2.5.1). Sie bezahlen die implizite Volatilität. Strategien wie die Constant Proportion Portfolio Insurance (CPPI) oder das Delta Hedging realisieren die Versicherungsprämie erst im Laufe ihrer Anwendung (Abschn. 3.4). Durch den permanenten Auf- und Abbau von Exposure wird die Versicherungsprämie in Abhängigkeit von der Marktschwankung, das heißt der realisierten Volatilität, bezahlt. Ihre Höhe ist erst im Nachhinein quantifizierbar. Die genaue Handhabung dieser Strategien ist im praktischen Tagesgeschäft in starkem Maße davon abhängig, ob ein hohes oder niedriges Maß an Marktbewegung erwartet wird. Entsprechend werden Anpassungsintervalle und Toleranzgrenzen für diese Strategien definiert. Hintergrundinformation Wie diese Informationen konkret in eine dynamisch gesicherte Position eingebaut werden, ist in Abschn. 3.1.9 dargestellt.
Verbesserte Schätzer zur künftigen Schwankung des Marktes tragen dazu bei, dass dynamische Sicherungsstrategien effizienter umgesetzt werden können. So kann durch die Aufnahme von Risikoschätzern bei Wertsicherungsstrategien sowohl das Risiko in Form der Standardweichung des Vermögens als auch in Form der Wahrscheinlichkeit, die Wertuntergrenze zu verletzen, reduziert werden (Johanning et al. 2009). Aber auch andere dynamische Risikokontrollstrategien können durch Risikoprognosen verbessert werden, beispielsweise Ansätze, die darauf ausgelegt sind, bestimmte Volatilitäten nicht zu überschreiten, sogenannte Constant Volatility Strategies. Risikoparitätische Produkte, die darauf abzielen, dass die einzelnen Bestandteile des Portfolios den gleichen Beitrag zum Portfoliorisiko liefern, profitieren ebenfalls von verbesserten Risiko- und Korrelationsschätzungen, da die Portfolios stabiler sind und somit seltener und in geringerem Umfang adjustiert werden müssen.
7.4 Prognose von Credit Spreads Auch auf den Credit-Märkten liefert die Betrachtung von Derivaten nützliche Informationen. Nicht von ungefähr lautet der Titel der Arbeit, der wir die Black-Scholes-Formel verdanken „The Pricing of Options and Corporate Liabilities“ (Black und Scholes 1973). Auch Optionspionier Robert Merton (1974) hat hierfür maßgebliche Grundlagenarbeit geleistet. Er zeigt in einer einfachen Herleitung, dass eine Unternehmensanleihe in eine
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7
Derivate als Informationsquelle
sichere Anleihe und einen Short Put auf die Assets des Unternehmens aufgeteilt werden kann. Ausgangspunkt ist eine Firma mit einer einfachen Kapitalstruktur, die sich aus Aktien und Schulden in Form einer vom Unternehmen emittierten Anleihe zusammensetzt. Bei Fälligkeit erhält der Anleiheinhaber in der Regel den Nominalwert der von ihm gehaltenen Anleihe zurück. Sollte das Unternehmen zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in der Lage sein, dieses Geld aufzubringen, werden die Ansprüche des Gläubigers aus dem Liquidationserlös der Vermögensgegenstände des Unternehmens befriedigt. Er hat also die Hand auf den Vermögensgegenständen des Unternehmens, ist somit Long in den Assets. Gleichzeitig hat er einen Call auf diese Assets geschrieben, wobei der Basispreis die Höhe der Schulden ist. Der Counterpart des Anleiheinhabers ist der Aktionär. Durch die Optionsbrille gesehen ist er Besitzer eines Long Call auf das Vermögen eines Unternehmens. Sobald der Unternehmenswert größer ist als der Betrag, der zur Tilgung der Schulden benötigt wird, steht dieses Vermögen dem Aktionär zu. Die Put-Call-Parität sagt uns, dass eine Kombination aus Long Underlying und Short Call einer risikolosen Anlage kombiniert mit einem Short Put entspricht (Abschn. 2.4.3). Formelhaft ausgedrückt entspricht der Wert einer Unternehmensanleihe (U) dem Minimum aus dem Nominalwert der Anleihe, der den Schulden (S) entspricht und dem Wert der Assets (A) des Unternehmens (eine formale Überleitung zwischen „Anleihenwelt“ und „Optionswelt“ findet sich in Hagenstein et al. 2006). U D min.S; A/ (7.15) U D S C min.A S; 0/
(7.16)
U D S max.S A; 0/
(7.17)
beziehungsweise
I
Wichtig Damit erhält man die Bewertungsbeziehung, dass sich eine Unternehmensanleihe aus einer risikolosen Anleihen, die auf jeden Fall den Wert der Schulden bedient, und einer Short Put-Position auf die Assets des Unternehmens zusammensetzt.
So erklärt sich optionspreistheoretisch der intuitiv einleuchtende Zusammenhang, dass man als Anleger zwar beim Kauf von Aktien in Eigenkapital, beim Erwerb von Unternehmensanleihen in Fremdkapital investiert, in beiden Fällen jedoch im Gegenzug Unternehmensrisiko aufnimmt. Je mehr die Aktie schwankt, desto unsicherer scheint die Einschätzung der zukünftigen Geschäftsentwicklung zu sein, die gleichzeitig maßgeblicher Faktor für die Fähigkeit des Unternehmens ist, seine Schulden zu bedienen. Die steigende Volatilität ist gut für den Besitzer des Long Call, da seine Position an Wert gewinnt. Sie steigert ebenfalls den Wert des Put. Da der Anleiheinhaber aber Short in diesem Put ist, sinkt der Wert seiner Position bei steigender Volatilität. Im Anleihevokabular bedeutet dies, dass sich bei steigender Volatilität der Spread ausweitet, weil die Bedrohung für eine ordnungsgemäße Rückzahlung steigt. Steigt hingegen der Unternehmenswert, engt sich der Spread ein, weil die Besicherung der Anleihe sich
7.4 Prognose von Credit Spreads
633
erhöht. Steigt der Wert des Unternehmens sehr stark (der Short Call läuft immer tiefer ins Geld), reagiert der Spread kaum noch, da die Wahrscheinlichkeit, dass er ausgeübt wird, sich nahe 100 % befindet (das Gamma ist extrem niedrig; Abschn. 2.4.5.3). Den größten Einfluss hat die Volatilität dann, wenn der Firmenwert und der Wert der Schulden gleich sind (Stichwort „Vega“, Abschn. 2.4.5.5). Dann liegt der Wert des Aktienvermögens bei null. Die Option notiert am Geld. Das Ausfallrisiko kann also über den Preis der Option abgegriffen werden, der von der Höhe des Firmenwerts (Preis des Underlying) und Schulden (Basispreis der Option) des Unternehmens, dem Zinsniveau, der Laufzeit der Schulden und der Volatilität des Firmenwerts abhängt. Leider kann die Volatilität des Firmenwerts nicht hochfrequent direkt beobachtet werden. Dieser ist maßgeblich davon abhängig, inwieweit die Assets durch die Aufnahme von Fremdkapital gehebelt werden. Galai und Masulis (1976) stellen den formellen Zusammenhang zwischen Fremdkapitalfinanzierung und Aktienrisiko dar. Bleibt das Risiko aus der Geschäftstätigkeit gleich, so steigt das Aktienrisiko mit steigender Fremdkapitalfinanzierung, da dies mit dem erhöhten Risiko einer Zahlungsunfähigkeit einhergeht. Dieser Zusammenhang wird von einer Reihe von Studien bestätigt und auch auf den Operational Leverage ausgedehnt (Operational Leverage bezieht sich auf den Umstand, dass Fixkostenblöcke im Falle eines Nachfragerückgangs nicht kurzfristig zurückgefahren werden können. Schwert 1989; Ferguson 1994; Franks und Schwartz 1988; Schwert 1997). Der Effekt reduziert sich jedoch bei gut diversifizierten Portfolios. Als direkt beobachtbare Größe wird die Volatilität des Firmenwerts über die Volatilität des Aktienkurses angenähert, wobei klar ist, dass die Aktienvolatilität auch über externe Faktoren von Angebot und Nachfrage beeinflusst werden. Für diese Approximation wird zumeist die implizite Volatilität eingesetzt, die zu etwas besseren Ergebnissen führt als die historische Volatilität (Boldt-Christmas 2002a). Darüber hinaus kann die zusätzliche Berücksichtigung von Informationen aus der kompletten Volatilitätsstrukturkurve zu einer weiteren Ergebnisverbesserung führen (ebenda). Daher gehören implizite Volatilitäten mittlerweile zum Standardrepertoire für die Prognose von Credit-Spreads. Auch stehen sie den Anleihe-Ratings in nichts nach, wenn es darum geht, die Entwicklung der Anleiherenditen zu erklären (Campbell und Taksler 2002) und stellen so eine echte Bereicherung für den Manager von Unternehmensanleiheportfolios dar (Rubino 2002). Der enge Zusammenhang zwischen Aktien- und Kreditrisiko existiert auch auf Indexebene und kann demzufolge auch beim Management der Asset-Klassen unterstützen (Abb. 7.23). Aber auch in umgekehrter Richtung ist das Verständnis, dass Aktienvolatilitäten und Unternehmensanleihe-Spreads teilweise die gleichen unterliegenden Faktoren reflektieren, hilfreich. Denn der Aktienmanager kann eben auch aus der Analyse der SpreadEntwicklung Rückschlüsse auf den Wert einer Aktienoption ziehen. Dazu kann er simulieren, wie sich eine Änderung in der Kapitalstruktur auf die implizite Aktienvolatilität auswirkt und so den vollständigen Skew schätzen (Kassam 2003). Diese Kenntnis ist insbesondere dann wertvoll, wenn es keinen oder nur einen sehr illiquiden Optionsmarkt für die Aktie gibt, der keine oder keine verlässlichen Optionspreise weit im oder aus dem Geld liefert. Über die Betrachtung der Kapitalstruktur können außerdem Optionen von
7
Abb. 7.23 Implizite Einjahresvolatilität (S&P 500; wöchentliche Daten 2001– 2005) und CDS-Sätze (5 Jahre). (Quelle: Ypsilanti 2005)
5-Year CDX.NA.IG CDS
634
Derivate als Informationsquelle
y = 0.001e11.292x R2 = 85%
1-Year SPX Index Implied Volatility
aneinander beteiligten Firmen und Holdings gepreist werden. Darüber hinaus gibt es immer wieder Fälle, in denen sich zuerst die Credit Spreads ausweiten, bevor Bewegung in den Aktienkurs kommt, sodass die Beobachtung des Unternehmensanleihemarktes als Frühwarnsystem für den Aktieninvestor dienen kann (Boldt-Christmas 2002). Je mehr sich die Erkenntnis vom Zusammenhang zwischen Credit Spread und Aktienvolatilität durchgesetzt hat, desto mehr traten sich selbst verstärkende Effekte auf den Plan. Organisatorisch hat sich der Austausch zwischen Aktien- und Unternehmensanleihespezialisten verstärkt. Gleichzeitig hat die Aktienvolatilität als Faktor in der Bewertung von Credit Spreads in Modellen respektive kommerziellen Programmen Einzug gehalten. Dies wiederum hat der Kapitalstruktur-„Arbitrage“ als Anlagestrategie weiteren Auftrieb gegeben.
7.5
Konstruktion einer performance-abhängigen Vergütung
Um einen Vermögensverwalter für seine Arbeit zu bezahlen, gibt es im Wesentlichen drei Modelle am Markt: Die am weitesten verbreitete Variante ist die volumensabhängige Bezahlung. Dabei beträgt die Verwaltungsvergütung einen bestimmten Basispunktesatz des verwalteten Vermögens. Bei einem verwalteten Volumen von 100 Mio. C und einem Vergütungssatz von 30 Basispunkten (0,30 %) erhält der Vermögensverwalter also 300.000 C jährlich. Steigt das Volumen auf 110 Mio. C, stehen ihm 330.000 C zu. Selbstverständlich gibt es Varianten dieser Grundform wie volumensgestaffelte Vergütungen, bei denen mit steigendem Volumen der Basispunktsatz sinkt, zum Beispiel, indem man für die ersten 100 Mio. C 0,30 % ansetzt, für die nächsten 100 Mio. C aber nur noch 0,25 % usw. Weit verbreitet ist ebenso die Kombination einer volumensabhängigen Gebühr mit einer Gebührenuntergrenze, die greift, falls das Mandat bestimmte Volumensgrenzen unterschreitet. Damit stellt der Vermögensverwalter sicher, dass eine kostende-
7.5 Konstruktion einer performance-abhängigen Vergütung
635
ckende Mindesteinnahme generiert wird, auch wenn der Kunde Mittel aus der Anlage nehmen sollte. Alternativ dazu gibt es die Möglichkeit, einen festen, vom Volumen unabhängigen Euro-Betrag auszuhandeln. Dahinter steht die Überlegung, dass der Vermögensverwalter den gleichen Aufwand betreiben muss, egal wie hoch das ihm anvertraute Vermögen ist. Eine dritte Grundform der Gebührengestaltung beinhaltet eine performance-abhängige oder erfolgsabhängige Vergütung (EAV). Bei dieser wird zunächst die volumensabhängige Grundgebühr abgesenkt, um nur die Fixkosten für den Betrieb zu decken. Im Gegenzug wird der Vermögensverwalter leistungsabhängig an der Wertentwicklung des Portfolios beteiligt. Facettenreich ist nun die Antwort auf die Frage, woran genau der Portfoliomanager beteiligt wird. Grundsätzlich teilt sich die Ausgestaltung in zwei Stoßrichtungen, die des Anlegers, bei dem die absolute Renditebetrachtung im Vordergrund steht und diejenige des Anlegers, der Erfolg relativ zu einer sich bewegenden Größe definiert. Der absolut orientierte Investor macht Erfolg oder Misserfolg an der absoluten Wertentwicklung fest und ist bereit, als Kompensation für eine abgesenkte Grundverwaltungsgebühr, den Vermögensverwalter am absoluten Ergebnis des ihm anvertrauten Portfolios zu beteiligen. Eine solche Ausrichtung nennt man deterministisch. Für die Messlatte, anhand derer gemessen wird, ob das Ziel erreicht wurde oder nicht, hat sich der Begriff Benchmark eingebürgert. Die Höhe dieser Zielvorgabe steht zum Zeitpunkt der Auftragserteilung bereits fest. Ab welcher Höhe die Beteiligung erfolgt, ist Verhandlungssache. In der Regel wird es dazu nicht genügen, nur das nominale Kapital zu erhalten – es sei denn, die risikolose Verzinsung wäre negativ. Sinn zu machen beginnt eine derartige Regelung also erst ab dem Erreichen der risikolosen Verzinsung. Liegt der Betrachtungshorizont beispielsweise bei einem Jahr, könnte man die Rendite einer einjährigen Bundesanleihe als Schwellenwert definieren. Alternativ dazu könnte man die Inflationsrate heranziehen. Das macht insbesondere für Anleger Sinn, die ihr Kapital auch real erhalten müssen, wie einige Stiftungen. Mitunter liegt diese Zielgröße sogar oberhalb der risikolosen Verzinsung, sei es, weil die Inflationsrate sehr hoch oder die risikolosen Zinsen sehr niedrig sind. Eine ausgedehnte Periode negativer Realzinsen gab es beispielsweise in der Folge der Finanzkrise(n) ab 2008. Dabei wird man sich aber zwangsweise damit begnügen müssen, die Inflationsrate des vergangenen Jahres als Zielwert auszugeben, da nur diese zum Zeitpunkt der Auftragserteilung bekannt ist. Ein weiterer logischer Schwellenwert wäre ein Sollzinssatz, den der Anleger verdienen muss, um seine Verpflichtungen zu bedienen. Erfahrungsgemäß liegt dieser mehr oder weniger weit oberhalb der risikolosen Verzinsung. Manchmal ist auch schlicht und einfach der Wunsch Vater des Gedankens, insofern als ein Anleger einen bestimmten Schwellenwert ansetzen möchte, den er sich vorstellt erzielen zu können („Ich will einfach vier Prozent und glaube, dass diese auch machbar sind.“). Oft rührt eine derartige Zahl aus einem branchenüblichen Durchschnitt her, sei es, dass dieser tatsächlich in einer offiziellen Statistik veröffentlicht oder auch nur im Rahmen von Branchengesprächen kolportiert wird.
636
7
Derivate als Informationsquelle
Eine Beteiligung an der absoluten Performance findet sich häufig in der Hedge-FondsBranche in Form oder als Variante der berühmten 2/20-Regel. Es gab Phasen, in denen es üblich war, dass ein Hedgefonds zwei Prozent Grundvergütung auf die verwalteten Mittel und zusätzliche eine Beteiligung von 20 % an der erzielten (positiven) Performance forderte und erhielt. Mittlerweile sind die Gebührenregelungen etwas flexibler – allerdings in beide Richtungen. Manager mit einem guten Track Record, die sich vor Mittelzuflüssen kaum retten können, nehmen auch schon mal einen Aufschlag auf die 2/20. Natürlich haben all diese deterministischen Ziele den Nachteil, dass sie unabhängig sind vom Geschehen an den Finanzmärkten, die dafür sorgen, dass das Erreichen der Zielvorgabe in manchen Jahren zum Kinderspiel und in anderen vollkommen unmöglich wird. Diesen Nachteil adressieren Bezugsgrößen, die umweltabhängig sind. Bekannteste Vertreter dieser Kategorie sind Kapitalmarktindizes, Kombinationen daraus oder maßgeschneiderte Vergleichsportfolios (Index Benchmarks). Als weitere Ausprägung dieser stochastischen Zielmarken finden sich in der Praxis Peer Group-Vergleiche, bei denen sich die Leistung des Portfoliomanagers daran bemisst, wie er sich gegenüber ähnlich gelagerten Mandaten geschlagen hat. Allerdings sind Benchmarks aus Kapitalmarktindizes deutlich häufiger anzutreffen. Während stochastische Benchmarks gegenüber deterministischen den Vorteil haben, dass sie die Situation in der realen Welt der Finanzmärkte berücksichtigen, lassen sie das erzielte absolute Ergebnis außen vor. Verliert ein Aktienindex, der als Vergleichsmaßstab definiert wurde, 50 %, hat ein Aktienportfoliomanager, der mit seinem Mandat nur 40 % verliert, einen Mehrwert von zehn Prozent erzielt, auch wenn der Kunde dennoch einen erheblichen Vermögensverlust erleidet. Für den Vermögensverwalter sind performanceabhängige Vergütungsbestandteile also insofern von Vorteil, als sie den Kunden zwingen, sich bei Mandatserteilung Gedanken zu machen und Entscheidungen zu treffen, worin genau der Anlageauftrag besteht und wie er Erfolg und Misserfolg zu messen gedenkt. Dies sollte bei jedem Mandat, egal mit welcher Vergütungsregelung, der Fall sein. Die Praxis zeigt aber, dass dadurch, dass das Thema mit einer performance-abhängigen Vergütung finanziell hinterlegt ist, die Überlegungen und Diskussionen im Vorfeld einer Mandatsvergabe ernsthafter und verbindlicher ausfallen. Bei der stochastischen Gestaltung der performance-abhängigen Vergütung ist es dann auch möglich, die ex-post eingetretene Inflationsrate als Zielvorgabe zu formulieren. Diese ist, im Gegensatz zur weiter oben skizzierten deterministischen Ausgestaltung ihrer Höhe nach bei Auftragserteilung noch nicht bekannt, sodass der Portfoliomanager auch hier gegen einen sich bewegenden „Widersacher“ ankämpft, von dem er sich im Verlauf immer wieder vergewissern muss, wo er aktuell eigentlich steht. Im Falle der inflationsgekoppelten Zielmarke stellt dies kein großes Problem dar. Wesentlich schwieriger ist für den Portfoliomanager der Antritt gegenüber einer Peer Group. In diesem Fall hat er keine Transparenz, wie die Peers agieren, in welchem Umfang sie in welcher Asset-Klasse Risiken eingehen und welches Gesamtrisiko sie fahren. Erst im Nachhinein erhält er die Information, welches Ergebnis diese Vergleichsgruppe erzielt hat. Dann hat er aber keine Möglichkeit mehr, sich zeitnah an diesem Ziel zu orientieren. Dies ist bei Index-Bench-
Verwaltungsvergütung
7.5 Konstruktion einer performance-abhängigen Vergütung
637
Partizipationsschwelle Basisgebühr
Partizipationsrate
Portfoliovermögen
Abb. 7.24 Deterministische erfolgsabhängige Vergütung
marks nicht der Fall, da hier eine hohe Transparenz über die Zusammensetzung gegeben ist, der Portfoliomanager als immer genau weiß, wo er steht. Es ist ziemlich einfach ersichtlich, dass eine performance-abhängige Verwaltungsvergütung sehr viel mit Optionen zu tun hat. Der einfachste Fall ist die Konstruktion, dass die Grundvergütung gegenüber einer rein volumensabhängigen Verwaltungsvergütung abgesenkt wird. Als Ausgleich erhält der Vermögensverwalter eine prozentuale Beteiligung an der Outperformance gegenüber einer deterministischen Benchmark (Abb. 7.24). Diese könnte zum Beispiel in Form einer festen Performancevorgabe „Übertreffe die risikolose Verzinsung von einem Prozent“ formuliert sein. Diese Schwelle, ab der die Vergütung zu greifen beginnt, wird oft als Hurdle Rate bezeichnet. Wie die typische Hockeystick-Form des Auszahlungsprofils nahelegt, ist das offensichtlich nichts anderes als ein Long Call mit einem Basispreis (B) von 101 %. Der Basispreis entspricht bei einer performance-abhängigen Gebühr der Hurdle Rate bzw. der High Water Mark. Die High Water Mark markiert, bildlich gesprochen, den Wasserstand des letzten Hochwassers. Im Falle einer performance-abhängigen Vergütung ist dies ein einmal erreichter Höchststand in der Performance. Erst beim Überschreiten dieses Werts lebt die Performance Fee wieder auf. Dabei kann es sich in einer absoluten Betrachtung um das All-time High der absoluten Performance handeln. Ebenso kann die Gebühr im relativen Fall so ausgestaltet sein, dass eine Outperformance Fee erst dann anfällt, wenn die Outperformance seit Beginn der Regelung positiv ist. Anders ausgedrückt: Erst muss eine etwaig aufgelaufene Underperformance wieder aufgeholt sein, bevor die Outperformance-Gebühr werthaltig wird. Dieser Call wird durch eine Optionsprämie in Höhe der Absenkung der Grundvergütung bezahlt wird. Der Wert dieser Option kann durch den Black-Scholes-Ansatz berechnet werden (Abschn. 2.4.3; Reichling 2002). C D K N.d1 / B erf t N.d2 /
(7.18)
638
7
Derivate als Informationsquelle
mit K B rf t N(d1,2 ) d1 d2
= Kurs Underlying = Basispreis (Strike) = Risikoloser Zinssatz = Restlaufzeit in Jahren = Kumulierte Dichtefunktion der Normalverteilung ¢2 ln. K C r C t f B/ 2 p = ¢ p t = d1 ¢ t
Beispiel
Nehmen wir an, wir sprechen über ein Mandat im Volumen von 100 Mio. C (K) mit einer Volatilität von zehn Prozent. Die Betrachtungsperiode beträgt ein Jahr. Eingesetzt in die Black-Scholes-Formel ergibt sich ein Wert für den Call von 3.987.761 C. Nun wird die rein volumensabhängige Vergütung (VVVolumen ) von 700.000 C abgesenkt auf eine Basisvergütung (VVBasis ) von 175.000 C plus eine Beteiligung an der Outperformance gegenüber dem oben genannten risikolosen Zins. Dann muss die Kombination aus Basisvergütung zuzüglich der variablen Komponente der volumensabhängigen Vergütung entsprechen. Letztere setzt sich zusammen aus dem Wert des Call und der Partizipation (VVP % ) an dessen Wert: VVVolumen D VVBasis C VVP % Call
(7.19)
Setzt man die Euro-Beträge ein und löst nach der Partizipationsrate auf, errechnet sich ein Break-even-Wert von rund 13 %. Bei dieser Partizipationsrate ist der Erwartungswert in beiden Gebührenmodellen für den Vermögensverwalter gleich hoch. Bei diesem Gleichgewicht beträgt die Risikoprämie für den Verwalter, der sich bei der variablen Vergütung einer erhöhten Unsicherheit ausgesetzt sieht, jedoch null. Erfolgsabhängige Vergütungsregelungen auf stochastische Benchmarks kann man nicht mit der Black-Scholes-Formel bewerten. Um die sich verändernde Benchmark in den Griff zu bekommen, muss man eine Variante, die allgemeinere Margrabe-Formel für die Bewertung von Exchange Options (Austauschoptionen; Abschn. 2.4.3, 6.4.2.5, siehe „Basket Options“), einsetzen. E D K N.d1 / B N.d2 / mit 2
ln. K C ¢2 t B /p ¢ t p
d1
=
d2
= d1 ¢
t
(7.20)
7.5 Konstruktion einer performance-abhängigen Vergütung
¢2 ¢ ¢K ¢ BM ¡K,BM
639
2 = ¢K2 C ¢BM 2 ¢K ¢BM ¡K,BM = Tracking Error zwischen Portfolio und Benchmark = Volatilität der Rendite des Portfolios = Volatilität der Rendite der Benchmark = Koeffizient der Korrelation zwischen Portfolio und Benchmark
Beispiel
Zur Illustration ersetzen wir die Benchmark in Form einer einprozentigen Mindestverzinsung aus dem vorherigen Beispiel durch einen Index, den es zu schlagen gilt. Dieser weist eine Volatilität von acht Prozent auf, und die Korrelation zwischen Portfolio und Index liegt bei 0,90. In dieser Konstellation beträgt die faire Partizipationsrate knapp 20 %. An dieser Stelle ein Wort zur Sinnhaftigkeit von performance-abhängigen Verwaltungsvergütungen. Befürworter einer solchen Regel führen ins Feld, dass dadurch die Ziele des Portfoliomanager mit denen des Mandanten (eine möglichst gute Wertentwicklung) gekoppelt werden. Es ist aber durchaus umstritten, ob diese Reduzierung des sogenannten Agency Problems (Das Agency Problem bezeichnet den Umstand, dass die Beteiligten unterschiedliche Ziele haben. Der Mandant möchte ein möglichst gutes Kapitalanlageergebnis (nach Kosten), der Vermögensverwalter möglichst viel Geld verdienen.) tatsächlich zu besseren Ergebnissen führt. In der Praxis habe ich noch keinen Portfoliomanager erlebt, der sich im Angesicht einer ergebnisabhängigen Vergütungskomponente mehr Mühe gegeben oder gar einen besseren Investment-Ansatz eingesetzt hätte, der ausschließlich variabel vergüteten Mandaten vorbehalten ist. Natürlich kann die Vereinbarung einer erfolgsabhängigen Vergütung auch im Interesse des Vermögensverwalters liegen. Beispielsweise kann ein Manager, der noch keine lange Erfolgshistorie aufweisen kann, eine solche Regelung anbieten, um zu demonstrieren, dass er so viel Vertrauen in sein Können hat, dass er bereit ist, ein betriebswirtschaftliches Risiko einzugehen. Darüber hinaus gilt es zu beachten, dass es für den derivatekundigen Portfoliomanager ein Leichtes ist, diese Regelungen ad absurdum zu führen (Reichling 2002). Einerseits könnte er versucht sein, nicht das Beste für seinen Mandanten herauszuholen, sondern den Wert seiner eigenen Option zu erhöhen. Besonders interessant ist dabei die Überlegung, dass eine höhere Volatilität mit einem höheren Optionswert einhergeht. Gerade wenn die Option (weit) aus dem Geld liegt, der Portfoliomanager also hinter der Benchmark liegt, mag eine rationale Vorgehensweise darin bestehen, die Volatilität des Underlying, also den Tracking Error des Portfolios zu erhöhen, um die Wahrscheinlichkeit zu steigern, die Gewinnschwelle doch noch zu erreichen. Ebenso kann der Portfoliomanager bei einer weit im Geld liegenden Option (das Portfolio liegt also deutlich vor seiner Benchmark) auf den Gedanken kommen, das Gamma seiner Position nach unten zu fahren, damit er das hohe Delta seiner Option (die Wahrscheinlichkeit, am Ende eine performance-abhängige Vergütung vereinnahmen zu können) beibehalten kann. Gleichermaßen kann es in der Nähe
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7
Derivate als Informationsquelle
des Basispreises zu ähnlichen, nicht rein outperformance-orientierten Überlegungen kommen, da hier das Gamma der Option am höchsten ist. Die Einführung einer performanceabhängigen Vergütung könnte also durchaus dazu führen, dass ein Portfoliomanager anders am Portfolio agiert als er es ohne diesen finanziellen Stimulus tun würde. „Anders“ kann dann eben auch bedeuten, dass sich dies nachteilig auf den Anleger auswirken kann. Um dieses Benchmark Gaming zu unterbinden, müssten Zusatzklauseln und Einschränkungen in den Verwaltungsvertrag aufgenommen werden. Andererseits ist der Portfoliomanager in vielen Fällen in der Lage, die performanceabhängige Komponente zumindest approximativ abzusichern. Wenn der Vermögensverwalter im einfachen Fall vom Mandaten einen Long Call oder eine Austauschoption als Vergütungsbestandteil erhält, kann er natürlich einen gleichartigen Call/eine Austauschoption verkaufen und sich so neutral stellen. Die Partizipationsrate VVP % gibt nämlich auch an, in welcher Höhe der Vermögensverwalter Calls verkaufen könnte, um sich den Wert der performance-abhängigen Vergütungskomponente zu sichern. Um zu verhindern, dass ein Vermögensverwalter sich absichert, müsste dies ebenfalls vertraglich ausgeschlossen werden. Hintergrundinformation Ein derartiges Verbot, sich gegen erfolgsabhängig gestaltete Vertragsklauseln abzusichern, findet sich auch in der Bankenregulierung in einem ganz anderen Zusammenhang. Viele Führungskräfte bekommen einen Teil ihrer Vergütung in Form von Mitarbeiteraktien und/oder -optionen ausbezahlt. Mit ihnen soll der Mitarbeiter am langfristigen Wertzuwachs des Unternehmens partizipieren. Dieser Anreiz könnte aber durch Derivategeschäfte außer Kraft gesetzt werden. Um zu verhindern, dass dies praktiziert wird, müssen sich die Mitarbeiter verpflichten, keine derartigen Absicherungsmaßnahmen einzusetzen.
Aber auch der Portfoliomanager sollte den Aspekt, dass sein Vertragspartner sich nicht vertragskonform verhält, ins Kalkül ziehen. Finanztechnisch gesprochen erwirbt er von seinem Mandaten einen Call, dessen Wert nicht nur von der Entwicklung des Underlying abhängt, sondern auch von der Bonität des Optionsverkäufers. Diese wird von zwei Faktoren beeinflusst: der Zahlungsfähigkeit und der Zahlungswilligkeit. In der Praxis hapert es hin und wieder an Letzterer. Leider sehen sich Vermögensverwalter immer wieder mit einer mehr oder weniger verschleierten Erpressung konfrontiert, wenn es um die Begleichung der performance-abhängigen Komponente der Vergütung geht. Dann wird er vom Mandanten vor die Wahl gestellt, die Regelung im Nachhinein zugunsten des Mandanten nachzubessern oder „freiwillig“ auf einen Teil der ihm zustehenden Vergütung zu verzichten. Andernfalls droht der Entzug des Mandats. Dieses Bonitätsrisiko gilt es bei der Bewertung der Option und mithin bei der Festlegung der Grundgebühr und/oder der Partizipationsrate zu berücksichtigen. Das eine und/oder andere wird entsprechend der Einschätzung der Zahlungswilligkeit des Mandanten höher ausfallen als bei einer Optionsbewertung ohne Berücksichtigung des Bonitätsrisikos. Wenn man eine performance-abhängige Vergütung erst einmal als Option verstanden hat, sind natürlich bei deren Ausgestaltung der Kreativität erneut keine Grenzen gesetzt.
Verwaltungsvergütung
7.5 Konstruktion einer performance-abhängigen Vergütung
641
2. Partizipationsschwelle 1. Partizipationsschwelle Basisgebühr
Portfoliovermögen
Abb. 7.25 Erfolgsabhängige Vergütung mit unterschiedlichen Beteiligungszonen
Ebenso wie man sich mit „normalen“ Optionen maßgeschneiderte Auszahlungsprofile für Aktien-, Renten- und sonstige Märkte erzeugen kann, kann auch die leistungsabhängige Verwaltungsvergütung sehr individuell ausgestaltet werden. Gängige Varianten sind a) Unterschiedliche Beteiligungszonen Hier erhält der Portfoliomanager gestaffelte Partizipationsraten (Abb. 7.25). Beispielsweise könnte diese recht niedrig beginnen, wenn er das ihm anvertraute Kapital erhält, sich dann steigern, sobald er den risikolosen Zinssatz übertrifft, um schließlich sehr hoch anzusteigen, wenn er eine dem Mandanten vorschwebende Wunschrendite schlägt. In diesem Fall berechnet man nicht nur die Partizipationsrate an einem Long Call, sondern an dreien. Dabei hängen die fairen Partizipationsraten voneinander ab. Werden also für die ersten beiden Schwellen sehr niedrige Werte vereinbart, wird die Beteiligung ab der dritten Schwelle umso höher ausfallen. b) Begrenzte Beteiligung Um zu vermeiden, dass der Portfoliomanager berechtigt ist, dem Mandanten in einem sehr guten Jahr eine außerordentlich hohe Rechnung zu präsentieren, kann der Mandant die maximale Beteiligung begrenzen (Abb. 7.26). Diese Maximalgebühr ist im Optionsvokabular ein Cap und entspricht einem vom Portfoliomanager an den Mandanten verkauften Call aus dem Geld. Die Gesamtposition des Portfoliomanagers ist ein Bull Spread (Abschn. 4.3.3.1). Da die Möglichkeit, in einzelnen Jahren eine hohe Verwaltungsvergütung zu verdienen, durch diese Konstruktion beschnitten wird, sinkt der Erwartungswert für den Portfoliomanager. Um dies zu kompensieren, muss die faire Break-even-Partizipationsrate (der Anstiegswinkel) innerhalb der Partizipationszone natürlich ansteigen. Ein solcher Cap kann durchaus auch im Interesse des Asset Managers liegen, senkt sie doch das eben angesprochene Zahlungsunwilligkeitsrisiko aufseiten des Kunden. Wenn
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Derivate als Informationsquelle
Verwaltungsvergütung
Deckel Partizipationsschwelle Basisgebühr
Portfoliovermögen
Abb. 7.26 Gedeckelte erfolgsabhängige Vergütung
es aus Sicht des Kunden keine zu hohen Auszahlungen im Erfolgsfall gibt, hat der Kunde auch keinen Grund, sich bei der Begleichung der Rechnung quer zu stellen. Das Bonitätsrisiko schlägt sich dann geschäftsbeziehungsfreundlich in einem höheren Partizipationsgrad oder/und einem höheren Cap nieder. c) Verlustbeteiligung Möchte der Mandant den Portfoliomanager noch enger an das Schicksal der Wertentwicklung des Portfolios binden, sollten sich die beiden einmal über die Möglichkeit einer Verlustbeteiligung unterhalten. Während der Long Call einer Standard-Gebührenregelung ein asymmetrisches Chance-Risiko-Profil erzeugt, eröffnet die Verlustbeteiligung den Spielraum, dieses symmetrischer oder gar symmetrisch zu gestalten. Durch die Optionsbrille betrachtet, wird hierbei zusätzlich zum (aus Sicht des Portfoliomanagers) gekauften Call ein Put verkauft bzw. im Falle von Exchange Options einer gekauften eine verkaufte Option gegenübergestellt. Erfolgt die Konstruktion dergestalt, dass diese auf den gleichen Basispreis und die gleiche Partizipation aufgesetzt werden, nimmt der Portfoliomanager im gleichen Ausmaß an Verlusten wie an Gewinnen teil. Hintergrundinformation Die Kombination aus Long Call und Short Put entspricht einer synthetischen Long-Position, die sich bei guter und schlechter Performance im Verhältnis eins zu Partizipationsrate nach oben wie nach unten bewegt. Dies rührt aus der Put-Call-Parität her (Abschn. 2.4.3).
Das kann dazu führen, dass die Verlustbeteiligung die Basisvergütung übersteigt, der Portfoliomanager also Verluste macht, mit denen er die Verluste des Mandanten teilweise ausgleichen muss – eine extreme Ausgestaltung, da der Portfoliomanager hier ein immenses betriebswirtschaftliches Risiko eingeht (Abb. 7.27). Aus diesem Grund ist ein solches Konstrukt am Markt nicht durchsetzbar.
Verwaltungsvergütung
7.5 Konstruktion einer performance-abhängigen Vergütung
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Partizipationsschwelle Basisgebühr
Portfoliovermögen
Abb. 7.27 Erfolgsabhängige Vergütung mit Verlustbeteiligung (mit Basisvergütung)
Verwaltungsvergütung
Realistisch, wenn auch nicht weit verbreitet, ist hingegen eine abgemilderte Variante. In ihr kann der Vertrag so gefasst sein, dass die Verlustbeteiligung beispielsweise halb (ein Drittel/ein Viertel/. . . ) so hoch ausfällt wie die Gewinnbeteiligung. Dies führt zu unterschiedlichen Steigungslinien im Optionsauszahlungsprofil (Abb. 7.28). Oder man zieht die Basispreise der beiden Optionen auseinander (Abb. 7.29). Zum Beispiel könnte die Gewinnbeteiligung des Portfoliomanagers beim Überschreiten der risikolosen Verzinsung einsetzen, während die Verlustbeteiligung erst greift, wenn der Verlust zehn Prozent übersteigt. In jedem Fall wirkt eine Verlustbeteiligung negativ auf den Erwartungswert des Vermögensverwalters, sodass die Gewinnbeteiligungsrate kompensierend (deutlich) angehoben werden muss. Natürlich enden die Gestaltungsmöglichkeiten nicht an dieser Stelle. Beispielsweise könnte man mehrere stochastische Benchmarks mit ihren jeweils eigenen Partizipati-
Startvermögen
Portfoliovermögen
Abb. 7.28 Erfolgsabhängige Vergütung mit gedämpfter Verlustbeteiligung (ohne Basisvergütung)
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Verwaltungsvergütung
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Derivate als Informationsquelle
Gewinnpartizipationsschwelle
Portfoliovermögen Verlustpartizipationsschwelle
Abb. 7.29 Erfolgsabhängige Vergütung mit gedämpfter Verlustbeteiligung (ohne Basisvergütung)
onsraten spezifizieren, statt der absoluten risikobereinigte Abweichungen verwenden oder mehrperiodige Elemente einführen wie Vorträge von Gewinnen (bei gedeckelter Performance-Fee) und Verlusten (bei Regelungen ohne Verlustbeteiligungen) oder Höchststandsklauseln (Modigliani und Pogue 1975; Goetzmann et al. 2003; Maurer 2000; Schmidt-von Rhein und Schweiggl 2011). Letztere zahlen nur dann eine Erfolgsbeteiligung, wenn, bei absolut orientierten Mandaten, neue Höchststände im Portfoliowert erreicht wurden. Derartige Spezialklauseln muss man in die Auszahlungsprofile exotischer Optionen übersetzen, die teilweise nur noch durch Monte-Carlo-Simulationen abschätzbar sind (Abschn. 6.4.2, zum Beispiel Abschn. 6.4.2.3.7).
7.6 Informationen aus der Anwenderstruktur Um die Bewegungen der Derivatemärkte und letztlich auch der Kassamärkte zu verstehen, ist es erforderlich, eine Vorstellung von den Nutzerstrukturen im Markt zu entwickeln. Kassa- und Derivatemärkte sind keine separaten Märkte, die sich nur am Hexen-Sabbat treffen, wie einige schlagzeilenträchtige Medien gerne glauben machen möchten. Wie bereits mehrfach in diesem Buch aufgezeigt, handelt es sich bei den Derivaten um abgeleitete Instrumente, die als eben solche eigentlich kein Eigenleben entwickeln, sondern eine Facette des Kassamarktes repräsentieren und somit direkt mit diesem verbunden sind. Allerdings gibt es sehr wohl auch Rückkopplungseffekte vom abgeleiteten Instrument, dem Derivat, auf den zugrundeliegenden Wert im Kassamarkt. Dies zeigt sich dort, wo durch die Schaffung neuer Derivate eine neuartige Nachfrage geschaffen wird oder ein bestehendes Nachfragemuster verändert wird, das sich schließlich über einen umgekehrten Transmissionsmechanismus, also vom Derivat ausgehend, im Underlying niederschlägt. Zwar gibt es auch Rückwirkungen vom Derivatemarkt auf den Kassamarkt, wenn Informationen zuerst im liquideren Derivatemarkt verarbeitet werden und dann auf das
7.6 Informationen aus der Anwenderstruktur
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Underlying ausstrahlen. Dabei handelt es sich aber um keinen eigentlichen Derivateeffekt, da sich die Preisreaktion am Kassamarkt auch ohne Derivate vollziehen würde, nur eben etwas langsamer. Zur Frage, wie genau sich neue Derivate wie Optionen auf den Kassamarkt auswirken, gibt es mehrere Theorien, die zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen kommen. So zeigen Ross (1976) und Hakansson (1982), dass Optionen Investoren neue Handlungsmöglichkeiten an den Märkten eröffnen und so zu einer Abrundung von Märkten führen. Ebenfalls tendenziell positiv sollte der Effekt wirken, dass über Optionen eine bestimmte Marktmeinung akzentuierter umgesetzt werden kann, da sie asymmetrische Auszahlungsprofile sowie eine Hebelung erlauben und die Positionierung auf fallende Kurse erleichtern. Dadurch wird der gesamte Markt informationseffizienter (Brennan und Cao 1996). Miller (1977) sowie Faff und Hillier (2005) gehen von der Hypothese aus, dass die Einführung von Optionen zu negativen Preiseffekten führen kann, da Optionen die Umsetzung negativer Marktmeinungen fördern, insbesondere, indem sie es unter Umständen erlauben, Leerverkaufsverbote im Kassamarkt zu umgehen. Die Effekte durch die Einführung von Derivaten werden in Abschn. 7.6.5.1 ausführlich besprochen. Im weiteren Lebenszyklus einer Option spielt die Hedging-Hypothese immer wieder eine Rolle. Sie basiert auf der Erkenntnis, dass Emittenten und Gegenparteien von Optionen diese in aller Regel mit gegenläufigen Positionen absichern werden und basiert letztlich auf dem Arbitrage-Ansatz, wie er beispielsweise der Black-Scholes-Optionsbewertungsformel zugrunde liegt (Abschn. 7.6.4). Gemäß der Hedging-Hypothese, können neue Optionen preisbildend nach oben wie nach unten wirken. Ihre Effekte können insbesondere kurz vor Verfall schlagend werden, wenn die „Griechen“ in extreme Bereiche laufen. Da es sich bei Derivaten jedoch um teilweise komplexe Instrumente handelt, sind die Zusammenhänge mit dem Kassamarkt in einigen Bereichen auch von eher komplexer Natur und erschließen sich dem Analysten erst auf den zweiten Blick oder „um die Ecke“. Vermutlich ist jeder dieser Effekte in einer gewissen Art und Weise permanent präsent, jedoch nicht grundsätzlich in jedem Underlying und zu jedem Zeitpunkt in gleichem Ausmaß. Um die Signale und Wechselwirkungen zu verstehen, hilft es, ein Grundverständnis hinsichtlich der Teilnehmer am Derivatemarkt zu entwickeln. Wer sind sie? Welches sind ihre Ziele? Welchen Zwängen und Restriktionen unterliegen sie? Welche Strategien werden von ihnen eingesetzt? Dies sind einige der Fragen, die beantwortet werden müssen, um die Positionen und Bewegungen am Markt zu verstehen und entsprechende eigene Strategien aufzusetzen. Die maßgeblichen Teilnehmer am Markt sind: Zentralbanken Asset-Liability Manager
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Derivate als Informationsquelle
Asset Manager – Long-only – Hedgefonds Privatkunden Emittenten – Banken – Unternehmen
7.6.1
Zentralbanken
Wichtig sind die Rahmenbedingungen der einzelnen Teilnehmergruppen. Dabei muss man sich von der Vorstellung befreien, dass jeder Anleger darauf aus ist, mit jeder Position einen Gewinn zu erwirtschaften. Das offensichtliche Beispiel dafür sind die Zentralbanken, die vornehmlich von dem Ziel getrieben werden, ein stabiles Finanzmarktumfeld für die Teilnehmer der Finanz- und Realwirtschaft zu gewährleisten. Dabei greifen sie mitunter massiv in den Markt ein, unter Aufbietung aller Kräfte (Mario Draghi: „Whatever it takes.“). Die Auswirkungen sind unter dem Stichwort „Fed Put“ in Abschn. 7.15.1 beschrieben. An dieser Stelle sei nur beispielhaft ergänzt, dass sich neben Absicherungsversprechen der Zentralbanken und Zinsschritten auch die direkten Aufkäufe von Staatsanleihen auf den Derivatemarkt auswirken. Zu den Auswirkungen von Zentralbankmaßnahmen und -kommunikation vgl. Abschn. 7.2.2.2. Beispiel
Tritt zum Beispiel die EZB als Käufer am Markt auf, der keine Gewinnerzielungsabsicht hat, sondern lediglich stur seine Ankaufvorgaben abarbeitet, fungiert dieses stetige und planbare Kaufprogramm als Stoßdämpfer bei Kursverlusten. Auf diese nach unten gedämpfte, realisierte Schwankung sowie auf die von der Zentralbank klar kommunizierte Botschaft, dass das auch in absehbarer Zukunft so bleiben wird, reagierten Bund Future Optionen in 2016 verständlicherweise mit sehr niedrigen impliziten Volatilitäten. Darüber hinaus können Zentralbanken auch direkt auf dem Derivatemarkt tätig sein. Dies wird sich überwiegend im Währungs- aber auch im Zinsmarkt abspielen. In einer Studie des Internationalen Währungsfonds werden fünf mögliche Gründe für ein solches Engagement angeführt (Blejer und Schumacher 2000): 1. Unterstützung unvollständiger oder illiquider Märkte 2. Verteidigung eines festen Wechselkurses oder Wechselbandes
7.6 Informationen aus der Anwenderstruktur
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3. Abmilderung des Konflikts zwischen der Verteidigung eines Wechselkursregimes und der Stabilität des Finanzsystems 4. Als automatischer Stabilisator des Währungsmarktes 5. Unter bestimmten Umständen auch als alternatives Instrument monetären Managements Auf der Liste finden sich die offensichtlichen Eingriffe wie jene zur Verteidigung der Währung. Hier führen die Autoren explizit eine Operation der spanischen Zentralbank im Optionsmarkt während der Euroland-Währungskrise 1992/1993 an. Als präventive Maßnahme kommt das Schreiben von Puts am Geld als automatischer Stabilisator infrage. Interessant ist aber auch, dass auch die Entwicklung und Unterstützung von unvollständigen Märkten ein Motiv sein kann. Und wiederum in Krisenzeiten kann es eine Handlungsmöglichkeit für eine Zentralbank sein, im Derivatemarkt als Counterparty aufzutreten, wenn die Gefahr besteht, dass sich Händler und Banken in Ermangelung von Handelspartnern dynamisch über den Währungs-Kassamarkt oder gar den Geld-/Rentenmarkt absichern und es so zu ungewünschten Ansteckungseffekten kommt.
7.6.2
Asset-Liability Manager
Auch all jene, deren Anlagestrategie direkt von Verbindlichkeiten (Asset-Liability Management) getrieben wird, messen ihren Anlageerfolg nicht nur in absoluten Ergebnissen. In diesem Fall ist stets auch die Relation zur Entwicklung der Verbindlichkeiten von zentraler Bedeutung. Demzufolge kann auch ein Verlust ein Erfolg sein, wenn gleichzeitig die Verbindlichkeiten stärker an Wert verloren haben. In diese Gruppe lassen sich zum Teil Positionen einordnen, die von Versicherungen, Treasurern in Unternehmen, Universal-, Investment- und Hypothekenbanken genommen werden – womit freilich nicht gesagt werden soll, diese Institutionen hegten keine Gewinnerzielungsabsicht. Die Bedeutung dieser Anlegergruppe ist nicht zu unterschätzen. Beispiel
Ein kleines Beispiel aus Dänemark ist geeignet, deren Marktmacht zu umreißen: Marktbeobachter schätzten die Volumina der dänischen Pensionsfonds im Jahr 2001 auf 100 bis 170 Mrd. C. Um in einem Umfeld fallender Zinsen und Aktienmärkte ihre Verpflichtungen auf fixe Auszahlungen an Pensionäre und Versicherte abzusichern, haben dänische Pensionsfonds und Versicherungen in großem Stil lang laufende Zinsoptionen erworben. Diese Käufe und die dadurch ausgelösten Hedging-Aktivitäten haben die langen Volatilitäten um erstaunliche sechs Standardabweichungen über den damaligen Einjahresmittelwert ansteigen lassen.
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Derivate als Informationsquelle
7.6.3 Investoren 7.6.3.1 Asset Manager Eine der wichtigsten Teilnehmergruppen, wenn nicht gar die wichtigste, ist die der Asset Manager. Das größte Volumen wird hier noch immer von den Long-only-Managern bewegt, also von jenen, die, im Gegensatz zu den Hedgefonds, vor allem von steigenden Kursen profitieren. Allein die professionellen Vermögensverwalter verantworteten im Jahr 2015 das Ergebnis für geschätzte 71,4 Billionen US-Dollar (Shub et al. 2016). Hinzu addieren sich unzählige Milliarden, die direkt von Pensionsfonds, Versicherungen u. Ä. ohne direkte Liability-Bindung investiert werden. Sie setzen darauf, von steigenden Kursen zu profitieren und Wertverluste in fallenden Märkten weitest möglich zu vermeiden. Die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von Derivaten im Portfoliomanagement werden in diesem Buch ausführlich dargestellt. An dieser Stelle sei nur ein Aspekt vertieft: Wenn sich bei den Asset Managern bestimmte Themen durchsetzen und in Mode kommen, ergeben sich mitunter bedeutende Effekte auf die Märkte, die bei diesen Trends im Fokus stehen. Wir haben bereits festgestellt, dass das Schreiben von Call-Optionen eine mittlerweile weit verbreitete Einsatzmöglichkeit von Derivaten bei Asset Managern repräsentiert (Abschn. 4.2.1). Beispiel
Ypsilanti (2005) identifiziert 23 Covered Call Fonds, die im Zeitraum von Januar 2003 bis August 2005 aufgelegt wurden. Innerhalb dieses kurzen Zeitraums haben diese Fonds rund 21 Mrd. US-Dollar an neuen Mitteln an sich gezogen. Man kann davon ausgehen, dass bei einem derartigen Trendthema auch im weniger transparenten institutionellen Bereich Assets in signifikanter Größenordnung generiert werden konnten. Wenn derart große Beträge in einen relativ kleinen Markt drängen, bleibt dies nicht ohne Rückwirkungen auf die Volatilitätsstruktur. Auch Strategien, die gar keine Optionen einsetzen, können durch ihren Einfluss auf das Underlying unmittelbar die realisierte Volatilität und schließlich mittelbar die implizite Volatilität verändern (Abschn. 7.2.1). Dies gilt umso mehr, wenn ausreichend Assets in Strategien verwaltet werden, die oberflächlich nichts miteinander zu tun haben, aber eine gleichgerichtete Wirkung entfalten. Befördert durch ein wachsendes Risikobewusstsein der Investoren einerseits und entsprechende regulatorische Vorschriften andererseits sind spätestens seit Beginn des dritten Jahrtausends Ansätze, die tendenziell momentumgetrieben und damit prozyklisch agieren, verstärkt in den Fokus geraten (Abschn. 3.4.5 und 7.2.2.4). Darunter fallen nicht nur Stop-Loss- und dynamische Absicherungsstrategien, sondern alle Strategien, die ein konvexes Auszahlungsprofil generieren. Dazu gehören auch Trendfolger, wie sie oft von sogenannten Commodity Trading Advisors (CTAs) eingesetzt werden, risikoparitätisch (Risk Parity) optimierte Portfolios und Strategien, die die Volatilität des Portfolios in einem bestimmten Zielbereich halten (Constant Volatility). Allen gemein ist der Verkauf von Assets, wenn diese fallen (Abschn. 7.2.2.4). Der kom-
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binierte Effekt aus derartigen Strategien ist sehr schwer zu quantifizieren, reicht jedoch sicherlich deutlich in den dreistelligen Milliardenbereich (Kolanovic et al. 2015b). Asset Manager haben also, ebenso wie die Investmentbanken mit ihren Emissionen, das Potenzial, das Angebot-Nachfrage-Verhältnis in Teilbereichen des Derivatemarkts signifikant zu verändern. Wie verschachtelt dieser Einfluss am Ende zutage tritt, sieht man, wenn man eine kleine Episode aus dem Rentenmarkt betrachtet. Beispiel
Am 15. Oktober 2014 kam es zu einem der „größten und merkwürdigsten Bewegungen“ (Devasabai 2014a, S. 14) in der Geschichte der Finanzmärkte. Die Renditen von US-Staatsanleihen fielen gewaltige 0,34 %, nach Angaben eines Händlers eine „SiebenStandardabweichungen-Bewegung“. Eine Ursache dafür soll der unfreiwillige Abgang von Bill Gross gewesen sein, dem Mastermind von Pimco, einem der größten Asset Manager der Welt. Dieser hatte in den Monaten zuvor in großem Stile Optionen und Swaptions im Zinsbereich verkauft, um Prämieneinnahmen zu generieren. Er stellte dem Markt und insbesondere den Rentenhändlern Gamma zur Verfügung. Nach Gross’ Demission stellten die nun Verantwortlichen diese Praxis nicht nur ein, sondern begannen angeblich auch damit, Gegenpositionen aufzubauen. Obwohl Privatanleger ihre Strategie, Volatilität zu verkaufen, beibehielten, gerieten damit Angebot und Nachfrage am Markt aus dem Gleichgewicht.
7.6.3.2 Hedgefonds Einen weiteren, eminent wichtigen Marktteilnehmer repräsentiert die Gruppe der Hedgefonds. Auch sie sind der Gruppe der Asset Manager zuzurechnen. Im Gegensatz zu den Long-only-Managern basieren die Strategien der Hedgefonds Manager in Teilen auf der Spekulation à la Baisse, also der Spekulation auf fallende Kurse. In diesen Strategien spielen, neben dem Leerverkauf von Wertpapieren und Rohstoffen, Derivate natürlich eine herausragende Rolle. Das von Hedgefonds verwaltete Volumen ist mit rund 3,2 bis 3,4 Billionen US-Dollar (November 2015 bzw. drittes Quartal 2016 (inclusive Dachfonds); Preqin 2016; Barclay Hedge 2016) deutlich geringer als das der traditionellen Manager. Da jedoch einige Hedgefonds-Strategien das investierte Vermögen hebeln, geht die Markteinwirkung um ein Mehrfaches über das nominale Vermögen hinaus. Die Zunahme der Hedgefonds als Anlegerkategorie ist geeignet, Veränderungen im Marktgefüge und damit in der Volatilitätsentwicklung insgesamt zu bewirken (Saksena und Bowler 2009). Die genauen Effekte sind jedoch schwieriger nachzuverfolgen, da es sich bei Hedgefonds um eine Ansammlung unterschiedlichster Strategien handelt. Praktisch alle von ihnen können in der einen oder anderen Form Derivate einsetzen. Jedoch setzen nicht alle Strategien Derivate in gleichem Maße ein (Tab. 7.3). Vergleicht man den durchschnittlichen Hebel in den einzelnen Hedgefonds Kategorien, so fällt auf, dass dieser bei einigen Strategien nur sehr gering ausfällt.
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Derivate als Informationsquelle
Tab. 7.3 Einsatz von Hebel in Hedgefonds. (Quelle: UBS Warburg) Strategie Renten Arbitrage Convertible Arbitrage Risk Arbitrage Marktneutral Long/Short Distressed Securities Emerging Markets Short Sellers
Hebel 20–30 2–10 2–5 1–5 1–2 1–2 1–1,5 1–1,5
Ang et al. (2011) sehen die größten Hebel bei Relative Value-Strategien, die vorwiegend im Rentenbereich aktiv sind. Bei ihnen liegt der durchschnittliche Hebel bei 4,8, in einzelnen Fällen aber auch über 30, wobei die Größe des Hebels im Zeitablauf variiert. Auch ist die Mehrzahl der Hedgefonds relativ klein und bleibt somit von seiner Auswirkung, selbst bei großem Hebel, oftmals beschränkt. Unter Umständen treffen diese Orderströme dann relativ zersplittert, mitunter sich gar konterkarierend, auf den Markt und bleiben somit wenig marktbeeinflussend. Allerdings liegt der Großteil der Asset under Management bei den großen Hedgefonds, sodass es in einigen Marktbereichen zu erheblichen Konzentrationen von Hedgefonds Aktivitäten kommen kann, die die Preise dann spürbar beeinflussen oder gar bestimmen. Beispiel
Ein typischer Bereich ist der Markt für Wandelanleihen. Hier dominierten insbesondere in den USA die Hedge Fonds über lange Jahre den Markt und sorgten mittels Arbitrage dafür, dass zu teure Wandelanleihen billiger und zu billige teurer wurden. Beispiel
Long-Term Capital Management war ein Beispiel für einen den Markt machenden Akteur in einem bestimmten Segment. LTCM erfüllte alle Voraussetzungen, um die Struktur des Marktes maßgeblich zu beeinflussen: Der Hedgefonds war groß, bediente sich darüber hinaus bei vielen seiner Strategien eines enormen Hebels und operierte zum Teil in Marktsegmenten mit vergleichsweise geringer Markttiefe. Ein Beispiel dafür war der Markt für lang laufende Volatilität. Mitte der 1990er-Jahre bestand eine unter Hedgefonds populäre Strategie im Verkauf von lang laufender Volatilität. LTCM war der mit Abstand größte unter ihnen und kam so zu dem Spitznamen „Die Zentralbank für Volatilität“. Einige Beobachter sprechen davon, dass LTCM den Markt mit massiven Short-Positionen de facto gecornered hatte, ihn also kontrollierte oder zumindest glaubte, ihn zu kontrollieren. In Spitzenzeiten hatte der Hedgefonds ein Vega von 100 Mio. US-Dollar auf dem Buch. Mit jedem Prozentpunkt Anstieg in der impliziten Volatilität verlor LTCM rund 100 Mio. US-Dollar. Nachdem die Volatilität
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in diesem Laufzeitenbereich stark angestiegen war, hatten diese Positionen immense Verluste eingefahren. Und auch hier ist ein Blick in die Struktur des Marktes hilfreich, um besser zu verstehen, warum es zu bestimmten Entwicklungen gekommen ist. Aufgrund der Größe seiner Positionen war es für LTCM schwer, wenn nicht gar unmöglich, verlässliche Preise von anderen Marktteilnehmern zu bekommen. Die Counterparties waren jedoch verpflichtet, für die von LTCM bei ihnen abgeschlossenen Positionen Preise zu stellen, damit der Hedgefonds eine Bewertung seiner Assets vornehmen konnte. Als es sich nun abzuzeichnen begann, dass LTCM unter Umständen nicht überleben würde, war den Banken klar, dass sie die Positionen auf ihre Bücher würden nehmen müssen. Zu dem was dann geschah, wird der Leiter Aktienderivate einer französischen Investmentbank mit den Worten zitiert (Dunbar 1999, S. 7, übersetzt): Als es sich abzuzeichnen begann, dass sie Schwierigkeiten hatten, dachten wir, dass, wenn sie ausfallen, wir in großem Stile Volatilität short sein würden. So wären wir lieber bei 40 als bei 30 short, nicht wahr? So war es klar in unserem Interesse, den Preis für Volatilität so hoch zu setzen wie irgend möglich. Darum hat jeder die Volatilität gegen sie gedrückt, was schließlich zu ihrem Zusammenbruch beigetragen hat.
Nachdem nun aber der größte Akteur in diesem Segment aus dem Markt ausgeschieden war, gab es auch nicht annähernd die erforderliche Liquidität, um aus diesen Beständen herauszukommen. Die Lage wurde dadurch verschlimmert, dass die Marktteilnehmer zumindest ahnten, welche Positionen der Hedgefonds noch auf seinen Büchern hatte und dringend abstoßen wollte. Dem sechsköpfigen Spezialistenteam, das damit beauftragt worden war, die Positionen von LTCM zu liquidieren, gelang es schließlich, diese prekäre Situation durch eine Reihe von Auktionen aufzulösen. Mit der Rückzahlung einer letzten Rate in Höhe von 925 Mio. US-Dollar an die Gläubigerbanken wurde das letzte Kapitel in der spektakulären Geschichte des legendären Hedgefonds geschrieben (o.V. 2000). Selbst relativ unscheinbare Strategien wie die Risk Arbitrage können in dieser Weise marktbeeinflussend sein. I Definition Risk (oder Merger) Arbitrage setzt in Übernahmesituationen darauf, dass die Aktien des übernommenen Unternehmens relativ zu denen des Käufers steigen. Die Kunst dabei ist es, die Wahrscheinlichkeit für das tatsächliche Zustandekommen der Übernahme, den Preis und die Modalitäten sowie den Zeitpunkt der Zahlungsströme zu bestimmen. Das hört sich zunächst nicht nach einer ausgesprochen derivatebasierten Strategie an. Tatsächlich ist der Einsatz insbesondere von Optionen gar nicht so selten. Beispiel
Beispielsweise kann über den Einsatz von Calls und Puts eine oder beide Seiten der Transaktion mit einem Hebel ausgestattet werden. Andererseits eignen sie sich auch,
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um Risiken aus dem Deal herauszunehmen. So kann einerseits das Marktrisiko insgesamt gesichert werden. Oder ein Put auf das zu kaufende Unternehmen kann das Risiko, dass die Transaktion doch platzt, absichern. Bei derartigen Positionen kann auch einkalkuliert werden, dass beispielsweise in einem fallenden Markt die Chancen, dass ein Angebot, bei dem als Übernahmewährung ein hoher Anteil Cash anstatt Aktien der übernehmenden Firma eingesetzt wird, höhere Chancen hat, angenommen zu werden als umgekehrt. Und die begrenzte Laufzeit der Optionen bietet den Nutzen, dass die Positionen dem Zeitplan des Übernahmeplans angepasst werden können. Aber auch in anderer Hinsicht können Hedgefonds, die Merger Arbitrage betreiben, zu heftigen Marktbewegungen beitragen, auch wenn diese Eruptionen mitunter an ganz anderen Enden des Finanzmarkts zutage treten. Gefährlich wird es immer dann, wenn viele Hedgefonds auf die gleichen Bewegungen spekulieren und es zu sogenannten Crowded Trades kommt, in denen sich große Positionen aufbauen. Beispiel
So spielten Hedgefonds auch bei der in Abschn. 7.6.3.1 beschriebenen Zinsbewegung im US-Treasury-Markt eine wichtige Rolle (Devasabai 2014a): Im Vorfeld zum 15. Oktober 2014 hatten viele Hedgefonds große Positionen in einer Handvoll Ideen aufgebaut. Sie glaubten an einen steigenden Ölpreis, an den günstigen Ausgang eines Gerichtsurteils, die Übernahme der US-Kreditfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac durch die Regierung und an steigende US-Zinsen. Nichts davon kam wie erwartet. Zu allem Überfluss platzte dann auch noch ein riesiger Firmenzusammenschluss im USPharmamarkt, auf den viele Hedgefonds große Wetten laufen hatten. Das brachte das Fass zum Überlaufen. Im verzweifelten Bemühen um Schadensbegrenzung reduzierten die betroffenen Fonds ihre Risikopositionen in all diesen Trades. Dazu gehörten auch die Shorts auf die US-Treasury Bonds. Die Hedgefonds wurden also zu Käufern und trieben die Kurse weiter nach oben. Im Zusammentreffen mit den großen Gamma Short-Positionen der Investment-Banken und der fehlenden Gegenseite in Zinsoptionen durch die Asset Manager kam es zu dem denkwürdigen Renditesturz. Auch die Hedgefonds-Kategorie der Managed Futures Manager ist, durch die Derivatebrille gesehen, hochinteressant. Dies jedoch weniger, weil sie in einer Vielzahl von Finanz- und Rohstoffmärkten trendfolgend Future-Positionen auf- und abbauen. Interessant ist vielmehr, dass sich das Exposure und damit das Ergebnis dieser Trendfolger über eine rollierende Long Straddle-Position nachbilden (oder wahlweise auch absichern) lässt. Beide Ansätze sind Gamma long und profitieren von ausgeprägten Marktbewegungen (Abschn. 4.4.6.3; Fung und Hsieh 1997b). Estlander und Rönnlund (2005) zeigen, wie eng korreliert der Deltaverlauf beider Strategien ausfallen kann. Damit können sich die beiden wechselseitig substituieren und beeinflussen. Auch andere Strategien können über Derivateportfolios nachgebildet werden. Vor allem William Fung und David Hsieh haben eine ganze Batterie von Studien durchgeführt,
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die einen tiefen Einblick in die Chance-Risiko-Profile mehrerer Hedgefonds-Strategien ermöglichen (Fung und Hsieh 1997a, 1999, 2001, 2002, 2004). Die Erkenntnis über eine derartige Replikationsmöglichkeit bietet einerseits ein besseres Verständnis des Verhaltens dieser Gruppe von Marktteilnehmern und von deren Auswirkung auf die Kurse. Darüber hinaus kann es das Risikomanagement spürbar verbessern, wenn man Risiken von Hedgefonds als Optionsportfolio abbilden und damit besser greifbar machen kann. Sie eröffnet gleichzeitig Handlungsoptionen für den Portfoliomanager, der, falls er eine derartige Strategie in sein Portfolio einbauen möchte, nun zwei alternative Durchführungswege zur Verfügung hat. Während der Replikation ein echtes Alpha natürlich fehlt, bietet sie andererseits auch eine Reihe von Vorteile: Sie ist liquider und verfügt über eine höhere Kapazität. Durch das hohe Maß an Transparenz erspart man sich eine aufwändige und kostspielige Due Dilligence. Man hat es darüber hinaus selbst in der Hand, für Stiltreue zu sorgen. Und schließlich umgeht man die hohen Kosten, die mit Investitionen in Hedgefonds verbunden sind. Außerdem versetzt das Vorhandensein eines alternativen Durchführungswegs den Portfoliomanager in die Lage, im Bedarfsfall eine Strategie zumindest approximativ mit der anderen zu hedgen – oder zumindest als Benchmark zu verwenden, um die Leistungsfähigkeit seiner Hedgefonds zu bewerten. Die Beispiele haben angedeutet, dass die Positionierung der Hedgefonds und der mögliche Einfluss auf die Kurse schwer abzuschätzen ist. Zum einen gibt es nicht den Hedgefonds. Teilweise stehen die einzelnen Hedgefonds-Kategorien sogar auf gegenüberliegenden Seiten des Marktes. So sind Managed Futures und oft auch Global Macro Fonds long Gamma, während Equity Hedged, Relative Value und Event Driven eher short Gamma ausgerichtet sind. Darüber hinaus kann es dazu kommen, dass mehrere Fonds der gleichen Kategorie ihre grundsätzliche Ausrichtung aufgeben und ihre Positionen zügig eindecken müssen, wenn diese sich stark genug oder lang genug in die falsche Richtung entwickeln. Ist der Fonds bzw. dessen Exposure groß genug, wie im Falle von LTCM, genügt mitunter auch ein einzelner Hedgefonds, um den Markt in Schwingungen zu versetzen (s. o.). Zur Kategorie der Hedgefonds sind auch die Eigenhandelstische der Banken zu rechnen. Hier werden teilweise die gleichen Strategien verfolgt und das ebenfalls mit marktbewegendem Volumen. Man muss sich nur in Erinnerung rufen, welchen Einfluss die Positionen eines einzelnen Händlers namens Nick Leeson auf den Nikkei 225 und dessen (implizite) Volatilität hatten. Auch findet ein reger Austausch zwischen diesen beiden Gruppen statt. Nicht nur sind Banken und Hedgefonds ständig im Gespräch. Auch personelle Verflechtungen sind an der Tagesordnung – sei es, dass Banken HedgefondsManager engagieren, um ihre Eigenhandelsergebnisse zu verbessern oder eigene Hedgefonds-Produkte zu vertreiben. Sei es, dass Banken Teile ihrer Eigenhändler in separate Hedgefonds ausgliedern, um ihnen so weniger regulatorische Aufsicht und damit mehr Freiheiten zu bescheren.
7.6.3.3 Privatanleger Privatanleger sind an den primären Derivatemärkten nicht die dominierende Kraft. Obschon sie über ein nicht unbeträchtliches Ordervolumen gebieten – an der Londoner Ter-
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Derivate als Informationsquelle
minbörse LIFFE macht das Privatkundengeschäft etwa zehn Prozent des Umsatzes aus, während der Privatkundenanteil in den Vereinigten Staaten und den Niederlanden deutlich höher liegt (Butler 2002) –, tritt dieses nur sehr zersplittert am Markt auf. Damit egalisieren sich die Bewegungen aus dieser Klientele sogar in vielen Fällen selbst. Wenn der Nettoorderstrom aus dem Segment der Privatanleger sich in den Strom aus anderen Quellen einreiht, verpuffen die Effekte weitgehend. In zwei Bereichen kann man jedoch Privatanleger als treibende Kraft am Markt identifizieren. Zum einen betrifft dies Optionsscheine und ähnliche umverpackte Derivate (Abschn. 4.1.4.2). Zum anderen können sich Monetarisierungsaktionen von Firmeninhabern kursbildend auswirken. Bei Optionsscheinen kanalisieren sich viele kleine Orderströme in eine Richtung. Dies betrifft zum einen das Emissionsgeschäft generell. In aller Regel treten Privatanleger als Nachfrager von Kaufoptionen (Long Call) auf. Diese Nachfrage wird von den Emissionshäusern natürlich gerne bedient. Im Gegenzug hedgen sich die Emittenten. Diese HedgeAktivitäten bündeln die Call-Nachfrage der Privatinvestoren und können so kumuliert durchaus temporär Einfluss auf die Kurse ausüben. Zum anderen kommt es immer wieder zu markanten Bewegungen in einzelnen Scheinen. In der Regel hat dann irgendein auf Privatkunden ausgerichtetes Magazin oder ein Börsenbrief einen Titel besonders herausgestellt. Trifft dann ein im Verhältnis zum normalen Umsatz großes Ordervolumen, auf diesen Markt, womöglich gar noch unlimitiert, können durchaus verstärkte Kursbewegungen die Folge sein. Der andere Bereich, in dem Privatanleger eine mitunter entscheidende Rolle spielen, ist das Abstoßen von Anteilen durch die Mitinhaber von Firmen. Insofern handelt es sich hier um ein ganz besonderes Privatkundensegment. Gerade in den Boom-Zeiten des Neuen Marktes galt es als ausgesprochenes Qualitätsmerkmal, wenn die Anteilsinhaber eines neuen, unbekannten Unternehmens, das in einer Branche tätig war, in der sich viele potenzielle Investoren auch nicht ansatzweise auskannten, dazu verpflichteten, ihre Aktien über einen bestimmten Zeitraum nicht zu verkaufen. Diese Lock-up-Vereinbarungen vermittelten dem Neuanleger das beruhigende Gefühl, dass das Management ihrer Firma mit ihnen in einem Boot saß. Da auch ein Großteil ihres eigenen Vermögens im Unternehmen steckte, mussten die Manager das gleiche Interesse haben wie die Anleger, nämlich den Firmenwert maximal möglich zu steigern. Diese Gleichschaltung der Interessen bestand jedoch oftmals nur an der Oberfläche, wurden doch die frischgebackenen Millionäre zur interessanten Zielgruppe von Private Bankern. Diese erkannten richtigerweise, dass das Vermögen ihrer Klienten viel zu stark in Form von Aktien ihres Unternehmens konzentriert war. Darüber hinaus war dieses Vermögen durch die Lock-up-Vereinbarung auch noch hochgradig illiquide. Die erste Aufgabe bestand also darin, diese Anteile zu monetarisieren (CBOE 2001; Boczar und Fichtenbaum 1996). Dazu machten sie sich den Umstand zunutze, dass zwar der Verkauf der Aktien, nicht jedoch der Hedge derselben verboten war. Mittels derivativer Konstruktionen wurde zunächst das Exposure und damit das mit ihren Aktien verbundene wirtschaftliche Risiko eliminiert. Im zweiten Schritt vergab die Bank dem Kunden ein Darlehen gegen Hereinnahme der gesicherten Aktienposition als Sicherheit. Damit konn-
7.6 Informationen aus der Anwenderstruktur
655
te sich dieser zum Beispiel ein breit diversifiziertes Portfolio aufbauen. Nach Auslauf der Lock-up-Periode konnte der Inhaber seine Aktien, bei gleichzeitiger Auflösung der Absicherung, verkaufen und mit dem Erlös das Darlehen ablösen. Der Hedge wurde beispielsweise mittels Collars oder Swaps aufgesetzt. Damit ging das Exposure auf die Counterparty, in aller Regel das betreuende Bankhaus, über. Dieses ist nicht gewillt, das Risiko auf den eigenen Büchern zu fahren. Daher wird sie sich die Aktien am Markt leihen und verkaufen. Aus der Abwicklung des Hedge-Geschäfts mit ihrem Klienten nach Ablauf der Lock-up-Periode ist sie später in der Lage, den geliehenen Bestand zu bedienen. Wie platzieren die Banken nun die geliehenen Aktien? Zunächst einmal besteht ein Interesse, die Stücke so marktschonend wie möglich zu platzieren. Unter Umständen finden sich institutionelle Investoren, die bereit sind, im Rahmen eines Private Placement das ganze Aktienpaket mit einem angemessenen Abschlag abzunehmen. Eine andere Möglichkeit besteht darin, das Exposure durch Ausgabe von Zertifikaten und anderen RetailProdukten an die Privatkundschaft weiterzugeben. Natürlich kann das Exposure auch am Derivatemarkt abgesetzt werden. Dabei empfiehlt es sich aber, das Gesamtvolumen über mehrere Derivateformen und -serien zu streuen. Denn nur so kann die Markteinwirkung so gering wie möglich gehalten werden. Ansonsten würde den aufmerksamen Marktbeobachtern schnell klar werden, dass hier ein größerer Verkäufer am Markt ist.
7.6.4
Emittenten
7.6.4.1 Banken Gerade am Beispiel der Emissionshäuser von Derivateprodukten lassen sich die vielschichtigen Effekte, die Derivate an den Finanzmärkten hervorrufen können, exemplarisch darstellen. Grundgedanke ist zunächst einmal, dass jeder Emittent die Risiken, die er in Form von emittierten Papieren (Warrants, Zertifikate und andere strukturierte Anleihen etc.) eingeht, absichert. Das ist die sogenannte Hedging-Hypothese. Die Emittenten sind nicht daran interessiert, Wetten auf die Richtung des Marktes einzugehen. Sie verdienen dadurch, dass sie sich gegen die teurer emittierten Risiken billiger absichern. Am unkompliziertesten geht dieser Hedge vonstatten, wenn der Emittent sich mittels börsengehandelter Kontrakte absichert. Verkauft er beispielsweise einen Call auf Siemens, kann er sich, je nach Ausstattung des emittierten Optionsscheins, im Gegenzug über den Kauf eines Call-Kontrakts oder einer Serie von Kontrakten an der Eurex absichern. Oftmals ist jedoch eine Absicherung in dieser Form nicht möglich. So gibt es nur auf die größten Werte in den einzelnen Segmenten börsengehandelte Kontrakte (Listed Contracts). Selbst wenn diese zur Verfügung stehen, kann es sein, dass sie nur eingeschränkt zur Absicherung geeignet sind. So überschreiten in vielen Fällen die Laufzeiten von Optionsscheinen die der längsten börsengehandelten Option deutlich. Unter Umständen wird der Emittent zunächst versuchen, sich seines Risikos im außerbörslichen Handel durch den Abschluss einer Gegenposition zu entledigen. Doch nicht immer wird ihm dies gelingen.
656
7
Derivate als Informationsquelle
Beispielsweise können die potenziellen Vertragspartner deutlich unterschiedliche Vorstellungen hinsichtlich des Preises haben. In solchen und anderen Fällen wird das emittierte Papier über einen Delta Hedge abgesichert (Abschn. 3.4.1). Was also erfährt der derivatekundige Portfoliomanager, wenn er um an- und ausstehende Emissionen oder allgemeiner, über generelle Emissionstrends am Markt, weiß? Dies kann am besten am Beispiel der Hedge-Aktivitäten, die der Emittent eines Call-Warrant vornimmt, illustriert werden. Da die weit überwiegende Mehrheit der emittierten Warrants Calls sind, sind dies gleichzeitig auch die wichtigsten Hedge-Bewegungen. Das Delta (Abschn. 2.4.5.1) ist das Maß für die Preisbewegung einer Option in Reaktion auf eine Preisänderung des Underlying um einen Euro. Es entspricht der Hedge Ratio für den Kontrakt. Es gibt an, wie viele Aktien der Hedger benötigt, um sein Risiko abzusichern. Bringt der Emittent einen Call mit einem Delta von 0,5 an den Markt, ist er ein Delta von 0,5 short. Dieses Risiko gleicht er durch den Kauf einer halben Aktie, die stets eine Delta von eins aufweist, aus. Damit ist das Risiko aus der Position eliminiert, denn 0,5 C 0,5 1 D 0. Die Null steht jedoch nur in diesem Augenblick. Das Delta der Option ist ständig in Bewegung (Abb. 7.30). Es verändert sich im Zeitablauf, bei Änderung der Zinsen, der impliziten Volatilität und vor allem bei preislichen Bewegungen im Underlying. Bei steigenden Aktienkursen steigt das Delta, bei fallenden geht es zurück. Die Veränderungsrate des Delta wird als Gamma bezeichnet. Das Gamma einer gekauften Option ist stets positiv (Abschn. 2.4.5.3). Durch den Verkauf des Warrant, also einer Option mit langer Laufzeit, ist der Emittent demzufolge Gamma short. Zunächst wird der Emittent versuchen, in erster Linie das Delta- und Gamma-Risiko, aber auch das Vega-Risiko, dieser Position durch den Kauf von Calls abzusichern. Bis zu einem gewissen Grad wird
1,2
1
0,8
0,6
0,4
0,2
0 125
135
145
Volatilität: 10%
155
Volatilität: 25%
165
175
Volatilität: 40%
Abb. 7.30 Call Delta in Abhängigkeit von Kurs und Volatilität (Basispreis: 150)
185
7.6 Informationen aus der Anwenderstruktur
657
0,014
0,012
Gamma
0,01
0,008
0,006
0,004
0,002
0% 7% 13 % 20 % 27 % 33 % 40 % 47 % 53 % 60 % 67 % 73 % 80 % 87 % 93 % 10 0% 10 7% 11 3% 12 0% 12 7% 13 3% 14 0% 14 7% 15 3% 16 0% 16 7% 17 3% 18 0% 18 7% 19 3% 20 0%
0
Kurs relativ zum Basispreis 3 Jahre Laufzeit
3 Monate Laufzeit
Abb. 7.31 Gamma für Optionen mit unterschiedlicher Laufzeit
ihm dies über lang laufende Warrants anderer Emittenten oder mittels OTC-Transaktionen gelingen. Das verbleibende Exposure wird er durch den Erwerb liquider Calls an einer Terminbörse abdecken. Dabei handelt es sich jedoch um kürzer laufende Optionen, die (im Kernbereich) ein höheres Gamma als der verkaufte Call aufweisen (Abb. 7.31). Damit ist der Regelfall der, dass der Hedger als Nettorisiko eine Long-Gamma-Position zu kontrollieren hat. Im Falle eines Kursrückgangs im Underlying geht das Delta der Gesamtposition aus Short Warrant und Long Call zurück, da die Gesamtposition long Gamma ist. Das Delta des Long Call verfällt schneller als das Delta des Short Warrant. Damit ist der Hedger short Delta und ist gezwungen, Deltas nachzukaufen. Dies geschieht entweder durch den Kauf weiterer Calls oder den Kauf des Underlying. Der Hedger verhält sich also antizyklisch. Er kauft Aktien, direkt oder in Form von Calls, in einem fallenden Markt (für eine allgemeine Analyse der durch dynamisches Hedging verursachten Preiseffekte vgl. Burr 1997). Das Gegenteil passiert, wenn der Hedger sein Delta-Exposure nicht mit Long Calls, sondern durch den Kauf des Underlying sichert. Dies ist oft der Fall, wenn Anpassungen nicht über Optionen vorgenommen werden, beispielsweise wenn die Liquidität nicht ausreichend oder die Volatilitätsstrukturkurve invers ist und kurze Optionen vergleichsweise teuer handeln. Das Underlying hat immer ein Delta von Eins. Da sich das Delta nicht ändert, ist die Veränderungsrate des Delta, also Gamma, stets null. Der Hedger hat also Gamma über den Short Warrant verkauft, über das Underlying aber keines gekauft. Er ist Gamma short. Der dynamische Hedger hat eine Short-Position auf dem Buch. Demzufolge wird er bei steigenden Kursen Aktien zu- und bei fallenden Kursen verkaufen.
Kauf von 625 Aktien 0
+625 Deltas (625 * 1)**
-625 Deltas (1.000 * 0,625)
Ergebnis Delta
-5,2 Gammas*
0
-5,2 Gammas
Ergebnis Gamma
Keine
+22,3 Gammas
+27,5 Gammas
-5,2 Gammas
Ergebnis Gamma
Abb. 7.32 Unterschiedliche Arten, einen verkauften Call abzusichern. (Adaptiert aus Ineichen 1998; eigene Darstellung)
** Delta einer Ak tie ist immer 1.
0
+625 Deltas (1.132 * 0,552)
-625 Deltas (1.000 * 0,625)
Ergebnis Delta
Hedge mittels Kauf von kurzen Aktion Ergebnis Rückgang auf -563 Rückgang auf 294 Under-hedged mit 269 Deltas KAUF von 269 Aktien VolatilitätsAntizyklisch reduzierend
Kauf von 1.132 Calls mit einem Delta von 0,552
Aktion
Hedge mittels Kauf von kurzen Calls am Geld
7
* Bei einem Short-Gamma von -5,2 müssen 5,2 Ak tien verk auft (gek auft) werden, wenn VW um 1% fällt (steigt), um die Deltaneutralität wiederherzustellen.
Was geschieht, wenn VW um 10% fällt? Hedge mittels Aktie Aktion Ergebnis Änderung Optionsscheindelta Rückgang auf -563 Änderung Delta des Hedge Bleibt bei 625** Gesamtergebnis Over-hedged mit 62 Deltas Anpassung des Hedge VERKAUF von 62 Aktien VolatilitätsMarkteinwirkung Zyklisch erhöhend "Derivate für höhere Reaktion der Finanzpresse Volatiltiät verantwortlich"
Gesamtergebnis
Hedge
Emission von 1.000 VW-Call Optionsscheinen, am Geld, 2 Jahre Laufzeit, Delta 0,625
Aktion
Hedge mittels Aktien
658 Derivate als Informationsquelle
7.6 Informationen aus der Anwenderstruktur
659
Den Unterschied zwischen beiden Strategien verdeutlicht das Beispiel in Abb. 7.32. Je nach Ausmaß dieser Sicherungsgeschäfte wird es dabei zu mehr oder weniger ausgeprägten Rückkoppelungseffekten auf das Underlying kommen. Das Ausmaß wird von einer Reihe von Faktoren bestimmt. Ausgangspunkt ist der Charakter des abzusichernden Produkts. Je höher dessen Reagibilität, desto umfangreichere Absicherungsaktionen sind damit verbunden. Als besonders reagibel sind neben Optionen in unterschiedlichsten Verpackungen symmetrische Instrumente zu nennen, beispielsweise gehebelte Exchange Traded Funds (Kolanovic und Bharwani 2009; Abschn. 7.6.4.1.1). Neben der Heftigkeit der Marktbewegung und der festgelegten Hedge-Strategie (Welche Instrumente kommen zum Einsatz? Wie eng werden die Positionen markiert?) spielt es eine Rolle welche Arten von Derivaten auf das Underlying von der Gesamtheit der Emittenten an den Markt gebracht wurden, wie viele davon und wie nahe diese am Geld und am Verfall liegen. Beispiel
Auch an dem bereits angesprochenen Zinsausbruch am 15. Oktober 2014 waren Emittenten und Händler in starkem Maße beteiligt (Devasabai 2014a). Hypothekendarlehen sind in vielen Ländern, unter anderem den USA, mit der Option ausgestattet, dass der Bürger, der das Darlehen aufnimmt, frühzeitig aus dem Vertrag aussteigen kann. Das tut er regelmäßig dann, wenn die Zinsen sinken und er am Markt ein neues Darlehen zu besseren Konditionen findet. Die Hypothekenbank, die derartige Darlehen über Anleihen refinanziert, sichert dieses Risiko ab, indem sie Empfänger-Swaptions (die Option, einen Swap eingehen zu können) kauft. Diese verschaffen ihnen das benötigte Long Gamma. Die Gegenseite dieser Swaptions bilden Banken. Deren Händler sind durch den Verkauf der Empfänger-Swaptions short Gamma. Diesen Short haben sie beispielsweise ausbalanciert, indem sie von Asset Managern Gamma gekauft haben. Da sich bedeutende Marktteilnehmer jedoch plötzlich aus der Strategie, Volatilität zur Prämiengenerierung zu verkaufen, zurückzogen, blieben die Händler auf einer großen Short Gamma-Position sitzen. Um dieses Risiko dynamisch abzusichern, waren sie gezwungen, zyklisch zu agieren und bei steigenden Kursen zu kaufen und bei fallenden zu verkaufen. Als die Hedgefonds sich drehten und Treasuries zurückkauften, um ihre Verlustpositionen zu begrenzen (Abschn. 7.6.3.2), setzten sie eine Aufwärtsbewegung in den Treasury-Kursen bzw. eine Abwärtsbewegungen in den Renditen in Gang. Die Händler, die Gamma short waren und diese Positionen mangels Angebot der Asset Manager nicht neutralisieren konnten, sorgten durch ihre Absicherungstransaktionen dafür, dass diese Bewegung massiv verstärkt wurde.
660
7
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7.6.4.1.1 Struktur emittierter Derivate In den 1990er-Jahren entwickelten viele Privatanleger einen gesteigerten Appetit auf Optionen und Optionsstrukturen. Zum einen wurden Optionsscheine stark nachgefragt. Dabei verstärkte der massiv steigende Aktienmarkt den ohnehin schon vorhanden Nachfrageüberhang nach Calls noch einmal deutlich. Gleichzeitig suchten viele Anleger direkt oder indirekt über den Erwerb von Garantiefonds die Sicherheit asymmetrischer Auszahlungsstrukturen, bei denen sie nach oben zu einem guten Teil mit dabei sein konnten, gleichzeitig aber im Falle eines Kursrückgangs abgesichert waren. Die Banken verkauften also Optionen in großem Stil. Ein Großteil des Risikos reichten sie an Hedgefonds weiter. Bei diesen kauften sie die Optionen, die sie vergleichsweise teuer im Privatkundenbereich abgesetzt hatten, billiger zurück. Im Zuge der Marktturbulenzen insbesondere im Herbst 1998 schraubten jedoch viele Hedgefonds ihre Optionsrisiken deutlich herunter. Also ersannen die Financial Engineering-Abteilungen der Banken strukturierte Produkte, mit denen sie den Anlegern vergleichsweise billige Optionen abkaufen konnten (wie in jeder Branche verdienen die Unternehmen daran, dass sie ihre Ware billig ein- und teuer verkaufen und Großabnehmern bessere Preise bieten als kleinen Kunden). Es begann die Blütezeit der Reverse Convertibles. Aus Sicht des Anlegers handelt es sich dabei um eine Kombination aus Anleihe und europäischem Short Put. Die für den Put vereinnahmte Optionsprämie wird in Form eines höheren Kupons ausgewiesen. Aufgrund der generell hohen Volatilität am Markt ergaben sich für die Käufer dieser Anleihen attraktive Kupons, oft im zweistelligen Prozentbereich. Als jedoch die Aktien ab dem Frühjahr 2000 in eine ausgeprägte Baisse eintraten, verwandelten sich die Hochprozenter in vielen Depots in Aktien, die deutlich unter ihrem Umtauschpreis notierten. Die Kenntnis dieses Umstands hinsichtlich der Marktstruktur konnte dem aufmerksamen Portfoliomanager erneut wertvolle Hinweise über Kapitalströme liefern, gingen doch die Aktien von den Emittenten über die den Reverse Convertibles innewohnenden Puts im fallenden Markt in die Hände der Privatanleger über. Die Klagewelle wegen mangelhafter Aufklärung über die Risiken dieser Anlage, die sich daraufhin über die Vertriebskanäle ergoss, zeugt davon, dass viele Anleger ob des hohen Kupons nur einen rudimentären Blick auf das Anlageprofil dieser Anlageform geworfen hatten und sich nun mit ungewollten Aktienpositionen in ihren Depots konfrontiert sahen. Je weiter der Markt fiel, desto mehr Aktien mussten die Privatanleger aufnehmen. Dadurch bauten sich immer weitere potenzielle und in vielen Fällen auch realisierte Verkaufspositionen auf, die den Verkaufsdruck im Markt tendenziell weiter verstärkten. Parallel zu den Reverse Convertibles deckten sich die Banken auch mit Calls ein. Dazu emittierten sie das Schwesterkonstrukt des Reverse Convertibles in Form von DiscountZertifikaten. Aus der Put-Call-Parität ergibt sich diese alternative Konstruktionsmöglichkeit des gleichen Auszahlungsprofils wie dem des Reverse Convertible über (aus Sicht des Privatkunden) den Kauf von Aktien in Kombination mit einem Short Call und einem Zerobond für den Kupon. Dieses Produkt mit identischem Auszahlungsprofil wird in der
7.6 Informationen aus der Anwenderstruktur
661
Regel als Discount-Zertifikat verkauft, bei dem die Optionsprämie statt eines erhöhten Kupons in Form eines Abschlags auf den Aktieneinstandspreis verrechnet wird. Diese Spirale aus Emission eines Produkts und der anschließenden Emission von absichernden Produkten führt durch das immer tiefere Verständnis der damit verbundenen Risiken zu immer spezielleren Emissionen: Beispiel
So stellte sich beispielsweise die Situation Mitte der 2000er-Jahre wie folgt dar: Die Endanleger kauften bei den Investmentbanken vornehmlich aus dem Geld liegende Puts, um ihre Absicherungsbedürfnisse zu befriedigen. Darüber hinaus hatten viele Investoren Calls aus dem Geld verkauft. Dies mögen andere Investoren gewesen sein, die darauf abzielten, Zusatzeinnahmen zu generieren oder die gleichen Anlegern, die Absicherungen gekauft haben und die bestrebt waren, diese teilweise gegenzufinanzieren. Die Investmentbanken waren also tendenziell short in Puts und long in Calls. Bei den Puts hatten sie negatives Delta verkauft, also positives Delta erzeugt. Bei den Calls hatten sie weiteres positives Delta erworben. Sie hatten also aus beiden Geschäften Delta aufgebaut. Das Delta dieser Gesamtposition war vergleichsweise einfach über den Verkauf von Underlying oder Futures zu neutralisieren. Worauf aber einige Institute mit Argwohn schauten, war das Volatilitätsrisiko, genauer gesagt den Skew. Durch den Kauf der Volatilität in niedrigen Basispreisen und den Verkauf in hohen Basispreisen durch die Investoren, war diese angestiegen (in den niedrigen Basispreisen) bzw. gedrückt worden (in den hohen Basispreisen). Mit ihrer Gegenposition waren die Investmentbanken short in diesem Skew. Aus diesem Grund ersannen sie Produkte wie „Up-Var Swaps“ und „Gamma Swaps“ im Bestreben, den Skew zurückzukaufen. Aufgrund der nicht ganz trivialen Charakteristika dieser Produkte, deren Auszahlungsprofil sich nur in dem Maße veränderte, wie lange der Einstiegspreis überschritten wurde (Up-Var Swaps) bzw. wie sich der Preis des Underlying veränderte (Gamma Swaps), blieb die potenzielle und tatsächliche Käuferschaft recht überschaubar (Jeffery 2005). Aufgrund einer solchen Emissionsmischung sowohl beim einzelnen Emittenten als auch über die Gesamtheit der Emittenten hinweg, halten sich preistreibende und preisreduzierende Effekte über weite Strecken und für viele Instrumente die Waage. Hin und wieder bauen sich jedoch in einzelnen Segmenten erhebliche Ungleichgewichte auf. Beispiel
So waren in Spanien zeitweise Garantiefonds so populär, dass auf den Ibex-35 ein Volumen von rund sechs Milliarden US-Dollar garantiert war, wozu sich andere Garantiestrukturen mit weiteren drei Milliarden US-Dollar addierten, während das Open Interest auf den Index selbst nur rund die Hälfte betrug. Daraus resultierte ein Übergewicht an Produkten mit einem Long Exposure, ebenso wie in Deutschland, wo sich die Situation durch den Appetit der Privatkunden nach (Call-)Warrants noch ausgeprägter darstellte.
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7
Derivate als Informationsquelle
Beispiel
Wenn man sich 2012 weltweit nach niedriger Volatilität umsah, um sich einen möglichst günstigen optionalen Hedge einzukaufen, wurde man in Asien fündig. Aufgrund eines Nachfragetrends bei Investoren in Japan und Korea (oder vielleicht auch einer geschickten Verkaufswelle seitens der Emittenten) nach Produkten, die Volatilität verkauften, um Zusatzerträge zu generieren (sogenannte Autocallables), war die Volatilität in der Breite des Marktes stark gedrückt (Bowler et al. 2012). Eine gleichartige Bewegung war im Winter 2014/2015 in Japan festzustellen: Nach einer weiteren Runde wirtschafts- und kapitalmarktstimulierender Maßnahmen machten die japanischen Renditen einen erneuten Rutsch. Auf der Suche nach halbwegs auskömmlichen Zinsen wurden vermehrt Autocallables nachgefragt, sodass das Emissionsvolumen deutlich anstieg (Abb. 7.33). Der dadurch praktizierte Verkauf von impliziter Volatilität in großem Stil führte direkt zu einem Rückgang des Volatilitätsniveaus (Abb. 7.34). Diese Autocallables, bei denen der Anleger modifizierte Short Puts eingeht, erforderten einen weiteren Volatilitätsverkauf der Emittenten in fallenden Märkten (Abschn. 7.6.5.4). Den umgekehrten Effekt lösen strukturelle Ungleichgewichte aus, die aus dem amerikanischen Markt für Altersvorsorgeprodukte herrühren. Dort werden sogenannte Variable Annuities (VA) angeboten. Dabei handelt es sich um Sparprodukte, die in groben Zügen der deutschen Riester-Rente entsprechen. Der Anleger partizipiert an einem steigenden Aktienmarkt und hat gleichzeitig eine Absicherung nach unten. Das am Ende der Sparphase angesammelte Kapital wird dann ratierlich als Alterszusatzversorgung ausgezahlt. Eine Variante davon sind die Fixed Indexed Annuities (FIA). Dabei wird dem Anleger in einer
250% 200% 150% 100% 50%
Jan-15
Dec-14
Nov-14
Okt-14
Sep-14
Aug-14
Jul-14
Jun-14
Mai-14
Apr-14
Mar-14
Feb-14
Jan-14
0%
Abb. 7.33 Autocallable-Emissionsvolumen in Prozent vom Durchschnitt seit Januar 2014. (Quelle: Clarke et al. 2015, S. 7)
7.6 Informationen aus der Anwenderstruktur
663
23.0%
18000
22.5%
17500 Surprise BoJ easing
22.0%
17000
21.5%
16500
21.0%
16000
20.5%
15500 Increased issuance
20.0%
15000
19.5%
14500 NKY 18m ATM Imp Vol
NKY (RHS) 26-Jan-15
19-Jan-15
9-Jan-15
30-Dec-14
22-Dec-14
15-Dec-14
8-Dec-14
1-Dec-14
21-Nov-14
14-Nov-14
7-Nov-14
30-Oct-14
23-Oct-14
16-Oct-14
8-Oct-14
14000 1-Oct-14
19.0%
Abb. 7.34 Nikkei und implizite Volatilität. (Quelle: Clarke et al. 2015, S. 7)
Art Rabattsystem die positive Performance des Aktienmarktes bis zu einer Maximalgrenze monatlich gutgeschrieben. Auch dieses Produkt ist gegen Kursrückgänge abgesichert. Aus beiden Produkten resultiert die Notwendigkeit seitens des Anbieters, die von ihm an den Endanleger verkauften Puts zur Absicherung am Markt zurückzukaufen. Hintergrundinformation Die an den Endanleger verkauften Puts müssen nicht zwangsläufig die Form echter Optionen annehmen. Oft beinhalten die Produkte Constant Proportion Portfolio Insurance (CPPI)-Ansätze (Abschn. 3.4.4) oder andere Risikobegrenzungsmechanismen wie Constant Volatility-Algorithmen. Die Rückwirkungen und Absicherungsnotwendigkeiten des Anbieters sind jedoch sehr ähnlich.
Die gesamten emittierten Volumina beliefen sich bis 2015 auf 133 Mrd. US-Dollar (VA) und in den FIA auf 54,5 Mrd. US-Dollar (Woodall 2016). Bei diesen Beträge scheint es nicht zu weit hergeholt, dass der Anstieg des Skew (Differenz der impliziten Volatilität von out-of-the-money Puts und out-of-the-money Calls auf den S&P 500; Abschn. 7.2.6) im Zeitraum 2014 bis 2016 zumindest teilweise diesen Produkten und den daraus resultierenden Hedging-Aktivitäten zugeschrieben wird. Hintergrundinformation Auch in Deutschland werden mittlerweile derartige Produkte angeboten. Als Reaktion auf das Niedrigzinsumfeld brachte beispielsweise die Commerzbank 2016 diese spezielle Form einer Rentenversicherung unter dem Namen „Schatzbrief Index Select“ auf den Markt.
Hinzu kommen noch strukturelle Verschiebungen auf der Angebotsseite. Bis 2008 waren Hedgefonds Anbieter von Volatilität, die sich jedoch in der Folgezeit zurückzogen.
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Derivate als Informationsquelle
Dafür trat ein neuer Verkäufer auf den Markt: kanadische Pensionsfonds. Diese haben im Zeitraum ab etwa 2012 aggressiv Volatilität verkauft, sich aber ab etwa 2014 stark zurückgehalten, sodass wiederum eine stetige Angebotsquelle für lang laufende Volatilität am Markt fehlt. Durch diese gegenläufigen Effekte haben sich per saldo auch deutliche Verschiebungen in den Marktstrukturen ergeben. So weist der amerikanische Markt weiterhin einen negativen Zusammenhang zwischen der Bewegung des Aktienmarkts und derjenigen der langfristigen impliziten Volatilität auf. Mit rund 0,8 in 2016 ist er jedoch sehr ausgeprägt und liegt auf einem Mehrjahrestief. Demgegenüber hat der strukturelle Abverkauf der Volatilität in Japan dazu geführt, dass sich Aktienmarkt und Volatilität weitgehend unabhängig oder gar gleichgerichtet bewegen (Mueller-Glissmann 2016). Mitunter konzentrieren sich emissionsbedingte Sondereffekte auf ganz eng umrissene Bereiche. Beispiel
Ein markantes Beispiel für die Probleme, die sich ergeben, wenn viele Derivate einseitig auf ein Underlying emittiert werden, ist Bejing Enterprises. Im Herbst 1997 waren nicht weniger als 17 Optionsscheine auf diesen an der Börse in Hong Kong notierten Titel verfügbar. Dabei handelte es sich ausnahmslos um Calls. Ein liquider Optionsmarkt existierte in diesem Titel nicht, sodass die Hedger nolens volens ihr Deltarisiko über dynamische Käufe und Verkäufe der Aktie abzusichern gezwungen waren. In Gamma waren die Betroffenen short. Als nun im Zuge der Asienturbulenzen die Preise asiatischer Aktien unter Druck kamen, waren auch die Emittenten gezwungen, ihre Optionsscheine durch den Verkauf von Aktien zu hedgen. Deren Verkaufsorders trafen auf die Orders der Investoren, die insgesamt ebenfalls Verkäufer für Bejing Enterprises waren. Dieser Orderstrom traf auf einen Markt, in dem die Liquidität sehr dünn wurde, weil in diesen Turbulenzen niemand gewillt war, größere Positionen aufzunehmen. Die weiter fallenden Kurse führten zu weiteren Re-Hedge-Verkäufen der Emittenten, die wiederum die Kurse weiter unter Druck brachten. Die Aktie fiel innerhalb von fünf Wochen von 53 auf 20 Hong Kong Dollar. 7.6.4.1.2 Laufendes Re-Hedging Bei der Analyse von Re-Hedging-Effekten sollte man drei Hedge-Perioden unterscheiden: den Emissionszeitpunkt, das laufende Hedging sowie den Verfall. Der vergleichsweise geringste Effekt ergibt sich im Rahmen der laufenden Anpassungen der Absicherung. Dennoch sollte man diesen Effekt nicht unterschätzen. So kann sich bei ausgeprägten Marktbewegungen über die Gesamtheit der ausstehenden Scheine ein spürbarer Effekt ergeben. Ebenso sind, wie bereits skizziert, in einzelnen Bereichen des Marktes deutliche Verwerfungen möglich.
7.6 Informationen aus der Anwenderstruktur
665
Beispiel
Eine Untersuchung des Schweizer Markts kommt beispielsweise zu dem Schluss, dass selbst unter Berücksichtigung des Faktors, dass im Durchschnitt nur geschätzte 40 % aller Optionsscheinemissionen auch beim Anleger platziert werden (die Spanne reicht von 0 bis 100 %), bis zu 15 % aller Aktien eines Unternehmens vom Optionsscheinmarkt kontrolliert werden (Kubli und Bernhardsgrütter 1998b). Darüber hinaus sind in seltenen Fällen ausgeprägte Sondersituationen möglich, bei denen massive Kurssprünge die Folge sein können. Beispiel
Vom Jahresultimo 2001 bis zum 10. Januar 2002 verdoppelte sich der Kurs der ERGOAktie. Einer der hierfür angeführten Gründe war, neben dem Gerücht um einen ShortSqueeze eines großen US-Instituts, die offensichtliche Fehlbewertung eines von der Société Générale begebenen Call-Optionsscheins. Die Bank hatte bei der Bewertung des Scheins eine Kapitalmaßnahme falsch berücksichtigt und bot diesen in der Folge zu einem Preis an, der etwa 80 % unter dem fairen Wert lag. Sicherlich war zumindest ein Teil des starken Kursanstiegs der Aktie auf die verstärkte Nachfrage nach diesem Schein und die damit verbundenen Re-Hedging-Aktivitäten der Bank zurückzuführen. Noch größere Rückkoppelungseffekte auf das Underlying stellen sich hinsichtlich des einzelnen Optionsscheins bei Auflegung und Verfall eines strukturierten Produktes ein, da auf einen Schlag größere Delta-Positionen bewegt werden müssen (Abschn. 7.6.5).
7.6.4.2 Unternehmen Auch Unternehmen betätigen sich als Emittenten insofern als sie Derivate an den Markt bringen, beispielsweise in Form von Wandel- und Optionsanleihen. Von den im Abschn. 7.6.4.1 angesprochenen Emittenten unterscheiden sie sich dadurch, dass sie Derivate an den Markt bringen, die ihre eigenen Aktien oder die von Tochterfirmen als Underlying haben, während die Finanzinstitute vorwiegend Derivate auf anderer Firmen Aktien strukturieren. Und noch in einer anderen Form können Unternehmen den Markt für Derivate anreichern und damit auch das Underlying bewegen: In manchen Ländern ist es legitim, dass Unternehmen anstelle von Aktienrückkäufen Puts auf eigene Aktien verkaufen (Ineichen 1998a). Da sie dies sinnvollerweise dann tun, wenn die implizite Volatilität hoch ist, wird ein derartiges Vorgehen eher eine volatilitätsdämpfende Wirkung entfalten. Seit einigen Jahren bilden Aktienoptionspläne einen festen Bestandteil in der Vergütungsstruktur vieler Unternehmen, vor allem für deren Führungskräfte. Allerdings haben diese Optionen zur Folge, dass bei Ausübung durch die Angestellten die Anzahl der
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Derivate als Informationsquelle
umlaufenden Aktien zum Teil massiv ansteigt. Entsprechend wird der Gewinn je Aktie verwässert. Um dem entgegenzuwirken, haben sich viele Unternehmen entschlossen, eigene Aktien zurückzukaufen. Einige in Derivateangelegenheiten bewanderte Treasurer sagten sich daraufhin, dass, wenn das Unternehmen sich ohnehin verpflichtet hat, eigene Aktien zurückzukaufen, sie ebenso gut die Kosten des Rückkaufprogrammes durch die Einnahme von Prämien senken könnten. Zu diesem Zwecke wurden in großem Stile Puts geschrieben (Abschn. 4.2.2). Diese Transaktionen nehmen mittlerweile bedeutsame Ausmaße an. Händler gehen davon aus, dass mehrere Hundert Unternehmen ihre Aktienoptionspläne über Derivategeschäfte absichern. Und einzelne Firmen haben Positionen aufgebaut, die durchaus das Prädikat bemerkenswert verdienen. Beispiel
Prominentestes Beispiel ist sicherlich Microsoft. Der Software-Gigant hatte im August 2000 157 Mio. Short Puts aufgebaut und damit seit Beginn des Verkaufsprogramms rund 2,1 Mrd. US-Dollar an Prämien vereinnahmt (Cass 2000). Bis zu diesem Zeitpunkt waren aber keine Puts ausgeübt worden. Der Verkauf von Puts ist generell immer wieder für Komplikationen gut. Wir hatten bereits gesehen, dass das Risikoprofil von Short Puts brisant sein kann (Abschn. 4.2.2). Darüber hinaus ist die Bewertung von Mitarbeiteroptionen ein Diskussionsthema (Abschn. 6.10). Und auch die genaue Art der Verbuchung ist vermintes Gelände. Beispiel
Im Zusammenhang mit Kritik an der angelsächsischen Bilanzierungspraxis wurde von Marktbeobachtern öffentlich gemacht, dass einige Unternehmen, beispielsweise Dell, das Ergebnis aus dem Einsatz dieser asymmetrischen Instrumente auch asymmetrisch verbuchen. Verluste, die aus der Andienung von Aktien zu Preisen über dem aktuellen Marktpreis resultieren, gingen nicht durch die Gewinn- und Verlustrechnung, während Gewinne ausgewiesen wurden. Einige Unternehmen setzen auch auf die direkteste Methode, ihre an die Mitarbeiter abgegebenen Call-Optionen zu hedgen: Sie kaufen dagegen Calls am Markt. Damit setzen sie auch eine Obergrenze für ihren Einstandspreis auf die zurückgekauften Aktien. Insbesondere in Phasen, in denen die Aktie als unterbewertet eingestuft wird, kann dies ein attraktiver Ansatz sein. Wiederum andere Firmen kombinieren die beiden Positionen in einem Reverse Collar (CBOE 1998). Dazu verkaufen sie auf der einen Seite Puts und nutzen die vereinnahmte Prämie, um darüber hinaus Calls zu erwerben. Beispiel
So hatte beispielsweise Adobe Systems Mitte des Jahres 2000 sowohl 2,1 Mio. Short Puts als auch 1,2 Mio. Long Calls auf den Büchern (Cass 2000).
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7.6.5 Besondere Effekte 7.6.5.1 Effekte durch die Einführung von Derivaten Ist die Einführung einer Option gut oder schlecht für die Kursentwicklung der zugrunde liegenden Aktie? Hierzu gibt es bislang keine eindeutigen Erkenntnisse. Dies mag daran liegen, dass die zu Beginn dieses Kapitels skizzierten Erklärungstheorien (Marktvervollständigung, Möglichkeit von Short-Positionen, verbesserte Informationseffizienz, Hedging emittierter Positionen) auf unterschiedlichen Märkten und zu verschiedenen Zeitpunkten in unterschiedlichem Ausmaß präsent sind. Geht man davon aus, dass die Einführung von Optionen den Markt abrundet, indem sie den Investoren bisher nicht gekannte Handlungsmöglichkeiten eröffnen, könnte dies volatilitätsdämpfend wirken (Ross 1976; Hakansson 1982). Insbesondere könnte dies zur verstärkten Präsenz von eher risikoscheuen Investoren führen, die eine Investition in Aktien mit dem konvexen Auszahlungsprofil, wie es Optionen hervorbringen, bevorzugen. Die Transaktionen informationsbasierte Marktteilnehmer, die ihre Meinung über Optionen akzentuierter und vor allem bei Bedarf gehebelt umsetzen können, würden hingegen eher zu einer Vergrößerung der Volatilität des Underlying führen. Den gleichen Effekt könnten die durch Optionen ermöglichten (synthetischen) Short Exposures herbeiführen. Allerdings ist auch ein volatilitätsdämpfender Effekt möglich, wenn Short-Positionen auf Kaufoders im Kassa- oder Derivatemarkt treffen. Geht man von der Hypothese aus, dass vor allem der Absicherungseffekt offener Optionsrisiken in den Büchern der Emittenten auf dem Markt schlagend wird, kann es sowohl zu verstärkter als auch gedämpfter Volatilität kommen, je nachdem, wie die Netto-Optionsposition des Emittenten genau aussieht. Welchen Einfluss hat die Einführung von Optionen auf die Volatilität des Underlying? Besonders interessant sind in diesem Zusammenhang einige Arbeiten, die für verschiedene untersuchte Perioden unterschiedliche Preiseffekte feststellen konnten. Oft kommen die Studien zu dem Schluss, dass die Einführung von Optionen positive Effekte auf den Kurs der Aktien hat, die jedoch nach einer Weile auslaufen oder sich gar ins Gegenteil umkehren. Die Annahme ist, dass sich zunächst die Vervollständigung des Marktes positiv auswirkt. Ist der Markt vervollständigt, gibt es natürlich keinen positiven Effekt mehr (Detemple und Jorion 1990). Unter Umständen schlägt der Effekt sogar ins Gegenteil um, weil beispielsweise die verbesserte Möglichkeit, sich short zu positionieren, anfängt zu überwiegen (Sorescu 2000). Insgesamt sind die Ergebnisse dieser Auswirkungsstudien nicht eindeutig. Smithson (1995) listet acht Studien auf, die untersuchen, wie sich die Einführung von Aktienoptionen auf die Volatilität der betroffenen Aktien auswirkt. Alle acht Studien konstatieren einen volatilitätsdämpfenden Effekt. Ross (1976) und Hakansson (1982) zeigen, dass durch die Einführung von Optionen Handelsvolumen und Liquidität angeregt und eher positive Effekte auf den Preis bewirkt werden. Damodaran und Lim (1991) stellen fest, dass die Einführung von Optionen die Geld-Brief-Spannen reduziert und es zu einer spürbar geringeren Volatilität kommt. Rao et al. (1991) bestätigen den Volatilitätseffekt und begründen ihn damit, dass Optionen das Risikomanagement von Market Makern etc. er-
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leichtern und diese dadurch in der Lage sind, mehr Liquidität anzubieten. Der Rückgang der Volatilität wird durch die Ergebnisse von Conrad (1989) sowie Chaudhury und Elfakhani (1997) untermauert. Ho und Liu (1997) hingegen kommen zu dem Schluss, dass es keinen Effekt auf die Volatilität gibt. Faff und Hillier (2005) konstatieren gar volatilitätserhöhende Effekte. Sie und Miller (1977) gehen von der Hypothese aus, dass die Einführung von Optionen zu negativen Preiseffekten führen kann, da Optionen die Umsetzung negativer Marktmeinungen fördern, insbesondere, indem sie es unter Umständen erlauben, Leerverkaufsverbote im Kassamarkt zu umgehen. In der Tat finden Figlewski und Webb (1993) sowie Danielsen und Sorescu (2001) entsprechende Abschläge. Conrad (1989) hingegen sieht positive Preiseffekte unmittelbar vor der Einführung von Optionen. Beber und Pagano (2011) untersuchen explizit die Möglichkeit, über Optionen ein Leerverkaufsverbot zu umgehen. Ihr Untersuchungsobjekt sind die Leerverkaufsverbote, die im Umfeld der Subprime/Lehman/. . . Krise in manchen Ländern ausgesprochen worden waren. Sie stellen fest, dass vor allem Aktien ohne Optionen von Liquiditätseinschränkungen betroffen waren. Andere Studien konstatieren, dass eine Umgehung des Leerverkaufsverbots über den Optionsmarkt nicht erfolgt, weil sich die Market Maker nicht über das Underlying hedgen können und als Konsequenz die Optionen massiv verteuern (Battalio und Schultz 2011; Grundy et al. 2012; Félix et al. 2016). Ein deutlicheres Bild zeichnet sich ab, wenn man die Analysen zur Einführung von Aktienindex-Futures sichtet. Sie scheinen sich nicht auf die Volatilität des Underlying auszuwirken. Board et al. (1992) tragen die Ergebnisse von 15 entsprechenden Untersuchungen zusammen, mit folgendem Ergebnis (die Summe übersteigt die Anzahl der Studien, da einige Studien mehrere Effekte feststellen konnten): Anstieg der Volatilität 4 Keine Veränderung der Volatilität 14 Rückgang der Volatilität 1 Bruns und Meyer (1994) untersuchen spezifisch die Reaktion des deutschen Aktienmarkts auf die Einführung des DAX-Future und messen hingegen, dass die Volatilität abgenommen hat. Darüber hinaus sorgen Futures für eine verbesserte Liquidität (Kumar et al. 1998). Auch tragen Futures zur Verbesserung der Informationseffizienz bei. Mehrere Studien haben nachgewiesen, dass neue Informationen zuerst in den Futures-Kursen verarbeitet werden, bevor die Kassamärkte mit mehr oder weniger starker Verzögerung folgen (Zeckhauser und Niederhoffer 1983; Harris 1989; Kistowski 1992; Jennings und Starks 1986; Damodaran und Lim 1991). Dies führt aber auch zu negativen Einwertungen. Chatrath et al. (1996) und Yang et al. (2005) assoziieren plötzlich ansteigende Future-Volumina aufgrund von kursrelevanten neuen Informationen mit einer erhöhten Volatilität im Kassamarkt. Dem gegenüber stehen die Ergebnisse von Skinner (1989). Außerdem ist aufgrund des Studienaufbaus keine Aussage darüber möglich, ob die Kassavolatilität nicht
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mindestens ebenso hoch wäre, wenn es keine Derivatemärkte gäbe und die ansteigenden Handelsvolumina direkt auf die Kassamärkten träfen. Genau dieser Frage geht Jacks (2007) nach und kann keine negativen Preis- oder Volatilitätseffekte feststellen. Insbesondere vergleicht er Märkte für Agrarrohstoffe, auf denen Futures erlaubt mit solchen, auf denen sie verboten waren. Er stellt eine Varianzsteigerung durch das Verbot von Futures relativ zu den Vergleichsbörsen fest. Interessante Erkenntnisse für den Kassamarkt lassen sich auch aus der Beobachtung des Convertible Marktes zielen. Lange et al. (2001) stellen fest, dass die Volatilität der zugrundeliegenden Aktie nach Emission des Convertible bei einigen Emissionen messbar abnimmt. Dies beschränkt sich jedoch auf Emissionen, die groß genug sind und ein ausreichend hohes Gamma aufweisen, um ein hohes Re-Hedging Volumen, relativ zum durchschnittlichen Handelsvolumen der Aktie, zu generieren. Durch Re-Hedging-Verkäufe bei steigenden und -Käufe bei fallenden Aktienkursen sinkt die durchschnittliche Kursschwankung nach Emission um ca. drei bis fünf Prozent unter die durchschnittliche Schwankung im Zeitraum vor der Emission. Hill et al. (2001) stellen keinen eindeutigen Wandelanleiheeffekt fest, gehen in ihrer Untersuchung allerdings auch nicht so tief wie Lange et al. Interessanterweise gibt es offensichtlich eine ganze Reihe von Marktteilnehmern, die die Marktstruktur genau beobachten und die richtigen Schlüsse daraus ziehen, denn der Volatilitätsrückgang spiegelt sich bereits in den Optionsprämien auf diese Aktien wider. Dieser Effekt kann aber auch direkt daher rühren, dass die Händler ihr (Long) Volatilitätsrisiko aus der Wandelanleiheemission durch den Verkauf von Optionen hedgen. In jedem Fall sollte der kundige Portfoliomanager sowohl bestimmte Convertibles als auch die Optionen auf diese Aktien so bewerten, dass er den Volatilitätsrückgang vorausschauend einkalkuliert.
7.6.5.2 Effekte bei Verfall Gerade kurz vor Verfall kann es zu ausgeprägten Effekten aus dem Optionsmarkt auf den Basiswert kommen. Wie in Abb. 7.31 ersichtlich, ist das Gamma bei Optionen mit kurzen Restlaufzeiten am Geld am höchsten. Aus diesem Grund sollen im Folgenden die ReHedging-Effekte bei Verfall genauer betrachtet werden. Dass Re-Hedging-Effekte kurz vor und am Verfalltag potenziell wichtige Einflussfaktoren für den Kassamarkt sein können, ist unbestritten. Wie groß der Effekt jedoch im Einzelnen ist bzw. war, ist im Nachhinein ohne die genaue Kenntnis der Positionen der Teilnehmer und ihrer Hedges nicht exakt zu quantifizieren. Brenner (1990) führt an, dass schon Ende der 1980er-Jahre geschätzte 30 % der Umsätze im S&P 500 Future auf Absicherungsoperationen für Bestände in S&P 500 Optionen zurückzuführen sind. Auf jeden Fall lassen sich in Einzelfällen interessante Schlüsse ziehen und Tendenzaussagen treffen. Beispiel
Im Dezember 1998 liefen 14 % aller damals auf deutsche Aktien emittierten Call-Optionsscheine aus. Viele Scheine handelten zu diesem Zeitpunkt nahe am Geld. Für einige
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Werte ergaben sich aggregierte Warrant-Deltas von zwei bis sechs Prozent des durchschnittlich gehandelten Tagesvolumens im Underlying. Bei größeren Kursbewegungen im Underlying hätte es somit zu ausgeprägten Re-Hedging-Aktivitäten und demzufolge zu Rückkoppelungseffekten im Underlying kommen können. Beispielsweise hätte eine fünfprozentige Kursveränderung in der Preussag-Aktie bei einem aggregierten Warrant-Delta von mehr als sechs Prozent des Tagesumsatzes der Aktien dazu geführt, dass im Rahmen von Re-Hedgings rund 30 % des Tagesvolumens optionsscheininduziert gehandelt worden wäre (Ineichen 1998). Bei dieser Betrachtung konnten jedoch die sicherlich bestehenden Hedge-Positionen über börsengehandelte und OTC-Optionen nicht berücksichtigt werden. Leider war nicht bekannt, welche Hedge-Strategien auf diese Positionen aufgesetzt waren. Je nach Ausmaß eines möglichen Long- oder Short-Gamma-Exposures hätten diese Effekte mehr oder weniger ausgeprägt sowohl volatilitätsverstärkend als auch -reduzierend wirken können. Aufgrund der nicht gegebenen Transparenz über die bestehenden Positionen und die Motive der tatsächlich am Markt getätigten Umsätze kann nur spekuliert werden, ob die Optionsscheine am Ende tatsächlich einen Effekt hatten und wenn ja, in welcher Größenordnung. Eine derartige Häufung von verfallenden Optionsscheinen und Zertifikaten ereignet sich regelmäßig. Insbesondere die Monate Juni und Dezember sind in dieser Hinsicht exponiert. Die Rückwirkungen auf den Aktienmarkt sind schwer pauschal zu beziffern, da sie sich nicht isoliert messen lassen. Darüber hinaus spielt die Moneyness der Optionen und natürlich der Kursverlauf der einzelnen Aktien eine Rolle, da erst heftigere Kursausschläge größere Re-Hedging-Aktivitäten auslösen. Immerhin kommt es bei dem einen oder anderen betroffenen Titel zu gewissen Auffälligkeiten. Beispiel
Beispielsweise gab es bei adidas im Juni 1999 einen größeren Verfallstermin. Errechnet man mittels einer einfachen Regression das Beta der Aktie gegenüber dem DAX, so betrug dies von Januar bis Mai 1999 0,29, im Juni 1999 auffällige 1,41 und von Juli bis Ultimo 1999 0,32. Sicherlich handelt es sich dabei nicht um Zusammenhänge, die im statistischen Sinne als signifikant bezeichnet werden können. Dennoch könnte diese Beobachtung zumindest andeuten, dass es im besagten Monat zu spürbaren Verwerfungen im Rendite/Risikoprofil der Aktie kam. Möglicherweise sind diese tatsächlich auf die Impulse aus dem Bereich der Optionsscheine zurückzuführen. Einige Emittenten bieten ihren Kunden Produkte an, deren Auszahlung sich auf einen Preis bezieht, der als Mittelwert mehrerer Punkte, zum Beispiel die Schlusskurse der
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letzten fünf Handelstage im Verfallsmonat, berechnet wird (Abschn. 6.4.2.3.1). Diese asiatischen Optionen haben zum einen den Vorteil, dass sie im Falle von Garantieprodukten eine optisch hohe Partizipationsrate ermöglichen. Für die Händler, die diese Optionen zu hedgen haben, können sie darüber hinaus den Vorteil bieten, dass sie ihren Hedge in kleineren Schritten, und damit möglicherweise marktschonender, abbauen können. Bevor ein Portfoliomanager jedoch all diese Erkenntnisse über die Re-Hedging Effekte aus Optionspositionen in Prognosen und letztlich Transaktionen umsetzt, sollte er unbedingt noch einen Blick darauf werfen, ob es sich bei den betrachteten Optionsscheinen nicht vielleicht um Covered Warrants handelt (Abschn. 4.1.4.2). Kubli und Bernhardsgrütter (1998a) schätzen beispielsweise den Anteil der Covered Warrants am Schweizer Markt auf neun Prozent. Dennoch kann es in ausgewählten Aktien dazu kommen, dass die Rückkoppelungseffekte aus Covered Warrants den Aktienkurs spürbar beeinflussen. Wie der Name bereits verrät, zeichnen sich Covered Warrants dadurch aus, dass sie gedeckt sind. Das heißt, dass diese Scheine (in der Regel Calls) durch Aktienbestände unterlegt sind. Der Emittent schreibt auf eigene Bestände oder die Bestände eines Kunden die Optionspositionen. Während der Laufzeit der Optionsscheine findet kein dynamisches Hedging statt, da die Aktien im Falle des Abrufs durch den Käufer des Optionsscheins ja bereits zur Verfügung stehen. Die Warrants sind also statisch abgehedged. Durch die Anschaffung der Aktien vor Emission ergibt sich ein positiver Effekt auf den Aktienkurs. Nach der Emission kommt es durch teilweise Rückkäufe der Warrants am Markt und Teilauflösung der entsprechenden Hedge-Positionen eher zu Kursrückgängen. Insgesamt wirkt sich die Emission jedoch positiv auf den Aktienkurs aus. Außerdem ist zu beobachten, dass die Volatilität der Aktie etwas ansteigt, die Liquidität durch den Entzug von Aktien aus dem freien Umlauf abnehmen kann, wenn die Emission groß genug ist und damit auch das Handelsvolumen leicht zurückgeht (Tanner und Zimmermann 1993). Noch wichtiger als die auslaufenden Positionen in Optionsscheinen, Zertifikaten und anderen strukturierten Produkten könnten die Bestände in börsengehandelten Optionen kurz vor Verfall sein. Diese sind in der Regel größer und haben zumindest den Vorteil, transparent zu sein. Aus dem Open Interest bei börsengehandelten Optionen lassen sich eine Reihe interessanter Erkenntnisse gewinnen. Beispielsweise kann man beobachten, dass dann, wenn zu Beginn einer Verfallswoche das offene Put Delta das offene Call Delta übersteigt, die Performance des Marktes in der Verfallswoche tendenziell positiv ist (Kim et al. 1999). Interessanterweise lässt sich der Umkehrschluss, dass bei einem deltaadjustierten Übergewicht zugunsten der Calls ein negatives Ergebnis des Index in der Verfallswoche zu erwarten ist, nicht ziehen. Die vereinfachte Schlüsselannahme ist, dass Investoren Optionskäufer und Optionshändler demzufolge Verkäufer sind. Um sich zu hedgen, verkaufen die Händler IndexFutures und indexnahe Aktienkörbe. Damit spielt die Moneyness des Open Interest eine wichtige Rolle. Optionen im Geld weisen ein wesentlich höheres Delta auf und erfordern höheren Hedge-Aufwand. Bei dieser Betrachtung werden jedoch andere Hedge-Möglichkeiten außer Acht gelassen.
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Mehrere Gründe könnten nun für das Phänomen der steigenden Kurse in der Verfallswoche verantwortlich sein. Einerseits könnte eine Rolle spielen, dass es mehr Put-Käufer als Put-Verkäufer gibt. Dies bedeutet, dass sich im Markt für Puts eine Dominanz der „Bären“ feststellen lässt. Auf der anderen Seite ist längst nicht jeder Umsatz auf der Call-Seite von den Käufern getrieben. Vielmehr kommen hier sehr häufig Short Calls zum Einsatz. Bei einem Put-Übergewicht gegenüber Calls scheint also eine negative Markterwartung zu dominieren. Demgegenüber ist aus einem Call-Übergewicht nicht zwangsläufig eine positive Markterwartung abzuleiten. Bei einer negativen Markterwartung kann es sich jedoch auch um eine übertriebene Reaktion handeln, quasi einen Kontraindikator, der sich in der Verfallswoche ins Gegenteil auflöst. Diese Theorie wird dadurch gestützt, dass bei fallenden Kursen in der Woche vor der Verfallswoche in der Verfallswoche selbst der Markt in der deutlichen Mehrheit der Fälle dreht. Dieses Return Reversal lässt sich ebenfalls feststellen, wenn man den ganzen Monat vor der Verfallswoche betrachtet. Fallende Kurse vor der Verfallswoche sind also ein weiterer Indikator für ansteigende Kurse in der Verfallswoche. Eine mögliche Erklärung für dieses Phänomen ist, dass, sobald der Markt Anstalten macht, in der Verfallswoche zu steigen, viele Long Put-Investoren geneigt sind, ihre Positionen schneller glattzustellen, insbesondere, wenn diese im Gewinn liegen oder zumindest teilweise in Serien rollen, die ein niedrigeres Delta aufweisen. Die Market Maker, die ihre Short Puts durch Short Index-Positionen gesichert hatten, lösen diese Absicherungen durch Kauf des Underlying auf und sorgen damit für Kaufdruck. Diese Entwicklung kann beschleunigt werden, wenn der Index nahe an den Basispreisen börsennotierter Optionen ansteigt, wenn dort ein Großteil des Open Interest konzentriert ist. Hier halten die Händler tendenziell Short-Positionen und sind short Gamma. Die erforderlichen HedgeAktivitäten werden an diesen Punkten zunehmend binär. Entweder die Option verfällt wertlos, oder sie schließt im Geld. Demnach wäre der Händler gezwungen entweder alles oder nichts zu hedgen. Interessanterweise sind all diese Bewegungen nur bei Indexoptionen feststellbar. Bei Optionen auf Aktien lassen sie sich nicht feststellen. Was sich jedoch beobachten lässt, ist eine in vielen Fällen überdurchschnittliche Aktivität in vielen Titeln (Patel und Koh 2002). Dadurch wird es dem kundigen Portfoliomanager unter Umständen möglich, größere Position preisschonend auf- oder abzubauen. Pinning Hintergrundinformation In diesem Kapitel wird dargestellt, welche Effekte das Pinning auf die Kursfindung hat und wie das Wissen um das Pinning das Kapitalmarktverständnis verbessert. Welche Herausforderungen das Pin Risk kurz vor Verfall an den Manager einer betroffenen Optionsposition stellt, ist in Abschn. 6.2.3 dargestellt. Für weitere Literatur zu Verfallstageffekten siehe Stoll und Whaley (1987), Röder und Bamberg (1996), Schlag (1996) sowie Merrick (1987).
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Ein hochinteressanter und in der Presse leider immer wieder fehlerhaft dargestellter Sachverhalt ist das Pinning eines Aktienkurses. Darunter versteht man, dass in einigen Fällen Aktienkurse „magisch“ von Basispreisen angezogen werden, hinter denen große offene Optionspositionen stehen. Leider wird dies oftmals als Akt bewusster Marktmanipulation der ominösen „interessierten Kreise“ dargestellt. Betrachtet man diese Bewegungen jedoch sachrational, wird klar, dass es sich dabei lediglich um einfache, fast schon mechanisch erforderliche Hedge-Aktivitäten handelt – was freilich nicht ausschließt, dass es in Einzelfällen tatsächlich zu Versuchen kommt, den Markt zu manipulieren (Abschn. 6.2.3). Beispiel
Zum Beispiel notierten Motorola im Oktoberverfall 2001 nahe am Basispreis 17,50 US-Dollar. Auf diesem Strike bestand zu diesem Zeitpunkt ein Call Open Interest im Gegenwert von 27 % des täglichen durchschnittlichen Handelsvolumens (Patel und Koh 2002). Der Markt ging davon aus, dass die Händler netto long in den Calls waren und damit in Termini Optionsrisiko long Gamma. Damit waren sie gezwungen, antizyklisch zu agieren und bei steigenden Aktienkursen Aktien zu verkaufen, um das stark ansteigende Delta des Call abzusichern. Ebenso waren sie gezwungen, bei fallenden Kursen Aktienpositionen aufzubauen. Aufgrund der Größe des Open Interest relativ zum Tagesumsatz der Aktie könnten diese Aktivitäten dazu geführt haben, dass die Aktie sich in einer engen Bandbreite um den Basispreis bewegte. Das Phänomen des Pinning ist mittlerweile in verschiedenen Studien dokumentiert worden (Avellaneda und Lipkin 2003; Ni et al. 2005). Auch Krishnan und Nelken (2001) kommen zu dem Schluss, dass für eine Reihe von amerikanischen Aktien ein statistisch signifikanter Pinning-Effekt nachgewiesen werden kann. Sie gehen dann jedoch noch einen Schritt weiter und entwickeln auf dieser Basis ein Optionspreismodell, das für die Optionen gepinnter Aktien deutliche Preisdifferenzen zu Black-Scholes errechnet. Es kann jedoch nicht pauschaliert werden, dass kurz vor und an Verfallstagen eine Pinning-Tendenz aller Aktien einsetzt. Auch das Gegenteil ist möglich. Ist ein Händler short At-the-money Puts, und damit short Gamma, ist er gezwungen, Aktien oberhalb des Basispreises zu kaufen und unterhalb zu verkaufen. Damit treibt er die Aktie vom Basispreis des Put weg (Reverse Pinning). Unter der Annahme unterschiedlicher Händlerpositionen lässt sich deren wahrscheinliche Hedge-Tendenz und damit die Kursbewegung vereinfacht schematisch darstellen (Abb. 7.35). Diese vereinfachten Zusammenhänge gelten selbstverständlich nur dann, wenn die Händlerpositionen groß genug sind, um den Markt zu bewegen und er sein Risiko nicht bereits über andere Maßnahmen gesichert hat. Wenn zum Beispiel eine optionale Position über Optionen abgesichert wird, ergeben sich wiederum ganz andere Re-HedgingOperationen und -Effekte (Abschn. 7.6.4.1). Warum nun ist das Wissen um all diese Zusammenhänge und die daraus resultierenden Preiseffekte für den modernen Portfoliomanager so wichtig? Wenn ein Portfoliomanager
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Annahme
Händler ist long Call Händler ist short Call
Händler ist long Put
Händler ist short Put
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Risikoposition
Veränderung der Risikoposition
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Möglicher Hedge
Mögliche Auswirkung
Aktie steigt
Aktie fällt
Aktie steigt
Aktie fällt
auf Aktienkurs
Long Delta
Long DeltaExposure steigt
Long DeltaExposure fällt
Delta (Aktien) verkaufen
Delta (Aktien) kaufen
Pin am Basispreis
Short Delta
Short DeltaExposure weitet sich aus
Short DeltaExposure reduziert sich
Delta (Aktien) kaufen
Delta (Aktien) verkaufen
Bewegung weg vom Basispreis
Short Delta
Short DeltaExposure reduziert sich
Short DeltaExposure weitet sich aus
Delta (Aktien) verkaufen
Delta (Aktien) kaufen
Pin am Basispreis
Long Delta
Long DeltaExposure fällt
Long DeltaExposure steigt
Delta (Aktien) kaufen
Delta (Aktien) verkaufen
Bewegung weg vom Basispreis
Abb. 7.35 Schematische Pinning- und Reverse Pinning-Effekte
erkennt, dass sich der Preis einer Aktie oder das mit ihr verbundene Risiko in Termini Schwankungsbreite aufgrund von Re-Hedging-Effekten verändert, verfügt er über einen bedeutenden Wissensvorsprung gegenüber weniger gut informierten Anlegern. Er wird nämlich wissen, dass diese Neubewertung bzw. Änderung des unternehmensspezifischen Risikos nicht auf Basis geänderter Fundamentaldaten erfolgt. Sie ist vielmehr allein durch die Art, wie diese Papiere gehandelt werden und welche Absicherungsaktivitäten im Hintergrund ablaufen, getrieben. Dies versetzt ihn in die Lage, den wahren Wert eines Asset hinter den marktstrukturbedingten Preisverzerrungen zu erkennen. Ist für ihn absehbar, dass sich diese Preisverzerrungen bereinigen, kann er entsprechende Positionen eingehen, um von einer Rückkehr zum fairen Wert des Asset zu profitieren. Dieses Wissen ist nicht nur kurz vor Verfall hilfreich. Auch deutlich davor kann es zu derartigen Effekten kommen. Beispiel
So waren die ersten Tage des Oktober 2014 bezüglich der Aktienmarktentwicklung eine ziemliche Katastrophe. Zum Erstaunen vieler Marktteilnehmer blieb die realisierte Volatilität in dieser Phase jedoch vergleichsweise niedrig – mit Ausnahme der Monatsmitte. Die Beobachter des Derivatemarkts konnten sich einen Reim darauf machen: Mehrere auf die Vereinnahmung von Volatilitätsprämie spezialisierte Hedgefonds hatten den potenziellen Volatilitätsanstieg genutzt, um Short-Vola-Positionen aufzubauen. Gleichzeitig hatten institutionelle Investoren in großem Stil in den Abwärtsmarkt hinein Puts verkauft, sowohl auf den DAX als auch auf Einzeltitel mit hohem Indexgewicht wie Allianz und Bergbauunternehmen. Der Großteil dieser Short Puts wurde
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in der Oktoberfälligkeit gehandelt und wies demzufolge ein hohes Gamma auf. Die Händler auf der Gegenseite bekamen so eine Long Gamma-Position auf die Bücher. Um diese dynamisch abzusichern, mussten sie antizyklisch im Aktienmarkt kaufen und verkaufen, was einen dämpfenden Effekt auf die realisierten Schwankungen ausübte. Zugegebenermaßen ist dieser Grad an Einsicht nicht einfach zu erreichen. Zunächst setzen sich Re-Hedging-Effekte am Markt nur dann als preisgestaltend durch, wenn das offene Gamma sehr groß ist, was einerseits bedingt, dass ein bedeutender Marktteilnehmer über große offene Positionen verfügt oder „der Markt“ als Ganzes einseitig positioniert ist und die offenen Positionen nicht offen gelassen werden. Ein derartiges Gewicht haben Positionen meist ohnehin nur kurz vor Verfall, wenn das Gamma ansteigt. Darüber hinaus besteht das Risiko, dass der Händler die Position über alternative Produkte absichert, sodass diese sich nicht direkt auf das Underlying oder den Markt für börsennotierte Optionen niederschlagen, sondern über alternative Kanäle abfließen, beispielsweise über strukturierte Produkte im Privatkundenbereich oder lang laufende OTC-Optionen. Dann kommen die Effekte gar nicht an der Börse an, sie materialisieren sich erst zu einem späteren Zeitpunkt oder an einer anderen als der erwarteten Stelle, beispielsweise in den hinteren Regionen der Volatilitätsstrukturkurve. In seltenen Fällen kommt es jedoch vor, dass die Effekte des Gamma-Hedging offenkundig werden. Ein Höhepunkt in dieser Hinsicht war sicherlich der 19. Juli 2012. Am Tag vor dem Verfallstermin für Optionen in den USA kam es in mehreren prominenten und hochkapitalisierten Aktien zu erstaunlichen Kursverlaufsmustern. Die absonderlichste Kursformation wies Coca-Cola auf (Abb. 7.36): Hier wechselten sich im Halbstunden-
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Abb. 7.36 Coca-Cola Intraday Kursverlauf am 19. Juli 2012. (Datenquelle: Thomson-Reuters; eigene Grafik)
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takt massive Kauf- und Verkaufsaufträge und somit Kursanstieg- und -rückgangsphasen ab, wobei die Kaufaufträge überwogen und den Kurs schließlich nahe an den Optionsbasispreis von 38,75 heran führten. Bei Apple, IBM und McDonald’s wiederholte sich das Handelsmuster und führte auch bei diesen Titeln zu bizarren Kursformationen, die ebenfalls allesamt in unmittelbarer Nähe zu Optionsbasispreisen endeten (Apple: 615; IBM: 195; McDonald’s: 92,50). Es scheint naheliegend, dass hier Gamma-Hedging in größerem Umfang betrieben wurde, da auch die Umsätze in den betroffenen Titeln deutlich erhöht waren. Allerdings steht zu vermuten, dass automatische Kauf- und Verkaufsorders platziert wurden. Wäre ein Händler aus Fleisch und Blut involviert gewesen, hätte er die Orders höchstwahrscheinlich in einer anderen Art und Weise platziert, die weniger aufsehenerregend gewesen wäre. Insofern könnten diese Kursmuster Indikationen für die Präsenz eines (wenig geschickten) Algo-Trading-Programms sein (Institutional Money 2012).
7.6.5.3 Effekte am Tagesende Cheeseman et al. (2008) weisen auf einen weiteren interessanten Preiseffekt hin: Emittenten, die inverse oder gehebelte Exchange Traded Funds (ETFs) auf den S&P 500-Index aufgelegt haben, sind gezwungen, ihre Positionen zum Ende des Handelstages abzusichern. Sie schätzen, dass während ihres Beobachtungszeitraums über mehrere Monate im Jahr 2008 rund 14 % der in den letzten fünf Minuten eines Börsentages gehandelten Futures auf Hedging-Operationen in ETFs zurückzuführen sind. Weitere zehn Prozent sind dem Hedging von S&P 500-Optionen zuzuschreiben. Damit kommt rund ein Viertel des Umsatzes kurz vor Handelsschluss aus diesen technisch bedingten Transaktionen! Da diese Hedges Futures-Käufe (Verkäufe) erfordern, wenn der Markt während des Handelstages gestiegen (gefallen) ist, ist es sehr wahrscheinlich, dass der Markt diese Richtung auch in den letzten fünf Handelsminuten beibehält. Dieser Effekt ist nicht auf den amerikanischen Markt beschränkt (Cheeseman et al. 2008b). Allerdings scheint dieser Effekt nicht dauerhaft am Markt feststellbar zu sein. Zu diesen Transaktionen von Emittenten und Händlern gesellen sich Momentumstrategien von Investoren wie Stop Loss, dynamische Absicherungen, zyklische Anpassungen von Risk Parity oder Target Vola-Strategien und Momentumspieler aus dem CTA-Bereich (Abschn. 7.6.3). 7.6.5.4 Einfluss auf die Volatilität Wie bereits an den Beispielen Long-Term Capital Management und den dänischen Pensionsfonds dargestellt, versetzt die intime Kenntnis der Marktstruktur den Portfoliomanager nicht nur in die Lage, die Rückkopplungseffekte auf den Preis des Underlying abzuschätzen. Auch die implizite Volatilität kann von Änderungen in der derivativen Marktstruktur massiv beeinflusst werden. Bis Mitte der Neunzigerjahre war das Geschäft mit Warrants und Garantieprodukten ein vergleichsweise einfaches. Die Banken verkauften die lang laufenden Optionen teuer im Privatkundengeschäft, neutralisierten ihr Delta-Risiko mit Futures und ihr Gamma
7.6 Informationen aus der Anwenderstruktur Abb. 7.37 Anteil Produkte long, short, neutral in Volatilität. (Datenquelle: Merrill Lynch; eigene Grafik)
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100% 80% 60% 40%
UK
Sweden
Spain
Netherlands
Italy
Ireland
Germany
France
0%
Belgium
20% Short Neutral Long
durch den Kauf von Optionen am Markt. Dem Hedge des Short-Vega-Exposure wurde dabei nicht allzu viel Bedeutung beigemessen. Durch die anhaltende Nachfrage nach Garantieprodukten und Optionsscheinen stieg die implizite Volatilität für lange Laufzeiten stetig an. Aus Abb. 7.37 ist ersichtlich, dass die Verteilung strukturierter Produkte hinsichtlich ihres Volatilitäts-Exposures in einigen Ländern recht unausgewogen war. Insbesondere auf dem deutschen Markt, dessen Anleger die Sicherheit von Garantieprodukten zu schätzen wissen und gleichzeitig vonseiten der privaten Investoren eine starke Nachfrage nach Optionsscheinen zu verzeichnen ist, wiesen Mitte 1999 mehr als 80 % der emittierten Produkte ein Long-Volatilitäts-Exposure auf. Die emittierenden Banken bauten damit ShortVolatilität-Positionen auf und aus. Dabei gilt es zu beachten, dass Mitte 1999 in vielen Ländern Produkte mit Short- und Neutral-Volatilität-Exposure emittiert worden waren, die das Long-Volatilität-Exposure bereits reduziert hatten. Doch auch der spanische Markt wies im Verhältnis zu seiner Marktkapitalisierung einen außergewöhnlich hohen Bestand an garantierten Strukturen auf. Berechnet man den Zusammenhang zwischen der Größe der Garantieprodukte im Verhältnis zur Marktkapitalisierung auf der einen und der Änderung der impliziten Volatilität auf der anderen Seite, stellt man fest, dass in Zeiten starker Volatilitätsänderungen ein Großteil dieser Bewegung durch die relative Größe des Garantieproduktmarktes (der 1997 rund 40 Mrd. C groß war; vgl. Champney et al. 2000) erklärbar war. Dieses Phänomen ließ sich mehrmals beobachten, beispielsweise während der Asienkrise im Oktober 1997 und der Russland/LTCMKrise im August 1998. Abb. 7.38 zeigt den Anstieg der impliziten Volatilität in der Woche des 28. August 1998 („Mad Friday“) in Relation zur relativen Strukturmarktgröße in den einzelnen Ländern. Der Zusammenhang ist mit einem Determinationskoeffizienten r2 von über 0,8 sehr stark und mit hohen t-Werten statistisch hochsignifikant (Mansuri und Ineichen 1998). Doch zurück zu den fehlenden Vega-Hedges der Emittenten in 1997. Im Zuge der Asienkrise im Sommer 1997 bekamen viele Häuser ihre großen ungesicherten Vega-Positionen zu spüren. Sie waren gezwungen, diese Positionen zu reduzieren. Dazu kauften sie Vega von anderen Häusern. Da sich immer mehr Banken in dieser Situation wiederfanden, wurden aus immer mehr ehemaligen Vega-Verkäufern nun Vega-Käufer. Die eine Bank si-
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10 Spain
Anstieg der durchschnittlichen, impliziten Aktienvolatilität (Prozentpunkte)
9 8 7 6 5
Italy
Germany
4
Netherland UK
3 France 2 1 0 0,0%
0,1%
0,2%
0,3%
0,4%
0,5%
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0,8%
0,9%
Größe des Garantieproduktmarktes relativ zur Marktkapitalisierung per 30.09.98
Abb. 7.38 Änderung der impliziten Aktienvolatilität versus Größe der 1998 emittierten nationalen Garantieprodukte. (Quelle: Mansuri und Ineichen 1998)
cherte ihre Positionen dadurch, dass sie von einer anderen Vega kaufte. Diese jedoch war ihrerseits bestrebt, ihr gestiegenes Short-Vega-Exposure abzusichern und deckte sich bei einer dritten Bank ein. So drehten sich die Flüsse der langen impliziten Volatilität um, was zu einem weiteren Anstieg führte. Die Volatilität verschärfte sich im Spätsommer 1998, als sich die Russlandkrise verschärfte. Ein weiterer wichtiger Anbieter langer Volatilität fiel als Quelle aus: Die Hedgefonds, die in der Vergangenheit oft als „Zentralbank für Volatilität“ agierten und insbesondere bei sehr hohen Volatilitäten durch den Verkauf von Forward Straddles am Geld oder den Abschluss von Volatilität-Swaps den Anstieg lang laufender Volatilität praktisch deckelten, hatten nun selbst Probleme mit ihren Positionen und reduzierten ihr Risiko ebenfalls. Der Volatilitätsanstieg wurde nicht mehr gebremst. Im Gegenteil. Da es den Emittenten nicht möglich war, ihr Vega-Risiko am langen Ende der Kurve zu neutralisieren, wichen sie auf den Markt für kürzer laufende Volatilität, sprich den Markt für börsennotierte Aktien- und Indexoptionen, aus und trieben die dortigen impliziten Volatilitäten ebenfalls nach oben. Ein Gutes könnten diese Transaktionen jedoch gehabt haben. Unter Umständen haben sie ihren Teil dazu beigetragen, dass sich die Aktienmärkte schließlich wieder etwas beruhigen konnten. Die Wirkungskette wäre dann wie folgt: Der Endkunde hat bei einem Garantieprodukt einen Call gekauft, dessen Verlust auf die Optionsprämie beschränkt ist, der ihm jedoch die Partizipation an einem steigenden Markt sichert. Die Bank hat ihm diesen Call verkauft und damit selbst eine Short-Position eingenommen. Um das daraus erwachsende Risiko möglichst gut abzusichern, hat die Bank börsengehandelte Calls gekauft. So konnte sie das zunächst negative Delta neutralisieren. Gleichzeitig wurde die Short-Position im Vega durch den Optionskauf ebenfalls ausgesteuert, zwar an ei-
7.6 Informationen aus der Anwenderstruktur
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ner anderen Stelle der Volatilitätsstrukturkurve, aber immerhin. Allerdings war es nicht zu vermeiden, dass sich der Emittent mit dieser Absicherungstransaktion ein positives Gamma verschafft. Da die gekaufte, kurz laufende Option ein höheres Gamma aufwies als die verkaufte, lang laufende Option, kam es tendenziell zu einem Gamma-Überschuss. Wenn nun der Markt fällt, geht aufgrund des positiven Gamma auch das Delta zurück. Um diese zentrale Risikogröße wieder in den neutralen Bereich zu bringen, muss die Bank also in einem fallenden Aktienmarkt Aktienrisiko zukaufen. Sie handelt antizyklisch und trägt so zur Stabilisierung bei. Ist der Markt an Garantieprodukten, seien es Optionsscheine, Garantiefonds, Zertifikate oder sonstige strukturierte Anleihen, im Vergleich zur Aktienmarktkapitalisierung groß, können derartige Transaktionen spürbar auf den Kursverlauf einwirken. Vielleicht war es also auch diesen Absicherungskäufen zu verdanken, dass sich der Markt dann irgendwann wieder beruhigte. Im weiteren Verlauf gelang es den Banken dann aber schließlich, durch den Verkauf von Reverse Convertibles und Discount-Zertifikaten an Privatanleger eine neue Volatilitätsquelle zu erschließen. Außerdem verloren Garantiestrukturen aufgrund der niedrigen Zinsen und teuren Optionen mehr und mehr an Attraktivität. Die implizite Volatilität bildete sich zurück. Das Vega-Risiko der Banken entspannte sich. In dieser Marktphase bezahlten einige institutionelle Marktteilnehmer horrendes Lehrgeld (Abschn. 6.1.5.2). Spätestens seit dieser Lehre achten viele Emittenten auch darauf, ihr nach Absicherung von Delta, Gamma und Vega noch offenes Zinsrisiko Rho, das in der Vergangenheit oft ignoriert wurde, durch den Verkauf von Zins-Futures angemessen zu hedgen. So soll ihnen nicht das gleiche widerfahren, das ihnen mit anderen, in der Vergangenheit stiefmütterlich behandelten Risiken, passiert ist. Die daraus resultierenden Orders sind angesichts ihres in Relation zum Umsatz vergleichsweise geringen Volumens jedoch nicht in der Lage, die Kurse nachhaltig zu beeinflussen. Hintergrundinformation An dieser Stelle soll allerdings nicht unterschlagen werden, dass es auch einen umgekehrten Wirkungszusammenhang gibt, dessen Richtung genau umgekehrt wirkt, Marktausschläge also nicht dämpfen, sondern sogar verstärken kann; nämlich dann, wenn die Bank sich entscheidet, ihr DeltaRisiko aus der Emission von Garantieprodukten durch Aktien oder Futures und nicht über Optionen abzusichern (Abschn. 7.6.4.1).
Auch von dem vergleichsweise neuen Markt in Optionen auf Volatilitätsprodukte geht ein Effekt auf die implizite Volatilität aus. Beispiel
Cheeseman et al. (2009) schätzen den Einfluss von Re-Hedging-Transaktionen auf die implizite Volatilität des amerikanischen Volatilitätsindex VIX als sehr signifikant ein. In der Annahme, dass die Market Maker in diesem Markt per saldo short in VIX-Optionen sind, ergibt sich für sie vor allem seit dem Zusammenbruch von Lehman Brothers im Herbst 2008 die verstärkte Notwendigkeit, ihre Positionen zyklisch mit Forward Starting Variance Swaps und VIX Futures zu hedgen. Dadurch würden Bewegungen in
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Put Kick-in
G & V
Terminkurs Underlying
„Bedingter Schutz“
Autocall-Schwelle
Abb. 7.39 Auszahlungsprofil eines typischen Autocallable
der impliziten Volatilität in beide Richtungen verstärkt. Und bei immer größerer Bewegung steigt der Zwang zum Re-Hedging überproportional an, sodass der Effekt nicht linear, sondern geometrisch ansteigend wirkt (Credit Suisse 2013). Das liegt auch daran, dass nicht wenige Volatilitätsprodukte selbst noch einmal gehebelt sind, indem sie beispielsweise den VIX-Stand mal zwei auszahlen. Beispiel
Ein anderer Markt mit einem vermutlich sogar noch größeren strukturellen Problem ist der Markt für sogenannte Autocallables in Japan und Korea (manchmal werden diese aktienabhängigen Anleihen, die in Japan an Privathaushalte verkauft werden, als Uridashis bezeichnet). Dabei handelt es sich um Anleihen, die zwei Grenzen eingezogen haben, bei denen sie automatisch fällig werden. Einerseits enthält die Anleihe einen Down-and-in-Put, typischerweise mit einem Basispreis von 50 bis 65 % vom aktuellen Niveau. Andererseits verfällt sie durch eine Knock-out Option bei ca. 105 bis 110 %. Dieser Knock-out ist bei den Standardstrukturen der Auslöser für die Kuponzahlung und die Rückzahlung der Anleihe. Der Anleger verkauft also Optionen auf beiden Seiten für die Chance auf einen attraktiven Kupon (Abb. 7.39). Ob ihm dabei immer bewusst ist, dass er sich in eine nicht ganz ungefährliche Short Put-Position begibt, sei einmal dahingestellt (Zum Short Put vgl. Abschn. 4.2.2). Im Endeffekt verkauft der Privatkunde damit Volatilität – und das in großem Stil. In Japan erreichte das Emissionsvolumen (ohne Privatplatzierungen) in einigen Monaten mehr als zwei Milliarden US-Dollar (Vaghela 2015). In Korea gehen in manchen Monaten gar fast neun Milliarden US-Dollar über den Tisch – eine zwanzigfache Steigerung gegenüber 2009 (Vaghela 2015). Durch die Konzentration japanischer und koreanischer strukturierter Bücher auf dieses Produkt kommen die Emittenten zwangs-
7.6 Informationen aus der Anwenderstruktur
681
läufig in eine Vola long-Position. Fällt der Aktienbasiswert, zum Beispiel der Nikkei, steigt die Volatilität an. Das ist zwar prinzipiell gut, führt die Bücher aber schnell an ihre Limits, sodass das Vola-Risiko reduziert werden muss. Das geschieht über den Verkauf von Optionen, was allerdings die Vola drückt und im Zusammenspiel mit dem fallenden Markt dafür sorgt, dass die Bücher Deltarisiko aufbauen. Um das wiederum zu hedgen, müssen die Händler Delta verkaufen, was den Markt weiter nach unten treibt usw. Auf diese Weise sollen japanische Händler 2012 um die 500 Mio. US-Dollar verloren haben (Cameron 2013b). Darüber hinaus ist offensichtlich, dass ein derartiger struktureller Überhang von verkaufter impliziter Volatilität dazu führen kann, dass es hier zu einer weiteren Blase kommen kann, diesmal in Form einer untragbar niedrigen impliziten Volatilität. Ein zusätzlicher Effekt ist, dass die Faustregel „Markt fällt, Vola steigt (und umgekehrt)“ zumindest in diesen regionalen Märkten am langen Ende der Volatilitätsstrukturkurve zeitweise außer Kraft gesetzt wird. So steigt die Korrelation zwischen Marktrichtung und Richtung der langfristigen impliziten Volatilität in Japan seit 2012 aus tief negativem Terrain markant an und liegt seitdem im Bereich zwischen 0,2 und 0,6 (Mueller-Glissmann 2016). Für Anleger, die sich mit Long Vola-Positionen gegen Rückschläge am Aktienmarkt absichern wollen, sind das bedrohliche Entwicklungen (Abschn. 3.3.2.4). Beispiel
Aber auch im europäischen Markt könnten sich die hohen Autocallable-Emissionen auswirken. Am 5. April 2016 kam es am Markt zu einem recht großen Kauf in EuroSTOXX 50 Calls mit Basis 3800 und Verfall Dezember 2019. Das Nominalvolumen überstieg zwei Milliarden Euro, was einem Vega von über zehn Millionen Euro entsprach. Auf die Volatilitätsstrukturkurve wirkte sich dieser Kauf jedoch kaum aus. Mutmaßlich gab es am Markt eine Menge Teilnehmer, die froh waren, ihr Exposure in Long Vega und Short Skew reduzieren zu können und beherzt zugriffen (Pietruck 2016).
7.6.5.5 Liquiditätseffekte Während beispielsweise der Effekt der Einführung von Optionen auf die Volatilität des Underlying nicht eindeutig bestimmt werden kann, kann man davon ausgehen, dass das Vorhandensein von Optionen die Liquidität im Underlying in jeder Hinsicht verbessert: Geld-Brief-Spannen werden enger. Die Markttiefe steigt. Das Handelsvolumen verbessert sich sowohl hinsichtlich der Handelsfrequenz als auch der durchschnittlichen Transaktionsgröße (Conrad 1989; Skinner 1989; Damodaran und Lim 1991; Schultz und Zaman 1991; Fedenia und Grammatikos 1992; Kumar et al. 1998; Faff und Hillier 2005) 7.6.5.6 Informationseffekte Grundsätzlich positiv wirkt die Einführung börsengehandelter Optionen auf die Informationsdichte bezüglich des Underlying. So steigt sowohl die Anzahl von Analysten, die ein Unternehmen beurteilen als auch die Berichterstattung in Finanzzeitungen um rund
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ein Fünftel, sodass die Transparenz deutlich erhöht wird (Mattern et al. 1999). Der Hintergrund ist, dass sich bereits ein kleiner Informationsvorsprung lohnen kann, wenn man diesen zielgerichtet und unter Ausnutzung des Hebels im Optionsmarkt umsetzt. So suchen die Analysten emsiger auch nach Informationskrumen, da diese im Optionsmarkt werthaltig sein können. Ergänzend dazu sorgt die verstärkte Öffentlichkeit und Transparenz dafür, dass sich die Informationsdiskrepanz zwischen einen wenigen Wissenden und vielen Unwissenden verringert. Auch der Anteil an Aktien im institutionellen Besitz steigt nach dem Listing deutlich an, ebenfalls ein Indikator für eine ansteigende Transparenz, da professionelle Investoren in der Regel mehr Zeit und Ressourcen aufwenden können, um einem Unternehmen auf die Finger zu schauen.
7.7 Informationen an den Markt Wenn ein Asset Manager einen ziemlich großen Posten einer Aktie verkaufen möchte, kommt am Markt schnell die Befürchtung auf „Der weiß etwas, was ich nicht weiß“. Dadurch werden potenzielle Käufer abgeschreckt, sodass sie zumindest ihre Preisvorstellung mit einem erheblichen Sicherheitsabschlag versehen. Schlimmstenfalls werden sie gar von einem Kaufangebot vollständig Abstand nehmen. Um den Kaufinteressenten zu signalisieren, dass er über keinerlei negative Informationen verfügt, könnte der Verkaufswillige statt eines direkten Aktienverkaufs auf den Derivatemarkt ausweichen und einen Short Call initiieren, zum Beispiel in Form eines Covered Warrant (Angel et al. 1997). Dadurch signalisiert er den Kaufinteressenten, dass er bereit ist, diesem die Upside einzuräumen und gleichzeitig die Downside zu behalten. Wenn die Aktie aus irgendwelchen Gründen fallen sollte, bleibt der Verkaufswillige auf seinem Paket sitzen. Würde er über etwaiges Spezialwissen verfügen, dass einen solchen Absturz wahrscheinlich werden ließe, hätte er mit einem Short Call trotz allem einen großen Schaden zu verzeichnen. Das Angebot einer derartigen Position ist also eine deutliche Botschaft an die Marktteilnehmer. Wenn dieses Angebot dann auch noch durch eine entsprechend reduzierte Optionsprämie attraktiv gestaltet wird, mag es noch leichter sein, schließlich mit einem Käufer eine gemeinsame Basis zu finden. Trotz dieses Preiszugeständnisses könnte es dem Verkäufer möglich sein, am Ende sogar einen besseren Preis zu erzielen als beim direkten Aktienverkauf.
7.8
Prognose von Dividenden
Die Bewertung von Derivaten läuft immer darauf heraus, dass man Zahlungsströme diskontiert und dann aufsummiert. Einer dieser Zahlungsströme ist die erwartete Dividende. Diese Erwartung geht sowohl in die Bewertung von Futures als auch Optionen ein (Abschn. 2.3.3, 2.3.4.1 und 2.4.3). Das bedeutet aber auch umgekehrt, dass man diese Markterwartung aus den Kursen von Optionen und Futures extrahieren kann. Beispielsweise kann man mittels Long Call und Short Put, beide at-the-money, eine Aktie synthetisieren
7.9 Volumen und Open Interest
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(Abschn. 5.4, siehe „Synthetische Indexierung“). Stellt man den Preis dieser Kombination demjenigen der Aktie gegenüber, erhält man aus der Differenz die implizite Dividende (Grebnev 2003). Mittlerweile kann man für viele Aktien die Dividendenerwartung auch separat in Form von Dividenden-Futures handeln. In jedem Fall erhält man aus dem Derivatemarkt eine „zweite Meinung“ über die Dividendenaussichten am Aktienmarkt. Diese Zweitmeinung besteht aus einem finanziell unterlegten Konsens all derer, die am Derivatemarkt unterwegs sind und ist insofern breiter angelegt als die Konsensschätzung des relativ begrenzten Kreises von Aktienanalysten. Allerdings wirken auch andere Faktoren als nur die reine Dividendeneinschätzung auf die Preise der dividendentangierten Derivate, namentlich die Liquidität und steuerliche Gesichtspunkte. Erschwerend kommt hinzu, dass die Preissensitivität im Hinblick auf die exakte Dividende bei einigen Marktteilnehmern nicht über die Maßen ausgeprägt sein könnte, während Aktienanalysten einer möglichst präzisen Vorhersage zur Dividendenhöhe einen sehr hohen Stellenwert beimessen.
7.9 Volumen und Open Interest I Definition Das Open Interest bezeichnet die Summe der offenen Futures, das heißt die Anzahl der noch nicht durch ein Gegengeschäft geschlossenen Kontrakte. Bei jedem gehandelten Kontrakt muss der Anleger angeben, ob es sich um eine neu eingegangene Position (Opening) handelt oder ob er eine offene Position glattstellt (Closing). Hintergrundinformation Dies war nicht immer der Fall. Beispielsweise war es an der Deutschen Terminbörse DTB, dem deutschen Vorläufer der Eurex, Usus, dass viele Kunden zunächst alle gehandelten Kontrakte als Opening eingaben, um dann kurz vor Verfall die Schließungen manuell durchzuführen. Dadurch waren die Zahlen über weite Strecken nach oben verzerrt und für den technischen Analysten nicht zu gebrauchen.
Offene Long-Positionen und offene Short-Positionen werden in einer gemeinsamen Zahl verdichtet. Viele technisch orientierte Anleger beziehen die Entwicklung des Open Interest als wichtige Kennzahl in ihre Analysen mit ein. Zusammen mit dem gehandelten Volumen liefert sie wichtige Hinweise über die Nachhaltigkeit einer Aufwärts- oder Abwärtsbewegung der Kurse. Ein ansteigendes Open Interest gilt als Zeichen dafür, dass viele Anleger und Händler bereit sind, Positionen auf die eingeschlagene Marktrichtung einzugehen. Werden steigende Kurse von einem zurückgehenden Open Interest begleitet, lässt sich daraus schließen, dass vor allem Short-Positionen geschlossen wurden. Steigen die Kurse hingegen bei steigendem Open Interest, sind die Marktteilnehmer per saldo mehr LongPositionen eingegangen. Auch die Verteilung des Open Interest von Optionen über die einzelnen Basispreise gibt zumindest eine Indikation darüber, auf welche Niveaus die Investoren ihr Interesse
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Derivate als Informationsquelle
konzentriert haben. Oftmals ergeben sich daraus Unterstützungs- oder Widerstandslinien, insbesondere dann, wenn sie mit charttechnischen Marken zusammenfallen. Wie in Abschn. 7.6.5.2 beschrieben, gewinnen diese Informationen mit zunehmender Nähe zum Verfallstermin an Bedeutung. Eine interessante Betrachtung, die dazu geeignet ist, ein besseres Gefühl für die Kapitalflüsse am Markt zu bekommen, ist die Analyse des Open Interest und Handelsvolumens von Indexderivaten unter dem Blickwinkel der von den Markteilnehmern verfolgten Strategien. Indexprodukte sind Instrumente, mit denen typischerweise Makrowetten umgesetzt werden, also taktische Asset Allocation und Markt Timing. Ein zunehmendes (abnehmendes) Handelsvolumen und Open Interest in diesen Instrumenten kann dahin gedeutet werden, dass die Marktteilnehmer diese Strategien vermehrt (weniger oft) zum Einsatz bringen. Dabei sollte der Fokus des Interesses auf den Optionen liegen, da zu den symmetrischen Futures vermehrt Alternativprodukte wie Exchange Traded Funds und Indexzertifikate zur Verfügung stehen, die die Entwicklung verzerren können. Beispiel
Im Jahr 2000 war beispielsweise festzustellen, dass offenbar Makrostrategien an Attraktivität verloren haben. Die Volumina von Index Futures und Optionen war rückläufig (Hill 2000). Vermutlich haben die Marktteilnehmer ihren Fokus auf Sektorrotationsstrategien und Bottom-up Stock Picking verlagert. Dies ist eine natürliche Reaktion auf einen Markt, der als Ganzes an Wert eingebüßt hat. Gleichzeitig hat sich die Streuung der relativen Performance der Einzelaktien und Branchen ausgeweitet. Dadurch haben diese Bereiche mehr Gelegenheiten für die Erzielung von aktiven Renditen geboten. Beispiel
Ein weiteres Beispiel, wie die Beobachtung der Derivatemärkte das Verständnis für das Funktionieren der Kapitalmärkte verbessern kann, liefern Jeanneau und Micu (2003). Sie untersuchten den Zusammenhang zwischen Marktvolatilität und Derivateumsatz. Ausgangspunkt war die naheliegende Wirkungskette, in der erhöhte Volatilität als Ausdruck gestiegener Marktunsicherheit zu vermehrten Absicherungs- und spekulativen Geschäften führt. Dies konnten sie in ihrer Analyse nur teilweise bestätigen. In einer ersten Reaktion auf volatilitätssteigernde Schocks (Asienkrise 1997, Russlandkrise 1998, 9/11, WorldCom-Skandal 2002) stiegen die Future-Umsätze tatsächlich. Allerdings kam es im Anschluss zu einem noch ausgeprägteren Rückgang der Handelsaktivitäten, was darauf schließen lässt, dass nach dem ersten Schock und den daraus generierten Risikoanpassungen die anhaltende Unsicherheit und Volatilität in einer ausgeprägten Haltung des Abwartens resultierte. Auch für die Beantwortung der Frage, ob der Markt eher steigen oder fallen wird, könnten die Handelsvolumina möglicherweise Hilfestellung geben. Die Theorie, die hinter einer solchen Überlegung steckt, ist, dass neu auftretende Informationen dazu führen,
7.9 Volumen und Open Interest
685
dass die Marktteilnehmer diese in Portfolioanpassungen umsetzen. Dadurch kommt es zu Auswirkungen im Handelsvolumen und der Preisbildung. Geht man darüber hinaus davon aus, dass neue Informationen nicht in vollem Umfang sofort vom Markt verarbeitet werden, kann man aus der Beobachtung von Volumen und Kursentwicklung Schlüsse über die weitere Entwicklung des Marktes ziehen [die grundlegenden Arbeiten zu diesem Themenkomplex wurden von Clark (1973) und Copeland (1976) erstellt]. Mit wenigen Ausnahmen können empirische Studien die Prognosefähigkeit des Volumens in der Mehrheit allerdings nicht nachweisen. Den negativen Ergebnissen aus Rogalski (1978), Rutledge (1984), Jain und Joh (1988) oder Bhagat und Bhatia (1996) stehen nur wenige Ausnahmen wie Smirlock und Starks (1988) oder Hiemstra und Jones (1994) gegenüber. Umso interessanter sind die differenzierten Ergebnisse von Kempf und Korn (1999), die ihre Informationen aus den Umsätzen im Future-Bereich (DAX) gewinnen. Auch ihrer Meinung nach kann man aus den Umsätzen die Richtung von Kursänderungen nicht prognostizieren, wohl jedoch die Stärke einer Bewegung. Dies ist insbesondere für Optionspositionen eine interessante Information. Sie empfehlen bei dieser Analyse auf die Anzahl der getätigten Geschäfte und nicht auf die gehandelten Kontrakte oder die Größe der Transaktionen abzustellen. Beispiel
Ein Beispiel aus der Praxis zeigt, wie ein Blick auf das Open Interest in den Derivatemärkten Einblick in die Denke des Marktes hinsichtlich der zu erwartenden Volatilität eröffnet. In diesem Fall handelt es sich um Futures auf Volatilitätsindizes. Im September 2015 rätselten die Marktteilnehmer darüber, ob die Fed in ihrer nächsten Sitzung die Leitzinsen anheben und was das mit den Märkten machen würde. Die Positionierungsstruktur der an der Terminbörse CBOE gehandelten VIX-Futures sprach eine eindeutige Sprache: Noch nie seit Handelsaufnahme dieser Kontrakte gab es so viele Netto-Long-Positionen. Die Investoren waren also in hohem Maße davon überzeugt, dass unabhängig vom Ausgang der anstehenden Fed Sitzung die hohe Vola bestehen bleiben würde. Eine Zinsanhebung würde als Auftakt der erwarteten/befürchteten Zinswende gesehen werden und nicht nur die Hälfte des Marktes, die mit einem späteren Zinsschritt rechnete, zum Umdenken und vermutlich Umpositionieren anregen. Ein Stillhalten hingegen würde die Unsicherheit über den weiteren Kurs der Fed aufrechterhalten. Tatsächlich hat sich die Fed entschieden, nichts zu tun, und in der Tat waren spürbare Bewegungen am Aktienmarkt die Folge. Die Ableitung „Was denkt der Markt?“ muss jedoch insofern eingeschränkt werden, als diese Positionierungen nicht den ganzen Markt repräsentieren, sondern nur das „clevere Geld (smart money)“, das heißt die Investoren, die in der Lage sind, sich solcher Derivate zu bedienen. Selbstverständlich gibt es eine Reihe weiterer Faktoren, die all diese Interpretationen der Entwicklung in Handelsvolumen und Open Interest verzerren können. Beispielsweise kann es sein, dass Transaktionen in Indexkontrakten, die bislang über eine Börse liefen,
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aus irgendwelchen Gründen in den OTC-Markt ausweichen und damit in einer ausschließlichen Betrachtung der börsengehandelten Kontrakte verschwinden. Daher sollte auch die Analyse von Volumen und Open Interest als eine Möglichkeit gesehen werden, auf besondere Entwicklungen an den Märkten aufmerksam zu werden und diese durch weitere Analysen zu verifizieren.
7.10
Put/Call Ratio
Ein weiterer Marktindikator, der aus dem Optionsbereich abgeleitet wird, ist die Put/Call Ratio. Die Put/Call Ratio drückt das Verhältnis der an einem Börsentag gehandelten Puts und Calls aus. Ein Wert von eins bedeutet, dass ebenso viele Puts wie Calls gehandelt wurden, bei Werten über (unter) eins war der Put-Umsatz größer (kleiner) als der CallUmsatz. Die Put/Call Ratio wird vor allem von technisch geprägten Analysten eingesetzt und kann sowohl auf Basis von Indexoptionen als auch auf Aktienoptionen berechnet werden. Der Interpretation der Put/Call Ratio liegen zwei fundamentale Annahmen zugrunde. Erstens wird davon ausgegangen, dass der Optionsumsatz von spekulativen Kaufpositionen dominiert wird. Damit wird unterstellt, dass es sich bei einem Call-Umsatz in aller Regel um den Kauf einer Kaufoption (Long Call) eines Spekulanten handelt, der auf steigende Kurse setzt. Umgekehrt handelt es sich bei einem Put-Umsatz in aller Regel um den Kauf einer Verkaufsoption (Long Put) eines Spekulanten, der von fallenden Kursen profitieren möchte oder einen Anleger, der sein Portfolio gegen Rückschläge abzusichern gedenkt. Die zweite Annahme geht davon aus, dass die Mehrheit der Marktteilnehmer falsch liegt. Im Sinne eines Kontraindikators wird ein Wert über eins tendenziell als Kaufindikation angesehen, da die Mehrheit der Marktteilnehmer Puts gekauft hat, also auf fallende Kurse spekuliert und damit falsch liegt. Während die zweite Annahme nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen ist, machen die in diesem Buch diskutierten Anwendungsmöglichkeiten von Optionen deutlich, dass die erste Annahme auf überaus wackeligen Beinen steht. Viele Optionsgeschäfte werden nicht von der Käufer-, sondern der Verkäuferseite initiiert. Wenn in Zeiten hoher Volatilität die Mehrheit der Teilnehmer nach einem Aktienmarktanstieg der Meinung ist, dass es sich lohnt, Bestände über Short Calls zu veroptionieren, deutet ein hoher Call Umsatz eben gerade nicht auf einen hohen Anteil Bullen am Markt hin. Darüber hinaus sind, auch das sollte in diesem Buch klar geworden sein, bei weitem nicht alle Optionspositionen spekulativer Natur und von Prognosen über die Marktrichtung getrieben. Insbesondere die Hedge-Aktivitäten von Emittenten ziehen komplexe Positionen nach sich, die darauf ausgerichtet sind, unter anderem Marktrisiken zu neutralisieren, anstatt von prognostizierten Marktbewegungen zu profitieren (Abschn. 7.6.4.1). Aber auch Absicherungsaktivitäten von Unternehmen, die Aktienoptionen als Teil der Vergütung an ihre Mitarbeiter ausgegeben haben, liegen Beweggründe zugrunde, die allenfalls indirekt etwas mit Spekulation haben könnten (Abschn. 7.6.4.2).
7.10
Put/Call Ratio
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Mit dem zunehmenden Volumen strukturierter Produkte hat auch die Gemeinde der technischen Analysten erkannt, dass die traditionelle Interpretation der Put/Call Ratio an Zuverlässigkeit eingebüßt hat. Auch im Rentenmarkt liefert dieser Indikator keine überdurchschnittlichen Signale (mehr). Beispielsweise kommt Saitta (1997) in einer Untersuchung auf den T-Bond Markt zu dem Schluss, dass Überkauft- und Überverkauftsignale zwar darauf hindeuten, dass eine längere Korrekturphase anstehen könnte. Allerdings lassen sich darauf in den folgenden zehn Handelstagen keine profitablen Geschäfte generieren. In der Vergangenheit wurden Werte von unter 0,8 als überkauft und damit als Verkauf- und Werte von über 1,25 bis 1,5, teils auch erst ab 2,0, als überverkauft und damit Kaufindikatoren gewertet. Mittlerweile geht man dazu über, nur noch ausgesprochene Extremwerte (Ausprägungen über 3) als Signale zu werten, da nur in diesen Regionen davon ausgegangen werden kann, dass tatsächlich die spekulativ orientierten Marktteilnehmer dominieren. Um Fehlsignale aufgrund der sehr volatilen Entwicklung des Indikators möglichst zu reduzieren, wird die Put/Call-Ratio auch oftmals in einer geglätteten Variante, beispielsweise als gleitender Fünftagesdurchschnitt, eingesetzt. Beispiel
Ein prominentes Signal dieser Sorte, das auch von mehreren Finanzzeitungen aufgegriffen wurde (zum Beispiel Rettberg 2001), ergab sich während der Aktienbaisse
Abb. 7.40 S&P 100 Kursverlauf. (Quelle: Thomson Reuters Datastream)
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Anfang April 2001. Mit einer Put/Call Ratio von über drei wurde im S&P 100 ein starkes Kaufsignal generiert, dem ein rund 20-prozentiger Kursanstieg folgte (Abb. 7.40). Ein Volltreffer also. Einige Analysten hatten mit diesem Extremwert jedoch bereits das Ende der Baisse terminiert. Eine durchaus gewagte These, wenn man auf Basis des Umsatzes an kurzfristigen Instrumenten, die die Mehrzahl der Optionspositionen nun einmal sind, einen langfristigen Trend bestimmen möchte. Dies war dann auch, wie wir nun im Nachhinein wissen, eine Fehleinschätzung.
7.11 Calender Spreads Futures sind Standardinstrumente im modernen Portfoliomanagement, die für eine effiziente Absicherung von Risiken unabdingbar sind. Auf der anderen Seite spielen sie ebenfalls eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, kostengünstiges Long Exposure aufzubauen, beispielsweise im Rahmen der synthetischen Indexierung (Abschn. 4.5 und 5.4, siehe „Synthetische Indexierung“). Die aus diesen Überlegungen herrührenden Positionen sind eher strategischer Natur. Hinzu addieren sich auf der Long- und Short-Seite des Marktes die eher kürzerfristig motivierten Transaktionen, die von unmittelbaren Marktbewegungen nach oben wie nach unten profitieren wollen. In der umgekehrten Betrachtungsrichtung mag es also möglich sein, dass die Analyse der Kursentwicklung an den Future-Märkten Anhaltspunkte darüber gibt, welche Strategien aktuell wie stark im Einsatz sind. Oder sie kann herangezogen werden, um Hypothesen darüber, wer im Markt derzeit wie agiert, zu verifizieren. Dies ist insbesondere im Vorfeld eines Future-Verfallstermins der Fall, wenn die Roll-over-Aktivitäten in Long- und Short-Positionen und deren Preisauswirkungen Rückschlüsse darüber erlauben, welche Anlagemotive sich hinter den Beständen verbergen. Eine Analyse darüber, welche Seite in welchem Umfang und zu welchem Zeitpunkt die Oberhand hat, kann Hinweise geben, ob eher die Strategen oder die Taktiker überwiegen und in welche Richtung sie sich positionieren (Abschn. 3.5.6). Eine wichtige Beobachtungsgröße ist der Calender Spread (Abschn. 4.3.3.1). Neben der absoluten Betrachtung des Niveaus und der Entwicklung sollte man dessen impliziten Finanzierungssatz (Implied Carry) dem Finanzierungssatz auf Termin (Forward-Satz) gegenüberstellen. Der implizite Finanzierungssatz ist der Zinssatz im Zeitraum zwischen dem Verfallstag des kürzeren Future im Calender Spread bis zum Verfalltag des längeren Future. 365 F2 C div2 t1;2 t0;1 1 (7.21) IC1;2 D F1 C div1 mit IC1,2 F1 F2 div1
= Implied Carry Rate vom Zeitpunkt des ersten Verfalls bis zum zweiten Verfall = Preis des zuerst verfallenden Futures = Preis des später verfallenden Futures = Dividendeneinnahmen bis zum ersten Verfallstermin
7.11
Calender Spreads
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div2 = Dividendeneinnahmen bis zum zweiten Verfallstermin t0,1 = Anzahl der Tage von heute an bis zum ersten Verfallstermin t1,2 = Anzahl der Tage zwischen erstem und zweitem Verfallstermin Der Finanzierungssatz auf Termin gibt die Kosten an, die entstehen, wenn der Anleger, anstatt seinen am ersten Verfall auslaufenden Kontrakt in den nächsten Kontrakt zu rollen, den Kontakt verfallen lässt, sich das Geld für den Kauf des Underlying leiht und dieses bis zum Verfallstermin des zweiten Kontrakts halten würde. Der Zinssatz wird aus der Zinsstrukturkurve extrahiert. i1;2 D
1C 1C
r2 t1;2 365 r1 t0;1 365
!t
365 1;2 t0;1
1
(7.22)
mit i1,2 r1 r2 I0
= Finanzierungssatz vom Zeitpunkt des ersten Verfalls bis zum zweiten Verfall = Zinssatz bis zum ersten Verfallstermin = Zinssatz bis zum zweiten Verfallstermin = Indexstand heute
Ein hoher impliziter Satz im Future relativ zum Terminsatz aus der Kassekurve deutet eine relativ hohe Nachfrage nach Long Exposure an. Entweder gibt es also viel Nachfrager auf der Long-Seite oder wenige auf der Short-Seite oder beides zusammen. Ein Anstieg dieser Differenz weist auf eine per saldo zunehmende Nachfrage hin. Ergo werden LongPositionen verstärkt oder Short-Bestände abgebaut oder beides. In der kurzfristigen Betrachtung in der Zeit vor Verfall können sich aus der Beobachtung des Calender Spread Hinweise darauf ergeben, welche Gruppen von Marktteilnehmern sich wie positionieren, da die längerfristigen Investoren tendenziell weniger preissensitiv sind hinsichtlich der Abweichung des impliziten Terminsatzes zum Kasseterminsatz, während Händler und Arbitrageure eher dann in den Markt gehen, wenn sie vorteilhaftere Konditionen vorfinden. Allein aus der Beobachtung des Spread lässt sich sicherlich keine Transparenz über das tatsächliche Geschehen gewinnen. Jedoch erscheinen bei einem beobachteten Verlauf des Spread bestimmte Erklärungsmöglichkeiten für diese Bewegung logischer und wahrscheinlicher als andere. Die so entwickelte Hypothese gilt es gegen Informationen aus anderen Quellen, wie Gesprächen, Broker-Berichten über Umsatzstrukturen etc., abzugleichen. Durch diese Verbindung von Informationen lässt sich mitunter eine recht gute Vorstellung über die Positionierungen am Markt gewinnen. Viel wichtiger ist aber die längerfristige Betrachtung, bei der man stets an einem bestimmten Tag vor Verfall über mehrere Kontrakte hinweg die Zinsrelation vergleicht. Steigt beispielsweise in dieser Mehrjahresbetrachtung der implizite Derivatezinssatz gegenüber dem Kassesatz in einer Trendbewegung an, deutet dies auf einen oder mehrere
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strukturelle Faktoren hin, die die Nachfrage nach Long Futures relativ zu den Short-Positionen ansteigen lassen. Wenn Long Exposure systematisch und längerfristig aufgebaut wird, kann dies zum Beispiel eine erhöhte Nachfrage nach dieser Asset-Klasse generell indizieren. Oder aber es ist eine Indikation, dass die Art, wie in diese Asset-Klasse investiert wird, sich verändert, beispielsweise weil die Nachfrage nach synthetisch indexierten Anlagen steigt. Etwas verallgemeinert gesprochen, kann eine ansteigende Zinsrelation bedeuten, dass die Befürworter der Asset-Klasse „Aktien“ auf dem Vormarsch sind, sei es, weil sie der Asset-Klasse langfristig bessere Perspektiven zubilligen (Allokateure) oder kurz- bis mittelfristig Chancen sehen (Markt-Timer). Oftmals geht eine Zunahme der Timing-Aktivitäten mit einem Rückgang der Stock Picker einher, was dann ein Hinweis darauf sein könnte, dass man am Markt vor einer Periode hoher Korrelationen steht, in der es Stock Picker schwerer haben mit ihrer Einzelwertselektion einen Mehrwert zu schaffen. Zur Überprüfung dieser Hypothese mag ein Abgleich mit der Entwicklung der impliziten Korrelation hilfreich sein (Abschn. 7.2.9). Der Blick auf die Entwicklung des Calender Spread kann ein Baustein sein, um die Vorgänge am Markt besser zu verstehen. Er hat den grundlegenden Nachteil, dass die Schlüsse, die man daraus zieht, wesentlich spekulativer sind als bei Umfragen und die Güte stark davon bestimmt wird, wie gut die Marktkenntnis des Einsetzenden generell ist. Denn je besser die Marktkenntnis, desto mehr kann er mit diesen Informationen anfangen, weil er sie in ein dichteres Netz aus anderen Informationen einbetten und mit diesen verknüpfen kann. Auf der anderen Seite sind Umfragen bei Marktteilnehmern über deren Motive, Strategien und aktuelle Einschätzungen träger. Von der Erhebung über die Aufarbeitung bis zur Publikation vergehen mindestens mehrere Tage. Futures hingegen setzen geänderte Haltungen ohne Verzögerung um. Darüber hinaus gilt „Talk is cheap“. In der Vergangenheit gab es immer wieder Fälle, in denen gemutmaßt wurde, dass Investoren, die ihre Markteinschätzung zum Besten gegeben hatten, dies nur deshalb in dieser Form getan hatten, um den Markt in eine für sie vorteilhafte Richtung zu reden. Bei Futures geht es nicht um heiße Luft. Hier wird tatsächlich Geld eingesetzt und nicht nur Worte. Das verleiht marktbasierten Indikatoren eine höhere Glaubwürdigkeit. Selbst wenn jemand versuchen sollte, den Markt durch Transaktionen zu manipulieren, geht er dabei das Risiko ein, dass der Markt stärker ist und er auf seine Positionen massiv Geld verliert.
7.12 Realoptionen Nachdem Optionen und die dazugehörige Theorie in der Finanzwirtschaft Fuß gefasst hatten, war eine logische Konsequenz, die neu gewonnenen Einblicke in die Bewertung von Optionen auch auf die Realwirtschaft auszudehnen. Stewart C. Myers wollte mit Hilfe der Optionsbewertung einige Schwachpunkte in der Bewertung von Investitionsentscheidungen lösen (Brealey und Myers 1991, S. 511–534). Insbesondere erlaubt die Bewertung von Investitionsentscheidungen in Form einer Ansammlung von Handlungsmöglichkeiten
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Realoptionen
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auch die Möglichkeit, ein Projekt abzubrechen oder nach Teilerfolgen zu veräußern, zu modifizieren, zu verzögern, die Ressourcen irgendwo anders einzusetzen etc. Indem man den Wert des gewonnenen Handlungsspielraums den Kosten der Option gegenüberstellt, ergibt sich gerade bei Investitionsentscheidungen eine deutlich umfassendere Einschätzung von Chancen und Risiken. Es schärft den strategischen Blick, wenn langfristige Projekte nicht nur nach ihren unmittelbaren Folgen bewertet werden, sondern auch danach, inwieweit man durch ihre Umsetzung zukünftig Flexibilität gewinnt. Auch zeigt die Analyse von sogenannten Realoptionen auf, wie man die Optionsparameter gezielt managen kann, um den Wert der Handlungsoption zu steigern. Der Hauptnutzen von Realoptionen mag vielleicht darin liegen, dass sie dem derivativ versierten Manager ein Werkzeug an die Hand geben, mit dem er ein geschäftliches Problem auf eine zusätzliche Art und Weise strukturieren und durchdenken kann. Dabei geht es nicht einmal so sehr darum, eine scheingenaue quantitative Bewertung durchzuführen. Vielmehr verhilft das Denken in Optionen schon zu wertvollen qualitativen Einsichten, wenn man sich Fragen stellt wie: Ist hier überhaupt eine Realoption erkennbar? Wenn nein, warum nicht, und wie könnte man eine Realoption daraus machen? Wenn ja, wie sehr ist die Option im Geld? – Weit im Geld: Ist das Potenzial ausgereizt? Vermutlich ist der Hebel aber überschaubar. – Am Geld: Dann sollte sie den höchsten Zeitwert aufweisen. Die Option, eine Investition zu verschieben, müsste hier also den größten Wert haben. – Aus dem Geld: Auch diese Option kann wertvoll sein. Gerade bei derartigen Opportunitäten zeigt sich der Wert, den eine Optionsanalyse liefert, weil sie Ergebnisse liefern kann, die der traditionellen wirtschaftlichen Denke auch einmal widersprechen. Beispielsweise würde ein traditioneller Ansatz davon abraten, in die Analyse eines Marktes zu investieren, wenn dieser derzeit nicht profitabel ist und sich nicht großartig entwickelt. Mit der Optionsbrille betrachtet, kann diese Investition aber durchaus Sinn machen, vorausgesetzt, die Volatilität der möglichen Marktentwicklung ist hoch genug (Howell 2001). Analog zur Bewertung einer Option auf einen Finanztitel werden die Input-Parameter der Black-Scholes-Bewertungsformel definiert:
Underlying: Barwertige erwartete Cashflows des Projekts Strike Price: Kosten der Investition Laufzeit: Spätest möglicher Ausübungszeitpunkt Risiko: Volatilität des Barwerts Dividende: Opportunitätskosten, wenn der Investor wartet; in Form von verpassten Gewinnauszahlungen Zinssatz: Risikoloser Zinssatz
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In der Praxis wurde der Realoptionsansatz erfolgreich in Industrien eingesetzt, die einen klaren Projektfokus aufweisen, beispielsweise in der Förderung von Rohstoffen und im Pharmabereich. Allerdings wurde der Anwendungsbereich ständig erweitert. Durch die Multiplikatorenwirkung kleinerer und größerer Unternehmensberatungen wie Arthur Andersen und Ernst & Young fand das Konzept zunehmende Verbreitung vor allem in der Strategiefindung. Gerade in der Hochzeit der ersten TMT-Welle Ende der 1990erJahre traten jedoch auch einige der Nachteile offen zutage. Neben den generellen Annahmen der Black-Scholes-Formel, deren Realitätsnähe stets aufs Neue hinterfragt werden muss, ergeben sich zusätzliche Problemfelder. Beispielsweise fehlt aufgrund seiner Einzigartigkeit in der Regel ein Preis für das Underlying. Auch sind Wettbewerbseffekte, die das Auszahlungsprofil einer Option massiv beeinflussen können, nicht wirklich gut modellierbar, ebenso wie Interdependenzen zwischen Realoptionen. Als besonders kritisch erwies sich jedoch die oftmals unreflektierte Interpretation von Projekten mit hohen Risiken. Ein Charakteristikum im Black-Scholes-Modell ist ein Anstieg des Optionspreises mit zunehmender Volatilität. So führt auch ein höheres Risiko in einem Projekt zu einer höherwertigen Realoption. Dagegen ist zunächst nichts einzuwenden, folgt es doch dem Grundsatz, dass mit einem höheren Risiko ein höherer erwarteter Ertrag einhergeht. In Grenzbereichen, in denen lediglich mit Hoffnungswerten gerechnet wird, ist ein kritischer Blick auf die Ergebnisse jedoch unerlässlich. Eine weitere Einsatzmöglichkeit ist die Quantifizierung von operationalen Risiken. Diese trennt Grimwade (2016) in zwei Kategorien. Die eine Gruppe bilden Zufallsereignisse, die durch das Zusammentreffen mehrerer Kontrollfehler entstehen. Der britische Psychologe James Reason (1990) hat dafür das einprägsame „Schweizer Käse Modell“ geschaffen. Es basiert auf dem Bild, dass man die Scheiben eines Schweizer Käses wahllos hintereinander reiht und sich an einer Stelle die Löcher im Käse zufällig so überlappen, dass sie einen Durchlass bilden. Die Käsescheiben entsprechen den Schutzmaßnahmen, die Löcher den unweigerlich auf jeder Stufe vorhandenen Lücken. In der Regel wird ein problematischer Vorgang auf seiner geraden „Flugbahn“ an einer der vielen Käsescheiben hängenbleiben. Durch eine Verkettung unglücklicher Umstände schlüpft das schadhafte Ereignis jedoch genau durch den zufälligen, überlappenden Durchlass hindurch (zum Thema „Operatives Risiko“ siehe auch Abschn. 6.1.1). Zu diesem operativen Grundrisiko addieren sich meist kurze Perioden, in denen oft mehrere Firmen einer Branche hohe Verluste einfahren. Diese entstehen vielfach dann, wenn Unternehmen oder ihre Angestellten sich in Geschäftsvorgängen unlauterer Mittel bedienen. Erleidet der Vertragspartner oder Kunde daraus einen Schaden, hat er gute Chancen, sich unter Berufung auf das Fehlverhalten seines Kontrahenten an diesem schadlos zu halten. Aus der Optionsperspektive betrachtet, gewährt das Unternehmen oder der Angestellte dem Investor oder Kunden mit seinem Fehlverhalten eine Option in Form des Rechts, ihn zu verklagen, wenn er einen Verlust erleidet. Auf diesem Weg wird beispielsweise im Bankenbereich aus dem Marktrisiko des Kunden operatives Risiko für das Finanzinstitut, wenn der Kunde eine Fehlberatung anführen kann. Und VW hat mit seiner Abgasmanipulation ebenfalls eine Option geschrieben. Die Optionsprämie ist im-
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Performance Attribution
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plizit in Form eines höheren Gewinns dem Unternehmen oder als billigeres Fahrzeug dem Autokäufer zugeflossen. Aufgrund des Bekanntwerdens der Manipulationen wurde Volkswagen dann aus dieser Option in Anspruch genommen.
7.13 Performance Attribution In Abschn. 6.1.5.1 wird dargestellt, wie die Performance-Analyse merklich erschwert ist, sobald Optionen im Portfolio vorhanden sind. Es genügt schon, wenn im Portfolio Strategien umgesetzt werden, die ein optionstypisches, asymmetrisches Auszahlungsprofil erzeugen, um die Performance-Analyse zu verkomplizieren. Wenn es um die Attribution der Performance eines Portfolios geht, also darum, die Frage zu beantworten, in welchem Teil des Investment-Prozesses der Portfoliomanager einen Mehrwert geschaffen hat, betreiben die Optionen jedoch Wiedergutmachung. Es war vor allem Robert Merton, der ein auf Optionen basierendes Gedankengebäude erstellte, um die Prognosefähigkeit von Portfoliomanagern zu untersuchen (Henriksson und Merton 1981; Merton 1981). Die Idee ist äußerst elegant. Sie geht von einem Manager aus, der lediglich vorhersagt, ob sich der Aktienmarkt in einer Periode besser entwickelt als eine risikolose festverzinsliche Alternative. Im Extremfall, wenn er mit seiner Prognose immer richtig liegt, erhält er die risikolose Verzinsung und zusätzlich die Überrendite des Aktienmarkts. Dies entspricht dem Auszahlungsprofil einer Bond Call-Strategie bzw., da es das Gleiche ist, dem einer Protective Put-Struktur (Abschn. 3.1.4). Über den Wert der Option kann dann der Wert der Timing-Fähigkeiten approximiert werden. In der Anwendung ergaben sich zunächst leider Ungereimtheiten. Beispielsweise wurden in einer Untersuchung entlang dieser Systematik Indizes in hohem Maße TimingFähigkeiten zugeschrieben, obwohl diese als passives Konstrukt über solche nicht verfügen konnten (Zimmermann und Zogg-Wetter 1992). Deswegen wurde der Ansatz von Henriksson und Merton in der Folge immer weiter verfeinert, wobei die Idee, TimingFähigkeiten über Optionsstrukturen zu messen, als zentraler Gedanke beibehalten wurde (Connor und Korajczyk 1990). Beispielsweise zeigt Jacobsen (2011) mit Hilfe dieser Methodik, wie man den Anlegermehrwert ermittelt, den ein Portfoliomanager generiert, der in der Lage ist, ein asymmetrisches Auszahlungsprofil zu erzeugen.
7.14 Prognose volkswirtschaftlicher Größen In Abschn. 7.2.2.2 wurde bereits darauf hingewiesen, dass zwischen der makroökonomischen Entwicklung und der Volatilität ein Zusammenhang besteht. Dadurch könnte es auf indirektem Weg über die implizite Volatilität möglich sein, Makrovariablen zu prognostizieren. Allerdings ist dieser indirekte Weg unsicher und ungenau, erlaubt er doch nur Rückschlüsse darauf, ob die erwartete Makrovolatilität höher oder niedriger ausfallen könnte oder auf die grobe Richtung makroökonomischer Größen. So wäre eine erhöh-
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te implizite Volatilität ein Hinweis darauf, dass eine volkswirtschaftliche Abschwächung bevorstehen könnte, aber eben auch nicht mehr. In den letzten Jahren sind immer wieder Überlegungen für einen Markt für makroökonomische Derivate aufgekommen, einem Markt, auf dem Risiken aus Größen wie volkswirtschaftlichem Wachstum, Industrieproduktion, Arbeitslosenquote etc. gehandelt und abgesichert werden können. Dann könnten die Größen, auf die sich das Interesse richtet, direkt prognostiziert werden und nicht über den verschleiernden Umweg über andere Größen. Schon seit Anfang der 1990er-Jahre versucht Nobelpreisträger Bob Shiller, allgemeines Interesse an dieser Idee zu schüren (Shiller 1993, 2003). Seiner Ansicht nach würde man einen gesamtwirtschaftlichen Nutzen erzielen, wenn es den Menschen möglich wäre, persönliche wirtschaftliche Risiken in größerem Umfang abzusichern, sich also beispielsweise gegen Arbeitslosigkeit in gleicher Art und Weise zu wappnen wie gegen den Verlust von Haus und Hausrat. Zumindest bei der Deutschen Bank und Goldman Sachs ist die Idee volkswirtschaftlicher Derivate auf Gegenliebe gestoßen, wenn auch in einer etwas anderen Ausprägung als von Shiller angedacht. Im Jahr 2002 schufen sie den Economic Derivatives Market. An ihm konnten Kontrakte auf volkswirtschaftliche Schlüsselgrößen wie Lohnsummen oder Einzelhandelsumsätze gehandelt werden. Der Preisfindungsmechanismus basierte auf einem speziellen Auktionsverfahren, wie es auch im Bereich von Sportwetten zum Einsatz kommt (Abschn. 7.15.2). Allerdings ist den Instituten daraus kein bahnbrechender wirtschaftlicher Erfolg erwachsen. Das Interesse an dieser Art von Kontrakten bleibt überschaubar. Dafür mag es eine Reihe von Gründen geben: Ganz offensichtlich ist das „übliche“ Problem bei Derivaten, nämlich „Wie kann ich das Exposure ohne einen liquiden Markt absichern?“. In diesem Fall ist das Problem sogar noch größer, denn es gibt überhaupt kein handelbares Underlying, mit dem man sich hedgen könnte, nicht mal ein illiquides. Es bleibt als Ausweg nur wieder der Weg über den Cross Hedge (Abschn. 3.5.5). Man sucht sich eine Referenzgröße, von der man vermutet, dass sie mit der makroökonomischen Schlüsselzahl zusammenhängt. Notwendige Bedingung für eine solche Referenzgröße ist die Möglichkeit, diese zu handeln, sei es als Gut oder als Derivat. Hinreichende Bedingung für eine funktionierende Absicherung ist, dass die Korrelation zwischen der makroökonomischen Zielgröße und dem Absicherungsinstrument über den Absicherungszeitraum bzw. auf den Absicherungshorizont hinreichend genau vorhergesagt werden kann. Dazu sollte sie möglichst stabil sein und praktischerweise auch nahe 1 oder +1 liegen. Die naheliegende Referenzgröße wäre zum Beispiel ein Vermögensgegenstand wie eine Aktie, ein Aktienindex oder ein Rohstoff, aber auch ein Zinssatz oder eine Währung. Allerdings zeigt sich, dass diese Zusammenhänge nicht die nötige Stabilität aufweisen (Balduzzi et al. 2001; Andersen et al. 2005; Gadanecz et al. 2007). Aus dem Finanzbereich verwendet die große Nutzergruppe der Absicherer diese Kontrakte nicht, da sie keine Risiken haben, die sich besonders gut über makroökonomische Derivate absichern lassen. Aktien, Renten etc. werden zwar auch von Überraschungen in volkswirtschaftlichen Daten beeinflusst, aber eben nur mittelbar. Darum macht es mehr
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Sinn, diese Assets auch mittelbar abzusichern, also beispielsweise über Index Futures, da Future und Aktienportfolio gleichartig tangiert werden. Hintergrundinformation Es gibt eine Klasse von Derivaten, die realwirtschaftliche Wurzeln haben und den zentralen volkswirtschaftlichen Schlüsselgrößen nahestehen, nämlich Kontrakte auf Frachtindizes wie den Baltic Dry Index bzw. seine Subkomponenten oder den Harpex. Diese Indizes spiegeln die Preise für maritimen Frachtraum wider und sind somit gute Indikatoren für den Welthandel. Da diese Kontrakte realwirtschaftlich genutzt werden, um sich gegen steigende Frachtraten abzusichern oder bestimmte Mindestfrachtraten sicherzustellen, existiert in diesem Segment eine breite Klientel mit unterschiedlichen Motiven.
Aus diesem Grund ist der Kreis der potenziellen Marktteilnehmer überschaubar, beschränkt er sich doch auf Spekulanten. Für sie bieten diese Kontrakte die Möglichkeit, ein vermutetes überlegenes volkswirtschaftliches Research direkt pekuniär zu verwerten. Man könnte also auch aus volkswirtschaftlichen Abteilungen unmittelbare Profit Centres machen und so den indirekten Nutzen, den diese über die Weitergabe ihrer Erkenntnisse an Abnehmer im Haus oder an Kunden stiften, erhöhen. Und für die Abnehmer dieses Research wäre es interessant, den mit echtem Geld unterlegten Track Record eines Analysten zu sehen. Das könnte eine belastbare Grundlage für die Entscheidung sein, ob man das Research dieses Analysten einkauft oder nicht. Auch aus dem politischen Bereich zeigt sich bislang kein Interesse, obwohl hier die gleiche Konstellation vorliegt wie bei einem Vermögensverwalter, der seine Einnahmen durch den Einsatz von Derivaten absichern könnte (Abschn. 5.17). In der Tat wäre der Kauf von Puts auf das Wirtschaftswachstum eine elegante Möglichkeit, eine gesunde Fiskalpolitik zu implementieren, die in guten Zeiten spart und so für schlechte Zeiten vorsorgt. Leider sind die Politiker egal welcher Couleur jedoch schon seit vielen Jahren nicht in der Lage, eine derart verantwortungsvolle Haushaltspolitik zu betreiben. Zwar wäre der Kauf von BIP-Puts oder ähnlichen asymmetrischen Derivaten insofern interessant, als man für die eingesetzte Put-Prämie im Gegenzug einen Vermögenswert bekommt, dessen Wert man permanent ausweisen kann. Dennoch scheint die Natur der Optionen, in denen explizit auf Erträge in der Zukunft gesetzt wird, den Regeln des Politikbetriebs nicht sonderlich entgegenzukommen. So dürfte die politische Problematik, dass für Absicherungsprämien kurzfristig Aufwände anfallen, denen jedoch erst in der Zukunft Erträge gegenüberstehen können, ein unüberwindliches Hindernis darstellen. Denn leider findet diese Zukunft oftmals erst weit jenseits der nächsten Wahl statt. Dieser Umstand führt bei Politikern zu einem derart hohen Abzinsungsfaktor, dass der Barwert dieses Nutzens für den durchschnittlich konditionierten Entscheider extrem klein sein dürfte. Dazu gesellt sich die Compliance-Problematik, da die Politik in der Lage ist, den Kurs des Underlying, nämlich das Wirtschaftswachstum, ganz maßgeblich zu beeinflussen. Es gehört nicht viel Fantasie dazu, sich Konstellationen vorstellen, in denen einem politischen Entscheider ganz schnell ein zweites Herz in seine Brust gepflanzt wird, das ihn letztlich nicht zur sachlich besten Entscheidung kommen lässt.
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Ohnehin tragen makroökonomische Derivate das Potenzial für gravierende moralische Probleme in sich, da sie so ausgestaltet sein können, dass Spekulanten finanziell vom Unglück anderer Menschen profitieren können (Abschn. 6.8.5). Schließlich bringen ökonomische Kontrakte ihre technischen Pferdefüße mit sich. So werden makroökonomische Schlüsselzahlen nicht durchgehend, sondern nur zu bestimmten, meist niederfrequenten Zeitpunkten veröffentlicht. Dazu kommen häufig Revisionen der ersten veröffentlichten Werte (Das 2006). Und schließlich kann es sein, dass einfach die Art und Weise der Berechnung der Kennzahl verändert wird, wie man es beispielsweise aus dem Bereich der Inflationszahlen gewohnt ist, wo die zugrundeliegenden Warenkörbe regelmäßig und die Berechnungsalgorithmen hin und wieder angepasst werden. Der Teilnehmerkreis am Markt für makroökonomische Derivate ist sehr klein, und man muss sich bewusst sein, dass dieser auch nicht repräsentativ ist, sondern sich vorwiegend aus Spekulanten aus Hedgefonds und Eigenhandelstischen großer Banken rekrutiert. Daher können die Preise der Derivate durch Risikoprämien, insbesondere für die mangelnde Liquidität, verzerrt sein. Dies wird durch entsprechende Studien bestätigt. Gadanecz et al. (2007) sowie Gürkaynak und Wolfers (2006) kommen zu dem Schluss, dass der durchschnittliche Fehler der Prognose nicht bei null liegt. Auf der anderen Seite könnte man vermuten, dass sie präzisere Vorhersagen treffen als beispielsweise Schätzungen, die aus Umfragen gewonnen werden, weil sie einerseits in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu der Datenveröffentlichung gewonnen werden und andererseits eine große Ernsthaftigkeit vermutet werden kann, da die derivativen Prognosen mit Geld unterlegt sind. Das Zielsystem für die teilnehmenden Ökonomen ist somit ein anderes. Es geht nicht mehr nur darum, sich relativ zu einem Konsensus zu positionieren, sondern am Ende einen echten monetären Gewinn zu erzielen bzw. kein Geld zu verlieren. Vergleicht man die Prognosegüte von makroökonomischen Derivaten mit derjenigen von Umfragen, stellt man fest, dass diese ziemlich nahe beieinanderliegen. Dennoch können die Preise dieser Derivate interessante Informationen enthalten, da sie es erlauben, aus den Derivatepreisen die vollständige Verteilung der Schätzungen zu extrahieren (Abschn. 7.2.8). Man erfährt also nicht nur, was die Marktteilnehmer im Durchschnitt erwarten, sondern auch, wie genau die Streuung der Meinungen aussieht. Auch bezüglich der Vorhersage der Inflation kann das Verständnis von Derivaten sich auszahlen. Dazu muss man sich die Preise von US-amerikanischen inflationsindexierten Anleihen [U.S. Treasury Inflation Protected Securities (TIPS)] ansehen. Der TIPS-Investor erhält am Laufzeitende das Maximum aus dem ursprünglichen Nominalbetrag und dem inflationsindexierten Nominal. Damit hat der Anleger nichts anderes als eine Put-Option in der Hand. Im Falle einer kumuliert deflationären Entwicklung während der Laufzeit des Papiers kann er von seinem Optionsrecht Gebrauch machen und die Papiere dem Schatzamt zum Nominalwert andienen. Roll (1996) hatte den Wert dieser impliziten Put-Option für vernachlässigbar erklärt, weil die Möglichkeit einer deflationären Entwicklung für ihn sehr weit hergeholt erschien. Nur wenige Jahre später ist eine deflationäre Entwicklung eine reale Möglichkeit und findet ihren Niederschlag entsprechend auch in der Bewertung der impliziten Option und
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demzufolge der Anleihe. Grishchenko et al. (2011) zeigen nicht nur, dass der Wert der impliziten Option bei fünfjährigen Anleihen 29 Basispunkte an der Rendite der TIPS ausmachen kann. Sie untersuchen darüber hinaus, inwieweit sich die im impliziten Put ausgedrückte Markterwartung zur künftigen Inflationsentwicklung prognostisch verwerten lässt und kommen zu dem Schluss, dass sie nützliche Informationen zur zukünftigen Inflationsentwicklung enthält, die über traditionelle Inflationsprognosevariablen wie die historische Inflationsrate oder die Differenz zwischen Nominal- und inflationsindexierten Anleihen hinausgeht. Natürlich gibt es mittlerweile auch diverse Derivate am Markt, mit denen sich Inflation direkt handeln lässt. Allerdings ist die Liquidität in vielen dieser Instrumente, insbesondere im Optionsbereich, noch verbesserungswürdig. Shiller (1998) führt dies auch auf Probleme bei der Zulassung zurück (Vgl. dazu auch die Ausführungen in Abschn. 6.9). Daher ist der Informationsgehalt dieser Instrumente nicht sehr hoch, beispielsweise bei Inflation Caps und Floors, die auch häufig in Bandbreitenanleihen verpackt sind, in denen die Auszahlung an den Investor steigt, solange die Inflation innerhalb einer definierten Bandbreite bleibt (Wood 2007).
7.15 Neue Perspektiven durch Derivate Die vorangegangenen Kapitel haben gezeigt, dass aus der Beobachtung der Derivatemärkte vielfältige Informationen gezogen werden können, die geeignet sind, Anlageentscheidungen zu unterstützen. An dieser Stelle sollen einige eher außergewöhnliche Informationsquellen aus dem Derivatebereich dargestellt werden, um aufzuzeigen, wie weit das Spektrum außerhalb des Mainstream mittlerweile reicht und auch, welche Blüten es an den Rändern treibt. Auch wenn einige dieser Ausprägungen sehr weit gehen, vermitteln sie dennoch ein gutes Gefühl darüber, an welchen Stellen in der Finanzwelt und darüber hinaus Derivate eine Rolle spielen können und wie sie neue Betrachtungswinkel auf bekannte Sachverhalte eröffnen.
7.15.1
Fed Put
Hierbei handelt es sich nicht um ein tatsächlich formal existierendes und gehandeltes Derivat. Es ist vielmehr eine einfache gedankliche Konstruktion auf Basis derivativen Gedankenguts, aber eine mit riesengroßer Wirkung für sämtliche Kapitalanleger weltweit. Wahrscheinlich ist es das Derivat mit der größten Preiswirkung überhaupt. Unter dem Fed Put versteht man die unter Investoren verbreitete Vorstellung, dass es am Markt eine Verkaufsoption gibt, die von der amerikanischen Notenbank geschrieben wird und die die Finanzmärkte vor dem Absturz absichert (Kim et al. 2000a). Der Put manifestiert sich in niedrigen Zinsen und/oder einer üppigen Versorgung der (Finanz)Wirtschaft mit Liquidität im Gefolge krisenhafter Entwicklungen in der Real- und Finanzwirtschaft.
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In Anlehnung an das „betreute Wohnen“ sprechen Zyniker in diesem Zusammenhang gerne davon, dass die Zentralbank eine Form des „betreuten Investierens“ schafft. Besonders die US-amerikanische Fed hat sich diesbezüglich eine lange und ereignisreiche Historie aufgebaut. Sie reagierte mit Zinssenkungen auf den Aktien-Crash im Oktober 1987, die Savings and Loans-Krise, den Einbruch des mexikanischen Peso und den Beinahe-Kollaps des Finanzsystems 1998 in Folge der Russland/LTCM-Ereignisse und sogar im Vorfeld der befürchteten Jahr 2000-EDV-Probleme. Auch das Platzen der Dot Com-Blase Anfang des Jahrtausends und die Subprime/Lehman/Staatsanleihekrise setzte die erwarteten Muster in Gang. Je nach gerade amtierendem Fed-Vorsitzenden wurde die Verkaufsoption auch Greenspan oder Bernanke Put genannt. Doch seit der Staatsschuldenkrise in Europa 2010 ff. lässt sich der Fed Put verallgemeinern zum Notenbank-Put, da auch andere Notenbanken wie die Bank of England, die Bank of Japan und letztlich auch die Europäische Zentralbank kreativ sichernd in die Finanzmärkte eingegriffen haben. Grundsätzlich kann die Wirkung des Zentralbank-Puts über mindestens zwei Kanäle wirken (Hill et al. 2001a): Einerseits wird die Wahrscheinlichkeitsverteilung der Rendite einer risikobehafteten Anlage dergestalt verändert, dass die Wahrscheinlichkeit im Verlustbereich reduziert wird und ab einer bestimmten, aber leider im Vorhinein unbekannten Schwelle null beträgt. Die so „eingesparte“ Verteilungsmasse verteilt sich dann auf die besseren Ergebnisse. Die Wahrscheinlichkeit, einen Gewinn oder lediglich einen kleinen Verlust zu machen, steigt also. Dies führt zu einem insgesamt höheren Erwartungswert für das in dieser Form abgesicherte Asset. Andererseits muss man sich klar machen, dass der Zentralbank-Put das Portfolio erweitert. Ein Investor, der ein Aktienportfolio sein eigen nennt, hat zusätzlich einen Put im Bestand. Dieser Put taucht auf keinem Depotauszug auf, dennoch ist er da und hat einen Wert. Besonders bemerkbar macht sich dieser „Geister-Put“ im Falle steigender Volatilität. Wir haben bereits an mehreren Stellen in diesem Buch gesehen, dass ein Anstieg der Volatilität häufig von fallenden Kursen begleitet respektive von ihnen ausgelöst wird (Abschn. 4.2.1.5.3 und 7.2.4). In diesem Falle würde also die Bewertung der Aktien fallen. Gleichzeitig erhöht der Anstieg der Volatilität des Long „Geister-Put“ dessen Wert, sodass er einen Teil des Aktienrückgangs abmildert oder ihn gar (über)kompensiert. Durch den „Geister-Put“ fällt also die Wertminderung nicht so groß aus, wie sie ohne ihn ausfallen würde. In Ermangelung formalisierter Kontraktspezifikationen ist es schwierig, die genaue Absicherungswirkung des Zentralbank-Put zu quantifizieren. Leider zahlen die Zentralbanken nicht direkt einen festgelegten Betrag unterhalb eines Basispreises aus. Da die Finanzmärkte permanent einer Vielzahl von Einflussfaktoren unterliegen, lässt sich die Wirkung auch nicht empirisch extrahieren, zumal nicht klar ist, über welchen Betrachtungshorizont der Put seine Wirkung entfaltet. Bleibt die anekdotische Beweisführung. Beispiel
Hier steht einem der Jahresauftakt 2001 am 3. Januar noch lebhaft vor Augen. Das Jahr 2000 war ein schwieriges gewesen, das den Anlegern teils deutliche Verluste bei-
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Neue Perspektiven durch Derivate
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gebracht hatte. Darüber hinaus waren die wirtschaftlichen Aussichten für das neue Jahr zunehmend eingetrübt. An diesem Tag senkte die amerikanische Fed die Fed Fund Rate um 0,5 %. Der S&P 500 schoss vom Zeitpunkt des Bekanntwerdens bis zum Handelsschluss um über fünf Prozent nach oben. Und der Nasdaq 100 vollführte an diesem Tag einen regelrechten Crash nach oben. Er stieg um gewaltige 18,8 %! Natürlich kam es in den nächsten Monaten und Jahren zu deutlichen Kursrückgängen. Darüber die Wirkung des Fed Put in Zweifel zu ziehen erscheint jedoch voreilig, da niemand sagen kann, wie sich die Märkte ohne diese geldpolitischen Sicherungsmaßnahmen entwickelt hätten. Die Erfahrungen der Vergangenheit bestärkten jedenfalls die Investoren, dass im Falle eines Falles die Fed, egal unter welchem oder welcher Vorsitzenden, helfend eingreifen würde. Dadurch wird natürlich auch erreicht, dass die Anleger die Risiken an den Finanzmärkten als weniger bedrohlich empfinden, können sich doch quasi darauf vertrauen, dass die Zentralbank(en) ihnen zumindest die Tail Risiken, also die ganz großen Verluste, erspart oder abmindert. Bis dato haben die Zentralbanken die Anleger in ihren Erwartungen letzten Endes auch nicht enttäuscht, sondern wie erhofft oder gar erwartet geliefert und dafür immer größere Einsätze gewagt, sei es nun die Fed, die mit ihrem Quantitative Easing nicht nur den Preis des Geldes in Form der Zinsen bis auf null gesenkt, sondern auch die Geldmenge in zuvor unvorstellbarer Weise ausgeweitet hat. Und auch die Europäische Zentralbank hat die Zinsen im Zuge der Subprime/Lehman/Banken/Staatsanleihekrise unter ein zuvor als gesund wahrgenommenes Niveau gedrückt und durch flankierende Maßnahmen massiv Geld in den Markt gepumpt. Beispiel
Unvergessen ist auch ihr Agieren unter Mario Draghi im Sommer 2012, der mit seinem „Schwur“, notfalls mit aller Gewalt Staatsanleihen von Krisenländern in der Eurozone aufzukaufen und so deren Finanzierung sicherzustellen, einen signifikanten Kurswechsel an den Finanzmärkten einleitete. Der bis dahin vorherrschende Risk-off Modus wich einer Risk-on-Orientierung der Finanzmarktteilnehmer, die zu einem ausgedehnten Kursanstieg über alle risikobehafteten Asset-Klassen hinweg führte. An dieser Stelle wird deutlich, dass dieser Put nur vordergründig kostenlos ist, da keine explizite Prämie anfällt. Betrachtet man diesen Umstand jedoch genauer, wird schnell deutlich, dass die Prämie durchaus in Rechnung gestellt wird, wenn auch nachträglich und nicht zwangsläufig zu Lasten derer, die von der Absicherung profitiert haben. Schließlich verschwindet Risiko nicht einfach; es wird nur verlagert, sei es zeitlich in die Zukunft oder institutionell an irgendeine andere Stelle des Finanzmechanismus. In dieser Hinsicht ist Risiko wie Wasser: Man kann seinen natürlichen Fluss eine Zeit lang stören, indem man den Wirkungsmechanismus in der Wirtschaft zeitweilig unterbricht, aber früher oder später muss es dennoch seinen Weg ins Meer finden. Das Notfallprogramm aus zu niedrigen Zinsen und/oder zu viel Liquidität kann leicht dafür sorgen, dass sich dieses billige Geld
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irgendwo auf der Welt eine Anlagemöglichkeit sucht und dort der Entstehung der nächsten Blase Vorschub leistet, bei deren Platzen dort investierte Anleger den Preis bezahlen müssen. Oder die Rechnung kommt in Form von künstlich niedrig gehaltenen Zinsen, die die Realverzinsung in den negativen Bereich drücken und so zu einer schleichenden Enteignung der Sparer führen. Diese Form der Marktmanipulation ist gleichwohl nicht auf Zentralbanken beschränkt, im Gegenteil. Beispiel
Eine ebenfalls extreme Ausprägung praktiziert die chinesische Regierung. In Folge der Weltwirtschaftskrise kam es zu einem spürbaren Einbruch der für die chinesischen Wirtschaft sehr wichtigen Exporte. Um sich den rezessiven Entwicklungen 2008 zu entziehen, wurde China erneut auf den Währungsmärkten aktiv und legte umfangreiche Kredit- und Konjunkturprogramme auf. Dadurch verstärkten sich die allokativen Fehlentwicklungen, Überkapazitäten blieben erhalten oder weiteten sich aus, und es kam zu einem starken Anstieg der privaten Verschuldung. Das nach Anlagemöglichkeiten suchende Kapital fand seinen Weg in starkem Maße in den Immobilienmarkt. Die chinesische Führung versuchte gegenzusteuern und den heimischen Anlegern eine Alternative zum im Laufe der Jahre schwächelnden Immobilienmarkt zu geben. Eine Mischung aus günstig bereitgestellter Liquidität durch die Zentralbank, der regulatorischen Unterstützung sowie dem Mangel an Alternativen ließ die Aktienkurse innerhalb kurzer Zeit um 150 % anziehen. Als es dann im Sommer 2015 zu heftigen Kurskorrekturen von rund 30 % kam, fuhr die chinesische Regierung schweres Geschütz auf, um die Kurse zu stabilisieren. Dazu wies sie mehrere große Kapitalsammelstellen an, Aktien zu kaufen, während sie Staatsunternehmen untersagte, Beteiligungen abzustoßen. Gleichzeitig wurde Großaktionären untersagt, ihre Anteile zu veräußern. Leerverkäufern hetzte man gar die Polizei auf den Hals, und es wurden Stimmen laut, die Namen dieser Institutionen und Personen zu veröffentlichen. Ohnehin blieben in der Spitze rund die Hälfte der Aktien vom Handel ausgesetzt. Flankiert wurden diese Maßnahmen mit Liquiditätsinjektionen vonseiten der Zentralbank. Wenn eine Regierung einen derart wirkungsmächtigen Put strukturiert, ist es nicht verwunderlich, dass sich der Vorsitzende der Börse Hongkong dazu verstieg, den chinesischen Aktienmarkt als den sichersten der Welt zu charakterisieren. Der Blick durch die Derivatebrille erlaubt in vielen Fällen einen neuen Blick auf die Vorgänge in der Welt im Allgemeinen und in der Finanzwelt im Besonderen und verhilft manchmal zu einem besseren Verständnis der betrachteten Vorgänge. So sieht Minenna (2015) in dem EZB-Aufkaufprogramm für Staatsanleihen der Euroländer (Quantitative Easing) den Verkauf von Kreditabsicherungsderivaten (Credit Default Swaps; CDS) durch die nationalen Notenbanken an die EZB, wobei seines Erachtens die Absicherungsprämien zu niedrig angesetzt sind.
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Hintergrundinformation Dazu sollte jedoch angemerkt werden, dass Marcello Minenna italienischer Professor und Leiter der Abteilung für quantitative Analyse beim italienischen Marktregulator Consob ist.
7.15.2
Derivate mit Wettcharakter
Wie in Abschn. 6.9 gesehen, sind sich selbst Nobelpreisträger nicht sicher, was genau Derivate eigentlich sind, ob Absicherungsprodukte oder Glücksspiele. In der Tat sind die Grenzen fließend und in einigen Bereichen zerflossen. Sedlacek und Tanzer (2015, S. 158) vertreten gar die leicht nachvollziehbare Ansicht, dass es sich bei Versicherungen ohnehin um Glücksspiele handelt: Während der Roulettespieler im Kasino mit der Wahrscheinlichkeit spielt, ein Glücksfall werde eintreten, macht die Versicherung ihr Geld damit, dass ein Unglücksfall nicht geschehen wird.
Letztlich haben die ordinäre Wette und ein Termingeschäft oder eben eine Versicherung ja auch gemeinsame Wurzeln: Sie beziehen sich auf einen ungewissen Ausgang eines Ereignisses in der Zukunft, auf dessen Materialisierung Geld gesetzt wird. Wie eng dieser Zusammenhang ist, sieht man auch daran, dass der Handel mit volkswirtschaftlichen Derivaten auf einem der Sportwette entlehnten Mechanismus beruht (Abschn. 7.14). Und es kommt auch nicht von ungefähr, dass Termingeschäfte bis Ende der 1980er-Jahre in Deutschland als Glücksspiel galten. Diese Nähe von Wetten und Derivaten ist insofern problematisch, als man Wettschulden als Ehrenschulden ansehen könnte, die nicht einklagbar sind (Peukert 2013). Dabei handelt es sich um eine Einstellung, die dem antiken römischen Recht entspringt. Altes deutsches Recht hingegen vertrat den Standpunkt, dass es sich bei Glücksspielen um unerlaubte Geschäfte handelte, sodass der Verlierer sich seinen Verlust durch die Beschreitung des Rechtswegs wieder zurückholen konnte. Heutzutage sind Verpflichtungen aus Derivategeschäften als abgeschlossene Verträge rechtlich belastbar. Natürlich kann man letztlich auf alles und jedes wetten, von Wahlergebnissen über den nächsten Fußballweltmeister bis hin zur Entdeckung von Außerirdischen. Die darauf basierende Grundidee, die Zukunftsprognosen auf einem Markt finanziell handelbar zu machen und anhand des sich bildenden Preisniveaus und der Preisentwicklung zu einer besseren Einschätzung der Wahrscheinlichkeit zukünftiger Ereignisse zu kommen, ist bestechend. Sie basiert auf dem Gedankengut von Francis Galton (1907) und Friedrich Hayek (1945) und kombiniert die Schwarmintelligenz („Die Masse ist schlauer als der Einzelne.“) mit dem Ideenwettbewerb auf einem Markt. Nachfolgend einige ausgewählte Beispiele von mehr oder weniger sinnvollen und mehr oder weniger erfolgreichen Produkte aus dieser Kategorie, die aber durch politische oder Ereignisrisiken einen mittelbaren Einfluss auf die Kapitalmärkte ausüben.
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7.15.2.1 Wahlwetten Anfang 2012 wollte die North American Derivatives Exchange (Nadex) mit Wahlterminkontrakten auf die Vorwahlen im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf an den Markt gehen. Dieses wurde ihr jedoch von der zuständigen Aufsichtsbehörde, der CFTC, untersagt. Diese stützte sich auf den Dodd-Frank Act, der Futures ablehnt, wenn sie sich auf Angelegenheiten beziehen, die dem öffentlichen Interesse zuwider laufen. Dies sah die CFTC als erfüllt an und monierte auch konkret den Wettcharakter der Kontrakte sowie die Möglichkeit der Marktmanipulation. Die Ausnahme von diesem Verbot ist die Universität in Iowa, die seit 1988 einen elektronischen Marktplatz mit politischen Kontrakten betreiben darf, mit dem sie Vorhersagen zum Ausgang von Wahlen erstellt, die bessere Ergebnisse liefert als die meisten konventionellen Meinungsumfragen (Surowiecki 2004, S. 17–19). Auch die Forscher an der Universität Karlsruhe waren mit ihrem „Political Stock Market“ bei der Prognose von Wahlergebnisse bereits erfolgreich (Hackhausen 2006). Daneben existiert noch ein Internet-Betreiber namens Intrade, der Kontrakte auf politische Ereignisse im Angebot führt. Dieser ist in Irland domiziliert und unterliegt somit nicht den US-amerikanischen Gesetzen. Eine solche Ereignisbörse fällt unter das Glücksspielgesetz und ist daher auch mit deutschem Recht nur schwer vereinbar (Hädicke und Dohms 2012). 7.15.2.2 Terror Futures Besagter Dodd-Frank-Act verbietet ebenso wie Wettkontrakte auch explizit solche, die an kriegerische oder terroristische Ereignisse gekoppelt sind. Diese sind zweifellos nicht im öffentlichen Interesse. Dennoch hat es in der Vergangenheit Bestrebungen gegeben, derartige Futures anzubieten. Der Anstoß für eine derartige Idee kam sogar von einer prominenten öffentlichen Stelle, nämlich aus dem amerikanischen Verteidigungsministerium (The Economist 2003). Dabei mögen Internetwettplattformen, auf denen man beispielsweise darauf wetten konnte, wann Saddam Hussein abgesetzt werden würde, Vorbild gewesen sein. Diese sogenannten Saddam Futures wurden unter anderem dafür genutzt, Informationen zu gewinnen, welche wirtschaftlichen Folgen ein Krieg im Irak hätte, bis hin zur Höhe des Anstieg des Ölpreises und der erwarteten Kursrückgänge am Aktienmarkt inklusive Differenzierung über Länder und Branchen hinweg (Leigh et al. 2003). Von der kollektiven Meinung, gebündelt im Preis eines Terminkontrakts, versprachen sich die Strategen des Pentagon Hinweise darauf, wo, wie und mit welcher Wahrscheinlichkeit die Gefahr eines terroristischen Anschlags bestand. Dadurch dass die Teilnehmer nicht nur eine Meinung abgeben sollten, sondern diese finanziell unterlegt sein würde, versprach man sich eine höhere Verbindlichkeit und damit Treffergüte und letztlich eine erhöhte nationale Sicherheit. Die Überlegungen Hayeks aufgreifend schreibt das Pentagon dazu (Watzlawek 2003): Die Wissenschaft hat festgestellt, dass Märkte zersplitterte und selbst verdeckte Informationen extrem effizient, effektiv und zeitnah zusammensetzen können.
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Mehrere Senatoren erfuhren von diesen Plänen und schoben ihnen alsbald einen Riegel vor. Und dafür gibt es in der Tat gute Gründe. Einerseits mögen sich Terroristen von derartiger Aufmerksamkeit erst recht angespornt fühlen, zumal es ihnen sogar direkt möglich wäre, von ihren Aktivitäten finanziell zu profitieren und so Anschläge zu refinanzieren. Immerhin ist eine der zahlreichen Verschwörungstheorien, die nach dem 11. September 2001 die Runde machten, diejenige, dass sich die Terroristen im Vorfeld der Anschläge so an den internationalen Finanzmärkten positioniert hatten, dass sie von den nachfolgenden Kursentwicklungen massiv profitieren konnten. Über Terror-Futures wäre dies noch einfacher möglich. Andererseits ist es nur schwer vorstellbar, dass Teilnehmer an diesem Markt, insbesondere wenn sie entweder große oder einfach nur erfolgreiche Positionen eingegangen sind, nicht sofort ins Visier des Verteidigungsministeriums geraten würden. Dennoch könnten Terroristen versuchen, durch Preismanipulation Fehlinformationen über den Terminmarkt zu streuen. Zumindest würde ihnen ein solcher Markt Informationen darüber liefern, wann und wo die Sicherheitsmaßnahmen eher hoch sein würden und wo sich ungeschütztere Ziele ergeben. Aber vollkommen abgesehen von diesen eher technischen Pros und Kontras, ist allein die Vorstellung, Vehikel anzubieten, die es erlauben, von Tod und Zerstörung zu profitieren, schlichtweg abstoßend.
7.15.3
Tagtägliche Optionen
Wenn man sich mit Optionen beschäftigt, wird einem früher oder später klar, dass das ganze Leben voller Optionen steckt. Man hat ja schon immer gewusst, dass man permanent jede Menge Wahlmöglichkeiten hat: Banales wie „Espresso oder doppelter Espresso“ über Fundamentales wie „Heiraten oder nicht“ bis hin zu Entscheidungen über Leben und Tod wie „Weiter leiden oder Suizid?“. Neu ist vielleicht die Erkenntnis, dass man diese Optionen systematischer als in der Vergangenheit bewerten kann und die letztendliche Entscheidung auf Basis dieser – keinesfalls immer monetären – Bewertung trifft. Darüber hinaus scannt man Situationen danach, ob sie nicht noch Optionen in sich tragen, die man bisher übersehen hat oder Optionen, die man durch einen kreativen Prozess selbst kreieren und so Werte schaffen kann. Bei diesem Blick auf die Welt handelt es sich vermutlich um eine typische déformation professionelle, also einen bestimmten Blick auf die Welt, der vom Beruf geprägt und entsprechend verzerrt ist: Ein bildender Künstler sieht überall Motive, ein Jurist Ge- und Verbote und Paragraphen und ein Wirtschaftsmensch eben Optionen. Wobei diese Form der Wahrnehmung der Welt keine exklusiv ökonomische ist: Schon der Philosoph Spinoza hat in seiner Abhandlung „Über Ursprung und Wesen der Gefühlsbewegung“ im 17. Jahrhundert ein Modell entwickelt, in dem er menschliche Gefühle als Derivate erklärt. So ist für Spinoza Liebe ein Derivat der Lust (Derman 2013, S. 177).
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Durch die zunehmende Ökonomisierung unserer Gesellschaft scheint sich der Blick durch die Optionsbrille jedoch mehr und mehr zu verbreiten. Zumindest eröffnen sich den Menschen mehr und mehr Optionen, auch wenn sie diese vielleicht gar nicht unter diesem Begriff wahrnehmen würden. Das trägt einerseits zur allseits gefühlten Beschleunigung des Lebens bei, weil man aus dem immer größer werdenden Angebot aus Optionen tendenziell auch immer mehr wahrnehmen möchte. Gleichzeitig steht den Menschen aber nicht mehr Zeit zur Verfügung. Daher wird die Zeit verdichtet (Rosa 2005). Es ist schwierig zu sagen, ob diese vermehrte Wahrnehmung von Optionen, so sie denn besteht, auch zur Unfähigkeit, eine dieser Optionen zu ziehen, beiträgt; es könnte sich ja noch eine bessere auftun, während mit der Ausübung der einen Option alle anderen wertlos werden oder zumindest stark an Marktwert verlieren. Beispiel
Marketingstudien haben beispielsweise festgestellt, dass Konsumenten oft überfordert sind, wenn sie vor einem Regal voller unterschiedlicher Konfitüren stehen und sich am Ende für keine entscheiden. Möglicherweise hilft eine systematische Betrachtung der Optionen aber auch, genau dieser Schwäche Herr zu werden. Es schließt sich der Kreis zum Finanzbereich, wenn diese Handlungsoptionen im tagtäglichen Leben wieder Auswirkungen in der finanziellen Sphäre haben. Beispielsweise unterstellen Banken in der Regel, dass ihnen ein Bodensatz der Kontokorrenteinlagen ihrer Kunden de facto langfristig zur Verfügung steht, weil nie alle Kunden gleichzeitig ihre Konten komplett leer räumen. Diesen mehr oder weniger vorsichtig kalkulierten Bodensatz legen die Banken längerfristig, z. B. gleitend über zehn Jahre, an, um so einen Ertrag aus der Fristentransformation zu erzielen. Wenn nun außerplanmäßig viele Kunden auf die Idee kommen, ihre Liquiditätsreserve auf dem Girokonto doch auszugeben oder zu investieren, kann daraus ein Problem für die Banken erwachsen. Beispiel
Zu einer spürbaren Bewegung kam es 1999 in einigen Banken des deutschen, genossenschaftlichen Bankensektors, als viele Kunden ihre Kassebestände reduzierten, um sie am Aktienmarkt zu investieren. Wenn sie den Bodensatz in ein liquides, länger laufendes Papier investiert haben, in dem die Zinsen entweder gleich geblieben oder gar gesunken sind, können sie die Fristentransformation mit positivem Ergebnis auflösen und dem Kunden seine angeforderte Liquidität zur Verfügung stellen. Sind die Zinsen seit der Anlage gestiegen, kann es per saldo zu Verlusten kommen, wenn die Anlage zwangsweise aufgelöst wird. Sollte das Geld sogar in einer illiquiden Anlageform stecken, sieht sich die Bank eventuell gar mit einem Liquiditätsproblem konfrontiert. Ein anderes offensichtliches Beispiel ist, wenn Kunden, denen in ihren Kreditbedingungen die Möglichkeit zur Sondertilgung eingeräumt
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wird, durch einen gemeinsamen Auslöser, zum Beispiel ein stark fallendes Zinsniveau, in großer Zahl ihr Recht ausüben. Die Banken können dieses an sie zurückfließende Geld nur zu niedrigeren Renditen reinvestieren, was insbesondere dann problematisch ist, wenn sie die Bestände langfristig teuer refinanziert haben. Auch in Zukunft werden Derivate vermutlich auch abseits der Finanzmärkte eine immer bedeutendere Rolle spielen, da sie die Möglichkeit bieten, alle Arten von Informationen zu handeln. Morozov (2015) beschreibt, wie das Internet der Dinge in der Lage ist, die Gleichheit der Menschen aufzuheben, zum Beispiel im medizinischen Bereich: „Am Ende werden wir alle mit Derivaten handeln, die unser Recht auf spezielle medizinische Dienstleistungen mit unserem aktuellen physischen Verhalten verknüpfen.“ Und schließlich hat auch eine der größten Fragen der Menschheit eindeutig einen Optionsbezug: Im siebzehnten Jahrhundert erklärte der französische Vielfachgelehrte Blaise Pascal seine Haltung zur Frage, ob es denn einen Gott gebe oder nicht, mit der sogenannten Pascalschen Wette (Pascal 1997). Danach ist es zumindest rational, auf die Existenz Gottes zu setzen. Sollte es diese höhere Macht geben, winkt eine Belohnung; falls nicht, resultiert daraus zumindest kein Verlust oder eine Bestrafung. Der Mensch erhält die Möglichkeit einer Upside (fast) ohne Downside oder zumindest einen höheren Erwartungsgewinn im Fall des Gewinns als beim Verlust der Wette. Mit einem gottgefälligen Leben erwirbt man so gesehen eine mehr oder weniger kostenlose Option auf die Ewigkeit. Problematisch sind allein die unklaren Kontraktspezifikationen, da mehrere „Anbieter“ sich auf unterschiedliche „Vertragswerke“ berufen, die nur in Teilen übereinstimmen. Entsprechend unterschiedlich fallen die Kosten in Form von Richtungsweisungen und möglichen Unbequemlichkeiten in der Lebensführung aus. Und auf der pekuniären Seite sind Beiträge in divergierender Höhe zu entrichten, je nachdem, welchen „Broker Gottes“ man erwählt hat. Fazit
In vielerlei Hinsicht können Derivate einen anderen, manchmal tieferen und manchmal auch besseren Einblick in die Vorgänge in der Wirtschaft und vor allem am Finanzmarkt eröffnen. Eine herausragende Eigenschaft von Derivaten ist, dass sie offenlegen, was „der Markt“ wirklich denkt. Die Informationen, die man aus ihnen ziehen kann, sind an vielen Stellen umfangreicher als diejenigen, die man aus anderen Quellen gewinnt, und vermutlich sind sie auch ehrlicher, weil sie nicht nur bloße Lippenbekenntnisse abgreifen, sondern finanziell unterlegt sind. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie zwangsläufig auch zu besseren Prognosen führen. Gerade für den Umgang mit Risiken ist das Verständnis der Einflussfaktoren auf die implizite Volatilität und der ihr innewohnenden Botschaften ein großer Gewinn. Ebenso zentral ist es, zu durchblicken, welche Teilnehmer mit welchen Motivationen und Zwängen sich am Markt bewegen. Diese Einblicke erklären auch viele Marktbewegungen, die ohne das Verständnis des Derivatemarkts mysteriös anmuten könnten. Neben dem besseren Verständnis zahlreicher Finanzmarktentwicklungen profitiert ein Portfoliomanager in seiner täglichen Arbeit beispielsweise von verbesserten Risi-
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koschätzern, einem neuen Blickwinkel in der Performance-Analyse und einer sachgerechten Ausgestaltung von performance-abhängigen Verwaltungsvergütungen.
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Ypsilanti, A. (2005): Equity Volatility Insights – The Current Environment and Outlook for 2006, Merrill Lynch, November. Zeckhauser, R., and V. Niederhoffer (1983): The Performance of Market Index Futures Contracts, in: Financial Analysts Journal, January-February, S. 59–65. Zhou, H. (2009): Variance risk premia, asset predictability puzzles, and macroeconomic uncertainty, Working Paper, Federal Reserve Board, Washington D.C. Zimmermann, H. and C. Zogg-Wetter (1992): On Detecting Selection and Timing Ability: The Case of Stock Market Indexes, in: Financial Analysts Journal, 48, S. 80–83. Zou, J. and E. Derman (1999): Strike-Adjusted Spread: A new metric for estimating the value of equity options, Goldman Sachs Quantitative Research Notes, July.
Bildrechte
Wie in der Widmung bereits ausgedrückt, bin ich sehr vielen Menschen zu Dank verpflichtet für ihren Input über die vergangenen Jahrzehnte hinweg. An dieser Stelle noch ein besonderes Dankeschön an einige Firmen, die mir ganz unkompliziert die Verwendung von deren Originalmaterial gestattet haben: Credit Suisse, Deutsche Bank, DZ Bank, Goldman Sachs, Der Spiegel, Thomson Reuters, UBS und Bank of America Merrill Lynch, deren Anliegen es war, folgende Information bezüglich Abb. 7.7 und Abb. 7.23 aufzunehmen: Reprinted by permission. Copyright © 2017 Merrill Lynch, Pierce, Fenner & Smith Incorporated. The use of the above in no way implies that Merrill Lynch endorses the views or interpretation or the use of such information or acts as any endorsement of [the licensee’s] use of such information. The information is provided “as is” and Merrill Lynch does not warrant the accuracy or completeness of the information.
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017 T. Bossert, Derivate im Portfoliomanagement, https://doi.org/10.1007/978-3-658-17574-0
727
Sachverzeichnis
45-Tage-Regel, 36
Autocallable, 259, 536, 662, 680
A Absicherungshorizont, 127 Absolute Return, 238 Adaptive Market Hypothesis, 572 Adobe Systems, 666 Agency Problem, 639 Aktienindex, 35 Aktienrückkauf, 665 Algo Trading, 460, 569, 676 Alpha, 401 Alternatives Beta, 403, 418 Am Geld, 49 Ampega-Gerling, 258 Analytisch-approximierende Verfahren, 70 Angestelltenoption, 540 Anlageausschuss, 118 Apple, 676 Arbitrage, 29, 59, 199, 215, 532 Cash and Carry, 216 Instrumentelle, 234 Inter Market, 227 Kapitalstruktur, 234 Regulatorische, 231 Reverse Cash and Carry, 216 Statistische, 216 Steuer, 219, 233 Arbitrage Pricing Theory, 154, 403, 577 ARCH, 8, 292, 582 Asiatische Option, 70, 171, 474, 671 Asset Allocation, 370 Asset-Liability Management, 647 At-the-money, 49 Aus dem Geld, 49 Außenfinanzierung, 122
B Back Month, 277 Backuped Deal, 350 BaFin, 534 Banco Santander Totta, 510 Bank of Credit and Commerce International, 349 Barings, 257, 516, 518 Barrier Option, 65, 479 Basis, 32 Brutto Basis, 33 Carry Basis, 33 Gross Basis, 33 Net Basis, 33 Netto-Basis, 33 Theoretische Basis, 33 Value Basis, 33 Wertbasis, 33 Basis Point Value, 145, 374 Basis Trade, 225, 274, 497 Basis Trading Facility, 275 Basispreis, 46, 120, 247 Basisrisiko, 192 Basket Option, 109, 170, 486 Bear Spread, 276 Behavioural Finance, 288, 504, 508, 592 Bejing Enterprises, 664 Benchmark Deterministische, 635 Stochastische, 636 Best-of Option, 487 Best-of-Two, 488 Beta, 150, 154, 447, 629 Bibel, 513 729
730 Binäre Option, 468 Binomialmodell, 68, 481, 486 Black-Derman-Toy, 66 Black-Scholes-Merton, 53, 691 Annahmen, 61 Bond Call, 166, 348, 693 Bonitätsanleihe, 534 Bonus-Zertifikat, 386, 483 Box, 336, 365, 368, 533 Branchenkontrakt, 107 Break-even, 177, 261, 327 Brexit, 121, 587, 624 Brownsche Bewegung, 16, 431 Arithmetische, 52 Geometrische, 52 Buffett, Warren, 106, 256, 504 Bull Spread, 276, 641 Bull-Bear-Anleihe, 260 Butterfly, 264, 300 Buy Stop, 408 Buy-write, 273 BuyWrite Index, 244 C Calender Spread, 276, 382, 452, 688 Call, 45, 117 Callable Bond, 251, 565 Cap, 94, 346, 433, 641 Capital Asset Pricing Model, 123, 154, 402, 577 Caplet, 62, 95 Cash Drag, 363 Cash Extraction, 366 CDS, 196, 234, 321, 526 CFD, 534 CFTC, 528, 534, 702 Cheapest-to-Deliver, 10, 34, 38, 192, 225, 278, 612 Cheapness Index, 587 Chemical Bank, 433 Chooser Option, 65, 471 Circuit Breaker, 224, 567 Citibank, 456 Citigroup, 183, 231 Clean Price, 145 Clearing, 500 Cliquet, 201 Cliquet Option, 472 CMS, 565
Sachverzeichnis Coca-Cola, 675 Collar, 433, 612, 655 Collateral Valuation Adjustment, 32 COLVA, 32 Composite Option, 377 Compound Option, 64, 71, 471 Condor, 301 Confirmation Bias, 288, 504 Constant Maturity Swap, 565 Constant Mix, 417 Constant Proportion Portfolio Insurance (CPPI), 185, 572, 631, 663 Constant Volatility, 572, 631, 648, 663 Constructive Sale Rule, 333, 344 Consumption Option, 174 Contingent Option, 483 Contingent Premium Option, 470, 484 Contract for Difference, 534 Conversion, 226 Convertible Arbitrage, 196 Correlation Breakdown, 625 Cost of Carry, 29 Counterparty Risk, 134 Counterparty Valuation Adjustment, 31 County NatWest, 344 Covered Call, 236, 266, 373, 404, 435, 437 Covered Warrant, 229, 240, 508, 671, 682 Cox-Ross-Rubinstein, 66 Crash, 195 Crash 1987, 88, 121, 185, 252, 253, 255, 384, 572, 598, 603, 615, 619, 623, 698 Crash Protection, 392 Credit Default Swap, 196, 227, 232, 526, 700 Credit Spread, 276, 631 Credit Valuation Adjustment, 31 Credit Value Adjustment, 135 Cross Currency Spread, 284 Cross Gamma, 486 Cross Hedge, 148, 158, 194, 397, 630 Crossing Network, 569 CTA, 648 Cum-Ex, 397 CVA, 31, 135 D Dark Pool, 569 DAX, 36 Debit Spread, 276 Defined Exercise Option, 483
Sachverzeichnis Dell, 541 Delta, 72, 138, 171, 246, 443, 453, 601, 656 Delta Hedge, 53, 171, 319, 454, 631, 656 Delta-Gamma Hedge, 178 Derivatemarkt, 21 Derivateverordnung, 158, 538 Deutsche Bank, 21, 183, 195, 608, 694 Deutsche Bischofskonferenz, 523 Deutscher Bauernverband, 524 Devisentermingeschäft, 25 Diffusionsprozess, 16 Digitale Option, 468, 566 Dirty Hedge, 194 Dirty Spot-Preis, 145 Discount-Zertifikat, 348, 467, 660 Dispersion, 111, 319, 621, 624 Diversifikation, 14, 109, 400 Dividende, 35, 52, 61, 64, 123, 219, 225, 333, 338, 361, 378, 381, 494, 683 Dividendenrisiko, 494 Dividenden-Future, 495 Dodd-Frank Act, 220, 702 Double no-touch, 470 Double one-touch, 470 Duration, 39, 389 Dynamischer Hedge, 171 E Economic Derivative, 694 EFP, 328 Equity-Linked-Note, 486 Erfolgsabhängige Vergütung (EAV), 635 Erwartungshypothese, 596 ESG, 521 Ethik, 521 EURIBOR, 55, 199, 226 Euro STOXX 50, 28 Eurodollar, 97 Evangelische Kirche in Deutschland, 522 Event Driven, 653 Event Risk, 257, 437 Exakter Hedge, 142 Exchange Option, 66, 487, 638 Exchange Traded Fund, 676 Exchange-Option, 486 Exot, 462 F FASB, 541
731 Fat Tails, 603 Fed Put, 697 Financial Accounting Standards Board, 541 Financial Action Task Force on Money Laundering, 349 Finite-Differenzen-Methode, 70 Fixed Percentage, 201 Fixed Strike, 201 Flash Crash, 190, 461 Flattener, 279 Flex Option, 137 Floor, 96, 346 Floorlet, 62, 95 Flylet, 150 Forward, 27 Forward Price, 50 Forward Price, 602 Forward Starting Option, 473 Forward Variance Swap, 317 Forward Volatility, 594 Forward-Preis, 93 Fraktaltheorie, 292 Fristentransformation, 704 Front Month, 130, 277 Fully Funded Future, 267 Fundamental Law of Active Management, 327 Funding Valuation Adjustment, 31 Future, 27 Einzelaktien-Future, 37 Renten-Future, 38 Single Stock Future, 37 Zins-Future, 38 Futures-style, 64 FVA, 31 G Gamma, 79, 138, 173, 177, 246, 262, 296, 418, 444, 453, 633, 652, 656, 669 Gamma Swap, 661 Gamma-Effekt, 138, 177, 388 Gamma-Handel, 287 Gap Risk, 183, 187 Garantiefonds, 331, 537, 661, 676 GARCH, 8, 154, 582 Gauß, 12 Geld-Brief-Spanne, 37 Geldwäsche, 348 General Motors, 197
732 Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft, 525 Give-up Agreement, 501 Global Macro, 653 Glücksspiel, 119, 522, 530, 534, 701 Goldman Sachs, 135, 136, 231, 460, 463, 516, 694 Graham, 14, 106 Greenpeace, 518 Grenzwertabhängige Option, 479 Gross, Bill, 649 H Haltedauer, 445 Handelsunterbrechung, 202 Hebel, 76, 267, 571, 649 Hedge, 105 Außenfinanziert, 122, 160 Cross, 194 Delta-Gamma, 178 Dynamisch, 138, 171 Exakt, 142 Innenfinanziert, 125, 161 Laufzeit, 127 Long, 139, 370, 390, 393, 397 Naiv, 140 Nutzenmaximierend, 140 Short, 105, 370, 390, 393, 397 Statisch, 138 Stichtag, 114 Zero Cost, 122 Hedge Fonds, 256, 419, 636 Hedge Ratio, 74, 139 Hedge Tailing, 496 Hedgefonds, 24, 196, 246, 257, 436, 457, 576, 649, 660 Hedging-Hypothese, 655 HGB, 539 High Water Mark, 637 Higher Partial Moment, 440 Hochfrequenzhändler, 569 Hoeneß, 350 Homöostase, 428 Hull und White, 67 Hurdle Rate, 637 I IBM, 676 Im Geld, 49
Sachverzeichnis Indexrekonstitution, 362, 380 Inflation Cap, 697 Inflation Floor, 697 Information Ratio, 327, 436 Innenfinanzierung, 125 Innerer Wert, 49 Instalment Option, 472, 485, 513 Interest Rate Swap Volatility, 304 In-the-money, 49 Invarianz, 511 J Jensens Alpha, 436 J.P. Morgan, 459 Junk Bond, 17 K Kappa, 86, 581 Katastrophenderivate, 464 Kaufoption, 45 Key Rate Duration, 150 Kidder Peabody, 516 Knight Capital, 461 Knock-in Option, 480 Knock-out Option, 460, 480, 680 Konfidenz, 10 Konkavität, 373, 417 Kontraktportfolio, 110, 153, 249, 319, 487, 630 Konversionsfaktor, 33, 38 Konvexität, 79, 146, 312, 373, 394, 417, 444 Körperschaftsteuer, 36, 219 Korrelation, 14, 484, 486, 578, 610 Implizite, 112, 319, 621 Korrelationskoeffizienten, 14 Korridoroption, 473 Kreditrisiko, 196 Kultur, 556 L Ladder Option, 470, 477 Lambda, 76, 269, 388, 581 Laufzeit, 127, 247 Leerverkauf, 396, 700 Leerverkaufsverbot, 61, 605 Leeson, 228, 257, 518 Lehman, 42, 43, 254, 366, 460, 679 Lend Lease Corporation, 344 Lewis, Michael, 137, 218, 431 Lieferoption, 33
Sachverzeichnis Liquidität, 202, 362, 569, 605 Liquiditätsoption, 232 Liquidity Black Holes, 191 Liquidity Coverage Ratio, 232 Lite Option, 488 Lock-up, 654 Lognormalverteilung, 431 Long Call, 45, 372, 395, 448, 450, 632, 637, 666 Long Hedge, 139, 370, 390, 393, 397 Long Put, 45, 435 Long Volatility, 294 Long-Short, 397 Long-Term Capital Management, 195, 216, 219, 257, 284, 437, 611, 650, 677 Lookback Option, 65, 476 Look-Forward-Option, 476 Low Exercise Price Option, 271, 344, 366, 376, 386 Lower Partial Moments, 437 Luxemburg, 532, 537 M Macauly Duration, 144 Mad Friday, 677 Makro-Hedge, 540 Managed Futures, 652 Manifest der Finanzmodellierer, 529 Manufacturers Hanover, 433 Margin, 31, 35, 42, 92, 206, 218, 338, 342, 350, 457, 496, 500 Additional Margin, 43, 92, 499 Initial, 43, 363 Intra Day Margin, 43, 498 Maintenance Margin, 44 Margin Call, 44 Premium Margin, 92 Spread Margin, 43 Variation Margin, 43, 383, 497 Margin Valuation Adjustment, 32 Markov-Prozess, 16, 68 Mark-to-Market, 505, 573 Mark-to-Model, 505 Mark-to-Myth, 505 Maximum Option, 488 McDonald’s, 676 Mean Reversion, 293, 417, 577, 585 Median, 2 Mehrfaktorenoption, 486
733 Mental Accounting, 511 Merger Arbitrage, 651 Merrill Lynch, 332 Metallgesellschaft, 516 Microsoft, 666 Mileage Option, 315 Minimum Option, 488 Mirage Option, 479 Mittelwert, 2 Arithmetisch, 2, 65, 475 Geometrisch, 2, 65, 435, 475 Modellrisiko, 290, 316, 431, 491, 496, 505, 529, 585 Modified Duration, 144 Modus, 2 Monetisation Risk Transfer Option, 233 Moneyness, 49, 56, 241, 468, 598 Monte Carlo Simulation, 70, 445, 486 Motorola, 673 Move Index, 306 MVA, 32 Myopic Loss Aversion, 606 N Naiver Hedge, 140 Napoleon Option, 136, 472 Natexis, 136, 433 Nettofinanzierungskosten, 29 New Instrument Process, 426, 509 NIBC Petercam, 136 Nichtparametrischer Ansatz, 615 Niederhoffer, 457 Nomura, 516 Normalverteilung, 8, 603 Numerische Verfahren, 68 O OIS, 55 Omega, 76, 269, 388, 581 Open Interest, 671, 683 Operational Leverage, 633 Option, 44 amerikanisch, 50, 65 europäisch, 50 Exotische, 466 Option auf Renten-Future, 93 Optionsbewertung, 52 Optionsprämie, 45 Rentenoption, 66, 93
734 Risikokennzahlen, 72 Zinsoption, 94 Optionär, 261 Optionsanleihe, 228, 665 Optionsindex, 304 Optionspreismodelle, 62 Optionsrisikokennzahlen, 72 Optionsschein, 228, 344, 350, 361, 460, 669, 676 Orange County, 516 Orderbuch, 569 OTC, 133 Outperformance Option, 489 Out-of-the-money, 49 Overconfidence Bias, 288, 508 Overlay, 266, 443 Over-The-Counter, 134, 504 P Parametrischer Ansatz, 615 Partial Barrier Option, 481 Partizipationsrate, 161, 475, 638 Pascalsche Wette, 705 Passport Option, 479 Peer Group, 636 Performance-Index, 36 Peso-Krise, 698 Peso-Problem, 253, 289, 604 Pfadabhängige Option, 65, 70, 473 Pfadabhängigkeit, 130, 132, 188, 473 Pimco, 649 Pin Risk, 183, 453, 470, 672 Ping-Auftrag, 461 Pinning, 672 Poissonprozess, 16 Portable Alpha, 402 Positive Feedback Trader, 206 Postbank, 608 Power Option, 471 Preisfaktor, 38 Price Spread, 276, 295 Principal Components Analysis, 570 Procter & Gamble, 516 Prospect Theory, 606 Protective Put, 160, 348, 408, 435, 449, 693 Psychologie, 168, 252, 511, 571 Pull-to-par-Effekt, 93 Put, 45, 117 Put Spread, 122, 295
Sachverzeichnis Put/Call Ratio, 611, 686 Put-Call-Parität, 53, 59, 118, 396, 449, 472 Q Quantitative Easing, 700 Quanto Option, 489 Quote Stuffing, 461 R Rainbow Barrier Option, 483 Rainbow Option, 486 Ratchet, 201 Ratchet Option, 472 Rating, 633 Ratio Backspread, 262 Ratio Spread, 262 Realoptionen, 691 Rebalancing, 371 Redundanz, 434 Regression, 148, 152 Regulierung, 530, 573 Relative Value, 653 Rendite, 1 logarithmiert, 13 Verteilung, 11 Rentenoption, 66, 93 Replacement Valuation Adjustment, 511 Repo-Satz, 33, 55 Implied Repo Rate, 38, 217, 223 Reset Option, 472 Residential Mortgage-Backed Securitiy, 566 Reverse Cliquet, 136, 473 Reverse Collar, 666 Reverse Convertible, 136, 258, 259, 348, 467, 660, 679 Reverse Pinning, 673 Rho, 90, 679 Rinderknecht, 457 Risikoaversion, 52, 289, 441, 588, 609 Risikomanagement, 424 Risk Arbitrage, 651 Risk Parity, 648 Risk Reversal, 385, 601 RMBS, 566 Roll-down, 452 Roll-over, 129, 198, 278, 325, 328, 382, 458, 536, 688 Roll-up, 452 Round Lot, 193
Sachverzeichnis Royal Bank of Scotland, 489 Russlandkrise, 26, 678, 698 S Saddam Future, 702 Savings and Loans, 611, 698 Schalteroption, 473 Schiefe, 598 Schiefe-Korrelation, 626 Schwarzer Schwan, 254, 391 SEC, 520, 568 Sell Stop, 404, 442 Serielle Korrelation, 292 Shari’ah, 525 Sharpe Ratio, 436 Shift-Twist-Butterfly, 150 Short Call, 45, 236, 348, 367, 373, 406, 435, 682 Short Hedge, 105, 390, 393, 397 Short Option Adjustment, 92 Short Put, 45, 251, 362, 367, 373, 395, 409, 632, 660, 665, 680 Short Volatility, 294 Shortfall-Erwartungswert, 437 Shortfall-Maß, 437 Shortfall-Risiko, 444 Shortfall-Varianz, 437 Shortfall-Wahrscheinlichkeit, 437 Shout Option, 478 Single Stock Future, 107, 464 Skew, 133, 264, 309, 317, 321, 392, 432, 598, 661 Skew Index, 600, 611 Smile, 133, 598 Société Générale, 508, 665 Spezialfonds, 118 Split Strike Future, 450 Spoofing, 461 Spread, 276, 295, 451, 612 Bear, 276 Bull, 276 Calender, 276 Credit, 631 Cross Currency, 284 Diagonaler, 276 Horizontaler, 276 Inter Contract, 280 Inter Market, 285 Intra Contract, 276
735 Price, 276 Time, 276 Vertikaler, 276 Spread Option, 489 Spread Trading Facility, 279 Sprungprozess, 16 Squeeze, 34, 274, 325, 458 Standard Chartered, 136 Standardabweichung, 5 Steepener, 279 Steuer, 168, 175, 199, 218, 322, 328, 381, 415, 532 Steuer-Swaps, 339 Sticky Strike, 593, 613 Stillhalter, 45 Stochastische Dominanz, 437 Stop Loss, 190 Straddle, 257, 296, 319, 418, 451, 471, 652 Strangle, 299, 418, 451 Stresstest, 445 Strike Price, 46 Strike-Varianz, 315 Stutzer Index, 441 Stützzeitraum, 8 Sumitomo, 516, 518 Swap, 345 Swaption, 62, 170, 191, 299, 565, 570, 573, 649, 659 Swing Option, 478 Szenarioanalyse, 264, 416, 444 T Tail Factor, 497 Tail Protection, 392 Tail Risk, 254, 294, 310, 444, 699 Tax Straddle Rule, 333 Terror Future, 702 Thales, 513 Theta, 82, 177, 262, 296 Thorp, 54 Time Spread, 276, 295 Timer Option, 315 Timing-Fähigkeit, 693 TIPS, 696 Tracking Error, 111, 155, 169, 327, 381, 639 Transaktionsfilter, 175 Transaktionskosten, 61 Transaktionssteuer, 220, 337 Treynor Ratio, 436
736 Trinomialmodell, 69, 481 U UBS, 433, 447, 516, 519, 609 UN PRI, 525 Uptick Rule, 223 Up-Var Swap, 661 Uridashi, 680 US-Treasury Note Volatility, 306 V Value at Risk, 10, 190 Conditional, 440 Modified, 440 Vanna, 89 Vanna-Volga, 470, 481 Variable Annuities, 190, 662 Varianz-Future, 311 Varianz-Swap, 197, 314 Vasicek, 67 VDAX, 302, 589 Vega, 86, 183, 246, 262, 447, 581, 633 Vega Hedge, 677 Verbrauchsoption, 174 Vereinte Nationen, 525 Verkaufsoption, 45 VIX, 302, 589, 679 VIX-Future, 307, 685 Volatilität, 5, 159, 286, 377 annualisierte, 7 historische, 553, 582 implizite, 71, 287, 553, 579 Intraday, 568 Preisvolatilität, 9 realisierte, 287 stochastische, 8, 432 Volatilität der Volatilität, 614 Volatilitätsderivat, 302 Volatilitätsindex, 302, 613 Volatilitätskegel, 586 Volatilitätsmodell, 431 Volatilitätsoberfläche, 580, 598 Volatilitätsoption, 314 Volatilitätsprognose, 9 Volatilitätsrisikoprämie, 289 Volatilitätsstrukturkurve, 133, 262, 293, 295, 303, 317, 385, 452, 487, 536, 569, 570, 577, 586, 594, 595, 600, 624, 625, 633, 657, 681 Volatilitäts-Feedback, 592
Sachverzeichnis Volatilitäts-Future, 195, 306 Volatilitäts-Swap, 314 Volatility Clustering, 292 Volatility Smile, 598 VOLAX, 307 Volcker Rule, 220, 532 Volga, 89 Vomma, 89 VSTOXX, 303 VVIX, 614 W Wahlwette, 702 Wahrscheinlichkeitsverteilung, 614 Währungsoption, 64 Wandelanleihe, 395, 608, 665, 669 Synthetische, 395 Warenterminkontrakt, 30 Wash-Sale Rule, 333, 342, 345 Wasting Asset, 82, 269, 288 Wechseloption, 42 Wertpapierlinie, 123 Westdeutsche Landesbank, 534 Westpac Banking Corporation, 344 Wette, 528, 701 Wetterderivat, 465 Wiener Prozess, 16 Wingspreads, 302 Wölbungs-Korrelation, 626 Worst-of Option, 487 X XVA, 31 Z Zahlungsfähigkeit, 640 Zahlungswilligkeit, 640 Zeitabhängige Option, 471 Zeitwert, 49, 68, 83, 128, 133, 173, 202, 253, 261, 265, 269, 276, 297 Zentralkomitee der deutschen Katholiken, 523 Zero Call, 167 Zero Cost Collar, 344, 369 Zero-Strike Call, 386 Zertifikat, 228, 509 Bonus, 386, 483 Discount, 239, 348, 660, 679 Zinskonvention, 39 Zinsoption, 94, 433 Zinsstrukturkurve, 193, 278, 393, 689