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Young Gug You
Behinderungsmissbrauch durch marktbeherrschende Unternehmen Kartellrechtswidrigkeit von Kosten-Preis-Scheren in der EU, den USA und Korea
Behinderungsmissbrauch durch marktbeherrschende Unternehmen
Young Gug You
Behinderungsmissbrauch durch marktbeherrschende Unternehmen Kartellrechtswidrigkeit von Kosten-Preis-Scheren in der EU, den USA und Korea
Young Gug You Seoul, Südkorea Dissertation Philipps-Universität, Marburg 2018 Originaltitel: Behinderungsmissbrauch durch marktbeherrschende Unternehmen in den Fällen vertikaler Integration – Eine rechtsvergleichende Untersuchung der unterschiedlichen Analyse und Beurteilung der Kartellrechtswidrigkeit von Kosten-Preis-Scheren in der EU, den USA und in Korea
ISBN 978-3-658-24780-5 ISBN 978-3-658-24781-2 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-24781-2 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informa tionen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany
Für meine Frau und meine Töchter Eun Joo Kim, Youl & Bin
Vorwort
Die vorliegende Arbeit wurde am 14. Mai 2018 bei der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Marburg als Dissertation eingereicht und von dieser im Sommersemester 2018 zur Promotion zugelassen. Herzlich bedanke ich mich bei meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Michael Kling. Durch ihn habe ich zu jedem Zeitpunkt wohlwollende Förderung und Unterstützung erfahren. Zudem hat er während meines Studiums in Deutschland auch für meine Familie Sorge getragen. Ohne seine herzliche Rückenstärkung hätte ich mein Studium nicht mit Erfolg abschließen können. Bedanken möchte ich mich auch bei Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Gilbert Gornig für die äußerst zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Meinen Kolleginnen und Kollegen des Instituts für Bürgerliches Recht, Handels- und Wirtschaftsrecht, Europarecht sowie Gewerblichen Rechtsschutz, insbesondere Frau Sabine Bodenbender, Herrn Kevin Boland und Frau Dr. Anja Schwietert, danke ich für wertvolle Anregungen und das Korrekturlesen. Mein persönlicher Dank gilt auch Herrn Prof. Dr. Ohseung Kwon, Herrn Prof. Dr. Myung Su Hong, Herrn Prof. Dr. Bong-Eui Lee, Herrn Prof. Dr. Taehi Hwang und Frau Dr. Hyo Seok Lee, die mich und meine Familie während meines Studiums von ganzem Herzen unterstützt haben. Ein ganz besonderes Anliegen ist es mir, meinen Eltern und Schwiegereltern, meinem Bruder Kwon Kuk, Freunden Dr. Sanghyuk Lee und Tora Choi von Herzen Dank zu sagen. Jeder von ihnen hat auf seine ganz eigene Art und Weise zum Entstehen dieser Dissertation beigetragen. Gewidmet ist diese Arbeit meiner Frau Eun Joo Kim, die mein Ein und Alles ist, sowie meinen Töchtern Youl & Bin. Marburg und Seoul, im November 2018
Young Gug You
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Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis ........................................................................................... XVII Abbildungs- und Tabellenverzeichnis ......................................................................XXI Einleitung ........................................................................................................................ 1 I
Der unmittelbare und mittelbare Anlass der Arbeit .............................................1
II Das Forschungsziel ...................................................................................................3 III Die angewandten Forschungsmethoden .................................................................6
§ 1 Einführung in den von marktbeherrschenden Unternehmen ausgeübten Behinderungsmissbrauch.........................................................................................9 I
Die marktbeherrschende Stellung und deren Ausnutzung auf dem relevanten Markt ......................................................................................................9 1
Der relevante Markt .............................................................................................9 Die begriffliche Konkretisierung des Marktes in normativer Hinsicht ..........9 Die wettbewerbsrechtliche Auffassung der relevanten Marktabgrenzung ... 11 2 Die normative Bedeutung der Marktabgrenzung für die Behinderungsmissbrauchsaufsicht ..................................................................... 15 3 Die absehbaren Probleme bei der Marktabgrenzung von integrierten Märkte ... 16 a) Die grundlegende Problemstellung .............................................................. 16 b) Das latente Risiko der Inkongruenz mit der allgemeinen Theorie bei der Marktabgrenzung ......................................................................................... 17 c) Die Abgrenzung des vertikal integrierten komplementären Produktoder Leistungsmarktes als Sekundärmarkt ................................................... 18 d) Die Marktabgrenzung und das Verhältnis zwischen der vertikalen Geschäftsverbindung und der vertikalen Integration.................................... 19 e) Die restriktive Marktabgrenzung aufgrund der Rücksicht auf die wettbewerbsbeschränkenden Effekte im US-amerikanischen Kartellrecht .................................................................................................. 20 4 Die marktbeherrschende Stellung und deren Beurteilungsmaßstäbe .................. 22 a) Die Definition der marktbeherrschenden Stellung ....................................... 23 b) Das konzeptionelle Verhältnis zwischen Marktbeherrschung und Market Power............................................................................................... 27 a) b)
X
Inhaltsverzeichnis
c)
Die Maßstäbe bei der Ermittlung der marktbeherrschenden Stellung und deren Kritik .................................................................................................. 28 d) Stellungnahme: Die zu beachtenden Marktmerkmale bei der vertikalen Integration .................................................................................................... 33 5 Die besondere Verantwortlichkeit der marktbeherrschenden Unternehmen ...... 35 6 Die Formen des Missbrauchs der marktbeherrschenden Stellung ...................... 36 II Die begriffliche Annäherung an die Behinderungsmissbrauchsaufsicht und die damit zusammenhängenden Konzeptionen .................................................... 37 1
Der Behinderungsmissbrauch und dessen Regulierungszweck .......................... 37 Die Definition des Behinderungsmissbrauchs ............................................. 37 Die begriffliche Lücke zwischen Behinderungsmissbrauch und Exclusionary Abuse...................................................................................... 39 c) Der Zweck und die Schwierigkeiten der Behinderungsmissbrauchsaufsicht ............................................................................................ 40 2 Die Abgrenzung zwischen dem Ausbeutungs- und dem Behinderungsmissbrauch und ihr Verhältnis zueinander in den Fällen der vertikalen Integration ......................................................................................... 43 a) Der Begriff des Ausbeutungsmissbrauchs und die Fragen hinsichtlich der Regulierung............................................................................................ 43 b) Der Unterschied zwischen den Missbrauchsgegenständen .......................... 45 c) Die theoretische und praktische Einteilung der Missbräuche und die vertikale Integration ..................................................................................... 46 3 Stellungnahme: Die Implikation der sog. »Continental Can-Doktrin« bei der vertikal integrierten Marktstruktur ..................................................................... 47 a) b)
III Die wettbewerbsrechtlichen und ökonomischen Ziele der Regulierung des Behinderungsmissbrauchs ..................................................................................... 48 1 2
Das grundlegende Verhältnis von Ökonomie und Recht.................................... 48 Der Zweck des Wettbewerbsrechts und der Behinderungsmissbrauchsaufsicht ..................................................................... 50 a) Die unaufhörliche Debatte: Wettbewerbsfreiheit vs. Verbraucherwohlfahrt bzw. Effizienzsteigerung.......................................... 51 b) Das Verhältnis zwischen den Schutzzwecken.............................................. 55 c) Die neueste Richtung: Die Betonung des »Consumer Welfare« .................. 56 d) Stellungnahme ............................................................................................. 58 3 Die Implementierung der aufgestellten ökonomischen Analysemethoden im Wettbewerbsrecht............................................................................................... 59 4 Die rechtlichen und ökonomischen Beweisgründe bezüglich der Behinderungsmissbrauchsaufsicht und die vertikale Integration........................ 61 a) Die wettbewerbsrechtlichen Aspekte ........................................................... 61
Inhaltsverzeichnis
XI
b) c)
Die ökonomischen Aspekte ......................................................................... 63 Stellungnahme: Die Grenzen ökonomischer Prämissen bei der vertikalen Integration ................................................................................... 66 5 Der Schutz des Wettbewerbs und die Interessenabwägung ................................ 67 a) Die Interessenabwägung als ein notwendiger Schritt zum Werturteil .......... 67 b) Die Bedeutung der Interessenabwägung ...................................................... 67 c) Die wettbewerbsrechtlichen Gegenstände der Interessenabwägung und die Rechtfertigung........................................................................................ 68 d) Stellungnahme: ............................................................................................ 69 § 2 Die Regulierungsgrundlagen des Behinderungsmissbrauchs und die Maßstäbe für die Beurteilung der Kartellrechtswidrigkeit ................................ 73 I
Die Entwicklung der jeweiligen Regulierungsgrundlagen beim Behinderungsmissbrauch und ihre Auslegung .................................................... 73 1
EU ...................................................................................................................... 73 Der Entwicklungsprozess des Art. 102 AEUV ............................................ 74 Die normative Bedeutung und die verbotenen Verhaltensweisen ................ 75 2 USA ................................................................................................................... 76 a) Der Entwicklungsprozess des Sec. 2 Sherman Act ....................................... 76 b) Die normative Bedeutung und die verbotenen Verhaltensweisen ................ 77 3 Korea .................................................................................................................. 80 a) Der Entwicklungsprozess des Art. 3 - 2 Monopoly Regulation and Fair Trade Act of Korea (MRFTA) ..................................................................... 80 b) Die normative Bedeutung und die verbotenen Marktverhaltensweisen ....... 82 a) b)
II Die Beurteilungsmaßstäbe für die Rechtswidrigkeit des Behinderungsmissbrauchs ..................................................................................... 83 1
Die verstärkte Tendenz des »More Economic- und Effect-Based Approach« und die maßstabsbezogene Entwicklung ............................................................ 83 2 Profit Sacrifice Test............................................................................................ 85 a) Die begrifflichen Merkmale und die begrenzte Anwendung ....................... 85 b) Würdigung ................................................................................................... 86 3 No Economic Sense Test.................................................................................... 87 c) Die begrifflichen Merkmale und der Anwendungsbereich .......................... 87 a) Würdigung ................................................................................................... 88 4 Consumer Welfare Balancing Test ..................................................................... 89 a) Das begriffliche Verständnis und die Merkmale .......................................... 89 b) Stellungnahme ............................................................................................. 90
XII
Inhaltsverzeichnis
5
Equally Efficient Competitor Test ..................................................................... 91 Die begrifflichen Merkmale und der Anwendungsbereich .......................... 91 Die »ebenso effizienten Wettbewerber« als Maßstab für die Beurteilung der Behinderung ........................................................................................... 92 c) Stellungnahme ............................................................................................. 94 6 Raising Rivals’s Cost (RRC) - Test ................................................................... 96 a) Das begriffliche Verständnis und die Merkmale .......................................... 96 b) Stellungnahme ............................................................................................. 98 7 Die Prioritätenmitteilung der Kommission......................................................... 98 a) Überblick ..................................................................................................... 98 b) Die Grenzen des kostenbasierten Tests und die Berücksichtigung struktureller Faktoren ................................................................................. 100 a) b)
III Der Konflikt zwischen False Positive und False Negative ................................. 101
1 2
Begriffserläuterung: False Positive vs. False Negative.................................... 101 Das Verhältnis zwischen beiden und die jüngste Diskussion ........................... 103
§ 3 Die vertikal integrierte Marktstruktur und das Risiko von Wettbewerbsverstößen ......................................................................................... 105 I
Die vertikale Integration als industriell-strukturelle Eigenschaft .................... 106 1
Der Begriff der vertikalen Integration und ihre substanziellen Wirkungen ...... 107 Die Definition der vertikalen Integration zwischen den Unternehmen ...... 107 Die doppelte Stellung eines Unternehmens und die Verstärkung der Abhängigkeit.............................................................................................. 109 c) Die vertikale Integration und die unternehmerische Selbstständigkeit....... 111 2 Die »präsumtiven« Bildungsmethoden vertikaler Integration .......................... 112 3 Der Anlass zur vertikalen Integration und die vorhersehbaren Effekte ............ 114 a) Die Leitmotive der vertikalen Integration aus unternehmerischer Sicht .... 114 b) Die ökonomischen Vor- und Nachteile ...................................................... 116 a) b)
II Stellungnahme: zu den aufgrund der vertikalen Integration entstehenden Problemen aus wettbewerbsrechtlicher Sicht .................................................... 118 1
Die vertikale Integration als eine mögliche Innovation aus wettbewerbsrechtlicher Sicht ........................................................................... 119 a) Die wettbewerbsrechtlichen Implikationen von Innovation ....................... 119 b) Das Verhältnis zwischen Wettbewerb und Innovation: ein sog. InvertedU Relationship ........................................................................................... 120 2 Der Eingriff in das Selbständigkeitspostulat, insb. Preissetzung und Markteintritt ..................................................................................................... 121
Inhaltsverzeichnis
3
XIII
Die Ausdehnung der Marktmacht und die marktstrukturelle Verschlechterung: Die Entstehung eines neuen Quasi-Monopols (sog. Risk of Leveraging) .................................................................................................. 121 Die Möglichkeit des Eingriffs in die Verbraucherwohlfahrt auf kurz- und langfristige Sicht .............................................................................. 122
4
§ 4 Die Kosten-Preis-Schere als eine Form des Behinderungsmissbrauchs im vertikal integrierten Markt ................................................................................. 125 I
Der Begriff und die Voraussetzungen der Kosten-Preis-Schere ....................... 125 1
Der kartellrechtliche Begriff der Kosten-Preis-Schere ..................................... 126 EU .............................................................................................................. 126 USA ........................................................................................................... 128 Korea und Stellungnahme .......................................................................... 129 2 Das strukturelle Schema und die Voraussetzungen der KPS............................ 130 a) Die wesentlichen Bedingungen der Entstehung einer KPS ........................ 130 b) Die fehlende Substituierbarkeit bei der KPS .............................................. 131 a) b) c)
II Die Beziehung zwischen der Kosten-Preis-Schere und anderen Missbrauchsformen .............................................................................................. 131 1
Die KPS als Unterfall der Lieferverweigerung ................................................ 132 Der Begriff und die Merkmale der Lieferverweigerung............................. 132 Die »Essential Facility« als Doktrin und die entgegengesetzten Standpunkte ............................................................................................... 133 c) Das Verhältnis zwischen der Lieferverweigerung und der KPS ................ 136 2 Der Kosten-Preis-Test bezüglich der Kampfpreisstrategie und seine Grenze .. 138 a) Die Definition der Kampfpreisunterbietung und ihre strategischen Merkmale ................................................................................................... 138 b) Die kosten- und preisbezogenen Tests bei der Beurteilung der Kampfpreisstrategie ................................................................................... 140 c) Das Verhältnis zwischen der Kampfpreisunterbietung und KPS ............... 146 a) b)
III Die sich widersprechenden Bewertungen der ökonomischen Effekte der KPS ........................................................................................................................ 148 1 2
Das strukturelle Fundament der effizienzbezogenen Behauptung .................... 149 Die positiven und negativen Effekte bezüglich der Regulierung bei der KPS . 150 a) Die positiven Aspekte und deren Kritik ..................................................... 151 b) Die negativen Aspekte und deren Kritik .................................................... 151 c) Stellungnahme ........................................................................................... 152 3 Die Anerkennung positiver Effekte unter der strukturellen Restriktion ........... 153
XIV
Inhaltsverzeichnis
§ 5 Regulierungsgrundlagen der KPS und wichtige Fälle aus der Rechtsprechung in der EU, den USA und in Korea .......................................... 155 I
Der Überblick über die bisherigen Regulierungen der KPS ............................. 155
II Die Regulierung der KPS in der EU ................................................................... 156 1 2
Art. 102 AEUV als Regulierungsgrundlage ..................................................... 156 Relevante Urteile.............................................................................................. 157 a) Der Fall Napier Brown und Industrie des Poudres Sphériques .................. 158 b) Der Fall Deutsche Telekom AG .................................................................. 160 c) Der Fall TeliaSonera Sverige AB ............................................................... 163 d) Der Fall Telefónica .................................................................................... 164
III Die Regulierung der KPS in den USA ................................................................ 166 1 2
Sec. 2 Sherman Act als Regulierungsgrundlage ............................................... 166 Relevante Urteile.............................................................................................. 166 a) Der Fall Alcoa und Boston Edison ............................................................. 166 b) Der Fall Trinko........................................................................................... 167 c) Der Fall linkLine ........................................................................................ 170
IV Die Regulierung der KPS in Korea ..................................................................... 172 1 2
Art. 3 - 2 Abs. 1 Nr. 3 und 5 MRFTA als Regulierungsgrundlage ................... 173 Relevante Fallgestaltungen: Enterprisemessagingservice als erster Fall.......... 175 a) Der Rechtsgrund des Enterprisemessagingservices ................................... 175 b) Die Situation des koreanischen Messagingservice-Marktes und seine Merkmale ................................................................................................... 176 a) Der Sachverhalt und die wesentlichen Streitpunkte ................................... 179 3 Die Entscheidung von KFTC und die Einspruchsgründe der regulierten Unternehmen .................................................................................................... 181 a) Die Abgrenzung des relevanten Marktes ................................................... 181 b) Die Ermittlung der marktbeherrschenden Stellung .................................... 182 c) Ermittlung der relativ niedrigeren Preise ................................................... 182 d) Die Beurteilung der Wettbewerbsbeschränkungen .................................... 186 e) Die Abhilfemaßnahmen der KFTC ............................................................ 188 4 Die von den regulierten Unternehmen geltend gemachten Rechtfertigungsgründe ..................................................................................... 188 5 Der gegenwärtige Prozessverlauf ..................................................................... 189
Inhaltsverzeichnis
XV
§ 6 Zusammenfassung und Schluss ........................................................................... 191 I
Zusammenfassung: Analyse und Vergleich der vorgestellten Urteile .............. 191 1
Die Hauptursachen für die unterschiedlichen Urteile in der EU und in den USA ................................................................................................................. 192 a) Der ideologische Gegensatz als ein Fundament der Gesetzesbildung ........ 192 b) Die unterschiedlichen Standpunkte zur marktbeherrschenden Stellung ..... 195 a) Die Auffassung von der KPS als eine Behinderungsmissbrauchsform ...... 197 b) Der Berücksichtigung von marktstrukturellen und ökonomischen Faktoren bei der Missbrauchsaufsicht ........................................................ 198 2 Der Vergleich mit der koreanischen Regulierung der KPS und der normative Einfluss ........................................................................................... 199 a) Die Entstehung der marktbeherrschenden Stellung und die spezielle Marktstruktur ............................................................................................. 199 b) Die KPS als eine eigenständige Form des Missbrauchs und der besondere Regulierungsbedarf in der koreanischen Marktsituation ........... 200 c) Die normzweckbezogene Streitfrage bei der Beurteilung der KPS ............ 201 d) Die künftige Regulierung der KPS im koreanischen Wettbewerbsrecht .... 201 II Schluss ................................................................................................................... 202 Literatur ...................................................................................................................... 209
Abkürzungsverzeichnis
a. A. a. a. O. abgedr. abl. ABl. EG ABl. EU Abs. Abschn. abw. AEUV allg. Alt. Amtl. Begr. Anm. Anh. Anl. Art. Artt. Aufl.
andere Ansicht am angegebenen Ort abgedruckt ablehnend Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Amtsblatt der Europäischen Union Absatz Abschnitt abweichend Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union allgemein Alternative Amtliche Begründung Anmerkung Anhang Anlage Artikel (Singular) Artikel (Plural) Auflage
Bd. begr. Begr. Bek. Bekl. bes. Beschl. betr. Bez. BGBl. BGH BGHZ BKartA Bl. BMWi BR BR-Drucks. BT-Drucks.
Band begründet Begründung Bekanntmachung Beklagter besonders Beschluss betreffend Bezeichung Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Bundeskartellamt Blatt Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit Bundesrat Bundesrats-Drucksache Bundestags-Drucksache
XVIII Bull. EU, EG
Abkürzungsverzeichnis
bzgl.
Bulletin der Europäischen Union, Europäischen Gemeinschaften bezüglich
C. A. Chap.
Court of Appeals (USA) Chapter
ders. dies. d.h. Diss. Doc. DOJ Dok.
derselbe(n) dieselbe(n) das heißt. Dissertation Document (Dokument der Europäischen Kommission) U.S. Department of Justice Dokument
ed. eds. EG
EuR e.V.
edited; edition; editor editors Europäische Gemeinschaft(en); Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in der Fassung des Vertrags von Amsterdam. Einführung Einleitung einstweilig endgültig Entscheidung entsprechend Entwurf Europäisches Palament Erläuterung Gericht der Europäischen Union Gerichtshof der Europäischen Union Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes (I) bzw. Gerichtes (II) der Europäischen Union Europarecht eingetragener Verein
f., ff. F. F. 2d F. 3d F. Supp. FG FKVO Fußn., Fn. FS
folgende Federal Reporter Federal Reporter, Second Series Federal Reporter, Third Series Federal Supplement Festgabe Fusionskontrollverordnung Fußnote Festschrift (FG: Festgabe)
Einf. Einl. einstw. endg. Entsch. entspr. Entw. EP Erl. EuG EuGH EuGH Slg.
XIX
Abkürzungsverzeichnis
FTC
Federal Trade Commission (USA)
GA GBl. gem. ggf. ggü. grds. GS GVO GWB
Generalanwalt beim EuGH Gesetzblatt gemäß gegebenenfalls gegenüber grundsätzlich Gedächtnisschrift Gruppenfristellungsverordnung Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen
Hdb. HG h. L. h. M. Hrsg. hrsg.
Handbuch Hauptgutachten herrschende Lehre herrschende Meinung Herausgeber herausgegeben
i. d. Bek. i. d. F. i. d. R. i. E. insb. Int. i. R. d. i. S. i. S. d. i. S. v. i. V. m.
in der Bekanntmachung in der Fassung in der Regel im Ergebnis insbesondere International im Rahmen der/des in Sachen im sinne der/des im Sinne von in Verbindung mit
Kap. KartB KartR KFTC KG KMU KOM krit. KSCourt
Kapital Kartellbehörde Kartellrecht Korea Fair Trade Commission Kommanditgesellschaft; Kammergericht Berlin kleine und mittlere Unternehmen EU-Kommission kritisch Supreme Court of Korea
LG Lit. lit., litt. LS
Landgericht Literatur litera, literae (lat. Buchstabe) Leitsatz
XX
Abkürzungsverzeichnis
lt. Ltd.
laut Limited
m. a. W. MRFTA m. w. N. m. sp. Änd.
mit anderen Worten Monopoly Regulation and Fair Trade Act of Korea mit weiteren Nachweisen mit späteren Änderungen
No. Nr., Nrn.
Number Nummer(n)
o.g. OJ OLG ORDO
oben genannte(r) Official Journal (of the European Communities) Oberlandegericht Jahrbuch für die Ordnung der Wirtschaft und Gesellschaft
PostG
Postgesetz
RabattG RefE RegE Rn. Rs. Rss. Rspr.
Rabattgesetz Referentenentwurf Regierungsentwurf Randnummer Rechtssache Rechtssachen Rechtsprechung
S. s. s. a. scil. S. Ct. Sec. SG SHCourt s. o. sog. st. Rspr. std. str. s. u.
Seite(n), Satz siehe siehe auch scilicet U.S. Supreme Court Section Sondergutachten Seoul High Court siehe oben sogenannt ständige Rechtsprechung ständig strittig siehe unten
TB
Berichte des Bundeskartellamts über seine Tätigkeit sowie die Lage und Entwicklung auf seinem Aufgabegebiet nach §53 GWB, Tätigkeitsbericht
XXI
Abkürzungsverzeichnis
Teils. TKG Tz.
Teilsatz Telekommunikationsgesetz Textziffer
u. a. UAbs. u. E. unstr. unveröff. Urt. U.S. U. S. C. usw. u. U. UWG
unter anderem; und andere Unterabsatz unseres Erachtens unstreitig unveröffentlicht Urteil United States Supreme Court Reports United States Code und so weiter unter Umständen Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb
v. verb. Verfg. vgl. VO Vol.
von, versus verbundene Verfügung vergleich Verordnung Volume
Ziff. z. T. zw.
Ziffer zum Teil zwischen
Am. J. Comp. L. Am. J. Int. L. Am. Econ. Rev. Antitrust Bull. Antitrust L. Econ. Antitrust L. J.
The American Journal of Comparative Law American Journal of International Law The American Economic Review The Antitrust Bulletin Antitrust Law and Economic Antitrust Law Journal
Boston Coll. Int. Compar. L. Rev. Boston Coll. Indu. Comm. L. Rev. Boston Univ. L. Rev. BPEA
Boston College International and Comparative Law Review Boston College Industrial and Commercial Law Review Boston University Law Review The Brookings Papers on Economic Activity
XXII Comm. L. Rev. Cor. L. Rev. C.M.L.R. Colum. J. Int. L. Colum. Univ. Depart. Econ. Comp. L. Rev. CRMA
Abkürzungsverzeichnis
Commercial Law Review Cornell Law Review Common Market Law Reports, Common Market Law Review Columbia Journal of International Law Columbia University Department of Economics Competition Law Review Centre for Regulation and Market Analysis
DJZ DWiR DZWir DICE
Deutsche Juristenzeitung Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Düsseldorf Institute for Competition Economics
Econ. Soci. Rev. Eur. Bus. L. Rev. Eur. Comp. J. Eur. Econ. Rev. Eur. L. J. Eur. L. Rev. EuZW
The Economic and Social Review European Business Law Review European Competition Journal European Economic Review European Law Journal European Law Review Zeitschrift für europäisches Wirtschaftsrecht
Fed. Communic. L. J. FIW Fordharm Int. L. J. Fordharm L. Rev.
Federal Communications Law Journal Forschungsinstitut für Wirtschaftsverfassung und Wettbewerb Fordham International Law Journal Fordham Law Review
Geo. Mason L. Rev. Geo. Wash. L. Rev.
George Mason Law Review George Washington Law Review
Harv. Int. L. J. Harv. L. Rev.
Harvard International Law Journal Harvard Law Review
Int. J. Econ. Bus.
International Journal of the Economics of Business
J. Anti. Enfor. J. C. M. Stud. J. Comp. L. Econ. J. Corp. L. J. Bus. L. J. Econ. Lit. J. Econ. Persp. J. Int. L. Com.
Journal of Antitrust Enforcement Journal of Common Market Studies Journal of Competition Law & Economic The Journal of Corporation Law Journal of Business Law Journal of Economic Literature Journal of Economic Perspective Journal of International Law and Commerce
XXIII
Abkürzungsverzeichnis
JITE J. Kor. Com. L. J. KFCF J. KNU. L. J. L. Econ. JMMR J. M. Stud. JW JZ
Journal of International and Theoretical Economics Journal of Korean Competition Law Journal of Korea Fair Competition Federation Journal of Kyungpook National University Law Journal of Law and Economics Journal of Management and Marketing Research Journal of Management Studies Juristische Wochenschrift Juristenzeitung
Kor. Econ. J. Kor. Tele. P. Rev.
Korean Economic Journal Korean Telecommunications Policy Review
Louis U. L. J.
Sant Louis University Law Journal
M. L. Rev.
Michigan Law Review
N. C. L. Rev. Notre Dame L. Rev.
North Carolina Law Review Notre Dame Law Review
Quart. J. Econ.
The Quarterly Journal of Economics
RAND J. Econ. Res. L. Econ. Rev. Econ. Stat. Rev. Econ. Stud. Rev. Ind. Organ.
RAND Journal of Economics Research in Law and Economics The Review of Economics and Statistics Review of Economic Studies Review of Industrial Organization
Seoul L. J. Stanford L. Rev.
Seoul Law Journal Stanford Law Review
TRACE
Tennessee Research and Creative Exchange
Chic. L. Rev. Penn. L. Rev. Queens. L. J.
The University of Chicago Law Review University of Pennsylvania Law Review The University of Queensland Law Journal
Vand. L. Rev.
Vanderbilt Law Review
Yale L. J.
The Yale Law Journal
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abbildung 1: Abbildung 2: Abbildung 3: Abbildung 4: Abbildung 5:
Tabelle 1:
Kommission, Leitlinien Bewertung nichthorizontale Zusammenschlüsse, Tz. 31 .................................................................. 116 Der Prozess des Enterprisemessagingservices ..................................... 176 Die Betriebsstruktur der Enterprisemessagingservice .......................... 177 Die Betriebsstruktur der Enterprisemessagingservice inkl. Wiederverkäufer .................................................................................. 178 Die Handlungs- und Kostenstruktur des relevanten Marktes ............... 184
Der Wandel des Marktanteiles der Enterprisemessagingserviceunternehmen ........................................................................................ 186
Einleitung
“With great power comes great responsibility.”1
I
Der unmittelbare und mittelbare Anlass der Arbeit
Der unmittelbare Anlass dieser Arbeit sind die unterschiedlichen Urteile von U.S. Supreme Court2 und Europäischem Gerichtshof (EuGH)3 zur KostenPreis-Schere (KPS),4 die eine Preisstrategie von vertikal integrierten Unternehmen ist. Nach der ersten Entscheidung (2015)5 der Korea Fair Trade Commission (KFTC) über das sog. Enterprise Messaging Service ist das Augenmerk ebenfalls auf die KPS in Korea gerichtet,6 da dies eine Subsumtion einer neuen Missbrauchsform einer marktbeherrschenden Stellung bedeutet.7 Ein weiteres Ziel besteht darin, ein konkretes Problembewusstsein zu schaffen, das im Zu-
1
2 3 4
5 6 7
S. dazu Collection Générale des Décrets Rendus par la Convention Nationale, Vol. 7, 1793, S. 72: “Ils doivent envisager qu’une grande responsabilité est la suite inséparable d’un grand pouvoir (They must consider that great responsibility follows inseparably from great power).”; aus dem Film Spider-Man. S. Kapitel 5. III. in dieser Arbeit (Die Fälle Trinko, linkLine usw.). S. Kapitel 5. II. in dieser Arbeit (Die Fälle Deutsche Telekom, TeliaSonera Sverige AB, Telefónica usw.). Die KPS ist nicht das einzige Beispiel für ein unterschiedliches Urteil in der gleichen Sache. Über sog. Loyalty Rebates, Predatory Pricing, Monopoly Leveraging und Essential Facilities erhalten sie einen anderen Blickwinkel. Beispielshalber im Fall des Treuerabatts (Loyalty oder Fidelity Rabattes) Virgin Atlantik v. British Airway stimmten die wettbewerbsrechtlichen Beurteilungen zwischen der EU und den USA auch nicht überein. Im USamerikanischen Fall hat sich der Supreme Court bei der Regulierung gegen den Rabatt zurückgehalten, indem er sich sowohl auf den aus dem Kosten-Preis-Test gezogenen PredatoryMaßstab als auch auf die Effekte des Preiswettbewerbs konzentrierte. Zum Begriff der KPS Kapitel 4. I. in dieser Arbeit. KFTC, Entsch. v. 23.2.2015 - Rs. 2013SeoKeung3440, 3441 - LG U+ und KT. S. Kapitel 5. IV. in dieser Arbeit. Krit. Ju, Jinyul, A Critical Review on Regulation of Below-Normal Transaction Pricing Practice under Korean Competition Law - Abuse of Market Dominant Position Cases Regarding Telecommunication Undertakings (LG U+ and KT) Business Messaging Services -, Ajou L. Rev. Vol. 9 No. 2, 2015, S. 257 ff.
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 Y. G. You, Behinderungsmissbrauch durch marktbeherrschende Unternehmen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-24781-2_1
2
Einleitung
sammenhang mit den auf einem vertikal integrierten Markt hervorgerufenen Ausnutzungen der Marktmacht steht. Obwohl in Korea die inhaltliche Auseinandersetzung mit der KPS mit dem oben genannten Fall erst begonnen hat, kann man einen groben bzw. ungefähren Begriff der KPS daraus ableiten. Denn bereits vorher wurden verschiedene Versuche gemacht, mithilfe der unternehmerischen Struktur verschiedene Wettbewerber zu benachteiligen. Anders als in den USA oder in Deutschland wird der Großteil des Marktgeschehens in Korea lediglich von wenigen Unternehmen (sog. Chaebol) beherrscht,8 die durch zahlreiche vertikal verbundene Unternehmen (engl. Affiliated Companies) auf den jeweiligen Märkten tätig sind. Daher sind diese Unternehmen für neue Wettbewerber de facto als eine unüberwindbare Marktzutrittsbarriere anzusehen.9 Das Entstehen oder Verschwinden eines Marktes in Korea kommt hinzu und ist abhängig von den marktbeherrschenden Unternehmen. Hierbei sind die Hauptanlässe der Marktverhaltensweisen vor allem die Festigung oder die Vergrößerung von Gewinn und Marktbeherrschung. Anders als in der Vergangenheit wird es allerdings immer schwieriger, eine Gewinnvergrößerung (sog. innere Wachstumsimpulse) zu erzielen. In der Folge wird sich das Verhalten der marktbeherrschenden Unternehmen somit gegen ihre Handelspartner richten. Bei einem solchen Vorgehen kann die KPS für diese Unternehmen idealerweise eine Strategie zur Verdrängung von Wettbewerbern sein, da die KPS im Vergleich zu anderen Missbrauchsformen keinen kurzfristigen Nachteil für den Umsatz hat und das marktbeherrschende Unternehmen als Anwender der KPS schon durch den bestehenden Geschäftsverkehr die wesentlichen Informationen des nachgelagerten Marktes akkumuliert. Überdies geht die koreanische Wettbewerbsbehörde bei der Regulierung vertikaler Geschäftserweiterungen (sog. diversify business recklessly as an
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Nach dem jüngsten Stand (April 2016) weisen als »Conglomerates« festgesetzten Unternehmensgruppen folgende Zahlen auf (der Name der betreffenden Gruppe/die Zahl der verbundenen Unternehmen): z.B. Samsung/59, Hyundai-Auto/51, SK/86, LG/67, Posco/45, Lotte/93, Hanhwa/57, NH/45, GS/69: erhältlich über http://groupopni.ftc.go.kr/report/ogroup_view_xml. jsp. Bain zufolge, der der Harvard School angehört, trägt die Marktkonzentration in Verbindung mit einer hohen Markteintrittsbarriere zu einem höheren Profit bei. S. Joe S. Bain, Barriers to New Competition: Their Character and Consequence in Manufacturing Industries, 1967, S. 53 ff.; Almarin Phillips, Market Concentration and Performance: A Survey of the Evidence, Notre Dame L. Rev. Vol. 61-5, 1986, S. 1102; s. auch Leonard W. Weiss, The Structure-Conduct-Performance Paradigm and Antitrust, Penn. L. Rev. Vol. 127, 1979, S. 1106 ff. (sog. The Effect of Concentration on Price).
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octopus) restriktiv vor.10 Diese spezifische Wettbewerbssituation in Korea als ein vertikal integriertes (Quasi-) Monopol ist ein mittelbarer bzw. aktueller Anlass für diese Arbeit.
II Das Forschungsziel Die marktmächtigen Unternehmen können im Verhältnis zu ihrer Marktmacht nicht frei von gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Verantwortung sein. Nach wettbewerbsrechtlicher Ansicht bedeutet dies vor allem die Verantwortung der marktbeherrschenden Unternehmen für das strukturelle Marktrisiko, den normalen bzw. effektiven Wettbewerb allein durch ihre Existenz beeinträchtigen zu können.11 Eine solche Sichtweise kann allerdings Anlass für Missverständnisse sein, da diese allein die intensivere Kontrolle über die Marktmacht als optimales Ziel anstrebt. Weiter können derartige Verpflichtungen nicht nur durch eine Kontrolle bzw. Sanktionen erzwungen werden, sondern müssen auf das Vertrauen aller Marktteilnehmer in den Markt und den Wettbewerbsprozess gegründet sein. Diese Arbeit behandelt besonders die wettbewerbsrechtlichen Streitpunkte auf einem vertikal integrierten Markt, in welchem sich die normative Regulierung und das oben erwähnte Vertrauen in den Markt erheblich beschränken lassen. Daher ist das grundlegende Verständnis für die missbrauchsaufsichtsbezogenen Begriffe und die fortlaufenden Bewertungsmethoden zur marktbeherrschenden Stellung und ihren Missbräuchen eine wesentliche Voraussetzung dieser Ausarbeitung. In der aktuellen Situation »Neuer Wettbewerb auf den liberalisierten Monopolmärkten«,12 in welcher öffentliche Monopole (sog. Staatsmonopole) durch die Liberalisierung der Grundstoff- oder Netzindustrie lediglich in private Monopole mit starker Finanzkraft umgeformt werden, wird die vertikale Markt- oder Unternehmensstruktur zur Gewinnmaximierung als primäres Ziel des privaten Marktteilnehmers vorangetrieben. Im weiteren Verlauf hat sich die betreffende Marktstruktur durch die mit Marktmacht einhergehenden werbsbe10 11
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S. dazu Jwa, Sung-Hee/Lee, In Kwon (ed.), Competition and Corporate Governance in Korea - Reforming and Restructuring the Chaebol, 2004, S. 123 ff. S. dazu Rainer Bechtold/Wolfgang Bosch/Ingo Brinker, EU-Kartellrecht Kommentar, 3. Aufl. 2014, Art. 102 AEUV Rn. 27; vgl. zum normalen Wettbewerb Friedrich Wenzel Bulst, in: Langen/Bunte, Kartellrecht Band 2: Europäisches Kartellrecht, 12. Aufl., 2014, Art. 102 AEUV Rn. 86. Ernst-Joachim Mestmäcker/Heike Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, 3. Aufl., 2014, § 19 Rn. 17 ff.
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schränkenden Verhaltensweisen verschlechtert und die angestrebte Verbraucherwohlfahrt war hierauf wider Erwarten rückläufig. Die Behauptung, dass es zu einer Verbesserung der ökonomischen Effizienz oder der Verbraucherwohlfahrt auch bei Missbrauchsfällen von marktbeherrschenden Unternehmen kommt, muss daher mit Skepsis betrachtet werden. An dieser Stelle ist es essentiell zu hinterfragen, ob die durch das strukturelle Paradox des Marktes verursachte Verletzung des Wettbewerbs ‒ der ein Grundprinzip des Marktes ist ‒ durch die ökonomische Effizienz als zu erwartender Effekt gerechtfertigt werden könnte.13 Weiterhin ist die Frage zu stellen, ob sich die Behinderungsmissbrauchsaufsicht den Erhalt des wirksamen Wettbewerbs, die Effizienzverbesserung oder die Verbraucherwohlfahrt zum Hauptziel zu setzen hat oder nicht. Eine Aufklärung über die Regulierungszwecke und ein Vergleich dieser miteinander ist dabei ein zweites Ziel und gleichsam der Anknüpfungspunkt zur logischen Darlegung der KPS. Gleichermaßen werden zweckmäßige Rechtswidrigkeitmaßstäbe für den Behinderungsmissbrauch abgeleitet. Nach der Liberalisierung der typischen Schlüsselindustrien wie den Telekommunikations-, Strom-, Gas-, Wasser-, Verkehrsnetzen und den sonstigen Verarbeitungsindustrien,14 können die wenigsten Unternehmen, wie oben kurz dargestellt, ihre Monopolstellung auf den entstaatlichten Märkten weiterhin aufrechterhalten (sog. natürliches Monopol).15 Daher funktioniert der, durch diese Liberalisierung ‒ Deregulierung und Privatisierung ‒ geschaffene Wett13
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Vgl. Wernhard Möschel, Schutzziele eines Wettbewerbsrechts, in: Wirtschaftsrecht im Wandel, 2011, S. 77: „Unter ökonomischer Effizienz versteht man vielfach jene Wirkungen, die aus Wettbewerbsprozessen erwachsen.“; s. auch Laura Parret, The multiple personalities of EU competiton law: time for a comprehensive debate on ist objectives, in: Daniel Zimmer (Ed.), The Goals of Competition Law, 2012, S. 68-69. Nach Chicago School hat die ökonomische Effizienz einige Implikationen ‒ output-increase, cost saving, innovation und diversification of production. Ekaterina Rousseva, Rethinking Exclusionary Abuse in EU Competition Law, 2010, S. 39. Vgl. Harald Großman, Integration der Märkte und wettbewerbspolitischer Handlungsbedarf, HWWA-Diskussionspaper Nr. 65, 1998, S. 7 (Fußn. 6: „Die wettbewerbliche Sonderbehandlung natürlicher Monopole aufgrund fehlender technischer Alternativen schließt Wettbewerb in bestimmten Teilbereichen allerdings keineswegs aus.“). Damian Geradin, The Opening of State Monopolies to Competition: Main Issues of the Liberalization Process, in: Damien Geradin, The Liberalization of State Monopolies in the European Union and Beyond, 2000, S. 181 ff.; Damien Geradin/Robert O'Donoghue, The Concurrent Application of Competition Law and Regulation: the Case of Margin Squeeze Abuses in the Telecommunications Sector, The Global Competition Law Centre Working Papers (GCLC Working Paper 04/05), 2005, S. 8; s. auch Rousseva (Fußn. 13), S. 11 (Fußn. 3 u. 7. von Edwards) u. 29: “However, ordoliberals admit that even in the desirable competitive order there will be monopolies which do not serve the maintenance of the order but nevertheless cannot be avoild. These involve situations of natural monopoly, […].”
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bewerb,16 nämlich der wirksame Wettbewerb, de facto auf derartigen Märkten nicht in vollem Umfang.17 Der Markt ist daher für mögliche neue Unternehmen, die als Wettbewerber auf dem betreffenden Markt auftreten könnten, abgeschottet. Das heißt insbesondere, dass ebenso effiziente Wettbewerber von diesem Markt ausgeschlossen werden.18 Deshalb regulieren viele Staaten Behinderungsmissbräuche aufgrund einer marktbeherrschenden Stellung einzelner Unternehmen durch allgemeine Wettbewerbsnormen und durch sektorspezifische Normen. Ein Missbrauch kann vor allem in Bezug auf die Zugangsvereinbarung zu wesentlichen Einrichtungen, besonders zur Infrastruktur oder den Netzen, die ausschließlich im Besitz eines vertikal integrierten Unternehmens sind, vorkommen.19 Wenngleich die verschiedenen Missbrauchsformen wie Lieferverweigerung, Kampfpreisunterbietung und Kosten-Preis-Schere (Margin Squeeze, Price Squeeze, Margenbeschneidung oder zweifacher Preisdruck20) sowohl in der EU als auch in den USA vorkommen,21 entscheiden der U.S. Supreme Court und der EuGH (beziehungsweise vorher die EU-Kommission) in vergleichbaren Fällen der KPS unterschiedlich. Deshalb besteht auch ein wesentliches Forschungsziel dieser Arbeit in der Beantwortung der Frage, warum trotz vergleichbarer Rechtslage verschiedene Beurteilungen abgeleitet werden können. Dies geht über den schlichten Gegensatz der verschiedenen Ansichten zu den Voraussetzungen für die Beurteilung der Wettbewerbsbeschränkungen 16 17
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S. über das Ziel der Deregulierungspolitiken Mestmäcker/Schweitzer (Fußn. 12), § 19 Rn. 52. EuGH v. 21.2.1973, Rs. 6/72, Slg. 1973, 215, 244, Tz. 22, 26 - Continental Can/Kommission; s. auch dazu Kommission, Entsch. v. 21.5.2003 - COMP/C-1/37.451,37.578, 37.579 - DT, ABl. 14.10.2003. Nr. L 263/9, Tz. 6-7; EuG v. 10.4.2008 - Rs. T-271/03, Slg. 2008, II-477 Tz. 2 - DT/Kommission; Wolfgang Wurmnest, Marktmacht und Verdrängungsmissbrauch, 2010, S. 93-97; Geradin (Fußn. 15), S. 181-182. Günter Knieps, Netzsektoren zwischen Regulierung und Wettbewerb, in: H. Berg, Deregulierung und Privatisierung: Gewolltes - Erreichtes - Versäumtes, Schriften des Vereins für Sozialpolitik, Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Neue Folge, Band 287, Duncker und Humbolt, 2002, S. 59-64; Wurmnest (Fußn. 17), S. 372-374. Katrin Henk-Merten, Die Kosten-Preis-Schere im Kartellrecht, 2004, S. 5-6; s. auch Herbert Hovenkamp, Federal Antitrust Policy: The Law of Competition and Its Practice, 3. ed., 2005, S. 310-311. Ein Unternehmen kann wahrscheinlich den Vorrang über die Kosten nur infolge des Besitzes der unabdingbaren Einrichtungen (Essential Facilities) behalten, deshalb kann es leicht seine Stellung auf dem betreffenden Markt missbrauchen; s. dazu auch Knieps (Fußn. 18), S. 64-66. S. dazu Kommission, Mitteilung über die Anwendung der Wettbewerbsregeln auf Zugangsvereinbarungen im Telekommunikationsbereich (zitiert als: Zugangsmitteilung), ABl. EG Nr. C 265/02 v. 20.8.1998, Tz. 117-119. Robert O'Donghue/Jorge Padilla, The Law and Economics of Article 102 TFEU, 2. ed., 2013, S. 364.
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hinaus. Zu Beginn der Debatte muss somit die grundlegende Frage nach dem Zweck des Wettbewerbsrechts als auch nach der aktiven Anwendung der ökonomischen Theorie und Analyse auf den sog. strukturellen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung formuliert werden. Innerhalb dieser theoretischen Grundlage sind die Hauptursachen der unterschiedlichen Urteile durch eine Vergleichsanalyse der exemplarischen Fälle ableitbar. Zugleich wird die tatsächliche Grenze der einfachen Abstellungsverfügung in bestimmten Fällen dargestellt, denen ein hauptsächlich durch eine spezielle Marktstruktur verursachter Missbrauch zugrundliegt. Hinsichtlich der obigen Erläuterungen baut sich diese Arbeit zuletzt auf die theoretische Feststellung und die Systematisierung der Regulierungen des Behinderungsmissbrauchs durch marktbeherrschende Unternehmen in Fällen vertikaler Integration auf. Diese Arbeit mag eine Herausforderung sein, da sie auf der Kritik an einer zu weitreichenden bzw. extensiven Anwendung der ökonomischen Theorie und Analyse basiert, welche sich vornehmlich auf die jeweiligen Effekte als Verhaltensergebnis gründet (die sog. Modernisierung von Art. 102 AEUV, d.h. eine stärkere Anwendung ökonomischer Kriterien).22 Diese kritische Stellungnahme ist mit der Einsicht verbunden, dass der wettbewerbsrechtliche Trend zur Effizienzverbesserung, auf Kosten des Wettbewerbs stattfindet und diesen als Zweck des Wettbewerbsrechts aufgegeben hat. Mit Bedauern ist eine Verschlechterung der Wettbewerbssituation festzustellen, welche zumindest in den Behinderungsmissbrauchsfällen weitaus schlimmer ausfällt als die Erwartung von Effizienzvorteilen oder -gewinnen.
III Die angewandten Forschungsmethoden Diese Arbeit behandelt den von den marktbeherrschenden Unternehmen bei einer vertikalen Marktstruktur ausgeübten Behinderungsmissbrauch. Hierfür werden zunächst die grundlegenden Fragen ‒ die Marktabgrenzung und der laufende Bewertungsprozess einer marktbeherrschenden Stellung ‒ im Anschluss die damit zusammenhängenden Begriffe sowie die kollidierenden Ziele der Behinderungsmissbrauchsaufsicht geklärt. Gleichzeitig sollen die besonde22 Vgl. Doris Hildebrand, Der „more economic approach“ in der Wettbewerbspolitik, WuW 2005, S. 513: „Als bedeutsame Anwendungsfelder für ökonomische Methoden im Kartellrecht werden die Marktabgrenzung, Merger Simulationsmodelle, Modernisierung des Artikel 82 EG Vertrag und Schadensersatz- bzw. Mehrerlösabschöpfungsberechnungen diskutiert.“; ebenso Doris Hildebrand, The Role of Economic Analysis in the EC Competition Rules, 3 ed., 2009, S. 363 ff.; s. auch Wurmnest (Fußn. 17), S. 224 ff.
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ren Probleme eines vertikal integrierten Marktes abgebildet werden. Sowohl die wettbewerbsrechtlichen und ökonomischen Beurteilungen für den Behinderungsmissbrauch als auch das Verhältnis zwischen dem jeweiligen Missbrauch und der vertikalen Integration sollen ebenfalls dargestellt werden. Vor dem Hintergrund dieser allgemeinen Ausführungen werden sowohl die US-amerikanischen als auch die europäischen und die koreanischen Regulierungsgrundlagen eines bei einer bestimmten Marktstruktur ausgeübten Behinderungsmissbrauchs durch eine Analyse verschiedener Fälle miteinander vergleichen. Dasselbe gilt für die wesentlichen Voraussetzungen der Wettbewerbsbeschränkungen. Die KPS wird durch die theoretische und praktische Betrachtung ausführlich behandelt, da sie als eine der eher neuartigen Missbrauchsformen ein nur auf einem vertikal integrierten Markt entstehendes Problem ist.
§ 1 Einführung in den von marktbeherrschenden Unternehmen ausgeübten Behinderungsmissbrauch
Obwohl die unterschiedlichen Voraussetzungen und die ökonomische Analysemethode für die Beurteilung einer Wettbewerbsbeschränkung nach wie vor in einzelnen Fällen zweifelhaft sind, stimmen zumindest allgemeine Theorien und Praktiken der Marktabgrenzung, die Kriterien bei der Ermittlung der beherrschenden Stellung und die Maßstäbe für die wettbewerbswidrige Marktmacht weltweit überein. Im Folgenden wird der Beurteilungsprozess zur Feststellung eines Normadressanten dargestellt.
I
Die marktbeherrschende Stellung und deren Ausnutzung auf dem relevanten Markt
1
Der relevante Markt
a) Die begriffliche Konkretisierung des Marktes in normativer Hinsicht „Ganz allgemein sind unter Markt die mit dem Leistungsaustausch verbundenen Beziehungen unabhängiger Wirtschaftssubjekte zu verstehen.“23
Der Begriff »Markt« ist ein abstrakter und uneinheitlicher Begriff,24 wie die Aussage »Law does not allow for a universal definition« von Massel zeigt.25 Trotzdem ist der Versuch, solch einen Markt zu definieren, immer noch ein wichtiges Thema im Wettbewerbsrecht und den Wirtschaftswissenschaften.26
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25 26
Peter Beckmann, Die Abgrenzung des relevanten Marktes im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 1968, S. 17. S. Fritz Rittner, Einführung in das Wettbewerbs- und Kartellrecht, 1985, S. 162-163; s. dazu auch Rainer Bechtold, Zur Abgrenzung des relevanten Marktes, in: Willi Erdmann usw. (Hrsg.), FS für Otto-Friedrich Frhr. von Gamm, 1990, S. 537-538 (über den Begriff des Marktes im Gesetz, insb. GWB). Mark. S. Massel, Competition and Monopoly: Legal and Economic Issues, 1962, S. 245-248. David S. Evans, Lightening Up on Market Definition, in: Einer Elhauge (Ed.), Research Handbook on the Economics of Antitrust Law, 2012, S. 53-55; Jonathan B. Baker, Market
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 Y. G. You, Behinderungsmissbrauch durch marktbeherrschende Unternehmen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-24781-2_2
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§ 1 Einführung in den von Marktführern ausgeübten Behinderungsmissbrauch
Der Markt lässt sich je nach verschiedenen und wechselnden Erscheinungen und Gesichtspunkten begreifen,27 so dass die begriffliche Konkretisierung des Marktes umstritten ist.28 Dessen ungeachtet ist die Definition eines fraglichen Marktes notwendig, um eine Grundlage zur Anwendung des Wettbewerbsrechts abzuleiten.29 Als natürliche Folge davon ist die Definition des Marktes sowohl aus rechtlicher als auch aus ökonomischer Sicht umstritten ‒ »Market definition requires a combination of the legal and economic disciplines.«30 Basierend auf dem ökonomischen Schrifttum von Erich Schneider stellt sich ein Markt wie folgt dar: »Die Gesamtheit der ökonomischen Beziehungen (Tauschbeziehungen, Kauf- und Verkaufsrelationen) zwischen einer Gruppe von Anbietern und Nachfragern pflegt man als einen Markt zu bezeichnen«.31 Unlängst hat sich das normative Verständnis des Marktes jedoch umfassend verändert.32 Dies wird bedingt durch den aktuellen Anspruch der Wettbewerbsregeln, auch das digitale Zeitalter zu regeln,33 welches allerdings mit seinen
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30 31 32
33
Definition: An Analytical Overview, Antitrust L. J. Vol. 74 No. 1, 2007, S. 129 (auch Fußn. 3 u. 5). Vgl. Markus Lenßen, Der kartellrechtlich relevante Markt, 2008, S. 48-52 (insb. Fußn. 106: A. A. Cournot, Recherches sur les Principes Mathématiques de la Théorie des Richesse, Ch. IV, 23. M. Fn. 2 - Übersetzung: „Man weiß, dass die Wirtschaftler unter Markt nicht einen bestimmten Ort, an dem sich Käufe und Verkäufe abspielen, verstehen, sondern ein ganzes Gebiet, dessen Teile durch die Nachrichten des freien Handels verbunden sind, dergestalt dass die Preise sich mit Leichtigkeit und Raschheit ausgleichen.“); Phillip E. Areeda/Herbert Hovenkamp, Antitrust Law, 518. 1b, Supp. 1993, S. 534: “Market is the group of sellers or producers who have the actual or potential ability to deprive each other of significantly above the competitive level.” Nach dem technischen Fortschritt und der Innovation steht die traditionelle oder fixe Erkenntnis über einen Markt vor der Herausforderung, die vielfachen Aspekte eines Marktes zu überblicken. Vgl. Kommission, Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft (zitiert als: Bekanntmachung über den relevanten Markt), ABl. 9.12.1997 Nr. C372/5, Tz. 2: „Die Definition des Marktes dient der genauen Abgrenzung des Gebietes, auf dem Unternehmen miteinander in Wettbewerb stehen.“ (sog. Wettbewerbsverhältnisse im Markt). Massel (Fußn. 25), S. 237. Erich Schneider, Einführung in die Wirtschaftstheorie, 2. Teil, 1965, S. 77. S. § 18 Abs. 2a GWB. Der Annahme eines Marktes steht nicht entgegen, dass eine Leistung unentgeltlich erbracht wird; BT-Drucks. 18/10207, S. 47-48; Carsten Grave/Jenny Nyberg, Die Rolle von Big Data bei der Anwendung des Kartellrechts, WuW 2017 (Online exklusiv), S. 2. S. dazu Marius Klotz, Google und Facebook im Kontext von Art. 102 AEUV, WuW 2016, S. 58-59; Torsten Körber, Analoges Kartellrecht für digitale Märkte, WuW 2015, S. 120 f.; s. auch Grün- und Weissbuch (2015-16, BMWi): Digitale Plattformen, Strategie für einen digitalen Binnenmarkt für Europa (2015, Kommission), Hintergrund- und Arbeitspapier (201516, BKartA), usw.
I Die marktbeherrschende Stellung und deren Ausnutzung auf dem relevanten Markt
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rasanten technologischen Entwicklungen neue Herausforderungen auch an die Wettbewerbspolitik stellt34 Auf den sich dynamisch entwickelnden Märkten werden mit der 9. GWBNovelle daher eine Missbrauchsaufsicht und eine wirksame Fusionskontrolle sichergestellt. Vornehmlich werden im GWB auch neue Geschäftsmodelle wie z.B. die Plattformmärkte als zwei- oder mehrseitige Märkte, bei denen Leistungen ohne direkte monetäre Gegenleistung erbracht werden, als ein Markt umfasst.35 Immerhin ist aus wettbewerbsrechtlicher Sicht zumindest die Marktabgrenzung oder die Marktdefinition ein normativer Erkenntnis- oder Neuentdeckungsprozess, wonach der Markt als ein Wettbewerbsplatz aufzufassen ist. Ein tieferes Verständnis für die Haupteigenschaft des betreffenden Marktes, seine beständige Veränderungsmöglichkeit und die wettbewerbspolitische Bedeutung der Marktabgrenzung sind dementsprechend vonnöten. b) Die wettbewerbsrechtliche Auffassung der relevanten Marktabgrenzung “While economic theory defines markets in general terms, the legal concept of the market is specialized, varying with differences in statutory language, with the seriousness of the pertinent violation, and with its consequences.”36
Die Abgrenzung des relevanten ‒ sachlichen,37 örtlichen38 und ggf. zeitlichen39 ‒ Marktes ist eine ständige und technische Aufgabe des Wettbewerbsrechts.40 34 35 36 37 38 39
40
Zur 9. GWB-Novelle und die Strategie der Kommission für einen digitalen Binnenmarkt für Europa usw. s. insb. BT-Drucks. 18/10207, S. 1 u. 38 f. Max Klasse/Lars Wiethaus, Digitalisierungsvorschriften in der 9. GWB-Novelle, WuW 2017 (Online exklusiv), S. 8 ff.; Grave/Nyberg (Fußn. 32), S. 2. Massel (Fußn. 25), S. 237. S. dazu Michael Kling/Stefan Thomas, Kartellrecht, 2016, § 6 Rn. 20-31; Kommission, Bekanntmachung über den relevanten Markt, Tz. 2, 7-9, 25 ff.; Jonathan Faull/Ali Nikpay, The EU Law of Competition, 3. ed., 2014, Ch. 1, Rn. 1.139 f. Kommission, Bekanntmachung über den relevanten Markt, Rn. 2, 7-9, 25 ff.; s. dazu Kling/Thomas (Fußn. 37), § 6 Rn. 32-39 (insb. Fußn. 85: United Brands) u. Rn. 64. Dazu ausführlich Kling/Thomas (Fußn. 37), § 6 Rn. 40-43; Darüber hinaus ist noch umstritten, ob die zeitliche Abgrenzung weiterhin gültig ist; Mestmäcker/Schweitzer (Fußn. 12), § 17 Rn. 17 ff. (Fußn. 31; ein Beispiel für einen zeitlich abgegrenzten relevanten Markt ist die sog. italienische Fußballweltmeisterschaft); Bechtold/Bosch/Brinker (Fußn. 11), Art. 102 AEUV Rn. 5 u. 17. Im koreanischen Fall NongHyup (KSCourt v. 9.7.2009 – Rs. 2007Du22078) wurde der fragliche Markt von den chemischen Düngemitteln für das Getreide als Nahrungsmittel nach einem bestimmten Zeitpunkt ‒ die auf die einschlägige Gesetzesänderung fußende Einführung des Wettbewerbssystems ‒ abgegrenzt. Fritz Rittner/Meinrad Dreher, Europäisches und deutsches Wirtschaftsrecht, 2008, § 19 Rn. 20; Fritz Rittner/Meinrad Dreher/Michael Kulka, Wettbewerbs- und Kartellrecht, 8. Aufl., 2014, § 6 Rn. 728 ff.; Fuchs/Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht EU/Teil
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§ 1 Einführung in den von Marktführern ausgeübten Behinderungsmissbrauch
Dies geschieht im Rahmen der Ermittlung einer marktbeherrschenden Stellung gem. Art. 102 AEUV41 und Art. 18 ff. GWB,42 da die Marktabgrenzung als als ein analytisches Hilfsmittel43 zur Feststellung der auf einem Markt wirksamen Wettbewerbskräfte betrachtet wird.44 Eine entsprechende Auffassung von Emmerich ist in diesem Fall durchaus aussagekräftig: »Marktabgrenzung ist nichts anderes als der Versuch einer möglichst genauen Fixierung der genannten Dimensionen des Marktes im Einzelfall, um die Wettbewerbskräfte zu ermitteln.«45 “Market definition is not an end in itself. Rather, it provides a foundation on which one can evaluate likely competitive effects.”46 „Je enger die Abgrenzung des relevanten Marktes, desto leichter fällt die Feststellung von Marktmacht (und schießlich eines missbräuchlichen Verhaltens) ‒ sog. enge Wechselbeziehung.“47
Da die Marktabgrenzung als Grundlage für die Berechnung des Marktanteils von großer Bedeutung ist,48 ist die Entscheidung über den berechtigten wettbewerbsrechtspolitischen Hintergrund für ein korrektes Urteil entscheidend.49
41 42 43
44 45 46 47
48
49
1, 5. Aufl., 2012, Art. 102 AEUV Rn. 48 ff., 68-70; vgl. Kommission, Bekanntmachung über den relevanten Markt, Tz. 10-12. S. zuvor Mestmäcker/Schweitzer (Fußn. 12), § 17 Rn. 2-6. S. zusätzlich Bulst (Fußn. 11), Art. 102 AEUV Rn. 38. Vgl. Kommission, Bekanntmachung über den relevanten Markt, Tz. 13-14; Lenßen (Fußn. 27), S. 23-25; Fuchs/Möschel (Fußn. 40), Art. 102 AEUV Rn. 44 u. 47: „[…], um die Frage nach der Marktbeherrschung beantworten zu können.“ und „um die Ermittlung der area of effective competition.“ S. zuvor Thomas E. Kauper, The Problem of Market Definition under EC Competition Law, Fordham Int. L. J. Vol. 20-5, 1996, S. 1682 ff.; Mestmäcker/Schweitzer (Fußn. 12), § 17 Rn. 17; Bulst (Fußn. 11), Art. 102 AEUV Rn. 37 ff.; Bechtold (Fußn. 24), S. 537. Volker Emmerich, Kartellrecht, 13. Aufl., 2014, § 27 Rn. 11. Baker (Fußn. 26), S. 129; Bulst (Fußn. 11), Art. 102 AEUV Rn. 37; Robert Pitofsky, New Definitions of Relevant Market and the Assault on Antitrust, 90 Colum. L. Rev. Vol. 90 No. 7, 1990, S. 1807. Fuchs/Möschel (Fußn. 40), Art.102 AEUV Rn. 42 f.; Bulst (Fußn. 11), Art.102 AEUV Rn. 48 ff. u. 74 f.; s. dazu auch Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht EU/Teil 1, 5. Aufl., 2012, Art. 101 Abs. 1 AEUV Rn. 153-155; s. dazu ausgeführlich Lenßen (Fußn. 27), S. 25 ff. Jonathan B. Baker, Contemporary Empirical Merger Analysis, Geo. Mason L. Rev. Vol. 5 1997, S. 350-351; Pitofsky (Fußn. 46), S. 1813; Eastman Kodak Co. v. Image Technical Services., Inc., 504 U.S. 451, 469 (1992): “Because market power is often inferred from market share, market definition generally determines the result of the case.”; vgl. krit. Faull/Nikpay (Fußn. 36), Ch. 4 Rn. 4.151-4. Kommission, Bekanntmachung über den relevanten Markt, Tz. 2, 4, 10-12; Hovenkamp (Fußn. 19), S. 81-82; vgl. zur Konsequenz der falschen Abgrenzung Simon Bishop/Mike Walker, The Economics of EC Competition Law, 2010, Rn. 4.43.
I Die marktbeherrschende Stellung und deren Ausnutzung auf dem relevanten Markt
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Gleichwohl ist die Marktabgrenzung kein Selbstzweck und keine ausschlaggebende Komponente in der Richtung der Wettbewerbsbeschränkungen.50 Dies ist der Grund, warum es bei der Ermittlung einer marktbeherrschenden Stellung auf den sog. Threshold-Test ‒ d.h. auf die Höhe des Marktanteils ‒ ankommt. Sowohl die Kommissionsentscheidungen als auch die Rechtsprechung setzen dabei zur Abgrenzung des gegenständlichen Marktes auf das Kriterium der funktionalen Austauschbarkeit (engl. reasonable interchangeability), d.h. auf das Bedarfsmarktkonzept51 aus der Sicht der Marktgegenseite.52 „Der Begriff des relevanten Marktes setzt nämlich die Möglichkeit eines wirksamen Wettbewerbs zwischen den zu ihm gehörenden Erzeugnissen voraus, so daß ein hinreichender Grad von Austauschbarkeit zwischen allen zum gleichen Markt gehörenden Erzeugnissen im Hinblick auf die gleiche Verwendung erforderlich ist.“ 53
Bei der Beurteilung der Austauschbarkeit werden die verschiedenen Parameter des fraglichen Marktes54 ‒ z.B. Preise, Eigenschaften der Produkte und Dienstleistungen, Verbraucherpräferenzen, Verfügbarkeit am Markt, Bestehen von Eintrittsbeschränkungen für neue Anbieter55 ‒ analysiert.56 Gemäß der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache United Brands57 wird das Kriterium
50 51 52
53
54 55 56 57
Vgl. Kommission, Bekanntmachung über den relevanten Markt, Tz. 2; s. auch zum Zweck der Marktabgrenzung Lenßen (Fußn. 27), S. 24-25 (dazu Fußn. 8 u. 9: BGH, Beschl. v. 16.1.2007, KVR 12/06 - National Geographic II, Rn. 19 m.w.N.). Dazu ausführlich Kling/Thomas (Fußn. 37), § 6 Rn. 21 ff.; Die Kriterien des Bedarfsmarktkonzepts dürfen nicht mechanisch, sondern müssen zweckbezogen angewandt werden, was Differenzierungen erforderlich macht; Lenßen (Fußn. 27), S. 185 ff. Kommission, Bekanntmachung über den relevanten Markt, Tz. 15 ff.; Rittner/Dreher (Fußn. 40), § 19 Rn. 21; Mestmäcker/Schweitzer (Fußn. 12), § 17 Rn. 17 u. 31-32; s. auch die Anwendung in der deutschen Praxis Thilo Klein, SSNIP-Test oder Bedarfsmarktkonzept, WuW 2010, S. 170 ff. EuGH v. 13.2.1979 - Rs. 85/76, Slg. 1979, 461, Tz. 38 - Hoffmann-La Roche/Kommission; s. auch Barry C. Harris/Joseph J. Simons, Focusing Market Definition: How much substitution is necessary? . Res. L. Econ., Vol. 12, 1989, S. 207-226; vgl. U.S. v. Continental Can Co., 378 U.S. 441, 449 (1964); U.S. v. du Pont De Nomours & Co., 351 U.S. 377, 394-5 (1956); E. Thomas Sullivan/Jeffrey L. Harrison, Understanding Antitrust and Its Economic Implication, 4. ed., 2003, S. 29 f. Vgl. Lenßen (Fußn. 27), S. 25. Vgl. gegebenenfalls wird die Markteintrittsschranke als ein Surrogat vom Marktanteil behauptet; Lenßen (Fußn. 27), S. 26 (Fußn. 15: Aufsatz von Stephen G. Corones). Kommission, Bekanntmachung über den relevanten Markt, Tz. 12, 36; s. Hovenkamp (Fußn. 19), S. 83. EuGH v. 14.2.1978 - Rs. 27/76, Slg. 1978, 207 Tz. 27 f. - United Brands/Kommission.
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§ 1 Einführung in den von Marktführern ausgeübten Behinderungsmissbrauch
der Kreuz-Preis-Elastizität (sog. SSNIP-Test) angewendet.58 Die Erläuterung des SSNIP-Test59 ist aus theoretischer Sicht verhältnismäßig einfach.60 Dabei kann man jedoch durchaus auf erhebliche praktische Schwierigkeiten stoßen.61 Um die passende Austauschbarkeit darzustellen, wurden daher verschiedene Methoden wie z.B. die sog. Quantitative Analysis, welche die Critical Loss Analysis62 und die Switching Analysis (Aggregate Diversion Ratio Analysis)63 usw. umfasst, aufgestellt.64 Gleichwohl haben die Gerichte und Behörden wie immer eine kombinatorische Abschätzung der aus dem betreffenden Markt abgeleiteten Situationen, d.h. eine sog. Qualitative Analysis, vorgezogen. Ungeachtet der beträchtlichen ökonomischen Analysemethoden der Marktabgrenzung ist die arithmetische Ableitung einer passenden Austauschbarkeit ‒ insbesondere ihr jeweiliger Grad, um im gleichen Markt eingeordnet werden zu können ‒ faktisch nicht durchführbar. Aus diesem Grund gehen die Wettbewerbsbehörden und Gerichte zur Erfassung der aktuellen und potenziellen Wettbewerbsverhältnisse letzten Endes im Wege einer normativen Bewertung vor.65
58
59 60 61
62 63 64 65
Fuchs/Möschel (Fußn. 40), Rn. 50 ff.; vgl. Bekanntmachung über den relevanten Markt, Tz. 15 ff. (insb. 17-18), 39-40; Einer Elhauge/Damien Geradin, Global Competition Law and Economics, 2007, S. 284; Emanuela Arezzo, Is there a Role for Market Definition and Dominance in an effects-based Approach, in: Mackenrodt etc., Abuse of Dominant Position: New Interpretation, New Enforcement Mechanisms?, 2008, S. 26-27; vgl. als ein anfänglicher Fall U.S. v. du Pont De Nomours & Co. 351 U.S. 377 (1956). S. dazu Harris/Simons (Fußn. 53), S. 155 ff. (insb. die Kritiken von Stigler & Sherwin, Harris & Jorde); eingehend hierzu Lenßen (Fußn. 27), S. 199 ff.; vgl. Bulst (Fußn. 11), Art. 102 AEUV Rn. 39-40. Bei der Abgrenzung der oben genannten Märkte wie zwei- oder mehrseitige Märkte sind die traditionellen Analysemethoden nicht mehr gültig; s. dazu Klasse/Wiethaus (Fußn. 35), S. 12 ff. Allerdings wird diese Methode im gegebenen Fall aufgrund sog. Cellophane Fallacy nur behutsam angewendet. Wenn die Preis-Elastizität nicht bemessen werden kann, ist Critical Loss Analysis gegebenenfalls zusätzlich anwendbar. Bulst (Fußn. 11), Art. 102 Rn. 39-40; s. auch Wessely, in: FK-KartR, Art. 82 – Normadressaten Rn. 36; eingehend hierzu Lenßen (Fußn. 27), S. 287-307. S. auch Harris/Simons (Fußn. 53), S. 211 ff. (die Erläuterung seitens der ökonomischen Theorie). Dazu ausführlich Michael L. Katz/Carl Shapiro, Critical Loss: Let’s Tell the Whole Story, Reprinted from Antitrust magazine, 2003, S. 49-56. Zudem sind die vielfachen Analysemethoden ‒ jede hat seine Vorzüge und Schwächen ‒ anwendbar; s. darüber Lenßen (Fußn. 27), S. 308 ff. Hierbei müssen die zuständigen Behörden über die Rechtssicherheit der Marktteilnehmer hinlänglich nachdenken, da ihre normativen Beurteilungen beim Ermittlungsvorgang des auf der Grundlage vor den aktuellen Marktsituationen herausgefundenen Wettbewerbsverhältnisses willkürlich sein können.
I Die marktbeherrschende Stellung und deren Ausnutzung auf dem relevanten Markt
2
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Die normative Bedeutung der Marktabgrenzung für die Behinderungsmissbrauchsaufsicht
Es ist wichtig, dass die normative Bedeutung der Marktabgrenzung bei der Missbrauchsaufsicht festgestellt wird, da sie von dem eigenen Regulierungszweck abhängig sein kann (die sog. zweckgebundene Marktabgrenzung).66 Dabei ist die allgemeine Methode zur Marktabgrenzung nicht anders als bei sonstigen wettbewerbsrechtlichen Regulierungen wie dem Kartellverbot und der Fusionskontrolle.67 Dies ist grundsätzlich der Fall, da die Definitionsmethode für die jeweiligen Regulierungsziele nicht verändert werden kann.68 Gleichwohl gibt es auch problematische Missbrauchsformen, bei denen aufgrund der Eigenschaften der Produkte, der Leistungen des Abnehmers oder des Lieferanten gegebenenfalls eine Handelsstufe oder -gruppe als ein relevanter Markt abgegrenzt werden kann.69 Darüber hinaus kann die Marktabgrenzung als Grundlage für die Beurteilung der Wettbewerbsbeschränkung dienen. Die Marktabgrenzung kann somit die Entscheidung über die Rechtswidrigkeit stark beeinflussen.70 Folglich ist sie ein Mittel, um die Grenze des Wettbewerbs zwischen den Unternehmen festzustellen und ein wesentlicher Rahmen, die eigentliche Wett66 67
68 69
70
Vgl. Fuchs/Möschel (Fußn. 40), Art. 102 AEUV Rn. 45-47; Mestmäcker/Schweitzer (Fußn. 12), § 17 Rn. 2-6. Bei der Marktabgrenzung im Bereich der Fusionskontrolle handelt es sich aus prognostischer und marktstruktureller Sicht um die Ermittlung der Wettbewerbsbeschränkungen. Daneben ist es bei der Kartellaufsicht ‒ als einer nachträglichen Verhaltenskontrolle ‒ an und für sich zweifelhaft, ob die Marktabgrenzung immer vorausgesetzt werden muss. Wenn es nötig ist, kann die Marktabgrenzung vielmehr von Bedeutung sein, wenn über die Rechtswidrigkeit und den Grad der Sanktionen zu entscheiden ist; s. Kommission, Bekanntmachung über den relevanten Markt, Tz. 12; s. auch Mestmäcker/Schweitzer (Fußn. 12), § 17 Rn. 2-6 (Fußn. 7: EuG 22.3.2000, verb. Rs. T-125/97 u. T-127/97, Slg. 2000 II 1733 Rn. 81-85 - Coca Cola). Vgl. Mestmäcker/Schweitzer (Fußn. 12), § 17 Rn. 2-6: „Obwohl die ökonomischen Bestimmungsgründe für die Abgrenzung relevanter Märkte übereinstimmen, ergeben sich Unterschiede aus dem Zweck der anzuwendenden Normen.“ Folglich haben FTC und DOJ in den Horizontal Merger Guidelines (2010) davon gesprochen, dass die Marktabgrenzung bei der Beurteilung der einzelnen Effekte einer Fusion von relativ untergeordneter Bedeutung sein kann. Diesbezüglich ist es vorhersehbar, aus den wettbewerbseinschränkenden Effekten die gegenständlichen Märkte abzugrenzen. Die Gerichte sehen dies jedoch skeptisch, da die Essenz der Marktabgrenzung nur ein Ausgangspunkt zur Ermittlung der Wettbewerbsbeschränkungen ist; s. auch eingehende hierzu Carl Shapiro, The 2010 Horizontal Merger Guidelines: from Hedgehog to Fox in Forty Years, Antitrust L. J. Vol. 77, 2010, S. 701-759; Bechtold/Bosch/Brinker (Fußn. 11), Art. 102 AEUV Rn. 6. Aus diesem Grund muss darauf geachtet werden, dass das sog. Unwerturteil der Marktabgrenzung nicht von einer arbiträren (willkürlichen) Beurteilung der Wettbewerbswidrigkeit abhängig ist. Evans (Fußn. 26), S. 53-89; vgl. Lenßen (Fußn. 27), S. 33-34.
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§ 1 Einführung in den von Marktführern ausgeübten Behinderungsmissbrauch
bewerbspolitik durchzuführen. Die wettbewerbspolitische Ausrichtung kann daher für die Marktabgrenzung bei den wettbewerbsbeschränkenden Formen entscheidend sein.71 3
Die absehbaren Probleme bei der Marktabgrenzung von integrierten Märkte
a) Die grundlegende Problemstellung Wie bereits dargelegt wurde, ist ein wesentlicher Punkt der Marktabgrenzung die Ermittlung der Warengruppen, die miteinander in Konkurrenz treten. Bei der Beurteilung eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses steht die funktionale Austauschbarkeit im Vordergrund. Mittlerweile gibt es jedoch eine Sonderform des Marktes, in dem keine Austauschbarkeit zwischen den fraglichen Warengruppen besteht, wie beispielsweise bei sog. After-, Cluster-, Two-Sided Markets, Innvovation Markets bezüglich eines Warenkennzeichens oder Integrated Market bezüglich eines Strukturkennzeichens.72 Auf derartige Märkte lassen sich die hergebrachten Abgrenzungsmethoden nicht anwenden und funktionieren höchstens bei der Feststellung einer Beziehung zwischen den zusammenhängenden Märkten. In diesem Teil geht es jedoch vornehmlich um den strukturellen Aspekt. Die inhaltliche Starrheit zwischen integrierten Märkten erschwert eine genaue rechtstechnische Abgrenzung. Aufgrund der getrennten Marktstufen, die einerseits den ursächlichen Markt des Missbrauchs und andererseits den tat71
72
Bei der Beurteilung der Missbräuche einer marktbeherrschenden Stellung können die relevanten Märkte im Vergleich zur Fusionskontrolle relativ eng abgegrenzt werden. Bei der Beurteilung der Fusionskontrolle spielt die Marktabgrenzung eine äußerst wichtige Rolle. Deshalb müssen auch zukünftige Marktveränderungen berücksichtigt werden. Darüber hinaus muss der potenzielle Wettbewerbsdruck aufgrund der damit verbundenen Aussicht auf ökonomische Effizienz umfangreich anerkannt werden. Die relevanten Märkte können deshalb weiter abgegrenzt werden. Hingegen müssen bei einem Kartell vornehmlich Faktoren wie die Bezweckung von Wettbewerbsbeschränkungen und der de facto durch das Kartell wettbewerbsbeschränkende Bereich berücksichtigt werden. Die neuesten technischen Fortschritte oder Fusionen von Waren oder Leistungen befördern hitzige Debatten über die der neuen Marktsituationen gemäßen Abgrenzungsmethoden (die sog. Grenze des bestehenden Analyserahmens zur Marktabgrenzung); vgl. Klotz (Fußn. 33), S. 60-62; Dietmar Fiebig, Internet-Vergleichsportale und Kartellrecht, WuW 2013, S. 815820; s. auch Körber (Fußn. 33), S. 126-128; s. auch aus ökonomischer Sicht über die TwoSieded Markets Mark Armstrong, Competition in two-sided Markets, RAND J. Econ. Vol. 37, No. 3, 2006, S. 668 ff.; Rhee, Sangkyu, The Definition of Two-sided Market and Its Conditions, Kor. Tele. P. Rev. Vol. 17-4, 2010, S. 73-105.
I Die marktbeherrschende Stellung und deren Ausnutzung auf dem relevanten Markt
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sächlich wettbewerbsbeschränkten Markt umfassen, ist eine sog. parallele Abgrenzung je nach effektbezogener Sicht nicht notwendig. Bei der Abgrenzung der integrierten Märkte kommt es daher darauf an, ob man sich ausschließlich auf den wettbewerbsbeschränkten Markt konzentriert oder ob auch der jeweilige nachfolgende und vorhergehende Markt ‒ für Rohstoffe, Zubehör oder die Reproduktion neuer Artikel ‒ betrachtet werden muss. b) Das latente Risiko der Inkongruenz mit der allgemeinen Theorie bei der Marktabgrenzung Bei der vertikalen Integration ist die parallele Marktabgrenzung eine charakteristische Notwendigkeit,73 da der beherrschte Markt sich vom wettbewerbsbeschränkten Markt unterscheiden kann.74 Dies bedeutet, dass die Marktabgrenzung innerhalb der verschiedenen Stufen ‒ der Ermittlung der marktbeherrschenden Stellung oder der Beurteilung der Wettbewerbsbeschränkungen ‒ anders aussehen kann. Die Betrachtung der Korrelation zwischen den beiden Märkten ist somit von überragender Bedeutung. Im jeweiligen Fall ist es fraglich, ob die oben genannten allgemeinen Abgrenzungsmethoden für vertikal integrierte Märkte gültig sind, da die Austauschbarkeit der betreffenden Produkte oder Leistungen im Vergleich zu normalen Märkten schwerer feststellbar sein kann.75 Dadurch kann diese Frage nur 73
74
75
Bei den vertikal integrierten Märkten kann die Anforderung der parallelen Marktabgrenzung als ein gebräuchlicher Standpunkt im europäischen Wettbewerbsrecht im Gegensatz zur USamerikanischen Praxis betrachtet werden; dazu ausführlich Paragraph e), über dem Fall MCI (708 F.2d 1081 (7th Cir. 1983)). EuGH v. 6.3.1974 - verb. Rss. 6/73 u. 7/73 - Commercial Solvents/Kommission; EuGH v. 14.10.2010 - Rs. C-280/08P, Slg. 2010, I-9555; EuG v. 10.4.2008 - Rs. T-271/03, Slg. 2008, II-477 - DT/Kommission; Kommission, Entsch. v. 21.5.2003 - COMP/C-1/37.451,37.578, 37.579 - DT, ABl. 14.10.2003. Nr. L263/9; BKartA v. 2.7.2015 - B9-128/12 - Deutsche Post; KSCourt v. 22.11.2007- Rs. 2002Du8626. In diesem Fall Posco wird die parallele Marktabgrenzung ‒ Hot Rolled Coil Market for Cold Rolled Steel als ein vorgelagerter Markt und Cold Rolled Steel Plate Market for Automobile als ein nachgelagerter Markt ‒ durch den Supreme Court of Korea eingeräumt. Robert Bork, Vertical Integration and the Sherman Act: The Legal History of an Economic Misconception, Chic. L. Rev. Vol. 22, 1954, S. 158-159; vgl. Falls die Unternehmen des nachgelagerten Marktes nur im Verkaufs- oder Transportbetrieb, Kundendienst usw. der vorgelagerten Unternehmen beschäftigt sind, scheint die sachliche Abgrenzung bedeutungslos zu sein. In der Tat haben die Kommunikations- oder Autounternehmen, usw. verbundene Unternehmen unter direkter Betriebsleistung auf dem nachgelagerten Markt. Gleichzeitig beauftragen sie private Unternehmen, die mit den verbundenen Unternehmen auf dem nachgelagerten Markt konkurrieren, mit den obigen Geschäften; s. auch Cento Veljanovski, Markets without Substitutes: Substitution versus constraints as the key to market definition, CRMA, 2009, S. 1: “Under some assumptions the physical product and the consumables can be in the same relevant product market and not different ones.”
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§ 1 Einführung in den von Marktführern ausgeübten Behinderungsmissbrauch
durch eine genaue Betrachtung der speziellen Marktstruktur und der Eigenschaften der fraglichen Produkte oder Leistungen beantwortet werden.76 In bestimmten Fällen, wie zum Beispiel der KPS, bei denen die integrierte Marktstruktur von größter Bedeutung ist, müssen beide Märkte zunächst voneinander abgegrenzt werden, da sowohl die Feststellung der marktbeherrschenden Stellung als auch die Durchführung der KPS von der Trennung der betreffenden Märkte abhängig ist. Demnach muss eine ausgeprägte (hochgradige) Abhängigkeit auf der Grundlage der physikalischen Homogenität, der Handelsgepflogenheiten und der Marktentwicklung als Eigenschaft eines vertikal integrierten Marktes bei der Trennungsphase mitberücksichtigt werden. c)
Die Abgrenzung des vertikal integrierten komplementären Produkt- oder Leistungsmarktes als Sekundärmarkt
Wie bereits erwähnt, kann sich in bestimmten Fällen häufig ein Irrtum bei der Marktabgrenzung ergeben. Werden die komplementären Märkte ‒ z.B. bezüglich des sog. Primärproduktmarktes und Sekundärmarktes77 (engl. aftermarket for maintance) ‒ vertikal integriert, kann sich diese Irrtumswahrscheinlichkeit vergrößern. Dies bedeutet, dass nicht die Austauschbarkeit nach dem SSNIPTest, sondern eine sog. Komplementierbarkeit zwischen diesen Märkten besonders beachtet werden muss.78 Daraus können nach der Literatur die charakteristischen Voraussetzungen für »aftermarket« abgeleitet werden:79 i) the aftermarket product or service is used together with a primary product, und ii) the aftermarket product or service is purchased after the primary product.80 Diese Voraussetzungen beschränken sich allerdings nicht nur auf bestimmte Produkte oder Leistungen wie Ver76
77 78 79 80
Vgl. Eastman Kodak Co. v. Image Technical Services Inc. et al., 112 S. Ct. 2072 (1992). In diesem Fall war die Marktabgrenzung kein strittiger Punkt, aber die Eigenschaften der Produkte und der Serviceleistung, das strukturelle Verhältnis der fraglichen Märkte usw. wurden vom U. S. Supreme Court vornehmlich beurteilt. Daher wurden diese betreffenden Märkte in zwei Teile, wie sog. equipment market als Primärproduktmarkt und aftermarket als Sekundärmarkt, abgegrenzt; s. zuvor Carl Shapiro/David J. Teece, Systems competition and aftermarkets: an economic analysis of Kodak, Antitrust Bull. No. 39, 1994, S. 135 ff.; Carl Schapiro, Aftermarkets and Consumer Welfare: Marking Sense of Kodak, Antitrust L. J. Vol. 63, No. 2, 1995, S. 483 ff. (insb. 486); vgl. Bulst (Fußn. 11), Art. 102 Rn. 41. Bulst (Fußn. 11), Art. 102 Rn. 41, 67; Mestmäcker/Schweitzer (Fußn. 12), § 17 Rn. 53: „[…], allerdings auch unter Berücksichtigung von Substitutionsbeschränkungen, […].“ S. Kommission, Bekanntmachung über den relevanten Markt, Tz. 56; Veljanovski (Fußn. 75), S. 1 f. Obwohl der U.S. Supreme Court dieses Wort »Aftermarkt« im Fall Kodak ausdrücklich erwähnt hat, hat er keinen Begriff dafür definiert. Shapiro/Teece (Fußn. 76), S. 139.
I Die marktbeherrschende Stellung und deren Ausnutzung auf dem relevanten Markt
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brauchsgüter.81 Die obige Diskussion erfordert zudem keine bestimmte Marktstruktur wie beispielsweise eine vertikale Integration, sondern lediglich die strukturelle Möglichkeit einer parallelen Marktabgrenzung.82 Kann ein Unternehmen des Sekundärmarktes keine sachgemäßen alternativen Primärprodukte beschaffen oder kann ein Unternehmen des Primärproduktmarktes durch seine Marktmacht oder -stellung den Sekundärmarkt als einen nachgelagerten Markt beeinflussen, kann die vertikale Integration hinsichtlich der Wettbewerbsstrategie die erwarteten Wirkungen entfalten. Die sog. Komplementarität zwischen den fraglichen Märkten kann als eine umfangreiche Abhängigkeit bei der vertikal integrierten Marktstruktur angesehen werden. In einem solchen Fall muss jedoch auf die parallele Abgrenzung des vertikal integrierten Marktes besonders Wert gelegt werden, da die Primärproduktund Sekundärproduktmärkte aufgrund ihrer Eigenschaften wie z.B. Switching Cost, Asymmetric Information und Commen Practices of Transaction,83 nicht immer als verschiedene Märkte voneinander abgegrenzt werden können.84 d) Die Marktabgrenzung und das Verhältnis zwischen der vertikalen Geschäftsverbindung und der vertikalen Integration Die vertikale Geschäftsverbindung basiert auf dem allgemeinen Prinzip der sog. nicht wettbewerblichen Struktur, d.h. dem Fehlen eines unmittelbaren Wettbewerbsverhältnisses. An dieser Stelle soll erwähnt werden, dass die vertikale Integration als eine sog. artifizielle Internalisierung oder Absorbierung der vertikalen Geschäftsverbindung im Machtbereich einzelner Unternehmen oder 81
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Shapiro/Teece (Fußn. 76), S. 139-40: “Aftermarkets are not restricted to the equipment-partsservice pattern presesent in Kodak.” und “The industrial market structures for the primary product and its aftermarkets can (follow) several pattern.”; s. zusätzlich Bulst (Fußn. 11), Art. 102 Rn. 41: „Ersatzteile, Reparaturen, Wartungsleistungen usw.“; Severin Borenstein/Jeffrey K. MacKie-Mason/Janet S. Netz, Antitrust Policy in Aftermarkets, Antitrust L. J. Vol. 63, 1995, S. 455 (related Cases: Fußn. 1-5). Vgl. Bulst (Fußn. 11), Art. 102 Rn. 67; s. auch Borenstein/MacKie-Mason/Netz (Fußn. 81), S. 456 (drei Fragen zwischen Aftermarket und Original Equipment Market): “[…] that a manufacturer can profitably exercise market power in the aftermarket and will set an effective aftermarket price that is higher than the competitive level [...].” S. Shapiro/Teece (Fußn. 76), S. 142 ff. (die Faktoren zur Ermittlung der Marktmacht auf dem Sekundärmarkt; insb. bezüglich Kodak); Hovenkamp (Fußn. 19), S. 300-303; Sullivan/Harrison (Fußn. 53), S. 37-40 (Fußn. 6: “The economic literature does contain several models of profit-maximization in markets where existing customers have switching cost ‒ that is, they are locked in to their past seller´s particular brand.”). S. auch Rhee, Sangkyu, Market Definition of Complementary Goods for the Enforcement of Competition Law, Kor. J. Econ. Vol. 6 Nr. 3, 2013, S. 5-45 (insb. S. 12 ff.: die Erläuterung durch die exzeptionellen Beispiele).
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§ 1 Einführung in den von Marktführern ausgeübten Behinderungsmissbrauch
Unternehmensgruppen verstanden werden kann. Dadurch kann die Möglichkeit, dass ein Unternehmen aufgrund von geschäftlichen Verbindungen auf den verschiedenen relevanten Märkten auftritt, verwirklicht werden. Aus der Sicht der verbundenen Unternehmen auf dem nachgelagerten Markt, wie z.B. Tochtergesellschaften, bedeutet dies einen auf die Internalisierung der wettbewerbsstrategischen Risiken gegründeten Vorsprung, welcher allerdings mangels Wettbewerb ein unentgeltlicher Vorteil ist. Basierend darauf sollen die wettbewerbsbeschränkenden Konsequenzen von den Tochtergesellschaften getragen werden, da vorhersehbar ist, dass durch ein Unternehmen die senkrechten Märkte beherrscht werden können. Wenn dem so ist, kann der logische Zusammenhang zwischen der Marktabgrenzung und der Einheitlichkeit der betreffenden Unternehmen zweifelhaft sein. Selbst wenn zwei oder mehrere Unternehmen auf jeweils verschiedenen Marktstufen auftreten, können sie durch ein marktbeherrschendes Unternehmen auf dem vorgelagerten Markt geführt und tatsächlich einheitlich verwaltet werden. Die Einheitlichkeit der fraglichen Unternehmen spielt deshalb bei der Marktabgrenzung eine Rolle. Aus rechtsdogmatischer Sicht allerdings ist die unternehmerische Einheitlichkeit keine direkte oder wesentliche Voraussetzung zur Marktabgrenzung, sondern vielmehr nur ein zu berücksichtigender Faktor.85 Aus der Sicht der Missbrauchsaufsicht kann zumindest der Wettbewerbsbereich auf der Grundlage des inneren oder äußeren Verhältnisses zwischen den fraglichen Unternehmen nicht abgegrenzt werden. e)
Die restriktive Marktabgrenzung aufgrund der Rücksicht auf die wettbewerbsbeschränkenden Effekte im US-amerikanischen Kartellrecht
Im Falle von Sec. 2 Sherman Act, besonders bei den auf vertikal verbundenen (inkl. integrierten) Märkten auftretenden Problemen, ist fraglich, ob eine Marktabgrenzung lediglich den nachgelagerten Markt, in dem der Wettbewerb tatsächlich beeinträchtigt ist, zum Gegenstand haben kann. Dies wird auf eine Auslegung von Sec. 2 Sherman Act und den Effect-Based Approach gestützt: Bei der Anwendung des Sec. 2 Sherman Act wird ein Wettbewerbsverhältnis (oder zumindest die Möglichkeit eines Wettbewerbsverhältnisses) auf dem fraglichen Markt gefordert. Daher ist ein Markt, in dem de facto wettbewerbsbeschränkende Effekte entstehen, vor allem zu beachten. Diesem Verständnis entsprechend ist eine parallele Marktabgrenzung überflüssig, obwohl das 85
S. auch zum Verhältnis zum Diskriminierungsverbot gemäß Art. 102 lit. c AEUV Daniel Petzold, Die Kosten-Preis-Schere im EU-Kartellrecht, 2012, S. 163 ff. (über die Handelspartnereigenschaft der nachgelagerten Einheit und Konzernprivileg).
I Die marktbeherrschende Stellung und deren Ausnutzung auf dem relevanten Markt
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marktmachtbezogene Verhältnis zwischen beiden Märkten an erster Stelle steht und der Marktmachttransfer gegebenenfalls ‒ z.B. bei Kopplungsgeschäften und KPS ‒ ein Ermittlungsgegenstand ist. Im beispielhaften und lehrreichen Fall MCI vs. AT&T,86 dem ein Lieferund Geschäftsverweigerung zugrunde lag, verfügte AT&T mit dem Telefonnetz (engl. local distribution facilities)87 über eine unabdingbare Einrichtung (vorgelagerter Markt) und hatte dadurch eine Monopolstellung erhalten. Hierdurch konnte es einen Ferngesprächsservice (engl. long distance service als nachgelagerter Markt) exklusiv anbieten. Der von MCI geltend gemachte Zugangsanspruch zum Telefonnetznetz (engl. Interconnection) wurde von AT&T verweigert.88 Der U.S. Court of Appeals (7th Cir.)89 hat sich nicht nur auf den vorgelagerten Markt als monopolistischen Ursprung konzentriert, sondern hat den Ferngesprächsservicemarkt, in dem ein Wettbewerbsverhältnis zwischen AT&T und MCI bestand und der Wettbewerb tatsächlich beschränkt wurde, betrachtet.90 Das Gericht hat dabei den vorgelagerten Markt (für das Telefonnetz) nicht sorgfältig abgegrenzt. Daraus kann jedoch nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, dass die US-amerikanischen Gerichte das Bedürfnis nach einer parallelen Abgrenzung tatsächlich abgelehnen. Die US-amerikanischen Gerichte beharren auf ihrem wettbewerbsrechtlichen Standpunkt, was die Essential Facility wie dem genannten Telefonnetz betrifft.91 Gleichwohl hat es das Appellationsgericht als erforderlich angesehen und nicht verworfen, die Abgrenzung des vorgelagerten Marktes in Betracht zu ziehen, der durch das Vorliegen einer wesentlichen 86 87 88 89 90 91
MCI Telecommunications Corp. v. American Telephone & Telegraph (AT&T) Co., 512 U.S. 218 (1994). Zu den Essential Facilities gehören »millions of miles of cable and line to individual homes and businesses« (708 F.2d 1081, 1132-33). S. dazu E. Thomas Sullivan/Herbert Hovenkamp/Howard A. Selanski, Antitrust Law, Policy and Procedure: Cases, Materials, Problems, 6. ed., 2009, S. 730-731; Sullivan/Harrison (Fußn. 53), S. 292-293. MCI Communications Corp. and MCI Telecommunications Corp., Plaintiffs-appellees, v. AT&T Co., Defendant-appellant, 708 F.2d 1081 (7th Cir. 1983), cert. denied, 464 U.S. 891 (1983). MCI Communications Corp. and MCI Telecommunications Corp., Plaintiffs-appellees, v. AT&T Co., Defendant-appellant, 708 F.2d 1081 (7th Cir. 1983). S. dazu Sullivan/Harrison (Fußn. 53), S. 292. Zusätzlich sind die in diesem Fall vom Court of Appeals (7th Cir.) folgenden Voraussetzungen einer Essential Facility beachtlich: i) controlled by a monopolist, ii) a competitor's inability practically or reasonably to duplicate the facility, iii) the monopolist denies use of the facility to competitors, iv) the feasibility of providing the facility to competitors. (708 F.2d 1081, 1132-33); s. auch Sullivan/Hovenkamp/Selanski (Fußn. 88), S. 731 ff.: “[…] the court characterized the local telephone exchanges as an essential facility.”
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§ 1 Einführung in den von Marktführern ausgeübten Behinderungsmissbrauch
Einrichtung monopolisiert war. Im Fall MCI vs. AT&T hat das Appellationsgericht anhand des Telefonnetzes auf dem vorgelagerten Markt die allgemeinen Voraussetzungen für eine Essential Facility aufgezeigt. In der Tat hat MCI die Eigenschaften der Essential Facility zutreffend geltend gemacht. Das Appellationsgericht hat jedoch die Behauptung von MCI verneint, wonach das Telefonnetz eine Essential Facility ist. Ferner betraf dieser Fall nur die spezielle Situation, in der AT&T auch bereits eine monopolistische Stellung auf dem nachgelagerten Markt besaß. Hierbei ist es unschwer möglich, die Erhaltung oder Verstärkung der Monopolisierung als Tatbestand aus Sec. 2 Sherman Act abzuleiten und anzuwenden. Im entgegengesetzten Fall, dass ein Unternehmen kein Monopolist auf dem nachgelagerten Markt oder ein neu eintretendes Unternehmen ist, stellt sich die Frage, woraus die Monopolmacht als ein Objekt des Missbrauches hergeleitet werden kann. Wären die wettbewerbsbeschränkenden Effekte bei der Beurteilung der Rechtswidrigkeit des Marktverhaltens von ausschlaggebender Bedeutung, so müsste dieser Standpunkt wie der Effect-Based Approach auch mit einer beweiskräftigen Marktabgrenzung unterstützt werden. Im Falle Betrachtung beider Märkte als Einheit kann die Gerechtigkeit der rechtskräftigen Beurteilung in eine Schieflage geraten, da die wettbewerbsrechtliche Grenze zwischen den ursächlichen und den betroffenen Märkten gerade bei einer vertikal integrierten Marktstruktur unklar sein kann. Aus diesen Gründen muss aus wettbewerbsrechtlicher Sicht eine parallele Marktabgrenzung als ein Ausnahmefall betrachtet werden, beruhend auf der strukturellen Natur der vertikal integrierten Märkte. 4
Die marktbeherrschende Stellung und deren Beurteilungsmaßstäbe
Die neue Erkenntnis der rechtswidrigen Ausübung von Marktmacht hat sich auf den rechtlichen Gesichtspunkt für die Konzentration der wirtschaftlichen Macht ausgewirkt.92 Dies basierte auf der grundlegenden Erkenntnis, dass ein Markt, in dem ein beherrschendes Unternehmen vorhanden ist, als ein in seiner Wett-
92
S. auch zum Begriff der Konzentration Rittner (Fußn. 24), S. 354-355: „Die wirtschaftliche Konzentration, am einfachsten definiert als »Verdichtung wirtschaftlicher Kategorien« oder als das »Phänomen von Ballungen ökonomischer Größen«, findet sich in sehr verschiedenen Bereichen, so als Vermögens-, Einkommens-, Eigenturm- oder Machtkonzentration.“
I Die marktbeherrschende Stellung und deren Ausnutzung auf dem relevanten Markt
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bewerbsstruktur geschwächter Markt anzusehen ist. Grundsätzlich kann daraus der Konsens über die Missbrauchsaufsicht hergeleitet werden.93 a)
Die Definition der marktbeherrschenden Stellung
aa. EU „Die wirtschaftliche Machtstellung eines Unternehmens […], die dieses in die Lage versetzt, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf den relevanten Markt zu verhindern, indem sie ihm die Möglichkeit verschafft, sich seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und letztlich den Verbrauchern gegenüber in einem nennenswerten Umfang unabhängig zu verhalten.“94
Im AEUV ist der Begriff der marktbeherrschenden Stellung (engl. marketdominance position) nicht definiert.95 Er wird vielmehr durch Fälle wie z.B Continental Can,96 United Brands und Hoffmann-La Roche konkretisiert.97 In diesen Urteilen ist eine marktbeherrschende Stellung als eine wirtschaftliche Machtstellung definiert, die das Unternehmen in die Lage versetzt, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt zu 93
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95 96 97
Vgl. Walter Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik (Hrsg. Edith Eucken, K. Paul Hensel), 1952, S. 295: „Ziel der Monopolgesetzgebung und der Monopolaufsicht ist es, die Träger wirtschaftlicher Macht zu einem Verhalten zu veranlassen, als ob vollständige Konkurrenz bestünde.“; s. auch »diverse methods of controlling dominant firms: a) - e)« Corwin D. Edwards, Controls of Cartels and Monopolies: An International Comparison, 1967, S. 178182. EuGH v. 13.2.1979 - Rs. 85/76, Slg. 1979, 461, Tz. 38-39 - Hoffmann-La Roche/Kommission; vgl. EuGH v. 14.2.1978 - Rs. 27/76, Slg. 1978, 207 Tz. 65 - United Brands/Kommission; s. auch Kommission, Mitteilung - Erläuterungen zu den Prioritäten der Kommission bei der Anwendung von Art. 82 (Art. 102 AEUV) des EV-Vertrags auf Fälle von Behinderungsmissbrauch durch marktbeherrschende Unternehmen (zitiert als: Prioritätenmitteilung), ABl. 24.2.2009 Nr. 45/7, Tz. 10; vgl. Faull/Nikpay (Fußn. 36), Ch. 4, Rn. 4.124: “The legal definition has two elements, independence and prevention of effective competition […].” und Rn. 4.125-6: Hierauf werden »zwei Tests« ‒ für i) power to behave to an appreciable extent independently of its competitiors and customers und ii) a position of economic strength that enables it to prevent effective competition being maintained ‒ angegeben. Vgl. Art. 2 Abs. 1 u. 2 FKVO, insb. Art. 2; s. dazu Kling/Thomas (Fußn. 37), § 8 Rn. 322 ff.; vgl. zum Begriff von »Market Power« William M. Landes/Richard A. Posner, Market Power in Antitrust Cases, Harv. L. Rev. Vol. 94 Nr. 5, 1981, S. 937 u. 952 ff. EuGH v. 21.2.1973 - Rs. 6/72, Slg. 1973, 215 - Continental Can/Kommission. S. zuvor Mestmäcker/Schweitzer (Fußn. 12), § 17 Rn. 33 ff. u. 55 ff.; Fuchs/Möschel (Fußn. 40), Art. 102 AEUV Rn. 42 ff. u. 73 ff. (insb. 74 u. 77: Bei der Betrachtung über die Marktstruktur und -verhalten); Wurmnest (Fußn. 17), S. 78-79; Peter Oliver, The Concept of Abuse of a Dominant Position under Article 82 EC: Recent Developments in Relation to Pricing, Eur. Comp. J. Vol. 1 No. 2, 2015, S. 315-316; vgl. O'Donghue/Padilla (Fußn. 21), S. 141142.
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§ 1 Einführung in den von Marktführern ausgeübten Behinderungsmissbrauch
verhindern (engl. prevention of effective competition, in particular capability to foreclose).98 Dies geschieht, indem sie ihm die Möglichkeit verschafft, sich seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und letztlich den Verbrauchern gegenüber in einem nennenswerten Umfang unabhängig zu verhalten.99 Das marktbeherrschende Unternehmen kann auf diese Weise als ein Preisgeber (Preissetzer) oder ein unvermeidlicher Handelspartner eigenmächtig (sog. Unabhängigkeit von der Intensität des Wettbewerbsdrucks)100 die Wettbewerbsbedingungen auf dem betreffenden Markt festsetzen oder verändern (engl. acting independently).101 Hierbei kann diese Unabhängigkeit als ein Problem mit dem engen Zusammenhang zwischen den fraglichen Märkten angesehen werden. So ist in erster Linie darauf Rücksicht zu nehmen, dass der Begriff der Marktbeherrschung nach der Schutzbedürftigkeit des konkreten Wettbewerbs relativ sein kann.102 Nach Art. 102 AEUV ist die marktbeherrschende Stellung nicht als solche verboten, sondern es wird lediglich deren missbräuchliche Ausnutzung auf dem relevanten Markt reguliert.103 Anders als Art. 102 AEUV definiert § 18 Abs. 1 GWB den Begriff der Marktbeherrschung.104 Des Weiteren werden in § 18 Abs. 3 und 3a GWB die verschiedenen Merkmale genannt, um eine marktbeherrschende Stellung festzustellen,105 wie z.B. Marktanteil, Finanzkraft, Zugang zu den Beschaffungs98 99 100 101
102
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105
Vgl. EuGH v. 9.11.1983 - Rs. 322/81, Slg. 1983, 3461 Tz. 57 - Michelin/Kommission (sog. Michelin I); Mestmäcker/Schweitzer (Fußn. 12), § 17 Rn. 33. Fuchs/Möschel (Fußn. 40), Art. 102 AEUV Rn. 44, 76-78; Rittner/Dreher (Fußn. 40), § 19 Rn. 24; Kling/Thomas (Fußn. 37), § 6 Rn. 49 f.; Arezzo (Fußn. 58), S. 25. Vgl. Kommission, Prioritätenmitteilung, Tz. 10-11: „Diese Unabhängigkeit steht in direktem Verhältnis zur Intensität des Wettbewerbsdrucks, […].“; s. auch Kling/Thomas (Fußn. 37), § 6 Rn. 50. Fuchs/Möschel (Fußn. 40), Art. 102 AEUV Rn. 76: „Der EuGH setzt für die Annahme einer beherrschenden Stellung zunächst die Fähigkeit des Unternehmens voraus, einen wirksamen Wettbewerb auf dem fraglichen Markt zu verhindern.“; s. dazu EuGH v. 16.12.1975 - Rs. 40/73 u. a., Slg. 1975, 1663, Tz. 456 - Suiker Unie/Kommission; vgl. sog. »a concept that has meaning in economic terms« Faull/Nikpay (Fußn. 36), Ch. 4, Rn. 4.125 u. Rn. 4.128 f. Bulst (Fußn. 11), Art. 102 AEUV Rn. 36: „[…] ist aber insofern ein relativer Begriff, als faktisch nicht unbedingt für die Begehung eines jeden Missbrauchs derselbe Grad der Marktbeherrschung erfoderlich ist.“; EuGH v. 17.2.2011 - Rs. C-52/09, Slg. 2011, I-527, Tz. 81 Konkurrensverket (KKV)/TeliaSonera; EuGH v. 14.11.1996 - Rs. C-333/94 P, Slg. 1996, I5951, Tz. 31 - Tetra Pak/Kommission. Rittner/Dreher (Fußn. 40), § 19 Rn. 23; Bulst (Fußn. 11), Art. 102 AEUV Rn. 32-36. S. dazu Kling/Thomas (Fußn. 37), § 20 Rn. 22 ff.; vgl. mit der alten Auslegung über dem § 22 Abs. 1 und Abs. 2 GWB Klaus Seemann, Zum Begriff des marktbeherrschenden Unternehmens, Jahrbuch für Sozialwissenschaft Bd. 13, H. 3, 1962, S. 309 ff.; Beckmann (Fußn. 23), S. 101 ff. S. dazu ausführlich Kling/Thomas (Fußn. 37), § 20 Rn. 33 ff.; Andreas Bardong, in: Langen/Bunte, Kartellrecht Band. 1: Deutsches Kartellrecht, 12. Aufl., 2014, § 18 Rn. 83 ff.; nach der 9. GWB-Novelle § 18 Abs. 3a GWB Insbesondere bei mehrseitigen Märkten und
I Die marktbeherrschende Stellung und deren Ausnutzung auf dem relevanten Markt
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oder Absatzmärkten, Verflechtungen mit den anderen Unternehmen und rechtliche oder tatsächliche Schranken für den Marktzutritt anderer Unternehmen.106 Gleichermaßen sind die regulierbaren Bereiche und Formen der Beherrschungsmacht ‒ »die überragende Marktstellung« im Verhältnis zu den Wettbewerbern in § 18107 und »die relative oder überlegene Marktmacht«108 im Verhältnis zu den kleinen oder mittleren Unternehmen in § 20109 ‒ umfassend und ausdrücklich im GWB genannt. bb. USA Im Anschluss an den Congressional Record von 1890 hat Senator Sherman in einer Rede, um an die Gesetzgebung des Antitrust Law zu gemahnen, den Begriff der Marktmacht und des marktmächtigen Unternehmens am Beispiel eines Königs bzw. absoluten Herrschers erklärt: »If we will not endure a king as a political power we should not endure a king over the production, transportation, and sale of any of the necessaries of life. If we would not submit to an emperor we should not submit to an autocrat of trade, with power to prevent competition and to fix the price of any commodity«.110 Dies zeigt, dass die Marktbeherrschung schon seit langem als ein Missstand angesehen wird, da aufgrund dessen der normale Wettbewerb gestört und der Preis von Waren festgelegt wird. Das US-amerikanische Wettbewerbsrecht und insb. der Sherman Act enhalten daher neben dem Begriff der Marktbeherrschung auch das vergleichbare Konzept monopolisierender Geschäftspraktiken und diesbezüglicher Ab-
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Netzwerken sind bei der Bewertung der Marktstellung eines Unternehmens auch zu berücksichtigen: 1. direkte und indirekte Netzwerkeffekte, 2. die parallele Nutzung mehrerer Dienste und der Wechselaufwand für die Nutzer, 3. seine Größenvorteile in Zusammenhang mit Netzwerkeffekten, 4. sein Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten, 5. innovationsgetriebener Wettbewerbsdruck; BT-Drucks. 18/10207, S. 48-51. Fuchs/Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht GWB/Teil 1, 5. Aufl., 2014, § 18, Rn. 85 f.; Bundestag (Wissenschaftliche Dienste), Die Missbrauchsaufsicht im Kartellrecht und Wettbewerbsrecht: Der Begriff des marktbeherrschenden Unternehmens, WD 7 3000 - 081/16, 2016, S. 6. S. dazu Kling/Thomas (Fußn. 37), § 20 Rn. 11 ff. (insb. Rn. 30-32). S. das sog. Marktmachtkonzept, Fuchs/Möschel (Fußn. 106), § 18 Rn. 22. S. dazu Kling/Thomas (Fußn. 37), § 20 Rn. 251 ff; Jörg Nothdurft, in: Langen/Bunte, Kartellrecht Band. 1: Deutsches Kartellrecht, 12. Aufl., 2014, § 20 Rn. 1 ff. (insb. Rn. 72-75). 21 Cong. Rec. 2455-2474 (insb. von Senator John Sherman, March. 1980), S. 2457: erhältlich über http://www.appliedantitrust.com/02_early_foundations/3_sherman_act/cong_rec/21 _cong_rec_2455_2474.pdf; vgl. mit der Rede von George Frisbie Hoar (Senator, 1877-1907), der auch eine Gesetzesvorschlag von Sherman Act gemacht hat: “By use of this organized force of wealth and money the small men engaged in competition with them are crushed out, and this is the great evil to which legislation ought to be directed.”
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§ 1 Einführung in den von Marktführern ausgeübten Behinderungsmissbrauch
sprachen. Reglungsobjekt sind dabei im Unterschied zur Regelung der EU allerdings die Verhaltensweisen der Monopolization, Attempt to Monopolize und Conspiracy to Monopolize Sec. 2 Sherman.111 Ebenso wird deren Begriff durch die Sammlung von verschiedenen Fällen konkretisiert.112 Der Supreme Court hat den Begriff der Monopolmacht im Fall Cellophane wie folgt definiert: »Monopoly power is the power to control prices or exclude competition«.113 In Kapitel 2 werden die verbotenen Verhaltensweisen aus Sec. 2 Sherman Act erläutert und mit Art. 102 AEUV verglichen. cc. Korea Im Bereich des begrifflichen Verständnisses der marktbeherrschenden Stellung gibt es in Korea keinen großen Unterschied zur EU und den USA. Ähnlich wie im GWB ist diese in Art. 2 Nr. 7 Monopoly Regulation and Fair Trade Act of Korea (MRFTA)114 definiert und Art. 3 - 2 Abs. 1 MRFTA nennt die konkreten Missbrauchsformen. In Art. 2 Nr. 7 S. 1 MRFTA wird ein marktbeherrschendes Unternehmen als »any enterpriser who can determine, maintain, or change the prices, quantity or quality of commodities or services or other terms and conditions of business as a supplier or customer in a particular business area individually or jointly with other enterprisers« beschieben.115 In S. 2 werden die dafür zu berücksichtigenden Faktoren wie z. B. Marktanteil, Marktzutrittsbarriere und Ausmaß der Wettbewerber genannt.116 Hierauf wird auch in einer Verordnung117 sowie einer Mitteilung118 hingewiesen.
111 Selbst wenn die Marktbeherrschung mit der Market Power in begrifflicher Hinsicht nicht immer identifiziert werden kann, kann diese begriffliche Unterscheidung aber wenigstens bezüglich der überaus hohen Market Power unwesentlich sein. 112 U.S v. Grinnell Co., 384 U.S. 563, 570-571 (1966); Eastman Kodak Co. v. Image Technical Services, Inc., 504 U.S. 451, 481 (1992); Aspen Skiing Co. v. Aspen Highlands Skiing Co., 472 U.S. 585, 596 Tz. 19 (1985); s. auch zusammenhängende Fälle Sullivan/Hovenkamp/ Selanski (Fußn. 88), S. 557 ff. 113 U.S. v. E. I. du Pont De Nemours & Co., 351 U.S. 377, 391 (1956); s. auch American Tobacco Co. v. U.S., 328 U.S. 781, 328 U.S. 811; Apex Hosiery Co. v. Leader, 310 U.S. 469, 310 U.S. 501; Standard Oil Co. v. U.S., 221 U.S. 1, 221 U.S. 58; s. auch Sullivan/Hovenkamp/ Selanski (Fußn. 88), S. 557: “Market Power is the ability of a firm to obtain higher profits by reducing output and selling at a higher price.” 114 S. zur einlässlichen Erklärung des Rechtszwecks und der Entwicklungsgeschichte von MRFTA Kwon, Ohseung, Wirtschaftsrecht, 12. Aufl., 2015, S. 79 ff; Kwon, Ohseung/Seo, Jeong, Antitrustlaw: Theorie und Praxis, 2016, S. 15 ff; Lee, Hoyoung, Antitrust Law, 5. Aufl., 2015, S. 1 ff. u. 49 f. 115 Kwon/Seo (Fußn. 114), S. 142. 116 Art. 2 Nr. 7 S. 2 MRFTA: “In deciding whether an enterpriser is a market-dominating enterpriser, his/her market share, whether and to what extent any barriers to enter into the market
I Die marktbeherrschende Stellung und deren Ausnutzung auf dem relevanten Markt
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b) Das konzeptionelle Verhältnis zwischen Marktbeherrschung und Market Power Strukturelle Faktoren eines Marktes können eine marktbeherrschende Stellung ungeachtet einer geringeren Market Power begünstigen. Die Aufrechterhaltung der Marktmacht kann zwar ein wesentlicher Grund für eine marktbeherrschende Stellung sein, braucht jedoch noch keine tatsächliche Marktherrschaft darzustellen. Man könnte meinen, dass die strikte begriffliche Unterscheidung von Marktbeherrschung und Market Power, Monopoly Power und Economic Strength119 überflüssig ist.120 Die Unterschiede zwischen einem ökonomischen und einem normativen Konzept werden hierbei jedoch nicht beachtet.121 Allerdings ist es zutreffend, dass in der Praxis beide Konzepte ohne besondere Erläuterung angewandt werden. Die Vermutung ist dabei naheliegend, dass sich der Rechtsbegriff durch eine unkritische Anwendung der ökonomischen Faktoren verschiebt. Diese klassische Debatte ist weiterhin von Bedeutung, da hiervon die grundlegenden Unterschiede der Regulierungsauffassungen gegenüber der Missbrauchsaufsicht abgeleitet werden können. Diesbezüglich kann Market Power von einem besonders statischen ökonomischen Standpunkt aus wie folgt definiert werden: »The term market power refers to the ability of a firm to raise price above the competitive level without losing so many sales so rapidly that the price increase is unprofitable
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exist, and the relative size of competitive enterprisers shall be comprehensively taken into account.”; eingehend hierzu Kwon/Seo (Fußn. 114), S. 142-145. S. dazu Enforcement Decree of the Monopoly Regulation and Fair Trade Act (No. 25840, 9.12.2014): erhältlich über http://elaw.klri.re.kr/kor_service/lawView.do?hseq=34874&lang= ENG. S. KFTC, Guidelines for Review of the Abuse of Market Dominant Position (sog. Abuse of Market Position Guidelines, No. 2015-15, 23.10.2015), III. (Näheres folgt: i) die Möglichkeit eines Kartells zwischen den Wettbewerbern, ii) die Existenz von analogen Waren und eines benachbarten Marktes, iii) die Macht zur Marktabschottung, iv) Finanzkraft usw.). Vgl. Faull/Nikpay (Fußn. 36), Ch. 1, Rn. 1.190 ff.; Ch. 4, Rn. 4.130: “In economic terms, the position of economic strength being measured equates to the concept of market power.”; Elhauge/Geradin (Fußn. 58), S. 233-234. Vgl. Edwards (Fußn. 93), S. 182-184: “There four concepts will be called respectively, a) monopoly, b) dominant influence, c) dominant share, and d) monopoly by variable definition.” Vgl. Richard G. Price, Market Power and Monopoly Power in Antitrust Analysis, Corn. L. Rev. Vol. 75, 1989, S. 190; Shoppin’ Bag of Pueblo, Inc. v. Dillon Cos., 783 F.2d 159 (10th Cir. 1986); Westman Commission Co. v. Hobart Intl. Co., 796 F.2d 1216 (10th Cir. 1986), cert denied, 108 S. Ct. 1728 (1988).
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and must be rescinded.«122 Market Power und Monopoly Power werden gegebenenfalls auch ohne eindeutige Unterscheidung verwendet.123 Richtiggehend muss Monopoly Power jedoch als Significant Market Power begriffen werden.124 Ferner kann die Marktbeherrschung als eine beträchtliche und beständige Kraft, den Wettbewerb beschränken zu können, verstanden werden.125 Allerdings ist gemäß der theoretischen Kritik seitens der Ökonomie die Marktbeherrschung nur noch eine zweideutige Konzeption.126 c)
Die Maßstäbe bei der Ermittlung der marktbeherrschenden Stellung und deren Kritik „Das Vorliegen einer beherrschenden Stellung ergibt sich im Allgemeinen aus dem Zusammentreffen mehrerer Faktoren, die jeweils für sich genommen nicht ausschlaggebend sein müssen.“127
aa. Der Marktanteil als ein wichtiges Indiz Allgemein gilt der Marktanteil, der ein erster aufschlussreicher Indikator für die Marktstruktur128 und die relative Bedeutung der auf dem Markt tätigen Unter-
122 Vgl. Kommission, Prioritätenmitteilung, Tz. 11; Landes/Posner (Fußn. 95), S. 937, 939 ff. (insb. Figure 1: Monopoly vs. Competitive Pricing); vgl. John Vickers, Market Power in Competition Cases, Eur. Comp. J. Vol. 2, 2006, S. 4 ff.; Dennis W. Carlton/Jeffrey M. Perloff, Modern Industrial Organization, 2015, S. 117: “It is common practice to say that wherever a firm can profitably set its price above its maginal cost without making a loss, it has monopoly power or market power.”; vgl. Faull/Nikpay (Fußn. 36), Ch. 1, Rn. 1.194-5, Ch. 4, Rn. 4.131 u. 4.133 (insb. bezüglich Fällen wie z.B. United Brands, Hoffmann-La Roche und TeliaSonera). 123 S. dazu Carlton/Perloff (Fußn. 122), S. 117. 124 Landes/Posner (Fußn. 95), S. 937 (sog. a high degree of market power); s. Wurmnest (Fußn. 17), S. 34. 125 Kommission, Prioritätenmitteilung, Tz. 11; s. insb. sog. structural und behavioural definition of dominance Faull/Nikpay (Fußn. 36), Ch. 4, Rn. 4.132-3 f. u. Ch. 1, Rn. 1.211 ff. 126 Aus ökonomischer Sicht stellt »eine marktbeherrschende Stellung« einen undeutlichen Begriff dar. Dies ist jedoch ausschließlich ein Rechtsbegriff und folglich ist vorab ein Verständnis geboten, dass die normative Beurteilung ein Prozess, aus den ungewissen und komplizierten Begriffen eine Folgerung abzuleiten, ist; vgl. Mestmäcker/Schweitzer (Fußn. 12), § 16 Rn. 1. 127 EuGH v. 14.2.1978 - Rs. 27/76, Slg. 1978, 207 Tz. 65-66 - United Brands/Kommission; EuGH v. 15.12.1994 - Rs. C-250/92, Slg. 1994 I-5641 Tz. 47 - Gøttrup-Klim u. a. Grovvareforeninger v. Dansk Landbrugs Grovvareselskab AmbA; vgl. EuG v. 12.12.1991 - Rs. T30/89, Slg. 1991, II-1439, 1481, Tz. 90 - Hilti/Kommission. 128 Bulst (Fußn. 11), Art. 102 AEUV Rn. 44: „Die Struktur des relevanten Marktes, also die im Markt bestehenden Wettbewerbssituation, […].“ u. 48 f.; Mestmäcker/Schweitzer (Fußn. 12), § 17 Rn. 39-41.
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nehmen ist,129 als wichtigstes Kriterium für die Beurteilung jeder Marktstellung.130 Dennoch begründen die Marktanteile der betreffenden Unternehmen für sich genommen noch keine Marktmacht. Jedoch ist offen, ob der Marktanteil als ein gewichtiger Indizienbeweis für die Markmacht oder die marktbeherrschende Stellung angesehen werden kann.131 Tatsächlich betrachten die meisten Behörden und Gerichte den Marktanteil als einen vorrangigen Umstand zur Beurteilung der Marktmacht.132 Überdies sind in einigen Ländern die Richtwerte für den Marktanteil als sog. Schwellenwerte133 durch das Wettbewerbsrecht festgelegt. Daraus folgend kann eine Marktmacht oder eine marktbeherrschende Stellung vermutet werden.134 Da der Marktanteil als ein quantitativer Index unvoreingenommen erscheint und seine Anwendung nicht kompliziert ist,135 kann es aus rein praktischer Sicht von Nutzen sein, mit dem Markanteil zu arbeiten. Allerdings ist diese außerordentliche Fokussierung auf den Marktanteil lediglich eine Bestätigung, dass es unmöglich iat, die tatsächlcihe Marktmacht direkt und einwandfrei zu berechnen. Folglich ist der Marktanteil nur ein deduktiver und alternativer Indikator (sog. Surrogat oder Proxy als Circumstantial Evidence).136 Trotzdem kann nicht in Abrede gestellt werden, 129 Faull/Nikpay (Fußn. 36), Ch. 1, Rn. 1.202 f. u. Ch. 4, Rn. 4.175. 130 Wurmnest (Fußn. 17), S. 79 (Fußn. 116); vgl. EuGH v. 13.2.1979 - Rs. 85/76, Slg. 1979, 461, Tz. 39 ff. - Hoffmann-La Roche/Kommission; EuGH v. 3.7.1991 - Rs. C-62/86, Slg. 1991, I3359, Tz. 60 - AKZO/Kommission; EuG v. 12.12.1991 - Rs. T-30/89, Slg. 1991, II-1439, 1481, Tz. 90-92 - Hilti/Kommission; s. dazu Kommission, Prioritätenmitteilung, Tz. 13-15, 20; s. auch Pranvera Këllezi, Abuse below the Threshold of Dominance? Market Power, Market Dominance, and Abuse of Economic Dependence, in: Mackenrodt/Gallego/Enchelmaier, Abuse of Dominant Position: New Interpretation, New Enforcement Mechanisms?, 2008, S. 60; vgl. zum Verhältnis zwischen Marktmacht und Marktanteile Lenßen (Fußn. 27), S. 25-27; Sullivan/Harrison (Fußn. 53), S. 27-29; Kauper (Fußn. 44), S. 1686 f. 131 S. auch Bulst (Fußn. 11), Art. 102 AEUV Rn. 52: nach der Rspr. AstraZeneca (EuG v. 1.7.2010 - Rs. T-321/05, Slg. 2010, II-2805. Tz. 242 - AstraZeneca/Kommission): „Das dauerhafte Innehaben eines besonders hohen Marktanteils liefert jedoch ‒ von außergewöhnlichen Umständen abgesehen ‒ den Beweis für das Vorliegen einer beherrschenden Stellung.“ u. Rn. 56; Walter Frenz, Europarecht, 2. Aufl., 2015, Kapitel 7 Rn. 1957-1962. 132 Vgl. Kommission, Prioritätenmitteilung, Tz. 15. 133 Bulst (Fußn. 11), Art. 102 AEUV Rn. 53 f.; Bechtold/Bosch/Brinker (Fußn. 11), Art. 102 AEUV Rn. 23. 134 S. z.B. § 18 Abs. 4 GWB: 40% bei Einzelmarktbeherrschung. 135 Der Marktanteil als ein der Industrieökonomie verwendeter Begriff wird im Allgemeinen aus der Verkaufssumme oder dem Verkaufsvolumen berechnet. Nach den Eigenschaften des fraglichen Marktes oder Produkts können der Output und die Produktionskapazität usw. auch in die Rechnung miteinbezogen werden. 136 Bei der Durchführung des Wettbewerbsrechts ist die auf der Marktabgrenzung und dem Marktanteil basierende klassische Analyse keine unmittelbare Methode zur Ermittlung der wettbewerbsbeschränkenden Effekte, sondern nur ein sich durch den Marktanteil als eine sog. stellvertretende Variable der Marktmacht ergebender deduktiver Prozess. In dem Fall,
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dass die normative Sicht auf die intensive Korrelation zwischen der Marktmacht und dem Marktanteil durch die Anhäufung maßgeblicher Fälle abgebildet wird. In der EU gilt Folgendes: Im Großen und Ganzen kann daraus die Einsicht gewonnen werden, dass der Grad des Marktanteils, der erreicht werden muss, um in der EU eine marktbeherrschende Stellung innezuhaben, relativ niedrig und flexibel ist: Hoffmann-La Roche (70-80% und unter 43% kein Problem), Michelin (57-65%), United Brands (40-45%), British Airways/Virgin (39.7%, hieran hat Virgin nur 5.5%).137 Im Fall AKZO hat der EuGH schlussendlich einen Marktanteil von 50% als ausreichend angesehen, solange keine besonderen Umstände vorliegen (sog. AKZO-Doktrin).138 Hiermit wurde eine ausdrückliche Richtzahl für den Marktanteil festgelegt. Obwohl dies natürlich eine Vermutung ist, ist deren Gegenbeweis nicht leicht. Ab diesem Zeitpunkt haben die Gerichte und die Kommission einen verhältnismäßig klaren Maßstab vorgelegt: Bei über 50% wird eine marktbeherrschende Stellung vermutet. Bei über 40% wird das Unternehmen als Prüfungsobjekt angesehen. Bei weniger als 25% ist eine marktbeherrschende Stellung die Ausnahme.139 In den USA gilt Folgendes: Der US-amerikanische Maßstab für einen problematischen Marktanteil ist mit über 70% im Vergleich zur EU verhältnismäßig hoch. Die US-amerikanische Situation, wonach keine ausdrückliche Vorschrift zur Beurteilung von Monopoly Power besteht, wurde durch vorherige Fälle140 bereits angesprochen und des Weiteren wurden die Marktanteilsschwellenwerte im Fall Alcoa141 von Judge Hand verdeutlicht.142 Es ist anzunehmen, dass diese Schwellenwerte einen Wandel erfahren werden. Darüber hinaus wird folgende
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dass gewisse Tatsachen ‒ der Missbrauch der Marktmacht oder die ungerechtfertigte Wettbewerbsbeschränkung ‒ nachvollziehbar unter Beweis gestellt werden können, kann der Marktanteil daher nur ein Faktor sein, um diese Tatsachen zu bestätigen. S. zuvor Kling/Thomas (Fußn. 37), § 6 Rn. 58-63. EuGH v. 3.7.1991 - Rs. C-62/86, Slg. 1991, I-3359, 5. Leitsatz (Tz. 60) - AKZO Chemie/ Kommission. Vgl. Kling/Thomas (Fußn. 37), § 6 Rn. 60 (insb. Fußn. 143). Standard Oil Co. of N.J. v. U.S., 221 U.S. 1, 33 (1911); U.S. v. Am. Tobacco Co., 221 U.S. 106, 157-58 (1911); U.S. v. Int'l Harvester, 214 F. 987, 991 (D. Minn. 1914); U.S. v. United States Steel Corp., 251 U.S. 417, 439 n.1, 444-45 (1920); Standard Oil Co. (Indiana) v. U.S., 283 U.S. 163, 176-77 (1931); Appalachian Coals, Inc. v. U.S., 288 U.S. 344, 373-76 (1933). U.S. v. Aluminum Co. of Am., 148 F. 2d 416 (1945). Andrew I. Gavil, Exclusionary Distribution Strategies by Dominant Firms: Striking a Better Balance, Antitrust L. J. Vol. 72, 2004, S. 11-12: »33% or less, insufficient; 64% doubtful; 90% certainly«.
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Richtungsänderung durch die Fälle NCAA143 und Indiana Federation of Dentists144 klar verdeutlicht: Die Beweiskraft eines Marktanteils kann geringer sein, wenn unmittelbare Beweise für wettbewerbsbeschränkende Effekte erbracht werden.145 In Korea gilt Folgendes: In Art. 4 MRFTA »Presumption of MarketDominating Entrepreneur«146 kommen die marktanteilsbezogenen Maßstäbe zum Ausdruck, wodurch sich eine marktbeherrschende Stellung eines oder mehrerer Unternehmen147 vermuten lässt: »No. 1. Market share of one entrepreneur is 50/100 or more; or No 2. The total market share of not less than three entrepreneurs is 75/100 or more. Provided, that those whose market share is less than 10/100 shall be excluded«. Trotz dieser normativen Bestimmung wird an folgenden Punkten Kritik geübt: i) den niedrigeren Maßstäbe im Vergleich zur EU und den USA, und ii) der Regulierungsmöglichkeit eines niedrigen Marktanteils in Bezug auf No. 2 (die sog. kollektive Marktbeherrschung, d.h., wenn z.B. ein Unternehmen, das den 2. Platz auf dem relevanten Markt belegt, nur einen Marktanteil von 11% besitzt).148 bb. Die Grenzen des Marktanteils als wichtigster Bewertungsmaßstab „Die Bedeutung von Marktanteilen schwankt in Abhängigkeit von der Produktions-, Angebots- und Nachfragestruktur.“149
Trotz der quantitativen Klarheit ist der Marktanteil nicht so leicht zu berechnen. So lassen sich verschiedene Faktoren und Beschaffenheiten des betreffenden Marktes und des betreffenden Produkts darauf anrechnen. Anhand dieser ursprünglichen Aufgabe werden zahlreiche theoretische und praktische Grenzen sichtbar: i) die auf den statistischen Daten beruhenden Probleme, d.h. die Verlässlichkeit oder Verhältnismäßigkeit des Anteils, ii) die Probleme auf dynamischen Märkten, auf die die konventionelle Markt- oder Produktkonzeption nicht 143 NCAA v. Bd. of Regents, 468 U.S. 85, 109-110 (1984). 144 FTC v. Indiana Fed’n of Dentists, 476 U.S. 447, 460-461 (1986). 145 Andrew I. Gavil, Copperweld 2000: The Vanishing Gap between Sections 1 and 2 of the Sherman Act, Antitrust L. J. Vol. 68, 2000, S. 95 ff. 146 Art. 4 MRFTA: “An entrepreneur (excluding the entrepreneur whose annual amount of sales or purchase in a particular business area is less than 4 billion won) whose market share in a particular business area falls under the following subparagraphs shall be presumed a marketdominating entrepreneur referred to in subparagraph 7 of Article 2.” 147 S. dazu auch sog. »collective dominance« Art. 2-7 MRFTA “[…] individually or jointly with other entrepreneurs […].” 148 S. dazu Kwon/Seo (Fußn. 114), S. 146-148. 149 Mestmäcker/Schweitzer (Fußn. 12), § 17 Rn. 42.
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§ 1 Einführung in den von Marktführern ausgeübten Behinderungsmissbrauch
passt, d.h. die Dauerhaftigkeit und die Kompatibilität des Anteils und iii) die Abhängigkeit vom Marktanteilswandel als ein struktureller Indikator oder von einer Marktzutrittsbarriere als ein unternehmerischer Verhältnisindikator.150 Diese Grenzen sind ein Grund für die Beachtung anderer Faktoren als nur den Marktanteil. cc. Die Unumgänglichkeit der Rücksichtnahme auf die verschiedenen Marktmerkmale Zweifelsfrei ist anzuerkennen, dass sich die normative und empirische Korrelation zwischen dem Marktanteil und der Marktmacht in vielen Fällen niedergeschlagen hat.151 Die tatsächlichen Wettbewerbsverhältnisse können jedoch unter gewissen Umständen verändert werden, wenn anhand des Marktanteils ermittelt wird, ob Unternehmen über Marktmacht verfügen und, wenn ja, wie groß eine solche Marktmacht ist.152 In dem Fall, dass der Marktanteil auf einem Markt sehr schwankt,153 darf der Marktanteil nicht allein als einflussreicher Indikator für den Wettbewerbsgrad oder -druck herangezogen werden. Hier werden andere Marktfaktoren wie die Marktstruktur,154 ein erheblicher Abstand der Marktanteile zwischen den betreffenden Wettbewerbern,155 gesetzliche
150 S. auch O'Donghue/Padilla (Fußn. 21), S. 112. 151 S. zuvor Hovenkamp (Fußn. 19), S. 273 f.; Sullivan/Harrison (Fußn. 53), S. 27-29 u. 32 ff. (insb. verschiedene Fälle von »Market Power in the Courts«). 152 S. auch Landes/Posner (Fußn. 95), S. 938: “Other evidence ‒ for example, of the defendant´s profits, or of the ability of new firms enter the market, or of price discrimination ‒ may be presented to reinforce or refute the inference from market shares.”; vgl. Bechtold/Bosch/ Brinker (Fußn. 11), Art. 102 AEUV Rn. 24; s. auch über »economic advantages« und »costs and network effects« Richard Whish/David Bailey, Competition Law, 8 ed., 2015, S. 195196. 153 Beispielsweise wenn Möglichkeiten, wie die zukünftige Geschäftserweiterung oder der Marktzutritt von Wettbewerbern, eindeutig vorhersehbar sind oder wenn eine Veränderung des Marktanteils stark von der technischen Entwicklung abhängig ist; vgl. Bulst (Fußn. 11), Art. 102 AEUV Rn. 57 ff. 154 EuGH v. 14.2.1978 - Rs. 27/76, Slg. 1978, 207 - United Brands/Kommission. Aufgrund des von der Herstellung bis zur Versorgung einheitlich verbundenen Systems kann er die Oberhand über den Wettbewerb behalten. 155 EuGH v. 14.2.1978 - Rs. 27/76, Slg. 1978, 207 - United Brands/Kommission; EuGH v. 9.11.1983 - Rs. 322/81, Slg. 1983, 3461 - Michelin/Kommission; EuGH v. 15.3.2007 - Rs. C95/04 P, Slg. 2007 I-2331 - British Airway plc./Kommission. Selbst wenn der Marktanteil niedrig ‒ z.B. unter 40% ‒ ist, kann der aufgrund des beträchtlichen Abstands von dem Marktanteil der Wettbewerber in Frage kommen; s. dazu Këllezi (Fußn. 130), S. 76 (insb. Table 2); s. auch Kommission, Prioritätenmitteilung, Tz. 14.
I Die marktbeherrschende Stellung und deren Ausnutzung auf dem relevanten Markt
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Hindernisse156 und Umwandlungskosten der Handelspartner157 mit Ausnahme von außergewöhnlich hohen Marktanteilen158 zusätzlich berücksichtigt.159 In der Praxis muss die relative Bedeutung der oben genannten Faktoren bezüglich der jeweiligen Marktumstände gesehen werden.160 Diese Faktoren sind, wie bereits oben erwähnt, vielfältig161 und können nach der Analysemethode der sog. Quantitative or Qualitative Analysis unterschieden werden. Damit können die sachlichen Gewichtungen der berechneten Faktoren miteinander auf dieselbe Stufe gestellt werden.162 Die im Folgenden erläuterte vertikale Integration als eine Unternehmensstruktur ist ebenfalls ein Faktor. Je nach der in Frage kommenden Missbrauchsform sollte diese besondere Struktur genauer geprüft werden. d) Stellungnahme: Die zu beachtenden Marktmerkmale bei der vertikalen Integration „Es sind der Reihe nach UBCs Mittel und Methoden für die Produktion, die Verpackung, den Transport, den Verkauf und die Aufmachung ihres Erzeugnisses zu untersuchen. UBC ist ein sehr weitgehend vertikal integriertes Unternehmen.“163
Die jeweilige Unternehmensstruktur kann Teil einer Wettbewerbsstrategie sein, wobei es unbestreitbar ist, dass diese im frei betrieblichen Handlungsspielraum der Unternehmen liegt. Diesbezüglich ist der Hinweis auf die prinzipielle Grenze der zulässigen Marktverhaltensweisen von Mestmäcker/Schweitzer zutreffend: »Normales, marktunabhängig die eigenen unternehmerischen Interessen wahrnehmendes Verhalten steht auch Marktbeherrschern offen«.164 Dessen 156 Insb. geistiges Eigentum wie das exklusive Patent oder das technische Knowhow, die Frequenzen der staatlichen Kontrolle, die Restriktionen der Zollverordnung sind eine starke Barriere in der Wirksamkeit. Diese Umstände lassen sich bei der Ermittlung der Marktstellung berücksichtigen; s. dazu Whish/Bailey (Fußn. 152), S. 194 (»legal barriers« in Fällen Tetra Pak I und Hugin). 157 S. dazu Kommission, Prioritätenmitteilung, Tz. 10. 158 EuGH v. 3.7.1991 - Rs. C-62/86, Slg. 1991, I-3359, 5. Leitsatz - AKZO Chemie/Kommission; EuG v. 12.12.1991 - Rs. T-30/89, Slg. 1991, II-1439, Tz. 92 - Hilti/Kommission: „[…] unter denen jedoch das Vorliegen erheblicher Marktanteile in hohem Maße kennzeichnend ist.“; EuG v. 1.7.2010 - Rs. T-321/05, Slg. 2010, II-2805. Tz. 243 - AstraZeneca/Kommission. 159 Frenz (Fußn. 131), Kapitel 7 Rn. 1963 ff. 160 Vgl. Bulst (Fußn. 11), Art. 102 AEUV Rn. 59 ff. (insb. Rn. 59-60: Kriterien der Unternehmensstruktur). 161 S. dazu auch Emmerich (Fußn. 45), § 9 Rn. 25-29. 162 Vgl. Faull/Nikpay (Fußn. 36), Ch. 4, Rn. 4.139 ff. 163 EuGH v. 14.2.1978 - Rs. 27/76, Slg. 1978, 207 Tz. 69-70 - United Brands/Kommission. 164 Mestmäcker/Schweitzer (Fußn. 12), § 19 Rn. 1.
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§ 1 Einführung in den von Marktführern ausgeübten Behinderungsmissbrauch
ungeachtet, lassen sich solche grenzüberschreitenden Verhaltensweisen durch die Missbrauchsaufsicht kontrollieren. Vor allem die Unternehmensstruktur als ein zu berücksichtigender Faktor spielt bei der Ermittlung einer marktbeherrschenden Stellung eine wesentliche Rolle. „Der vertikale Integrationsgrad; ein technologischer Vorsprung gegenüber Konkurrenten; ein kommerzieller Vorsprung aufgrund überlegener Qualität und Kontrolle des Vertriebsnetzes, straffe Organisation des Absatzes oder eine gut eingeführte und intensiv beworbene Marke; die Abhängigkeit von Abnehmern von dem fraglichen Unternehmen; die Produktions- und Lieferkapazitäten; die Breite des Produktsortiments im Verhältnis zu dem der Wettbewerber innerhalb des relevanten Marktes; die Wirtschafts- und Finanzkraft eines Unternehmens“165
Tatsächlich kommt es in den anschaulichen Missbrauchsfällen wie z.B. United Brands oder Hoffmann-La Roche selten vor, dass die strukturellen Eigenschaften der Unternehmen keine Bedeutung haben. Weiterhin sind diese Eigenschaften den betreffenden Hauptursachen nach unterschiedlich166 und im jeweiligen Fall können auch mehrere Eigenschaften gleichzeitig in Betracht gezogen werden.167 Des Weiteren ist die Betrachtung der strukturellen Eigenschaften eines auf einem Quasi-Monopolmarkt tätigen marktbeherrschenden Unternehmens ebenso wichtig wie das allgemeine oder spezielle Verhältnis der betreffenden Industrien. Daher muss dies bei der Ermittlung einer marktbeherrschenden Stellung vorrangig in Erwägung gezogen werden. Eine der wesentlichen Ursachen des durch die KPS durchgeführten Marktstrukturmissbrauchs ist die beherrschende Stellung auf dem vorgelagerten Markt.168 Anhand der eingangs erwähnten Kriterien auf dem betreffenden ‒ horizontalen ‒ Markt kann dies beurteilt werden. Innerhalb dieser Marktstruktur ist jedoch der wichtigste Faktor, die Wettbewerber verhältnismäßig leicht verdrängen zu können. Nicht der hohe Marktanteil als arithmetischer Index spielt eine herausragende Rolle, sondern vielmehr die von den speziellen Marktsituationen herkommenden speziellen Wettbewerbselemente. Daher müs165 In der umfangreichen Entscheidungspraxis spielen für die Beurteilung der unternehmerischen Struktur insbesondere diese Faktoren eine Rolle; dazu ausfühlich Bulst (Fußn. 11), Art. 102 AEUV Rn. 60; Frenz (Fußn. 131), Kapitel 7 Rn. 1979. 166 Bulst (Fußn. 11), Art. 102 AEUV Rn. 59-60. 167 Vgl. Bulst (Fußn. 11), Art. 102 AEUV Rn. 60. 168 O'Donghue/Padilla (Fußn. 21), S. 367: “Absent market power of this kind, downstream firms could simply at the same quality from competing upstream firms.”
I Die marktbeherrschende Stellung und deren Ausnutzung auf dem relevanten Markt
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sen die tatsächlichen Auswirkungen der marktbeherrschenden Stellung mit Rücksicht auf das Verhältnis zwischen den vorgelagerten und nachgelagerten Märkten bewertet werden. Es ist somit nur theoretisch möglich, ohne einen großen Marktanteil die KPS auszuüben. 5
Die besondere Verantwortlichkeit der marktbeherrschenden Unternehmen
»Most firms are for-profit firms: They exist to make money. […] The standard assumption in most economic models is that the primary objective of a manager of a firm is to maximize the firm’s profits.«169 Die ökonomische Sicht auf den Zweck des Unternehmens berücksichtigt keine am Profit unbeteiligten Gegenstände, insbesondere nicht die Pflichten, die mit seiner Marktstellung einhergehen. Vor diesem Hintergrund sind die geschriebenen und ungeschriebenen wettbewerbsrechtlichen Soll-Vorschriften, die Unternehmen betreffen, zu betrachten. Wie oben bereits erwähnt, sind die marktbeherrschenden Unternehmen darin frei, aufgrund ihrer Kapazität oder Effizienz eigene Wettbewerbsstrategien zu entwickeln. Daraus folgt, dass solche Marktverhaltensweisen, die Wettbewerbsbehinderungen herbeiführen können, nicht allein aus diesem Grund reglementiert werden. Marktbeherrschende Unternehmen haben also keine allgemeine Verpflichtung zum Schutz der Marktstruktur oder ihrer Wettbewerber aufgrund ihrer Marktstellung. 170 In Anbetracht des primären Zwecks einer Regulierung des Behinderungsmissbrauchs ‒ die Verhinderung von durch eine Beschränkung der wirtschaftlichen Freiheiten anderer Unternehmen ausgeübten Missbräuche ‒ bleibt die sog. zusätzliche Rücksichtnahmepflicht jedoch gültig:171 »Marktbeherrschenden Unternehmen werden durch das Verbot des Behinderungsmissbrauchs zusätzliche Rücksichtnahmepflichten172 auferlegt, die sie sowohl gegenüber der Markt169 Carlton/Perloff (Fußn. 122), S. 36-37. 170 Wernhard Möschel, Die Idee der rule of law und das Kartellrecht heute, ORDO, 1979, S. 295, 308 ff. 171 Rainer Bechtold/Wolfgang Bosch, GWB Kommentar, 8. Aufl., 2015, § 19 Rn. 7; s. auch Bechtold/Bosch/Brinker (Fußn. 11), Art. 102 AEUV Rn. 41 (z.B. zum Missbrauch durch längerfristige ausschließliche Bezugsverpflichtungen); Kling/Thomas (Fußn. 37), § 6 Rn. 6. 172 S. dazu auch Bulst (Fußn. 11), Art. 102 AEUV Rn. 85 (über »eine besondere Verantwortung«); EuGH v. 14.10.2010 - Rs. C-280/08P, Slg. 2010, I-9555 Tz. 176 - DT/Kommission: „Da Art. 82 EG somit nicht nur Verhaltensweisen erfasst, durch die den Verbrauchern ein unmittelbarer Schaden erwachsen kann, sondern auch solche, die sie durch die Beeinträchtigung des Wettbewerbs schädigen, trägt das Unternehmen, das eine beherrschende Stellung innehat, eine besondere Verantwortung dafür, dass es durch sein Verhalten einen wirksamen
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§ 1 Einführung in den von Marktführern ausgeübten Behinderungsmissbrauch
gegenseite wie gegenüber der Marktnebenseite verpflichten, wettbewerbsinkonformes, leistungsfremdes Marktverhalten zu unterlassen, um so einer weiteren Verschlechterung der Wettbewerbsbedingungen entgegenzuwirken.«173 Demnach können Marktverhaltensweisen von marktbeherrschenden Unternehmen aus wettbewerbsrechtlichen oder wettbewerbspolitischen Gründen kontrolliert werden, um den gemeinnütziger Wert des Wettbewerbsschutzes zu verwirklichen.174 Im Gegensatz zum gleichen Verhalten anderer Unternehmen können marktbeherrschende Unternehmen nämlich die Rechtswidrigkeit ihrer Marktverhaltensweisen ‒ in Hinblick auf das Mittel und das Ergebnis der Wettbewerbsstrategien ‒ relativ einfach zulassen. Dieses normative Einverständnis über die besondere Verantwortlichkeit ist obendrein unabdingbar, um den Zweck der Behinderungsmissbrauchsaufsicht zu verstehen.175
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Die Formen des Missbrauchs der marktbeherrschenden Stellung
Im Folgenden werden der Begriff und die Formen des Missbrauchs ausführlich dargestellt. In Kapitel 2 (insb. I.) werden die verbotenen Verhaltensweisen neben den betreffenden Regulierungsgrundlagen dargelegt. Im Folgenden wird in Kapitel 4 die KPS als eine für vertikal integrierte Märkte typische Missbrauchsform ausführlich behandelt.
und unverfälschten Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt nicht beeinträchtigt.“; EuGH v. 2.4.2009 - Rs. C-202/07P, Slg. 2009, I-2369, Tz. 105-106 - France Télécom SA/Kommission; EuGH v. 6.6.2012 - Rs. C-457/10P, ECLI:EU:C:2012:770 - AstraZeneca AB u. AstraZeneca plc/Kommission; EuGH v. 9.11.1983 - Rs. 322/81, Slg. 1983, 3461, Tz. 57 - Michelin/Kommission; EuG v. 1.4.1993 - Rs. T 65/89, Slg. 1993, II-389 Tz. 67 - BPB Industries u. Brit. Gypsum/ Kommission. 173 Vgl. KG WuW/E 2402 ff. = BB 1981, 1110 Fertigfutter/Effem m. Anm. Markert, 1113 f. von Bechtold/Bosch (Fußn. 171), § 19 Rn. 6-7. 174 In diesem Zusammenhang wird die amerikanische Gegenposition anhand der in Kapitel 5 besprochenen Fälle erläutert. 175 S. dazu auch Rousseva (Fußn. 13), S. 10 ff. (die geschichtlichen Vorgänge von Art. 82) u. 71 f. (sog. Special Responsibility Doctrine). Die Auferlegung solch einer besonderen Verantwortlichkeit ist nicht nur für die naive Rücksicht auf die Handelspartner oder die Wettbewerber, sondern für die Wettbewerbsfreiheit Dritter als eine funktionelle Voraussetzung des Wettbewerbs; s. auch Faull/Nikpay (Fußn. 36), Ch. 4, Rn. 4.126.
II Die begriffliche Annäherung an die Behinderungsmissbrauchsaufsicht…
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II Die begriffliche Annäherung an die Behinderungsmissbrauchsaufsicht und die damit zusammenhängenden Konzeptionen 1 Der Behinderungsmissbrauch und dessen Regulierungszweck Trotz der fortwährenden Versuche des EuGH, einen brauchbaren Missbrauchsbegriff zu definieren, ist das Ableiten einer eindeutigen Definition immer noch schwierig.176 Demnach lassen sich das Verständnis des wettbewerbsbezogenen Wesens der verbotenen Verhaltensweisen und ihre Zusammenhänge nur mittelbar herleiten.177 Überdies kann der wettbewerbsrechtliche Missbrauch als ein objektiver Begriff 178 je nach Eigenschaft der wettbewerbsbeschränkenden Form179 begrifflich unterteilt werden.180 a)
Die Definition des Behinderungsmissbrauchs „Jedoch ist es in der Regel mit der Unabhängigkeit des Verhaltens, die für eine beherrschende Stellung charakteristisch ist, unvermeidbar, wenn ein Unternehmen unter dem Druck der Preissenkungen seiner Wettbewerber ebenfalls die Preise senken muss.“181
176 S. zuvor Kling/Thomas (Fußn. 37), § 6 Rn. 82 ff.; Bulst (Fußn. 11), Art. 102 AEUV Rn. 85; Bechtold/Bosch/Brinker (Fußn. 11), Art. 102 AEUV Rn. 27-32; s. die Implikationen des Falls Hoffmann-La Roche bezüglich »the development oft he concept of abuse« Rousseva (Fußn. 13), S. 32. 177 Vgl. Bulst (Fußn. 11), Art. 102 AEUV Rn. 85, 89 u. 90 (s. auch EuGH v. 21.2.1973 - Rs. 6/72, Slg. 1973, 215, Rn. 26 - Continental Can/Kommission), Rn. 135 f. (über das sog. Verhältnismäßigkeitsprinzip). 178 Eingehend hierzu Kling/Thomas (Fußn. 37), § 6 Rn. 82-89; Bechtold/Bosch/Brinker (Fußn. 11), Art. 102 AEUV Rn. 32; EuG v. 10.4.2008 - Rs. T-271/03, Slg. 2008, II-477 Tz. 233 DT/Kommission: „[…], dass der Begriff der missbräuchlichen Ausnutzung einer beherrschenden Stellung ein objektiver Begriff ist, der solche Verhaltensweisen eines Unternehmens in beherrschender Stellung erfasst, die die Struktur eines Marktes beeinflussen können, […].“ 179 S. auch die Arten missbräuchlicher Verhaltensweisen Kling/Thomas (Fußn. 37), § 6 Rn. 9396. 180 Bulst (Fußn. 11), Art. 102 AEUV Rn. 6-8: „[…] wobei die Grenze insb. zwischen den ersten beiden Formen (Ausbeutungs- und Behinderungsmissbrauch) in Einzelfällen fließend sein kann und Überschneidungen möglich sind.“ 181 EuGH v. 13.2.1979 - Rs. 85/76, Slg. 1979, 461, Tz. 71 - Hoffmann-La Roche/Kommission; s. auch die normative Bewertung dieses Falls bezüglich der begrifflichen Entwirklung des »Abuse« Rousseva (Fußn. 13), S. 32: “[…]: it led to the exclusion of efficiency consideration from the analysis of a dominant firm´s conduct; and it prompted a »compartmentalised« ap-
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§ 1 Einführung in den von Marktführern ausgeübten Behinderungsmissbrauch
Im Vergleich zum Ausbeutungsmissbrauch ist der Behinderungsmissbrauch ‒ bisweilen auch Verdrängungsmissbrauch182 genannt ‒ zumindest seitens der begrifflichen Unterscheidungen verhältnismäßig umfangreich.183 Die verschiedenen Behinderungsverhaltensweisen ‒ wie beispielsweise Ausschließlichkeitsbindungen, Kopplung, Kampfpreise, Lieferverweigerung oder KostenPreis-Schere ‒184 werden neben den Ausbeutungs- und Marktstrukturmissbräuchen in Art. 102 S. 2 AEUV erfasst.185 Aus den allgemeinen Merkmalen dieser Verhaltensweisen kann nachfolgend ein sachgemäßer Begriff definiert werden: »Dieser Begriff erfasst hauptsächlich die gegen Konkurrenten auf dem bereits beherrschten oder auf dritten Märkten gerichteten Maßnahmen eines marktbeherrschenden Unternehmens«.186 Daher kann die Missbrauchsaufsicht gerechtfertigt sein, wenn marktbeherrschende Unternehmen durch wettbewerbswidrige Verhaltensweisen ihre Marktstellungen auf einem Markt, in dem der Restwettbewerb bereits durch seine Struktur beschränkt wird,187 aufrechterhalten, verstärken oder diese auf ein marktbeherrschendes Niveau ausdehnen oder transportieren.188 Das USAntitrust Law enthält keine ausdrückliche Definition oder Vorschrift für Exclusionary Abuse. Diese wird jedoch dem Sec. 2 Sherman Act, der Verbotstatbestände für Monopolization vorsieht.189 Allgemein gliedert sich Exclusionary Abuse in »non-price« oder »price exclusionary conducts« und »mixed conducts«.190
182 183 184 185 186 187 188 189
190
proach developed along the formal characteristics of the conduct in question with a view to identifying it with a familiar class of impediment-type behaviours.” Die beiden Ausdrücke sind ohne strengen Unterschied anwendbar. Nach meiner persönlichen Meinung jedoch ist die normative Implikation der »Verdrängung« mit dem »Exclusionary« in den USA in gewissem Sinne in dieser Arbeit (S. dazu Kapitel 1. II. 1. b)). Allerdings umfasst der Ausbeutungsmissbrauch zuminsest in der Praxis die verschiedenen Verhaltensweisen; vgl. Bulst (Fußn. 11), Art. 102 AEUV Rn. 7-8. S. Kommission, Prioritätenmitteilung, Tz. 32 ff; s. auch Faull/Nikpay (Fußn. 36), Ch. 4, Rn. 4.16 ff. S. auch Kling/Thomas (Fußn. 36), § 6 Rn. 93-96. Kling/Thomas (Fußn. 37), § 6 Rn. 95; Bulst (Fußn. 11), Art. 102 AEUV Rn. 90 u. 92; s. auch Dreher/Kulka (Fußn. 40), § 6 Rn. 1129: „Die Fälle des Behinderungsmissbrauchs betreffen vor allem Versuche, Mitbewerber vom Markt zu verdrängen.“ S. dazu Wurmnest (Fußn. 17), S. 93 ff. Vgl. Kommission, Prioritätenmitteilung, Tz. 19 f. S. zuvor Hovenkamp (Fußn. 19), S. 271, 276 ff.; vgl. Pierre Larouche/Maarten Piter Schinkel, Continental Drift in the Treatment of Dominant Firms: Art. 102 TFEU in Contrast to Sec. 2 Sherman Act, in: Blair/Sokol, Oxford Handbook of Int. Anti. Econ., Vol. 2, 2015, S. 153 ff. (insb. S. 154-155 »Monopollization« versus »abuse«: convergence on exclusionary behavior und S. 156 eine Figur). Während erstere »Exclusive Dealing«, »Tying« und »Bundling« als Non-Price Exclusionary und zugleich »Predatory Pricing«, »Above-Cost Discount« und »Simple Rebater« als Price
II Die begriffliche Annäherung an die Behinderungsmissbrauchsaufsicht…
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„Der Begriff des Behinderungsmissbrauchs umfasst Marktverhalten, das den Wettbewerb schwächt, etwa indem es Wettbewerbern des marktbeherrschenden Unternehmens den Zugang zu Absatz- oder Inputmärkten versperrt. Es richtet sich damit direkt oder indirekt gegen (auch potenzielle) Wettbewerber auf dem beherrschten oder einem benachbarten Markt.“191
Schließlich können die Behinderungsmissbräuche eines Unternehmens als Marktverhaltensweisen verstanden werden, die durch missbräuchliche Wettbewerbsmittel ohne Zusammenhang mit dessen Marktergebnissen (sog. Leistungswettbewerb)192 die bestehende Wettbewerbssituation absichtlich verdrehen. b) Die begriffliche Lücke zwischen Behinderungsmissbrauch und Exclusionary Abuse Die Ausdrücke »Behinderung« in der EU und in Deutschland sowie Exclusionary in den USA werden bei der allgemeinen Erläuterung der Missbrauchsaufsicht benutzt.193 Man kann jedoch bei einem Vergleich der beiden Konzeptionen einen feinen, aber wichtigen Unterschied in Bezug auf die Rechtswidrigkeit feststellen. Der Begriff des Behinderungsmissbrauchs ist nicht auf einige verdrängungsverdächtige Verhaltensweisen der Wettbewerber beschränkt.194 Vielmehr kann dieser Begriff auch Marktverhaltensweisen zur Verstärkung der Marktstellung umfassen, die keinen Ausschluss der Wettbewerber aus dem betreffen-
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Exclusionary umfassen können. »Loyalty«, »Market Share Discounts«, »Reward« und »Incentive« den letzteren angehören. Bulst (Fußn. 11), Art. 102 AEUV Rn. 89 ff. (insb. Rn. 92). S. auch »competition on the merits« Whish/Bailey (Fußn. 152), S. 209; Rousseva (Fußn. 13), S. 32: “The ordoliberal notion of competition on the merits, which includes only conduct that does not impede rivals and does not rely on market power, is the core of the classical definition of an exclusionary abuse provided by the Court of Justice in the seminal Hoffmann-La Roche case.”; Mestmäcker/Schweitzer (Fußn. 12), § 19 Rn. 1: „Wettbewerbswidriges Verhalten beherrschender Unternehmen muss von dem normalen Produkt- und Dienstleistungswettbewerb auf der Grundlage der Leistungen der Marktbürger abgegrenzt werden.“ Im Allgemeinen gibt es keine begriffsmäßige Grenze zwischen »Exclusion« und »Exclusionary«. Aber die von Gavil aufgezeigte Auslegung des Urteils für Aspen Skiing (472 U.S. 585, 605-602) ist bemerkenswert; s. dazu Gavil (Fußn. 142), S. 17-18. Vgl. Steven C. Salop, Exclusionary Conduct Effect on Consumers and the Flawed ProfitSacrifice Standard, Antitrust L. J. Vol. 73, 2006, S. 311: “Exclusion involves a firm (or group of firms) raising the costs or reducing the revenues of competitors in order to induce the competitors to raise their prices, reduce output, or exit from the market.”
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§ 1 Einführung in den von Marktführern ausgeübten Behinderungsmissbrauch
den Markt bewirken.195 Aus diesem Grund kann die Rechtswidrigkeit vor dem Hintergrund des Begriffs des Exclusionary Conduct als zu eng angesehen werden (sog. grundlegende Verkleinerung des anwendbaren Marktverhaltensbereiches). Das Verständnis dieses wesentlichen Unterschieds ist also entscheidend, um den Grund der nicht übereinstimmenden wettbewerbsrechtlichen Urteile zwischen der EU und den USA zu verstehen. Da für die »caused by exclusionary abuse« nach dem Fall Tampa Electric196 starke wettbewerbsbeschränkende Beweise erforderlich sind, ist der Bereich zur Regulierung eines Monopols de facto verengt. Darüber hinaus wurde die Daseinsberechtigung der Exclusion im Fall Jefferson Parish Hospital197 bedingt in Abrede gestellt, wenn ein spürbarer Teil der Verkäufer oder Käufer aus dem fraglichen Markt verdrängt werden. Allerdings kann dies im kohärenten Zusammenhang der Ausdehnung der Rule of Reason verstanden werden. c)
Der Zweck und die Schwierigkeiten der Behinderungsmissbrauchsaufsicht
Die Frage nach dem Regulierungszweck des Behinderungsmissbrauchs muss im Rahmen der allgemeinen Debatte über den Zweck der wettbewerbsrechtlichen Missbrauchsaufsicht (aus dem Art. 102 AEUV und §§ 18 ff. GWB) zwingend gestellt werden.198 Auch die Möglichkeit einer Kollision der verschiedenen Regulierungszwecke ‒ das sog. Dilemma zwischen »Freedom of Competition« und »Good Market Outcomes« ‒ sollte daher behandelt werden.199 Hierbei ist es fraglich, ob der Schutz der Wettbewerbsfreiheit für die Maximierung der ökonomischen Effizienz hinderlich ist. Diese Frage ist schwer zu beantworten, da sich der anzuwendende Wertmaßstab je nach wettbewerbsrechtlicher Entwicklungsgeschichte verändern kann. Offenkundig ist allerdings, dass die 195 S. dazu Bulst (Fußn. 11), Art. 102 AEUV Rn. 92: „Es richtet sich damit direkt oder indirekt gegen (auch potenzielle) Wettbewerber auf dem beherrschten oder einem benachbarten Markt.“; vgl. Kommission, Leitlinien zur Bewertung nichthorizontaler Zusammenschlüsse gemäß der Ratsverordnung über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (zitiert als Leitlinien Bewertung nichthorizontale Zusammenschlüsse), ABl. C 265, 18.10.2008, Tz. 29: „Abschottung liegt somit selbst dann vor, wenn die Wettbewerber nicht zum Marktaustritt gezwungen werden: Es reicht bereits aus, dass die Wettbewerber benachteiligt werden und ihre Konkurrenzfähigkeit nachlässt.“ 196 Tampa Elec. v. Nashville Coal Co., 365 U.S. 320 (1961). 197 Jefferson Parish Hosp. Dist. No. 2 v. Hyde, 466 U.S. 2, 45 (1984). 198 S. dazu Erich Hoppmann, Zum Schutzobjekt des GWB, in: Mestmäcker (Hrsg.), Wettbewerb als Aufgabe. Nach 10 Jahren Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 1968, S. 61-104. 199 S. auch Roger Zäch/Adrian Künzler, Efficiency or freedom to compete? Towards an axiomatic theory of competition law, ZWeR 2009, S. 271 f.
II Die begriffliche Annäherung an die Behinderungsmissbrauchsaufsicht…
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„Zweck-Debatte“ durch den einfachen Ausschluss alternativer Werte nicht beendet ist. Daran anschließend kann sich eine weitere Frage bei der Behinderungsmissbrauchsaufsicht ergeben: Ist diese Aufsicht für eine Regulierung oder eine aktive Abhilfe von bedeutenden Eingriffen in die Wettbewerbsfreiheit oder nur für die normative Abwägung der positiven und negativen Effekte der fraglichen Marktverhaltensweisen zuständig? aa. Der Regulierungszweck Der außerordentliche Verhaltensspielraum der Unternehmen, sich willkürlich dem Wettbewerbsdruck zu fügen oder ihm auszuweichen, muss sich durch das Wettbewerbsrecht kontrollieren lassen.200 Dies ist der normative Aufsichtszweck und -bedarf in Bezug auf den Behinderungsmissbrauch. In Relation zum Grad der Marktmacht geht vom Wettbewerbsverhalten der marktbeherrschenden Unternehmen eine immer höhere Gefahr der Wettbewerbsbeschränkungen aus.201 Dies ist eine natürliche Konsequenz auf dem wettbewerbsbeschränkten Markt, da die Privatautonomie der anderen Unternehmen leichter eingeschränkt werden kann. Das Wettbewerbs- oder Regulierungsrecht muss folglich verschiedene normative Faktoren zur Marktverhaltenskontrolle beinhalten. Die Behinderungsmissbrauchsaufsicht als eine Marktverhaltenskontrolle wird durch angemessene Verhaltens- oder Strukturregulierungen gegenüber den marktbeherrschenden Unternehmen durchgeführt und kann durch das Vertrauen in die Wettbewerbsfreiheit begründet sein. Letztlich ist der wichtigste Regulierungszweck des Behinderungsmissbrauchs die Verteidigung der wirtschaftlichen Freiheit gegen eine Beeinträchtigung. Dies kann beispielsweise durch die Aufrechterhaltung des aus strukturellen Gründen wettbewerbsbeschränkten Marktes und Wettbewerbsprozesse, durch die Verhinderung eines unrechtmäßigen Transfers oder durch eine Ausnutzung der Marktmacht erzielt werden.202
200 Vgl. Mestmäcker/Schweitzer (Fußn. 12), § 19 Rn. 1. 201 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht GWB/Teil 1, 5. Aufl., 2014, § 19, Rn. 14 f. u. 23 f. 202 Vgl. sog. Zweischrankentheorie Fuchs (Fußn. 198), § 19 Rn. 27; vgl. KG v. 26.1.1977 WuW/E OLG 1767 „Kombinationstarif“ und KG v. 14.4.1978 WuW/E OLG 1983 „RamaMädchen“.
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§ 1 Einführung in den von Marktführern ausgeübten Behinderungsmissbrauch
bb. Die Unmöglichkeit einer unfehlbaren Aufsicht Das Wesen eines einzelnen Marktverhaltens erfordert das ständige Hinterfragen und Abwägen beim Beurteilungsprozess, um aus wettbewerbsrechtlicher Sicht eine Grenze zwischen dem Regulierungs- und Anerkennungsbedarf zu ziehen. Es ist schwer, nur aufgrund eines Anscheins von bestimmten Verhaltensweisen zu urteilen, ob diese ausschließlich wettbewerbsbeschränkend sind oder nicht. Hierauf beruht die Debatte über die Regulierungsziele als auch die praktische Schwierigkeit bei der Aufsicht. Aufgrund der Eigenschaft des Wettbewerbs, auch wettbewerbsbeschränkende Ergebnisse herbeizuführen, ist die Unterscheidung zwischen dem normalen Wettbewerbsverhalten und den Behinderungsmissbräuchen schwierig.203 Aus diesem Grund ist es fraglich, ob ein Marktverhalten nur in dem eindeutigen Fall als missbräuchlich anzusehen ist, in dem der Wettbewerb durch nicht auf Leistung und Effizienz gegründete Wettbewerbsmittel der marktbeherrschenden Unternehmen beschränkt wird.204 Dessen ungeachtet kann ein solches Verhalten nicht grundsätzlich verboten werden, da dies eine Ungleichheit beim Wettbewerbsvorgang für die anderen Unternehmen, die keine erhebliche Marktstellung haben, darstellen würde.205 Auch wenn ein Regulierungsbedarf comme il faut anerkannt werden könnte, wäre es noch problematisch, diese fraglichen Verhaltensweisen rückgängig zu machen. So wird eine abschreckende Wirkung mit Abstellungen und insb. mit verhaltensbezogenen Maßnahmen kaum zu erreichen sein, wenn sich die Marktstruktur bereits verschlechtert hat. Gleichzeitig ist es tatsächlich auch unmöglich, durch solche Maßnahmen eine Umgestaltung der gesamten unternehmerischen Struktur oder des Betriebssystems zu erzwingen.
203 Diesbezüglich entsteht auch ein Konflikt zwischen False Positive und False Negative (dazu ausführlich Kapitel 2. III. in dieser Arbeit); s. auch Frank H. Easterbrook, Predatory Strategies and Counterstrategies, Chic. L. Rev. Vol. 48, 1981, S. 333 f.: “The central problem with any rule against predation ‒ if the phenomenon exists ‒ is the great difficulty of telling predation and competition apart. No one has suggested a test for distinguishing predation from competition with anything approaching ease.” 204 S. dazu Fuchs (Fußn. 198), § 19 Rn. 26 ff. (insb. »Ausrichtung an der Unterscheidung von Leistungs- und Nichtleistungswettbewerb«); vgl. zum Begriff des Leistungswettbewerbs Fritz Rittner, Drei Grundfragen des Wettbewerbs, in: FS für Alfons Kraft, 1998, S. 526 ff. 205 S. zuvor Peter Ulmer, Kartellrechtswidrige Konkurrentenbehinderung durch leistungsfremdes Verhalten marktbeherrschender Unternehmen, in: Merz, Hans/Schluep, Walter R. (Hrsg.), Recht und Wirtschaft heute, FG von Max Kummer, 1980, S. 565-596 (insb. S. 575 u. 592).
II Die begriffliche Annäherung an die Behinderungsmissbrauchsaufsicht…
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Die Abgrenzung zwischen dem Ausbeutungs- und dem Behinderungsmissbrauch und ihr Verhältnis zueinander in den Fällen der vertikalen Integration
a) Der Begriff des Ausbeutungsmissbrauchs und die Fragen hinsichtlich der Regulierung „Im Urteil United Brands und in mehreren späteren Entscheidungen war der Gerichtshof der Auffassung, dass ein Verstoß gegen die jetzt in Art. 102 AEUV geregelte Bestimmung vorliege, wenn ein Preis angewendet werde, der überhöht sei, weil er in keinem angemessenen Verhältnis zum wirtschaftlichen Wert der erbrachten Gegenleistung stehe. Demnach könnten gegen diese Bestimmung nur »unverhältnismäßig hohe« oder »überhöhte« Preise verstoßen. Hierzu legte der Gerichtshof eine Zwei-Stufen-Prüfung fest.“206
Der Ausbeutungsmissbrauch als eine andere Missbrauchsform ist ein Missbrauch der Preise und der Geschäftsbedingungen gegenüber den Handelspartnern ‒ die Verbraucher eingeschlossen ‒, um einen Profit zu erreichen, der sich bei einem funktionsfähigen Wettbewerb207 nicht verwirklichen lässt.208 Hierbei wird die Marktgegenseite mit höheren Preisen oder unverträglichen Konditionen des marktbeherrschenden Unternehmens konfrontiert.209 Vor allem wird das sog. Excessive Pricing viel diskutiert,210 weshalb kritische Argumente für eine direkte Preisregulierung gleichfalls bemerkenswert sind.211
206 Schlussanträge des Generalanwalts Nils Wahl beim EuGH v. 6.4.2017 - Rs. C-177/16 (Vorabentscheidungsersuchen des Augstākā tiesa [Oberster Gerichtshof, Lettland]), Tz. 16 Biedrība „Autortiesību un komunicēšanās konsultāciju aģentūra – Latvijas Autoru apvienība“/Konkurences padome (AKKA/LAA). 207 Dazu ausführlich Emmerich (Fußn. 45), § 1 Rn. 21-28; Kling/Thomas (Fußn. 37), § 1 Rn. 11 f.; Wurmnest (Fußn. 17), S. 93-97 u. 147-155; Adrian Künzler, Effizienz oder Wettbewerbsfreiheit?, 2008, S. 40 f.; Stephen H. Sosnick, A Critique of Concepts of Workable Competition, Quar. J. Econ. 1958, S. 380 ff.; EuGH v. 21.2.1973, Rs. C-6/72, Slg. 1973, 244 Tz. 22 Continental Can/Kommission. 208 Vgl. Bulst (Fußn. 11), Art. 102 AEUV Rn. 89 f.; s. auch Faull/Nikpay (Fußn. 36), Ch. 4, Rn. 4.259 f.; Kling/Thomas (Fußn. 37), § 6 Rn. 94. 209 S. die unangemessenen Geschäftsbedingungen Bulst (Fußn. 11), Art. 102 AEUV Rn. 175 ff. 210 S. zuvor David S. Evans/A. Jorge Padilla, Excessive Prices: Using Economics to Define Administrable Legal Rules, CEMFI Working Paper No. 0416, 2004; Piner Akman/Luke Garrod, When are excessive prices unfair?, CCP Working Paper N0. 10-4, 2010; OECD, Excessive Prices, 2011: erhältlich über http://www.oecd.org/daf/competition/abuse/49604207.pdf; Schlussanträge des Generalanwalts Nils Wahl beim EuGH v. 6.4.2017 - Rs. C-177/16, Tz. 106 - AKKA/LAA. 211 S. dazu Whish/Bailey (Fußn. 152), S. 759-761: “First, if normal market force have their way, the fact that a monopolist it able to earn large profits should, in the absence of barriers to ex-
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Die Regulierung solcher Missbräuche wird auf Art. 102 S. 2 lit. a u. b AEUV und § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB gestützt.212 „Auf der ersten Stufe der Prüfung ist zu ermitteln, ob eine Überhöhung – d. h. ein erheblicher Unterschied – des von dem beherrschenden Unternehmen auf dem relevanten Markt tatsächlich verlangten Preises gegenüber dem Preis vorliegt, den dieses Unternehmen hypothetisch verlangt hätte, wenn auf dem Markt ein wirksamer Wettbewerb geherrscht hätte.“ „Auf dieser zweiten Stufe der Prüfung ist zu ermitteln, ob der Preisunterschied lediglich Folge einer missbräuchlichen Ausnutzung von Marktmacht durch das beherrschende Unternehmen ist oder ob er auf andere berechtigte Gründe zurückzuführen ist.“213
Im Fall United Brands wurde die Möglichkeit, durch den sog. Two-Step-Test den preisbezogenen Ausbeutungsmissbrauch zu kontrollieren, bestätigt,214 obgleich die eigentliche Behauptung eines Missbrauchs verworfen wurde.215 Zugleich hat der EuGH in diesem Fall das Prinzip aufgezeigt, dass der betreffende Preis ohne Rücksicht auf die Effekte als ungerechtfertigt erachtet werden kann,216 wenn keine vernünftige Relation zwischen dem Preis und dem ökonomischen Wert des Produkts bewiesen wird.217 Dies geschieht durch einen Ver-
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pansion and entry, attract new entrants to the market.”; s. auch OECD, Excessive Prices, 2011, S. 10. S. Kommission, Prioritätenmitteilung, Tz. 7: „Unmittelbar verbraucherschädigendes Verhalten (z. B. unverhältnismäßig hohe Preise oder Verhaltensweisen, die die Bemühungen um einen integrierten Binnenmarkt untergraben) verstößt ebenfalls gegen Art. 82.“; s. Kling/Thomas (Fußn. 37), § 6 Rn. 97 ff. Schlussanträge des Generalanwalts Nils Wahl beim EuGH v. 6.4.2017 - Rs. C-177/16, Tz. 17 u. 21 - AKKA/LAA; EuGH v. 14.2.1978 - Rs. 27/76, Slg. 1978, 207 Tz. 252; s. Bulst (Fußn. 11), Art. 102 AEUV Rn. 166; Evans/Padilla (Fußn. 210), S. 15 f. EuGH v. 14.2.1978 - Rs. 27/76, Slg. 1978, 207 Tz. 248, 257 - United Brands/Kommission; Schlussanträge des Generalanwalts Nils Wahl beim EuGH v. 6.4.2017 - Rs. C-177/16, Tz. 15 ff. - AKKA/LAA. EuGH v. 14.2.1978 - Rs. 27/76, Slg. 1978, 207 Tz. 248, 257, 266 - United Brands/Kommission. In diesem Fall lag die Differenz der fraglichen Bananenpreise zu denen der Wettbewerber nur bei 7.4%, weshalb der EuGH letzlich entschieden hat, dass dieser Unterschied unzulänglich zur normativen Anerkennung eines Missbrauchs ist. S. auch Whish/Bailey (Fußn. 152), S. 765. EuGH v. 14.2.1978 - Rs. 27/76, Slg. 1978, 207 Tz. 250: „Im vorliegenden Fall soll ein derartiger Missbrauch in der Anwendung eines überhöhten Preises bestehen, der in keinem angemessenen Verhältnis zu dem wirtschaftlichen Wert der erbrachten Leistung steht.“ - United Brands/Kommission; Bulst (Fußn. 11), Art. 102 AEUV Rn. 161 ff.; vgl. Case No. 10011/1/01 Napp Pharmaceutical Holdings v. Director-General of Fair Trading (Napp Appeal) UK Competition Commission Appeal Tribunal (15 January 2002); s. dazu Evans/Padilla (Fußn. 210), S. 8 ff.; s. auch Whish/Bailey (Fußn. 152), S. 766 ff.
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gleich der Kosten und dem Preis oder einer Gegenüberstellung mit gleichartigen Produkten auf einem vergleichbaren Markt.218 Des Weiteren wird die Möglichkeit einer Entscheidung durch eine sog. Kombination verschiedener Methoden durch die Schlussanträge des Generalanwalts von Nils Wahl hervorgehoben.219 Obwohl dies auf eine Regulierung von unverhältnismäßigen Preisen als Ausbeutungsmissbrauch hinweist, sind die Analyemethode und -elemente auch vorteilhaft bei der Ermittlung von sog. »Normal Prices« oder »Normal Trading Prices« ‒ und somit als ein Maßstab bei der Ermittlung von behinderungmissbrauchsbezogenen Wettewerbsbeschränkungen. Im Vergleich zum Behinderungsmissbrauch werden die regulierten Fälle jedoch nicht ausreichend versammelt und bei der konkreten Analyse oder Beurteilung des kontrollierbaren Grades, nämlich »excessive«,220 gibt es noch die praktische Unbestimmtheit zwischen sog. »competitive prices« und »unfairly high prices«.221 Darüber hinaus ist es hierbei fraglich, ob höhere Preise immer auf einem Ausbeutungsmissbrauch beruhen. Wenn die übermäßig hohen Preise die Folge anderer Faktoren wie »inefficiency or inertia«222 des marktbeherrschenden Unternehmens wären, könnte eine solche Preisfestsetzung reguliert werden oder nicht. Tatsächlich sind die Wettbewerbsbehörden zurückhaltend dabei, höhere Preise aktiv und direkt zu regulieren.223 b) Der Unterschied zwischen den Missbrauchsgegenständen Der Versuch, über die hauptsächlichen Schutzobjekte des jeweiligen Missbrauchs aufzuklären, ist ein Ansatzpunkt zum Verständnis der verschiedenen 218 EuGH v. 14.2.1978 - Rs. 27/76, Slg. 1978, 207 Tz. 252, 258 f. - United Brands/Kommission. Im Anschluss an dieses Urteil wurde die obige Entscheidungsmethode zusätzlich durch nachfolgende Entscheidungen, in den auch die Nachfrageseite berücksichtigt wurde, verfestigt; vgl. Kommission, COMP/C-2/37.761 - Euromax/IMAX (2004); COMP/A.36.568/D3 Scandlines Sverige AB/Port of Helsingborg (2004); Schlussanträge des Generalanwalts Nils Wahl beim EuGH v. 6.4.2017 - Rs. C-177/16, Tz. 18-19 - AKKA/LAA. 219 Schlussanträge des Generalanwalts Nils Wahl beim EuGH v. 6.4.2017 - Rs. C-177/16, Tz. 43 f. - AKKA/LAA. 220 S. einige Entscheidungsmethoden zum »excessive price«: i) Cost/Price Analysis, ii) Comparison of a Dominant Firm’s Prices, iii) Yardstick Competition, iv) Excessive or Disproportionate Costs should be ignored; s. dazu Whish/Bailey (Fußn. 152), S. 763-764; OECD, Excessive Prices, 2011, S. 11-12. 221 S. dazu Bulst (Fußn. 11), Art. 102 AEUV Rn. 168 f.; s. auch Evans/Padilla (Fußn. 210), S. 3 u. 6 f. 222 Whish/Bailey (Fußn. 152), S. 213. 223 OECD, Excessive Prices, 2011, S. 9 f. u. 12-13 (auch die Schwierigkeit, die angemessenen Abhilfsmaßnahmen aufzustellen); s. zuvor Bruce Lyons, The Paradox oft he Exclusion of Expolitative Abuse, in: Swedish Competition Authority (Konkurrensverket), The Pros and Cons of High Prices, 2007, S. 65 ff.
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§ 1 Einführung in den von Marktführern ausgeübten Behinderungsmissbrauch
Regulierungszwecke. Die Kontrolle des Ausbeutungsmissbrauchs konzentriert sich auf die Handelspartner, d.h. besonders die Verbraucher (scil. die fairen Profite der Verbraucher). Hierbei müssen der Wettbewerb und die Wettbewerbsstruktur auf dem fraglichen Markt nur sekundär in eine Abwägung einbezogen werden.224 An dieser Stelle zeigt sich der grundlegende Unterschied zum Behinderungsmissbrauch. Darüber hinaus ist der Fall, dass die Verbraucher die en face Preise oder Geschäftsbedingungen gegenüber dem (marktbeherrschenden) Unternehmen eigenverantwortlich festsetzen können, selten, selbst wenn auch der Verbraucher ein bedeutender Marktteilnehmer ist. Somit kann die normative Bremse gegen die unangemessenen Preise und Bedingungen der (insb. marktbeherrschenden) Unternehmen zumindest in einer Situation, in der das sog. »Market Self-Corrects«225 nicht funktioniert, eine eigenständige Bedeutung gegenüber der Behinderungsmissbrauchskontrolle haben. c)
Die theoretische und praktische Einteilung der Missbräuche und die vertikale Integration
Obwohl die theoretische Einteilung der obigen Missbrauchskonzeptionen einigermaßen klar ist, ist dies bei den praktischen Fällen nicht immer passend, da das Verhalten des marktbeherrschenden Unternehmens komplexe Missbrauchsformen umfassen kann.226 Gerade auf einem vertikal integrierten Markt können sich Missbräuche ‒ Behinderungs-, Ausbeutungs-, Strukturmissbrauch227 und Diskriminierung ‒ parallel verwirklichen, wenngleich bei dieser besonderen
224 Vgl. Evans/Padilla (Fußn. 210), S. 6: “[…] two negative effects on consumer welfare: First, it transfers rents from consumers to firms, as every consumer who purchases the goods and services in offer pays more for them than in a competitive market. Second, it destroys rents by forcing out of the market some consumers with relatively modest valuations.”; s. auch OECD, Excessive Prices, 2011, S. 9. 225 S. dazu Faull/Nikpay (Fußn. 36), Ch. 4, Rn. 4.18; s. Wernhard Möschel, The Proper Scope of Government Viewed from an Ordoliberal Perspective: The Example of Competition Policy, JITE Vol. 157 No. 1, 2001, S. 5: “[…] so-called Chicago school, which emphasise the eroding and self-healing powers of competition itself.” 226 Bulst (Fußn. 11), Art. 102 AEUV Rn. 8, 91: „Ein bestimmtes Verhalten kann gleichzeitig verschiedene Missbrauchstypen.“ u. „[…], dass durch das Verhalten gleichzeitig auch Wettbewerber behindert werden […].“, Rn. 155 u. 180 (insb. die bisherigen Anwendungspraxen); Gavil (Fußn. 142), S. 38 ff.: “Exclusionary strategies can cause two distinct types of antitrust injury, injury to rivals and injury to consumers.” 227 S. dazu Kommission v. 9.21.1971, ABl. 1972 Nr. L 7/25 - Continental Can; EuGH v. 21.2.1973, Rs. C-6/72, Slg. 1973, 215, 246 Tz. 26 - Continental Can/Kommission; Bulst (Fußn. 11), Art. 102 AEUV Rn. 93; Mestmäcker/Schweitzer (Fußn. 12), § 16 Rn. 4-5.
II Die begriffliche Annäherung an die Behinderungsmissbrauchsaufsicht…
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Marktstruktur vorwiegend die Verdrängung der Wettbewerber in Betracht kommt. Im Zusammenhang mit Art. 102 Abs. 2 lit. a AEUV als einer Grundvorschrift gegen den Ausbeutungsmissbrauch steht der folgende Kommentar: »Dieser Beispielsfall umschreibt einen typischen Ausbeutungsmissbrauch und findet vornehmlich Anwendung auf Missbräuche im Vertikalverhältnis, d.h. gegenüber Handelspartnern und Verbrauchern«.228 Bei dem Vertikalverhältnis kann die ausbeuterische Tendenz des Missbrauchs auch deshalb offensichtlich sein,229 weil diese Struktur vom Standpunkt der integrierten Unternehmen darauf abzielt, als Nachfrager oder als Anbieter der Marktgegenseite unfaire Preise oder Bedingungen abzunötigen.230 Infolgedessen ist die Beurteilung des Ausbeutungsmissbrauchs besonders im Fall der KPS unabdingbar.
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Stellungnahme: Die Implikation der sog. »Continental Can-Doktrin« bei der vertikal integrierten Marktstruktur
Obwohl sich der Fall Continental Can vor allem auf den Unternehmenszusammenschluss bezieht, ist er auch bei der erneuten Feststellung der gemeinschaftlichen Politik und Ziele231 also auch bei der Missbrauchsaufsicht nach Art. 86 EWG-Vertrag232 von Bedeutung. Hier ist eine Bemerkung von Mestmäcker/Schweitzer zutreffend: »Das Missbrauchsverbot gilt nicht nur für Verhaltensweisen, die sich auf den Markt unmittelbar auswirken, sondern auch für strukturelle Maßnahmen, welche die Marktverhältnisse beeinflussen und das Unternehmen größer und stärker machen.«233 228 229 230 231
Bulst (Fußn. 11), Art. 102 AEUV Rn. 154 (von Grabitz/Hilf/Jung, Art. 102 Rn. 169). S. auch Bulst (Fußn. 11), Art. 102 AEUV Rn. 159. Bulst (Fußn. 11), Art. 102 AEUV Rn. 154 u. 158 (insb. zum Begriff der Erzwingung). S. Art. 2 EWG: „Aufgabe der Gemeinschaft ist es, durch die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes und die schrittweise Annäherung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten eine harmonische Entwicklung des Wirtschaftslebens innerhalb der Gemeinschaft, […].“ und auch Art. 3 (f) EWG: „die Errichtung eines Systems, das den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes vor Verfälschungen schützt.“; s. auch Mestmäcker/Schweitzer (Fußn. 12), §16 Rn. 22-24. 232 Art. 86 EGW: „Mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar und verboten ist die mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung […].“ (insb. lit. c) die Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen gegenüber Handelspartnern, wodurch diese im Wettbewerb benachteiligt werden; lit. d) die an den Abschluss von Verträgen geknüpften Bedingung, dass die Vertragspartner zusätzliche Leistungen annehmen, die weder sachlich noch nach Handelsbrauch in Beziehung zum Vertragsgegenstand stehen.) 233 Mestmäcker/Schweitzer (Fußn. 12), §16 Rn. 4; Bechtold/Bosch/Brinker (Fußn. 11), Art. 102 AEUV Rn. 58; s. auch Großmann (Fußn. 14), S. 7: „Neben wettbewerbsbeschränkenden
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§ 1 Einführung in den von Marktführern ausgeübten Behinderungsmissbrauch
„Wie ferner die Buchstaben (c) und (d) von Absatz 2 erkennen lassen, bezieht sich die Bestimmung nicht nur auf Verhaltensweisen, durch die den Verbrauchern ein unmittelbarer Schaden erwachsen kann, sondern auch auf solche, die ihnen durch einen Eingriff in die Struktur des tatsächlichen Wettbewerbs, von dem Artikel 3 Buchstabe (f) des Vertrages handelt, Schaden zufügen.“ 234
Für solche Verhaltensweisen sind die Aussagen des EuGH in Beziehung auf die Anwendungsbereiche von Art. 86 EWGV von EuGH immer noch aussagekräftig: i) ein unmittelbarer Verbraucherschaden, ii) ein Eingriff in die Wettbewerbs- und Marktstruktur. Die beiden Anwendungsbereiche sind vorwiegend in einer vertikal integrierten Marktstruktur für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit wichtig. Auch hat der EuGH im Fall Continental Can ein Problembewusstsein für die Gefährdung der Marktstruktur durch die marktbeherrschenden Unternehmen geschaffen und hat auf die absehbaren mittelbaren Verbraucherschäden hingewiesen.235 Schließlich muss die KPS als eine für den vertikal integrierten Markt typische und komplexe Missbrauchsform in Betracht gezogen werden. Daher ist es schwierig, durch den Vergleich mit anderen Missbrauchsformen eine eigenständige Definition der KPS abzuleiten.
III Die wettbewerbsrechtlichen und ökonomischen Ziele der Regulierung des Behinderungsmissbrauchs 1
Das grundlegende Verhältnis von Ökonomie und Recht “It is somewhat surprising that so conspicuous a truth as the interaction of economics and law should have waited so long for recognition ‒ a recognition by no means universal. Some of those who question it maintain the independence and self-sufficiency of law, while others maintain that of economics. […] In reality law
Verhaltensweisen können auch wettbewerbsgefährdende Marktstrukturen das Angriffsziel der Wettbewerbspolitik bilden.“ 234 EuGH v. 21.2.1973, Rs. C-6/72, Slg. 1973, 246 Tz. 26 - Continental Can/Kommission. 235 EuGH v. 21.2.1973, Rs. C-6/72, Slg. 1972, 215 Tz. 23 - Continental Can/Kommission; s. dazu auch Mestmäcker/Schweitzer (Fußn. 12), § 3 Rn. 109; Rousseva (Fußn. 13), S. 37: “The focus in Europe on the protection of market structure, which can be seen so clearly in the Continantal Can case […], may well have been partly inspired by the teaching of this (Havard) School.”
III Die wettbewerbsrechtlichen und ökonomischen Ziele der Regulierung…
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and economics are ever and everywhere complementary and mutually determinative, like form and content.”236
Von Berolzheimer wurde darauf hingewiesen, dass sich die Wechselwirkungen zwischen der Ökonomie und den verschiedenen Rechtsbereichen ‒ z.B. Vertragsrecht, Vermögensrecht und Wettbewerbsrecht ‒ schon eine geraume Weile (bereits von Adam Smith und Bendam) fortsetzen.237 Auch wenn es keine ausdrückliche Anwendung der ökonomischen Theorien und Fachwörter in den früheren Urteilen oder Entscheidungen gab, haben die Gerichte und die zuständigen Behörden de facto dem ökonomischen Gedanken gemäß entschieden.238 Vornehmlich bei der Anwendung des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts war eine solche Richtung einleuchtender,239 da der spezielle Rahmen (insb. der Rechtsökonomie) zur Analyse der fraglichen Marktlage und der vielfältigen Verhaltensweisen der Marktteilnehmer sowieso unentbehrlich war.240 Diese verständlichen Erfordernisse des ökonomischen Analyserahmens bilden eine wesentliche Ursache für die sog. Wechselfälle der nennenswerten Schulen in den USA und in der EU.241 In der Tat wurden ein paar der amerikanischen Urteile nach dem sog. the Judge-made Law gründlich geändert. Diese Entwicklung ist noch in Gang und die Grenze zwischen der normativen Beurteilung und der Anwendung der ökonomischen Theorien wird sogar immer ungewisser.
236 Fritz Berolzheimer, The World’s Legal Philosopies, 1968, S. 23. 237 Richard A. Posner, Values and Cosequences: An Introduction to Economic Analysis of Law, John M. Olin Law & Economics Working Paper No. 53, 1998, S. 1 ff.; William E. Kovacic/Carl Shapiro, Antitrust Policy: A Century of Economic and Legal Thinking, Journal of Economic Perspectives, Vol. 14 No. 1, 2000, S. 43: “As economic learning changed, the contours of antitrust doctrine and enforcement policy eventually would shift, as well.”; vgl. Wernhard Möschel, Juristisches versus ökonomisches Verständnis eines Rechts der Wettbewerbsbeschränkungen, in: Wirtschaftsrecht im Wandel, 2011, S. 111 ff. 238 Ronald H. Coase, The Problem of Social Cost, J. L. Econ. Vol. III, 1960, S. 1 ff. (insb. S. 10 ff.); s. zuvor Jon Hanson/Kathleen Hanson/Melissa Hart, Law and Economics, in: Dennis Patterson (Hrsg.), A Companion to Philosophy of Law and Legal Theory 2. ed., 2010, S. 315 ff.; s. auch Francisco Joel Reyes y Ráfales, Überblick über die ökonomische Analyse des Rechts und ihre Applikationsmöglichkeiten auf die Europäischen Grundfreiheiten, BRJ 01/2014, S. 41-43. 239 S. Posner (Fußn. 237), S. 1-2; vgl. Wurmnest (Fußn. 17), S. 253: „Vielmehr werden die Erkenntnisse der Ökonomik an allen Ecken und Enden gebraucht, um Hilfestellung bei der Auffüllung des rechtlichen Rahmenkonzepts zu leisten.“ 240 S. zuvor Wurmnest (Fußn. 17), S. 253 ff. 241 S. zuvor Horst Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip: Möglichkeiten und Grenzen der ökonomischen Analyse des Rechts, 4. Aufl., 2015, S. 486; Gunnar Janson, Ökonomische Theorie im Recht: Anwendbarkeit und Erkenntniswert im Allgemeinen und am Beispiel des Arbeitsrechts, 2004, S. 142 ff.
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§ 1 Einführung in den von Marktführern ausgeübten Behinderungsmissbrauch
Bei der Untersuchung des Verhältnisses von »Recht« und »Ökonomie« bzw. »Gerechtigkeit« und »Effizienz« kann allerdings den begrifflichen Werten zumindest aus wettbewerbsrechtlicher Sicht nicht immer komplett entsprochen werden.242 Der primäre Normzweck des Wettbewerbsrechts ist der Schutz des Wettbewerbs. Deshalb ist die Entwicklung zu kritisieren, Wettbewerbsbeschränkungen am Maßstab ökonomischer Effizienz zu messen. 2
Der Zweck des Wettbewerbsrechts und der Behinderungsmissbrauchsaufsicht „Der Wettbewerb zwischen den Unternehmen ist mithin für den Markt, auch für den Gemeinsamen Markt essentiell: Einen Markt ohne Wettbewerb gibt es nicht.“243
Trotz seines vieldeutigen Begriffs244 ist es sicher, dass der Wettbewerb sowohl ein Grundsatz für das normale Funktionieren des Marktes als auch eine Essenz des Marktes ist.245 Im europäischen Einigungsprozess ist die inhaltliche Gewährleistung des Wettbewerbs auf dem Binnenmarkt von großer Bedeutung.246 Dies spielt eine wichtige Rolle und ist einer der Hintergründe in der Debatte über die Ziele der Wettbewerbsregeln und -politik.247 Die alte Debatte über die Schutzzwecke des Wettbewerbsrechts geht ins Unendliche, da dies als ein Ansatzpunkt zur Konkretisierung der Generalklauseln, die abstrakte Rechtsbegriffe enthalten, wesentlich ist.248 Aus diesem Grund ist es offensichtlich, dass sich 242 Vgl. Maurice E. Stucke, What is competition?, in: Daniel Zimmer (Ed.), The Goals of Competition Law, 2012, S. 28-29: “One problem, […], that lawyers and laypersons can have a different conception of competition than economist. Another problem is that economists have not reached consensus in defining competition.”; s. auch Künzler (Fußn. 207), S. 5-7 u. 80 ff. 243 Fritz Rittner, Der - unverfälschte - Wettbewerb: Grundlage und Ziel der EG, WuW 2007, S. 967. 244 Robert H. Bork, Antitrust Paradox - A Policy At War With Itself, 1978, S. 61; Stucke (Fußn. 242), S. 28 f. (insb. Fußn. 9 u. 10). 245 S. zum Begriff des Wettbewerbs in den USA: Standard Oil Co. of New Jersey v. U.S., 221 U.S. 1 (1911); Union Leader Corp. v. Newspaper of New England, Inc. 284 F.2d 582, 586 (1st Cir. 1960); Rebel Oil Co. Inc v. Atlantic Richfield Co. 51 F.3d 1421, 1433 (9th Cir. 1995); s. auch Whish/Bailey (Fußn. 152), S. 4; s. zum begrifflichen Verständnis des Wettbewerbs Dreher/Kulka (Fußn. 40), § 6 Rn. 716-726; Stucke (Fußn. 242), S. 27 ff.; Maurice E. Stucke, Reconsidering Competition, TRACE, 2011, S. 5-12. 246 Stefan Thomas, Der Schutz des Wettbewerbs in Europa ‒ welcher Zweck heiligt die Mittel?, JZ 2011, S. 485-486. 247 S. dazu Parret (Fußn. 13), S. 64-74. 248 S. Wernhard Möschel, Schutzziele eines Wettbewerbsrechts, in: Löwisch/Schmidt-Leithoff/ Schmiedel (Hrsg.), Beiträge zum Handels- und Wirtschaftsrecht, FS für Fritz Rittner zum 70. Geburtstag, 1991, S. 405-407; s. auch »Goal of Competition: Freedom or Efficiency« aus or-
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die Richtung der Rechtsanwendung und die bestehenden Urteile je nach Auslegung des betreffenden Rechtszwecks verändern können.249 Die folgenden Ausführungen sind als eine allgemeine Auffassung250 darauf gegründet,251 dass der primäre Zweck des Wettbewerbsrechts nicht »der Schutz der Wettbewerber«, sondern lediglich »der Schutz des Wettbewerbs« ist.252 Darüber hinaus leitet diese Debatte notwendig in die Frage in Bezug auf den More Economic Approach oder Effect-Based Approach253 über, „ob die Wettbewerbsregeln in erster Linie dem Schutz individueller Freiheit oder primär der Effizienzsteigerung dienen.“254 a) Die unaufhörliche Debatte: Wettbewerbsfreiheit vs. Verbraucherwohlfahrt bzw. Effizienzsteigerung Basierend auf den verschiedenen Standpunkten über den Wettbewerb255 ‒ ob dieser nun als eine Institution oder als ein Mittel zur Steigerung der Verbrau-
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doliberaler Sicht Möschel (Fußn. 248), S. 4-6; vgl. Wernhard Möschel, US versus EU Antitrust Law, ZWeR, 2007, S. 262-263. Die Frage nach der Haupteigenschaft der Missbrauchsaufsicht fußte auf der Frage, welchem Zweck das Wettbewerbsrecht nachstreben soll. Zwar kann dies nur als ein konservatives Problem gelten, ist jedoch dessen ungeachtet interessant und wichtig, da dieses Thema stets neuen Bedarf zum Nachdenken hervorruft. Zumal die Vollzugsrichtung des Wettbewerbsrechts für sich anhand der Auslegung des Zwecks zu einer Entscheidung kommt. S. auch »widespread consus« Faull/Nikpay (Fußn. 36), Ch. 4, Rn. 4.10 Das Verhältnis zwischen dem Schutz des Wettbewerbs oder der Wettbewerber kann nicht immer entgegengesetzt sein. Vgl. Kommission, DG Competition Discussion Paper on The Application of Art. 82 of Treaty to Exclusionary Abuses (zitiert als: DG Competition Discussion Paper), 2005, Tz. 4; AMC, Report and Recommendations, 2007, S. 81: “Accordingly, an observation that a particular firm’s conduct »excludes« its competitor does not answer whether the conduct is harmful to competition or just to the firm’s competitor. Antitrust law is concerned with harm to competition, not particular competitors.”; s. aus ökonomischer Sicht William J. Kolasky, What ist Competition: A Comparison of U.S. and European Perspectives, Antitrust Bull., 2004, S. 31-36. S. zuvor Faull/Nikpay (Fußn. 36), Ch. 4, Rn. 4.83 ff.; Martin Stopper, Instrumente europäischer Wettbewerbspolitik, 2006, S. 15 ff.; Arndt Christiansen, Die „Ökonomisierung“ der EU-Fusionskontrolle: Mehr Kosten als Nutzen?, WuW 2005, S. 285: „Unter dem Schlagwort des enhanced economic approach soll der verstärkte Rückgriff auf ökonomische Theorien und Methoden zu mehr Transparenz der Entscheidungen und damit letztlich zu erhöhter Rechtssicherheit führen.“; Hildebrand (Fußn. 22), S. 513 ff.; Dieter Schmidtchen, Der „more economic approach“ in der Wettbewerbspolitik, WuW 2006, S. 6 ff.; André Schmidt, Der „more economic approach“ in der Missbrauchsaufsicht, WuW 2006, S. 1097 ff. Thomas (Fußn. 246), S. 485; vgl. Christian von Weizsäcker, Konsumentenwohlfahrt und Wettbewerbsfreiheit: Über den tieferen Sinn des „Economic Approach“, WuW 2007, S. 1078 ff. Hermann-Josef Bunte, in: Langen/Bunte, Kartellrecht Band 2: Europäisches Kartellrecht, 12. Aufl., 2014, Einl. Rn. 35 ff.;Kling/Thomas (Fußn. 37), § 2 Rn. 2 ff; Ernst-Joachim Mestmä-
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cherwohlfahrt256verstanden werden soll ‒ kann auch die Debatte über den Zweck der Missbrauchsregulierung auseinandergehen.257 Weiterhin können die unterschiedlichen Gesichtspunkte auf die Richtung der Wettbewerbspolitik Einfluss ausüben.258 „Diese und andere Äußerungen der Kommission259 weisen darauf hin, dass die Kommission den Wettbewerb nicht um seiner selbst willen schützt, sondern als Mittel zum Zweck.“260 “With regard to exclusionary abuses the objective of Article 82 is the protection of competition on the market as a means of enhancing consumer welfare and of ensuring an efficient allocation of resources. Effective competition brings benefits to consumers, such as low prices, high quality products, a wide selection of goods and services, and innovation.”261
Tatsächlich liegt es offen zutage, dass insb. bei der Kommission eine praktische Tendenz dahingehend besteht, bei der Anwendung von Art. 102 AEUV die Marktergebnisse als ökonomische Effekte positiv in Erwägung zu ziehen.262 Währenddessen wurden zusammenhängende Reporte und Guidance sowohl in
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cker, Zwischen Lämmerweide und Wolfsrudel ‒ Gedanken zur Naturgeschichte des Wettbewerbs, ZWeR, 2010, S. 9 ff. S. zum »Wettbewerb als Ziel-Mittel-Beziehung« Wurmnest (Fußn. 17), S. 149-151. S. zuvor Künzler (Fußn. 207), S. 32 ff. u. 297 ff.; Mestmäcker/Schweitzer (Fußn. 12), § 3 Rn. 8-14; Kling/Thomas (Fußn. 37), § 6 Rn. 4-5; vgl. Michael Albers, Der more economic approach bei Verdrängungsmissbräuchen: Zum Stand der Überlegungen der Europäischen Kommission, in: Börries Ahrens usw. (Hrsg.), Marktmacht und Missbrauch, 2007, S. 11 ff.: „Denn der Wettbewerb soll vor allem als Wert für Konsumenten schaffender Prozess geschützt werden.“; s. auch Möschel (Fußn. 248), S. 407 ff.; Stopper (Fußn. 253), S. 70-74 (sog. Freiheit vs. Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs). S. zuvor Daniel Zimmer, Protection of Competition v. Maximizing (Consumer) Welfare, in: Basedow/Wurmnest (Ed.), Structure and Effects in EU Competition Law, 2011, S. 13-39. S. dazu die Leitlinien der Kommission seit 2000 und neuere Diskussionspapiere Jürgen Basedow, Konsumentenwohlfahrt und Effizienz ‒ Neue Leitbilder der Wettbewerbspolitik?, WuW 2007, S. 712 ff. Basedow (Fußn. 259), S. 712; s. auch Weizsäcker (Fußn. 254), S. 1078 (insb. die Ansicht von Basedow als Vorsitzenden der Monopolkommission). Kommission, DG Competition Discussion Paper, 2005, Tz. 4; vgl. Hieke Schweitzer, Efficiency, political freedom and the freedom to compete - comment on Maier-Rigaud, in: Daniel Zimmer (Ed.), The Goals of Competition Law, 2012, S. 169 ff.: “But are the efficiency criterion and the consumer orientation of EU competition law really controversal? It is not the relevance of the efficiency criterion and consumer orientation of EU competition law as such that is doubtful, as a closer look at the relevant rules and jurisprudence reveals. Rather, the issue is how these criteria are considered in the application of competition rules.” S. Faull/Nikpay (Fußn. 36), Ch. 4, Rn. 4.92 f.; Kling/Thomas (Fußn. 37), § 6 Rn. 10 ff.; Möschel (Fußn. 248), S. 261: “By now, Brussels and Bonn have copied this approach (d.h. more economic approach).”
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der EU als auch in den USA herausgegeben.263 Dafür besteht jedoch immer noch ein Pro und Kontra:264 »The criticism is twofold. First, according to some of those critics, the ultimate goal of competition law, as supposedly posited by ordoliberals, is not the increase in economic efficiency but maintaining the freedom to compete of market actors. Secondly, some argue that adopting an efficiency goal would represent a fundamental change in the goals of Article 82 that may not be compatible with the treaty on the Functioning of the European Union.«265 Nach der Auffassung, derzufolge die Mehrheit der Wettbewerber Schutzgut des Wettbewerbs sei, stelle der Begriff »Wettbewerb« keinen leistungsgebundenen Begriff dar, der der Erhöhung ökonomischer Effizienz diene. Vielmehr handele es sich um eine Institution oder einen Prozess, der als solcher geschützt werden müsse.266 Bei diesem dynamischen Prozess können die oben erwähnten verschiedenen Wirkungen beiläufig herbeigeführt werden. Sie sind gleichwohl keine unmittelbaren und endgültigen Ziele des Wettbewerbs. Ausgehend von diesem Standpunkt kann die Bewahrung des Wettbewerbsmechanismus auf dem Markt als eine wettbewerbsrechtliche Aufgabe betrachtet werden. Dagegen ist der Position zufolge, die vor allem die Verbraucherwohlfahrt anstrebt, der Wettbewerb nur ein Mittel zur Effizienzverbesserung. Somit ist der eigentliche Wettbewerb an sich kein wesentlicher Rechtszweck mehr.267
263 S. dazu Kling/Thomas (Fußn. 37), § 6 Rn. 10-13. 264 Frühe Kritik an den Kommissionspraxis bei Meinrad Dreher/Michael Adam, The more economic approach to Art. EC and the legal process, ZWeR 3/2006, S. 259 ff.; vgl. Gunnar Niels/Helen Jenkins, Reform of Article 82: Where the Link between. Dominance and Effects Breaks Down, E.C.L.R., 2005, S. 606 ff.; s. zuvor Frank Maier-Rigaud, On the normative foundations of competition law - efficiency, political freedom and the freedom to compete, in: Daniel Zimmer (Ed.), The Goals of Competition Law, 2012, S. 134-138 (insb. Fußn. 610) und 150 ff. 265 S. dazu Maier-Rigaud (Fußn. 264), S. 135; vgl. Möschel (Fußn. 225), S. 4: “Economic efficiency as a generic term for growth, for the encouragement and development of technical progress, and for allocative efficiency is but an indirect and derived goal. It results generally from the realisation of individual freedom of action in a market system (nondilemma thesis).” 266 Vgl. Phillip E. Areeda/Herbert Hovenkamp, Antitrust Law, Vol. 1, S. 100: “[…] competition is the process by which market forces operate freely to assure that society’s scarce resources are employed as efficiently as possible to maximize total economic welfare.”; s. MaierRigaud (Fußn. 264), S. 132 ff.; vgl. Schweitzer (Fußn. 261), S. 175-177 (»Freedom to Compete in the Ordoliberal Tradition and in EU Competition Law«); s. auch David J. Gerber, Law and Competition in Twentieth Century Europe, 1998 (Reprinted 2003), S. 232 ff. 267 Vgl. AMC, Report and Recommendations, 2007, S. 35: “For the last few decades courts, agencies, and antitrust practitioners have recognized consumer welfare as the unifying goal of antitrust law.”
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“(I) The only legitimate goal of American antitrust law is the maximization of consumer welfare. therefore, (II) »Competition,« for purposes of antitrust analysis, must be understood as a term of art signifying any state of affairs in which consumer welfare cannot be increased by judicial decree.”268 “Competition may be read as a shorthand expression, a term of art, designating any state of affairs in which consumer welfare cannot be increased by moving to an alternative state of affairs through judicial decree.”269
Nach den obigen Sätzen von Bork als ein Befürworter der Chicago School werden lediglich eine Erzeugungsreduktion und eine Preiserhöhung zulasten der Verbraucherwohlfahrt als problematisch angesehen.270 In diesem Zusammenhang hat er geltend gemacht, dass der Congress den Sherman Act als sog. »Consumer Welfare Prescription« betrachtet.271 Außerdem hat der Supreme Court in den frühen Fällen wie z.B. in Alcoa und Reiter v. Sonotone Corp. den gleichen Standpunkt vertreten272 ‒ jedenfalls dann, wenn die für die Wettbewerber nachteiligen Verhaltensweisen den Verbrauchern zum Vorteil gereichen können.273 Hiermit ist der Gedanke verbunden, dass die Verhaltensweisen zur
268 Bork (Fußn. 244), S. 51; s. auch Barak Y. Orbach, The Antitrust Consumer Welfare Paradox, J. Comp. L. Econ., Vol. 7, Issue 1, 2011, S. 133 ff. (insb. 135). 269 Bork (Fußn. 244), S. 58 ff. (insb. 61); vgl. Rousseva (Fußn. 13), S. 39: „In their view, only conduct that leads to a restriction of output should be challenged by the law.“; Zäch/Künzler (Fußn. 199), S. 270 (insb. Fußn. 5). 270 S. auch Bork (Fußn. 244), S. 90 ff. (insb. 91: “The whole task of antitrust can be summed up as the effort to improve allocative efficiency without impairing productive efficiency so greatly as to produce either no gain or a net loss in consumer welfare.”); s. auch »Allocative Efficiency« E. Thomas Sullivan (Ed.), The Political Economy of The Sherman Act - The First One Hundred Years, 1991, S. 233 f.; Orbach (Fußn. 268), S. 142. 271 S. Bork (Fußn. 244), S. 51 ff. u. 66-71; s. auch sog. »Welfare Economic Approach« in letzter Zeit Louis Kaplow, On the choice of welfare standards in competition law, in: Daniel Zimmer (Ed.), The Goals of Competition Law, 2012, S. 3-5; Salop (Fußn. 194), S. 312: “However, sometimes conduct that harms competitors benefits consumers, implying that such conduct should be applauded as competition on the merits, not attacked. Antitrust law is said to be a consumer welfare prescription.” 272 U.S. v. Aluminum Co. of Am., 148 F.2d 416,432 (2d Cir. 1945); Reiter v. Sonotone Corp., 442 U.S. 330, 343 (1979); Rebel Oil Co. Inc. v. Atl. Richfield Co., 51 F.3d 1421, 1433 (9th Cir. 1995, sog. Rebel I): “Competition consists of rivalry among competitors. Of course, conduct that eliminates rivals reduces competition. But reduction of competition does not invoke the Sherman Act until it harms consumer welfare.”; Products Liab. Ins. Agency, Inc. v. Crum & Forster Ins. Cos., 682 F.2d 660, 663 (7th Cir.1982). 273 S. dazu Salop (Fußn. 194), S. 312; S. Bork (Fußn. 244), S. 51f.
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ökonomischen Effizienzmaximierung gerade konstituierend für den Wettbewerb sind.274 b) Das Verhältnis zwischen den Schutzzwecken Da die Beurteilung der Wettbewerbsbeschränkung durch den Behinderungsmissbrauch von der Auffassung über den Rechtszweck abhängig ist, ist es notwendig, das Verhältnis zwischen den koexistierenden, aber gleichzeitig gegenüberstehenden Regulierungszwecken zu verstehen. Im beachtenswerten Präzedenzfall Continental Can hat der EuGH schon früh dargelegt, dass Art. 102 AEUV sowohl die Verbraucherwohlfahrt als auch die Erhaltung der wettbewerblichen Marktstruktur betreffend angewendet werden kann.275 Im Fall Post Danmark hat der EuGH die durch die Wettbewerbsbeschränkung verursachten Nachteile der Verbraucher als einen Grund für die Missbrauchsaufsicht dargestellt.276 Gleichwohl hat der EuGH hier keinen Vorrang der beiden Schutzzwecke bestimmt, sodass man davon überzeugt sein kann, dass der Zweck des Wettbewerbsrechts insb. bezüglich der Behinderungsmissbrauchsaufsicht keineswegs eindimensional ist. Die durch die Effizienzmaximierung verbesserte Verbraucherwohlfahrt als ein primärer Zweck des Wettbewerbsrechts wird samt der Verstärkung des Effect-Based Approach deutlich betont.277 In diesem Fall wird der Schutz des Wettbewerbs als solchem nicht in Abrede gestellt. 278 Diese Aussage des EuGH birgt eine gewisse Ironie: Zwar seien die Verbraucherwohlfahrt und der Wettbewerb gleichwertige Ziele des Wettbewerbsrechts. Jedoch verkennt der EuGH, dass eine Effizienzverbesserung regelmäßig auf Kosten des Wettbe274 Sullivan (Fußn. 269), S. 162; s. auch dazu Möschel (Fußn. 248), S. 416 ff. (insb. Wohlstandsmaximierung im Sinne des Kaldor-Hicks-Kriteriums); s. auch zu den typischen Verhaltensweisen zur ökonomischen Effizienzmaximierung und ihre Ergebnisse aus dem ökonomischen Gesichtspunkt, Fußn. 191 u. 195 (Kommission, Prioritätenmitteilung, Tz. 5). 275 EuGH v. 21.2.1973, Rs. 6/72, Slg. 1973, 215, 244, Tz. 22, 26 - Continental Can/Kommission; vgl. Frenz (Fußn. 131), Kapitel 7 Rn. 1819: „Im zweiten Beispiel (Art. 102 S. 2 lit. c) wird die Benachteiligung im Wettbewerb ausdrücklich genannt. Daraus ergibt sich zugleich und weiter gehend, dass das Missbrauchsverbot auch ein Instrument zur Gewährleistung eines funktionsfähigen Wettbewerbs ist.“ 276 EuGH v. 27.3.2012, Rs. C-209/10, ECLI:EU:C:2012:172, Tz. 24 - Post Danmark/Konkurrencerådet. 277 Zäch/Künzler (Fußn. 199), S. 269 f. (insb. Fußn. 3-5); s. auch Schweitzer (Fußn. 261), S. 172-174; Mosso (Fußn. 253), S. 18-21; Oliver Budzinski, Wettbewerbsfreiheit und More Economic Approach: Wohin steuert die Europäische Wettbewerbspolitik, in: Grusevaja et al. (Hrsg.), Quo vadis Wirtschaftspolitik? : ausgewählte Aspekte der aktuellen Diskussion, 2007, S. 15 f. 278 Vgl. Albers (Fußn. 257), S. 12: „Der Schutz des Wettbewerbs ist nur Mittel zum Zweck.“
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werbs und durch eine langfristige Preissteigerung auch zulasten der Verbraucherwohlfahrt geht. So ergibt sich die grundlegende und praktische Frage, ob die auf dem Boden der Verfassung279 und der Entscheidungen des Verfassungsgerichts abgeleiteten Normzwecke des Wettbewerbsrechts einzig und allein durch die Verbesserung der ökonomischen Effizienz oder der Verbraucherwohlfahrt erzielt oder gerechtfertigt werden können. Weiter ist fraglich, das Steuer zur normativen Beurteilung einer Wettbewerbsbeschränkung fest in der Hand der ökonomischen Effizienz und der Verbraucherwohlfahrt ‒ als ein wahrscheinlicher Wirtschaftseffekt ‒ sein kann. In der freien Marktwirtschaft ist der normative Wert des Wettbewerbs jedoch keineswegs auf den funktionellen Aspekt zu beschränken.280 c)
Die neueste Richtung: Die Betonung des »Consumer Welfare« “As a result, much attention has been devoted to determining which rules best advance welfare.”281
279 Vgl. Künzler (Fußn. 207), S. 3-5: „Nach den grundlegenden Verfassungsbestimmungen der Schweiz und der EU haben die gesetzlichen Vorschriften gegen private Wettbewerbsbeschränkungen zum Ziel, wirtschaftlichen Wohlstand bzw. wirtschaftliche Wohlfahrt zu gewährleisten.“; im koreanischen Fall findet sich der Schutz der Wirtschaft und der Wirtschaftsordnung in einem anderen Kapitel der Verfassung (Chapter IX: The Economy). Article 119 CONSTITUTION OF THE REPUBLIC OF KOREA (1) The economic order of the Republic of Korea shall be based on a respect for the freedom and creative initiative of enterprises and individuals in economic affairs. (2) The State may regulate and coordinate economic affairs in order to maintain the balanced growth and stability of the national economy, to ensure proper distribution of income, to prevent the domination of the market and the abuse of economic power and to democratize the economy through harmony among the economic agents. 280 Krit. Zäch/Künzler (Fußn. 199), S. 270-271: “Restraints on competition should not therefore be measured against commercial freedoms but against the standard of economic efficiency.”; vgl Martin Hellwig, Wirtschaftspolitik als Rechtsanwendung: Zum Verhältnis von Jurisprudenz und Ökonomie in der Wettbewerbspolitik, 2007, S. 1 u. 28 f.; s. auch Schweitzer (Fußn. 261), S. 175: “Marin Hellwig […] ‒ although economic insights are needed in order to determine whether, on balance, state intervention or abstention from intervention is better suited to protect economic freedom as the ultimate reference point for competition law.” (s. insb. Fußn. 20). 281 Kaplow (Fußn. 271), S. 3; krit. Basedow (Fußn. 259), S. 712-713: „(1) Beschränkt sich der Schutz des Wettbewerbs gegen Beschränkungen auf Fälle, in denen eine Vermehrung der Konsumentenwohlfahrt gesichert ist?, (2) Warum ist es legitim, der Konsumentenwohlfahrt und Allokationseffizienz einen höheren Stellenwert in der Hierarchie der Ziele einzuräumen als dem Schutz des Wettbewerbs?, (3) Ist die Instrumentalisierung des Wettbewerbs für Zwecke der Effizienzsteigerung und Vermehrung der Konsumentenwohlfahrt mit dem geltenden europäischen Wettbewerbsrecht vereinbar?, (4) Wie fügt sich die Relativierung des Wettbe-
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Wie eine Erwähnung von Hovenkamp, »By and large, all three (Chicago-, Harvard- und Post-Chicago Schools) agree that protection of consumer welfare is antitrust’s ultimate purpose. The remaining dissimilarities lie in their views about how antitrust can best achieve that end«,282 aufzeigt, wurde der primäre Zweck der Antitrust Law schon als Schutz der Verbraucherwohlfahrt in Einklang gebracht.283 Nach der sog. Preistheorie, die von der in der neoklassischen Ökonomie wurzelnden Chicago School entwickelt wurde und die das primäre Ziel verfolgt,284 Preiserhöhungen oder Erzeugungsreduktionen zu verhindern,285 nimmt solch eine Tendenz allmählich eine feste Form an.286 Auf dieser Tatsache beruhend wurden verschiedene, aus dem »Common Law« oder »Case Law« abgeleitete Werte nach Rängen geordnet. Sie sind somit der »Economic Efficiency« und dem »Consumer Welfare« übergeordnet. Demzufolge werden diese Werte durch die neuen Ansätze, nämlich dem More Economic- und dem Effect-Based Approach, in letzter Zeit stärker unterstützt.287 In der EU besteht bereits die
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werbsschutzes in die übrige von der Kommission betriebene Wettbewerbspolitik der letzten Jahre ein?“ Herbert Hovenkamp, The Antitrust Enterprise - Principle and Execution, 2005, S. 31; Herbert Hovenkamp, Distributive Justice and the Antitrust Laws, Geo. Wash. L. Rev. Vol. 50-1, 1982, S. 1, 5-6; s auch Kaplow (Fußn. 271), S. 3 f.; Whish/Bailey (Fußn. 152), S. 19-21: “[…]: there is no inconsistency between these statements and proposition that EU competition law is oriented around the promotion of consumer welfare.”; s. auch krit. Oles Andriychuk, Rediscovering the Spirit of Competition: On the Normative Value of the Competition Process, Eur. Comp. J. Vol. 6 No. 3, 2010, S. 575 ff. S. auch Hovenkamp (Fußn. 282), S. 2 u. 31: “The remaining dissimilarities lie in their views about how antitrust can best achieve that end.”; Orbach (Fußn. 268), S. 135-136; vgl. in der EU Weizsäcker (Fußn. 254), S. 1078: “Consumer welfare, on the other hand, is a sensible balancing criterion among different variants of freedom of competition. […]. Thus, the analysis of consumer welfare is all in all an indispensable tool in defining an adequate competition policy ‒ even a policy with freedom of competition as its primary goal.”; vgl. Wurmnest (Fußn. 17), S. 232 ff. S. dazu Wurmnest (Fußn. 17), S. 142-147; s. auch Bork (Fußn. 244), S. 51 f. Die Preistheorie der Chicago School behandelt die Frage, ob ein bestimmtes Marktverhalten auf die Marktpreise wirkt. Deshalb ist es eine wesentliche Aufgabe dieser, durch ökonomische Modelle solche Wirkungen zu beweisen; vgl. Mestmäcker/Schweitzer (Fußn. 12), § 3 Rn. 15 f. u. 22 ff.; Wurmnest (Fußn. 17), S. 224-231. S. sog. the Neoclassical Models of Economic Welfare Hovenkamp (Fußn. 282), S. 15-20; s. auch Wurmnest (Fußn. 17), S. 138 ff. Diese Tendenz verstärkt sich bereits seit Anfang der 2000er Jahre im Rahmen der sog. Modernisierung von Wettbewerbsnormen; vgl. Timothy J. Muris, Improving the Economic Foundations of Competition Policy: Remarks at George Mason University Law Review’s Winter Antitrust Symposium Washington, D. C. (15.01.2003), Insb. »I. Integrating Economics into Antitrust Policy: Three Normative Propositions«: i) Reassessment. Antitrust agencies should engage in continuing efforts to assess the validity of existing hypotheses about the economic impact of business conduct in light of new developments in economic theory and the business
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gleiche Neigung.288 Dennoch ist es in der EU noch überzeugender als in den USA, dass die aus dem Wettbewerbsrecht staammenden Werte bei dessen Auslegung und Anwendung in Betracht gezogen werden müssen.289 d) Stellungnahme Im Anschluss an die obige Debatte stellt sich die Frage, ob sich die Verbraucher immer noch in einer günstigen Marktposition befinden können, wenn die Wettbewerber infolge des Behinderungsmissbrauchs verdrängt werden. Nicht immer kann die Verbraucherwohlfahrt mit den durch die Unternehmensverhaltensweisen erwarteten Effizienzverbesserungen zusammentreffen.290 Dementsprechend wäre eine Sichtweise unvernünftig, die diese von den Unternehmen beharrlich geltendgemachte Effizienz als rechtmäßig und fast ohne Ausnahme als vorteilhaft für die Verbraucher ansähe. Zustande kommt diese Aussicht, wenn die sog. Rent-Seeking Verhaltensweisen der marktbeherrschenden Unternehmen291 minimalisiert werden. Dies ist jedoch irreal, da der Marktherrscher seinen wachsenden Gewinn oder seine Effizienz nicht für die Verbraucherwohlfahrt oder Innovationen, sondern für die Erhaltung seiner Markt-
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environment, ii) Administrability. The suitability of an economic hypothesis for shaping antitrust doctrine should be measured by whether the hypothesis lends itself to the development of standards that courts and enforcement agencies can administer effectively, iii) Empirical Testing. The soundness of doctrine and enforcement policy over time depends heavily on the strength of empirical research that evaluates the economic effects of judicial rulings and enforcement decisions: erhältlich über https://www.ftc.gov/public-statements/2003/01/improving-economic-foundations-competition-policy; vgl. Basedow (Fußn. 259), S. 712 ff. S. dazu Neelie Kroes, »Consumer Welfare as a Standard in Antitrust Work«: “Consumer welfare is now well established as the standard the Commission applies when assessing mergers and infringements of the Treaty rules on cartels and monopolies. Our aim is simple: to protect competition in the market as a means of enhancing consumer welfare and ensuring an efficient allocation of resources. An effects-based approach, grounded in solid economics, ensures that citizens enjoy the benefits of a competitive, dynamic market economy. […].” (SPEECH/05/512 von 15.9.2005); s. auch Kommission, Prioritätenmitteilung, Tz. 5 und DG Competition Discussion Paper, Tz. 4; Mestmäcker/Schweitzer (Fußn. 12), § 3 Rn. 51-52 (über EAGCP); Wurmnest (Fußn. 17), S. 224-226; Künzler (Fußn. 207), S. 3-7 u. 219 ff.; Lizy Lovdahl Gormsen, The conflict between economic freedom and consumer welfare in the modernization of article 82 EC, Eur. Comp. J. Vol. 3 No. 2, 2007, S. 329 ff. Vgl. Mestmäcker/Schweitzer (Fußn. 12), § 3 Rn. 53 ff. (Grenzen ökonomischer Wohlfahrtstheorien). Vgl. Künzler (Fußn. 207), S. 76-79 (insb. Grenzen des ökonomischen Verhaltensmodells ‒ Unrealistische Annahmen): „Der Rückgriff auf den ökonomischen Ansatz zur Erklärung des Verhaltens wirtschaftlicher Akteure wird insbesondere von juristischer Seite kritisiert. […] Das ökonomische Verhaltensmodell kann daher nicht mit dem Argument angriffen werden, die Menschen sollten sich anders verhalten, als die Ökonomik voraussetzt.“ S. dazu Carlton/Perloff (Fußn. 122), S. 120-121; Gavil (Fußn. 142), S. 3 u. 32 ff.; Hovenkamp (Fußn. 282), S. 20-23.
III Die wettbewerbsrechtlichen und ökonomischen Ziele der Regulierung…
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stellung oder einen Überprofit nutzbar machen will.292 Bei diesen strukturellen Behinderungsmissbräuchen werden die Interessen der Verbraucher und der Wettbewerber daher auf längere Sicht übereinstimmen.293 Wäre die Verbraucherwohlfahrt ein vordergründiges Ziel, wäre die wettbewerbsrechtliche Möglichkeit einer Rechtfertigung niedriger Preise trotz der Verdrängung der Wettbewerber entbehrlich. Die verschiedenen Versuche können daher darin resultieren, dass mithilfe der ökonomischen Analyse positive Effekte der wettbewerbsbeschränkenden Verhaltensweisen gesucht werden. Allerdings dürfen die Nebenwirkungen, die mit einer übertriebenen Anerkennung der auf die Ökonomie bezogenen Behauptungen verbunden sind, nicht übersehen werden. An dieser Stelle sind zwei Zitate von Gavil erwähnenswert: »The various tests that have been proposed to move the law in that direction tend to emphasize potential efficiencies while downplaying ‒ even dismissing ‒ evidence of actual competitive harm«294 und »Standard case law and treaties assume that the profit-maximizing incentives of a monopolist (today we would also say especially one protected by difficult conditions of entry) will lead it to restrict output and raise price. In doing so, the monopolist will generate allocative inefficiencies and benefit from a transfer of welth from comsumers«.295 3
Die Implementierung der aufgestellten ökonomischen Analysemethoden im Wettbewerbsrecht „[…], dass der Rückgriff auf ökonomische Konzepte und Analysemethoden zu mehr Transparenz und damit letztlich zu einer größeren Vorhersehbarkeit von Entscheidungen für die Rechtsunterworfenen führen soll, wodurch mehr tatsächlich die Rechtssicherheit geschaffen werde. Ob der »more economic approach« jedoch tatsächlich die Rechtssicherheit erhöht, ist in der Literatur stark in Zweifel gezogen worden.“296
Die Notwendigkeit der ökonomischen Analyse bei der Anwendung des Wettbewerbsrechts ist vor allem in der letzten Zeit nicht mehr zu bestreiten. Über292 S. dazu Carlton/Perloff (Fußn. 122), S. 36-37; s. auch Kommission, Prioritätenmitteilung, Tz. 20: „Je beherrschender die Marktstellung eines Unternehmens, desto größer ist normalerweise die Wahrscheinlichkeit, dass das Verhalten, dass das Unternehmen zum Schutz seiner eigenen Stellung wählt, zu einer wettbewerbswidrigen Marktverschließung führt.“ 293 Und somit kann dies darauf hindeuten, dass die auf der vertikal integrierten Struktur ausgeübten Missbräuche gleichzeitig eine Tendenz zur Ausbeutung haben können. 294 Gavil (Fußn. 142), S. 23. 295 Gavil (Fußn. 142), S. 32 ff. 296 Künzler (Fußn. 207), S. 220 u. 223-226.
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§ 1 Einführung in den von Marktführern ausgeübten Behinderungsmissbrauch
dies kann nicht bezweifelt werden, dass durch diese Analyse eine akkurate normative Beurteilung garantiert werden kann.297 In der Tat sind die verschiedenen ökonomischen Theorien und Analysemethoden bereits mittelbar oder unmittelbar sowohl im Wettbewerbsrecht als auch in der Wettbewerbspolitik umgesetzt worden. Dies gilt darüber hinaus insbesondere für die vielfältigen Methoden der Marktabgrenzung (Price Correlation Analysis,298 ElzingaHogarty (E-H),299 SSNIP, Critical Loss, usw.), der Beurteilung der Marktbeherrschung oder Marktkonzentration (Lerner Index,300 Concentration Ration (CRk),301 Herfindahl-Hirschman Index (HHI),302 Value of Diverted Sales,303 Merger Simulation)304 und der Effekte der Wettbewerbsbeschränkungen.305 297 S. dazu Faull/Nikpay (Fußn. 36), Ch. 1, Rn. 1.01 ff. 298 Durch die Erfassung eines gemeinsamen Veränderungsgrades zwischen den Preisen ungleicher Waren wird eine funktionale Substituierbarkeit ermittelt (sog. Preiskorrelationsanalyse); s. dazu Kling/Thomas (Fußn. 37), § 8 Rn. 134 (insb. Fußn. 209); Kommission v. 22.7.1992 IV/M. 190, ABI. EG 1992 Nr. L 356, Tz. 13 (»Schwaches Reagieren auf Preisveränderungen«); Patrick Massey, Market Definition and Market Power in Competition Analysis: Some Practical Issues, Econ. Soci. Rev. Vol. 31 No. 4, 2000, S. 314-315; vgl. Daniel Donath, The use of pricing analysis for market definition purposes: the Arjowiggins/M-real Zanders Reflex and Arsenal/DSP mergers, Competition Policy Newsletter, 2009, S. 43. 299 S. dazu Massey (Fußn. 298), S. 315-316: “Elzinga and Hogarty (1973 and 1978) suggested defining geographic markets based on product flows arguing that »the only data required to estimate market areas ‒ at least in most cases ‒ are shipments data in physical terms«.[…].”; s. auch Kenneth G. Elzinga/Anthony W. Swisher, Limits of the E–H Test in Hospital Mergers: The Evanston Case, Int. J. Econ. Bus. Vol. 18, No. 1, Feb. 2011, S. 133 ff.; krit. Eugen Wingerter, Die räumliche Marktabgrenzung mit Hilfe des Elzinga-Hogarty-Tests, WuW 2017, S. 195. 300 Dazu ausführlich Kenneth G. Elzinga/David E. Mills, The Lerner Index of Monopoly Power: Origins and Uses, Am. Econ. Rev. Vol. 101, No. 3, 2011, S. 558; Carlton/Perloff (Fußn. 122), S. 302 (Ex. 8.2). 301 Thomas R. Saving, Concentration Ratio and the Degree of Monopoly, Int. Econ. Rev. Vol. 11, No. 1, 1970, S. 139 ff.: “The Problem of estimating the degree of monopoly resulting from the existence of large firms […].”; s. auch Carlton/Perloff (Fußn. 122), S. 279-282. 302 S. dazu Kling/Thomas (Fußn. 37), § 8 Rn. 182-186: „Es geht dabei um die Frage, ob der Markt durch viele kleine (bei niedriger Marktkonzentration) oder wenige große Unternehmen (bei hoher Marktkonzentration) geprägt wird. […] Der HHI ist nichts anders als die Summe der Quadrate der Marktanteile.“; s. auch Merger Guidlines by DOJ&FTC Carlton/Perloff (Fußn. 122), S. 279 u. 669 (Ex. 19.3); s. auch Kommission, Leitlinien Bewertung horizontale Zusammenschlüsse, ABl. 5.2.2004 Nr. C 31/5, Tz. 16 ff. 303 S. dazu Kling/Thomas (Fußn. 37), § 8 Rn. 241-243; s. auch CRA, Scoring Unliateral Effects with GUPPI (Gross Upward Pricing Pressure): The Approach of the New Horizontal Merger Guidelines, CRA Competition Memo, 2010: “This concept of »value of diverted sales measured in proportion to the lost revenues attributable to the reduction in unit sales resulting from the price increase« can be converted into a metric for scoring the »upward pricing pressure« from the unilateral effects of a merger.” 304 Dazu ausführlich Oliver Budzinski/Isabel Ruhmer, Merger Simulation in Competition Policy: A Survey, Joint Disscussion Paper Series in Economics by MAGKS, 2008, S. 1 ff.; Gregory
III Die wettbewerbsrechtlichen und ökonomischen Ziele der Regulierung…
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Aber diese Analysemethoden sind weder aus theoretischer noch aus praktischer Sicht stark umstritten. Auf diese Weise können sowohl die Rechtssicherheit als auch der Gegendarstellungsanspruch der fraglichen Unternehmen wenigstens von der analytischen Methodologie gewährleistet werden. Dessen ungeachtet dürfen weder der ökonomische Analyseprozess noch das Analyseergebnis als unerschütterlicher Beweis bei der normativen Beurteilung herangezogen werden, solange unterschiedliche Ergebnisse trotz der gleichen marktbezogenen Daten des betreffenden Sachverhaltes gegebenenfalls sachlich begründet werden können. Wenn die Irrtumswahrscheinlichkeit der Regulierungen aufgrund der starken Vermutung der Rechtswidrigkeit nämlich Wettbewerbsbeschränkungen ausschließen kann, müssen die verschiedenen Versuche (insbesondere vom Kläger) verworfen werden, den wettbewerbsrechtlichen Regulierungen durch Effekte auszuweichen, die auf der Grundlage von ökonomischen Analysen geltend gemacht werden. 4
Die rechtlichen und ökonomischen Beweisgründe bezüglich der Behinderungsmissbrauchsaufsicht und die vertikale Integration
a) Die wettbewerbsrechtlichen Aspekte “The Warren (Chief Justice of the Supreme court, 1953-1969) Court defined ‘competitive’ as a market containing many firms, the small ones having a ‘right’ to compete with the bigger ones.”306
Selbst wenn das Wettbewerbsrecht nach wie vor nicht nur dem Schutz der kleineren Unternehmen dient und die obige Sicht von Warren damals (sog. Warren-era) zur Zielscheibe von Kritik wurde,307 kann man daraus zumindest ein damals vorhandenes Vorbild des Wettbewerbs und Marktes und die normative
J. Werden/Luke M. Froeb/David T. Scheffman, A Daubert Discipline for Merger Simulation, ABA Ant. Mag., 2004, S. 89 ff. 305 In Kapitel 4 dieser Arbeit wird der sog. Areeda-Turner Test in Beziehung zur Kampfpreisstrategie erklärt; s. dazu Wurmnest (Fußn. 17), S. 405-408. 306 Hovenkamp (Fußn. 282), S. 1. 307 S. dazu Hovenkamp (Fußn. 282), S. 1: “But too often the protected class seemed to be small business rather than consumer. Indeed, many Waren-era condemned conduct precisely because it reduced costs or generated more desirable products. Such practices harm rivals unable to match them, but they benefit consumers. On top of that, warren Court antitrust was highly distrustful of markets, suspicious of innovation and the intellectual property laws, and convinced that aggressive antitrust remedies would make the economic world a better place.” u. 7-10, 31 ff.; s. auch Bork, Antitrust Paradox, 1978.
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§ 1 Einführung in den von Marktführern ausgeübten Behinderungsmissbrauch
Erkenntnis erkennen, dass die Konzentration der Marktmacht schädlich für den Wettbewerb sein kann. Die normative Kontrolle der Marktbeherrschung oder -macht spiegelt eine Sichtweise wider: Ihre Aufrechterhaltung oder Ausübung könnte Nachteile für die normale Marktfunktion und die Wettbewerbsbedingungen haben.308 Dies gründet sich auch bereits auf die ökonomischen Gedanken oder Voraussetzungen für z.B. i) die Verringerung des wirklichen Wettbewerbs und der Innovation, ii) Ineffizienz durch eine Erzeugungseinschränkung oder Preiserhöhung und darauf aufbauend Nachteile für die Verbraucher, iii) die Verdrängung von Wettbewerbern und weiterhin iv) die Gestaltung oder die Verstärkung von Eintrittsbarrieren.309 Unter der rechtsdogmatischen Überlegung dieser Möglichkeiten wird der Schutz des Wettbewerbs als ein primärer Wettbewerbsrechtszweck garantiert und gleichzeitig durch bestimmte Vorschriften und Präzedenzfälle de facto herbeigeführt. Dies bedeutet in der rechtsorientierten Auslegung oder Anwendung kein Veto gegen ökonomische Beweisführungen. Tatsächlich werden solche Beweisgründe je nach Rechtssache tatkräftig unterstützt. Zur Beurteilung der Wettbewerbsbeschränkungen fassen Art. 102 AEUV, Sec. 2 Sherman Act und die diesbezüglich ergangenen Urteile die analoge normative Vorstellung auf, die unberechtigte Verdrängung der Wettbewerber regulieren zu müssen. Allerdings weichen die konkreten Bereiche der Regulierungsgegenstände voneinander ab. Das Verbot des Sec. 2 Sherman Act konzentriert sich eigens auf den Exclusionary Abuse zur Gestaltung, Erhaltung und Verstärkung des Monopols, indem die im Monopolmarkt als eine Folge oder ein Effekt der Verdrängung entstehenden Nachteile vor einem Richter vorgebracht werden. Im Großen und Ganzen jedoch werden die Möglichkeiten dieses sog. Unilateral Conduct, den Wettbewerb zu beschleunigen, positiv gewertet, weshalb sich die kontrollierbaren Verhaltensbereiche verengen müssen. Im Gegensatz dazu können sowohl die Behinderung der Wettbewerber als auch die verschiedenen preisbezogenen Missbräuche und die Diskriminierungen durch 308 S. auch Bulst (Fußn. 11), Art. 102 AEUV Rn. 1 f.; s. auch Gormsen (Fußn. 288), S. 335-336; vgl. DOJ, Single-Firm Conduct under Section 2 of the Sherman Act (zitiert als: Single-Firm Conduct Report), 2008, S. 1: “Firms possessing monopoly power can reduce output and charge higher prices than would prevail under competitive conditions and thereby harm consumers.” u. 5 ff. 309 Vgl. Stopper (Fußn. 253), S. 33: „Das »More« im »More Economic Approach« deutet darauf hin, dass die Wettbewerbspolitk bereits vor Einführung dieses wettbewerbspolitischen Ansatzes eine ökonomische Betrachtungsweise von Wettbewerbshandlungen vorgenommen hat, diese Betrachtungsweise jedoch intensiviert werden soll. […], die diesen Ansatz einer »erhöhten ökonomischen Betrachtungsweise« widerspiegeln können.“
III Die wettbewerbsrechtlichen und ökonomischen Ziele der Regulierung…
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Art. 102 AEUV reguliert werden. Dies wird damit begründet, dass die von den jeweiligen Unternehmen arbiträre Kontrolle über die Wettbewerbsbedingungen nicht der Verbraucherwohlfahrt, sondern der Erhaltung ihrer Marktstellungen oder unangemessenen Profitmaximierung durch die Behinderung der Wettbewerber dient. Wenn die Verbotsschwelle des Wettbewerbsrechts trotz der Ungewissheit oder der Variabilität der durch die hypothetischen Analysen abgeleiteten Ergebnisse eben deswegen tatsächlich angehoben wird, könnte der ideologische und normative Wert des Wettbewerbs, der um seiner selbst Willen geschützt werden muss, beschädigt werden.310 b) Die ökonomischen Aspekte “In free markets, consumers determine which firms succeed. […] The free-market mechanism generally provides greater success »to those firms that are more efficient and whose products are most closely adapted to the wishes of consumers«.”311 und “To be competitive, markets need not conform to the economic ideal in which many firms compete and no firm has control over price.”312
Nach diesem Report als einem sog. Grundstein zur »Modernization of Antitrust law« verspricht sich die Auffasung, die die ökonomische Beweisführung verstärken will,313 viel von dem sog. Freimarkt-Mechanismus. Unternehmen und Verbraucher haben gemeinsame Interessen.314 Dies bedeutet, dass eine ökonomische Effizienzverbesserung der Unternehmen nichts Geringeres als die Vorteile der Verbraucher darstellt. In der Tat ist diese Richtung seit zehn Jahren ein
310 S. auch Basedow (Fußn. 259), S. 713-714: „[…], dass der Wettbewerb die Wirkung und Funktion hat, die Auswahlmöglichkeiten der Verbraucher zu erweitern und ihnen bessere Qualität zu niedrigeren Preisen zu gewähren, ist nichts Neues, auch in Deutschland nicht.“ 311 Vgl. William Baumol, The Free-Market Innovation Machine: analyzing the growth miracle of capitalism, 2004, S. 10. 312 AMC, Report and Recommendations, 2007, S. 2; s. auch Carlton/Perloff (Fußn. 122), S. 8182. 313 Vgl. Kommission, DG Competition Discussion Paper, Tz. 4 u. 77 ff. (insb. 84 f.: For this defence the dominant company must demonstrate that the following conditions are fulfilled: i) that efficiencies are realised or likely to be realised as a result of the conduct concerned; ii) that the conduct concerned is indispensable to realise these efficiencies; iii) that the efficiencies benefit consumers; iv) that competition in respect of a substantial part of the products concerned is not eliminated.); DOJ, Single-Firm Conduct Report, 2008; vgl. die verstärkt wirtschaftliche Betrachtungsweise in der EU Wurmnest (Fußn. 17), S. 224-231. 314 AMC, Report and Recommendations, 2007, S. 4: “Most important, antitrust case law has become grounded in the related principles that antitrust protects competition, not competitors, and that it does so to ensure consumer welfare.”; s. krit. in Kapitel 1. III. 4. c) in dieser Arbeit.
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§ 1 Einführung in den von Marktführern ausgeübten Behinderungsmissbrauch
unverändertes Fundament des More-Economic Approach.315 Dieser strebt vor allem danach, durch ökonomische Beweisführungen die positiven oder negativen Effekte darzustellen: “Economic learning has provided the foundation for updated antitrust analysis in part by revealing the potential procompetitive benefits of some business conduct previously assumed to be anticompetitive. The accommodation of such advances in economic learning has increased the flexibility of antitrust law, with courts and the antitrust agencies now considering a wide variety of economic factors in their analyses.”316
Beim Wettbewerbsrechtsprozess übten die Ökonomen lange Zeit Kritik daran, dass die Rechtsurteile ausschließlich von der Auslegung und der Anwendung der abstrakten Normen abhängig sind. Folglich warfen sie die Frage auf, ob Urteile, in denen die verschiedenen Effektanalysen von Marktsituationen und verhalten nicht ausreichend berücksichtigt wurden, überzeugend sind.317 Die angeführten ökonomischen Behauptungen fußen daher sowohl auf einer Kritik an bloßen Vermutungen von Wettbewerbsbeschränkungen oder einer Ineffizienz als auch auf der Zumutbarkeit der von einem wettbewerbsbeschränkenden Verhalten angeleiteten positiven Effekte. De facto zeigt dieses Problembewusstsein die verschiedenen Versuche, die Gerichte von ökonomischen Begründungen zu überzeugen.318 In Beziehung zur Behinderungsmissbrauchsaufsicht wird die zunehmende Berücksichtigung von ökonomischen Effekten durch eine Richtungsänderung der Präzedenzfälle bekräftigt. Die in den Rechtsstreitigkeiten dargelegten Sor315 AMC, Report and Recommendations, 2007, S. 4-5: “Substantial economic learning now undergirds and informs antitrust analysis. Time and again in recent decades, the Supreme Court has used economic reasoning to develop standards for antitrust analysis. Case-by-case decision-making has provided myriad opportunities for the integration of economics into antitrust analysis, and litigating parties and the courts have used them.” 316 AMC, Report and Recommendations, 2007, S. 5. 317 Neben den normativen Regulierungsgründen können die Eigenschaften der normativen Beurteilung an sich angegriffen werden. Aber im Fall Kodak v. IST ist dem Supreme Court zufolge die Berücksichtigung der tatsächlichen Marktsituationen bei der normativen Ermittlung von Bedeutung, obwohl sog. actual market realities nicht nur durch ökonomische Analysen abgebildet werden; s. Eastman Kodak Co. v Image Technical Service Inc., 504 U.S. 451, 466-467 (1992): “Legal presumptions that rest on formalistic distinctions, rather than actual market realities, are generally disfavored in antitrust law. This court has preferred to resolve antitrust claims on a case-by-case basis, focusing on the particular facts disclosed by the record.”; s. auch Sullivan/Hovenkamp/Selanski (Fußn. 88), S. 510 ff. (insb. S. 514). 318 Vgl. Salop (Fußn. 194), S. 311-312: “Exclusionary conduct decisions by antitrust enforcers and the courts sometimes have been criticized for protecting inefficient competitors at the expense of consumers.”; s. auch Bork (Fußn. 244), S. 64-66.
III Die wettbewerbsrechtlichen und ökonomischen Ziele der Regulierung…
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gen um eine übermäßige Regulierung gingen mit einer Betonnung des »More Economic Approach« einher. Im Fall Sylvania319 hat der Supreme Court den konkreten Standpunkt aus vorangegangenen Fällen (insb. Arnold Schwinn320) verworfen. Damit wurden die sog. »non-price restraints on intra-brand« auch aufgrund sog. Redeeming Virtues unter der »Rule of Reason« bewertet.321 Dies bedeutet, dass die sog. »Structure-Conduct-Performance (SCP)«322 als ein Strukturalismus der Havard School323 ‒ die aus der Wechselwirkung zwischen der Struktur und der Verhaltensweise allgemeine Konsequenzen bezüglich der Leistungen abgeleitet hat324 ‒ gradweise gesunken ist. Gleichzeitig führt es dazu, dass sich das traditionelle Paradigma des Monopols auf der Grundlage vom »Effect Based Approach« wandelt.325 Jedoch muss man zu der Erkenntnis kommen, dass die Folgerung aus der ökonomischen Analyse geradewegs als eine normative Beurteilung akzeptiert werden muss. Die ökonomische Analyse, die aus bestimmten Marktbedingun319 Continental T.V., Inc. v. GTE Sylvania Inc., 433 U.S. 36 (1977). 320 U.S. v. Arnold, Schwinn & Co. 388 U.S. 365 (1967); Continental T.V., Inc. v. GTE Sylvania Inc., 433 U.S. 36, 58-59 (1977): “But we do make clear that departure from the rule of reason standard must be based upon demonstrable economic effect, rather than ‒ as in Schwinn ‒ upon formalistic line drawing.” 321 Vgl. Continental T.V., Inc. v. GTE Sylvania Inc., 433 U.S. 36, 54 (1977): “Vertical restrictions promote interbrand competition by allowing the manufacturer to achieve certain efficiencies in the distribution of his products. These »redeeming virtues« are implicit in every decision sustaining vertical restrictions under the rule of reason.”; Broadcast Music, Inc. v. Columbia Broad. Sys., Inc., 441 U.S. 1 (1979). 322 S. Weiss (Fußn. 9), S. 1104 ff. (insb. »The Basic Elements of SCP«); Phillips (Fußn. 9), S. 1100-1105; Carlton/Perloff (Fußn. 122), S. 26-28 (Insb. Figure 1.1 Structure, Conduct, and Performance) u. 268 ff.; s. auch »klassiche Industrieökonomik« Künzler (Fußn. 207), S. 4749. 323 S. zuvor Rousseva (Fußn. 13), S. 32-37. 324 S. dazu Rousseva (Fußn. 13), S. 35 (Marc Allen Eisner, Antitrust and the Triumph of Economics: Institutions, Expertise, and Policy Change, 1991, S. 100-103: i) dominant firms in highly concentrated industries set prices above costs to maximize profits; ii) large firms in concentrated industries might be relatively inefficient; iii) high levels of concentration can also place limits on technological innovation; and iv) excessive concentration is conducive to maldistribution of wealth.); vgl. Kovacic/Shapiro (Fußn. 237), S. 52: “This framework encouraged empirical researchers to seek relationships between market concentration and performance measures such as price/cost margins. […], both the courts and economists of this time tended to downplay efficiencies associated with large-scale enterprises.” 325 S. dazu Hovenkamp (Fußn. 282), S. 32: “Chicago School writers also believed that many of practices identified in the case and literature as »Exclusionary« in fact reflected aggressive competition or innovation.”; vgl. Continental T.V., Inc. v. GTE Sylvania Inc., 433 U.S. 36, 55 (1977): “Economists have identified a number of ways in which manufacturers can use such restrictions to compete more effectively against other manufacturers.”; s auch Künzler (Fußn. 207), S. 49-52 (insb. S. 50: »das Vertrauen auf die Selbstheilungskräfte des Wettbewers« und »die Maximierung der Konsumentenwohlfahrt«)
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§ 1 Einführung in den von Marktführern ausgeübten Behinderungsmissbrauch
gen wie dem sog. hypothetischen Modell abgeleitet wird, kann jedoch Irrtümern ausgesetzt sein.326 c)
Stellungnahme: Die Grenzen ökonomischer Prämissen bei der vertikalen Integration
Auch bei einer positiven Bewertung der Folgen einer Ausübung von Marktmacht und der sog. Market Self-Corrects müssen die ökonomischen Behauptungen in Zweifel gezogen werden. Dies gilt insbesondere für den Fall des Behinderungsmissbrauchs bei der vertikalen Inegration. 327 Es gelten die folgenden hypothetischen Voraussetzungen: i) ein marktbeherrschendes Unternehmen soll im Gegensatz zu seinen Wettbewerbern darauf abzielen, die ökonomische Effizienz zu erhöhen und ii) selbst wenn dadurch dem Wettbewerb vorläufig Schranken gesetzt werden, kann die sog. Selbstkorrektur des Marktes funktionieren, denn durch den Markteintritt von neuen Wettbewerbern kann die Marktbeherrschung geschwächt werden und gleichzeitig die Wettbewerbssituation stabilisiert werden. Wenn dem so wäre, müsste jedoch eine Folgefrage aufgeworfen werden: Werden die obigen Voraussetzungen auf der vertikal integrierten Marktstruktur auch bestätigt? Leider fällt die Antwort aus einigen Gründen negativ aus: i) die vom marktbeherrschenden Unternehmen auf dem vorgelagerten Markt erzielte Effizienz des auf dem nachgelagerten Markt verbundenen Unternehmens ist unabhängig vom Leistungswettbewerb (engl. competition on the merits), ii) die in dem fraglichen Markt eintretenden Unternehmen müssen sich die Frage stellen, ob die Marktbarriere überwindbar ist und ob das anständige Gewinnstreben angesichts der vertikalen Integration des Wettbewerbers möglich ist. Die wesentlichen Probleme des vertikal integrierten Markts sind die strukturelle und starke Verhinderung des Marktzutritts sowie die Zementierung und der Transfer der Marktmacht. Wie im Fall der KPS können diese Fragen allein durch die hypothetische Marktfunktion (hier: die Selbstkorrektur des Marktes), welche regelmäßig als ökonomische Rechtfertigung der Unternehmen dient, nicht gelöst werden.
326 Vgl. Dreher/Kulka (Fußn. 40), § 5 Rn. 615 ff. 327 Es ist eine unbestrittene Tatsache, dass eine Ermittlung von Wettbewerbsbeschränkungen durch einseitige unternehmerische Verhaltensweisen (unilatral conducts) schwieriger als in anderen Regulierungsbereichen ist. Aber in dem Fall, dass der lediglich auf die ökonomische Effektanalyse basierende Einwand unverhältnismäßig ist, lässt sich der freie Marktwettbewerb als ein primärer Wert des Wettbewerbsrechts bewerten.
III Die wettbewerbsrechtlichen und ökonomischen Ziele der Regulierung…
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Der Schutz des Wettbewerbs und die Interessenabwägung
a) Die Interessenabwägung als ein notwendiger Schritt zum Werturteil Man kann nicht mit Sicherheit sagen, dass bei allen normativen Beurteilungen die Interessenabwägung unbedingt und ausdrücklich nötig ist. Aber in den behinderungsmissbrauchsbezogenen Fällen wird eine Abwägung zwischen den verschiedenen Werten und Profiten neben der Debatte über den Schutzzweck des Wettbewerbsrechts erfahrungsgemäß durchgeführt. Weiterhin kann ihr Gewicht je nach den fraglichen Formen ungleich eingeschätzt werden, weshalb es unvermeidlicherweise stets möglich ist, dass die gegenüberstehenden Werte geopfert werden. Dies kann im gleichen Kontext wie die sog. Interessenjurisprudenz aufgefasst werden, so dass sowohl die rechtslogische Konsistenz als auch die tatsächliche und konkrete Gültigkeit im einzelnen Fall gewährleistet wird.328 b) Die Bedeutung der Interessenabwägung Wie in dem Satz »Interessenabwägung beherrscht das ganze Recht«329 von G. Struck beschrieben, ist der Zusammenstoß von entgegengesetzten verschiedenen Werten, Zielen oder Interessen usw.330 ein gewöhnliches Vorgehen bei der Beurteilung konkreter Fälle. Durch einen pragmatischen Vergleich ist jeder Fall unter Berücksichtigung berechtigter Interessen zu entscheiden.331 Diesen fortlaufenden Prozess kann man als eine sog. Interessen- oder Wertabwägung, einen Balancing Test (für counterbalanced or outweighed) verstehen.332 Diese Abwägung muss sowohl auf einer logischen Kongruenz der ökonomischen Theorien als auch auf einer normativen Richtigkeit beruhen. Bei der Anwendung des Wettbewerbsrechts auf den Einzelfall spielt die Interessenabwägung eine wichtige Rolle, obwohl keine zwingende Abwä328 S. für einen historischen Rückblick der Entwicklung von der Begriffs- zur Interessenjurisprudenz Alfons Kraft, Interessenabwägung und gute Sitten im Wettbewerbsrecht, 1963, S. 7 f. 329 G. Struck, Interessenabwägung als Methode, in: R. Dubischar u. a. (Hrg.), Dogmatik und Methode, Josef Esser zum 65. Geburtstag, 1975, S. 171. 330 S. zum Begriff des Interesses und die Abgrenzung von Interesse und Zweck Kraft (Fußn. 328), S. 9 ff. u. 32 f. 331 S. auch Hans-Joachim Koch, Die normtheoretische Basis der Abwägung, in: Abwägung im Recht, Symposium zur Emeritierung von Werner Hoppe, Köln u. a., 1996. S. 9: „Die Aufgabe der Abwägung im Recht begegnet uns auf Schritt und Tritt. Konkurrierende Interessen, konfligierende Zielsetzungen, widerstreitende Belange, kollidierende Pflichten, Rechtsgüterkollisionen erfordern Entscheidungen, die nur teilweise durch staatlich gesetztes Recht vorgegeben sind.“ 332 Vgl. Kapitel 2 dieser Arbeit: Effects-Balancing Test und Disproportionality Test.
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§ 1 Einführung in den von Marktführern ausgeübten Behinderungsmissbrauch
gungsvorschrift existiert.333 Der Grund dafür ist, dass die wettbewerbsrechtlichen Schutzzwecke und die Effizienzverbesserung als ein ökonomischer Effekt, der Schutz der Verbraucher und Handelspartner usw. miteinander kollidieren können. Problematisch ist jedoch, ob die unternehmerische Effizienzverbesserung im Wesentlichen ein vergleichbarer Gegenstand gegenüber den Wettbewerbsbeschränkungen sein kann. c)
Die wettbewerbsrechtlichen Gegenstände der Interessenabwägung und die Rechtfertigung
Das Wettbewerbsrecht strebt nicht nur nach wirtschafts- und wettbewerbspolitischen Zielen. Vielmehr steht das Wettbewerbsrecht stets vor der Notwendigkeit einer Interessenabwägung der angestrebten Werte.334 Aus der unbedeutenden Möglichkeit einer Wettbewerbsbeschränkung und der Erwartung vorteilhafter Effekte wie technischer Innovation zur Qualitätssteigerung und der Rücksicht auf Gesundheit und Sicherheit oder der Kostensenkungen beim Erzeugungs- und Verkaufsprozess usw., wird dieser wettbewerbsrechtliche Interessenabwägungsbedarf (von den Unternehmen) abgeleitet. Solche Effizienzvorteile, die vom Verhalten des marktbeherrschenden Unternehmens erwartet werden, müssen eine objektive Substanz und Notwendigkeit (sog. objektive justification defences: objective necessity and efficiencies)335 aufweisen.336 Außerdem müssen diese vorteilhaften Effekte die tatsächlichen Befürchtungen vor Wettbewerbsbeschränkungen auf- oder überwiegen können.337 Die Kommission hat durch die Prioritätenmitteilung strikte Bedingungen für das Erreichen der Effizienzvorteile im Vergleich zum Fall British Airways festgelegt (insbesondere »durch das Verhalten wird der wirksame Wettbewerb nicht ausgeschaltet«).338 Im Fall Post Danmark ist der EuGH dementsprechend 333 S. für ein mittelbares Vorzeigen von denknotwendigem Interessenabwägungsbedarf Kommission, Prioritätenmitteilung, Tz. 30. 334 Vgl. Elhauge/Geradin (Fußn. 58), S. 150 ff. 335 S. dazu Faull/Nikpay (Fußn. 36), Ch. 4, Rn. 4.290 ff. 336 Bulst (Fußn. 11), Art. 102 AEUV Rn. 85: „Für ein den Art. 102 anwendendes Gericht oder eine nationale Behörde gilt nichts anders. Kein Missbrauch liegt vor, wenn das fragliche Marktverhalten objektiv gerechtfertigt ist.“ u. 136 ff. 337 S. Kling/Thomas (Fußn. 37), § 6 Rn. 7-9; vgl. mit sog. possible defences bez. DG Competition Discussion Paper (insb. Rn. 77-84); Dreher/Adam (Fußn. 264), S. 264. 338 Kommission, Prioritätenmitteilung, Tz. 30 f.; s. dazu Faull/Nikpay (Fußn. 36), Ch. 4, Rn. 4.292-296: i) die Effizienzvorteile wurden bzw. werden wahrscheinlich als Ergebnis des fraglichen Verhaltens erzielt, ii) das Verhalten ist für das Erreichen der Effizienzvorteile unverzichtbar, iii) die durch das Verhalten herbeigeführten Effizienzvorteile wiegen etwaige negative Auswirkungen auf den Wettbewerb und das Verbraucherwohl auf den betroffenen Märkten auf, iv) durch das Verhalten wird der wirksame Wettbewerb nicht ausgeschaltet, indem
III Die wettbewerbsrechtlichen und ökonomischen Ziele der Regulierung…
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diesem Standpunkt gefolgt:339 »Ein solches Unternehmen kann dazu insbesondere den Nachweis erbringen, dass entweder sein Verhalten objektiv notwendig ist340 oder dass die dadurch hervorgerufene Verdrängungswirkung durch Effizienzvorteile ausgeglichen oder sogar übertroffen werden kann, die auch dem Verbraucher zugutekommen«.341 d) Stellungnahme: aa. Die Voraussetzungen bei der Interessenabwägung in der Prioritätenmitteilung und die auf dem vertikal integrierten Markt ausgeübten Missbräuche Durch die Prioritätenmitteilung hat die Kommission mannigfaltige Voraussetzungen (sog. Four-Pronged Test) vorgelegt, die zur Rechtfertigung einer wettbewerbswidrigen Marktverschließung kumulativ erfüllt werden müssen. Hierfür haben die marktbeherrschenden Unternehmen sowohl unter Beweis zu stellen, dass keine Verbraucherschäden verursacht werden, als auch, dass Effizienzvorteile als Ergebnis des fraglichen Verhaltens hinreichend wahrscheinlich sind.342 Weiterhin werden »die herbeigeführten Effizienzvorteile« und »etwaige negative Auswirkungen auf den Wettbewerb und das Verbraucherwohl« miteinander abgewogen.343 Die vierte Voraussetzung ist vor allem beachtenswert im Zusammenhang mit einem Missbrauch, der unter der vertikal integrierten Marktstruktur ausgeübt wird. Hier akzentuiert die Kommission den essenziellen Wert des Wettbe-
339 340
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alle bzw. fast alle bestehen den Quellen tatsächlichen oder potenziellen Wettbewerbs zum Versiegen gebracht werden. EuGH v. 27.3.2012, Rs. C-209/10, ECLI:EU:C:2012:172, Tz. 41-42 - Post Danmark A/S/Konkurrencerådet; s. auch Kommission, Prioritätenmitteilung, Tz. 28. Vgl. EuGH v. 3.10.1985, Rs. 311/84, Slg. 1985, 3261, Tz. 26-27 - Télémarketing (CBEM)/SA CLT u. SA IPB; EuGH v. 14.11.1996 - Rs. C-333/94, Slg. 1996, I-5951, Tz. 21 - Tetra Pak/Kommission; s. auch über die keine objektive Rechtfertigung Bulst (Fußn. 11), Art. 102 AEUV Rn. 85, 138, 178. Vgl. EuGH v. 15.3.2007, Rs. C-95/04, Slg. 2007, I-2331, Tz. 86 - British Airways plc/Kommission; EuGH v. 17.2.2011 - Rs. C-52/09, Slg. 2011, I-527 Tz. 76 KKV/TeliaSonera Sverige: „Dabei ist zu ermitteln, ob die Nachteile der Verdrängungswirkung einer solchen Preispolitik für den Wettbewerb durch Effizienzvorteile ausgeglichen oder sogar übertroffen werden können, die auch dem Verbraucher zugutekommen.“ u. 86. Kommission, Prioritätenmitteilung, Tz. 30 u. 31. Kommission, Prioritätenmitteilung, Tz. 30; s. auch die sog. Erforderlichkeit der Wettbewerbsbeschränkung, um Effizienz zu erzielen: „Es dürfen keine weniger wettbewerbsbeschränkenden Alternativen zu dem betreffenden Verhalten bestehen, mit denen dieselben Effizienzvorteile erzielt werden können.“
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§ 1 Einführung in den von Marktführern ausgeübten Behinderungsmissbrauch
werbs für sich344 und zieht gleichzeitig einen übergeordneten Erwägungsfaktor und eine gewisse Grenze bei der Interessenabwägung zur Rechtfertigung heran: »Gibt es keinen Restwettbewerb und droht in absehbarer Zeit kein Markteintritt, wird dem Schutz des Wettstreits und des Wettbewerbsprozesses Vorrang vor potenziellen wettbewerbsfördernden Effizienzvorteilen eingeräumt. Wettbewerbsverschließendes Verhalten, das der Wahrung, Schaffung oder Stärkung einer marktbeherrschenden, monopolähnlichen Stellung dient, kann nach Auffassung der Kommission nicht mit damit einhergehenden Effizienzvorteilen gerechtfertigt werden.«345 Infolgedessen muss eine positive Berücksichtigung von erwarteten Effizienzvorteilen in einer Marktsituation wie der KPS von Anfang an unzulässig sein.346 bb. Die Begrenzung der Interessenabwägung beim Behinderungsmissbrauch Die Interessenabwägung kann zweierlei Bedeutungen haben. Fürs Erste spielt sie eine Rolle als ein begriffliches Instrument zum Werturteil, ob das Verhalten des marktbeherrschenden Unternehmens gerechtfertigt ist. Gleichzeitig zeigen die hierfür berücksichtigten Voraussetzungen eine sog. zulässige Grenze der Interessenverteidigung als ein unternehmerisches Ermessen auf. Es gilt der Grundsatz, dass die Verhaltensweisen, die den wirksamen Wettbewerb beseitigen können, bei der Interessenabwägung nicht in Frage kommen, da der wirksame Wettbewerb kein Opfer für die Effizienz sein kann. Insbesondere in den Fällen, in denen ein Versuch, Wettbewerber zu verdrängen, an sich geradeswegs eine Monopolisierung zur Folge hat oder dass ein späterer Marktzutritt von neuen Wettbewerbern in seiner Struktur beschränkt wird, sollten sowohl die Gerichte, als auch die Kommision zukünftig auf eine Ermittlung eventueller positiver Effekte verzichten, da andernfalls ein Missbrauch der Marktstrukturen durch die Unternehmen begünstigt würde. Selbst wenn die Abwägungsnotwendigkeit anerkannt wird, ist es immer noch zweifelhaft, ob der durch die Effizienzverbesserung erzielte Profit des Unternehmens als ein wettbewerbsrechtlicher Schutzgegenstand angesehen werden kann. Un344 Kommission, Prioritätenmitteilung, Tz. 30: „Die Rivalität zwischen Unternehmen ist ein wichtiger Faktor wirtschaftlicher Effizienz, u. a. auch für dynamische Effizienzvorteile in Form von Innovationen. Ohne sie hätte das marktbeherrschende Unternehmen keinen Anreiz, sich um Effizienzvorteile zu bemühen und diese weiterzugeben.“ 345 Kommission, Prioritätenmitteilung, Tz. 30. 346 Kommission, Prioritätenmitteilung, Tz. 30; s. auch den ersten Satz: „durch das Verhalten wird der wirksame Wettbewerb nicht ausgeschaltet, indem alle bzw. fast alle bestehenden Quellen tatsächlichen oder potenziellen Wettbewerbs zum Versiegen gebracht werden.“
III Die wettbewerbsrechtlichen und ökonomischen Ziele der Regulierung…
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ternehmen bejahen dies unter der Behauptung, dass die geltend gemachte Effiziensverbesserung größtenteils dem Vorteil der Verbraucher diene. Dass diese Behauptung der Realität entspricht, ist jedoch zweifelhaft. Kostensenkungen beim Erzeugungs- und Vertriebsprozess führen regelmäßig allenfalls zu kurzfristigen Preissenkungen mit dem Ziel weniger effiziente Konkurrenz vom Markt zu verdrängen. Ist dieser Schritt erfolgreich, folgen darauf langfristig Preiserhöhungen durch Unternehmen mit ausreichend Marktmacht. Im Ergebnis dienen Kostensenkungen und eine Vergrößerung der Produktion somit in erster Linie der Erhaltung oder Ausdehnung von Marktmacht, nicht der Verbraucherwohlfahrt.
§ 2 Die Regulierungsgrundlagen des Behinderungsmissbrauchs und die Maßstäbe für die Beurteilung der Kartellrechtswidrigkeit
Wie bereits erwähnt, wird die Durchführung des Wettbewerbsrechts aller Länder immer konvergenter. Eine derartige Tendenz ist vor allem in den Regulierungen gegen Kartelle und Unternehmenszusammenschlüsse auffällig. Beim Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung sind die unterschiedlichen Ansichten jedoch noch nicht angeglichen.347 Unabhängig von der Fassung der Normen resultieren diese Unterschiede möglicherweise aus verschiedenartigen gesellschaftlichen und philosophischen Sichtweisen hinsichtlich der Marktmacht. Dessen ungeachtet ist eine rechtsvergleichende Betrachtung der zentralen Regulierungsgrundlagen und -formen der Beurteilungsmethoden sowie der verschiedenen Rechtswidrigkeitmaßstäbe weiterhin von Bedeutung.
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Die Entwicklung der jeweiligen Regulierungsgrundlagen beim Behinderungsmissbrauch und ihre Auslegung
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EU
Die wesentlichen Normen zur europäischen Missbrauchsaufsicht sind Art. 102 AEUV und die VO Nr. 1/2003. Weiterhin lassen sich das DG Competition Discussion Paper348 und die Prioritätenmitteilung349 als Ergebnisse der Versuche, den ökonomischen und effektorientierten Approach auch auf die Behinderungsmissbrauchsfälle zu erweitern, de facto als Rechtsquellen ansehen.350 347 S. zuvor Larouche/Schinkel (Fußn. 189), S. 153 ff. 348 S. zuvor Wurmnest (Fußn. 17), S. 226-227: „Der erste Grundpfeiler ist eine Reduzierung des Schutzzwecks des Missbrauchsverbots auf das Ziel der Wohlfahrtsmaximierung.“ 349 S. zuvor Wurmnest (Fußn. 17), S. 228-231: „Damit orientiert sie sich bei der Beurteilung ihres Aufgreifermessens der Sache nach am Maßstab der Konsumentenwohlfahrt.“ 350 Wurmnest (Fußn. 17), S. 227: „Das zweiter Charakteristikum der Neuausrichtung ist der Auswirkungsansatz (effects based approach) […]. Als dritter Pfeiler der Neuausrichtung kann die stärkere Berücksichtigung von Effizienzvorteilen genannt werden.“; vgl. William E. Kovacic, The Intellectual DNA of Modern U.S. Competition Law for Dominant Firm
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 Y. G. You, Behinderungsmissbrauch durch marktbeherrschende Unternehmen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-24781-2_3
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§ 2 Die Regulierungsgrundlagen des Behinderungsmissbrauchs…
a) Der Entwicklungsprozess des Art. 102 AEUV Im Rahmen der verschiedenen Anstrengungen zur europäischen Einigung kann man die Entwicklung der Missbrauchsaufsicht anhand von Art. 102 AEUV verstehen. Obwohl der EGKS-Vertrag als ein Übergangsstadium vorher bestand,351 kann man insbesondere den EWG-Vertrag (konkret: Art. 86) als bedeutenden Schritt zur europäischen Einigung ansehen.352 Seitdem ist der EWGVertrag mit dem Vertrag von Maastricht teilweise verändert worden. Im Jahr 1999 trat schließlich der EG-Vertrag ‒ der durch den Amsterdamer Vertrag abgeändert wurde ‒ in Kraft. Dabei wurden die Wettbewerbsregeln (Art. 82 EGV) ohne Inhaltsveränderung neu nummeriert.353 Die gegenwärtigen Wettbewerbsregeln (insb. Art. 102 AEUV) wurden durch den Vertrag von Lissabon zur Änderung des EUV und EGV systematisiert.354 Auf diese geschichtlichen Vorgänge haben die verschiedenen Schulen in Deutschland und das Antitrust Law in den USA bedeutenden Einfluss ausgeübt.355 Vor allem behält das Antitrust Law trotz der unterschiedlichen Beurteilung in den konkreten Fällen nach wie vor seinen Einfluss bei.356 In diesem Zusammenhang kann man auch die fortschreitende Ausdehnung des ökonomischen Approaches verstehen, die unter dem Vorwand der Modernisierung der
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Conduct: The Chicago/ Harvard Double Helix, 2007 Colum. Bus. L. Rev. 2007, No. 1:1, S. 2 ff. Eingehend hierzu Mestmäcker/Schweitzer (Fußn. 12), § 2 Rn. 3-13. Der Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahle ist am 18.4.1951 in Kraft und am 23.7.2002 außer Kraft getreten; s. auch Bechtold/Bosch/Brinker (Fußn. 11), Einl. Rn. 1; Edwards (Fußn. 93), S. 243 ff. Der Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, der am 1.1.1958 in Kraft getreten war; s. Bechtold/Bosch/Brinker (Fußn. 11), Einl. Rn. 1; Mestmäcker/ Schweitzer (Fußn. 12), § 2 Rn. 14-17; eingehend hierzu Edwards (Fußn. 93), S. 291-320. S. dazu Bechtold/Bosch/Brinker (Fußn. 11), Einl. Rn. 2: „Früher umfassten die Wettbewerbsregeln des Vertrages die Art. 85-93 EWGV. Zwischen 1999 und 2009[…] die Artikelbezeichungen 81-89 EG.“ S. zuvor Dreher/Kulka (Fußn. 40), § 5 Rn. 613-614 u. § 10 Rn. 1089-1100; s. Bechtold/ Bosch/Brinker (Fußn. 11), Einl. Rn. 3 u. 7-14. S. zuvor Wurmnest (Fußn. 17), S. 54 ff.; Mestmäcker/Schweitzer (Fußn. 12), § 3 Rn. 22-42 (zu den Merkmalen von Chicago und Post-Chicago School of Antitrust); vgl. Rousseva (Fußn. 13), S. 18-20 (insb. S. 19: “However, despite the differences in the concrete texts of the provisions, […] the jurisprudence under Section 2 has provided useful insights for the development of the jurisprudence under Article 82.”); Möschel (Fußn. 248), S. 261: “Overall, the American Antitrust Law can be understood to be a kind of »original parent legal system« from which the other competition law regimes are derived.” S. dazu Künzler (Fußn. 207), S. 5-7: „Neu ist demgegenüber die verstärkte Ökonomisierung des Kartellrechts, welche durch die Umsetzung ökonomischer Ansätze, wie sie z.B. die Chicago bzw. Post Chicago School und die Harvard School entwickelt haben, erfolgt.“
I Die Entwicklung der jeweiligen Regulierungsgrundlagen beim Behinderungsmissbrauch…
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Missbrauchsregulierung läuft.357 Tatsächlich hat sich in der Kommissionspraxis eine solch evidente Richtung ‒ anders als in der jeweiligen Praxis der Gerichte ‒ bestätigt.358 b) Die normative Bedeutung und die verbotenen Verhaltensweisen Art. 102 AEUV ist im Problemkreis des durch Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung beschränkten Wettbewerbs zu verstehen.359 Durch die Generalklausel des Art. 102 S. 1 ist die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung auf dem Binnenmarkt oder einem wesentlichen Teil desselben verboten, soweit dies dazu führt, dass der Handel zwischen den Mitgliedsstaaten beeinträchtigt wird.360 Art. 102 S. 1 AEUV setzt die sog. Regulierungsgrenze der einzelnen Verhaltensweisen in der EU fest.361 In S. 2 werden die wettbewerbsrechtlichen Verhaltenspflichten des marktbeherrschenden Unternehmens durch die nicht abschließende Aufzählung der unzulässigen Verhaltensformen konkretisiert.362 Im Gegensatz zum Sec. 2 Sherman Act werden durch Art. 102 AEUV sowohl die verschiedenen preisbezogenen Behinderungsmissbräuche (Art. 102 S. 2 lit. b und d AEUV: z.B. Geschäfts- oder Lieferverweigerung, Kopplung, Rabattsysteme, Kampfpreisunterbietung, Kosten-Preis-Scheren, Ausschließlichkeitsbindungen und Zugangsverweigerung zu wesentlichen Einrichtungen) als auch der Ausbeutungsmissbrauch (Art. 102 S. 2 lit. a AEUV: z.B. Preis- oder Konditionsmissbrauch) und die Diskriminierung (Art. 102 S. 2 lit. c AEUV) reguliert.363 357 S. dazu Wessely (Fußn. 61), Art. 82 EG Anwendungsgrundsätze Rn. 71 f.; s. auch Wurmnest (Fußn. 17), S. 224: „Die Kommission möchte jedoch sicherstellen, dass künftig modernere und als robust eingestufte ökonomische Erkenntnisse und Analysemethoden stärker in die Entscheidungsfindung im Einzelfall einfließen. Vor diesem hintergrund hat sie eine Reihe von Reformen initiiert.“ 358 S. dazu Kling/Thomas (Fußn. 37), § 1 Rn. 10-13; vgl. EuGH v. 19.4.2012 - Rs. C-549/10 P, ECLI:EU:C:2012:221 - Tomra Systems ASA/Kommission; s. auch Mestmäcker/Schweitzer (Fußn. 12), § 3 Rn. 43 ff.; Dreher/Kulka (Fußn. 40), § 5 Rn. 615 ff.; Basedow (Fußn. 259), S. 712 ff.; Wurmnest (Fußn. 17), S. 224 ff. 359 S. Kling/Thomas (Fußn. 37), § 1 Rn. 1-3 u. § 6 Rn. 1 ff.; Rousseva (Fußn. 13), S. 20 ff. (insb. »Text of the Provision and Its Place in the Competition Law System«). 360 S. dazu Wurmnest (Fußn. 17), S. 76 ff; Mestmäcker/Schweitzer (Fußn. 12), § 17 Rn. 30 (über den wesentlichen Teil des Binnenmarktes); Elhauge/Geradin (Fußn. 58), S. 232-236. 361 S. Mestmäcker/Schweitzer (Fußn. 12), § 19 Rn. 1. 362 S. Bulst (Fußn. 11), Art. 102 AEUV Rn. 1 f.; Frenz (Fußn. 131), Kapitel 7 Rn. 1819: die Erzwingung von unangemessenen Geschäftsbedingungen (lit. a) und die diskriminierenden Behandlungen von Handelspartnern zu deren Schaden im Wettbewerb (lit. c). 363 Dazu ausführlich Kling/Thomas (Fußn. 37), § 6 Rn. 97 ff. (§ 20 Rn. 78 ff.: § 19 Abs. 2 Nr. 1, 4 / Nr. 2 / Nr. 3 GWB).
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§ 2 Die Regulierungsgrundlagen des Behinderungsmissbrauchs…
USA
a) Der Entwicklungsprozess des Sec. 2 Sherman Act Von Kovacic/Shapiro wird die Inkraftsetzung des Sherman Act hoch eingeschätzt:364 »Passage of the Sherman Act in the United States in 1890 set the stage for a century of jurisprudence regarding monopoly, cartels, and oligopoly.« Zu Beginn waren die entschiedensten Feinde des Antitrust Law (Sherman Act, 15 U.S.C. §§ 1-7, 1890) die gigantischen Trusts, die durch die sog. Trustee den Output und die Preise auf den jeweiligen Märkten wie beispielsweise Steinöl, Eisen und Eisenbahn kontrollierten365 und auf die sich die wirtschaftliche Macht konzentrierte.366 Dabei richtete sich die Kontrolle auf die Zerschlagung des Trusts und den Schutz der wirtschaftlich Schwächeren (besonders der Kleinbetriebe).367 Aus diesem Grund war die normative Kontrolle durch den Sherman Act in der damaligen Zeit (1950-1970) relativ groß,368 diese Vorgehenweise wurde kurz darauf jedoch wieder aufgegeben.369 “The Sherman Act was designed to be a comprehensive charter of economic liberty aimed at preserving free and unfettered competition as the rule of trade. It rests on the premise that the unrestrained interaction of competitive forces will yield the best allocation of our economic resources, the lowest prices, the highest quality and the greatest material progress, while at the same time providing an environment conductive to the preservation of our democratic political and social institutions.”370 364 Kovacic/Shapiro (Fußn. 237), S. 43. 365 Indem die aufgrund von riesigen Industrifonds ergriffenen Monopolkapitalisten nur den einzelnen Treuhändern Anteile vielzähliger Aktiengesellschaften anvertrauten, ließ sich die gleiche Auswirkung erzielen, als wenn diese Firmen miteinander verbunden wären; s. auch Wurmnest (Fußn. 17), S. 29-30. 366 Vgl. The Standard Oil Company of New Jersey, et al. v. U.S., 221 U.S. 1 (1911); Klor´s, Inc. v. Brodway-Hale Stores, Inc., 359 U.S. 207 (1959). 367 Brown Shoe Co. v. U.S., 370 U.S. 294 (1962); FTC v. Procter & Gamble, 386 U.S. 568 (1967); Albrecht v. Herald Co., 390 U.S. 145 (1968); s. auch Hovenkamp (Fußn. 282), S. 12. 368 S. dazu Hovenkamp (Fußn. 282), S. 1-10: “Under Warren antitrust case became relatively easy for plaintiffs to bring and win, and they were higly likely to go to jury trials unless fearful defendants settled out of court.”; vgl. sog. the evolution of thinking about competition since 1890 Kovacic/Shapiro (Fußn. 237), S. 43 ff.; vgl. Andrew I. Gavil/William E. Kovacic/Jonathan B. Baker, Antitrust Law in Perspective, 2. ed., 2008, S. 598 ff. (»traditional analysis of exclusionary conduct«). 369 S. dazu Hovenkamp (Fußn. 282), S. 2-5 (sog. The antitrust counterrevolution of the 1970s and 1980s). 370 Northern Pac. Ry. Co. v. U.S., 356 U.S. 1, 4 (1958).
I Die Entwicklung der jeweiligen Regulierungsgrundlagen beim Behinderungsmissbrauch…
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Seit dieser Zeit wird der sog. Advance of Antitrust Law durch die fortwährende Auseinandersetzung zwischen den gegensätzlichen Sichtweisen von Harvard, Chicago und Post-Chicago School vorangetrieben,371 wobei auch ökonomische Gesichtspunkte aus der wettbewerbsrechtlichen Praxis einfließen.372 Im AMC Report nannte sich dieser Verlauf »The reassessment of antitrust doctrine based on economic learning […].«373 Innerhalb dieses Vorgangs wird die Konsumentenwohlfahrt als ein wesentliches Ziel des Antitrust Law angesehen und der Effect-Based Approach mit der sog. Analysis of Actual Proof wird als eine Methode zur Beurteilung von Wettbewerbsbeschränkungen betont. Eine solche Tendenz spiegelt sich in den Dokumenten Report and Recommendations (2007 by Antitrust Modernization Commission, AMC) und Single-Firm Conduct under Section 2 of the Sherman Act (2008 by U.S. Department of Justice, DOJ) wider.374 Ihre direkten und indirekten Einflüsse lassen sich durch die Anwendungsfälle von Sec. 2 Sherman Act bestätigen. Die bei Beurteilung der Frage zu berücksichtigenden ökonomischen Maßstäbe, ob das fragliche Marktverhalten als ein Behinderungsmissbrauch rechtswidrig ist, werden auch auf Grund der beiden Reporte erläutert. b) Die normative Bedeutung und die verbotenen Verhaltensweisen Unter Berücksichtigung seines Normzwecks und Anwendungsbereichs lässt sich Sec. 2 Sherman Act als eine substanzielle Norm zur Monopolregulierung ansehen. 371 Dazu ausführlich Hovenkamp (Fußn. 282), S. 31-56; Kovacic (Fußn. 350), S. 2-16 u. insb. S. 32 ff. (The Chicago/Harvard Double Helix). 372 Eingehend hierzu Kovacic/Shapiro (Fußn. 237), S. 44 ff. (die chronographische Konstruktion: The Early Days of the Sherman Act (1890-1914) ̶ Ascent of the Rule of Reason (1915-1936) ‒ Emphasis on Market Structure and Per Se Rules (1936-1972) ̶ The Ascent of the Chicago School (1973-1991) ‒ Towards a Post-Chicago Synthesis (Since 1992)). 373 AMC, Report and Recommendations, 2007, S. 33. 374 Aber dies ist von Obama´s Administration widerrufen worden; eingehend hierzu Herbert Hovenkamp, The Obama Administration and Section 2 of the Sherman Act, Boston Univ. L. Rev. Vol. 90, 2010, S. 1611 ff. (insb. 1612 und Fußn. 6): “As soon as President Obama was elected, withdrawal of the Section 2 Report was virtually a foregone conclusion. The Report was extremely tolerant of single-firm conduct, making it extraordinarily difficult to prove a violation in many areas, particularly those involving pricing and refusals to deal.”; DOJ, Justice Department Withdraws Report on Antitrust Monopoly Law, 2009: erhältlich über https://www.justice.gov/ sites/default/files/atr/legacy/2009/05/11/245710.pdf; s. dazu auch Christine A. Varney, Vigorous Antitrust Enforcement in this Challenging Era, 2009: erhältlich über https://www.justice.gov/atr/file/519886/download.
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§ 2 Die Regulierungsgrundlagen des Behinderungsmissbrauchs…
“Every person who shall monopolize, or attempt to monopolize, or combine or conspire with any other person or persons, to monopolize any part of the trade or commerce among the several States, or with foreign nations, shall be deemed guilty of a felony, […].”, Sec. 2 Sherman Act.
Demzufolge sind die Monopolisierung (Monopolisation), der Monopolisierungsversuch (Attempted Monopolisation) und das kollusive Zusammenwirken zum Erwerb einer Monopolstellung (Conspiracy to Monopolise)375 grundsätzlich verboten.376 Hierbei wird vor allem die Verdrängung von Wettbewerbern untersagt.377 Im Fall Grinnell hat der Supreme Court zwei Voraussetzungen einer rechtswidrigen Monopolisierung genannt:378 »(1) the possession of monopoly power in the relevant market; and (2) the willful acquisition or maintenance of that power as distinguished from growth or development as a consequence of a superior product, business acumen, or historic accident.«
Darüber hinaus wurden die Voraussetzungen zur Attempted Monopolisation und Conspiracy to Monopolise im Fall North Mississippi Communcations dargestellt:379 »To establish an illegal attempt to monopolize, a plaintiff must prove that the defendant (1) had the specific intent to monopolize, (2) took overt acts in furtherance of a scheme to monopolize, and (3) had a dangerous probability of success«. 375 S. dazu Wurmnest (Fußn. 17), S. 35-36; North Mississippi Communcations, Inc. v. Dogulas W. Jones, 792 F.2d 1330 (5th Cir. 1986). 376 S. dazu Gavil/Kovacic/Baker (Fußn. 368), S. 582 ff.; Elhauge/Geradin (Fußn. 58), S. 227 ff.; s. auch Wurmnest (Fußn. 17), S. 29-36 (und S. 25-27 bez. »Common Law«): „[…] drei selbstständige Tatbestandsalternativen, die sich in ihren Begrifflichkeiten an das Common Law anlehnen.“ Wie bereits erläutert gibt es in den USA keine Kontrolle des Ausbeutungsmissbrauchs und auch keine ausdrückliche Vorschrift, mithilfe derer unangemessene Preisstrategien direkt reguliert werden können. Überdies macht der Supreme Court seinen Standpunkt, dass eine fahrlässige Preisfestsetzung zur Gewinnmaximierung nicht zu kontrollieren ist, klar. 377 S. zuvor Gavil/Kovacic/Baker (Fußn. 368), S. 582 ff.; s. auch Salop (Fußn. 194), S. 311 f.: “Section 2 of the Sherman Act focuses on exclusionary conduct, i.e., conduct that creates or maintains monopoly power by disadvantaging and harming competitors.” 378 U.S. v. Grinnell Corp., 384 U.S. 563, 570-71 (1966); s. Gavil/Kovacic/Baker (Fußn. 368), S. 582-583; Elhauge/Geradin (Fußn. 58), S. 229-230. 379 North Mississippi Communcations, Inc. v. Dogulas W. Jones, 792 F.2d 1330 (5th Cir. 1986); s. auch Gavil/Kovacic/Baker (Fußn. 368), S. 582; Elhauge/Geradin (Fußn. 58), S. 228; s. sog. »specific intent« U.S. v. Aluminum Co. of Am., 148 F.2d 416, 431-432 (1945); s. dazu Barry E. Hawk, Attempts to Monopolize - Specific intent as Antitrust´s Ghost in the Machine, Cor. L. Rev. Vol. 58, 1973, S. 1120 ff.; s. auch die Tatbestandsmerkmale des Monopolisierungsversuchs Wurmnest (Fußn. 17), S. 33-36.
I Die Entwicklung der jeweiligen Regulierungsgrundlagen beim Behinderungsmissbrauch…
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Weiter gilt: »A conspiracy to monopolize can be established only by proof of (1) the existence of specific intent to monopolize; (2) the existence of a combination or conspiracy to achieve that end; (3) overt acts in furtherance of the combination or conspiracy; and (4) an effect upon a substantial amount of interstate commerce. A specific intent to monopolize is an essential element of each of the two offenses«.
Ferner wurden diese Voraussetzungen vom Supreme Court wieder festgestellt.380 Daneben werden gegebenenfalls auch Sec. 1 Sherman Act,381 Sec. 2 (Price Discrimination),382 3 (Exclusive Dealings und Tying),383 7 Clayton Act384 und Sec. 5 Federal Trade Commission Act (Unfair or Deceptive Acts or Practices)385 aufgeboten.386 380 Spectrum Sports, Inc. v. McQuillan, 506 U.S. 447, 456, 113 S.Ct. 884, 890 (1993); U.S. v. Yellow Cab Co., 332 U.S. 218, 67 S. Ct. 1560, 91 L. Ed. 2010 (1947); American Tobacco Co. v. U.S., 328 U.S. 781, 66 S. Ct. 1125, 90 L. Ed. 2d 575 (1946). 381 Sec. 1 Sherman Act: “Every contract, combination in the form of trust or otherwise, or conspiracy, in restraint of trade or commerce among the several States, or with foreign nations, is declared to be illegal. Every person who shall make any contract or engage in any combination or conspiracy hereby declared to be illegal shall be deemed guilty of a felony, […].”; s. dazu auch Robert H. Bork, Legislative Intent and the Policy of the Sherman Act, J. L. Econ. Vol. 9, 1966, S. 7 ff. 382 Sec. 2 Clayton Act: “a. It shall be unlawful for any person engaged in commerce, in the course of such commerce, either directly or indirectly, to discriminate in price between different purchasers of commodities of like grade and quality, […].” 383 Sec. 3 Clayton Act: “It shall be unlawful for any person engaged in commerce, in the course of such commerce, to lease or make a sale or contract for sale of goods, […], or fix a price charged therefor, or discount from, or rebate upon, such price, on the condition, agreement, or understanding that the lessee or purchaser thereof shall not use or deal in the goods, […] of a competitor or competitors of the lessor or seller, where the effect of such lease, sale, or contract for sale or such condition, agreement, or understanding my be to substantially less competition or tend to create a monopoly in any line of commerce.”; s. dazu William B. Lckhart/Howard R. Sacks, The Relevance of economic Factors in Determining Whether exclusive arrangements Violate Section 3 of the Clayton Act, Harv. L. Rev. Vol. 65 No. 6, 1952, S. 913 ff. 384 Sec. 7 Clayton Act: “No corporation engaged in commerce shall acquire, directly or indirectly, the whole or any part of the stock or other share capital and no corporation subject the jurisdiction of the FTC shall acquire the wole or any part of the assets of another corporation engaged also in commerce, where in any line of commerce in any section of the country, the effect of such acquisition may be substantially to lessen competition, or to tend to create a monopoly.”; s. dazu Michael O. Finkelstein/Richard M. Friedberg, The Application of an Entropy Theory of Concentration to Clayton Act, Yale L. J. Vol. 76, 1967, S. 677 ff.; James A. Rahl, Does Section 5 of the Federal Trade Commission Act Extend the Clayton Act?, Antitrust Bull., Vol. 5, 1960, S. 533 ff. 385 Sec. 5 FTC Act: “(1) Unfair methods of competition in or affecting commerce, and unfair or deceptive acts or practices in or affecting commerce, are hereby declared unlawful. (2) The Commission is hereby empowered and directed to prevent persons, partnerships, or corpora-
80 3
§ 2 Die Regulierungsgrundlagen des Behinderungsmissbrauchs…
Korea
a) Der Entwicklungsprozess des Art. 3 - 2 Monopoly Regulation and Fair Trade Act of Korea (MRFTA) „Das Wettbewerbsrecht ist der Inbegriff der Rechtsnormen und des Rechtssystems zur richtigen Gestaltung der Volkswirtschaftsordnung durch den Staat, um das Wirtschaftsleben zu regulieren.“387
Obwohl Versuche, ein Gesetz gegen Monopole zu erlassen, bereits im Jahr 1963 ihren Anfang nahmen,388 trat das Gesetz erst im Jahr 1981 in Kraft. Nach dem Entwurf der 1960-70er Jahre war die Stabilisierung der Lebenshaltungskosten ein endgültiges Rechtsziel und eine primäre wirtschaftspolitische Aufgabe.389 Seinerzeit bezweifelte die Regierung, dass Monopolunternehmen höhere Preise verursachen, weshalb sie einen Rechtsgrund brauchte, um die preisbezogenen Missbräuche und die sonstigen wettbewerbsbeschränkenden Verhaltensweisen zu regulieren.390 Im Jahr 1975 wurden die Klauseln für »Fair Trade« in dem bestehenden Gesetz, dem sog. Price Stabilisation Act, nur teilweise eingefügt.391 Ab diesem Zeitpunkt wurde jedoch die grundlegende Richtung der Wirtschaftspolitik aufgrund der Nebenwirkungen der sog. »Government initiated economy« festgelegt.392 Infolgedessen wurde im Jahr 1980 der Monopoly Regulation and Fair Trade Act of Korea (MRFTA) erlassen393 und bis heute fünfundzwanzigmal novelliert.394 Die KFTC hat jedoch bisher nur vierzig Fälle (Anzeigen, Abhilfe und Bußgeldern) beanstandet und von 2011 bis März 2015
386 387 388 389 390 391 392 393 394
tions, [except certain specified financial and industrial sectors] from using unfair methods of competition in or affecting commerce and unfair or deceptive acts or practices in or affecting commerce.”; s. Elhauge/Geradin (Fußn. 58), S. 228-229; Edward J. Markey, Section 5 of the Federal Trade Commission Act: A Source of Protection for Competitors and Consumers, Boston Coll. Indu. Comm. L. Rev. Vol. 12 No. 5, 1971. S. 982 ff.; Maureen K. Ohlhausen, Section 5 of FTC Act: principles of navigation, J. Anti. Enfor. Vol. 2 No. 1, 2014, S. 1 ff. S. auch Hovenkamp (Fußn. 282), S. 20 ff.; Wurmnest (Fußn. 17), S. 36-37. Kwon (Fußn. 114), S. 12-15 u. 27 ff. Shin, Youngsu, The Evaluation and Development of Monopoly Regulation and Fair Trade Act of Korea, in: Kwon, Ohseung (Ed.), Antitrustlaw 30 Jahre, 2011, S. 120-122. Dazu ausführlich Kwon/Seo (Fußn. 114), S. 23 ff. S. Kwon/Seo (Fußn. 114), S. 23 ff. S. Shin (Fußn. 388), S. 128-130. S. dazu Shin (Fußn. 388), S. 131-132; Kwon/Seo (Fußn. 114), S. 24. Dazu ausführlich Shin (Fußn. 388), S. 119 ff; s. auch zu den normativen Merkmalen von MRFTA Kwon/Seo (Fußn. 114), S. 38-40. Dazu ausführlich Kwon/Seo (Fußn. 114), S. 30 ff.; Shin (Fußn. 388), S. 135 ff.; s auch KFTC, Guidelines for Review of the Abuse of Market Dominant Position (Nr. 2012-52, die amtliche Bekanntmachung) und Guideline for Review of Unfair Trade Practices (Nr. 2012134, die bestehende Regel).
I Die Entwicklung der jeweiligen Regulierungsgrundlagen beim Behinderungsmissbrauch…
81
hat sie den Art. 3 - 2 MRFTA auf drei Fälle angewendet.395 Die meisten Maßnahmen der KFTC werden darüber hinaus von den Verwaltungsgerichten widerrufen.396 Die Ausweitung oder Zementierung der monopolistischen Marktstruktur ist eine bedenkliche Angelegenheit, da sich in Korea die wirtschaftliche Macht auf wenige Unternehmen konzentriert. Demzufolge gibt es die Forderung nach einer stärkeren Wettbewerbspolitik. Dessen ungeachtet ist eine Regulierung des Behinderungsmissbrauchs de facto lange nur im theoretischen Bereich erfolgt. Dies änderte sich jedoch im Fall Posco mit der Großen Kammerentscheidung des Obersten Gerichtshofs,397 der sich bei der Beurteilung der wettbewerbsbeschränkenden Lieferverweigerung nach dem effect-based approach richtete.398 Im Anschluss an diesen Fall wurde über die Behinderungsmissbrauchsaufsicht gegen marktbeherrschende Unternehmen in nachfolgenden Fällen lebhafter debattiert.399
395 S. KFTC, Statistical Yearbook: erhältlich über https://www.ftc.go.kr/policy/case/caseStaticList.jsp; s. auch Lee, Hoyoung (Fußn. 112), S. 49-50. 396 S. dazu Lee, Hoyoung (Fußn. 112), S. 49. 397 In diesem Fall, in dem die Struktur und der Herstellungsgang der Eisenindustrie Aufsehen erregt haben, war die vertikale Integration eines Fließfertigungsprozesses ein wesentlicher Hintergrund. Hier verweigerte Posco die Belieferung gegen den Versuch von Hyundai HYSCO, die gleichen Prozesse vertikal zu integrieren. KSCourt v. 22.11.2007- Rs. 2002Du8626; s. dazu Hong, Myung Su, Wirtschaftsrecht III, 2013, S. 97 ff.; Lee, Min-Ho/Ju, Hyun-Young, Unreasonableness in the Abuse of Market Dominance, JURIS Vol. 22, 2012, S. 98 ff.; Hong, Dae-Sik, Improvement Scheme of Standard for Determining Abuse of Market-dominant Position, J. Kor. Com. L. Vol. 21, 2010, S. 126-128 ; Lee, Bong-Eui, Direction of Posco Case and Behinderungsmissbrauch, J. KFCF, Vol. 140, 2008, S. 10 ff.; Yun, Seongun/Shin Sanghoon, Proof of Competition Restrictions through the Supreme Court's ruling on Posco's Abuse of Market Dominant Position, J. KFCF, 2008, S. 2 ff.; Kwag, Seboong, A comparative case study on the abuse of market dominant position of Korea, USA and EU, Vol. 142, 2009, S. 26 ff.; Seo, Jeong, Criteria for Judging Illegality of Exclusion Abuse in: CCL (Ed.), Issues and Challenges of the MRFTA, 2010, S, 82 ff.; vgl. aus ökonomischer Sicht Yi, Sang-Seung, An economic analysis of Posco's major issues in the transaction refusal case and its competitive legal implications, Kor. Econ. J. Vol. 49, No. 4, 2010, S. 243 ff. 398 Lee/Ju (Fußn. 397), S. 104-108. 399 KSCourt v. 11.12.2008 - Rs. 2007Du25183 - T-Broad I; SHCourt v. 8.11.2007 - Rs. 2007Nu10541; KFTC, Entsch. v. 25.10.2007 - Rs. 2007-507, KSCourt v. 25.3.2010 - Rs. 2008Du7465 - Hyundai Moters; SHCourt v. 16.4.2008 - Rs. 2007Nu16051; KFTC. Entsch. v. 18.5.2007 - Rs. 2007-281, KSCourt v. 8.4.2010 - Rs. 2008Du17707 - KIA Moters, KSCourt v. 9.7.2009 - Rs. 2007Du22078 - NongHyup; SHCourt v. 19.9.2007 - Rs. 2007Nu7149; KFTC, Entsch. v. 25.1.2007 - Rs. 2007-013, KSCourt. v. 13.10.2011 - Rs. 2008Du1832 - Melon; SHCourt v. 27.12.2007 - Rs. 2007Nu8623; KFTC, Entsch. v. 6.2.2007 - Rs. 2007-044, KSCourt v. 10.6.2011 - Rs. 2008Du16322 - G-Market; SHCourt v. 20.8.2008 - Rs. 2008Nu2851; s. auch Lee/Ju (Fußn. 397), S. 108-119.
82
§ 2 Die Regulierungsgrundlagen des Behinderungsmissbrauchs…
b) Die normative Bedeutung und die verbotenen Marktverhaltensweisen Auf der Grundlage von Art. 1 MRFTA, in dem die verschiedenen Rechtszwecke ausdrücklich dargelegt werden,400 leiten sich konkrete Klauseln zur Regulierung bestimmter Marktverhaltensweisen ab.401 Daher umfasst der Art. 3 - 2 MRFTA, der eine zentrale Vorschrift zur Missbrauchsaufsicht darstellt, mit der »Prohibition of Abuse of Market-Dominating Position« die folgenden fünf Verbotsformen:402 »1. Determining, maintaining or changing unreasonably the price of commodities or services; 2. Unreasonably controlling the sale of commodities or provision of services; 3. Unreasonably interfering with the business activities of other enterprisers; 4. Unreasonably impeding the participation of new competitors; 5. Unfairly excluding competitive enterprisers, or doing considerable harm to the interests of consumers«.
Besonders die ungerechtfertigte Behinderung von Wettbewerbern und Verbrauchern in ihren Interessen beeinträchtigenden Verhaltensweisen werden durch Art. 3 - 2 Abs. 1 No. 5 MRFTA403 verboten. Dies umfasst die verschiedenen Missbrauchsformen, die durch Art. 5 Abs. 5 No. 1 Enforcement Decree of MRFTA404 und Abuse of Market Position Guidelines405 konkretisiert werden:
400 Art. 1 MRFTA: “The purpose of this Act is to promote fair and free competition, to encourage thereby creative enterprising activities, to protect consumers and to strive for balanced development of the national economy, by preventing any abuse of market-dominating positions by enterprisers and any excessive concentration of economic power, and by regulating undue collaborative acts and unfair trade practices.”. Zur zweckbezogenen Debatte Kwon (Fußn. 114), S. 79-86; s. auch Hong, Dae Sik, Korean Competition Law Form a Private Law Perspective: Focussed on Abuse of Market-dominant Position, Comm. L. Rev. Vol. 27, No. 2, 2008, S. 333 ff. 401 Art. 3-2 Abs. 1 MRFTA: “No market-dominating enterpriser shall commit any act falling under any of the following subparagraphs: […].” 402 S. zuvor Hong, Myung Su, Wirtschaftsrecht I, 2008, S. 93 ff. und Wirtschaftsrecht II, 2010, S. 3-48 (insb. Analyse der Entscheidungen von KFTC); Hong, Dae-Sik (Fußn. 397), S. 112118; vgl. zum Ausbeutungsmissbrauch aus dem Art. 3 - 2 Abs. 1 No. 1 MRFTA Lee, BongEui, Control of Exploitative Abuse in Korea, J. Kor. Com. L. Vol. 22, 2011, S. 120 ff. 403 S. auch Lee, Bong-Eui/Chon, Jong-Ik, Constitutionality of the Prohibition of “act that may considerably harm the interest of consumer” in Monopoly Regulation and Fair Trade Act. 3-2 I (v), Seoul L. J., Vol. 49 No. 3, 2008, S. 241 ff. 404 Art. 5 Abs. 5 No. 1 Enforcement Decree of MRFTA: “(5) The unfair transaction designed to put business rivals out of the business under Art. 3-2 (1) 5 of the Act shall be any of the following cases: […].” 405 S. dazu auch Koh, Kyung-Min/Hyun, Jung-Won, Competition Law in the Republic of Korea, 2011, S. 26 f.
II Die Beurteilungsmaßstäbe für die Rechtswidrigkeit des Behinderungsmissbrauchs
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»1. Where goods or services supplied at lower prices than normally trading prices or goods or services purchased at higher prices than normally trading prices are feared to put business rivals out of the business; 2. Where the business is done on the condition that business partners do not trade with business rivals«.
II Die Beurteilungsmaßstäbe für die Rechtswidrigkeit des Behinderungsmissbrauchs
1
Die verstärkte Tendenz des »More Economic- und Effect-Based Approach« und die maßstabsbezogene Entwicklung “With respect to monopoly conduct, the Commission believes U.S. courts have appropriately recognized that vigorous competition, the aggressive pursuit of business objectives, and the realization of efficiencies are generally not improper, even for a dominant firm and even where competitors may lose.”406
Vor zehn Jahren waren die verschiedenen Maßstäbe für die Behinderungsmissbräuche ein Meilenstein der More Economic- und Effects-Based Approaches, mit welchen eine ökonomische Neuausrichtung vorgenommen wurde.407 Durch die anhaltende Diskussion und die praktische Anwendung werden sie immer weiter konkretisiert. Die Auseinandersetzung über die Maßstäbe, nach denen die Rechtswidrigkeit des Behinderungsmissbrauchs zu beurteilen ist, hat durch die AMC- und DOJ-Reporte, die ihr Augenmerk auf die ökonomischen Analysen richteten, Gestalt angenommen.408 Zuletzt (Juni 2014) wurden sog. Pricing Practices (besonders Loyalty und Bundled Pricing) durch den Workshop
406 AMC, Report and Recommendations, 2007, S. iii: »To the President and Congress of United States«; s. auch die Gründe für die Empfeflung, the Robinson-Patman Act (RPA) abzuschaffen. 407 Vgl. Wurmnest (Fußn. 17), S. 224 ff. u. 232 ff.; s. auch Per Rummel, Rechtssicherheit bei der Anwendung des equally efficient competitor-Tests: Der more economic approach der europäischen Missbrauchsaufsicht auf dem Prüfstand, 2015, S. 29-31. 408 Im Verlauf der Veröffentlichung des Reports, insb. im Jahr 2006, wurde deren ökonomische Richtung ein brisantes Thema i.R.d. Rechts- und Wirtschaftswissenschaft.
84
§ 2 Die Regulierungsgrundlagen des Behinderungsmissbrauchs…
»Conditional Pricing Practices: Economic Analysis and Legal Policy Implications« von FTC und DOJ erneut bewertet.409 Neben Anregungen haben der AMC- und DOJ-Report zugleich die Grenze festgelegt, nach der keine einheitliche Methode für eine spezielle Missbrauchsform festgesetzt werden kann. Je nach Missbrauchsform ist der analytische Beitrag zur normativen Beurteilung de facto unterschiedlich. Dies müsste sowohl von den der ökonomischen Analyse innewohnenden Grenzen als auch von den Merkmalen herrühren, die jedem Maßstab innewohnen.410 Nunmehr stehen diejenigen Marktverhalten, die ausreichend Verbesserungsraum für die Verbraucherwohlfahrt oder die ökonomische Effizienz haben, wie Rabatt oder Bündelung, im Mittelpunkt der missbrauchsbezogenen Debatte.411 Im Folgenden werden die von den beiden Reporten vorgelegten Maßstäbe (The Test for Abuse) dargelegt. Weiter werden durch deren Vergleich mit der Prioritätenmitteilung (Guidance) als ein Ergebnis der wettbewerbspolitischen Überlegungen die europäischen Maßstäbe erläutert. Tatsächlich strebt die europäische Praxis trotz der kritischen Sichtweise412 weiterhin grundsätzlich dem Effect-Based Approach (sog. Auswirkungsansatz) nach. Hierdurch kommt eine rechtsökonomische Berücksichtigung für solche Tests zur Sprache, wie beispielsweise »[…] die Bestimmung des Missbrauchs mittels Kosten oder die Rechtfertigung mittels Effizienzvorteilen«,413 was auf die obige Mitteilung und die Kommissionspraxis ohne Frage Einfluss ausübt.414
409 FTC & DOJ, Workshop: Conditional Pricing Practices: Economic Analysis and Legal Policy Implications, 2014: erhältlich über https://www.ftc.gov/news-events/events-calendar/2014/ 06/conditional-pricing-practices-economic-analysis-legal-policy. 410 Mit anderen Worten lassen sich stringentere Ergebnisse ableiten, wenn ein bestimmter Test nur auf eine bestimmte Missbrauchsform angewendet wird. 411 FTC & DOJ, Workshop: Conditional Pricing Practices: Economic Analysis and Legal Policy Implications, 2014; s. auch Kommission, Prioritätenmitteilung, Tz. 46, 62, 74 u. 89 (jeweils Effizienzvorteile). 412 Vgl. Ernst-Joachim Mestmäcker, 50 Jahre GWB: Die Erfolgsgeschichte eines unvollkommenen Gesetzes, WuW 2008, S. 13 ff.; Dreher/Adam (Fußn. 264), S. 259 ff. 413 Kling/Thomas (Fußn. 37), § 6 Rn. 10. 414 S. dazu Kling/Thomas (Fußn. 37), § 6 Rn. 10-15; Faull/Nikpay (Fußn. 36), Ch. 4, Rn. 4.265 f.; Wurmnest (Fußn. 17), S. 224-231; s. auch Rummel (Fußn. 407), S. 29: „Der more economic approache bedeutet also insbesondere, dass die Kommission versucht, mögliche Auswirkungen auf die Effizienz zu berücksichtigen.“
II Die Beurteilungsmaßstäbe für die Rechtswidrigkeit des Behinderungsmissbrauchs
2
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Profit Sacrifice Test
a) Die begrifflichen Merkmale und die begrenzte Anwendung Der Profit Sacrifice Test (sog. Opfer-Test) wird wie folgt definiert: »The profit sacrifice test states that conduct should be considered unlawful when it involves a profit sacrifice that would be irrational if the conduct did not have a tendency to eliminate or reduce competition«.415 Unter der Voraussetzung, dass ein Unternehmen absichtlich ein aus ökonomischer Sicht irrationales oder nicht profitables Marktverhalten tatsächlich umsetzt, kann man Verständnis für den Profit Sacrifice Test haben. Wird nur der Verlust verursachende Preis in Betracht gezogen, sind die nach diesem Test angenommen Verhaltensweisen unvernünftig. Aus diesem Grund lässt sich der gelegentliche Verzicht auf ökonomische Rationalität (sog. to sacrifice shot-run revenues) bei einem solchen Test als ein schlagender Beweis für die Absicht ansehen, den Wettbewerb langfristig zu beseitigen. Gemäß des Policy Brief der OECD von 2006 können die folgenden Fragen geprüft werden:416 i) Does the dominant firm’s conduct have an actual tendency to eliminate or reduce competition, ii) Did the dominant firm’s conduct require it to forgo profit in the short term, iii) Would the profit sacrifice be irrational if the conduct had no tendency to eliminate or reduce competition. Aus diesen Fragen lässt sich eine bestimmte Missbrauchsform ableiten. Und zwar ist dies die Kampfpreisunterbietung, da sich der Fokus dieses Tests mit deren Tatbeständen deckt.417 Tatsächlich hat der Profit Sacrifice Test eine ausschlaggebende Rolle in den Fällen Brooke Group, AKZO, Aspen Sking und Trinko gespielt.418 Weiterhin ist er auch zur Begründung eines wettbewerbsbeschränkenden Vorsatzes in den Fällen der Lieferverweigerung in Frage gekommen.419 415 OECD, Policy Brief: What is Competition on the Merits, 2006, S. 3; vgl. Faull/Nikpay (Fußn. 36), Ch. 4, Rn. 4.265: “The profit-sacrifice test ‒ namely, that anti-competitive exclusion is a willingness to sacrifice short-run revenues for the future benefits of high prices in a market from which rivals have been excluded.” 416 OECD, Policy Brief: What is Competition on the Merits, 2006, S. 3 (dazu Diagram 1.). 417 Nach dem DOJ Report (S. 39) ist der No Economic Sense Test auch für Kampfpreisunterbietung geeignet. Phillip E. Areeda/Donald F. Turner, Predatory Pricing and Related Practices Under Section 2 of the Sherman Act, Harv. L. Rev. Vol. 88, No. 4, 1975, S. 697 ff.; vgl. Frederic M. Scherer, Pricing and the Sherman Act: A Comment Predatory Pricing under Section 2 of the Sherman Act, Harv. L. Rev. Vol. 88, No. 4, 1975, S. 869 ff. 418 Brooke Group Ltd. (Liggett Group, Inc.) v. Brown &Williamson Tabacco Co., 509 U.S. 209, 224 (1993): “[…] under § 2 of the Sherman Act, a dangerous probability, of recouping its investment in below-cost prices.”; Matsushita Industrial Co., Ltd. v. Zenith Radio Corp., 475 U.S. 574, 589 (1986); Cargill, Inc. v. Monfort of Colo., Inc., 479 U.S. 104, 119 (1986); vgl. EuGH v. 3.7.1991 - Rs. C-62/86, Slg. 1991, I-3359, - AKZO/Kommission; s. dazu Rousseva
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§ 2 Die Regulierungsgrundlagen des Behinderungsmissbrauchs…
b) Würdigung Auf der einen Seite steht dieser Test in Analogie zum No Economic Sense Test,420 jedoch ist dieser bei der Beurteilung von Wettbewerbsbeschränkungen unverhältnismäßig abhängig vom Profitverlust (sog. nicht-profitabler Abstand zwischen den Kosten und Preisen).421 Aus diesem Punkt lässt sich anhand der Vor- und Nachteile ein Analyserahmen ableiten. Bei oberflächlicher Betrachtung stellt dieser Test einen verlässlichen Standard sowohl für die Unternehmen als auch für die Wettbewerbsbehörde und die Gerichte dar, da die Unternehmen ihre kostenbezogenen Informationen am besten kennen und sich die zuständige Behörde auf die Kosten-Preis-Analyse konzentrieren kann.422 Dennoch ist es immer noch strittig, ob ein nichtprofitabler Abstand bis zu einem gewissen Grad rechtswidrig ist.423 Wie bereits verdeutlicht, kann dieser Test nicht darüber hinwegtäuschen, dass er nur für einen bestimmten Missbrauch wirksam ist.
419
420 421 422
423
(Fußn. 13), S. 334; s. Gavil (Fußn. 142), S. 55-58: “A sacrifice test could serve as a unitary framework that would unite price and non-price predation standards and close the gap between Matsushita/Brooke Group and Aspen/Kodak ‒ but it would do so by embracing Matsushita/Brooke Group's framework of sacrifice and recoupment.”; vgl. Einer Elhauge, Defining Better Monopolization Standards, Stanford L. Rev. Vol. 56, 2003, S. 272 f. (sog. »Lack of Fit with the Predatory Pricing Doctrine Being Generalized«). Aspen Skiing v. Aspen Highlands Skiing Co., 472 U.S. 585 (1985); Verizon Communications Inc. v. Law Offices of Curtis v. Trinko, LL. P, 540 U.S. 398 (2004); vgl. Gregory J. Werden, The “No Economic Sense” Test for Exclusionary Conduct, J. Corp. L., Winter, 2006, S. 293 ff.; s. auch Marina Lao, Aspen Sking and Trinko: AntitrustIntent and “Sacrifice”, Antitrust L. J. Vol. 73, 2005, S. 171 ff. Im Gegensatz zum AMC Report wurden die zwei Tests (no economic sence test und profit sacrifice test) im DOJ Report nicht strikt unterschieden; s. DOJ, Single-Firm Conduct Report, S. 39. S. auch dazu Gavil (Fußn. 142), S. 56: “The principal flaw of a sacrifice test is its assumption that predation is never of concern to the antitrust laws if it is costless.” Deshalb können die Unternehmen vornehmlich durch den Beweis der Rationalität von profitsacrifice die Zulässigkeit einer Preisstrategie verteidigen; vgl. Alexander Lücke, in: Langen/Bunte, Kartellrecht Band 1: Deutsches Kartellrecht, 12. Aufl., 2014, § 29 GWB Rn. 41: „In seiner »United Brands«-Entscheidung erkennt der EuGH aber auch die Schwierigkeiten des Gewinnbegrenzungskonzeptes an, insb. da dieses eine Analyse der Kostenstruktur des marktbeherrschendenen Unternehmens erfordert.“ Das Risiko für sog. False Negative und -Positive: Bei der Anwendung dieses Tests ist zu befürchten, dass die Missbräuche und der Erhalt der Monopolmacht, die mit einem Profitopfer in keinem Zusammenhang stehen, nicht reguliert werden können. Im Gegenteil lassen sich für die Verbraucherwohlfahrt vorteilhafte Verhaltensweisen wie z.B. R&D, bei denen kurzfristige Verluste des Profits unabwendbar sind, regulieren.
II Die Beurteilungsmaßstäbe für die Rechtswidrigkeit des Behinderungsmissbrauchs
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No Economic Sense Test
c)
Die begrifflichen Merkmale und der Anwendungsbereich
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»The no economic sense test states that conduct should not be condemned unless it would make no economic sense but for a tendency to eliminate or lessen competition«.424 Dieser Test konzentriert sich auf das Ziel des fraglichen Verhaltens (the objective justification of the conduct425). Wenn ein Marktverhalten nur die Beseitigung oder die Verminderung des Wettbewerbs zur Folge hat, d.h. kein anderer rationaler Beweggrund vorliegt, ist es rechtswidrig. Damit ist bei diesem Test ein wichtiges Merkmal der Wettbewerbsbeschränkung die absichtliche Beseitigung des Wettbewerbs, womit der Test auf die ökonomische Analyse der Behinderungsmissbräuche zutrifft. 426 Dabei werden auch weiterführende Fragen dargestellt:427 i) Does the dominant firm’s conduct have an actual tendency to eliminate or reduce competition, ii) Does the conduct provide an economic benefit to the dominant firm only because of that tendency. Hierbei sind das irrationale preisbezogene Verhalten und deren Kosten-Preis-Analyse ebenso wichtig wie der Profit Sacrifice Test.428 Dieser Test fragt danach, weshalb die Unternehmen bereit sind, einen ökonomischen Verlust zu tragen, wenn dahinter keine wettbewerbsbeschränkende Absicht steht. So weicht es von der unternehmerischen Essenz ab, nichtprofitable Marktstrategien auch nur eine kurze Zeit lang durchzuführen, auch 424 OECD, Policy Brief: What is Competition on the Merits, 2006, S. 4; vgl. Faull/Nikpay (Fußn. 36), Ch. 4, Rn. 4.265: “The »no economic sense« or ‘but for’ tests - namely, that conduct by a dominant firm is abusive only if makes no economic sense unless it is understood as a mechanism for excluding rivals in oder to earn monopoly as a result of if it would not have been engaged in but for its exclusionary effect.” 425 Vgl. Faull/Nikpay (Fußn. 36), Ch. 4, Rn. 4.265; DOJ, Single-Firm Conduct Report, S. 39; Kommission, DG Competition Discussion Paper, Tz. 77 ff. 426 S. dazu Gavil (Fußn. 142), S. 52: “Put another way, it asks whether there was any legitimate business reason for the conduct, which could be interpreted as little more than a test of intent.”; vgl. Steven C. Salop/R. Craig Romaine, Preserving Monopoly: Economic Analysis, Legal Standards and Microsoft, Geo. Mason L. Rev. Vol. 7, 1999, S. 660 (insb. Fußn. 122): “The but-for test is not a test of anticompetitive effects. It could permit exclusionary conduct that reduces consumer welfare. In limited circumstances, it could condemn exclusionary conduct that raises consumer welfare.” 427 OECD, Policy Brief: What is Competition on the Merits, 2006, S. 4 (dazu Diagram 2.); s. auch Gavil (Fußn. 142), S. 52-55: “The but-for test asks a simple question: would the monopolist have undertaken the conduct but for its anticompetitive effect?” 428 Zum Teil wird dieser Test als eine Variation des Profit Sacrifice Tests angesehen. Aber die Befürworter dieses Tests haben dargelegt, dass profit sacrifice weder eine unabdingbare noch hinlängliche Voraussetzung für den »no economic sence test« ist; s. dazu Rousseva (Fußn. 13), S. 330.
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§ 2 Die Regulierungsgrundlagen des Behinderungsmissbrauchs…
wenn die Unternehmen bei der Auswahl eines Motivs ‒ entweder für zukünftige Gewinne zu investieren (z.B. R&D) oder dem Wettbewerbsdrucks auszuweichen ‒ schwanken können. Überdies ist es auch unsicher, ob sich rationale Verhaltensweisen nebst Wettbewerbsbeschränkungen regulieren lassen. Dessen ungeachtet hat dieser Test in verschiedenen Fällen wie z.B. Aspen Skiing,429 Zenith Radio,430 Cargill,431 Trinko,432 Ross-Simmons,433 United Brands,434 und AKZO435 eine wichtige Rolle gespielt.436 a) Würdigung Ein großer Nachteil dieses Tests leitet sich paradoxerweise aus seinen größten Vorteilen ab, wie der Vorhersehbarkeit und der Kontrollierbarkeit des unrechtmäßigen Verhaltens für und durch die Unternehmen selbst, dem Anschub von freiwilligen Investments und der dynamischen Effizienz.437 Wenn ein Verhalten der Unternehmen rational ist, kann es nicht beanstandet werden, obwohl es wettbewerbsbeschränkend ist. Zweifel an dieser Ansicht drängen sich aufgrund des Risikos des sog. False Negative in den Vordergrund. Zudem vernachlässigt dieser Test die Verbraucherwohlfahrt, da das die Verbraucher benachteiligende Verhalten durch eine unqualifizierte Verbesserung unternehmerischer Effizienz gerechtfertigt wird.
429 Aspen Skiing Co. v. Aspen Highlands Skiing Corp., 472 U.S. 585, 608 (1985): “The jury may well have concluded that Ski Co. elected to forgo these short-run benefits because it was more interested in reducing competition in the Aspen market over the long-run by harming its smaller competitor.” 430 Matsushita Industrial Co., Ltd. v. Zenith Radio Corp., 475 U.S. 574, 588-589 (1986): “A predatory pricing conspiracy is, by nature, speculative. Any agreement to price below the competitive level requires the conspirators to forgo profits that free competition would offer them. The forgone profits may be considered an investment in the future. For the investment to be rational, the conspirators must have a reasonable expectation of recovering, in the form of later monopoly profits, more than the losses suffered.” 431 Cargill, Inc. v. Monfort of Colo., Inc., 479 U.S. 104, 121-122 (1986). 432 Verizon Communications Inc. v. Law Offices of Curtis v. Trinko, LL. P, 540 U.S. 398, 409 (2004); s. dazu Gavil (Fußn. 142), S. 52 (insb. Fußn. 187: sog. DOJ/FTC Brief). 433 Weyerhaeuser Co. v. Ross-Simmons Hardwood Lumber Co., Inc., 549 U.S. 312 (2007); s. dazu WuW v. 2.10.2007, S. 1068-1072 (Ausbeuterisches Überbieten). 434 EuGH v. 14.2.1978 - Rs. 27/76, Slg. 1978, 207 - United Brands/Kommission. 435 EuGH v. 3.7.1991 - Rs. C-62/86, Slg. 1991, I-3359, - AKZO/Kommission. 436 Dazu ausführlich DOJ, Single-Firm Conduct Report, S. 39-43 (insb. Fußn. 50: several lower court decisions); Rousseva (Fußn. 13), S. 331. 437 Vgl. AMC, Report and Recommendations, 2007, S. 90 f.; Rousseva (Fußn. 13), S. 332-333.
II Die Beurteilungsmaßstäbe für die Rechtswidrigkeit des Behinderungsmissbrauchs
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Consumer Welfare Balancing Test
a) Das begriffliche Verständnis und die Merkmale Begrifflich ist darunter Folgendes zu verstehen: »Consumer welfare balancing test determines whether conduct should be unlawful by requiring decisionmakers to weigh the positive and negative effects that the conduct has on consumer welfare«.438 Der Consumer Welfare Balancing Test439 betrachtet die Effekte für die Verbraucher, die von einem Marktverhalten zu erwarten sind.440 Ob das Missbrauchsverhalten in seinen Wirkungen vorteilhaft oder nachteilig für die Verbraucher ist, ist ein Schlüssel zur Beurteilung der Frage der Kartellrechtswidrigkeit. Aufgrund dessen ist die Interessenabwägung zwar ein unentbehrlicher Prozess, aber wie bereits erklärt, ist die Verbraucherwohlfahrt als ein Objekt der Abwägung unsicher. Ein exaktes Abmessen ist de facto nicht durchführbar. Des Weiteren ist die verbesserte Verbraucherwohlfahrt nach diesem Test nichts anders als die sog. Pro-Competition Effects;441 dafür wird auf einen wirksamen Wettbewerb verzichtet. “From a century of case law on monopolization under § 2, however, several principles do emerge. First, to be condemned as exclusionary, a monopolist's act must have an anticompetitive effect. That is, it must harm the competitive process and thereby harm consumers […], Second, the plaintiff, on whom the burden of proof of course rests, must demonstrate that the monopolist's conduct indeed has the requisite anticompetitive effect […], Third, if a plaintiff successfully establishes a prima facie case under § 2 by demonstrating anticompetitive effect, then the monopolist may proffer a procompetitive justification for its conduct […], Fourth, if the monopolist's procompetitive justification stands unrebutted, then the plaintiff 438 OECD, Policy Brief: What is Competition on the Merits, 2006, S. 5; DOJ, Single-Firm Conduct Report, S. 36 f.: “[…] applying an effects-balancing test that focuses on a challenged practice’s »overall impact on consumers« or »net effects on consumer welfare«.” 439 Im Gegensatz zum AMC Report wurde der Balancing Test im DOJ Report aufgegliedert: in den sog. Effects-Balancing Test und den Disproportionality Test; s. dazu DOJ, Single-Firm Conduct Report, S. 36-38 u. 45-46: “Under the disproportionality test, conduct that potentially has both procompetitive and anticompetitive effects is anticompetitive under section 2 if its likely anticompetitive harms substantially outweigh its likely procompetitive benefits.” 440 Nach der Sichtweise des DOJ wird das Marktverhalten reguliert, wenn die anti-competitive effects dieses fraglichen Verhaltens die pro-competitiven effects (sog. Effizienzvorteile) »beträchtlich« übertreffen. 441 S. »Anti-competition Effect« Rousseva (Fußn. 13), S. 339-340: “The negative effects of the exclusionary condust consist of excluding or weakening rivals, thereby strengthens the dominant firm’s market power. In economic terms […].”
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§ 2 Die Regulierungsgrundlagen des Behinderungsmissbrauchs…
must demonstrate that the anticompetitive harm of the conduct outweighs the procompetitive benefit […], Finally, in considering whether the monopolist's conduct on balance harms competition and is therefore condemned as exclusinary for purposes of § 2, our focus is upon the effect of that conduct, not upon the intent behind it.”
Gleichwohl sollte dies zumindest in Hinsicht auf den Rechtszweck des Sherman Act so sein.442 b) Stellungnahme Es ist unbestreitbar, dass die Verbesserung der Verbraucherwohlfahrt eines der unverzichtbaren Ziele der Wettbewerbspolitik und der Wettbewerbsrechtsanwendung ist. Dies ist nach wie vor als ein vernünftiger Einschätzungsmaßstab der Behinderungsmissbräuche zu begreifen. Nach diesem Test, der sich ganz auf die der Wohlfahrt abträglichen Effekte konzentriert, werden hauptsächlich die beträchtlichen Beeinträchtigungen der Verbraucherwohlfahrt reglementiert. Aus diesem Grund lässt sich die wettbewerbsrechtliche Berechenbarkeit der Unternehmen ‒ d.h. die Unternehmen können selbst eine Wettbewerbsrechtswidrigkeit besser einschätzen ‒ fördern und vom Standpunkt der Wettbewerbsbehörde können die Regulierungskosten reduziert werden. Aber wie bereits oben erwähnt, stellt sich bei der Verbraucherwohlfahrt die Frage, wie groß diese sein soll. Deshalb ist deren probate Messung zur Beurteilung der Rechtswidrigkeit wesentlich. Dem Wesen nach ist es jedoch nicht möglich, exakt die tatsächlich vorteilhaften Effekte für die Verbraucher zu messen443 und die Grenze zwischen rechtswidrigen und gerechtfertigten Effekten festzusetzen. Diesbezüglich kann es zu einer Ausweitung der gerichtlichen Überprüfung und einer übermäßigen Beweisführungslast der Wettbewerbsbehörde kommen. Auch wenn man unterstellt, dass es möglich ist, könnten jedoch die Analysefolgen umstritten sein, da eine solche Analyse auf den absehbaren Effekten beruht. Ferner lässt dieser Test auf lange Sicht eventuelle negative Effekte außer Acht.444 442 S. zum auf dem Consumer Welfare Balancing Test fußenden Prozess zur Beurteilung der Behinderungmissbräuche United States v. Microsoft Corp., 253 F.3d 34, 58-59 (D.C. Cir. 2001). 443 S. dazu Gregory J. Werden, Identifying Exclusionary Conduct under Section. 2: The “No Economic Sense” Test, Antitrust L. J. Vol. 73, 2006, S. 431-432. 444 S. zum Risiko für False Positive Rousseva (Fußn. 13), S. 343; s. auch Mark S. Popsfsky, Defining Exclusionary Conduct: Section 2, The Rule of Reason, and the Unifying Principle Underlying Antitrust Rules, Antitrust L. J. Vol. 73, 2006, S. 441 ff.
II Die Beurteilungsmaßstäbe für die Rechtswidrigkeit des Behinderungsmissbrauchs
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Equally Efficient Competitor Test
a) Die begrifflichen Merkmale und der Anwendungsbereich Der Equally Efficient Competitor Test (As Efficient Competitor-, Less Efficient Competitor oder Reasonably Efficient Competitor Test) wird folgendermaßen definiert:445 »The equally efficient firm test states that conduct should be unlawful if it would be likely to exclude a rival that is at least as efficient as the dominant firm is«.446 Dieser Test gründet sich auf dem Problem, dass die Unternehmen, die aufgrund einer besseren Effizienz günstige Geschäftsbedingungen (insbesondere Preise) festsetzen können, nicht getadelt werden dürfen, wenn infolgedessen weniger effiziente Wettbewerber verdrängt werden. Im gleichen Kontext hat Posner wie folgt erläutert: »It would be absurd to require the firm to hold a price umbrella over less efficient entrants. […] Practices that will exclude only less efficient firms, such as the monopolist´s dropping his price nearer to (but not below) his cost, are not actionable, because we went to encourage efficiency. «447 Mithilfe dieses Tests lässt sich der Fall, dass die hypothetisch ebenso effizienten oder effizienteren Wettbewerber, die trotz einer vergleichbaren Kostenstruktur keine marktbeherrschende Stellung besitzen,448 durch das Verhalten des Marktbeherrschers verdrängt werden, regulieren.449 Dementsprechend haben marktbeherrschende Unternehmen die Möglichkeit des Widerspruchs, wobei sie darzulegen haben, dass ihr fragliches Verhalten sog. balance efficient
445 Im Gegensatz zum DOJ Report wurde der Less Efficient Competitor Test im AMC Report genannt; s. Rummel (Fußn. 407), S. 42 ff. (S. 49: „In der Telefónica-Entscheidung stellt die Kommission allerdings equally efficient competitor test und reasonably efficient competitor test als gleichwertige Alternativen für den Nachweis einer Kosten-Preis-Schere nebeneinander.“); Kommission, Entsch. v. 4.7.2007 - COMP/38.784 Tz. 311 - Wanadoo España v. Telefónica. 446 OECD, Policy Brief: What is Competition on the Merits, 2006, S. 4; vgl. Faull/Nikpay (Fußn. 36), Ch. 4, Rn. 4.265; Rummel (Fußn. 407), S. 13: „Der equally efficient competitor-Tests ist ein Vergleich der Kosten mit dem Preisen eines Produkts oder einer Dienstleistung, der dazu dient, einen preisbezogenen Behinderungsmissbrauch nachweisen.“ u. 19 ff. 447 Richard Posner, Antitrust Law, 2 ed., 2001, S. 196; s. dazu auch Wurmnest (Fußn. 17), S. 372-374; Gavil (Fußn. 142), S. 58-61. 448 Vgl. Rummel (Fußn. 407), S. 23-25: „Der Test untersucht die Preisgestaltung des marktbeherrschenden Unternehmens anhand der Kostensturktur eines hypothetischen Wettbewerbers. Liegen die Preise unterhalb der Kosten, spricht dies für eine missbräuchliche Preissetzung.“ 449 Kommission, Prioritätenmitteilung, Tz. 23 f.; ausführlich Kapitel 4. in dieser Arbeit Posner (Fußn. 447), S. 194-196: “In every case in which an exclusionary […] practice is alleged, the plaintiff must prove that […] the challenged practice is likely in the circumstances to exclude from the defendant´s market an equally or more efficient competitor.”
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§ 2 Die Regulierungsgrundlagen des Behinderungsmissbrauchs…
ist.450 Diese Darlegung ist für die beklagten Unternehmen nicht leicht, da sie vorher den relativen Vorsprung ihrer ungewissen Effizienz selbst ermessen müssen. Im Bereich dieses Tests werden die folgenden Fragen geprüft:451 i) Would the dominant firm’s conduct be likely to exclude rivals that are at least as efficient as the dominant firm, ii) Is the conduct nevertheless efficient, when its pro- and anti-competitive effects are weighed. Schließlich ist die ökonomische Zulässigkeit des Ausschlusses von Wettbewerbern davon abhängig, dass mit niedrigeren Preisen auch eine Kostensenkung verbunden ist und diese somit zu einer überwiegenden Effizienzsteigerung führt. Deshalb ist dieser Test auf die Fälle von Rabatt, Kampfpreisunterbietung, Koppelung und KPS anwendbar.452 Vor allem haben das EuG und der EuGH in den Fällen Deutsche Telekom AG,453 TeliaSonera Sverige AB454 und Telefónica455 diesen von der Kommission angewendeten Effizienzmaßstab bestätigt. b) Die »ebenso effizienten Wettbewerber« als Maßstab für die Beurteilung der Behinderung Das dauerhafte Interesse an einer wettbewerbsrechtlichen Bewertung der unterschiedlichen Ökonomie-Analysen ‒ alternative Tests für die durch die fraglichen Marktverhaltensweisen entstehenden Effekte darstellen ‒, ist ein wesentli-
450 S. die sog. »Richard Posner’s formulation of the test« Rousseva (Fußn. 13), S. 336. 451 OECD, Policy Brief: What is Competition on the Merits, 2006, S. 5 (dazu Diagram 3). 452 Vgl. EuGH v.15.3.2007 - Rs. C-95/04 P, Slg. 2007 I-2331, Tz. 86 - British Airway plc./Kommission; Kommission, Entsch. v. 13.5.2009, COMP/C-3/37.990- Intel; WuW v. 5.11.2009, S. 1210 f.; s. dazu Stephan Barthelmeß, Die Intel-Entscheidung der Europäischen Kommission: Der erste Test des “as-efficient-competitor”-Tests, EWS 2010, S. 117-120; s. auch Rummel (Fußn. 407), S. 45 ff. 453 EuG v. 10.4.2008 - Rs. T-271/03, Slg. 2008, II-477 Tz. 193; EuGH v. 14.10.2010 - Rs. C280/08 P, Slg. 2010, I-9555 Tz. 177, 201 - DT/Kommission: „[…], war ein solches Kriterium geeignet, um zu ermitteln, ob die Preispolitik der Rechtsmittelführerin auf die Wettbewerber durch die Beschneidung ihrer Margen eine Verdrängungswirkung hatte, da sich damit nachprüfen ließ, ob die Rechtsmittelführerin selbst in der Lage gewesen wäre, Endkundendienste anzubieten, ohne dabei Verluste hinnehmen zu müssen, wenn sie vorher ihre eigenen Zwischenabnehmerentgelte für Vorleistungszugangsdienste hätte zahlen müssen.“ 454 EuGH v. 17.2.2011 - Rs. C-52/09, Slg. 2011, I-527 Tz. 39 ff. - KKV/TeliaSonera Sverige AB. 455 EuG v. 29.3.2012 - Rs. T-336/07, ECLI:EU:T:2012:172, Tz. 188 f. (insb. Tz. 189: „Wie nämlich der Gerichtshof bereits festgestellt hat, verbietet Art. 82 EG u. a. einem beherrschenden Unternehmen eine Preispolitik, die für seine gegenwärtigen oder potenziellen ebenso effizienten Wettbewerber eine Verdrängungswirkung entfaltet. […].“) - Telefónica und Telefónica de España/Kommission.
II Die Beurteilungsmaßstäbe für die Rechtswidrigkeit des Behinderungsmissbrauchs
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cher Ausgangspunkt für die Neubewertung der ebenso effizienten Wettbewerber als ein Gegenstand der Behinderung. “A number of alternative tests could be envisaged in oder to ascertain whether the dominant firm's prices would unlawfully exclude downstream rivals: i) whether the dominant firm's own downstream operations could trade profitably on the basis of the wholesale price charged to third parties for the relevant input; ii) whether the dominant firm's downstream rivals could trade profitably on the basis of the wholesale price charged by the dominant firm; iii) whether some national or hypothetical »reasonably efficient operator« could trade profitably on the basis of the dominant firm's input prices; or iv) a combination of some or all of the preceding tests.”456
Dieser Test der ebenso effizienten Wettbewerber, mit dem die preisbezogenen Behinderungsmissbräuche ‒ insb. Kampfpreisunterbietungen und KPS ‒ neu beurteilt werden können,457 kann bei der Beurteilung der Wettbewerbsbeschränkungen eine Rolle spielen.458 Gleichwohl ist sowohl in der EU als auch in den USA weiterhin eine kritische Sichtweise in Hinblick auf die fraglichen unternehmerischen Verhaltensweisen vorhanden.459 Obwohl der Begriff der ebenso effizienten Wettbewerber (Equally Efficient Competitors, EEC, vgl. Reasonably -, REC)460 von der Kommission bei der Definition der KPS angewendet wird, ist der vollständige Begriff und die Ent456 S. dazu O'Donghue/Padilla (Fußn. 21), S. 376 457 Oliver Brand, Missbräuchliche Ausnutzung im Sinne des Art.102 AEUV, in: Wolfgang Jaeger usw., Kartellrecht/Teil 2, Frankfurter Kommentar, 2014, S. 247-249; vgl. die preisbezogenen Verdrängungs- und Marktabschottungsstrategien. Kommission, Prioritätenmitteilung, Tz. 23 ff.; Andreas Fuchs, Der ebenso effiziente Wettbewerber als Maßstab für die Missbrauchskontrolle über marktbeherrschende Unternehmen - eine kritische Würdigung in: Bechtold/Jickeli/Rohe, Recht, Ordnung und Wettbewerb, Festschrift zum 70. Geburtstag von Wernhard Möschel, 2011, S. 250-253. 458 Fuchs (Fußn. 457), S. 241-242 u. 244 (Fußn. 13); Wurmnest (Fußn. 17), S. 372-374. 459 Wie die Kommission im Fall Intel (Beschl. v. 13.5.2009 - Rs. COMP/C-3/37.990), dem eine Rabattstrategie zugrunde lag, schon erklärt hat, ist dieser Test bei der Bewertung von Behinderungsstrategien nicht immer anwendbar; s. dazu Brand (Fußn. 457), S. 289; Rummel (Fußn. 407), S. 27 (insb. Fall British Airway); Kommission, Prioritätenmitteilung, Tz. 40-42; Fuchs (Fußn. 457), S. 249-250 (vgl. Fußn. 42). 460 S. dazu Posner (Fußn. 447), S. 194-196; s. auch O'Donghue/Padilla (Fußn. 21), S. 231-234, 376-382; s. über das verhältnis zwischen dem Equally Efficient Competitor Test und Reasonably Efficient Competitor Test Rummel (Fußn. 407), S. 42 f. u. 54-57. Der wesentliche Unterschied zwischen dem EEC und dem REC sind die Standardkosten bei der Bewertung ‒ die Kosten vom marktbeherrschenden Unternehmen beim EEC und die Kosten von Wettbewerbern beim REC. Im Allgemeinen wird sowohl in den USA als auch in der EU der EEC zugrunde gelegt; EuG v. 10.4.2008 - Rs. T-271/03, Slg. 2008, II-477 Tz. 187-188 DT/Kommission; vgl. Kommission, Prioritätenmitteilung, Tz. 23 ff.
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scheidungsmethode dieser Wettbewerber nicht dargestellt. Im Allgemeinen können aber die ebenso effizienten Wettbewerber, die normalerweise nur durch Preise unterhalb der langfristigen durchschnittlichen Grenzkosten (LRAIC) von dem betreffenden Markt ausgeschlossen werden, auf der Grundlage der Kostenstruktur und dem Charakter der jeweiligen Unternehmen beurteilt werden.461 Hier stellt sich die Frage, wie die Behinderung der nicht ebenso effizienten Wettbewerber aus wettbewerbsrechtlicher Sicht bewertet werden kann. Bezüglich dieser Frage kann eine positive Antwort ein wichtiger Beweisgrund für die Rechtfertigung sein ‒ wie es in den USA geschieht ‒ , da dies gleichzeitig mit dem endgültigen Zweck, den Wettbewerbsprozess, aber nicht die Wettbewerber zu schützen, übereinstimmt.462 Dessen ungeachtet wird sowohl in der EU als auch in den USA deutlich, dass die absichtliche Auswahl dieser Wettbewerber unter dem normalen Marktprinzip ‒ das gezielte Ausschließen ‒ als ein Behinderungsmissbrauch betrachtet werden kann. Es ist jedoch immer noch schwer, einen folgerichtigen Maßstab für die Bewertung des Wirkungsgrads aufzuzeigen.463 c)
Stellungnahme
Nach diesem Test stellt die Effizienz einen sog. Ablassbrief gegen die Regulierung dar, wenn die Unternehmen durch eine niedrigere Kostenstruktur oder die Kapazität ausschließlich günstigere Preise als ihre Wettbewerber festsetzen können. Daher können sich die Unternehmen ganz auf eine Effizienzverbesserung konzentrieren. Des Weiteren lässt sich die Berechnung verbessern, ob ihre Marktstrategien (insbesondere das Preisfestsetzungsverhalten) mit dem Wettbewerbsrecht in Konflikt geraten. Ebenso wie innerhalb der anderen Tests ergeben sich Fragen dazu, ob es von vornherein möglich ist, einen Vergleich zwischen dem mit kleinen Schritten laufenden Kind und dem Leichtatlehten zu ziehen.464 Sind weiterhin die 461 Germain Gaudin/Claudia Saavedre, Ex-ante Margin Squeeze Tests in the Telecommunications Industry: What is a Reasonably Efficient Operator?, ITS European Conference Working Papers, 20.11.2012, S. 3; Kommission, Prioritätenmitteilung, Tz. 25-26 (Fußn. 1-3), 67, 80; Whish/Bailey (Fußn. 152), S. 757; Fuchs (Fußn. 457), S. 244-245. 462 Kommission, Prioritätenmitteilung, Tz. 6-7. 463 Vgl. Fuchs (Fußn. 457), S. 254; s. auch Wurmnest (Fußn. 17), S. 363-366. 464 S. dazu Gavil (Fußn. 142), S. 59-60: “Third, this kind of worthiness standard suffers from being but a snapshot of competition at a brief moment in time. The dominant firm's motivation may well have been to preclude the rival from reaching a point of equal efficiency by, for example, impairing its ability to reach minimum efficient scale. It would surely be anomalous in such a case to presume that the exclusion did not harm competition and consumers.”
II Die Beurteilungsmaßstäbe für die Rechtswidrigkeit des Behinderungsmissbrauchs
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ineffizienten Unternehmen ohne Bedeutung für die Wettbewerbssituation?465 De facto sind effizientere Wettbewerber wie auch marktbeherrschende Unternehmen, die als Marktführer oder -beherrscher leicht niedrigere Preise und günstigere Bedingungen festsetzen können, selten auf einem allgemeinen Markt anzutreffen.466 Gegebenenfalls tragen vielmehr die weniger leistungsfähigen Wettbewerber zur Preissenkung und Produktionssteigerung bei.467 Da überdies je nach Marktumständen verschiedene Faktoren beim ökonomischen Vergleich der Effizienz zwischen den Wettbewerbern und den marktbeherrschenden Unternehmen berücksichtigt werden müssen, ist die Analyse für sich betrachtet schwierig. Darüber hinaus ist deren Ergebnis umstritten. Schließlich ist die Beweisführung des Klägers auch ein aktuelles Problem, da es für den Kläger de facto unmöglich ist, die wesentlichen Informationen für die Beweisführung seiner ebenso Effizienz bei Beginn des Prozesses vorzuzeigen.468
465 Dieser Test deckt sich mit dem Wettbewerbsschutz. Jedoch wurde darüber hinweggesehen, dass auf einem Markt, von dem die Wettbewerber verdrängt wurden, kein Wettbewerb an sich erörtert werden kann. 466 S. Rummel (Fußn. 407), S. 23: „Ebenso erscheint es möglich, dass marktbeherrschende Unternehmen aufgrund von Spezialisierungen der Wettbewerber oder, insbesondere wenn es sich um ehemalige Staatsbetriebe handelt, durch größenbedingte Ineffizienz zu höheren Kosten produziert als Wettbewerber.“ 467 Vgl. Kommission, Prioritätenmitteilung, Tz. 24 u. 16; s. auch Easterbrook (Fußn. 203), S. 298: “Several scholars, and at least one court, have argued that the exit even of a less efficient producer can reduce consumers' welfare. Their argument is that there are two kinds of economic efficiency: allocative efficiency and productive efficiency. A market is allocatively efficient if it allocates goods to all those who value them at more than the cost of production. It is productively efficient if the goods are made at the lowest possible average cost.” u. S. 299 (Figure 2: Das zeigen die sog. »welfare losses«, die aus dem Monopol und der ineffizienten Erzeugung verursacht werden); Rousseva (Fußn. 13), S. 337-338: “Commentators have attacked the heart of the test by alleging that it is wrong from an economic and policy perspective to accept that only competition between efficient competitors may increase social welfare.” 468 S. dazu Gavil (Fußn. 142), S. 60: “Fourth, it is difficult to imagine how a plaintiff would, at the pleading stage, possess the information necessary to allege that it was at least »equally efficient« as the defendant. Indeed, in terms of allocating the risk of non-persuasion, it would seem more appropriate to require the defendant to assert and prove that it was superior to its vanquished rival from the point of view of efficiency.”; vgl. Mestmäcker/Schweitzer (Fußn. 12), § 19 Rn. 31-32.
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Raising Rivals’s Cost (RRC) - Test
a) Das begriffliche Verständnis und die Merkmale Im Vergleich zum Predatory Pricing ist unter dem Raising Rival´s Cost (RRC)469 Test Folgendes zu verstehen:470 »A firm can induce its rivals to exit the industry by raising their costs« und »RRC can work for a dominant firm (“predator”) because raising costs of other competitors is likely to shift their supply curves or reaction functions back […].«471 Tatsächlich konzentriert sich die Predatory-Preisstrategie auf einen Umsatzrückgang der Wettbewerber; demgegenüber zielt der RRC vornehmlich auf die Kostenerhöhung der Wettbewerber.472 “The theoretical industrial organization literature has suggested that raising rival's costs may be a profitable strategy in oligopoly. Raising-rival's-costs arguments are based on the simple fact that it is easier to compete with less efficient firms.”473 “The innovative focus of RRC is on actions taken by firms against their competitors, rather than on the exercise of market power against upstream suppliers or downstream customers.”474
469 S. zuvor zur »History of RRC-Strategy«. David T. Scheffman/Richard S. Higgins, Twenty Years of Raising Rivals´ Costs: History, Assessment, and Future, Geo. Mason L. Rev. Vol. 12, 2003, S. 371-375; s. auch über die frühe Entwicklung der RRC Strategie Malcolm B. Coate/Andrew N. Kleit, Exclusion, Collusion, and Confusion: The limits of raising rivals costs, Working Paper No. 179, FTC, 1990, S. 1-3; Morten Hviid/Matthew Olczak, Raising Rivals´ Fixed Costs, CCP Working Paper No. 05-1, 2011, S. 1-2. 470 Steven C. Salop/David T. Scheffman, Raising Rivals´ Costs (Recent Advances in The Theory of Industrial Structure), Antitrust L. Econ. Vol. 16, 1986, S. 423; David T. Scheffman, The application of raising rivals´ costs theory to antitrust, Antitrust Bull. Vol. 37, 1992, S. 187: “Raising rivals´costs (RRC) theories recognize that an effective anticompetitive strategy that can be used by one or a group of firms against rivals is to engage in actions that raise those rivals´costs.”; s. auch Gavil/Kovacic/Baker (Fußn. 368), S. 592-598 (»the modern economics of exclusion: raising rivals´costs«); vgl. Faull/Nikpay (Fußn. 36), Ch. 4, Rn. 4.265: “Strategies to deny rivals market access by increasing their costs may succeed in situations where more aggressive ones involving the complete destruction of rivals might not.” 471 Scheffman/Higgins (Fußn. 469), S. 375-377. 472 Hans-Theo Normann, Vertical Mergers, Foreclosure and Raising Rivals´ Costs - Experimental Evidence, DICE Discusion Paper N0. 5, 2010, S. 1 ff. 473 S. Normann (Fußn. 472), S. 1: “The reduction in competition implies higher input costs for the nonintegrated downstream firms.” 474 Aus mikroökonomischer Sicht hat Brennan die RRC-Strategie auch als eine absichtliche Kontrolle der Angebotskurve der Wettbewerber bezeichnet. Timothy J. Brennan, Understanding “rasing rival´ costs”, Antitrust Bull. Vol. 33, 1988, S. 95 ff.
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Zur erfolgreichen Ausführung dieser Strategie müssen einige Voraussetzungen erfüllt werden:475 i) Die Fähigkeit, durch die Herbeiführung von höheren Marginalkosten die Kosten der Wettbewerber erhöhen zu können, ii) die erheblich unelastische Nachfrage im relevanten Markt, und iii) die aufgrund der RRCStrategie minimale Erhöhung der Durchschnittskosten der marktbeherrschenden Unternehmen. Diese Strategie lässt sich durch allerhand Methoden zur Kostenerhöhung durchführen, die allerdings nicht nur auf die Mittel und Wege bezüglich des Preisfestsetzungsverhaltens begrenzt werden.476 Anders als die obigen Maßstäbe, die die von dem fraglichen Marktverhalten der marktbeherrschenden Unternehmen beeinflussten Preise oder Erzeugnisse berücksichtigen müssen, ist die nach dem RRC Test hergeleitete Rechtswidrigkeit von den negativen Kostenschwankungen der Wettbewerber abhängig: “Though currently out of fashion with antitrust enforcers, vertical price squeezes can be viewed as conduct to raise rivals' costs. Under appropriate conditions, a dominant firm finds backward integration to be a cost-effective way to raise downstream prices.”477
Dabei besteht eine Kausalität zwischen dem Marktverhalten der marktbeherrschenden Unternehmen und den Kostenerhöhungen der Wettbewerber.478 Die Kostenerhöhung hat auf Seiten der Wettbewerber einen unmittelbaren Gewinnverlust (ggf. unterhalb der Marge) zur Folge und dadurch kann nach allem eine
475 S. dazu Scheffman (Fußn. 470), S. 189-190; Salop/Scheffman (Fußn. 470), S. 269-270. 476 S. sog. Input- oder Customer Forclosure/Exclusive Dealing oder Territorial Restrant/Manipulation of Product- oder Industry Standards/Advertising Expenditure/R&D Competition/Lobbying for Government Regulation/Switching Cost W. Kip Viscusi/Joseph E. Harrington Jr./John M. Vernon, Economics of regulation and antitrust, 4. ed., 2005, S. 248 ff.; Salop/Scheffman (Fußn. 470), S. 267-268; s. auch Hviid/Olczak (Fußn. 469), S. 2-4: “The most obvious examples of strategies which raises rivals’ costs relate to the costs of doing business, such as complying with regulations or defending yourself against illegal acts by others. However, we can also identify cost raising strategies relating to the costs of procuring necessary inputs.” 477 Salop/Scheffman (Fußn. 470), S. 268: “If the upstream merger partner has some market power, input price increases to downstream rivals (perhaps the monopoly price) will raise their costs, to a level allowing the dominant firm to increase price or output. Upstream profits are sacrificed but downstream profits rise disproportionately.” 478 Vgl. aus ökonomischer Sicht Salop/Scheffman (Fußn. 470), S. 268: “[…]: profitability to the dominant firm; injury to rivals; and consumer welfare losses. These conditions are then related to analogous concepts in the antitrust law of exclusionary practices.”
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§ 2 Die Regulierungsgrundlagen des Behinderungsmissbrauchs…
Marktabschottung herbeigeführt.479 Folglich sind unter anderem die Kostenanalyse und deren Beweisführung entscheidend und gleichzeitig schwierig. b) Stellungnahme Mithilfe dieses Tests lässt sich auch der Fall erfassen, dass die Wettbewerber trotz einer nachteiligen Kostenerhöhung nicht ausgeschlossen werden.480 Hierbei gibt allerdings die übermäßige Erweiterung des regulierbaren Bereichs Anlass zur Sorge. Zudem kann dieser Test keine Rolle spielen, wenn das Marktverhalten mit keiner Kostenerhöhung verbunden ist oder die Kosten aus nachvollziehbaren Gründen ‒ z.B. »innovation that either deprives rivals of revenue or forces them to innovate in return«481 ‒ steigen. Dessen ungeachtet kann der Test lediglich als Indiz von Bedeutung sein, um bei einer bestimmten Marktsituation die Verdrängungsmöglichkeit der Wettbewerber geltend zu machen. Nach Brennan kann diese Strategie überdies zur sog. Backward Integration bei der KPS beitragen.482 7
Die Prioritätenmitteilung der Kommission
a) Überblick „Bei der Anwendung von Artikel 82 auf Behinderungsmissbräuche von Unternehmen in marktbeherrschender Stellung wird sich die Kommission auf die Formen missbräuchlicher Praktiken konzentrieren, die den Verbrauchern am meisten schaden. [...].“483
Grundsätzlich ist es klar, dass sich die Prioritätenmitteilung der Kommission, die ein praktischer Rechtsanwendungsmaßstab für den sog. Unilateral Conduct 479 S. zuvor die sog. Conditional Pricing Practices (CPPs) Steven C. Salop, The Raising Rivals´ Cost Foreclosure Paradigm Conditional Pricing Practices and the Flawed Incremental PriceCost Test, Anti. L. J. Vol. 81, 2017, S. 371 ff. 480 Faull/Nikpay (Fußn. 36), Ch. 4, Rn. 4.265: “The real value of this test is to show that conduct can be anti-competitive even though it does not involve the complete elemination of rivals.” 481 Aus diesem Grund lässt sich dies vielmehr zur Verbraucherwohlfahrt beitragen Faull/Nikpay (Fußn. 36), Ch. 4, Rn. 4.265. 482 Brennan (Fußn. 474), S. 102: “A dominant firm can integrate backwards to create a »vertical price squeeze.« This "backward integration" scenario explicitly involves the monopolization of an upstream market by a downstream firm. The monopoly of the upstream market is the source of the anticompetitive effect and the proper object of antitrust action.” 483 Kommission, Prioritätenmitteilung, Tz. 5: „[…], dass die Märkte reibungslos funktionieren und die Verbraucher von der Effizienz und Produktivität profitieren können, die ein wirksamer Wettbewerb zwischen Unternehmen hervorbringt.“ u. 19.
II Die Beurteilungsmaßstäbe für die Rechtswidrigkeit des Behinderungsmissbrauchs
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der marktbeherrschenden Unternehmen in der EU ist,484 sich nach der Verbraucherwohlfahrt (sog. „Ob“-Schaden für die Verbraucher) als einem Effekt der Marktverhalten zur Bewertung der Rechtwidrigkeit (Effects-Based Approach) ausrichtet.485 Dabei ist der Schutz des Wettbewerbsprozesses als ein Zweck und zugleich als ein Mittel zur Sicherstellung der Verbraucherwohlfahrt anzusehen.486 Aus diesem Blickwinkel heraus wird daher eine wettbewerbswidrige Marktabschottung, die einen negativen Einfluss auf die Verbraucher haben kann, vornehmlich gemäß Art. 102 AEUV reguliert.487 Jedoch wird der jeweilige eigene Maßstab je nach Missbrauchsform ‒ der As Efficient Competitor Test bei einem preisbezogenen Behinderungsmissbrauch,488 einer Kopplung und Bündelung,489 bei einer Lieferverweigerung und der KPS;490 der Sacrifice-Test und As Efficient Competitor Test ber der Kampfpreisunterbietung491 ‒ angewendet. Für den preisbezogenen Behinderungsmissbrauch hat die Kommission mit der Kosten-Preis-Analyse ‒ insb. anhand des Average Avoidable Cost (AAC) und des Long-Run Average Incremental Cost (LRAIC) ‒ geprüft,492 ob die hypothetisch ebenso effizienten Wettbewerber aufgrund des fraglichen Marktverhaltens der marktbeherrschenden Unternehmen ausgeschlossen werden.493 484 Eingehend hierzu Bulst (Fußn. 11), Art. 102 AEUV Rn. 22-30. 485 Nach Faull und Nikpay hat die Kommission durch die Prioritätenmitteilung in Hinblick auf den Behinderungsmissbräuchen diese zwei Fragen (sog. Two-Step Approach) geprüft: i) examining whether the conduct is likely to restrict competition and harm consumers, ii) considering whether the anti-competitive effects are outweighed by efficiencies.; s. dazu Faull/Nikpay (Fußn. 36), Ch. 4, Rn. 4.266-267; vgl. Rousseva (Fußn. 13), S. 339 f. 486 S. dazu Kommission, Prioritätenmitteilung, Tz. 6: „[…] in erster Linie den Wettbewerbsprozess im Binnenmarkt schützen und sicherstellen, dass Unternehmen in marktbeherrschender Stellung ihre Wettbewerber nicht durch andere Mittel als die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Produkte bzw. Dienstleistungen vom Markt ausschließen. […] Dies kann durchaus bedeuten, dass Wettbewerber, die den Verbrauchern in Bezug auf Preise, Auswahl, Qualität und Innovation weniger zu bieten haben, aus dem Markt ausscheiden.“; in Widerspruch lässt sich es mit dem Tz. 24 stehen. 487 Kommission, Prioritätenmitteilung, Tz. 11 u. 19 ff; s. dazu Bulst (Fußn. 11), Art. 102 AEUV Rn. 15 f. 488 Kommission, Prioritätenmitteilung, Tz. 22-27; s. dazu Bulst (Fußn. 11), Art. 102 AEUV Rn. 328 f. 489 Kommission, Prioritätenmitteilung, Tz. 60. 490 Kommission, Prioritätenmitteilung, Tz. 78 f. 491 Kommission, Prioritätenmitteilung, Tz. 64-67; s. dazu Bulst (Fußn. 11), Art. 102 AEUV Rn. 314 f. 492 S. dazu Wurmnest (Fußn. 17), S. 408 ff.; s. auch Jan Hennig Berg, Missbrauch von Marktmacht durch Kosten-Preis-Scheren im europäischen und US-amerikanischen Kartellrecht, 2015, S. 172-175. 493 Kommission, Prioritätenmitteilung, Tz. 24-26; EuGH v. 3.7.1991 - Rs. C-62/86, Slg. 1991, I3359, Tz. 72 - AKZO/Kommission: „Diese Preise können näml. Unternehmen vom Markt
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§ 2 Die Regulierungsgrundlagen des Behinderungsmissbrauchs…
Indem sich der vermutete Wert der weniger leistungsfähigen Wettbewerber auf dem wettbewerbsbeschränkten Markt parallel und ausdrücklich zeigt494 und sich der Begriff des Verbrauchers im Übermaß erweitert,495 sind die Regulierungsgrenzen in der Prioritätenmitteilung verwischt worden. Darüber hinaus ist die Prognose, mit der ein Schaden für die Verbraucher bewertet wird, unbeständig.496 Zu kritisieren ist, dass die Prioritätenmitteilung bei den Missbräuchen, die aufgrund des marktstrukturellen Paradoxes entstehen und ein chronisches Problem darstellen, auch von einem Kosten-Preis-Vergleich abhängig ist. Dieser Kritik kann allerdings entgegnet werden, dass strukturelle Faktoren bereits mit der Kosten-Preis-Analyse berechnet werden können. Dessen ungeachtet muss die Aufmerksamkeit speziell darauf gerichtet werden, dass marktstrukturelle Faktoren ‒ insb. die vertikale Integration ‒ durchaus das normale Verhältnis der Kosten zum Preis verschieben können. b) Die Grenzen des kostenbasierten Tests und die Berücksichtigung struktureller Faktoren Da sich der Großteil der obigen Maßstäbe aus einer Analyse des kostenbezogenen Preiswettbewerbs und dem Vorsatz in Bezug auf die fraglichen Marktverhaltensweisen herleitet, ist es wichtig, einen ökonomischen Beweis für die Rationalität der Marktstrategien wie die Preisfestsetzung oder die vorteilhaften Effekte für die Verbraucher zu führen. Daher ist die unangemessene Gewinnspanne unmittelbar mit der Rechtswidrigkeit verbunden. Hierbei stellen sich letztlich folgende Probleme: i) Zweifel an der Möglichkeit, die umfangreichen und genauen kostenbezogenen Informationen zu beschaffen und diese exakt zu analysieren; ii) die Schwierigkeit, auf Grundlage dieser Informationen eine wettbewerbsbeschränkende Absicht und Effizienz zu vermuten, iii) die Anwendung auf den jeweiligen Markt,
verdrängen, die vielleicht ebenso leistungsfähig sind wie das beherrschende Unternehmen, wegen ihrer geringeren Finanzkraft jedoch nicht dem auf sie ausgeübten Konkurrenzdruck standhalten können.“; EuG v. 10.4.2008 - Rs. T-271/03, Slg. 2008, II-477 Tz. 194 - DT/ Kommission: „Da zu prüfen ist, ob die Klägerin selbst oder ein Unternehmen, das ebenso effizient ist wie sie, […].“; s. auch Rummel (Fußn. 407), S. 15: „Zentraler Bestandteil der Reformbemühungen ist die Aufwertung von Kosten-Preis-Vergleichen.“ u. 25 ff. u. 49. 494 Kommission, Prioritätenmitteilung, Tz. 24. 495 Kommission, Prioritätenmitteilung, Tz. 19 (insb. Fußn 15: zum Begriff »Verbraucher«). 496 Vgl. Kommission, Prioritätenmitteilung, Tz. 19: „Die Feststellung eines voraussichtlichen Schadens für den Verbraucher kann auf der Grundlage qualitativer und, wann immer möglich und zweckmäßig, auch anhand quantitativer Beweise erfolgen.“
III Der Konflikt zwischen False Positive und False Negative
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auf dynamische Faktoren stark einwirken, iv) die Irrtumswahrscheinlichkeit bei der Rechtsdurchsetzung. Auch kann man hierbei erkennen, dass die Markteintrittsbarrieren in Bezug auf iii) tatsächlich außer Betracht bleiben. Vertraut man bedingungslos in die Selbstkorrektur des Marktes497 können strukturelle und potenzielle Aspekte ‒ z.B. vielfältige Eintrittsbarrieren, Essential Facilities und Marktintegration ‒ bei einer Betrachtung entbehrlich sein,498 was aber unvereinbar mit dem konkreten Markt ist. Sollten sich die marktbeherrschenden Unternehmen über den Wettbewerbsdruck hinwegsetzen und die Wettbewerbsbedingungen willkürlich bestimmen können, kann das Kosten-Preis-bezogene Ergebnis außer Betracht bleiben.499
III Der Konflikt zwischen False Positive und False Negative Aus der Beurteilung von vermuteten Daten können sich unvermeidbare Fehler bei der Rechtsdurchsetzung herleiten. Da sich dies aber nicht vermeiden lässt, kann man nur versuchen, die Irrtumswahrscheinlichkeit zu minimieren. Diese Minimierung ist ein allgemeines Ziel im gesamten Rechtsvollstreckungsbereich. Allerdings ist die Ausrichtung der aktiven oder passiven Rechtsanwendung nicht nur von der Durchsetzung abhängig. Vielmehr wird diese von dem grundlegenden Standpunkt hinsichtlich des Rechtszwecks der jeweiligen Marktverhaltensweisen und deren Effekte beeinflusst. In jüngerer Zeit wird False Negative vorgezogen, wobei zu fragen ist, warum. 1
Begriffserläuterung: False Positive vs. False Negative
Von Natur aus sind False Positive oder -Negative statistische Konzepte. Aus der Problemstellung der Irrtümer, die bei der Interpretation der statistischen Ergebnisse vorhersehbar sind, wurden sie zuerst von Neyman und Pearson
497 Darunter muss ein hoher Monopolgewinn für sich als eine starke Veranlassung, die Wettbewerber im relevanten Markt einzutreten, wirken. Vgl. Kommission, Prioritätenmitteilung, Tz. 16. 498 Vgl. Kommission, Prioritätenmitteilung, Tz. 17. 499 In dem Fall, dass wesentliche Indikatoren ‒ wie z.B. Kosten, Effizienz und Absicht ‒ durch marktstrukturelle Faktoren zugunsten des Marktbeherrschers verzerrt werden, können die obigen Tests keine Rolle als ein Maßstab zur Bewertung der Rechtswidrigkeit spielen.
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§ 2 Die Regulierungsgrundlagen des Behinderungsmissbrauchs…
dargestellt.500 Sie finden darüber hinaus auch bei der wettbewerbsrechtlichen Debatte ‒ insb. bei der Rechtsdurchsetzung ‒ Anwendung. Obwohl ein bestimmtes Verhalten eines Unternehmens rechtmäßig ist, lässt sich dieses Verhalten fälschlicherweise als unrechtmäßig regulieren (False Positive, Type I Error).501 Im Gegensatz dazu lässt sich ein Verhalten fälschlicherweise nicht als rechtmäßig regulieren, obwohl ein unternehmerisches Verhalten tatsächlich unrechtmäßig ist (False Negative, Type II Error).502 Aufgrund ihrer entgegengesetzten Beziehung ist die Irrtumswahrscheinlichkeit bei der Rechtsdurchsetzung unvermeidbar. Aus wettbewerbsrechtlicher Sicht ist die gedankliche Wurzel von False Negative eine Abneigung gegen das staatliche Eingreifen in Markt und Wettbewerb. Bereits im Fall Alcoa wurde ein ähnlicher Kontext von Judge Hand festgestellt: »the successful competitor, having been urged to compete, must not be turned upon when he wins«.503 Seit diesem Fall wird dies als ein kritisches Argument ‒ »Overdeterrence could harm consumers« ‒ für eine aktive Missbrauchsaufsicht angebracht.504 Nach der US-amerikanischen Antitrust-Analyse (insb. Decision Theory) wurden diese Irrtümer zuallererst im Hinblick auf die Kosten (sog. Error-Cost Framework)505 genannt.506 Im Anschluss daran hat der Supreme Court vor 500 J. Neyman/E. S. Pearson, On the Use and Interpretation of Certain Test Criteria for Purposes of Statistical Inference: Part I, Biometrika, Vol. 20A No. 1/2, 1928, S. 175 ff. 501 Vgl. Bork (Fußn. 381), S. 7: “Certain of its doctrines preserve competition, while others suppress it, resulting in a policy at war with itself.” 502 S. dazu Evans (Fußn. 26), S. 76: “False positives result when a rule, or test, finds that the subject has the condition when in fact they do not. False negatives result when a test finds that the subject does not have the condition when in fact they do.”; s. auch Mestmäcker/Schweitzer (Fußn. 12), § 3 Rn. 60 u. § 26 Rn. 34; Wurmnest (Fußn. 17), S. 266-268 (Fehler 1. Ordnung, Over-Enforcement / Fehler 2. Ordnung, Under-Enforcement). 503 U.S. v. Aluminum Co. of Am., 148 F. 2d 416, 430 (1945); s. auch bez. der Zurückhaltung bei der behördlchen Kontrolle über sog. »Unilateral Conduct«: “A single producer may be the survivor out of a group of active competitors, merely by virtue of his superior skill, foresight and industry. In such cases a strong argument can be made that, although, the result may expose the public to the evils of monopoly, the Act does not mean to condemn the resultant of those very forces which it is its prime object to foster: finis opus coronat.”; vgl. U.S. v. United States Steel Corp., 251 U.S. 417, 40 S. Ct. 293, 64 L. Ed. 343, 8 A.L.R. 1121; U.S. v. International Harvester Corp., 274 U.S. 693, 708, 47 S. Ct. 748, 71 L. Ed. 1302. 504 A. E. Rodriguez/Ashok Menon, The Limits of Competition Policy: The Shortcomings of Antitrust in Developing and Reforming Economies, 2010, S. 43 (insb. among Chicago School and Law and Economics Proponents). 505 S. dazu Evans (Fußn. 26), S. 76-79: “It recognizes that when imperfect human beings base decisions on imperfect information they make mistakes and that those mistakes have costs.”; s. auch Rodriguez/Menon (Fußn. 504), S. 45. 506 Dazu ausführlich Richard A. Posner, An Economic Approach to legal Procedure and Judicial Administration, The Journal of Legal Studies Vol. 2. No. 2, 1973, S. 399 ff.; Wurmnest
III Der Konflikt zwischen False Positive und False Negative
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allem im Fall Matsushita darauf aufmerksam gemacht507 und diese Auffassung im Fall Brooke Group ausdrücklich begründet:508 »the costs of an erroneous finding of liability are high«.509 Ausgehend von dieser Sichtweise muss eine Regulierung möglichst zurückhaltend erfolgen,510 da sich eine Regulierung gegen niedrige Preise sowohl auf die Verbraucher als auch auf die Unternehmen schädlich auswirken kann. 2
Das Verhältnis zwischen beiden und die jüngste Diskussion „Im Vordergrund dieses Streits steht die Behauptung, dass die bisherige Fallpraxis durch ein deutliches Überwiegen von Typ-I-Fehlern geprägt sei. Darüber hinaus ist in Europa die Meinung auf dem Vormarsch, nach der Rechtsregeln zur Unterbindung von Verdrängungsmissbräuchen stets so auszugestalten seien, dass allein überschießende Markteingriffe, also Typ-I-Fehler, vermieden würden.“511
Würden sich beide Irrtümer gleichzeitig abmildern lassen, wäre dies der Idealfall. Tatsächlich ist dies jedoch unmöglich, da man die hypothetischen und potenziellen Bedingungen bezüglich des Marktes nicht in allen Punkten kontrollieren kann. Daher müssen False Positive und -Negative miteinander kollidieren und man steht vor der Wahl des geringeren Übels (sog. Choosing the Lesser of Two Evils). Hierbei ist eine Abwägung zwischen den (auswahlbedingten) Vorteilen und Nachteilen notwendig, wobei diese von der jeweiligen wett-
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(Fußn. 17), S. 267: „Erstens müssen die Durchsetzungskosten im Auge behalten werden […]. Hierbei gilt es die Wahrscheinlichkeit und Häufigkeit des Irrtums und die erwarteten Auswirkungen eines Irrtums auf den Wettbewerb zu berücksichtigen (Error/Cost-Approach).“ S. dazu Matsushita v. Zenith Ratio Corp., 475 U.S. 574, 590-591 (1986). Rodriguez/Menon (Fußn. 504), S. 44 f.: “The U.S. Supreme Court´s string of recent antitrust decisions revealed a keen sensitivity to the cost of enforcement errors.”; Evans (Fußn. 26), S. 77 f. Brooke Group Ltd. v. Brown & Williamson Tobacco Corp., 509 U.S. 209, 226 (1993): “[;] mistaken inferences […] are especially costly, because they chill the very conduct the antitrust laws are designed to protect.”; Cargill v. Monfort, 479 U.S. 104, 122 (1986); Matsushita v. Zenith Ratio Corp., 475 U.S. 574, 594 (1986). Zudem wird die Kontrolle in der Tat wegen der klägerischen Beweislast erschwert; s. auch Evans (Fußn. 26), S. 77. S. dazu Wurmnest (Fußn. 17), S. 273-274: „Diese Ansicht dominiert die US-amerikanische Antitrustpolitik schon seit den späten 1980er Jahren. […] Dieses Problem ist in Deutschland und Europa deutlich schwächer ausgeprägt. aufgrund der großen Unterschiede in der Ausgestaltung des privaten Rechtsschutzes haben Rivalen des Marktbeherrschers keine auch nur annähernd vergleichbaren Möglichkeiten, ein möglicherweise prokompetitives verhalten in Wege der Konkurrentenklage zu unterbinden.“
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§ 2 Die Regulierungsgrundlagen des Behinderungsmissbrauchs…
bewerbspolitischen Ausrichtung und der wettbewerbsrechtlichen Tradition abhängig sein können.512 Aus diesem Grund können die Gerichtshöfe und Wettbewerbsbehörden in ihrem Entschluss schwanken. Folglich gehören die Schwächung des wettbewerbsrechtlichen Vorwurfs mit Blick auf niedrige Preise und False Negative zusammen.513 Neuerdings werden ‒ aufgrund der betonten ökonomischen Effektanalysen der Marktverhaltensweisen ‒ die folgenden Kritikpunkte an False Positive geltend gemacht: i) eine Hemmung des unternehmerischen Willens, die Preise herabzusetzen, und ii) eine Hemmung der Verbraucher, die niedrigeren Preise zu genießen.514
512 S. für einen Vergleich zwischen den USA und der EU Wurmnest (Fußn. 17), S. 274-277. 513 S. zuvor Gavil (Fußn. 142), S. 61: “A »less efficient rival« standard could lead to false negatives in such circumstances (U.S. v. Microsoft Corp., 253 F.3d 34, 79 (D.C. Cir. 2001)) and pose a significant threat of underdeterrence. Ironically, the standard evidences something of a lack of faith in the capacity of markets to correct for inefficiency, something markets may, in truth, be better equipped to do than courts.” 514 Vgl. Wurmnest (Fußn. 17), S. 274.
§ 3 Die vertikal integrierte Marktstruktur und das Risiko von Wettbewerbsverstößen
Für die Marktteilnehmer ist jede Marktstruktur eine vorgegebene Wettbewerbsbedingung des Wirtschaftslebens. Es ist dabei hinsichtlich der Marktstruktur wünschenswert, die für den normalen Wettbewerb funktionierende Struktur ungekünstelt zu erhalten. Diese strukturelle Erhaltung der wirtschaftlichen Freiheit ist auch für die Verbraucherwohlfahrt vorteilhaft.515 Gegebenenfalls sehen sich die Unternehmen allerdings der von dem marktbeherrschenden Unternehmen herbeigeführten Marktstruktur gegenübergestellt. In diesem Fall muss sogar ihre Ausgangslage im Wettbewerb (ein sog. wettbewerblicher Vorsprung aufgrund der Marktstruktur) voneinander abweichen. “The notion that vertically integrated firms behave differently from nonintegrated ones in supplying inputs to downstream rivals would strike a business person, if not an economist, as common sense.”516
In dem Aufsatz von Ordover/Saloner/Salop (1990)517 »Equilibrium Vertical Foreclosure« wurde aus ökonomischer Sicht das Verhältnis zwischen der vertikalen Integration und der Marktabschottung durch die RRC-Strategie behandelt. Dies steht trotz der kritischen Kommentare518 immer noch im Rampenlicht und von Normann wird deren Problemsbewusstsein als eine theoretische Grundlage der Leitlinien zur Bewertung nichthorizontaler Zusammenschlüsse bewertet.519 In der im Jahr 1992 gegenüber dem kritischen Kommentar von Reiffen verfassten Replik wird das Erkennen der auf dem vertikal integrierten Markt voraussehbaren strukturellen Probleme, wie oben angeführt, im Bereich vom »Common Sense« als ein Behavioral Argument aufgefasst. 515 S. dazu Rousseva (Fußn. 13), S. 46-48 (insb. Consumer Welfare as a Surrogate for Economic Freedom and Competitive Process: Vergleich zwischen Harvard School und Ordoliberalism) und S. 37 ff. 516 Janusz A. Ordover/Garth Saloner/Steven C. Salop, Equilibrium Vertical Foreclosure: Reply, Am. Econ. Rev. Vol. 83, No. 3, 1992, S. 698. 517 Janusz A. Ordover/Garth Saloner/Steven C. Salop, Equilibrim Vertical Foreclosure, Am. Econ. Rev. Vol. 80, No. 1, 1990, S. 127 ff. 518 David Reiffen, Equilibrium Vertical Foreclosure: Comment, Am. Econ. Rev. Vol. 83, No. 3, 1992, S. 694-697; Oliver Hart/Jean Tirole, Vertical Integration and Market Foreclosure, BPEA, 1990, S. 205 ff. 519 Normann (Fußn. 472), S. 4.
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 Y. G. You, Behinderungsmissbrauch durch marktbeherrschende Unternehmen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-24781-2_4
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§ 3 Die vertikal integrierte Marktstruktur und das Risiko von Wettbewerbsverstößen
In dem Fall, dass ein marktbeherrschendes Unternehmen seine Tochtergesellschaft auf einem nachgelagerten Markt gründet, sehen sich die auf diesem Markt bereits tätigen Unternehmen einem strukturellen Wettbewerbsdruck ausgesetzt. Wenngleich der Wettbewerb dieses nachgelagerten Marktes groß ist, kann die Tochtergesellschaft von vornherein einen Wettbewerbsvorrang haben, wenn der nachgelagerte Markt insbesondere von dem vorgelagerten Markt unabhängig ist. Infolgedessen kann dieses marktbeherrschende Unternehmen eine sog. doppelte Stellung besitzen und gleichzeitig wird dadurch das Risiko erhöht, dass der wirksame Wettbewerb auf dem nachgelagerten Markt beschränkt wird. Hierbei ist eine wesentliche Frage, warum das marktbeherrschende Unternehmen in den nachgelagerten Markt eintritt, obwohl dafür kein unabwendbarer Betriebsbedarf besteht. Hat es mit anderen Worten hierbei vor allem eine Effizienzverbesserung, die Verbraucherwohlfahrt oder die Wettbewerbsbeschränkung angestrebt?
I
Die vertikale Integration als industriell-strukturelle Eigenschaft
Die Marktstruktur kann als ein Verhältnis zwischen den Marktteilnehmern ‒ Verkäufer (Versorger), aktuelle bzw. potenzielle Wettbewerber und Verbraucher ‒ verstanden werden.520 Zur Darlegung dieser Verhältnisse werden die vielseitigen Faktoren des betreffenden Marktes, wie z.B. der Konzentrationsgrad des Marktes, die Eintrittsregulierung, die Eigenschaften und die Mannigfaltigkeit der Waren oder die Kostenstruktur des Unternehmens betrachtet.521
520 Vgl. Faull/Nikpay (Fußn. 36), Ch. 1, Rn. 1.09 f.; die Havard School hat die Marktstruktur durch den Zusammenhang zwischen den Verhaltensweisen und Ergebnissen der Unternehmen aufgefasst; s dazu Rousseva (Fußn. 13), S. 33 f. 521 Mason als ein Gründer der Havard School hat die zwei Richtungen (die Markt- und Unternehmensstruktur) als Erklärung der unterschiedlichen Wettbewerbsstrategien (inkl. die Preise, die Produktionsmenge usw.) vorgelegt: i) »[…], starts with various elements of the market structure of the individual firm and derives therefrom conclusions regarding the price and production policy of this firm.« und ii) »[…] an examination of the behavior of prices and through correlating various measures of price behavior with other measurable economic variables works back towards differences in the structure of markets in an attempt to explain the observed differences in price behavior.« Zudem hat er behauptet, dass je nach den Umständen der Märkte die Berücksichtigung der strukturellen Elements relativ wichtig sind; Erward S. Mason, Price and Production Policies of Large-Scale Enterprise, Am. Econ. Rev. Vol. 29 No. 1, 1939, S. 63 u. 66-68.
I Die vertikale Integration als industriell-strukturelle Eigenschaft
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Daher kann die Marktstruktur eine wesentliche Auswirkung darauf haben, wie die Unternehmen ihre Marktverhaltensweisen ausrichten. Die vertikale Integration umfasst verschiedene wettbewerbsrechtliche Streitpunkte in den jeweiligen Industriebereichen.522 Hierbei werden die aus der Integration erwarteten ökonomischen Vorteile ‒ insbesondere in Hinsicht auf die ökonomische Effizienz (nach der Chicago School)523 oder die Kosten (nach der Transaktionskostentheorie)524 ‒ geltend gemacht, da die fraglichen Unternehmen versuchen, aufgrund von Kostensenkungen oder volkswirtschaftlichen Vorteilen die Wettbewerbsbeschränkungen zu neutralisieren.525 1
Der Begriff der vertikalen Integration und ihre substanziellen Wirkungen
a) Die Definition der vertikalen Integration zwischen den Unternehmen Die vertikale Integration als eine Spektrumserweiterung der Wettbewerber526 ist ‒ hinsichtlich der äußeren Form ‒ so definiert, »dass zwei oder mehr separierbare Produktionsstufen zur gleichen wirtschaftlichen Einheit gehören«.527 Im 522 Henk-Merten (Fußn. 19), S. 5 ff. (insb. Fußn. 14); s. auch Großman (Fußn. 14), S. 7. 523 S. dazu Bork (Fußn. 244), S. 231: “Vertical merger does not create or increase the firm's power to restrict output. The ability to restrict output depends on the share of the market occupied by the firm. Horizontal mergers increase market share, but vertical mergers do not.”; Richard A. Posner, Antitrust Law: an economic perspective, 1978. 524 Oliver E. Williamson, The Economic Institutions of Capitalism - Firms, Markets, Relational Contracting, 1985, S. 103 ff.; s. vorher Werner Nienhüser/Manuel Jans/Martin Köckeritz, Grundbegriffe und Grundideen der Transaktionskostentheorie ‒ am Beispiel von „Make-orBuy“ Entscheidungen über Weiterbildungsmaßnahmen, 2012, S. 1 ff.; Mathias Erlei, Organisationsökonomik und vertikale Integration: Wettbewerbspolitische Implikationen, in: Ingo Pies, Martin Leschke (Hrsg.), Oliver Williamsons Organisationsökonomik, 2001, S. 184 ff.; Jörn Kruse, Vertikale Integration als Wettbewerbsproblem, in: Kruse, Stockmann, Vollmer (Hrsg.), Wettbewerbspolitik im spannungsfeld nationaler und internationaler Kartellrechtsordnungen, FS für Ingo Schmidt zum 65. Geburtstag, 1997, S. 247 ff. 525 Vgl. Erlei (Fußn. 524), S. 185 ff., der bis Mitte der siebziger Jahre folgender Ansicht war: „Abgesehen von Verbundkostenvorteilen kamen als Motive für vertikale Integrationen vorrangig strategische Aspekte zur Bildung oder Festigung von Marktmacht in Betracht.“ Anders die Chicago-Schule und Transaktionskostentheorie. 526 Joachim Zentes, Vertikale Integration, in: Zentes, Swoboda, Morschaftt, Schramm-Klein (Hrsg.), Handbuch Handel: Strategien - Perspektiven - Internationaler Wettbewerb, 2. Aufl., 2012, S. 89 u. 99 f. 527 Kruse (Fußn. 524), S. 247; vgl. Walter J. Koch, Zur Wertschöpfungstiefe von Unternehmen: Die Strategische Logik der Integration, 2006, S. 8: „Das Konzept der vertikalen Integration bezieht sich auf das Modell der Wertschöpfungskette und charakterisiert die betriebswirtschaftliche Organisation der Stufen. Eine vertikale Integration liegt vor, wenn zwei oder mehrere Wertschöpfungsstufen gemeinsam gemanagt werden und insofern eine unternehmerische Einheitsdarstellen.“; Whish/Bailey (Fußn. 152), S. 657; vgl. Großman (Fußn. 14),
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§ 3 Die vertikal integrierte Marktstruktur und das Risiko von Wettbewerbsverstößen
Allgemeinen ist diese Beziehung von Käufer und Verkäufer leicht zu bestimmen.528 Dies ist jedoch nicht in jedem Fall gültig, und abhängig von den verschiedenen Interessen und den jeweiligen industriellen Beschaffenheiten der Betreffenden kann ihre Beziehung konstruiert werden.529 Hierbei muss man das Augenmerk auf das innere und äußere Verhältnis der integrierten Unternehmen richten,530 da dies als ein Ansatzpunkt der wettbewerbsrechtlichen Problemstellung eine Rolle spielen kann.531 Betrachtet man das unternehmerische Verhältnis, kann die vertikale Integration zwischen den hintereinander gelagerten Marktstufen als solche zumindest von Seiten der Unternehmen als eine ideale Wettbewerbsstrategie funktionieren. Tatsächlich können die unter dieser Struktur entstehenden Missbräuche »a degree of exclusivity for the dominant firm«532 als eine ursprüngliche Eigenschaft umfassen. Daher ist es beim begrifflichen Verständnis eo ipso erforderlich, in Hinblick auf die Wettbewerbssituation der die Integration umfassenden Märkte die fragliche Integration zu berücksichtigen. Aus dem wettbewerbsbeschränkenden Aspekt kann die vertikale Integration daher insofern als etwas Negatives begriffen werden, als die vertikale Integration von zwei oder mehreren Unternehmen533 ein Risiko darstellt und die Sorge begründet ist, dass dadurch die marktstrukturelle Konzentration oder die Verschlechterung der Wettbewerbsstruktur auf dem relativen Markt verursacht
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S. 11 (die begriffliche Teilung vertikaler Integration: die sog. Inhalts- und Abschlussbindungen); vgl. die ökonomische Erklärung bei Normann (Fußn. 472), S. 2 ff. (insb. Figure 1: Market Struktur von Ordover/Saloner/Salop (1990)). Henk-Merten (Fußn. 19), S. 6, „Ein ganz typisches Beispiel für vertikale Integration ist der Verkauf eines Rohstoffs einerseits und der Verkauf des weiterverarbeiteten Produkts anderseits durch dasselbe Unternehmen.“; Großman (Fußn. 14), S. 11 ff., am typischen Beispiel der Geschäftsbeziehung zwischen Herstellern und Händlern seitens der ökonomischen Auswirkungen; vgl. Kommission, Leitlinien Bewertung nichthorizontale Zusammenschlüsse, Tz. 4 (Fußn. 4: „[…] bezeichnen die Begriffe »nachgeordnet« und »vorgelagert« die (potenzielle) Geschäftsbeziehung zwischen den fusionierenden Einheiten. Diese Geschäftsbeziehung ist in der Regel dadurch gekennzeichnet, dass das »nachgeordnete« Unternehmen die Produktion des »vorgelagerten« Unternehmens erwirbt und diese als Vorstoff für seine eigene Produktion verwendet, die es daraufhin an seine Kunden verkauft.“). S. Zentes (Fußn. 526), S. 89 ff.; s. auch die Wertschöpfungskette Koch (Fußn. 527), S. 7 ff. (insb. Abbildung 1 von M. Porter, Wettbewerbsvorteile, Frankfurt/Main, 2000, S. 66). Henk-Merten (Fußn. 19), S. 6; s. auch Eric Heitzer, Konzerne im Europäischen Wettbewerbsrecht, 1999, S. 114. S. dazu Hans Lommler, Das Verhältnis des kartellrechtlichen Verbots der Kosten-PreisSchere zum Verbot der Kampfpreisunterbietung, WuW 2011, S. 245. Gavil (Fußn. 142), S. 24. Mindestens pro forma vorausgesetzt, dass sie rechtlich selbstständige Unternehmen sind.
I Die vertikale Integration als industriell-strukturelle Eigenschaft
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wird.534 Dies kann der Fall sein, da diese Unternehmen als eine de facto vereinigte Wettbewerbseinheit ihre ökonomische Macht auf den betreffenden Märkten ausüben können, indem sie unter einer einzelnen Wirtschaftsherrschaft zusammengefasst werden.535 Für die potenziellen Wettbewerber stellt sich dies somit als eine unmittelbare Signalrolle der Marktabschottung dar.536 b) Die doppelte Stellung eines Unternehmens und die Verstärkung der Abhängigkeit aa. Die doppelte Stellung und deren wettbewerbsbezogene Bedeutung Bei der vertikalen Integration besitzt das auf dem vorgelagerten Markt vorhandene Unternehmen die sog. Doppelstellung ‒ ein Handelspartner und gleichzeitig ein Wettbewerber537 ‒ aus eigenem Antrieb. Dies gilt als ein Merkmal vertikal integrierter Unternehmen.538 Aber aufgrund dieser Integration haben die auf dem nachgelagerten Markt nicht integrierten Unternehmen ebenfalls diese Doppelstellung, dies jedoch nicht freiwillig. Somit finden sie sich in einer unvorteilhaften, wieder in der der bestehende Handelspartner durch sein nachgelagertes Unternehmen ‒ wie z.B. einer Tochtergesellschaft ‒ tatsächlich als Wettbewerber eine Rolle spielen kann. Unter diesen Umständen ist zu befürchten, dass das marktbeherrschende Unternehmen auf dem vorgelagerten Markt durch die Auferlegung von diskri534 S. auch über das Problem der Unternehmenskonzentration Rittner (Fußn. 24), S. 354-358; vgl. mit dem Approach of Harvard School bezüglich der Absicht der Konzentration Rousseva (Fußn. 13), S. 35: “This approach is a consequence of a general fear of concentration of market power and a scepticism towards the conduct of power firms.” 535 Es besteht ein Unterschied in der Verbindungsintensität: Die Integration als eine starke Verbindung stellt hierbei keine einfache Geschäftsverbindung oder Verhältnis dar, sondern eine organisatorische Kooperation unter einheitlicher Verwaltung. Jedoch ist es auch möglich, dass das einfache Verhältnis der Unternehmen zueinander oder die Kooperation miteinander kurzfristig auch entsprechende Auswirkungen auf die Integration hat. Da sich das Kartell dadurch verursachen lässt, kann dies außerhalb der Missbrauchsaufsicht reguliert werden; vgl. mit der eigentumsrechtlichen Verbindung der Wertschöpfungsstufen Koch (Fußn. 527), S. 10-11. 536 Vgl. aus ökonomischer Sicht Patrick Bolton/Michael D. Whinston, The »Foreclosure« Effects of Vertical Mergers, JITE Vol. 147, 1991, S. 207 ff. (S. 225: “[…] Without doubt, the criticisms of the New School of Antitrust (as presented in Bork [1978]) pointed to important flaws in the courts historic acceptance of foreclosure theory. In response to these criticisms, however, more recent research such that in OSS, HT, and BW has formally demonstrated that vertical mergers resulting in market foreclosure can indeed be an equilibrium phenomenon.”); s. zuvor Ordover/Saloner/ Salop (Fußn. 517), S. 127 ff.; Normann (Fußn. 472), S. 1-7. 537 Vgl. Lommler (Fußn. 531), S. 245: „Das integrierte Unternehmen hat ein Großhandelsmonopol, der Einzelhandelsmarkt ist dagegen potenziell wettbewerblich.“ 538 Henk-Merten (Fußn. 19), S. 6.
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§ 3 Die vertikal integrierte Marktstruktur und das Risiko von Wettbewerbsverstößen
minierenden Handelsbedingungen oder durch die Verstärkung von unüberwindbaren Abhängigkeiten die Wettbewerbssituation kontrollieren kann. Damit muss die den relativen Wechsel der Marktpositionen begleitende vertikale Integration eine strukturelle Variable sein, die den normalen Wettbewerb beschränken kann.539 bb. Die typische Unterteilung der Abhängigkeiten und die zweideutigen Einsichten Des Weiteren wird die sog. Abhängigkeit im Rahmen des Wettbewerbsrechts540 nicht nur im Horizontalverhältnis, sondern vielmehr auch im Vertikalverhältnis verursacht, da diese Abhängigkeit auf der relativen Marktmacht oder -stellung gründet. Ihre konkreten Ursachen sind ‒ wie relative, sortimentsbedingte, unternehmensbedingte, mangelbedingte und nachfragebedingte Abhängigkeit zeigen ‒ vielfältig.541 In Bezug auf die Missbrauchsaufsicht stellt die jeweilige Abhängigkeit insofern einen negativen Faktor dar, als dass sie eine strukturelle Ursache ist, aufgrund der Wettbewerber, die auf dem nachgelagerten Markt tätig sind, in ihrer Handlungsfreiheit unterdrückt werden. Vom Standpunkt der vertikal integrierten Unternehmen kann eine solche Abhängigkeit zwischen den verbundenen Unternehmen im Gegenteil positiv funktionieren. Daher hat dies gegensätzliche Auswirkungen im Wettbewerb zur Folge; die aus der positiven Abhängigkeit herbeiführbaren Effekte spielen eine große Rolle als Einwendungen gegen die Kartellrechtswidrigkeit. Dieses Abhängigkeitsverhältnis hat also gleichzeitig zwei Seiten: Es ist ein Hindernisfaktor für die Wettbewerber und zugleich ein wirksames Mittel für die vertikal integrierten Unternehmen wie z.B. Tochtergesellschaften, die im Wettbewerb stehen. Überdies ist die aus der vertikalen Integration verursachte Abhängigkeit von den Wettbewerbern ein Schicksal, das die Wettbewerber allein aus eigener Kraft nicht überwinden können. Beim Missbrauch einer Marktstellung kann eine solche Abhängigkeit daher eine Ursache dafür sein,
539 S. auch Lommler (Fußn. 531), S. 245: „Die Herstellung einer Menge des Endprodukts erfordert stets dieselbe Menge des Vorprodukts (fixe Verwendungsproportionen). Vor- und Endproduktion erfolgen zu konstanten Kosten, jeweils mit zusätzlichen Vor- und Endproduktionskosten pro Produkteinheit.“ 540 Die Abhängigkeit muss nicht nur auf der Grundlage vom Aktienanteil, sondern von den aktuellen und inhaltlichen Verhältnissen bezüglich des Handels zwischen den fraglichen Unternehmen vermutet werden; s. dazu Kapitel 5. IV. 3. in dieser Arbeit (z.B. die Abhängigkeit der Wiederverkäufer als ein unabhängiges Unternehmen). 541 Rittner/Dreher (Fußn. 40), § 20 Rn. 48-54.
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dass die selbstständige Entscheidung über die wettbewerbsbezogenen Bedingungen behindert wird. c)
Die vertikale Integration und die unternehmerische Selbstständigkeit
aa. Die wettbewerbsrechtliche Bedeutung des Selbständigkeitspostulates „Das Selbständigkeitspostulat erfasst mit dem Verdikt gegen jede Fühlungnahme von Wettbewerbern einen wirtschaftlichen Kern des Wettbewerbs, nämlich das Handeln unter Ungewissheit über die Reaktion von Wettbewerbern.“542
Die Handlungsfreiheit und der Wettbewerbsprozess als ein Maßstab, um die Wettbewerbsbeschränkung zu interpretieren, können durch das Selbständigkeitspostulat miteinander in Einklang gebracht werden.543 Demnach ist es im Markt wesentlich, dass jedes Unternehmen seine Marktverhaltensweisen und strategien selbstständig bestimmen kann.544 Diese Frage stellt sich nicht nur für Vereinbarungen (engl. agreements) zwischen Unternehmen, da das Selbständigkeitspostulat auch durch ein marktstrukturelles Paradox beeinträchtigt werden kann.545 bb. Die marktstrukturelle Einschränkung des Selbständigkeitspostulates Obwohl die jeweiligen Subjekte bei der vertikalen Integration der Form nach selbstständig sind,546 kann ‒ wenn sie an gemeinsamen ökonomischen Interessen mitwirken müssen ‒ eine innere Subordination zwischen ihnen vorliegen. Dieses Verhältnis ermöglicht es den auf dem vorgelagerten Markt vorhandenen marktbeherrschenden Unternehmen die Marktstrategien gegenüber Wettbewerbern festzulegen. Sie treffen deshalb die inhaltlichen Entscheidun542 Mestmäcker/Schweitzer (Fußn. 12), § 3 Rn. 108: „Diese Ungewissheit ist eine Erscheinungsform des unternehmerischen Risikos und wird erst durch die Informationen überwunden, die aus dem Wettbewerb hervorgehen.“; Daniela Hengst, in: Langen/Bunte, Kartellrecht Band 2: Europäisches Kartellrecht, 12. Aufl., 2014, Art. 101 AEUV Rn. 109. 543 Dreher/Kulka (Fußn. 40), § 7 Rn. 836-837; EuGH v. 2.10.2003 - Rs. C-194/99, Slg. 2003, I1081 Tz. 82-83 - Thyssen Stahl AG/Kommission: „[…]; sie sind vielmehr im Sinne des Grundgedankens der Wettbewerbsvorschriften des EG-Vertrags und des EGKS-Vertrags zu verstehen, wonach jeder Wirtschaftsteilnehmer selbständig zu bestimmen hat, welche Politiker auf dem Gemeinsamen Markt betreiben und welche Bedingungen er seiner Kundschaft gewähren will.“ 544 Dreher/Kulka (Fußn. 40), § 7 Rn. 837: „Beeinträchtigung dieser Selbstständigkeit werden so zu Wettbewerbsbeschränkungen.“ 545 Vgl. Großman (Fußn. 14), S. 11 (über die Inhalts- und Abschussbindungen); s. zum Begriff der Vereinbarungen zwischen Unternehmen Kling/Thomas (Fußn. 37), § 5 Rn. 52-59. 546 S. zur Unternehmenseigenschaft auch Kling/Thomas (Fußn. 37), § 6 Rn. 16-18.
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§ 3 Die vertikal integrierte Marktstruktur und das Risiko von Wettbewerbsverstößen
gen über die Wettbewerbsbedingungen auf dem integrierten Markt. Dies bedeutet, dass die zugeordneten Unternehmen keine selbstverantwortlichen Subjekte sind, die über ihre Wettbewerbsstrategie entscheiden können. Vielmehr handeln sie bloß in Ausübung der ihnen transferierten Marktmacht. Dies muss aus wettbewerbsrechtlicher Sicht nicht notwendigerweise bedeutend sein. Das Problem entsteht vielmehr auf dem nachgelagerten Markt. Diese Integration kann einen strukturellen Zwang auf die auf dem nachgelagerten Markt bestehenden Unternehmen ausüben,547 da sie den normalen Gewinn nicht mehr erzielen können, sofern sie die alternativen Geschäftspartner nicht suchen (vgl. Ausweichmöglichkeit der Marktgegenseite),548 und deshalb nicht mehr selbstständig über ihre Wettbewerbsbedingungen entscheiden können. Für die auf dem vor- oder nachgelagerten Markt vorhandenen Unternehmen ist die Bedeutung der Selbständigkeitsbeschränkung bei der Entscheidung über ihre Wettbewerbsbedingungen oder -strategien ungleich: i) Für die integrierten Unternehmen bedeutet sie keine Notwendigkeit, genau auf die Marktbedingungen Rücksicht zu nehmen, da diese auf dem von der Integration herrührenden Kostenvorsprung fußt, ii) für die nicht integrierten Unternehmen bedeutet sie einen potenziellen Druck, die Preise unter ihren Herstellungskosten festsetzen zu müssen. Gleichzeitig bringt sie eine Unsicherheit hinsichtlich des langfristigen normalen Wettbewerbs mit sich. 2
Die »präsumtiven« Bildungsmethoden vertikaler Integration
Die Methoden der vertikalen Integration, die durch die Internalisierung von Risiken in Bezug auf die Grundtechnik, -stoffe oder durch Kosteneinsparung549 für stabile Betriebs-550 oder (Zusammen-)Wachstumsstrategien der Unterneh547 S. das Einengen des Handelsspielraums als eine vertikale Behinderung Großman (Fußn. 14), S. 11 f. 548 S. auch Kling/Thomas (Fußn. 37), § 20 Rn. 45 f. 549 Aus unternehmerischer oder betriebswirtschaftlicher Sicht ist ein primäres Motiv die (produktive) Effizienz, obwohl es nur ein oberflächliches ist. Dies bedeutet, dass die Unternehmen die Absicht haben, die innere Ineffizienz zu beseitigen oder synergistischen Effekten auszulösen (Vgl. von Martin K Perry/Robert H. Porter, Oligopoly and the incentive for horizontal merger, Am. Econ. Rev. Vol. 75 No.1, 1983, S. 219 ff.), indem sie durch M&A die überschüssige (Betriebs-)Kapazität praktisch gebrauchen. Hiermit können sie die marktbeherrschende Stellung erkämpfen und dadurch eine Gewinnmaximierung herbeiführen. 550 Großman (Fußn. 14), S. 5 f.; s. über die Deutungen der absatzmarktorientierten Vertikalisierungsstrategien (auf dem insb. Bekleidungsmarkt) Zentes (Fußn. 526), S. 89-93: i) eine Secured Distribution, ii) eine Controlled Distribution, iii) eine Um- oder Neugestaltung der Geschäftsmodelle.
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men (-sgruppen) sorgen, sind vielfältig. Selbstverständlich gibt es auch Kritik an diesen Wettbewerbsbeschränkungen.551 Daher können die typischen Formen wie folgt abgeleitet werden:552 i) die dauerhafte Kombination der laufenden Produktionsstufen,553 ii) der Zusammenschluss zwischen den Unternehmen der unterschiedlichen Marktebenen,554 iii) die Errichtung der neuen Gesellschaften,555 iv) die strategische Aufspaltung von bestehenden Gesellschaften oder Produktionsstufen,556 v) die auf einem langfristigen Vertrag, einer Gemeinschaftsinvestition oder dem gegenseitigen Aktienbesitz beruhende faktische Integration,557 vi) die auf der Handelseigenschaft basierende tatsächliche Integration.558 Die Fälle bezüglich i) sind diejenigen, bei denen die Marktstufen schon aufgrund der industriellen Eigenschaften integriert werden. Nach der Liberali551 Vgl. Großman (Fußn. 14), S. 11 ff. (die ambivalenten Beurteilungen für die vertikale Integration). 552 Vgl. zu den horizontalen Formen Großman (Fußn. 14), S. 8-11; Henk-Merten (Fußn. 19), S. 6-8; Michael H. Riordan, Competitive Effects of Vertical Integration, Colum. Univ. Depart. Econ. Discussion Paper Series, 2005, S. 5-6. 553 Vgl. Henk-Merten (Fußn. 19), S. 7; s. auch Bettina Bergmann, Maßstäbe für die Beurteilung einer Kosten-Preis-Schere im Kartellrecht, WuW 2001, S. 234; Kruse (Fußn. 524), S. 252: „Diese wirken dann bei oberflächlicher Betrachtung wie ein natürliches Monopol. Hierzu gehören die Eisenbahn, die Strom-, Gas- und Wasserversorgung und die Telekommunikation. Dies ist insbesondere durch die in vertikaler Integration historisch gewachsene Unternehmensstruktur erklärbar.“; Großman (Fußn. 14), S. 7: „Der Fall, daß der gesamte Industrieoutput von einem einzigen Unternehmen kostengünstiger hergestellt werden kann als von mehreren Anbietern, ist selten realistisch. […].“ 554 Kommission, Leitlinien Bewertung nichthorizontale Zusammenschlüsse, Tz. 4; Dreher/Kulka (Fußn. 40), § 14 Rn. 1415: „Sind die Unternehmen hingegen auf verschiedenen Stufen einer Lieferkette angesiedelt ‒ die Märkte also vor- bzw. nachgeschaltet ‒, nennt man den Zusammenschluss vertikal.“; Großman (Fußn. 14), S. 11: „Normalerweise ist es für Unternehmen günstiger, nicht sämtliche Aktivitäten selbst durchzuführen, sondern zum Teil anderen Unternehmen zu überlassen.“; Henk-Merten (Fußn. 19), S. 7-8; Wolfgang Nothhelfer, Die leverage theory im europäischen Wettbewerbsrecht, 2006, S. 134 f. 555 Die Errichtung von neuen Gesellschaften auf dem verbundenen Markt stellt offensichtlich einen Marktzutritt dar. 556 Durch die Methode, die inneren Gesellschaften oder Produktionsstufen zu spalten, kann das Unternehmen sowohl eine Kosteneinsparung als auch einen reibungslosen Marktzutritt erwarten, da ein Quasi-Markt für sie nur durch die inneren Geschäfte gebildet wird; s. Richard Connell, M and A performance improvement: A non-traditional view, JMMR Vol. 5, 2010, S. 1 ff. 557 Vgl. Riordan (Fußn. 552), S. 5 (von Salop/O´Brein, Competitive Effects of Partial Ownership: Financial Interest and Corporate Control, 2000); Kommission, Leitlinien Bewertung nichthorizontale Zusammenschlüsse, Tz. 26 (insb. (b) zwischen den Marktteilnehmern bestehen beträchtliche Überkreuz-Beteiligungen oder wechselseitig besetzte Führungsposten). 558 S. über die Wiederverkäufer Kapitel 5. IV. 2. in dieser Arbeit. Nach dieser Handelseigenschaft können die Enterprisemessagingserviceunternehmen die Wiederverkäufer de facto als ihre Unterabteilungen oder Filialen zum Verkauf verwenden.
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§ 3 Die vertikal integrierte Marktstruktur und das Risiko von Wettbewerbsverstößen
sierung der Grundindustrien bleibt die integrierte Struktur de facto bestehen, da die künstliche Auflösung der Monopole keine substanzielle Veränderung des jeweiligen Marktes bedeutet.559 In den Fällen ii), d.h. bei vertikalen Zusammenschlüssen,560 können die Effekte, die aus der nicht-horizontalen Fusion entspringen, auch von den integrierten Unternehmen geltend gemacht werden.561 Innerhalb iii) und iv) kann die tatsächliche Kontrolle durch die Tochtergesellschaft (inkl. Filiale) oder die exklusiv vorhandene Produktion auf dem verbundenen Markt erfolgreich sein.562 Bei den Fällen v) müssen die Unternehmen in einem Organisationszusammenhang stehen, obwohl sie ‒ wenigstens nach dem Gesetz ‒ selbstständig sind. Denn sogar ihre Produktionspläne können von einem langfristen Vertrag, der eine vergleichbare Wirkung wie die Integration hat, abhängig sein.
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Der Anlass zur vertikalen Integration und die vorhersehbaren Effekte
a) Die Leitmotive der vertikalen Integration aus unternehmerischer Sicht “The dominant firm is the only decision maker with market power, which it possesses in both the input and the output market, and acts strategically with respect to
559 Die strukturelle und dauerhafte Ähnlichkeit dieser Industriesektoren zeigt sich z.B in der beträchtlichen Abhängigkeit als einer Eigenschaft der fraglichen Produkte oder Leistungen, den staatlich gelenkten Wirtschaft, d.h. den typischen Regulierungssektoren. 560 BKartA, Beschl. v. 26.2.2002, B8-40000-U-149/01 - E.ON AG/Ruhrgas AG; Hans-Werner Sinn, Fusion E.ON-Ruhrgas: Die volkwirtschaftlichen Aspekte, Institut für Wirtschaftsforschung, 2002, S. 13 f.: „Während die E.ON auf dem deutschen Ferngasmarkt praktisch nicht vertreten ist, liegt der Anteil der Ruhrgas in diesem Marktsegment bei knapp 60%. Auf dem Absatzmarkt der örtlichen Gas-Weiterverteiler hat demgegenüber die E.ON die wichtigere Position.“; Kommission, v. 11.10.2000 - COMP/M.1845 - AOL/Time Warner; v. 4.8.2008 COMP/M.4874 - Itema/ Barcovision; v. 16.2.2004 - COMP/M.3352 - VW/Hahn + Lang; U.S. v. Alcoa, U.S. 271 (1945); U.S. v. Columbia Steel Co. 334 U.S. 495 (1948); U.S. v. E. I. du Pont De Nemours & Co., 351 U.S. 586 (1957); Brown Shoe Co. v. U.S., 370 U.S. 294 (1962); U.S. v. Ford Motors Co., 405 U.S. 562 (1972) s. dazu Sullivan/Hovenkamp/Selanski (Fußn. 88), S. 771 ff.; Riordan (Fußn. 552), S. 4-5. 561 Großman (Fußn. 14), S. 11: „Die gleichen Argumente, die zur Erklärung vertikaler Zusammenschlüsse in der Literatur zu finden sind, lassen sich deshalb auch zur Begründung vertikaler Bindungen heranziehen.“ 562 Vgl. EuGH v. 22.1.1974, Rs. 6 und 7/73, Slg. 1974, 225 ff. - Commercial Solvents/Kommission; s. Fußn. 74 u. 395 über den koreanischen Fall Posco; s. auch Zentes (Fußn. 526), S. 93 f. (insb. Formate der Vorwärtsintegration).
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the fringe. It is useful for motivation to contrast the case of a downstream monopolist who is also a monopsonist in the input market.”563
Aus verschiedenen Gründen können die Unternehmen mit der Integration rechnen. Sie machen typischerweise geltend,564 dass ihre Integration nur der Rationalisierung des Betriebes oder der Kostensenkung dient.565 Jedoch sind Gründe, die sich nicht auf den Wettbewerb beziehen, unvorstellbar,566 obgleich diese wie die beiden Seiten einer Medaille sind. Man kann daher nicht einfach sagen, dass die Verdrängung der Wettbewerber oder die Marktverschließung vom marktbeherrschenden Unternehmen lediglich ein unweigerliches Ergebnis im Verlauf der Effizienzverbesserung ist.567 Damit ist die Frage, ob die Integration in Form einer Umstrukturierung ein erster Versuch ist, die Marktmacht auszudehnen oder den Wettbewerbsdruck auf dem verbunden Markt abzumildern.568 Das doppelseitige Motiv und die objektive Bewertung der vorhersehbaren Effekte können vor allem durch die Marktverhaltensweisen der betreffenden Un-
563 Michael H. Riordan, Anticompetitive Vertical Integration by a Dominant Firm, Am. Econ. Rev. Vol. 88, No. 5, 1998, S. 1232. 564 Vgl. aus RRC-strategischer Sicht Normann (Fußn. 472), S, 1: “OSS [Ordover/Saloner/Salop 1990] argue that firms have an incentive to integrate vertically and engage to in such foreclosure because they gain from a raising-rival's-costs effect. […] Since the downstream unit of the integrated firm benefits when downstream rivals' costs are raised, the integrated firm is better off with the foreclosure strategy than when it actively competes.”; s. der Anreiz zur Integration nach der sog. Williamsons Theorie Rudolf Richter/Eirik G. Furubotn, Neue Institutionenökonomik: Eine Einführung und kritische Würdigung, 4. Aufl., 2010, S. 413 f.: „Williamsons Theorie der Integrationsanreize läßt die Eigentumsfrage offen. […].“ u. S. 417; vgl. Mestmäcker/Schweitzer (Fußn. 12), § 19 Rn. 52. 565 S. dazu Kruse (Fußn. 524), S. 248-252; Großman (Fußn. 14), S. 8: „In der Tat ist zu vermuten, dass Unternehmen bei einem Zusammenschluß danach streben, Rationalisierungsmaßnahmen durchzuführen und Synergieeffekte auszunutzen.“; krit. Paul Milgrom/John Roberts, Bargaining costs, influence costs, and the organization of economic activity, in: James E. Alt, Kenneth A. Shepsle (Ed.): Perspectives on positive political economy, 1990, S. 57 ff. 566 Vgl. Whish/Bailey (Fußn. 152), S. 195-196: “Various economic advantages have been considered to be barriers to entry or expansion: […].” 567 S. dazu Riordan (Fußn. 563), S. 1233: “The presence of a fringe changes this conclusion by giving the dominant firm an incentive for foreclosure. By raising the price of the input, the dominant firm reduces the size of the fringe and gains more power in the downstream market.” 568 Vgl. Großman (Fußn. 14), S. 5 f.; s. auch Riordan (Fußn. 563), S. 1233 (Fußn. 1: “Perry (Vertical Integration: The Monopsony Case, 1978) analyzes vertical integration by a monopsonist, concluding that a procompetitive outcome is the normal case. He assumes that the input is a variable factor of production. In contrast, I assume that the upstream input is a fixed factor in the short run.”).
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§ 3 Die vertikal integrierte Marktstruktur und das Risiko von Wettbewerbsverstößen
ternehmen konkretisiert werden,569 da die Unternehmen sensibel auf den Gewinn und Verlust reagieren.570 b) Die ökonomischen Vor- und Nachteile „Das Zusammenwachsen der Märkte erzeugt aber auch zusätzliche Spannungen, denn mit der Internationalisierung des Wettbewerbs werden gleichzeitig die Marktpositionen der Unternehmen angreifbarer und damit instabiler.“571
Allgemein herrscht die Sichtweise, dass die vertikale Integration weniger wettbewerbsbeschränkend als die horizontale Integration ist, 572 da durch die vertikale Integration der Märkte die Vorbedingungen für die ökonomische Effizienzverbesserung geschaffen werden.573 ďƐĐŚŽƚƚƵŶŐďĞŝĚĞŶŝŶƐĂƚnjŵŝƚƚĞůŶ
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